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Des Grafen erste (und wahrscheinlich auch einzige) Weihnacht

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Kapitel I: Von Weihnachtsbäumen und Professorenpunsch

Hallo alle da draußen! - Ich habe diese FF bereits hier und da auf anderen Sites hochgeladen und hoffe, sie wird hier ebensoviel Leser und Anklang finden. ^^
 


 

Des Grafen erste (und wahrscheinlich auch) einzige Weihnacht
 

Kapitel I:

Von Weihnachtsbäumen und Professorenpunsch
 

Meine sehr geehrten Zuhörer oder -leser, - je, nach dem ob Sie diese kleine Geschichte vorgelesen bekommen oder eben selbst lesen - ich möchte Sie durch diese Zeilen darauf aufmerksam machen, wie schrecklich Weihnachten für einen Vampir verlaufen kann. Natürlich ist die Vorweihnachtszeit mit inbegriffen!

Ich möchte Sie jedoch warnen - auch an meine Brüder und Schwestern möchte ich eine Warnung senden - feiern Sie NIEMALS mit einem Vampir Weihnachten!

Und schon gar nicht mit einer Gruppe von Vampiren!

Es könnte Ihr letztes Weihnachtsfest sein.

Haben Sie all diese Warnungen beherzigt? - Nun, dann werde ich jetzt mit meiner Geschichte beginnen:
 

Alles begann in einer harmlosen Nacht, in der ich einmal mehr meine Augen aufschlug und neben mich greifen wollte, in der Hoffnung dort meine Frau zu finden.

Nichts.

Sarah war nicht da.

Wo war sie bloß?

Sonst war ich doch immer derjenige, der vor allen anderen auf den Beinen war. - Nun, es sei denn, mein Sternkind hatte eine kleine Überraschung für mich, aber das möchte ich hier nicht weiter ausführen!

Ich öffnete also meinen Sargdeckel und stieg hinaus. Verdutzt sah ich mich in der Gruft um. Um Alfreds Sarg machte ich mir schon einmal gar keine Mühe. Es war mehr als alltäglich, dass er in meines Sohnes Sarg schlief.

Doch auch dieser war leer!

Das konnte doch wohl nicht sein! Hatte ich etwa schon wieder Geburtstag? Oh, nein... Bitte nicht... am besten würde sein, ich läge mich wieder in meinen Sarg, um meinen Geburtstag Unachtsamerweise zu verschlafen. - Aber nein. Ich hatte nicht Geburtstag.

Warum zur Hölle waren dann alle gegangen?

Ich beschloss mich auf die Suche zu begeben.

"KOUKOL!", hallte meine tiefe Stimme durch das Schloss - ich muss zugeben, dass ich nicht unbeeindruckt bin wenn ich ihr lausche.

Ah, da kam er ja.

Imaginär verschränkte ich die Arme vor meinem Oberkörper und tippte ungeduldig mit meinem rechten Fuß auf den kalten Marmorboden. Aber ich wollte den armen Koukol ja nicht hetzen - irgendwann würde mir meine Großzügigkeit noch zum Verhängnis...

Ich beschloss, ihm ein paar Schritte entgegenzugehen.

"Naaaahhhchhht...!", grüßte er mich - wie üblich. Und wie üblich erwiderte ich seinen Gruß.
 

"Wo ist der Rest der Bewohner dieses Schlosses?", fragte ich knurrend und sah ihn düster an. In diesem Moment hatte ich wohl selbst Dracula Konkurrenz gemacht!
 

"Alle geehhhganghheen..." - Gegangen?! Wohin gegangen? Und noch dazu: OHNE mich wohin gegangen? Ich seufzte innerlich. Nun gut. Ich würde mich darüber nicht aufregen...

"ICH HASSE SIE! ALLESAMT!" - Nicht aufregen, Breda... Ganz ruhig.
 

Ich entließ Koukol, der schon sichtlich ängstlich dreinschaute und entschloss mich dazu, lieber mit einer von Shakespeares Komödien, als mit der Zerstörung eines Möbelstückes vorlieb zu nehmen. Die Einrichtung würde es mir danken.
 

Ich platzierte mich also in der Bibliothek direkt in meinen Lieblingssessel vor dem Kamin und legte das dicke Buch, welches ich vorher aus einem der riesigen, bis unter die Decke reichenden Regale genommen hatte, auf meine Knie. - Erwähnte ich, dass ich meine Bibliothek liebte? - Nein? Oh, dann habe ich es hiermit getan!
 

