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Wounded Soul

von

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Sturheit, Ignoranz, Stolz...

So hier kommt das neue Kapitel! Tut mir leid, dass es diesmal länger gedauert hat als bei den vorigen, aber leider sind die Semesterferien jetzt vorüber und das heißt, dass ich mich wieder brav auf meine Vorlesungen zu konzentrieren habe. Da bleibt das Schreiben ein bisschen auf der Strecke... Daher gewöhnt euch lieber dran, dass die Pausen zwischen den einzelnen Kapiteln länger werden, aber ich versprech euch, dass ich mich bemühe!^^ Ansonsten wünsch ich euch jetz viel Spaß mit dem neuen Chapter!
 

Kapitel 4
 

Dämliche Idioten! Kleinkinder! Hirnamputierte Schwachköpfe! Können nicht anständig bladen und glauben, mir Vorschriften machen zu können! Und dann wundern sie sich, warum ich genervt bin!

Immer noch bebend vor Zorn stapfte Kai durch die Straßen Osakas, wobei er hin und wieder einige russische Flüche ausstieß und die verwunderten Blicke der vorbeiziehenden Passanten ignorierte. Gelegentlich rempelte er auch jemanden an, doch ließ er sich nicht zu einer Entschuldigung herab, was die betreffenden Personen sehr entrüstete.

Verdammt, lasst mich doch einfach alle in Ruhe! Ist das denn so schwer?! Ich will nur meine Ruhe!

Mit jeder Minute, die verstrich, wurde er gereizter und er versuchte sich einzureden, dass allein das Verhalten seines Teams dafür verantwortlich war.

Wie soll man bei denen noch vernünftig bleiben? Die bringen doch jeden normalen Menschen auf die Palme!

So versuchte er, sich vor sich selbst zu rechtfertigen, aber im Grunde wusste er, dass seine Freunde absolut unschuldig waren.

Eigentlich benahmen sie sich gar nicht so kindisch - die meiste Zeit jedenfalls und Tyson war hier sowieso als Ausnahme anzusehen - und sie konnten auch absolut nichts dafür, dass er so schlecht gelaunt war. Er hatte es ihnen heute morgen ja wirklich nicht leicht gemacht...

Die Gewissheit, dass er sie vollkommen grundlos angebrüllt hatte, verschlechterte Kais Laune noch mehr. Aber auf seine Freunde war er schon lange nicht mehr wütend.

Du bist ein echtes Arschloch, Hiwatari! Ein cholerisches Ekelpaket, das zu schwach ist, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und deswegen für alles einen Sündenbock sucht!

Ja, der wahre Grund für seine Wut war er selbst. Er hatte zugelassen, dass er die Kontrolle über sich verlor.

Warum hatte er es auch gewagt, so weit zurück zu denken? Er wusste doch, dass er diese Erinnerungen nicht verkraftete. Er besaß nicht die Stärke, damit fertig zu werden, und um seine Schwäche zu überspielen, flüchtete er sich in Zorn. Und diesen Zorn mussten ausgerechnet seine Freunde zu spüren bekommen...

Kai seufzte und seine schlechte Laune wich mehr und mehr der Traurigkeit. Es tat ihm schon längst leid, dass er sein Team so angefahren hatte, aber es war nun einmal geschehen und er konnte es nicht rückgängig machen.

Soll ich mich... bei ihnen entschuldigen?

Der Gedanke behagte ihm gar nicht. Zugegeben, er hatte ein schlechtes Gewissen, aber das war lange nicht so groß wie sein Stolz. Es war schon schlimm genug, dass er überhaupt die Kontrolle über sich verloren hatte, aber dies dann noch vor seinen Freunden einzugestehen und ihnen seine ganze Schwäche zu offenbaren... nein, das konnte er unmöglich tun.

Sei stark! Um stark zu sein, verbanne deine Schwäche! Um deine Schwäche zu verbannen, kontrolliere deine Gefühle!

Das war es, was man ihm beigebracht hatte.

All die Jahre hatte er danach gelebt, er kannte es gar nicht mehr anders.

So sehr er seinen Großvater und Boris heute verabscheute, ihre Lehren konnte er nicht so einfach aus seinem Kopf verbannen.

