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Das Blut des Königs

Gibt es überhaupt Helden in Zeiten des Krieges?
von

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Perregrin der Jüngere blickte argwöhnisch von der Stadtmauer auf die Ebene. Der Hauptmann hatte im den Befehl gegeben, die Stellung zu halten und zwar um jeden Preis und genau das gedachte er zu tun. Die herannahenden Tamuraner versah er daher gehorsam mit den Bolzen seiner Armbrust, wenn sie der Mauer zu nahe kamen.

Natürlich war dies nicht Perregrins erster Einsatz in der Miliz, aber der erste, bei dem so viel auf dem Spiel stand. Er und seine Kameraden taten ihr möglichstes, aber es erschien ihm, als würden für jeden erschossenen Tamuraner zwei folgen. Noch handelte es sich um einfaches Fußvolk, das sich mit Leitern und Enterhaken Zugriff zu verschaffen suchte, doch in der Ferne konnte er schon gewaltige Belagerungsmaschinerie auffahren sehen. Zwei Katapulte und einen Rammbock sah er mit Sicherheit, aber in der gewaltigen Menschenmasse, die sich der Stadt näherte, konnte sich ohne weiteres noch mehr verbergen. Der strahlende Sonnenschein dieses Tages schien sie alle zu verhöhnen – wenn der Abend dämmerte würden sie alle in Blut versinken.

Zwei seiner Kameraden waren bereits feindlichen Pfeilen zum Opfer gefallen – er selbst dachte nicht daran, dass ihm das passieren könnte. Für ihn gab es nur seine Armbrust und den Gegner.

Sosehr in Konzentration versunken bemerkte er nicht, wie die Zeit verstrich.

Erst ein Beben des Bodens holte ihn in die Realität zurück – der Rammbock hatte die Stadttore erreicht!

Die Verteidigung von Anareana bestand aus einer Stadtmauer mit dem Haupttor, das nun natürlich unter Hauptbeschuss stand. Danach folgten noch ein äußerer und ein innerer Ring, die noch einmal länger standhalten konnten. Inmitten alledem ruhte der Palast. So gesehen war es noch nicht der Untergang der Stadt, wenn sie die Stadttore einnahmen – es war aber eine eindrucksvolle Demonstration ihrer Macht.

Überall schrieen seine Kameraden: „Die Tore!“ „Es sind zu viele!“ „Nehmt Flammenpfeile!“ und obwohl es Perregrin fern lag, sich von der Panik mitreißen zu lassen, so gelangen ihm doch weniger Treffer als zuvor.

Unvermittelt berührte ihn eine Hand an der Schulter und überrascht drehte er sich um. Er blickte in die glasigen Augen einer Frau. Sie wirkte nicht wie eine Soldatin, obwohl sie ein Schwert auf dem Rücken trug und in eine Lederrüstung gekleidet war. Ein Blick auf die Tätowierung ihrer Hände wies sie als Magierin aus. Sie wirkte wie ihn Trance, weswegen er sich nicht getraute, sie anzusprechen.

Was er aber spürte, war, wie in ihm die Lebensgeister erwachten und sein Mut zurückkehrte. Als dies geschehen war, ließ sie von ihm ab und wandte sich seinen Kameraden zu.

„Danke,“ flüsterte er. Hätte er früher gewusst, dass auf die Mitglieder des Magierrats an ihrer Seite kämpften, so hätte er nicht so schnell resigniert. Zufrieden lud er seine Armbrust nach.
 

Trotz ihrer Trance hatte Amaryll die Erschütterung gespürt. Das Stadttor war unter Beschuss. Natürlich passierte das früher oder später bei jeder Belagerung, dennoch hatte sie gehofft, dass es nicht so schnell geschah. Sie musste den Soldaten Zeit verschaffen, das war das Wichtigste, aber nicht bevor sie ihre eigentliche Aufgabe erfüllt hatte. In einem entlegenen Winkel ihres Bewusstseins spürte sie zwar, wie ihre Kräfte langsam und stetig nachließen, aber dafür hatte sie nun einfach keine Zeit. Sie war nicht hierher gekommen, um sich auszuruhen.

