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Aerovolt

Runter kommen sie immer
von

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Nervös zupfte Ray an dem Rock herum, der seiner Meinung nach ohnehin viel zu kurz war. Warum hatte er sich bloß auf diese Farce eingelassen? … Ganz einfach, weil ihn nach seiner Ausbildung zum Flugbegleiter niemand hatte einstellen wollen und er nun mal dringend Geld brauchte, um seine Familie in China zu unterstützen; was lag da bei seinem Aussehen näher, als sich als Stewardess zu bewerben? Wenn er sich schon ständig anhören musste, er wirke einfach viel zu weiblich, dann musste das doch zumindest für etwas gut sein, oder?

Tja, und jetzt stand er hier in seinem himmelblauen Kostüm, das Rollköfferchen in der Hand, und fragte sich, ob das Ganze tatsächlich so eine gute Idee gewesen war. Vielleicht konnte er ja doch noch rechtzeitig verschwinden…

„Gott sei Dank, und ich dachte schon, ich sei die einzige hier! Hallo, mein Name ist Mariah, ich bin die andere Flugbegleiterin auf der Reise nach Kairo…“, mit einem freundlichen Lächeln begrub die auf ihn zu eilende junge Frau Rays Hoffnung auf eine rasche Flucht. Alles, was er jetzt noch tun konnte, war ein gefieptes „Tag, ich bin Rei“ von sich zu geben und zu wünschen, sich ins nächste Mauseloch verkriechen zu können…
 

Die ganzen zehn Minuten, die sie mit dem Transporter bis zum Flugzeug benötigten, verbrachte Ray in einer Art Endlosschleife auf dem Rollfeld zur Hölle. Vor seinem geistigen Auge sah er hunderte verschiedener Möglichkeiten ablaufen, wie er auffliegen und bestraft werden könnte…

Die Realität war bei weitem grausamer; kaum stiegen Ray und Mariah aus dem Shuttlebus aus, kam auch schon ein freudestrahlender Blondschopf auf sie zu: „Hi, zur Sicherheit bin ich schon mal früher hergekommen. Ich bin Max und ihr seid…?“

Statt zu antworten brachte Ray nur einen einzigen Satz hervor: „Du bist ein Mann !?!“ Ja, und zudem noch ein Mann in einer funkelnagelneuen Stewarduniform… Das Leben konnte ja so grausam sein!

„Nun, ich würde es eher als Saftschubse bezeichnen…“, meinte eine Männerstimme hinter ihnen trocken, „Aber wir haben unseren Max trotzdem gern.“

Mit einem spöttischen Grinsen trat ein junger Mann aus dem Inneren eines nahegelegenen Charterflugzeuges heraus. Seine roten Haaren und die unterkühlte Mimik gaben ihm etwas Diabolisches. „Tala Ivanov, Co-Pilot. Könnten wir jetzt bitte das Kaffeekränzchen beenden und stattdessen besagtes Getränk ins Cockpit geliefert kriegen? Zumindest Max dürfte ja noch wissen, was passiert, wenn Kai seine tägliche Dosis Koffein nicht kriegt…“

Okay, also langsam wurde Ray die Geschwindigkeit, in der ihm neue Namen und Gesichter um die Ohren gehauen wurden, ein ganz klein wenig zu schnell. Also erstmal tief einatmen und…

„Wer ist denn jetzt schon wieder Kai?“, offenbar hatte Mariah dasselbe Problem wie er. Wenigstens ein Lichtblick heute.

Während Tala erst gar nicht auf die Frage einging und sich stattdessen lieber wieder ins Flugzeuginnere trollte, tat Max sein Bestes die Situation aufzuklären: „Kai ist der Pilot des Fluges. Ein wirklich lieber Kerl, aber ein wenig festgefahren in seinen Ansichten und Gewohnheiten; sein ganzes Leben ist nun mal auf seinen Beruf ausgerichtet…“