Boris...

An ihn hatte Kai während des Trainings gedacht. Daran, wie er ihm das erst Mal begegnet war. Wie sein Großvater ihm und seinen Geschwistern ihre Zukunft in der Abtei offenbart hatte.

Die wenigen Tage, die er mit Nadia und Sergej in der düsteren Villa verbracht hatte, waren Kai noch deutlich in Erinnerung geblieben und ganz besonders jener erste Abend, als sie zu dritt in einem Bett geschlafen hatten...

Missmutig schüttelte Kai den Kopf.

Jetzt hör endlich auf damit! Du machst es immer schlimmer, wenn du ständig an die Vergangenheit denkst!

Kai wollte es sich nicht eingestehen, aber er hatte Angst. Es war eine Ewigkeit her, seit er zum letzten Mal an seine Familie oder an Boris gedacht hatte und er hatte diese Erinnerungen keineswegs vermisst.

Warum holte ihn das also plötzlich mit einem Mal alles wieder ein?

Warum hatte er diesen Traum gehabt? Und weshalb gelang es ihm nicht mehr, seine Gedanken vor der Vergangenheit zu verschließen, wie er es all die Jahre gekonnt hatte? Gab es dafür überhaupt einen Grund?

Hatte irgendein Ereignis in der jüngsten Zeit seine Erinnerungen ausgelöst?

Kai zermarterte sich das Hirn und grübelte über die letzten Wochen nach, aber ihm wollte nichts einfallen.

Sie hatten die BEGA geschlagen, die G-Revolution hatte sich aufgelöst und die Bladebreakers hatten beschlossen, ein Comeback zu starten. Sie waren alle wieder bei Tysons Großvater eingezogen und hatten sich erstmal von den Strapazen erholt, bis Kai sie vor wenigen Tagen hierher nach Osaka geschleift hatte. Auch hier war nichts Außergewöhnliches passiert.

Kai drillte seine Teammitglieder nach Leibeskräften, wie üblich, und diese jammerten über diese ständige Schinderei, ebenfalls wie üblich.

Hin und wieder liefen sie anderen Hotelgästen über den Weg, doch Kai sorgte meist mit ein paar bösen Blicken dafür, dass sein Team in Ruhe gelassen und nicht vom Training abgelenkt wurde.

Nichts Außergewöhnliches. Nirgendwo auch nur der nichtigste Grund, der kleinste Anstoß für Kais verlorene Selbstkontrolle über seine Gedanken.

Verdammt! Irgendeine Ursache muss es doch geben! Sorgsam verdrängte Erinnerungen beschließen nicht von einem Tag zum anderen, sich mal wieder aus den Weiten der Gehirnwindungen zurückzumelden und auf 'nen Anstandsbesuch vorbeizuschauen!

Eigentlich hatte Kai von der ewigen Grübelei längst die Schnauze voll.

Für einen Moment überlegte er, ob er dem Drang einfach nachgeben und erneut in seine Vergangenheit eintauchen sollte, doch diesen Gedanken verbot er sich auf der Stelle.

Ein Kai Hiwatari gab niemals nach!

Stattdessen beschloss er, sich eine andere Taktik zuzulegen:

Er würde so tun, als wären die letzten Stunden nie passiert. Er würde keinen einzigen Gedanken mehr an seinen Traum verschwenden und auch nicht krampfhaft versuchen, die Erinnerungen zurückzudrängen. Er würde sich einfach einreden, alles unter Kontrolle zu haben und dann würde er die Kontrolle tatsächlich zurückgewinnen. Sämtliche Kommentare, Bemerkungen oder auch nur merkwürdige Blicke seiner Teammitglieder würde er einfach gekonnt ignorieren, darin hatte er Übung.

Ja, Sturheit und Ignoranz, damit war er bisher immer gut durchs Leben gekommen. Und in seiner momentanen Situation erschien ihm dieses Patentrezept mehr als erfolgsversprechend!
 

Noch etwa zehn Minuten warteten die Bladebreakers im Innenhof, doch als klar war, dass ihr Leader nicht zurückkommen würde, zerstreuten sie sich.