Ich schlug das Buch auf und las den Titel: "Der Kaufmann von Venedig".

Ich schlug es wieder zu.

Diese Komödie wäre wohl eher etwas für Herbert...
 

Gerade wollte ich mich erheben, als sich plötzlich die Türe öffnete und Sarah mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen zu mir hereingestürmt kam und die Arme um meinen Hals schlang. Sie küsste mich herzlich - was ich ebenso herzlich erwiderte - und sah mich dann aus leuchtenden Augen an.

Mit den Worten: "Komm, Breda, das musst du dir ansehen!", zog sie mich aus der Bibliothek und ehe ich mich versah, befand ich mich auch schon in meiner riesigen Eingangshalle.

Ohne mir auch nur Zeit zu lassen sie überhaupt erst einmal zu begrüßen - so, wie es die Höflichkeit nun einmal gebot - deutete sie auf ein riesiges... ein riesiges, nadeliges, grünes, hässliches... Ding, das zu allem Übel auch noch den kompletten, frisch von Koukol gebohnerten Boden versaute! - Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, lieber Leser, jedoch war ich zu der Zeit wohl sehr in Rage.
 

"Was...ist...DAS?!", brachte ich nur zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und wartete möglichst auf eine gute Erklärung.

Die andere kleine Gruppe, bestehend aus meinem Sohn, dessen Gefährten Alfred, dem Professor, meinem Schwiegervater - den ich noch immer nicht als solchen akzeptieren will - und dessen Gefährtin Magda, hatte sich bereits in einem gebührenden Sicherheitsabstand zu mir gesammelt und stand nun flehend schauend neben diesem riesigen Ungetüm. Dieses verdreckte übrigens immer weiter den schönen Boden!

Einzig der Professor traute sich einen Schritt vorwärts zu machen. Oh, nein, er wurde von Herbert geschubst. Nun, wie auch immer, auf jeden Fall versuchte er mir dieses Ding zu erklären.
 

"Ähm... Exzellenz, wenn ich etwas dazu sagen dürfte..." - Ich nickte Gnädigerweise und er fuhr fort: "Dies ist ein Weihnachtsbaum."

"Ein... Weih...- Was?!"
 

"Ein Weihnachtsbaum, Paps!" - Was zur Hölle war ein Weihnachtsbaum?!

"Jetzt sag bloß nicht, dass du nicht weißt, was ein Weihnachtsbaum ist!"

Manchmal konnte ich mich nur schwer beherrschen meinem Sohn nicht den Hals umzudrehen. Und jetzt war gerade wieder einmal so ein Augenblick. Dennoch, ich entschied mich gegen Gewalt und für Worte...
 

"Natürlich weiß ich, was ein Weihnachtsbaum ist!"
 

Stille.
 

"Wir warten, Paps." - Vielleicht doch lieber Gewalt...?!
 

"Hört auf damit seine Exzellenz in Frage zu stellen! Das ist sehr unhöflich!"

Jetzt wusste ich wieder, warum ich den Professor so schätzte... Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu und aus dem Augenwinkel sah ich, wie mein Sohn und sein Gefährte miteinander tuschelten. Na warte nur, mein Lieber!
 

"Aber wir wollen ihn jetzt aufstellen! Hilfst du uns, Breda?" Sarah, die mittlerweile meinen Arm umklammerte, sah zu mir auf. Ich schüttelte jedoch lächelnd den Kopf.

"Nein. Bitte entschuldige, meine Liebe, aber... ich... habe noch zu tun."

Hoffend, mich so aus der Affäre gezogen zu haben, machte ich meinen Arm von ihr los und schlug bereits die Richtung zu meinem Arbeitszimmer ein - welches auch beträchtlich viele und gute Bücher enthielt!

Doch ich hatte die Rechnung ohne meinen Sohn gemacht...
 

"Ach komm schon. Paps. Du weißt genauso gut, wie ich, dass du nichts zu tun hast."

War ich wirklich immer gegen Gewalt...? Ich seufzte mental. - Ja... das war ich... fast immer... Ich behielt mich dennoch im Zaum.
 

"Das ist...!" Ich musste mir schnellstens etwas überlegen, das zur Ablenkung beitrug...

"Wofür...ist so ein Baum überhaupt gut?"

Alle sahen mich aus großen, verständnislosen, fassungslosen Augen an.
 

"Ähm... für Weihnachten, Exzellenz.", brachte Alfred kleinlaut hervor und sah auf den Boden. Hach, wie ich meine Überlegenheit doch liebte!

