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Übernatürlich...

Wenn man das zweite Gesicht hat...
von

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Bengees Geheimnis

Ich sah Bengee. Er stand, wie in Trance vor mir und sah leicht verträumt auf dem Boden. Ein silbrig blau schimmernder Lichtschleier umgab ihn. Er schien mich nicht bemerkt zu haben.

„B-Bengee?“, stammelte ich. Er schreckte auf und sah mich an.

„Minty?! Was machst du hier?! Du müsstest doch oben sein und schlafen!“, sagte er beunruhigt.

„Ich hatte Durst… du warst nicht da, da hab ich dich gesucht…“, sagte ich, ohne recht zu wissen, was ich da redete. Ich schwieg kurz und sah ihn nur an. Dann holte ich Luft und fragte: „Bengee, was ist hier los…?“

Er machte einen unruhigen Schritt nach vorn und raufte sich die Haare. Er seufzte. „Du dürftest mich eigentlich gar nicht sehen…“, wich er aus. Ich lächelte matt.

„Bengee, du weißt, ich bin nicht normal. Ich kann ziemlich viel sehen…“

Er lächelte.

„Ja. Ja, ich weiß… du hast Recht…“ , er sah wieder zum Boden.

Er schwieg.

„Also?“, unterbrach ich die Stille. Bengee antwortete nicht.

„Du bist ein Geist, nicht?“, ich atmete schwer, „du… du bist ein Geist, du bist tot… dich gibt’s gar nicht mehr, hab ich Recht?“

Ich schritt unruhig hin und her.

„Minty...“, sagte er, doch ich ließ ihn nicht ausreden.

„Meinst du nicht, dass wir das wissen sollten, Bengee?“, fragte ich, „hallo, ich heiße Bengee, ich bin in deiner Klasse, ich mag Horrorfilme, ich bin ein Geist!“

Bengee sah hilflos aus.

Ich ging auf ihn zu und streckte die Hand aus. Sie ging glatt durch ihn hindurch. Ich zuckte zurück. „Oh mein Gott…“, sagte ich fassungslos und wich wieder zurück, „es ist also wahr…“ Ich sah ihn an. Bengee schwieg immer noch. „Ach scheiße, Bengee!“, sagte ich wütend, „du könntest mir das ruhig mal erklären!“

Er atmete tief durch.

„Tut mir Leid, aber…“, er sah mich an, „…ich kann es mir selbst nicht erklären…“

Ich sah ihn fragend an.

„Was?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Das, was ich jetzt bin…“, er machte eine kurze Pause, „das bin ich, so lang ich denken kann… ich erinnere mich, dass ich in einem Krankenhaus aufgewacht bin. Man sagte mir, dass meine Eltern tot seien und dann kam ich zu meinen jetzigen Eltern.“

Ich sah ihn mitleidig an. Ich konnte mir vorstellen, wie es sein musste im Krankenhaus aufzuwachen und gesagt zu bekommen, dass seine Eltern tot waren.

Er fuhr fort:

„Dann, in meiner ersten Nacht hier, bin ich aufgewacht…“, er deutete auf sich selbst, „so... Und ich stand auf und bin durch das Haus gewandert, die ganze Nacht… und das habe ich seit dem jede Nacht gemacht, jedoch ohne müde zu werden… am nächsten Morgen war ich immer topfit…“

Er sah mich an. „Davor ist nichts… ich kann mich an rein gar nichts erinnern…“

Wir schwiegen und sahen einfach nur einander an.

„Und…“, unterbrach ich wieder die Stille, „wann wirst du wieder… normal?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das ist unterschiedlich… meistens gegen 4 oder 5 Uhr früh… ich denke mal, das hängt davon ab, wann es hell wird…“

Ich nickte. „Ach so…“

Wir schwiegen wieder eine Weile. Wirre Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Ich verdrängte sie und fand mich damit ab. Mein bester Freund war ein Geist. Was machte das schon? Meine beste Freundin und ich hatten Visionen, normal war ich sowieso nicht. Wieso also aufregen?

„Also… was machen wir jetzt? Rumstehen, bis du wieder normal wirst?“

Ich lächelte matt.

„Ich weiß nicht…“, Bengee sah zum Fenster raus. Es dämmerte bereits. „Es dämmert… also wird es eh nicht mehr lange dauern bis ich wieder normal bin…“

Ich nickte. „Okay… ähm… sollen wir oben darauf warten…?“, fragte ich. Bengee schüttelte den Kopf. „Nein, lieber nicht. Nicht, dass sie aufwachen und mich so sehen… ich bin ja nicht umsonst hier herunter gekommen…“, meinte er. Er sah mich an. „Bitte… sag es keinem… auch nicht Amina… ich möchte, dass das unter uns bleibt…“, sagte er leise. Es fiel mir schwer, aber ich nickte.

„Okay…“

Die ersten Sonnenstrahlen fielen herein. Das Leuchten, das Bengee umgab, verschwand. Ich streckte wieder die Hand aus und berührte ihn zur Sicherheit.