Tyson schleifte Max sofort ins Restaurant, in der Hoffnung dort bereits ein frühes Mittagessen abstauben zu können, während sich Hilary und Kenny auf ihre Zimmer verzogen.

Auch Ray spielte kurz mit dem Gedanken, schon zum Essen zu gehen, doch nach einem Blick auf das angebotene Tagesmenü verwarf er diesen sogleich wieder. Eingelegter Kohl und frittierte Hühnergliedmaßen ergaben für ihn keine sehr appetitanregende Kombination.

Vielleicht hätte Mr Dickenson bei der Auswahl der Herberge doch ein paar Kriterien mehr festlegen sollen... Schließlich konnte nicht jeder so einen stählernen Magen haben wie Tyson.

Also entschloss Ray sich, in der Stadt zu essen. Das müsste er dann zwar aus eigener Tasche bezahlen, aber wenn es ihm dafür erspart blieb, anschließend den Giftnotruf zu wählen, würde er das akzeptieren.

Rasch ging er auf sein Zimmer, gönnte sich eine kurze Dusche und verließ dann in frischen Klamotten und mit seiner Geldbörse in der Tasche die Herberge.

Er war sich erst nicht sicher, wohin er sich wenden sollte. Er war noch nie zuvor in Osaka gewesen und in den drei Tagen, die sie jetzt schon hier waren, hatte es keine Möglichkeit gegeben, die Stadt zu erkunden. Dafür hatten Kai und sein Trainingsplan gesorgt.

Auch jetzt fragte sich Ray, wieviel Zeit ihm wohl blieb, bis der Russe wieder auftauchen und mit der Schinderei fortfahren würde.

Der Gedanke, zu spät zum Training zu erscheinen, hatte nämlich nichts Verlockendes...

Besser ich beeile mich!

Der Chinese sah sich um. Die Herberge lag wirklich im Randbereich der Metropole und die Straßen hier wirkten alle eher verschlafen. Er würde seine Nahrungssuche wohl woanders beginnen müssen.

Darum ging Ray zur nächsten Haltestelle und stieg in den erstbesten Bus ein, der dort hielt. Ganz egal, wo er hinfuhr, es würde sich ja wohl irgendeine Imbissbude oder dergleichen finden lassen. Hauptsache, er landete nicht im Industriepark...

Aber offenbar war ihm Fortuna hold, denn der Bus spuckte ihn in der Nähe von Shinsaibashi aus, eine der größten Einkaufsstraßen der Stadt.

Hier traten sich die Leute zwar gegenseitig auf die Zehen, aber verhungern würde er hier gewiss nicht. Tatsächlich dauerte es keine zwei Minuten, bis ihm der köstliche Geruch von gegrilltem Schweinefleisch in die Nase stieg und ihn veranlasste, vor einer kleinen Imbisstheke halt zu machen.

Die Preise des Ladens waren zwar exorbitant, aber Rays Magen hatte schon längst über sein Hirn triumphiert und so bestellte sich der Chinese eine Portion (mit Reis und gedünsteten Sojasprossen als Beilage) und verschlang sie mit großem Behagen.

Dabei stellte er sich vor, wie Max jetzt in diesem Moment sein Essen in Senf ertränkte, während Tyson sich einfach alles wahllos in den Mund schaufelte, und ein breites Grinsen stahl sich auf seine Lippen.

Ob sich Hilary und Kenny wohl dazu durchringen können, das Zeug zu essen? Vielleicht hätte ich die beiden fragen sollen, ob sie mich begleiten wollen. Aber naja, jetzt ist es eh zu spät.

Genüßlich nahm er den letzten Bissen und legte dann die Essstäbchen zur Seite.

Ich seh lieber zu, dass ich zurückkomme. Wer weiß schon, wann Kai wieder auftaucht...

Mit diesem Gedanken erhob er sich und trat wieder auf die Straße.

Eigentlich wäre er gerne noch ein wenig durch die Gegend spaziert und hätte sich umgesehen, aber das war am heutigen Tag mehr als unklug. Nicht bei Kais labiler Stimmung...

Würde mich ja echt mal interessieren, was mit dem heute los ist.

