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Planet Punk...

..Die Ärzte Short Stories Teil 1
von

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Der Misanthrop

Track 8.:

Der Misanthrop

...nimm mich einfach wie ich bin
 

"...Ich weiß, du siehst es anders, aber ich bin nicht Du. Hau jetzt ab, zieh Leine, lass mich endlich in Ruh'"
 

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Ein leises Tippen zog sich durch die leeren Straßen und hallte an den Häuserwänden wider, die so dicht beieinander standen, dass man meinen konnte, dass sie einen jeden Moment erdrücken könnten. Ein leises Tippen, erst langsam, dann schneller und dann wieder langsam, so, als wenn der Grund für diese Geräusche sich nicht entscheiden konnte. Irgendwann verstummten sie gänzlich. Komplette Stille schlang plötzlich ihre strenge Hand um den Hals eines jeden, der Zeuge dieses Schauspiels war. Zwei Menschen, die in dieser kleinen Gasse, am frühen und doch so dunklen Abend standen und sich für ewige Sekunden nur ansahen. Nur das flackernde Licht einer Straßenlaterne als Sehhilfe.

Vorsichtig fielen einzelne Regentropfen auf ihrer beiden Schultern. Dieser Moment war unheimlich, viel zu still und langsam viel zu vertraut.
 

"Ich brauche wieder was", durchbrach nun einer von ihnen die Stille.

"Gut. Wie viel hast du dabei?"

"120"

"Alles klar."
 

Der Angesprochene wandte sich ab und ging hinüber zu einer Spalte in einer der Hauswände. Dort fand nicht ein Fünkchen Licht seinen Weg hinein. Gut für sein Geschäft.

Nach einiger Zeit trat er wieder in den Laternenschein. Sein Gesicht war schwer zu erkennen, war eine große Kapuze über den Kopf gezogen. Doch nun streckte dieser eine Hand hinaus.

Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, tauschten sie zwei Dinge aus.

Während der eine die Scheine zählte, die er erhielt, verstaute der Andere ein kleines Plastiktütchen in seiner rechten Manteltasche.

Ein kurzes Nicken, dann verschwand einer wieder in der Dunkelheit und der andere tappte zurück. Kurz bevor er die Seitenstraße verließ, blieb er kurz stehen, strich sich mit einer Hand durch das Haar und richtete den Kragen seines Mantels auf. Eine schnelle Handbewegung ließ ihn sein Handy aus der linken Tasche ziehen. Seine Daumen bewegten sich zügig, als sie eine Nummer eintippten und genauso zügig hatte er sich das Telefon an sein Ohr gehalten.

Nun war es Zeit, sich wieder unter die Leute zu mischen. Unter all die Jugendlichen, Hausfrauen, Geschäftsmänner und Touristen, die sich in ganz Berlin verteilten. Mittlerweile hatte es begonnen in Strömen zu gießen. Doch davon ließ er sich nicht ablenken. Stur steuerte er in eine Richtung. Hier, unter der hiesigen Menge, fiel er nicht auf. Das tat er nie. Endlich eine Reaktion am anderen Ende der Leitung.

"Jan? Ich komme heute ne halbe Stunde später, okay?", er griff fest um das Tütchen in seiner Tasche, "Ich habe vorher noch etwas zu erledigen."
 

Farin Urlaub saß Zuhause und seufzte einmal schwer, als er den Telefonhörer neben sich auf den Tisch legte. Wieder einmal hatte Bela angerufen und gesagt, dass er später kommen würde. Wenigstens hatte er ihm nicht abgesagt, so, wie es häufiger der Fall war.

Seit einigen Monaten ging das nun so. Immer wieder verschob der Dunkelhaarige Treffen oder sagte sie ab. Dabei kam er oftmals mit völlig skurilen Ausreden, die er selbst wahrscheinlich noch nicht einmal Glauben schenken würde.

"Ist alles in Ordnung?"

"Er hat mal wieder gesagt, dass er später kommt".

Abermals ein Seufzen. Doch dieses Mal nicht vom Blonden, sondern von seinem Gegenüber. Ein junger Mann, der sich nun schwerfällig nach hinten fallen ließ. Besorgt fuhr er durch sein schwarzes, wangenlanges Haar und sein Blick schweifte durchs Leere, ehe er wieder Worte fand.

