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Nichts

von

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Freitag

Kennt ihr das, wenn sich etwas in eurem Augenwinkel bewegt, aber wenn ihr hinschaut, ist es – was auch immer es war – verschwunden?

Tja, bisher habe ich immer gedacht, ich hätte mir die Bewegung immer nur eingebildet… doch eines Tages…
 

Da war sie wieder!

Diese Bewegung, die man nur in den Augenwinkeln wahrnimmt.

Ich fuhr mit dem Kopf herum, in der Erwartung zu sehen, was ich immer sah: Nichts.

Und ich sah „Nichts“.
 

Mit diesem „Nichts“ meine ich jetzt aber NICHT das Nichtvorhandensein von etwas, sondern ich sah das, was ich schon bald auf den Namen „Nichts“ tauften würde.

Diesen Namen fand ich sehr passend, denn, wie ich schnell feststellen musste, war ich wohl die Einzigste, die „Nichts“ sehen konnte und so log ich auch nicht, wenn ich eins dieser Wesen beobachtete, mich jemand fragte, was ich denn so anstarrte und dann antwortete: „Nichts.“

Diese Wesen sahen aus wie kleine Echsen oder Schlangen, nur, dass es sie in allen Farben des Regenbogens gab.

Doch zurück zu jenem schicksalhaften Augenblick.
 

Ich befand mich in diesem Moment auf der Straße, war auf dem Weg nach Hause. Der Regen platschte um mich herum, über mir donnerte und blitzte der Himmel, ich hatte noch fünf Minuten Fußweg vor mir.

Da stand ich nun also, mit meinem Regenschirm und starrte diese knallgelbe Echse an, die etwa so lang war, wie mein Unterarm und dachte, es wäre eins dieser komischen Gummispielzeuge, die es auch als Gummispinnen, -krokodile und -schlangen gab

Doch dann bewegte sich das Vieh.

Ich schrie erschrocken auf und stolperte zurück. Es blitzte über mir und der Knall des Donners ging mir durch Mark und Bein.

Ich schrie erneut und rannte los, nur weg von dem gruseligen Wesen und raus aus dem Gewitter. Den Regenschirm ließ ich hinter mir herfliegen, es war mir egal, ob ich nass wurde, ich wollte nur nach Hause.

Innerhalb von nur zwei Minuten hatte ich die Haustüre erreicht.

Das Adrenalin schoss immer noch durch meine Adern.

Mit zitternden Händen versuchte ich den Schlüssel ins Schloss zu schieben, doch es gelang mir nicht.

In meiner Verzweiflung donnerte ich mit meinen Fäusten gegen das Holz in der Hoffnung, jemand wäre zu Hause und würde mich hören.

Es ertönten zu meiner unendlichen Erleichterung Schritte hinter der Tür.

Sie wurde geöffnet und mein kleiner Bruder sah mich überrascht und etwas erschrocken an.

„Was ist denn los?“, fragte er.

Ich antwortete nicht, stieß die Tür weiter auf und schlängelte mich an ihm vorbei in den Flur der Wohnung.

Dann zog ich die Jacke und die Schuhe aus.

„Du bist ja ganz nass!“, rief Jonathan verwundert, als er die Türe geschlossen und sich zu mir umgedreht hatte.

„Ist Mama oder Papa da?“, fragte ich, ohne auf ihn einzugehen und entledigte mich weiter meiner Kleidung.

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, was ist denn passiert?“, antwortete er und betrachtete stirnrunzelnd meine nasse Hose, die er vom Boden aufgehoben hatte.

„Nichts“, sagte ich mit Nachdruck.

Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass dieses gelbe Echsenwesen meiner Fantasie entsprungen war, dass ich es meinen überreizten Nerven zu verdanken hätte. ich hatte heute meine letzte Prüfung geschrieben. Durch den dauernden Stress, die Anspannung und Angst der letzten Tage hatte ich wohl eine Halluzination gehabt.

Doch Jonathan ließ einfach nicht locker.

Gerade betrachtete er meinen Regenschirm, der durch das schnelle Rennen und den starken Wind nach oben umgebogen war.