„Du bist wieder normal!“, seufzte ich erleichtert und umarmte ihn.

Dann ließ ich von ihm ab und sah ihn an.

„Aber jetzt gehen wir hoch, oder?“, fragte ich, „ich bin hundemüde…“

Ich griff mir an die Stirn. In der ganzen Aufregung hatte ich gar nicht gemerkt, wie müde ich eigentlich war. Bengee nickte. „Na klar!“

Wir liefen die Treppe wieder hoch und standen nun wieder vor Bengees Zimmer. Vorsichtig linste ich hinein.

Amina und Paul schliefen noch. Leise trat ich ein und legte mich wieder auf meinem Platz. Wow, war der die ganze Zeit schon so bequem?, fragte ich mich und kuschelte mich wieder in die Decke. Bengee legte sich neben mich und schlief ebenfalls noch ein bisschen.
 

Um 10 Uhr wurde ich von Amina geweckt. „Hey, aufstehen. Wir müssen nach Hause… es ist schon 10…“, murmelte sie. Ich schlug die Augen auf und richtete mich auf. Bengee lag neben mir und schlief noch. Auch Paul schlief noch, doch Amina weckte ihn nun.

Ich streckte mich. Was für eine Nacht…, dachte ich. Ich weckte Bengee und sagte ihm, dass wir nun los mussten.
 

Paul kam noch mit zur Bahnhaltestelle, aber er fuhr mit einer anderen Bahn als wir. Er verabschiedete sich von Amina mit einer bärigen Umarmung und von mir mit einem kleinen Winken, dann stieg er in meine Bahn.

Als seine Bahn weg war, redete ich mit Amina.

„Du glaubst nicht, was heute Nacht passiert ist!“, sagte ich und streckte mich noch einmal. „Ach ja? Was denn?“

Ich hätte es ihr fast erzählt, doch dann fiel mir ein, dass ich Bengee mein Wort gegeben hatte.

„Ähm, ich hatte voll den komischen Alptraum…“

Ich erzählte ihr von dem seltsamen Traum, von dem ich die Nacht aufgewacht war. Doch manchmal praktisch, so ein Alptraum…, dachte ich.

„Tja, anscheinend hast du Angst davor, allein zu sein…“, überlegte Amina.

„Ach, Quatsch! Ich war mein ganzes Leben allein, wieso sollte ich jetzt davor Angst haben?“, entgegnete ich.

Die Bahn kam angerollt.

„Vielleicht ist ja genau das der springende Punkt!“, sagte Amina, während wir einstiegen, „vielleicht hast du Angst davor, wieder allein zu sein…“

Ich dachte kurz nach. Doch dann beschloss ich das Gespräch hier zu beenden. „Könnten wir bitte über was anderes reden?“, meinte ich leicht genervt.

„Natürlich. Und worüber?“, fragte Amina. Ich dachte kurz nach. Dann grinste ich schalkhaft und sagte: „Vielleicht über Paul und dich?“

Amina lächelte und sah auf ihren Schoß.

„Wieso? Was soll denn da sein?“, fragte sie unschuldig.

„Tjaaa, ich bin heute Nacht gegen 3 aufgewacht und was sah ich da? Amina und Paul, die sich anscheinend ganz doll lieb haben…“, erzählte ich immer noch frech grinsend und streckte ihr die Zunge raus, „…na okay, ich hätte das besser erzählen können, tut mir Leid…“

Amina warf mir einen mörderischen Blick zu.

Nach einer langen Pause sagte sie: „Na und? Dann haben wir halt etwas gekuschelt! Was ist denn schon dabei?“ Ich zuckte mit den Schultern und lächelte.

„Ich wollte dich doch nur ein bisschen ärgern, Ami…“

Amina grummelte leicht.

Es herrschte Stille. Ich musste wieder an heute Nacht denken. Nachdenklich starrte ich aus dem Fenster.

„Ist irgendwas mit dir?“, fragte Amina.

„Hm?“

„Ob du was hast, du bist auf einmal so schweigsam…“

Ich sah Amina an und überlegte ernsthaft, ob ich ihr nicht doch erzählen sollte, was die Nacht passiert war.

Doch dann schüttelte ich den Kopf. Ich hatte es Bengee nun mal versprochen. Ich konnte sein Versprechen einfach nicht brechen. Aber Amina war meine beste Freundin. Es war das erste Mal das ich ihr etwas absichtlich verschwieg.

Es war wieder still.

Ich überlegte, wessen Versprechen es sich eher lohnte zu brechen. Das Versprechen an Bengee, Amina nichts zu erzählen, oder das Versprechen an Amina, keine Geheimnisse voreinander zu haben. Insgeheim fand ich Bengees Versprechen weniger wichtig, aber irgendeine Stimme in mir hielt mich davon ab, es Amina einfach zu erzählen. Dann hatte ich aber wieder ein schlechtes Gewissen, Amina gegenüber. Wir hatten uns geschworen, niemals Geheimnisse voreinander zu haben. Aber es ging doch hier nicht um mein Geheimnis, sondern um Bengees…

„Hey Minty! Deine Haltestelle!“, Aminas Stimme klang leise, als sei sie hunderte von Metern von mir entfernt. Ich wandte mich zu ihr.