"So geht das nicht weiter. Jan, er ist ein absolutes Wrack geworden. Seitdem Konstanze ihn verlassen hat und das Kind mitnahm, ist er nicht mehr er selbst."

"Ich weiß", sprach der Gitarrist ruhig und nippte an einer Tasse Tee, die er sich bereits vor zwei Stunden gemacht hatte und daher schon kalt war. Doch das schien ihn nicht zu stören, "Ich dachte eigentlich, dass ich ihn da raus bekommen hätte. Vor langer Zeit. Niemals hätte ich erwartet, dass er in das gleiche Schema zurückfallen würde. Nie, Rod. Nie."

"Es ist nicht das gleiche Schema, Jan. Wenn wir nicht aufpassen, wird es schlimmer".

"Wir müssen uns was einfallen lassen".

"Ja", sprach Rod und haute sich beim Aufstehen kurz auf beide Oberschenkel, "Aber das müssen wir in Ruhe machen. Nimm es mir bitte nicht übel Jan, aber ich kann leider nicht mehr auf Dirk warten. Es ist jetzt schon spät genung und wer weiß, wann er wirklich hier aufkreuzt."
 

Einige Zeit später in Schöneberg, lag Bela B Felsenheimer kichernd und lachend auf seinem Sofa. Um den Oberarm hatte er immer noch das Band geschnürt, welches ihm half, die Ader in der Armbeuge abzuschnüren. Dass dieser Arm nun langsam zu schmerzen begann, registrierte er gar nicht erst, war er doch so glücklich und euphorisch, wie seit langer Zeit nicht mehr. Grund für sein Lachen war sein eigenes Spiegelbild in dem Löffel, der vor ihm auf dem Tisch lag und welches sich aufgrund der Krümmung teilweise stark verzerrte. Immer und immer wieder sah er kurz hinein und musste schließlich einen Lachanfall abwarten, ehe er wieder einen Blick darauf warf. Wie lange das schon so ging, vermochte er gar nicht erst zu sagen, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Doch plötzlich richtete er sich mit gespitzten Ohren auf.

"Jan? Bist du das?"

War da nicht gerade ein Geräusch gewesen? Es kam aus dem Flur, da war er sich sicher. Obwohl. Vielleicht doch eher aus der Küche? Es war auf jeden Fall da! Flink stand er auf und ging in den Flur, "Jan, wenn du das bist, dann...", doch es war niemand zu sehen. Schlagartig drehte er sich um, war er nun der festen Überzeugung, dass das raschelartige Geräusch nun aus dem Wohnzimmer kam. Nein, doch aus dem Badezimmer. Es sprang quasi hin und her. Aber egal, wo der Schlagzeuger auch nachsah, er fand absolut nichts. Langsam kroch Panik in ihm hoch. Er musste raus hier. Einfach nur raus.

In aller Eile schnappte sich Bela seine Jacke vom Haken der kleinen, haselnussbraunen Garderobe im Flur und verließ seine Wohnung. Draußen atmete er kurz auf. Das Geräusch war weg. Ein erleichtertes Aufatmen war zu vernehmen, dann setzte er sich in Bewegung direkt auf die U-Bahn Station zu, die nur wenige Meter von seinem Heim entfernt lag. Wie in Trance stieg er die Stufen hinab und setzte sich in einen der gelben Wagen der U4, die den Nollendorfplatz mit dem Innsbrucker Platz verband. Er musste ja nicht weit.

Jan...

Immer und immer wieder erschien das Gesicht seinen blonden Freundes vor seinem inneren Auge. Er wollte zu ihm. Sie waren verabredet. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Wo musste er dann raus? Bayrischer Platz, ach ja. Sein Körper juckte stark und er kratzte sich schon fast manisch an Hals und Oberarm. Wieso juckte es so? Es war, als wenn er allergisch auf die Sitze der Bahn reagieren würde. Doch diese machten ihm doch noch nie was aus.