„Bist du gerannt? Hat dich was erschreckt? Oder wurdest du verfolgt?“, quetschte er mich aus.

Ich seufzte entnervt.

„Neihein! Es war nichts. Ich wollte nur einfach schnell nach Hause.“

„Warum?“

„Weil ich Hunger hatte und jetzt frag mir keine Löcher in den Bauch!“, fauchte ich.

Inzwischen stand ich nur noch in Unterwäsche vor ihm. Ich raffte meine nassen Klamotten zusammen, schnappte meine Tasche und ging in mein Zimmer, wo ich Jonathan die Tür vor der Nase zuknallte.

„Hey! Lass mich rein“, bettelte er in weinerlichem Ton.

„Nur, wenn du aufhörst, mich auszupressen wie eine Orange!“, rief ich zurück.

„Oookaaay“, gab er auf.

„Na, dann komm rein“, sagte ich gönnerhaft.

Er öffnete die Tür und setzte sich artig auf mein Bett, während ich trockene Sachen aus meinem Schrank kramte.

„Augen zu!“, forderte ich.

Er schloss die Augen und hielt sich, als wolle er mir beweisen, wie brav und folgsam er war, auch noch die Hände vors Gesicht.

Ich entledigte mich auch noch meiner Unterwäsche und stieg in die frische Kleidung.

Dann setzte ich mich neben ihn aufs Bett.

„Kannst wieder schauen“, informierte ich ihn.

Er ließ die Hände sinken. Dann fiel er zur Seite mit dem Kopf in meinen Schoß.

Ich lachte.

„Wie alt bist du eigentlich?“, neckte ich ihn. „Vier?“

„Neeeeein! Ich bin doch schon elf!“, quakte er und kuschelte sich zurecht.

„So sieht’s aber nicht aus“, kicherte ich. „Und wieviele Jahre bin ich älter?“, fragte ich mit gespieltem Interesse.

Er rechnete kurz nach.

„Sieben“, sagte er.

„Richtig“, rief ich und kitzelte ihn bis er quietschte.

„Komm. Ich mach Mittagessen, oder hast du schon gegessen?“

Kopfschüttelnd rappelte er sich auf.

Wir gingen in die Küche und wühlten im Kühlschrank und den Vorratsschränken.

Nachdem wir uns für Spaghetti Bolognese entschieden hatten und endlich am Tisch saßen, die dampfenden Teller vor uns, fing Jonathan wieder an.

„Ist der Regenschirm kaputt gegangen?“, fragte er vorsichtig.

„Nö, ich denk nicht. Der wird wohl nur umgeklappt sein.“

„Du musst es ja verdammt eilig gehabt haben…“

Ich stopfte mir schnell eine große Portion Nudeln in den Mund um nicht antworten zu müssen.

Dabei verbrannte ich mir den Rachen und verschluckte mich auch noch.

Mein Bruder musste aufspringen und mir auf den Rücken klopfen, sonst wäre ich wohl erstickt.

Kaum war ich wieder unter den Lebenden und hatte Luft geschöpft, ging es weiter.

„Also? Was war denn los?“, bohrte er.

Doch in diesem Augenblick wurde ein Schlüssel in die Haustüre gesteckt und einen Moment später hörten wir Mama durch die Wohnung rufen: „Ich bin wieder dahaa!“

Ich seufzte erleichtert auf.

Während Jonathan Mama half, die Einkäufe rein zu bringen, aß ich schnell auf und verkrümelte mich in mein Zimmer.

Den Rest des Tages verbrauchte ich damit, am PC zu spielen und Jonathans Fragen zu ignorieren.

Kleine Brüder können ja sooo hartnäckig sein!

Als Papa später von der Arbeit kam, veranstalteten wir einen gemütlichen Fernsehabend.
 

Als ich dann abends im Bett lag, dachte ich noch mal über meine „Begegnung“ nach.

Mir jagte ein Schauer über den Rücken, als ich an das Echsenviech dachte. Ich schüttelte mich, versuchte, an etwas anderes zu denken und schaltete meine Nachttischlampe aus.