Sie zog das Schwert aus der Scheide auf ihrem Rücken und rammte es mit aller Kraft in den Boden, dann konzentrierte sie sich auf das Metall in ihrer Hand – den Griff, die Klinge, die Steine. Die Energie kroch Platten entlang, bis sie jeden der Soldaten erreicht hatte. Heilung, Mut, Inspiration – diese Männer kämpften an der Front, sie durften nicht fallen.

Amaryll wartete ab, bis sie wusste, dass jeder von ihrer Heilung profitiert hatte, dann unterbrach sie die Verbindung. Als sie das Schwert aus dem Boden zog, registrierte sie am Rande, dass sie schwankte.

Ja, die Soldaten so zu heilen hatte sie mehr Kraft gekostet, als jeden einzelnen zu berühren, aber die Zeit lief ihr davon. Deswegen lief sie so schnell sie konnte zu den Toren. Sie nahm war, dass bereits zwei andere Mitglieder des Magierrates dort waren und das Tor mit ihren Kräfte verstärkten, also gesellte sie sich einfach dazu und lieh ihnen auch noch ihre Fähigkeiten.

Sie war nicht in der Lage das Holz direkt zu berühren also ließ sie ihren Geist wandern, suchen, bis er das Tor gefunden hatte. Dann versuchte sie direkt in die Materie einzudringen, eins zu werden mit jeder Faser. Das bedeutete, jeder Muskel von ihr bekam die Erschütterung unmittelbar mit, aber es bedeutete ebenfalls, dass das Tor vorerst nicht zu zerbrechen war – zumindest in der nächsten Zeit, bis ihrer aller Kräfte nachließen.
 

Tam Jardin runzelte die Stirn.

Als stellvertretender Kommandant der königlichen Truppen trug er die Verantwortung für den Verlauf der Schlacht.

Er war sich nicht sicher, ob er dem gewachsen war. Momentan hatte er ein temporäres Truppenquartier am Fuße des Palastes bezogen und saß an einem notdürftig zusammengezimmerten Tisch, auf dem eine rudimentäre Karte der Stadt ausgebreitet lag. Mit Figuren hatte er versucht, die Lage an der Front nachzustellen, um im Notfall reagieren zu können. Von Zeit zu Zeit kamen Soldaten hereingeeilt, um ihm die eine oder andere Veränderung im Geschehen mitzuteilen.

Wie es aussah, versuchte der Feind immer noch das Stadttor zu zerstören und scheiterte nach wie vor am Widerstand der Magier.

Zunächst war Jardin skeptisch gewesen, magisch Begabte an der Schlacht teilnehmen zu lassen. Novizen ermüdeten zu schnell und waren deshalb nur begrenzt einsatzfähig, Lehrlinge und Ausgebildete waren schon lange ein Teil der Truppen und wurden, je nach Schwerpunkt ihrer Kräfte zur Heilung, Attacke oder als Spähtrupps eingesetzt. Obwohl sie den anareanischen Truppen auf den ersten Blick einen Vorteil verschaffen sollten, hatte es in keiner der bisherigen Schlachten so funktioniert, wie geplant. Zumeist waren ihre Kräfte zu schnell aufgebraucht oder sie waren gar nicht erst in der Lage gewesen sich zu konzentrieren. Wie es mit den Mitgliedern des Rates aussah, wusste er hingegen nicht. Es war aber anzunehmen, dass sie stärker waren als gewöhnliche Gildenangehörige.

Dass man sie erst jetzt einsetzte, war hingegen verständlich, immerhin gehörten sie zu den am meisten geachteten Persönlichkeiten des Landes und waren niemand, dem man einfach so befehlen konnte zu kämpfen. Wenn er richtig informiert war, so nahmen auch längst nicht alle zwölf Ratsmitglieder an der Schlacht teil, er hoffte nur, dass die, die es taten, in der Lage waren, den Spieß umzudrehen.