Ob er wollte oder nicht, in Gedanken malte Ray sich diesen Kai schon mal aus: Eine verhärmte Gestalt, die Gestik und Mimik eines toten Fisches aufwies und ihre gesamte Freizeit damit verbrachte, Flugzeugmodelle zusammenzukleben oder technische Daten auswendig zu lernen. Wo war er hier bloß gelandet? Okay, er hatte sich ja bewusst bei der Aerovolt beworben weil es von dieser Fluglinie hieß, das Personal sei ein wenig exzentrisch und er so vielleicht nicht ganz so schnell auffiel, aber das

„Könnte ich langsam mal meinen Kaffee kriegen? In einer halben Stunde werden die Passagiere herangekarrt.“ Der Anblick des Mannes, der ihnen mit ablehnend verschränkten Armen gegenüberstand, ließ Ray in seiner Litanei aus Flüchen innehalten. Rubinrote Augen musterten zuerst Ray, dann Mariah abschätzig: „Ah, Frischfleisch! Na das erklärt ja einiges…“

„Kai! Sei doch nicht so unhöflich!“, schützend stellte Max sich zwischen den Piloten und die beiden Neuen. Derweil erscholl ein „Genau; du musst an den armen Versagern doch nicht auslassen, dass du gestern mit mir auf Kneipentour warst und jetzt vom vielen Wodka einen Kater hast!“ aus dem Cockpit.

„Schnauze Tala!“, gereizt wandte sich Kai wieder an Max, „Ja ja, ist gut. Aber in spätestens zehn Minuten hab ich meinen Kaffee!“
 

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„Eigentlich bin ich ja Stewardess geworden, um die Welt zu sehen und nicht, um in irgendeiner winzigen Bordküche Kaffee für einen Despoten zu kochen…“, darum bemüht, sich nirgends den Kopf zu stoßen, holte Mariah Filter aus einem kleinen Einbauschrank, „Und du?“

„So ähnlich; allerdings kommt bei mir noch hinzu, dass ich meine Familie in China zu ernähren helfen wollte…“, verzweifelt bemühte Ray sich, möglichst unbeteiligt zu klingen. Mehr als oberflächlicher Smalltalk war einfach nicht drin, wenn er nicht auffliegen wollte.

„China? He, da komme ich auch her! Wo genau wohnt deine Familie denn?“

„Ach, das kennst du wahrscheinlich gar nicht; das White Tiger-Dorf, ein kleiner, abgeschiedener Ort in den Bergen…“

„Im Gegenteil, das kenne ich nur zu gut; meine Mutter kommt da her. Sie ist mit mir und meinem Bruder nach Shanghai gezogen, als wir noch ganz klein waren, aber meine Großeltern leben immer noch dort. Ist ja echt ein Zufall…“

Ja, das war es allerdings; und ein gänzlich ungünstiger noch dazu. Wer sagte Ray bitteschön, dass Mariah in einem Gespräch mit ihren Großeltern nicht mal zufällig auf ‚Rei‘ zu sprechen kam und dann sein kleines dreckiges Geheimnis erfuhr? Während Ray bei dem Gedanken an diese Möglichkeit kalkweiß anlief, schenkte Mariah den mittlerweile übergebrühten Kaffee in einen Pappbecher: „Bringst du unserem großen Anführer bitte das hier? Ich fürchte, ich kratze ihm die Augen aus, wenn er mir noch mal dumm kommt…“

„Sicher.“, sich zu einem Lächeln zwingend nahm Ray den Becher und verschwand damit so schnell wie möglich in Richtung Cockpit. Nur weg hier…
 

Kai drehte sich erst gar nicht zu ihm um, als Ray ihm den Kaffeebecher hinhielt. Na toll, der Herr war sich also selbst dafür zu fein! Innerlich sein Schicksal verfluchend, ausgerechnet einen Haufen Verrückter als Arbeitskollegen zugeteilt bekommen zu haben, tat Ray sein Bestes, zumindest nach außen hin möglichst ruhig zu wirken: „Hier bitte, dein Kaffee.“

Noch immer machte Kai nicht die geringsten Anstalten, das Getränk entgegenzunehmen: „Da ist Milch drin. Ich trinke meinen Kaffee prinzipiell schwarz, mit zwei Stücken Zucker.“

Perplex blinzelnd sah Ray zuerst den Styroporbecher und dann wieder Kai an; was sollte ihm dieser Kommentar jetzt bitte sagen?