Hilary war nicht die Einzige gewesen, die Kais mentale Abwesenheit während des Trainings registriert hatte. Klar, es war für den Russen üblich, schweigend an irgendeiner Wand zu lehnen, aber für gewöhnlich wirkte er selbst dabei hoch konzentriert, selbst wenn seine Augen geschlossen waren.

Ein Kai Hiwatari, der nur ins Leere stierte und dann auch noch zusammenfuhr, wenn man ihn ansprach, war dagegen ein wahrhaft ungewohnter Anblick.

Irgendetwas beschäftigt ihn. Aber mit der Sprache rausrücken wird er wohl kaum.

Ray seufzte. Es war wirklich nicht leicht, mit dem verbohrten und hoffnungslos verkorksten Russen auszukommen.

Okay, er war ihr Freund, aber das hieß noch lange nicht, dass Ray oder einer der anderen Bladebreakers aus Kai schlau geworden wäre.

In den drei Jahren, in denen sie ihn nun schon kannten, hatte dieser zwar deutlich Sympathie für sein Team entwickelt, doch keinerlei Vertrauen...

Ray bezweifelte, dass Kai überhaupt irgendjemandem vertraute und wie schon so oft fragte er sich, wie wohl Kais Vergangenheit ausgesehen haben musste.

Er wusste, dass sein Teamleader in dieser komischen Balkov-Abtei in Moskau ausgebildet worden war und dass er dort vermutlich keine sehr angenehme Zeit verbracht hatte. Zumindest war das zu erahnen angesichts der Reaktionen, die Kai zeigte, wann immer das Thema auch nur angeschnitten wurde.

Doch was genau war dort geschehen?

Es interessierte Ray wirklich, denn auch wenn er stur und aufbrausend war, so ließ sich doch nicht leugnen, dass Kai ein faszinierender Mensch war. Einerseits bemühte er sich nach Kräften, sich die Leute vom Leib zu halten und dann gab es wieder jene seltenen Gelegenheiten, in denen er sich als ausgesprochen warmherzig und hilfsbereit erwies.

Was muss einem Menschen widerfahren, dass sein Wesen so zerrissen ist?

Ray hatte sich diese Frage schon öfter gestellt und sie auch mit den anderen diskutiert, doch Spekulationen halfen ihnen hier nicht weiter und Kai selbst würde ihnen wohl keine Antwort geben.

Eigentlich schade.

Ja, Ray bedauerte es wirklich, dass sein Freund so verschlossen war, vielleicht hätte er ihm ja helfen können. Denn Kai brauchte Hilfe, da war er sich sicher und nach dem heutigen Ausbruch beim Training umso mehr.

Es war einfach unübersehbar, dass den Russen irgendetwas beschäftigte und ihm vermutlich sogar Probleme bereitete. Doch er war nun mal ein Einzelgänger, der sich nicht helfen lassen wollte.

Eigentlich könnte Ray das ja egal sein, aber wenn Kai seine Probleme wie heute auf seine Teammitglieder abwälzte, wurde es auch zu seiner Angelegenheit.

Ach, Hiwatari, du elender Sturkopf!

Er sah ein, dass ihm die Grübelei nicht weiterhalf, und mit einem mentalen Seufzer vertrieb er den Russen aus seinen Gedanken und machte sich auf den Rückweg.

Doch nun schien ihn das Glück verlassen zu haben. Der Bus, den er nehmen musste, fuhr natürlich direkt vor seiner Nase davon und nach einem Blick auf den Fahrplan kam in ihm tatsächlich Verzweiflung auf. Der nächste, der in den betreffenden Stadtteil fuhr, kam erst wieder in zwei Stunden und solange konnte Ray nun wirklich nicht warten, wenn er vermeiden wollte, dass ihm der Kopf abgerissen wurde.

Warum musste uns Mr Dickenson auch im hintersten Winkel Osakas einquartieren?

Sollte er ein Taxi nehmen? Ein Blick in die weite Leere seines Portmonaies nahm ihm die Entscheidung ab.

Na gut, dann würde er eben so weit fahren wie möglich und den Rest zu Fuß gehen! Seine Hand fuhr in seine Jackentasche und versicherte sich, dass er den Stadtplan von Osaka, den er sich noch in Tokyo für den Fall der Fälle besorgt hatte, bei sich trug.

