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Ersehntes Lachen

von

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Kapitel 3

Dieses Kapitel widme ich einem ganz besonderen Menschen:
 

Möge Gott dich im Himmel beschützen,

auf Erden tat er es nicht.
 


 

Kapitel 3
 

Zuhause angekommen, zog ich meine Schuhe aus und donnerte meine Tasche in die Ecke.

Ich hatte für Ordnung noch nie viel übrig.

In diesem Moment kam Kasumi die Treppe hinunter, im Arm einen großen Korb, randvoll mit nassen Kleidungsstücken.

„Ah, Akane, da bist du ja. Wie war dein letzter Schultag?“ Verwundert zog ich die Augenbrauen hoch. In vielen Dingen war meine älteste Schwester das genaue Gegenteil von mir, vor allem was die Ordnung anging. Um so mehr wunderte ich mich, weshalb sie mich nicht wegen der Tasche zurechtwies.

Schulterzuckend vergrub ich meine Hände in meinen Rocktaschen.

„Wie ein Freispruch.“

Lachend lief Kasumi an mir vorbei in den Flur, dort öffnete sie die Terrassentür und stellte den Korb ab.

„Na, du wirst doch bestimmt deine Schulkameraden vermissen!“

„Nicht die Bohne.“ Wieder ein helles Lachen.

Leicht genervt verdrehte ich meine Augen. Es war mir ein Rätsel, wie diese Frau Tag ein Tag aus so gut gelaunt sein konnte. Natürlich hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, dass sie nicht von dieser Welt sei, doch wer sollte mir glauben ohne Beweise?

„Auf dem Herd steht dein Essen, Akane. Ich habe es für dich warmgehalten. Allerdings haben wir schon gegessen. Das macht dir doch nichts aus, oder?“

Kommentarlos wollte ich gerade in der Küche verschwinden, als Kasumi mir noch etwas hinterher rief.

„Und vergiss nicht, deine Tasche wegzuräumen!“
 

Eine halbe Stunde später, nachdem ich lustlos in meinem Essen herumgestochert hatte, verschwand ich in meinem Zimmer, ließ mich auf mein Bett fallen und schnappte mir das Buch, dass auf dem Nachttisch lag.

Ich lag schon ein Weile dort und war völlig in mein Buch vertieft, als ich plötzlich einen dumpfen Schlag vernahm, der wohl vom Erdgeschoss kam. Unmittelbar danach setzte ein lauter Schrei ein.

„Herrgott noch mal! Wer zur Hölle hat die Tasche mitten in den Weg gelegt?“ Ups.

Für eine Sekunde war es still, bis mein Vater abermals zu schreien begann.

„Akaneeeee!!!“ Der stellte sich vielleicht an.

„Räum sofort deine Tasche weg, sonst...“ Den Rest verstand ich nicht, denn sein Gebrüll entfernte sich, bis es schließlich ganz erstarb. Gähnend erhob ich mich, um der ach so liebevollen Bitte meines Vaters nachzukommen, als mir auffiel, dass ich noch immer meine Schultracht trug.

Wie vorhin meine Tasche, feuerte ich auch dieses scheußliche Kleid in eine Ecke meines Zimmers und fischte aus meinem Kleiderschrank eine, zugegeben, etwas zu kurze blaue Jeans und ein rotes Oberteil. Während ich mich umzog, hörte ich die Türglocke und ein lautes ´ Ich geh schon `. Ich schlüpfte in meine Hose, die mir etwas zu groß war und gefährlich locker auf den Hüften saß, als ich schon wieder meinen Schreihals von Vater hörte.

„Akane, komm runter!“ War der blinde Fisch schon wieder über meine Tasche geflogen?

Den Kopf schüttelnd verließ ich mein Zimmer. Ich sprang etwas zu stürmisch die Treppe hinunter, zupfte noch an meinem Oberteil herum und übersah – wie sollte es anders sein – meine Tasche. Doch zum zweiten Male an diesem Tag, stürzte ich nicht zu Boden, sondern landete sicher in den Armen eines anderen.

Ich wagte mich schon kaum, zu sehen, wer mich aufgefangen hatte. Und das musste ich auch nicht.

„Hast du mich so sehr vermisst?“ Seine tiefe, etwas raue Stimme, bestätigte meine Befürchtung.

Eindeutig! Das war meine Bestrafung, weil ich die Tasche nicht weggeräumt hatte!

Sofort sprang ich einige Schritte zurück, brachte genug Abstand zwischen uns. Wieder blieben unsere Blicke an den jeweils anderen hängen und ich hätte schwören können, dass seine Augen mir irgendetwas mitteilen wollten. Etwas, dass ich unbedingt wissen musste. Das breite Grinsen in seinem Gesicht machte die ganze Situation keineswegs besser.

Lieber hätte ich mir vorhin die Nase gebrochen!

„Akane! Du meine Güte, bist du groß geworden!“ rief eine weitere tiefe Stimme und erst jetzt bemerkte ich, dass er nicht der einzige Besucher war. Er hatte seine ganze Familie mitgebracht.

„Und wunderschön ist sie auch. Richtig erwachsen!“ strahlte mich Nodoka Saotome an, schubste ihren Mann Genma zur Seite und nahm mich in den Arm. Der Duft ihres Parfums stieg mir in die Nase und ohne ihre Umarmung zu erwidern, ließ ich es über mich ergehen. Nach einer Ewigkeit wie mir schien, ließ sie wieder von mir ab, musterte mich allerdings immer wieder von Kopf bis Fuß.

Ich würde nicht behaupten, dass Frau Saotome eine äußerst altmodische Person sei, die in ihren Ansichten und Bräuchen festgefahren war, doch wer sie näher kannte, wusste, dass sie romantische Traditionen gerne pflegte.