„Das heißt, du wirst jetzt deinen Hintern in Bewegung setzen und zurück in die Bordküche trippeln, um mir einen neuen Kaffee zu holen. Mag ja sein, dass dein IQ proportional zur Raumtemperatur ist, Prinzeschen, aber das ist keine Entschuldigung für schlechten Service.“, indem er seine Arme verschränkte demonstrierte Kai, dass er nicht mal im Traum daran dachte, Ray den Becher abzunehmen, „Und ehe du mir jetzt mit ‚Sowas muss ich mir nicht bieten lassen‘ kommst: Doch, genau das musst du. Oder was glaubst du, was du dir in Zukunft Tag für Tag von den Passagieren wirst anhören dürfen?“

„Damit magst du ja durchaus Recht haben; nur dummerweise bist du kein Fluggast.“, Ray konnte den schneidenden Tonfall nicht länger aus seiner Stimme heraushalten, „Das heißt, dass ich dir – solange Tala als Ersatz vorhanden ist – das Leben nach Herzenslust zur Hölle machen darf. Also wirst du jetzt entweder diesen gottverdammten Kaffee trinken oder wir finden ganz schnell heraus, ob dein Kopf durch die Flugzeugtoilette passt.“

Kai blinzelte einige Male kurz, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach. Noch immer leise vor sich hinkeckernd nahm er Ray schließlich gehorsam den mitgebrachten Becher ab: „Vielleicht bist du ja doch nicht komplett unnütz…“
 

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„Vielleicht bist du ja doch nicht komplett unnütz…“, in Gedanken äffte Ray den Ausspruch des Piloten immer und immer wieder nach, während er gleichzeitig auf Englisch die Sicherheitsanweisungen für Fluggäste herunterrasselte. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, wer er war?

Möglichst unauffällig trat Max einen Schritt näher an Ray heran, flüsterte so leise, dass nur sie beide es hören konnten: „Hey, ich habe gehört, du und Kai wärt vorhin recht heftig aneinandergeraten. Versteh das jetzt bitte nicht falsch, es ist nicht meine Absicht, mich in deine Privatangelegenheiten einzumischen, aber pass ein bisschen auf… Kai ist der Enkel des Besitzers dieser Fluglinie.“

Ray konnte gerade so ein hysterisches Kichern unterdrücken Großartig! Einfach nur großartig! Er steckte in seiner Rolle als Frau fest, bei einer Firma, die anscheinend auch männliche Flugbegleiter einstellte. An Bord mit einer Stewardess, die ihn jederzeit auffliegen lassen konnte. Und jetzt stellte sich auch noch heraus, dass der Pilot nicht nur äußerst unsympathisch, sondern auch mit dem Boss verwandt war. Konnte es noch irgendwie unangenehmer werden?

Im Vorbeigehen begrabschte einer der Fluggäste seinen Hintern. Empört fuhr Ray herum. Statt verlegen zu reagieren, griente der Übeltäter ihn nur selbstgefällig an: „Ich stehe auf Frauen in Uniform!“ Dann steckte er einen mehrfach gefalteten Zettel in die Brusttasche von Rays Blazer, klopfte zwei Mal darauf.

Kaum war der Mann auf Toilette verschwunden, riss sich Ray das Stück Papier regelrecht aus der Tasche. ‚Ruf mich an! Bryan‘; darunter eine mit Kugelschreiber gekritzelte Handynummer. Mit einem verächtlichen Schnauben beförderte Ray den Zettel in den Bordmüll. Als ob…



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Tamer
2009-09-23T19:13:05+00:00 23.09.2009 21:13
Bittttttttteeeeeee....ganz schnell weiter.
Ich hab mich jetzt schon fast nicht mehr eingekriegt vor Lachen.
*sich das gerade bildlich vorstellt*
Von:  Minouett
2008-09-28T17:00:22+00:00 28.09.2008 19:00
*grins*
Echt interessante Story...mal was Neues...
Und die Dialoge sind auch recht fetzig, nicht so klischeehaft >D
Schreib weiter, das Kap ist super <3
lg
Minou
Von:  Anyu
2008-09-23T20:40:57+00:00 23.09.2008 22:40
Ja - wann gehts weiter?
Hab es erst jetzt gelesen, und ich muss sagen, mir gefällt deine FF.