Allerdings konnte ich mit dem Begriff "Weihnachten' ebenso wenig anfangen, wie mit dem Begriff "Weihnachtsbaum'. Ich entschloss nur, dass sie wohl in irgendeiner Verbindung zueinander stehen mussten.

Ich sah fragend in dir Runde.
 

"Soll das etwa heißen, du weißt nicht, was - Stopp! Das hatten wir doch schon mal... Professor, würden Sie es erklären?" - Hielten mich heute eigentlich alle für dumm und unzurechnungsfähig? Sogar meine eigene Frau! Es war zum Ausrasten!
 

Der Professor holte tief Luft. Ich seufzte. Sein tiefes Luftholen bedeutete meistens - eigentlich immer - einen ziemlich langen Vortrag...
 

"Weihnachten, Exzellenz - Verzeiht", er rieb seine Hände aneinander, wohl, um sie zu wärmen, "wäre es nicht angenehmer, würden wir alle im Kaminzimmer platz nehmen und einen heißen Tee trinken?!"

Ich traute meinen Ohren nicht! Schon der zweite angenehme Satz von ihm. Und das alles in einer Nacht! Vielleicht würde diese Nacht doch nicht so schlimm wie ich anfangs gedacht hatte!
 

Nicht denken, Breda...!
 

Als Sarah, Herbert, Alfred, der Professor und ich schließlich im warmen und behaglichen Kaminzimmer saßen und Koukol uns eine Kanne mit heißen Tee brachte, begann der Professor mit seiner Definition von "Weihnachten'.

"Nun, Exzellenz, Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Freude. Man stellt einen Tannenbaum auf und schmückt ihn. Und am heiligen Abend", bei dem Wort "heilig' wurde mir schlecht! Heiliger Abend, wiederholte ich gedanklich und schnaubte verächtlich, "dem 24. Dezember, überreicht man den Menschen, die man liebt, kleine Geschenke." Zufrieden sah er mich an.

Er ... endete?! Das konnte doch nicht sein! Ein nur dreizeiliger Vortrag über Weihnachten? War der Professor vielleicht krank?

Ich beschloss, nicht weiter nachzuhaken und nickte einfach nur abwesend, während ich an meinem Tee nippte.

Ich runzelte die Stirn. Irgendwas war an dem Tee ungewöhnlich. Er schmeckte ganz anders als sonst. Ich warf meine Erkenntnis in den Raum und erntete ein zustimmendes Nicken der anderen.

"Der Geschmack liegt an der besonderen Zutat des Tees. Zu Weihnachten trinkt man dieses Getränk in Königsberg." Ein verschmitztes Grinsen umspielte die Lippen des Professors. Ich achtete jedoch nicht weiter darauf, sondern genoss das "besondere Getränk', welches wahrlich nicht schlecht schmeckte.
 

Bis jetzt war Weihnachten noch immer einziger Unsinn und das würde wohl auch so bleiben!

Auf einmal jedoch setzte Sarah sich auf meinen Schoß und lächelte mich herausfordernd an.

"Es gibt noch einen weiteren Brauch zu Weihnachten..."

Sie hielt ein seltsames Gestrüpp über unsere Köpfe und beugte sich langsam zu mir vor.

"Wenn man zu zweit unter einem Mistelzweig steht darf man..."

Ihre Lippen näherten sich meinen, bis sie schließlich aufeinander trafen.

Ein...durchaus akzeptabler Brauch, stellte ich fest. Der aber trotzdem nichts an meiner negativen Einstellung zum Weihnachtsfest änderte!
 

Ich blickte zu meiner rechten Seite, als Sarah sich wieder von mir gelöst hatte und stellte fest, dass auch mein Sohn Verwendung für den Mistelzweig gefunden hatte...

Ich hatte ja wirklich nichts dagegen, wenn er sich mit Alfred vergnügte, aber doch bitte nicht vor unser aller Augen!!
 

Zum Glück kam in diesem Moment Magda hereingestürmt und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf sich, indem sie fröhlich folgendes ausrief: "Kommt, wir schmücken den Baum! Ich habe Kugeln gefunden!"

Halt, halt, halt, halt, halt!

"Kugeln? Schmücken? WIR?!?!" Etwas (leises Husten ertönte) Ja, gut, SEHR ungläubig sah ich meine Frau an, die jedoch auch bereits von meinem Schoß aufgestanden war und mich - wieder einmal - mit sich zog...

"Komm schon, Liebling. Komm einfach mit!"

Warum, WARUM zum Teufel konnte ich ihr einfach nichts abschlagen?! Wie sollte ich diese Nacht bloß überstehen, wenn das so weiterging?
 