Er riss sich aus seinen Gedanken los, stand auf und versuchte einen direkten Blick auf die Kampfhandlungen zu bekommen. Den Lärm konnte er hören, aber es gab kaum etwas zu sehen. Er seufzte, blieb dennoch stehen – und wartete.
 

„Sie haben das Tor magisch verstärkt!“

Sairen Donnerbolzen, Kommandant der tamurischen Angriffstruppe an der Front, lächelte fast gelangweilt, als ihm ein panischer Soldat diese Neuigkeiten brachte.

„Natürlich haben sie das. Sie sind verzweifelt. Wenn das Tor fällt, dann fallen auch sie.“

„Aber Sir, sie setzen Magie ein! Wir haben keine Magie.“

„Und warum haben wir keine Magie? Sie ist böse und lenkt von den eigentlichen Zielen ab. Sieh dir diese schwachen Anareaner an. In jedem Kampf haben sie Magie eingesetzt und hat es ihnen etwas gebracht? Nein. Letzten Endes haben sie alle vor uns zitternd im Staub gelegen. Was haben wir stattdessen? Unsere Köpfe, unsere Muskelkraft. Damit bringt es ein Mann viel weiter, anstatt sich auf irgendeinen Hokuspokus zu verlassen.“

„Ihr habt natürlich recht, Sir. Dennoch versuchen unsere Männer seit über zwei Stunden verzweifelt das Tor zu zerschlagen, ohne ihm einen Kratzer zugefügt zu haben, während sie von oben abgeschossen werden, wie die Ratten. Eine solche Situation gab es bislang nicht.“

„Es gehört zu einer guten Schlacht dazu, Herausforderungen gestellt zu bekommen. Ich sage es noch einmal, sie sind verzweifelt. Wer ihnen das Tor verstärkt, das dürften die besten Magier im ganzen Reich sein. Es gibt nicht allzu viele davon und irgendwann werden sie ermüden. Aber ihr habt Recht – unsere Männer müssen nicht unnötig sterben. Wenn sie es unbedingt wollen, müssen wir eben härtere Saiten aufziehen. Ist das Katapult einsatzbereit?“

„So gut wie, weswegen fragt ihr?“

„Weil es eine Möglichkeit ist, ihren Widerstand zu brechen.“

„Verzeiht, wenn ich nicht verstehe.“

Sairen seufzte. Er fühlte sich heute großzügig, deswegen ließ er sich dazu herab, dieser kleinen Kröte seinen Plan zu erklären. Wer wusste schon, was der Mann weitergab? Vielleicht hob es sogar die Moral der Männer. Außerdem gab es ihm die Möglichkeit seine intellektuelle Überlegenheit zu beweisen.

„Wir könnten natürlich Munition über die Stadtmauern schießen und hoffen, ein paar der Magierlein zu treffen, aber das würde nicht funktionieren. Wir wissen nicht, so sie stehen.

Deswegen werden wir sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Um das Tor zu verstärken, müssen sie eins mit der Materie werden, was bedeutet, alles was das Tor spürt, spüren auch sie. Ein paar Erschütterungen mit dem Rammbock halten sie locker aus, aber was wird wohl passieren, wenn wir dem Tor richtig Schmerzen zufügen?“

„Das ist brillant, Sir. Aber woher wisst Ihr soviel über ihre Techniken?“

„Man muss den Feind kennen. Aber genug davon. Gebt Befehl, das Katapult mit allerlei spitzen Gegenständen zu beladen und damit das Tor zu beschießen. Desweiteren sollen die Männer mit Flammenpfeilen arbeiten und zudem versuchen, die Mauern auch anderweitig einzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns auch dieser Sieg gehört!“

„Zu Befehl, Herr!“

Als der Soldat gegangen war, lächelte Sairen siegesgewiss. Sie würden fallen und wenn dieser Moment kam, würde er dabei sein!



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