Dann kuschelte ich mich zurecht und dachte mit Erleichterung an die überstandenen Prüfungen und die Woche schulfrei, bis ich meine Noten erfahren würde.

Meine Augenlieder wurden schwer und fielen zu, ich spürte, wie sich mein ganzer Körper entspannte, mein Atem langsamer und tiefer wurde.

Ich fühlte mich leicht, als würde ich schweben.

Doch kurz bevor ich endlich einschlief, wurde ich wieder wach.

Hellwach.

Ich hatte das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Da war es wieder. Diese entsetzliche Angst.

Eben war ich noch vollkommen ruhig und entspannt, jetzt raste mein Atem und ich zitterte am ganzen Körper.

Ich versuchte mich zu beruhigen. Es konnte niemand im Zimmer sein! Das hätte ich gehört! So, wie meine Zimmertüre immer knarrte, hätte ich es hören müssen!

Langsam setzte ich mich auf und sah mich in meinem dunklen Zimmer um.

Ich sah die Umrisse meines Schreibtisches, meines Kleiderschranks, sah meine Klamotten, die überall herumlagen und meinen großen CD-Ständer.

Aber nirgendwo war etwas Ungewöhnliches zu entdecken.

Ich griff nach meiner Nachttischlampe, machte sie an und… unterdrückte einen lauten Schrei!

An meinem Kleiderschrank klebte kopfüber das Echsenvieh von heute Mittag!

Es starrte mich mit seinen schwarzen, pupillenlosen Knopfaugen an.

Doch das war nicht das Schlimmste, oh nein.

Es hatte einen Freund mitgebracht!!

Über die Rückenlehne meines Schreibtischstuhls hing eine lila Schlange, die zweimal so lang war wir mein ganzer Arm war und starrte mich mit denselben schwarzen Augen an.

Sie zischelte und eine gespaltene, dünne, rosa Zunge kam zum Vorschein. Ihr Schwanz, der über eine der Armlehnen hing, schwang langsam hin und her.

Ich war so geschockt, dass ich keinen Ton raus brauchte. Mein Verstand war völlig blockiert, ich beobachtete einfach nur wie hypnotisiert abwechselnd die beiden… was auch immer sie waren.

Dann bewegten sie sich.

Die gelbe Echse kroch den Schrank hinunter, die Schlange glitt über die Lehne, bis sie zu Boden fiel.

Ganz offensichtlich wollten die beiden zu mir!!

Das brachte meinen blockierten Verstand wieder auf Trapp.

Ich öffnete den Mund und schrie mir die Seele aus dem Leib.

Augenblicke später ging das Licht im Flur an und mein Vater kam mit einem Baseballschläger in der Hand hineingepoltert, bereit, dem Einbrecher, der seiner Tochter etwas antun wollte, eins überzuziehen.

Als ich ihn sah, hörte ich auf zu schreien und begann zu schluchzen wie ein kleines Kind.

Mama und Jonathan lugten verstört ins Zimmer, während Papa den Baseballschläger fallen ließ, sich erschocken auf mein Bett setzte und mich in den Arm nahm.

„Ist schon gut, Kleines, alles ist in Ordnung“, flüsterte er immer wieder wobei er mir beruhigend über den Rücken strich.

Als ich mich einigermaßen erholt hatte, fragte er mich, was passiert war.

Inzwischen waren auch Jonathan und Mama ins Zimmer gekommen.

Mein kleiner Bruder hatte meine Hand genommen und drückte sie fest, er war noch immer kreidebleich und hatte große Augen.

Stammelnd erzählte ich, was passiert war.

Papa und Mama sahen sich einen Augenblick lang an, dann stand meine Mutter auf, ging aus dem Zimmer und ich konnte hören, wie sie in der Küche Wasser heiß machte.

Papa begann erneut, mir über den Rücken zu streicheln. Niemand sagte ein Wort, bis Mama mit einem großen Becher heißen Tee zurückkam.

„Hier bitte, mein Schatz, das wird deine Nerven beruhigen.“

Mit zitternden Händen nahm ich die Tasse und schlürfte ein paar Schlucke.