Irgendwie komm ich schon zurück! Wär doch gelacht...
 

Doch eine geschlagene Stunde später war Ray überhaupt nicht mehr nach lachen zumute. Eigentlich hatte der erste Teil seines Plans ja ganz gut geklappt, immerhin hatte er einen Bus gefunden, der ihn laut Karte etwa drei Kilometer von ihrem Hotel entfernt absetzte. Keine Entfernung für einen Sportler wie ihn! Ein kleiner Fußmarsch, nichts weiter!

Doch was Ray wirklich Schwierigkeiten bereitete, war nicht die Distanz, sondern die vielen verwinkelten Straßen. Schon dreimal war er in einer Sackgasse gelandet - wobei es sich in zwei Fällen um die selbe handelte - und er bekam so langsam den Eindruck, dass seine Karte alles andere als aktuell war.

Verdammter Mist! Jetzt fällt mir auch wieder ein, warum ich Großstädte nicht leiden kann!

Er kam nun mal aus einem kleinen chinesischen Dorf. In Tokyo hatte er sich die ersten Wochen auch nur dank seiner japanischen Freunde zurecht gefunden und hier in dieser unbekannten Stadt fühlte er sich mit einem Mal mehr als verloren.

Ray versuchte, einen letzten Rest Optimismus in die Lage zu bringen:

Immerhin, wenn ich das Hotel nicht mehr wiederfinde, kann Kai mich auch nicht zusammenstauchen...

"Hey, Ray, was machst du denn hier?"

Überrascht riss der Chinese die Augen auf, als er die Stimme hinter sich vernahm. Konnte es solche Zufälle überhaupt geben?

Er drehte sich um und sah in zwei rubinfarbene Augen, die ihn belustigt musterten.

"Sag bloß, du hast dich verlaufen! Tja, bist eben doch ein Landei", meinte Kai, doch klang seine Stimme eigentlich eher freundlich als spöttisch und Ray - ohnehin schon verwirrt - musterte seinen Kapitän ungläubig.

Was soll denn das nun wieder? Erst rastet er total aus und jetzt ist er die Nettigkeit in Person?

Doch der Chinese kam schnell zu dem Schluss, dass er sich darüber auch später noch den Kopf zerbrechen konnte, und war im Moment einfach nur froh über die "Rettung".

"Ja, um ehrlich zu sein, hab ich mich verlaufen", stimmte er verlegen zu, "aber im Gegensatz zu dir bin ich ja auch nicht in einer Großstadt aufgewachsen!"

"Jaja, ist ja schon gut. Komm einfach mit, ich bring dich zurück. Ist ohnehin bald Zeit für's Nachmittagstraining."

War ja klar.

Seufzend ergab sich Ray seinem Schicksal und folgte dem Russen durch die Straßen.

Dieser hatte anscheinend keinerlei Probleme sich zu orientieren und nach kaum fünfzehn Minuten betraten sie ihr Hotel.

Im Restaurant war Tyson immer noch mit Futtern beschäftigt, während Max, Hilary und Kenny - alle drei mit leicht ungesunder Gesichtsfarbe - daneben saßen und ihm Gesellschaft leisteten.

Ray fiel es äußerst schwer, sein Grinsen zu verbergen.

Beim Eintreten Kais sahen die vier vom Tisch auf und zogen bereits in Erwartung eines neuen Wutanfalls die Köpfe ein, doch der Russe meinte nur ganz gelassen, dass er sie in einer Viertelstunde zum Training erwarte, und marschierte dann ab.

Den vieren fiel vor Überraschung die Kinnlade runter - in Tysons Fall ein eher unappetitlicher Anblick - und verwirrt blickten sie zu Ray, der aber nur mit den Schultern zuckte, um zu zeigen, dass er selbst keine Ahnung hatte.

Es war wirklich nicht der beste Tag, um aus Kai schlau werden zu wollen.

Die Bladebreakers jedenfalls waren über den Stimmungswechsel mehr als dankbar.

