OneShot
Sonnewik, eine mittelgroße Stadt im Osten der Insel Shinou, war als letzte große Hürde neben der Siegesstraße vor der Pokémon Liga bekannt. Die achte und letzte Arena der Shinou Liga befand sich in dieser Stadt. Es war durchaus nicht einfach, aus dieser Arena als Sieger zu kommen. Die Herausforderer bezeichneten den Arenaleiter als unheimlich stark – zu stark für sie. Der hiesige Arenaleiter aber war sich sicher; es gab keine starken Trainer mehr, die sich mit ihm messen konnten. Oft spielte der junge Mann – Denji war sein Name – mit den Gedanken, die Arena hinter sich zu lassen und die TOP4 herauszufordern. Irgendetwas hielt ihn aber davon zurück – ob es nun sein treuer Freund Ooba, ein Mitglied der TOP4, war oder gar sein eigenes Gefühl, konnte Denji nicht beantworten.
Die Lage war zum Verzweifeln für den jungen Arenaleiter. Jeden Tag beobachtete er vom Turm aus den Eingang der Siegesstraße, aber auch das Gebäude der Pokémon Liga selbst. Aus Langeweile vergeudete er den gesamten Strom der Stadt für seine Arena und verursachte einen Kurzschluss. Klar, die Bürger Sonnewiks waren ganz und gar nicht begeistert darüber. Hinter Denjis Rücken wurde schon über ihn getuschelt. Es war, als gäbe es nichts mehr, für dass es sich noch lohnen würde zu kämpfen und durchzuhalten. Als dann aber der Strom in der gesamten Stadt wieder funktionierte und auch wiederum Touristen, Trainer und einfache Reisende in die Metropole gelangen konnten, schmuggelte sich auch ein kleiner Hoffnungsschimmer für Denji mit hinein.
Ein melancholisches Lächeln zierte das Gesicht des blonden Arenaleiters, als er sich an diese Zeit zurückerinnerte. Wieder befand er sich im Leuchtturm der Stadt und blickte auf den weiten Ozean. Er beobachtete Pokémon beim Fliegen, beim Schwimmen oder auch wenn sie für beziehungsweise mit ihren Trainern trainierten. Nur noch selten wandte er seinen Blick zur weit entfernten Pokémon Liga. Denji hatte vor geraumer Zeit seinen Meister – pardon, natürlich Meisterin – gefunden. Er fand eine Trainerin, die ihm nicht nur das Wasser reichen konnte, sondern auch mit Leichtigkeit vom Platz fegte. Nach der Niederlange erwachte in Denji nicht nur die Motivation, sondern auch der Ehrgeiz, jeden Tag hart zu Trainieren. Die Herausforderung, welche er so sehnlich herbeigewünscht hatte, war zu ihm in die Arena gekommen und hatte ihn seinen rechten Platz zugewiesen. Nicht mehr waren die TOP4 sein Ziel, nein. Erst war es an der Zeit, sich selbst wieder zu finden und stärker zu werden – damit er ihr eines Tages ebenbürtig war.
Sein Hoffnungsschimmer entpuppte sich als junge, wie sich später herausstellte auch äußerst talentierte Trainerin. Ooba hatte sie zu ihm in den Leuchtturm geführt. Es war wieder einer der Tage gewesen, an denen Denji seine Zeit mit dem Aussichtsglas verbrachte. Widerwillen hatte er mit Ooba eine Wette abgeschlossen. Falls er einen möglichen Herausforderer und Gegner um den Orden finden würde, so war Denji einverstanden, Trübsalblasen zu vergessen und die Herausforderung anzunehmen. Der Arenaleiter hatte sich bis dato vorbehalten, so ziemlich alle Herausforderungen von dahergelaufenen Trainern abzulehnen. Meist sah Denji schon anhand eines Blickes, wie schwach sein Gegenüber war. Doch diesmal kam Ooba mit ihr. Die Verwunderung stand Denji ins Gesicht geschrieben, als sie ihm gegenüberstand. Ooba stellte die beiden zukünftigen Kontrahenten einander vor, doch Denji hatte kaum zugehört. Er musterte das Mädchen ab und sein Gefühl verriet ihm, dass sie es war – ein ebenbürtiger Gegner für ihn. Denji verlor keine Sekunde und eilte, gepackt voller Vorfreude, zu seiner Arena zurück. Er brauchte nicht lange auf seine Herausforderung zu warten – sie kam weder zu spät noch zu früh. Der Kampf begann – und auch wenn Denji es sich nicht einreden wollte, er unterlag schon bei der ersten Sekunde. Sie hatte ihm mit Leichtigkeit geschlagen, ihm gezeigt, dass es doch noch starke Trainer gab. Der Niederlage zu Trotz überreichte Denji ihr voller Stolz den zu Recht gewonnenen Orden. Sein Kampfgeist wurde zu jener Sekunde wieder erweckt und er versprach ihr, von nun an wieder hart zu trainieren.