Endlich war er angekommen. Ohne auf seine Mitmenschen zu achten, stieg er aus und ging eine Treppe hinunter, die ihn zu einem anderen Bahnsteig bringen sollte. Ein Blick auf die Anzeigetafel verriet ihm, dass er noch zwei Minuten zu warten hatte. So lange? Wieso nicht sofort? Ungeduldig tappste er immer wieder hin und her, kratze sich mittlerweile auch am anderen Oberarm und auf Höhe der Taille. Er bekam es kaum mit, dass die Bahn kam und sich hineingestellt hatte. Sein bewusstes Wahrnehmen schaltete sich erst wieder ein, als die weibliche Stimme die Endhaltestelle Rudow ansagte. Hier musste er raus.

Von hier aus hatte er es nicht mehr weit, bis zu der Gegend, in der Farin sich vor einiger Zeit nieder ließ. Rudower Waldrand. Es passte zu dem Blonden, wie die Faust aufs Auge. In der Stadt, aber irgendwie auch wieder nicht. Bela beneidete ihn nicht darum, hier zu wohnen. Er war mit einer Wohnung im Herzen der Stadt vollkommen glücklich. Aber wenn es Jan so wollte, dann wäre er der Letzte gewesen, der es ihm hätte vermiesen wollen.

Gleich war es soweit, nur noch ein paar Schritte, dann war er da. Sein Oberarm juckte immer noch, doch dieses bekam der Drummer gar nicht mehr mit. Er wollte sich bei Jan entschuldigen, dass er zu spät kam.
 

Schlagartig wurde er wach. Ein Klingeln riss ihn aus seinem Halbschlaf, den er auf dem Sofa vollzog. Beim Warten auf den Kleineren war er wohl weggedöst. Nun schrillte seine Türklingel fast schon qualvoll in seinen Ohren. "Gott, verdammt", murmelte er vor sich hin, als er sich schwerfällig erhob und seine immer noch leicht tauben Beine den Flur entlang schliff.

"Ja bitte?", fragte der Blonde durch die Gegensprechanlage. Seine Stimme klang zerknickt, so, als wenn jemand seine Stimmbänder wie ein Stück Plastikfolie zerknüllt hatte und es sich nun wieder langsam entfaltete.

"Ich bin's, Jan. Mach auf. Bitte"

"Dirk? Verdammt, es ist bereits zwei Uhr nachts."

"Bitte Jan. Bitte mach auf".

Wehmütig seufzte Farin, dann drückte er auf den Summer. Er konnte einfach nicht Nein sagen, auch, wenn er es gerne gewollt hätte. Schließlich war Bela nicht nur eine halbe Stunde zu spät, wie er es angekündigt hatte, sondern sage und schreibe fünf Stunden! Wütend, das war er. Absolut angefressen und am liebsten hätte er dem Dunkelhaarigen die Tür vor die Nase gehämmert. Doch dieses, fast schon wimmernd klingende "bitte" hatte wieder einmal sein Herz erweicht. Es ist nun mal sein bester Freund. Dagegen konnte er sich nicht wehren. Wenn er schon nicht zu ihm stehen würde, wer würde es sonst tun? Konstanze hatte es ja vorgezogen, ihr Leben ohne Bela zu führen und war einfach gegangen und hat den gemeinsamen Sohn gleich mitgenommen. Sie ging und nahm seine Identität gleich mit, denn sie war es gewesen, um die sich die ganzen letzten Jahre alles gedreht hatte. Er hat doch sein komplettes Leben nach ihr und mit ihr ausgerichtet. Und nun stand er ganz alleine da und wusste nicht mehr, was er machen sollte. Dass er dann aber ausgerechnet...

"Jan! Danke, ich...", mehr kam nicht heraus, als Bela vor der Haustür ankam. Seine Sprache versagte ihm einfach, als er den Blick des Blonden sah, der verärgert auf ihn hinab blickte, "Es... tut mir leid".

"Es tut dir also leid, hm?", sprach Farin, zwar ruhig, aber doch in tadelndem Tonfall, "Eine halbe Stunde, sagtest du und nun sind daraus fünf volle Stunden geworden. Rod ist schon lange wieder weg und ich habe meine Arbeit nun selbst zu Ende gemacht. Scheiße Dirk, ich brauch eure Hilfe für das neue Album, das weißt du doch! Und auf deine Meinung lege ich den meisten Wert. Ich..."

"Ja, ist ja schon gut. Bitte Jan, lass uns das drinnen besprechen. Nicht hier draußen, okay?"



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