Zugegeben, das nachmittägliche Training war schweißtreibend und Kai unerbittlich wie immer, aber wenigstens verzichtete ihr Kapitän jetzt auf Beschimpfungen und beschränkte sich auf klar strukturierte Anweisungen, die er mit ruhiger, fester Stimme erteilte.

Ray fragte sich, ob Kai dies unter einem Friedensangebot verstand, beschloss aber auf jeden Fall, es als solches aufzufassen. Mehr konnte man von ihrem Kapitän schließlich nicht erwarten und immerhin schien er seinen Fehler eingesehen zu haben.

Und das Training verlief erstaunlich gut.

Es machte sich doch bemerkbar, dass der erfahrene Russe wieder die Leitung übernommen hatte, denn ihm entging nicht der kleinste Fehler. Er erkannte stets sofort, warum ein bestimmter Move nicht funktionierte, und bemühte sich nach Kräften, dem betreffenden Teammitglied die Lösung darzubieten.

Während Kenny die verschiedenen Spielweisen der Blader allein durch seine Computerdaten analysierte, hörte Kai auf seinen Instinkt und seine Erfahrung und dies war für ihr Training ebenso gewinnbringend, denn sie profitierten ungemein davon.

Ob es nun daran lag, dass sie alle wieder viel entspannter waren oder dass die Bladebreakers ihrem Kapitän keinen erneuten Anlass zur Unzufriedenheit liefern wollten, jedenfalls legten sie sich alle mächtig ins Zeug und bestanden jede Herausforderung, die Kai ihnen stellte, ganz gleich ob Übungskämpfe, Hindernisparcourse oder körperliches Training, und bei Einbruch der Dämmerung beendete Kai das Ganze schließlich mit einem zufriedenen Nicken.

"Gut, das Training scheint ja langsam was zu bringen. Wir machen Schluss für heute."

Erschöpft, aber gleichzeitig auch äußerst stolz auf sich selbst, verließen die Blader den Innenhof und gingen auf ihre Zimmer.

Nur Ray blieb zurück, weil er noch kurz mit Kai reden wollte, der sich jetzt allein am Tableau aufgestellt hatte, um sein übliches Einzeltraining durchzuziehen. Als er jedoch den Chinesen erblickte, hob er überrascht die Augenbraue.

"Was ist?"

Doch Ray schüttelte nur den Kopf.

"Nichts", meinte er, "ich wollte dir nur sagen: Gutes Training! Du bist wirklich ein guter Kapitän."

Und mit einem freundlichen Lächeln drehte er sich um, ging ins Haus und ließ einen verwirrten Kai zurück.

Ja, ich glaube, das war das Richtige.

Ray war zufrieden. Er hatte ursprünglich beabsichtigt, noch mehr zu sagen, aber eigentlich waren diese Worte ausreichend gewesen. Hoffentlich hatte Kai jetzt begriffen, dass seine entspannte und friedliche Stimmung viel besser für das Team war als seine Übellaunigkeit, und vielleicht würde er sich das zu Herzen nehmen...
 

Verwundert blickte der Russe seinem Freund nach.

Was sollte das denn jetzt wieder?

Manchmal war Ray wirklich seltsam.

Aber was kümmerte es ihn? Wenn der Chinese meinte, er wäre ein guter Trainer, dann sollte es ihm recht sein. Und immerhin war das Training wirklich gut gewesen!

Offenbar hatte er tatsächlich wieder die Kontrolle über sich gewonnen und Kai war darüber sehr zufrieden.

Schulterzuckend wandte er sich wieder dem Tableau zu und entließ Dranzer in die Arena. Wie üblich ließ er den Blade erst einige Runden in Höchstgeschwindigkeit drehen, damit der temperamentvolle Phönix sich austoben konnte, und tatsächlich erschien das Bitbeast auch sofort und spreizte die gewaltigen Schwingen.

Obwohl vertraut, war dieser Anblick für Kai jedes Mal aufs Neue faszinierend.

Wie an jenem Tag vor so vielen Jahren, als seine Mutter ihm den Phönix zum ersten Mal gezeigt hatte, spürte der Junge auch jetzt wieder dieses sonderbare Band der Vertrautheit mit diesem Wesen.