AY
Von:  Jananas
2007-11-18T17:17:29+00:00 18.11.2007 18:17
hihi^^
gefällt mir
wann gehts weiter???
lg
Von: abgemeldet
2007-11-11T12:28:06+00:00 11.11.2007 13:28
*lachz*
Ich liebe Sarkasmus xD
Und Rei gefällt mir in der Rolle... auch wenn es etwas komisch rüber kommt, dass Rei nicht wusste, dass auch männliche 'Saftschubsen' eingestellt werden Oo~
Aber die Story verspricht lustig zu werden... (na ja und ein wenig peinlich für Rei, wenn das raus kommt ^^""")
Von:  Pfefferminze
2007-11-01T16:12:42+00:00 01.11.2007 17:12
Sehr süßes Ding *kicha*
Ich stecke Rei (leider) viel zu oft in Frauenkleider, aber Stewardess war noch nie dabei X3
Hab auch allg noch nie gelesen, also ich bin von der Idee begeistert *schmunzel*
Beehr uns bald mit neuen Chappies xP
Ming~
Von: abgemeldet
2007-10-21T22:42:33+00:00 22.10.2007 00:42
Klingt interessant...
Zumindest bisher.
Mal sehen, was du noch so draus machst ^^
Von:  Vergangenheit
2007-10-12T16:24:27+00:00 12.10.2007 18:24
Mal wieder große Klasse.

Rei hat es echt nicht leicht. Er steckt in Frauenkleidern, Kai entpuppt sich mal wieder als Eisberg, Yuriy als der große Sarkasmus-Fan, Mao nervt, Max ist eine... Saftschubse? oO Irgendwo habe ich den Begriff schon mal gehört, aber ich kann ihn nicht zuordnen. *seufz* Und Borisu macht den Quotenperversen.

Also eigentlich könnte man jetzt sagen, es ist irgendwie mal was anderes, da ich weder etwas mit einer Airline, noch Rei als Steward oder Stewardess schon gelesen, aber andererseits ist es auch sehr klischeehaft. Gerade was die Rollenverteilung angeht. Dennoch hast du, mit deinem wunderbaren Humor und den ebenfalls großartigen Beschreibungen dafür gesorgt, dass ich mich sehr gut unterhalten fühlte.

Die Klischeehaftigkeit an sich würde ich mal auf deine eigentliche Abneigung gegen Crossdressing schieben, aber ich denke, dass die Geschichte als Parodie verstanden werden darf, sowohl auf jene, die Rei stets zu sehr verweiblichen als auch auf jene, die ihn ernsthaft in Frauenkleider stecken. Was ich persönlich auch nicht wirklich mag, auch wenn ich es gelegentlich lese.

Um noch mal auf die Beschreibungen zu kommen, bei Reis gedanklicher Vorstellung von Kai, habe ich fast Tränen gelacht. Ich mochte auch seinen Disput mit dem Captain, ich habe mir schon gedacht, dass Kai sich über etwas Gegenwehr freut. Ich hoffe mal, dass Rei nicht zu sehr verschreckt ist, jetzt wo er weiß, wer Kai ist.

ByeBye
BlackSilverLady
Von:  Scary_Mel
2007-09-29T20:59:43+00:00 29.09.2007 22:59
huhu^^
hab mir echt einen abgelacht^^
war echtbgeil det Kappi ^
schreib mir doch büdde wenn es weiter geht ja?
also bis dene cucu
det Marale

Von:  howling_wolf
2007-09-29T19:54:22+00:00 29.09.2007 21:54
ah das is ja echt ma geil
ich hab mich halbtotgelacht als ich das mit der flugzeugtoilete gelesen hab und dann is auch noch der zettel von bryan *lol*
echt geil geschrieben
das kappi is dir echt gelungen ^^
würdest du mir ne ens schreiben wenns weiter geht?? *liebguck*


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