Noch am selben Tag machte sich die junge Trainerin zur Siegesstraße auf, die ultimative Herausforderung vor sich - die Pokémon Liga.
Wie viele Monate waren seitdem nun schon vergangen? Denji hatte sein Zeitgefühl im Rausch seiner Gedanken vollkommen verloren. Jedoch musste es schon verdammt lange her sein, da mit jeden Tag das plötzlich in ihm lodernde Feuer langsam aber stetig erlisch. Nicht, dass er keine Lust hätte, zu trainieren. Nur… war Denji immer mehr mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen. Alles begann wie zuvor. Anfangs saß er einfach nur da, starrte in die Luft und dachte an nichts. Die Leere in seinem Kopf fühlte sich schwer an und der Arenaleiter war immer von der Müdigkeit geprägt. Seine Augen blickten Richtung Himmel und langsam formte sich ein Name in seinem Kopf. Weitere Worte und Gedankenfetzen folgten, bis sich alles im Kreis drehte und ihm neben seiner Mattigkeit auch noch Kopfschmerzen plagten.
Aus dieser Phase herauszukommen, war nicht einfach gewesen für Denji. Bis zum jetzigen Zeitpunkt war er sich sogar sicher, es noch nicht komplett geschafft zu haben. Nun denn, er war immer der ruhigere und introvertiertere Typ gewesen. Vielleicht war er dann auch einfach zu diesem Leiden verdammt.
„Mhm. Trainiere aber nicht zu hart. Und vergiss auf keinen Fall, zwischendurch mal zu Lachen! Es gibt doch keinen Grund, immer so griesgrämig zu schauen!“
„Lachen?“, murmelte Denji für sich und versuchte, mit seinen Lippen ein gut gewolltes Lächeln zu formen. Vermutlich sah er einfach alles zu negativ und dachte zu viel über banale Dinge nach. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, müsste er alles positiver sehen und wirklich ein-, zweimal mehr lachen. Okay, ein Lächeln tat es auch für den Anfang.
Gemütlich schlenderte Denji den Weg vom Leuchtturm zurück zu seiner Arena. Die Abendsonne tauchte die Stadt in ein sattes orangerot ein. Auch wenn nichts Besonderes vorgefallen war, so war er doch – mit sich oder dem Tag sei dahingestellt – zufrieden. Auf halben Weg blieb der junge Mann plötzlich stehen. Er erkannte eine wohl bekannte Person vor sich, blinzelte aber einige Male mit den Augen um sicher zu gehen, dass er richtig sah. Sein Gegenüber schien dies zu bemerken und kicherte leise für sich. Nun war sich Denji sicher – es war real.
„Na, Champ?“ Es war eine einfache Begrüßung von ihm, doch seine Stimme füllte die Worte mit einer gewissen Sanftheit, wie man sie schon lange nicht mehr gehört hatte.
Die amtierende Champion von Shinou antwortete nicht, ging aber auf den jungen Arenaleiter zu. Die Sonne ließ mit ihren letzten Strahlen das junge Mädchen regelrecht aufleuchten. Wieder erschien sie wie ein Licht in der Dunkelheit.
Licht…
Wenige Zentimeter vor Denji blieb sie stehen. Das zierliche Mädchen war einen ganzen Kopf kleiner als er. Sie nützte den Größenunterschied und bettete ihren Kopf in seine Schulter.
„Ich bin wieder da…“, murmelte sie. Kaum merkbar nickte Denji mit dem Kopf und legte einen Arm um sie. Das Licht schien wieder für ihn ganz alleine.