Die Verbindung zwischen ihnen war viel tiefgreifender als die zwischen irgendeinem anderen Blader und seinem Bitbeast - einzigartig - und Kai wusste das. Wie sollte es auch anders sein? Sie hatten gemeinsam mehr durchgestanden als irgendjemand sonst.

So lange bist du jetzt schon an meiner Seite, Dranzer...

Ohne dass er sich dessen bewusst wurde, glitt Kai langsam wieder in seine düsteren Gedanken. Der Phönix fühlte die Traurigkeit seines Herrn und wandte ihm seinen herrlichen Kopf zu, so dass er ihm nun direkt in die Augen sah.

Du hast mich in all den Jahren, all diesen finsteren Jahren begleitet, mein Freund.

Dranzer stieß einen leisen, melancholischen Schrei aus. Er konnte die Gedanken des Jungen spüren, teilte seine Erinnerungen und Gefühle mit ihm und Kai überkam plötzlich eine abgrundtiefe Traurigkeit. Seine Kehle schnürte sich zu.

Rasch blinzelte er die aufkommenden Tränen weg.

Was war heute nur los mit ihm? Den ganzen Nachmittag hatte er sich so gut zusammengerissen, und jetzt?

Dranzer fiepte zaghaft, in der Hoffnung Kai irgendwie zu trösten und diesem gelang ein trauriges Lächeln.

Ich weiß auch nicht, was los ist, Dranzer. Wann immer ich unachtsam werde, schweifen meine Gedanken zu ihnen... Ich kann gar nichts dagegen tun. Ich sehe sie vor mir, höre ihre Stimmen und... und frage mich... ob ich sie...

Mit Mühe unterdrückte er ein Schluchzen.

...ob ich sie hätte retten können...
 

Puh, das war jetzt mal ein anstrengendes Kapitel! Ich hab mich echt schwer damit getan, aber ich denke, ich habe meine beiden Hauptziele ganz gut erreicht: zum Einen, Ray endlich als zweiten Hauptcharakter einzuführen, (Falls ihr euch fragt, was diese ganze Imbiss- und Busgeschichte sollte: ich wollte einfach mal ein Szenario errichten, wo Ray nachdenkt ohne unter der Dusche zu stehen!^^ Guckt euch mal im Archiv um: in jeder zweiten FF taucht irgendwann ein Kapitel auf, in dem ausgiebig auf Kais oder Rays Körperhygiene eingegangen wird! XD) und zum Anderen, die Brücke zur nächsten Rückblende zu schlagen.

Denn das nächste Kapitel wird wieder Kais Vergangenheit umfassen - obwohl ich bezweifle, dass ich mit einem einzigen Chapter diesmal auskomme. Stellt euch also lieber gleich auf mehrere hintereinanderfolgende und ziemlich düstere Flashback-Kapitel ein. ^^' Aber es ist wichtig, dass ich Kais Vergangenheit so bald wie möglich abgehandelt hab, denn eigentlich steht ja seine und Rays Gegenwart bzw. Zukunft im Mittelpunkt der Geschichte.

Gut, das wollte ich nur mal gesagt haben, damit ihr wisst, was euch erwartet! Bis zum nächsten Mal!

Eure Redbird2 *wink*



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Minerva_Noctua
2008-10-11T11:09:20+00:00 11.10.2008 13:09
Ich liebe diese FF!
Du übermittelst die Gefühle sehr gut und man kann sich alles gut bildlich vorstellen.
Sehr gut^^!
Mir hat in diesem Kapitel am besten die Stelle an der Ray aufgegabelt wurde gefallen.
Schreib schnell weiter.

Bye

Minerva
Von:  Alex_Dryden
2008-10-10T22:21:26+00:00 11.10.2008 00:21
Hey^^
Das hast du wieder ganz toll geschrieben.
Ihc fand es voll lustig wie Ray durch die gegend geirrt ist und dann Kai traff.
Ich freu mich riesig darauf wies weiter geht.
Möchte unbedingt wissen was noch alles in Kais Vergangenheit passiert ist und auch wie sonst so weiter geht.
Mach so schnell du kannst weiter.^^

Ciao Kai-Kai

PS:Erste^^ *jubel* *freu*


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