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Silent Night, Holy Night

Weihnachten im Center
von

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Damals...

In der Kantine brannte schon lange kein Licht mehr. In der Dunkelheit, zwischen den Tischen und Sitzbänken kauerte ein schwarzhaariger Junge, der beschlossen hatte, sich an diesem Ort vor dem Rest der Welt zu verstecken – zumindest bis zum nächsten Morgen.

Es war die wohl hässlichste Zeit des Jahres, in der er stets mit Gefühlen konfrontiert wurde, mir denen er nicht umgehen konnte. Unnütze, lästige Gefühle, wie sie kein Mensch brauchte, besonders kein Gene. Am schlimmsten war noch die Einsamkeit, die in diesem Jahr schwerer als je zuvor auf seine Schultern drückte.

Plötzlich wurde es hell im Raum.

„Silent?“

Der Junge schreckte hoch, wischte sich schnell sein Gesicht am Ärmel seines Pullovers ab, bevor er aufsah. „Was willst’n du?!“, blaffte er in Richtung des Störenfrieds, der – die Arme hinter dem Rücken versteckt und mit schief gelegtem Kopf – auf ihn zu kam, aber schließlich in gebührendem Abstand zu ihm stehenblieb.

„Kommst du nicht mit rüber?“, fragte der andere, hellhaarige Junge vorsichtig und fügte dann mit leuchtenden Augen hinzu: „Wir gucken grad diesen Zeichentrickfilm mit der Fee!“

Silent rümpfte die Nase und sah zur Seite. „Kenn ich schon“, gab er murrend zurück. „Lass mich in Ruhe, Noel …“

Trotz der Anfeindung fühlte sich der andere dazu ermutigt, sich vor den Schwarzhaarigen auf den Boden zu setzen. „Ach, Silent, guck nicht’ so! Es is’ doch Weihnachten!“

„Weihnachten is’ scheiße“, kommentierte Silent, schlang die Arme um seine Knie und versteckte seinen Kopf in der so geschaffenen Festung.

„Is’ es nich’!“, beharrte Noel eisern. „Weihnachten is’ schön! Da gibt’s immer was Leckeres zu essen! Und Geschenke! U-…“

„Glaubst du etwa“, platzte es wütend aus Silent heraus, „deine Eltern kommen dich abholen und ihr feiert dann bei euch zu Hause unter so’m blöden Baum und – oh, Wunder – am Ende musst du dann nicht wieder ins Center? Du bist so blöd!“

Im nächsten Moment konnte der Schwarzhaarige wie in Zeitlupe beobachten, wie das Leuchten in den Augen seines Gegenübers zusammen mit dem Lächeln auf seinen Lippen erlosch und nur ein Häufchen Elend zurückließ. Ein wenig beschämt knirschte er mit den Zähnen und wusste nicht, wo er hinsehen sollte – immer wieder pendelte sein Blick zwischen dem Boden und dem nunmehr tieftraurigen Noel. „Heh“, setzte er an, als sein schlechtes Gewissen schließlich siegte, doch in diesem Moment sprang Noel auf.

„Du bist fies!“, schrie er den anderen unter Tränen an und etwas Buntes, Rundes flog neben Silent gegen die Wand, bevor Noel schluchzend aus dem Raum rannte. Silent, der angesichts der unerwarteten Lautstärke zusammengezuckt war, sah dem anderen Jungen teils überrascht, teils irritiert hinterher. Erst nach einer Weile bemerkte er den kleinen, in buntes Geschenkpapier verpackten, faustgroßen Gegenstand und wickelte ihn vorsichtig aus. Ein Muffin – jetzt zwar ein wenig zerbeult, aber trotzdem ein Muffin. Ungläubig betrachtete Silent die Süßigkeit und nach und nach dämmerte es ihm, dass er sein Weihnachtsgeschenk in den Händen hielt.

Zerknirscht erduldete er die nächste Welle Gewissensbisse und stand schließlich auf, um nach Noel zu suchen.
 

Er beschloss, zunächst im Fernsehraum nachzusehen.

Dort schliefen Ray und Kakyu tief und fest – wie üblich, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, auf viel zu engem Raum, dieses Mal in einem Pappkarton, zusammengekuschelt.

Der Fernseherbildschirm zeigte nur noch Schnee. Wahrscheinlich würde bald eine Betreuerin kommen und alle zu Bett bringen.

Aber wo war Noel?

Nachdenklich drehte Silent sich um und wollte den Raum wieder verlassen, als sich ihm jemand in der Tür in den Weg stellte.

„Hey, Six …“, klang es ihm bedrohlich entgegen.

„Inori?!“ Mit ihm hatte Silent nicht gerechnet – ein grober Fehler, wie er jetzt einsehen musste.

Der Größere – Silent verfluchte Inori für dessen letzten Wachstumsschub – packte ihn am Kragen und zog ihn aus dem Raum. Vorsichtig schloss er danach die Tür, um Ray und Kakyu nicht zu wecken, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte und mit finsterer Miene auf Silent hinab sah. „Was hast du gemacht?!“, stellte er ihn zur Rede.

„Gar nichts!“, versuchte der Schwarzhaarige, sich herauszureden und zu verteidigen.