In der Eingangshalle hatten Chagall und Magda riesige Pappkartons deponiert, die wohl den Schmuck für den Weihnachtsbaum beinhalteten.

Nachdenklich legte Sarah ihren Finger ans Kinn...

"Könnten wir den Baum nicht besser ins Kaminzimmer bringen? Dort wäre es doch viel gemütlicher am heiligen Abend." - Warum hieß es ausgerechnet "heiliger' Abend?!
 

"Eine wirklich ausgezeichnete Idee, Fräulein Sarah. Alfred, Herbe - Wo stecken die beiden denn nun schon wieder?" - Ich konnte es mir denken... Und ich wünschte mir - bei Magdas und Sarahs Blicken - ich wäre ebenfalls nicht hier...

Irgendetwas würde sicherlich gleich auf mich zukommen. Das konnte ich förmlich riechen. Oh, nein. Das war bloß der Baumharz...
 

"Dann musst du wohl mit seiner Exzellenz den Baum ins Kaminzimmer bringen."

Die Ader an meinem Hals pulsierte gefährlich. Ob Magda wohl wusste, auf wie dünnem Eis sie sich heute befand?
 

Nie im Leben - beinahe hätte ich gelacht... aber auch nur beinahe! - würde ich dieses Ungetüm quer durch mein Schloss schleppen!

Zu meinem Leidwesen jedoch schien Sarah Gedanken lesen zu können und sah mich aus Rehaugen heraus an.

"Oh, biiiiiiiitte, Breda! Tu's für mich, ja?" - Hatte ich bereits gefragt, warum ich ihr keine Bitte abschlagen konnte? - Ja? Warum zur Hölle bekomme ich dann keine Antwort? Wenn das so weiterginge, würde man mir irgendwann noch ein richtiges Grab schaufeln müssen!

Seufzend legte ich also meine Hände um den Stamm des Baumes und hob ihn an. Chagall nahm das andere Ende und tat es mir gleich.
 

Eine kleine Erheiterung für mich bestand dennoch darin, Chagalls lauten Flüchen zuzuhören...

"So ein Mistding! Diese Nadeln zerstechen mir noch die ganzen Hände!"

Tja, wie sagte ein alter Bekannter doch gleich so schön: Eine gute Lage ist eine gute Lage, ist eine gute Lage.

Ich musste ihm zumindest hier ausschließlich Recht geben; Hatte ich doch lediglich mit dem etwas klebrigen Stamm zu kämpfen.
 

Endlich wieder zurück im Kaminzimmer, ließ der jüdische Wirt den Baum fallen. Ich wollte es ihm gleichtun, jedoch wollten sich meine Hände partout nicht vom Stamm des Baumes lösen! Was war das? Warum konnten meine Hände nicht mehr davon ablassen? Oh, nein! Was wäre, wenn einer meiner Nägel abbrechen würde? Das wäre eine...eine Katastrophe! Man sah es ihnen vielleicht nicht an, aber ich brauchte sehr, sehr lange Zeit, um sie so in Form zu kriegen!

Chagall stellte die Diagnose, als er sah, was mit mir passiert war:

"Das muss an dem Baumharz liegen. Am besten, wir brennen es ab." So gleichgültig, wie er dies - Moment mal! ABBRENNEN?!

"Wir haben ihn früher einfach trocknen lassen. Allerdings... an der Sonne..." Innerlich jaulte ich auf. Was würde passieren, wenn ich meine Hände nie wieder würde von diesem Baum lösen können?!

Gut, ganz ruhig. Chagall und Magda hatten keine Idee, blieb also nur noch der Professor!

Dieser seufzte.
 

"Ich hole etwas Öl und Seife..."

Erleichterung.
 

"Und ich die Drahtbürste."

Angst!
 

Also gingen Magda, Chagall und der Professor auf die Suche nach Öl, Wasser und hoffentlich KEINER Drahtbürste aus dem Kaminzimmer und ließen Sarah und mich allein. Die hätte ja durchaus etwas für sich gehabt, aber unter gegebenen Umständen...

Trotzdem kam sie auf mich zu. Fragend sah ich sie an.

"Was tust du?", fragte ich etwas unsicher. Ja, unsicher, lieber Leser. Bei dieser Frau konnte man nie wissen, was als nächstes passieren würde. Und aus genau diesem Grund liebte ich sie auch so sehr!

Lächelnd legte sie ihre Hände auf meine.