„Hm…?“

„Das hier ist deine Haltestelle!“

Die Bahn fuhr wieder los. Ich war so tief in Gedanken gewesen, dass ich nicht gemerkt hatte, dass sie angehalten hatte.

„Oh…“, machte ich und sah meine Haltestelle entschwinden, „egal, nehme ich halt die nächste…“

„Sag mal, was ist los mit dir?!“, fragte Amina entgeistert.

„Was meinst du…?“

„Du hast gerade deine Haltestelle verpasst, Minty!“

„Na und?“

„Ich hab dir ungefähr zehnmal gesagt, dass wir da sind, aber du hast nicht reagiert! In welcher Welt warst du bitte gerade?!“

Glücklicherweise hielt die Bahn wieder, sodass ich nicht zu antworten brauchte. Ich stand auf.

„Ich muss raus, wir reden später, ja?“

Amina zuckte mit den Schultern und nickte. „Okay, bis dann…“

Ich umarmte sie kurz und stieg aus der Bahn.

Ich seufzte. Weil ich die Haltestelle verpasst hatte, musste ich jetzt das Doppelte des Weges laufen.

Also machte ich mich rasch auf den Weg.
 

Vor unserem Haus saß mal wieder die Katze. Allmählich ging sie mir wirklich auf die Nerven, vor allem, weil ich ihr Geheimnis einfach nicht entschlüsseln konnte. Sie leuchtete mich mit ihren grünen Augen an.

„Ssssst!“

Ich versuchte, sie zu verscheuchen, doch sie regte sich nicht. Sie saß immer noch genauso wie vorher da und sah mich nun fast spöttisch an.

Einem normalen Menschen, einem Menschen, der keine Visionen hatte und nicht öfter mal seltsame Träume hatte, hätte sie wohl Angst gemacht.

Bei mir verursachte sie nur ein leichtes Kribbeln im Nacken.

Ich war wohl schon gegen alles halbwegs Gruselige abgehärtet.

Ich ging an ihr vorbei, schloss die Tür auf und ging hinein.

Man könnte eigentlich meinen, ein Hund sei genug, um eine Katze von einem Haus fernzuhalten, doch dieser Katze machte Tequila keine Angst. Aber das war es nicht, was ich so seltsam an ihr fand. Ich wusste selber nicht, was es war, aber irgendwas passte nicht zu ihr.
 

Am Montag in die Schule zu kommen und Bengee zu sehen war irgendwie ein seltsames Gefühl. Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte, wenn ich Bengee sah. Anfangs war es ziemlich schwierig, mich normal zu geben, doch später wurde ich, wie immer.

Es fiel niemandem aus der Klasse auf, nur Amina witterte etwas. In der ersten Pause sprach sie mich darauf an.

„Sag mal, war da irgendwas mit dir und Bengee?“, fragte sie. Ich sah sie an und schüttelte den Kopf.

„Nein, wieso fragst du?“

„Du bist heute irgendwie… anders…“

„Ich? Anders? Was ist denn an mir anders?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht, anders halt…“

„Ach so, na ja, keine Ahnung, es war jedenfalls nichts mit uns…“, log ich.

Es war wie ein Messerstich ins eigene Herz. Ich hasste es ohnehin schon zu lügen und dann auch noch meine beste Freundin anzulügen war für mich unerträglich. Aber ich hatte es Bengee nun mal versprochen. Doch je länger ich Amina anlügen musste, desto unwichtiger erschien mir dieses Versprechen, also versuchte ich so wenig, wie möglich mit Amina darüber zu reden.
 

Als ich am Dienstagmorgen aufwachte, wusste ich, warum auch immer, sofort, dass an diesem einen Dienstag etwas Besonderes passieren würde. Etwas, das mein Leben wieder grundlegend verändern sollte.

Und wirklich.

Nachdem die Hälfte der ersten Stunde verstrichen war, klopfte es an der Tür und ein Junge von etwa 15 Jahren trat ein.

Er war etwa 20cm größer als ich. Er hatte einen leicht italienischen Touch, wie ich fand. Seine Haut war leicht gebräunt und er hatte schwarz-braune, leicht gewellte Haare. Seine Augen waren dunkelbraun, fast schwarz.

Er hatte einen schwarzen Rucksack über eine Schulter gehängt. Außerdem trug er eine schwarze, weite Hose und ein grünes T-Shirt mit weißer Aufschrift.
 

„Ah, du musst Milo sein“, sagte Mr. Smith, stand auf und trat zu ihm. Der Junge nickte. Er schüttelte ihm die Hand und wandte sich dann zur Klasse.

„Das hier ist Milo Semiliah! Er geht ab heute in diese Klasse“, stellte Mr. Smith ihn vor.



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