Offensichtlich skeptisch hob Inori die Augenbrauen. „Komm schon, Six! Noel weint – und er weint nur wegen seinen Eltern oder dir …“

Wegen ihm? Das weckte nun auch Silents Skepsis. „Ach wirklich?“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Es is’ Weihnachten, Thirteen. Er heult bestimmt, weil Mami und Papi ihm kein Geschenk geschickt ha-…“

Weiter kam er nicht, bevor Inoris Faust mit voller Wucht sein Kinn erreichte. Silent taumelte rückwärts, konnte nur mit Mühe einen Aufschrei zurückhalten – das gebot ihm sein Stolz.

„Verdammt, spinnst du?!“

„Geh dich entschuldigen!“, entgegnete Inori und wandte sich ab. „Du weißt, dass du musst.“

„Tss!“ Silent rieb sich übers Kinn. „Kümmre dich um deinen eigenen Scheiß …“

Inori, der schon im Begriff gewesen war, zu gehen, blieb stehen und drehte sich noch einmal halb zu Silent um. „Wenn du ihm noch mal wehtust, kriegst du’s mit mir zu tun …“

„Bist du jetzt seine neue Mami?!“, stichelte Silent und verdrehte die Augen. Im nächsten Augenblick stand Inori wieder vor ihm, baute sich vor ihm auf, doch Silent ließ sich nicht beeindrucken und fuhr fort: „Gott, ihr seid alle so einfach zu durchschauen …“

Zuerst schien Inori nach einer Methode zu suchen, seiner Forderung nochmals Nachdruck zu verschaffen. Aber dann drehte er sich doch kopfschüttelnd weg. „Du bist arm, Six …“

Silent hielt es nicht für nötig, etwas zu erwidern, sondern wartete, bis Inori gegangen war, bevor er seinerseits seinen Weg fortsetzte.

Entschuldigen? Nein, das kam nicht in Frage.

Aber Noel war eine einfache, gute Seele. Es gab mehr als einen Weg, ihn wieder zum Lächeln zu bringen.
 

Am nächsten Morgen war das Leben in die Kantine zurückgekehrt. Die Genes saßen beim Frühstück zusammen, die Auseinandersetzung zwischen Inori und Silent schien vergessen, als Noel mit leuchtenden Augen in den Raum gestürmt kam.

„Du hattest Unrecht, Silent!“, rief er überglücklich und wedelte mit einer Karte.

„What does he say?“, fragte Ray halblaut in Kakyus Richtung, der seinerseits neugierig in Noels Richtung sah. Silent hob nur in gewohnt desinteressierter Miene die Augenbrauen.

„Meine Eltern haben mir eine Karte geschrieben!“, berichtete Noel stolz und zeigte den anderen eine bunte Pappkarte mit Weihnachtsmotiven.
 

„Lieber Noel,

wir hoffen, du hast ein schönes Weihnachtsfest!

Wir haben dich sehr lieb und denken ganz viel an dich.

Fühl dich umarmt und geküsst!

In Liebe,

Mama und Papa“, stand da geschrieben.
 

Einen Moment war es still. Kakyu, Ray und Inori wechselten den einen oder anderen rätselnden Blick und sahen schließlich zu Silent, der die Karte jetzt mit einem Lächeln zu sich zog und las.

„Gut“, gestand er ein, „ich hab mich getäuscht.“

Noel strahlte übers ganze Gesicht und nahm die Karte wieder an sich. Gerade setzte er zu einem neuen Satz an, als ihn die Durchsage unterbrach: „Six, komm bitte in Untersuchungszimmer 4. Thirteen, komm bitte in Untersuchungszimmer 24.“

Silent kam dies gerade recht; er trank seinen Becher leer und stand auf. „Wir sehen uns dann später!“

Kaum hatte er die Kantine verlassen, wurde er von Inori – mit dem er in einem Moment der Unachtsamkeit nicht mehr gerechnet hatte – an der Schulter gepackt und festgehalten.

„Hab ich dir nicht gesagt, dass du ihm nicht wehtun sollst?!“, erinnerte der Rothaarige drohend.

„Ach, halt die Klappe, Thirteen!“, schoss Silent zurück, riss sich los und setzte seinen Weg fort. Er war sich seiner Sache sicher.

Er würde Noel von nun an jedes Jahr zu Weihnachten – und zum Geburtstag – eine Karte im Namen seiner Eltern schreiben. Zwar bereitete es ihm ein wenig Unbehagen, Noel etwas vorzuspielen und da war auch noch Gefahr, dass Noel die Wahrheit herausfinden würde. Aber letztere hielt Silent eher für gering und das Unbehagen ließ sich leicht zurückdrängen, wenn er nur daran dachte, dass er dem anderen Jungen einen seiner sehnlichsten Wünsche erfüllen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Akina
2007-12-13T17:23:48+00:00 13.12.2007 18:23
Gott war das süüß Q.Q
*schnuff*
*silent pack*
*durchwuschel*
knuuffig!
das war ja so richtig lieb von ihmQ.Q
Von:  Citrusfalter
2007-12-08T13:08:55+00:00 08.12.2007 14:08
euieuieui~♥
klingt ja erstmla total süß!!! ///>///<///
aber wenn man länger drüber nachdenkt...möchte man NICHT wissen, wie Noel reagieren würde, wenn er es rausbekommen würde...^^~
aber vielleicht reagiert er auch ga~nz anders x3
ich wünsch es Silent auf jeden fall
(er hat ihn wenigstens wieder zum strahlen gebracht!!! ♥.♥)


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