Langsam wich die Kälte aus meinem Körper, die sich dort breit gemacht hatte, als ich die Viecher entdeckt hatte.

Ich zuckte zusammen und verschüttete dabei beinahe den Tee.

Die Viecher! Wo waren sie?!

Hecktisch sah ich mich um, doch weit und breit war nichts Knallgelbes oder Lilanes zu sehen.

Papa strich mir durchs Haar.

„Da hast du aber einen ganz bösen Alptraum gehabt“, sagte Jonathan leise.

Einen… Alptraum? Das dachte also alle, dass es ein Alptraum war!

„Wir hätten nie gedacht, dass dich die Prüfungen so fertig machen würden“, kam es dann von Mama.

„Aber sicher haben sich deine Nerven bald wieder beruhigt.“

Das war Papa.

Sie glaubten also, meine Fantasie – nein, meine überreizten Nerven hätten mir einen Streich gespielt.

„Trink noch einen Schluck“, sagte Papa.

Ich gehorchte.

„Warst du deswegen heute Mittag so durch den Wind?“, fragte Jonathan. Er sprach noch immer leise, als würde er mich nicht erschrecken wollen.

„Hast du da auch so komische Viecher gesehen?“

Ich nickte zögernd.

Schnell erzählte Jonathan, was heute Mittag passiert war.

„Das macht nichts“, meinte Mama. „Das wird sich ganz schnell wieder legen, du wirst schon sehen. Du hast die letzten zwei Wochen immer nur gelernt, gelernt, gelernt. Kein Wunder, dass deine Nerven jetzt durchdrehen. Das gibt sich wieder.“

„Da hat sie sicher Recht“, meinte Papa. „Ich bring dir eine Schlaftablette und dann schläfst du dich erst mal richtig aus.“

Und so wurde es auch gemacht.

Ich trank meinen Tee aus, ging noch mal auf die Toilette, schluckte die Tablette und schlief traumlos die Nacht durch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2007-11-22T19:44:18+00:00 22.11.2007 20:44
Huhu,

die Idee dieses Thema zu wählen ist interessant und sicher auch für eine jüngere Zielgruppe gedacht. Ich kann es überhaupt nicht leiden, bis heute. Wenn meine Schranktüren offen sind, da krieg ich immer voll die Panik. Oder dass irgendwelche häßlichen Viecher, Nachts vorbei kommen und Schrecken verbreiten. Unser Gehirn spielt uns einen Streich, allerdings ziemlich realistisch.

Die Geschichte an sich, ist wieder sehr beruhigend geschrieben. Hier zu würde ich dir jetzt ne' 3 geben. +lehrerin spielt .. hihi xD +zwinker.

myn
Von:  Krio
2007-10-04T13:23:08+00:00 04.10.2007 15:23
BOAH du wirst echt immer besser was das schreiben angeht!!!
du wirst autorin ich schwör, und wen nicht dan klau ich dir deine werke und sende sie unter deinen namen beim verlag ein xDD
ich finde die idee total geil!! du kommst immer auf solche sachen über die ich garnicht nachdenke! aber solche dinge sieht wirklich jeder, dort ist was das garnicht da ist und so^^ echt geil. find ich toll das ich mit so ner total tollen schreiberin nen fanfic machen kann^^
bist echt welten besser als ich. und basta jetzt XD
Hab dich ganz ganz doll lieb, Miika *knuddl*
^^
Von:  Thuja
2007-10-04T12:30:46+00:00 04.10.2007 14:30
ich finde die Idee amüsant. Und was du am anfang schreibst, kennt wirklich jeder. manchmal sehe ich auch aus den Augewinkeln eine Bewegung oder etwas was aussieht wie eine Katze oder ein Vogel, doch wenn ich hinsehe, ist da nichts. (zum Glück, vor allen dann, wenn irgendwelche Schlangenwesen dort wären Da würde ich auch schreien)

Aber ich hab ausdrucksmäßig und inhaltlich nichts zu bemängeln. Auch wenn das von dir nur aus langeweile geschrieben war, gefällt sie mir sehr gut.


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