"Sie sind ganz kalt...", flüsterte sie und nahm sie wieder weg. Sie stand auf und ging zu dem kleinen Tisch hinüber, auf dem noch immer die Tassen und die große Teekanne standen. Vorsichtig goss sie ein wenig von dem Tee in ihre Tasse und kam dann wieder zu mir herüber.

"Hier. Das wärmt dich sicherlich." Behutsam hob sie die Tasse an meine Lippen und ließ mich trinken. Doch ein unglücklicher Zufall wollte, dass der Tee noch immer kochend heiß war, ich in Panik geriet, als das heiße Getränk meine Lippen berührte, Sarah die Tasse fallen ließ und der gesamte Inhalt über meine Hände lief. Ich schrie kurz auf, besann mich dann allerdings und riss mich zusammen.

Der gefürchtete Graf von Krolock würde sich nie so weit erniedrigen und wie ein kleines Mädchen schreien. - Diese Aufgabe hatte Sarah bereits für mich erledigt...

Sie hörte jedoch auf zu schreien, als ich ihr meine Hand an die Wange legen wollte, um sie zu beruhigen.

Moment... meine Hand?!

Sie war frei! ICH war frei! Innerlich brach ich in Jubelschreie aus!
 

"Oh, das tut mir so leid, Liebling...", schluchzte Sarah, als sie sich meine Hände besah, die doch ziemlich gerötet waren ob des heißen Tees.

"Tut es sehr weh?", fragte sie, während sie mich mit schuldbewusster Miene ansah. Ich schüttelte beruhigend lächelnd den kopf.

"Nein. Keine Sorge. Zumindest bin ich jetzt diesen vermaledeiten Baum los."

Sie konnte ja nicht ahnen, dass meine Hände in Wirklichkeit brannten, wie Feuer...
 

Fassungslos starrte der Professor mich an, als er, gefolgt von Chagall und Magda (die doch tatsächlich eine Drahtbürste in der Hand hielt!), wieder das Kaminzimmer betrat.

"Ihr seid befreit, Exzellenz?!"
 

"Ja.", grummelte ich, weniger als beabsichtigt. Er mochte ja ein hochgebildeter Mann sein, aber warum zum Teufel fragte er nach, obwohl er doch ganz genau sah, dass meine Hände nicht mehr an dem Baum klebten?!

"Trotzdem solltet Ihr Euch hiermit waschen.", schlug er vor und stellte kleine Fläschchen vor mir auf. Daneben platzierte Chagall eine größere Waschschale und Magda kniete sich mit ihrer Drahtbürste neben mich.

Ich tauchte meine Hände in das Wasser und ließ mir von dem Professor ein paar Tröpfchen Öl und Seife auf die Handinnenflächen träufeln.

"Ich mach das!" Sah ich da etwa einen kleinen Anflug von Masochismus in Magdas Augen glänzen, als die ihre Bürste nahm und begann, meine Hände zu schrubben.

Und da ich nicht einer von diesen Männern war, der seinen fleischlichen Gelüsten nachgeht - zumindest nicht mit anderen Frauen als seiner eigenen Frau - wandte ich meinen Blick von ihrem beträchtlich weiten Dekolletee ab.

Diese Höflichkeit änderte jedoch leider nichts daran, dass meine Hände nach Magdas Schrubbaktion feuerrot waren...
 

Wie sollte er diese Nacht bloß überstehen?
 

Gerade als ich mich auf meinen Platz setzen wollte, da die anderen vorhatten dieses Ungetüm von Baum zu schmücken, betraten Herbert und ein beträchtlich roter Alfred das Kaminzimmer. Spielerisch hielt ich meine Hand hoch, um die Farbe des Gesichtes von Alfred mit der Farbe meiner Hände zu vergleichen. Beinahe keinerlei Unterschied. Herbert für seinen Teil grinste nur ein zufriedenes Grinsen.

Irgendwie konnte ich mir denken, weshalb...

Aber auch die beiden stimmten in das Baum-Schmücken mitein.

Ich für meinen Teil ließ mir von Koukol eine neue Kanne Tee bringen, da ich die letzte bereits geleert hatte. Amüsiert sah ich dem Treiben, welches sich vor meinen Augen abspielte, zu. Lachte sogar beinahe (beinahe!!), als mein Sohn begann zu schmollen, weil Magda ihm sagte, dass lila Kugeln einfach nicht zu weiß und rot passten. Dies passte ihm wiederum überhaupt nicht.

Warum hatte der Professor nicht schon eher diesen Tee gemacht? Ich musste zugeben, dass er wirklich vorzüglich schmeckte. Genau aus diesem Grund schenkte ich mir ein weiteres Mal nach. Vergebens versuchte ich die geheime Zutat des Professors herauszuschmecken.

Ich lächelte still in mich hinein. Die Augen meiner Sarah strahlten selten so hell, wie heute Nacht...

"Hilfst du uns einmal kurz, Breda?" - Und schon war das Lächeln wieder verschwunden...

"Wir müssen die Spitze oben auf den Baum setzen und von uns ist niemand so groß."

Tja, das stimmte ausnahmsweise.

Gelangweilt die Augen verdrehend stand ich dann aber doch aus meinem Sessel auf.

Kam mir das nur so vor, oder war ich ein bisschen benebelt?! Jedenfalls musste ich mich für den Bruchteil einer Sekunde an meinem Sessel festhalten. Dieser Tatsache schenkte ich soweit allerdings keine Aufmerksamkeit mehr.

Sarah drückte mir die Weihnachtsbaumspitze in die Hand, nachdem ich meinen Umhang abgelegt hatte - unter anderem, weil mir schrecklich warm war, aber auch, weil er mich nur behindert hätte - und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Ich stieg also auf die recht hohe Leiter und wollte, gerade als ich oben angelangt war, die Spitze oben aufsetzen, als mich ein Schwindelgefühl erfasste. Ich kniff die Augen zusammen und massierte mit meiner freien Hand meinen Nasenrücken, in der Hoffnung, das Gefühl würde gleich wieder nachlassen. Doch nichts dergleichen geschah. So kam es, dass ich plötzlich das Gleichgewicht verlor und rücklings von der Leiter fiel...
 

Als ich wieder zu mir kam, blickte ich zuerst in das Gesicht des Professors.

"Exzellenz, was ist passiert?" Ich nahm seine Stimme nur wie durch einen Schleier hindurch wahr und rieb mir die Augen.

"Das...frage ich Sie, Professor...", stöhnte ich. Verdammt! Wie ich doch solche Momente der Schwäche hasste! Wie kam es überhaupt dazu, dass ich von der Leiter gefallen war? Höhenangst hatte ich noch nie gehabt... es musste also etwas anderes sein...

Nur was...?
 

Besorgt kniete Sarah sich nun zu mir.

"Wie geht es dir, Liebster?"

Ich nickte nur und tat ihre frage lächelnd mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. Mein Sohn half mir wieder auf die Beine und brachte mich hinüber zu meinem Sessel. Meine Beine waren schwer wie Blei und in meinem Kopf drehte sich alles...
 

Ich nahm nur durch Zufall wahr, dass der Professor an meiner Tasse roch.

"Wie viel habt ihr hiervon getrunken, Exzellenz?" Er hielt meine Teetasse in die Höhe.

Ja...wie viele Tassen waren es...?! Sieben? Vielleicht acht oder neun? Oder doch mehr? Ich hatte vollkommen den Überblick verloren. Allerdings sagte mir auch noch nie jemand, dass Tee in irgendeiner Art und Weise schädlich war - selbst nicht für einen Vampir, der sich ja eigentlich ausschließlich von Blut ernährte.

"Ein...paar...", antwortete ich, unsicher, was ich hätte antworten sollen.

"Wie viel genau?", hakte er nach. Was zum Teufel war in diesem Tee?

"Ich weiß es nicht... Koukol brachte mehrere Male eine neue Kanne Tee..."
 

"Das war kein Tee, Paps. Das war der Weihnachtspunsch des Professors.", grinste Herbert. Musste ich Angst haben? Auch, wenn nicht, ich hatte sie...

"Was...soll das heißen? Woraus genau besteht denn Ihr...'Weihnachtspunsch'?" Ich machte mich innerlich auf das Schlimmste gefasst. Auch Sarah krallte ihre Finger in den Ärmel meines Gehrockes und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.

Es war totenstill im Zimmer, als der Professor antwortete:

"Früchtetee und...Rum..."
 

Allen schien ein riesiger Stein vom Herzen gefallen zu sein. Besonders Sarah, die vergnügt quietschte. Nun...mir war KEIN Stein vom Herzen gefallen! Ganz im Gegenteil! Denn, Sie müssen wissen, lieber Leser, Vampire vertragen nicht besonders viel Alkohol. Und meine Frau nahm mir fast das (ungesprochene) Wort aus dem Mund, als sie mich ansah und freudig strahlend folgendes feststellte: "Das heißt ja, dass du betrunken bist Breda! - Ich hab dich noch nie betrunken gesehen!" - Das hätte auch eigentlich so bleiben sollen...

Nun blieb mir nur noch eines zu tun: Alles so gut, wie möglich abstreiten!
 

"Hey, Paps! Wie viele Finger zeige ich?"

Das war ja mal wieder Sonnenklar... Mein Sohn musste ja natürlich wieder der erste sein, der seinen Spaß hatte...

Doch diesen Spaß gönnte ich ihm nicht. Als er mit seiner Hand vor mir herumwedelte, schob ich sie lediglich mit meiner beiseite.

"Lass den Unsinn, Herbert! Ich bin nicht betrunken!", knurrte ich ärgerlich und erntete damit ein enttäuschtes "Och" seitens Sarah.
 

"Wahrscheinlich ist er schon so betrunken, dass er es noch nicht einmal mehr merkt...", sprach Herbert kichernd zu Alfred.

"Aber noch nicht so sehr, dass ich dich nicht quer durch den Raum hören könnte!"
 

"Schluss jetzt! Hier, ich habe Zettel geschrieben!", warf Magda daraufhin plötzlich ein und hielt ihre Hände auf, damit jeder von uns einen Zettel ziehen konnte, wofür auch immer. Irgendjemand würde mir diese Frage mit Sicherheit sofort abnehmen. Ich sah herüber zu meinem Sohn.

"Wofür hast du Zettel geschrieben?" - Bingo!
 

Magda sah ihn ungläubig an.

"Na, fürs Wichteln!"
 

"Au ja Wichteln!", frohlockte er dann plötzlich - hielt jedoch mindestens ebenso schnell wieder inne.

"Was ist "Wichteln'?"

Ein imaginärer Schweißtropfen bildete sich an den Köpfen jedes einzelnen in diesem Raum...
 

"Jeder hier zieht jetzt einen Zettel und dem, dessen Name auf dem Zettel steht, muss man zu Weihnachten ein Geschenk machen. - Natürlich darf niemand den Namen von demjenigen, den er beschenken muss, verraten!", erklärte Magda und ermahnte meinen Sohn mit ihrem letzten Satz, was mich doch zumindest ansatzweise zum Schmunzeln brachte.

Als schließlich ich an der Reihe war einen Zettel zu ziehen, grinste sie mich an. Etwas verwirrt lehnte ich mich in meinem Sessel zurück - damit auch ja kein anderer den Namen lesen konnte - und entfaltete den Zettel. Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Linien vor meinem Auge zu einem Namen umformten.

Oh, nein!

Ich stöhnte innerlich auf...

Was sollte ich meiner eigenen Frau denn nur zu Weihnachten schenken?
 

Am Rande nahm ich wahr, wie Herbert sich zu Alfred hinüberbeugte und ihn fragte, wen er denn wohl beschenken müsste.

"Herbert von Krolock!", ermahnte ich ihn, "Denke an Magdas Worte und behalte nur ein Mal in deinem untoten Dasein ein Geheimnis für dich!"

Nach diesen Worten verzog er sich in eine Ecke und schmollte vor sich hin. Aber da ich wusste, dass dies nicht lange andauern würde, machte ich mir darüber keine weiteren Gedanken.
 

Ein paar Sekunden später kam Koukol bereits mit einer weiteren Kanne des "Tees' und stellte sie auf dem Tisch ab. Hätte ich auf meine Vernunft gehört - die normalerweise immer siegte - hätte ich keinen weiteren getrunken, aber ich konnte einfach nicht wiederstehen.

"Gut, dass du kommst, Koukol. Die wievielte Kanne Tee ist das bereits, die du gekocht hast?", bat der Professor zu wissen und schnupperte an dem Getränk.

Koukol holte tief Luft und stieß schließlich ein heiseres "Seeeehhhchhhss..." aus.

Sofort sah der Professor mich an und nahm mir die Tasse aus der Hand.

"Ihr solltet keinen Punsch mehr trinken, Exzellenz.", sagte er bestimmt und mit väterlichem Unterton.

Väterlicher Unterton...

Pah, das ich nicht lache!

"Ich sagte bereits, dass ich noch vollkommen bei mir bin!", zischte ich gereizt und ließ mir eine neue Tasse von Koukol geben.

Ich nippte an dem Getränk, während ich am Rande registrierte, wie Chagall mit Magda tuschelte. Ich schenkte ihnen keine weitere Aufmerksamkeit.
 

"Ihr solltet dies nicht auf die leichte Schulter nehmen, Exzellenz." Ich beschloss, auch dem Professor keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Stattdessen in ruhe meinen "Tee' zu trinken und den doch recht ansehnlichen Weihnachtsbaum zu betrachten. Weiße Kugeln harmonierten perfekt mit den roten. Was mir nur ein wenig Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass jede Menge Kerzen an dem Baum leuchteten und sicherlich ein Leichtes hatten, wollten sie ihn in Flammen setzen.

Doch plötzlich verschwammen alle Lichter vor meinen Augen. Überhaupt begann das gesamte Zimmer erneut sich um mich zu drehen.

Ich musste hier raus! Und das so schnell, wie nur möglich!

Also stand ich unsicher auf und ging (erneutes Husten) - stolperte - zur Tür.

"Breda, was ist? Wohin willst du?"

Ich beantwortete Sarahs Frage nicht, da ich genug damit zu tun hatte auf gerader Linie zur Türe zu gelangen. Und es gelang mir doch nicht...

Kurz vor der Türe stolperte ich über meine eigenen Füße und fiel direkt in Herberts Arme.

"Du solltest wohl besser auf den Professor hören, Paps.", grinste mein Sohn schadenfroh und legte meinen linken Arm um seine Schulter.

Auch der Professor kam nun zu uns.

"Exzellenz, eines der wenigen Male muss ich sagen, dass Euer Sohn recht hat. Ihr solltet Euch in Euren Sarg begeben und Euren Rausch ausschlafen."

"Ich bin -"

"Wiedersprecht mir nicht, sondern kommt!" Jetzt kam er mir wirklich wie mein Vater vor... und dabei war ich nicht nur ein paar Jahrzehnte älter, als er...

"Ich komme mit euch!", rief Sarah freudig aus und klammerte sich an meinen rechten Arm.
 

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich in meine Gruft kam. Ich weiß nur, dass ich dort ankam. Die Korridore, die Wendeltreppen, die Zimmer... einfach alles drehte sich... und ich hing, wie eine Marionette in den Armen meiner Frau und meines Sohnes...

Das letzte, an das ich mich erinnern kann, war der Anblick meines Sarges. Ich nahm nur am Rande das: "Paps, nicht schlapp machen!", wahr, bevor alles um mich herum schwarz wurde und ich besinnungslos in mich zusammensank.
 


 

*~*
 

Soo, das war das erste Kapitel...

Ich hoffe es hat Euch gefallen und Ihr lasst mir ein kleines Review da?! =^^=
 

Biss zum nächsten Mal!

stets

die Eure
 

Countess von Krolock



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Phoenixfedern
2010-08-10T21:58:41+00:00 10.08.2010 23:58
Eine kleine Anmerkung hab ich aber doch, fällt mir gerade auf ^^
Ist nichts großes, aber ich dachte, ich mach dich mal darauf aufmerksam ;)
du meintest sicherlich Sadismus anstatt Masochismus ^^
Beim Masochismus steht man auf Schmerzen, und ich denke mir mal in dem Zusammenhang, war Magda eher sadistisch gestimmt ^^
Wenn ich falsch liege, ignorier diesen Kommi xD
Von:  Phoenixfedern
2010-08-10T21:54:59+00:00 10.08.2010 23:54
Ich LIEBE diese FF!!!!
Einfach nur hammer geil!!!! Ich kuller mich schon die ganze Zeit auf dem Boden vor lachen ^^ MEiner Meinung nach, hast du eindeutig mehr Kommentare verdient bei so einer erstklassigen FF, die es wirklich nicht oft gibt ^^ Und das liegt nicht nur an den Witz, ich mag auch deine Art zu schreiben. Wirklich sehr gut gelungen ^^
Ganz toll ^^ Daumen hoch ^^ Ich bin gespannt, wie es weitergeht ;) Bestimmt genauso witzig wie dieses Kapitel.

*Blutkekse hinstell*
lg
Mizu
Von:  Nessi-chan
2008-01-15T14:49:35+00:00 15.01.2008 15:49
Sorry, hab das Kapitel schon gestern gelesen, bin aber erst jetzt wieder auf den Stuhl geklettert, von dem ich vor Lachen gefallen bin. Ich finde deinen Stil super! Die Handlung, die Sprüche, DIE GEDANKEN - GENIAL!!! ^^
Großes Kompliment!

Nessi-chan
Von:  Schu_Lida-san
2007-09-21T19:41:58+00:00 21.09.2007 21:41
ah...das ist ja mal eine gute weihnachtsgeschichte!^^
freu mich schon auf die fortsetztungen...



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