So war ich mir ziemlich sicher, dass ihr mein Aufzug etwas Unbehagen bereitete.

„Akane, Schätzchen. Ich bin mir sicher, dass Kasumis Essen hervorragend schmeckt. Weshalb bist du dann so dünn?“ An meine älteste Schwester gewandt, sprach sie weiter.

„Die jungen Frauen heutzutage wollen alle so dünn sein. Sie wissen gutes Essen nicht zu schätzen...“

„Wie recht sie doch haben, Frau Saotome! Ich versuche darauf zu achten, dass sie wenigstens eine Mahlzeit am Tag zu sich nimmt, aber ich bin ja nicht immer...“

Ungeachtet dessen, dass ich jedes Wort hören konnte, führten die beiden Damen ihr Gespräch über meine Essgewohnheiten auf dem Weg in die Küche weiter. Weshalb die Menschen in meiner Umgebung immer wieder mich als hoch interessantes und dringendst auszudiskutierendes Thema wählten, konnte ich mir seit heute morgen nicht näher erklären. Doch mir sollte es egal sein. Sollten die sich doch alle das Mundwerk fusselig reden. Vergebliche Mühe, wenn sie dachten, mich besser verstehen zu können.

Der Rest der Gruppe folgte ihnen, wenn auch ins Wohnzimmer, wo sie alle gemütlich beieinander sitzen, in alten Zeiten schwelgen und nebenbei ihren Tee genießen würden. Und auch wenn dies alles so unglaublich – selbst meine Gedanken trieften nur so vor Ironie – aufregend klang, konnte ich mich nicht dazu durchringen, die Gesellschaft unserer Besucher zu genießen.

Als alle um die Ecke verschwunden waren, sah ich meine Chance gekommen, mich unauffällig in mein Zimmer zu verziehen. Ich war mir sicher, sie hätten auch ohne mich ihren heiden Spaß. Doch wie immer, - und seit kurzem äußerst häufig - , machte mein Vater mir einen Strich durch die Rechnung.

„Schlag dir das aus dem Kopf, Akane. Du wirst uns brav Gesellschaft leisten.“ Ich wandte mich zu meinem alten, sturen Herrn, dessen Kopf um die Ecke lugte. Seine Augen funkelten mich so seltsam...freudig an und sofort setzte dieses Gefühl wieder ein.

Das Gefühl, ahnungslos in eine Falle getappt zu sein und der Ungewissheit meine Nerven angeboten zu haben, an ihnen zu nagen...

Mit einem tiefen Seufzer folgte ich meinem Vater in unseren Gemeinschaftsraum. Alle hatten sich bereits an dem dunklen Holztisch niedergelassen. Wie selbstverständlich wurde der Platz neben ihm extra für mich freigehalten. Noch konnte ich fliehen.

„Ich freue mich wirklich sehr, dass ihr wieder da seid. Wie war eure Reise?“ Als wäre diese Frage der Startschuss gewesen, begannen alle plötzlich durcheinander zu sprechen. Es wurde wild gestikuliert, gelacht und ihre Mimiken sprachen Bände. Doch verstehen konnte ich nichts. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das auch nicht wollte.

Ich spürte, wie er mich von der Seite ansah, mich beobachtete. Kein Wort kam ihm über die Lippen.

„Unglaublich! Und was ist dann passiert?“

Langsam wandte ich meinen Kopf und blickte ihn regungslos an. Was wollte er von mir?

„Wo ist denn eigentlich Nabiki?“

Leicht umfasste er mein Handgelenk unter dem Tisch. Ich blickte hinunter.

Warum um Himmels Willen musste er zurückkommen? Ich hatte ihn doch schon vergessen!

„Morgen findet der Abschlussball in ihrer Schule statt. Nabiki organisiert ihn mit. Und heute...“ Entsetzt über meine Gedanken, zog ich schnell meine Hand weg.

„...hat es etwas länger gedauert. Entschuldigt die Verspätung. Ich wusste gar nicht, dass wir Besuch erwarteten.“

Meine ältere Schwester betrat den Raum. Sie trug in beiden Händen große Taschen, die mit den Organisationsplänen vollgestopft waren. In den letzten paar Wochen stand sie unter Dauerstress, doch dies nahm sie gerne in Kauf, wie sie uns versichert hatte.

Ich war mir so ziemlich sicher, dass sie eine Menge Geld für diese Aufgabe kassierte.

„Ah, Nabiki. Du kommst gerade recht. Wie läuft die Planung?“ Eine höfliche Floskel meines Vaters. Ich sah ihm an, dass er es kaum erwarten konnte, selbst das Wort zu ergreifen.

„Bestens. Ich hab noch nie soviel verdient, wie in diesen Wochen...und die Feier wird auch gut.“

Wieder huschten meine Augen zu meinem Tischnachbarn. Er lauschte interessiert den Erzählungen von Nabiki, blickte jedoch zu mir, als meine Schwester sich zu uns setzte.

Jetzt war die Stunde meines Vaters gekommen.

„Nun, da ihr, - unsere hochverehrten Freunde - , endlich wieder da seid und wir alle beisammen sitzen, ist wohl die Zeit gekommen, eine wunderbare Neuigkeit zu verkünden!“

Das müsste wohl eine größere Sache sein, nach dem Klang dieser äußerst schmalzigen Aussage meines Vaters.

„Akane, mein Schatz. Die Saotomes und ich haben eine Überraschung für dich.“ sprach der alte Mann. Mein Kopf schnellte in seine Richtung. Was? Wie jetzt? Misstrauisch sah ich von einem Erwachsenen zum anderen. Mein schlechtes Gefühl wurde stärker. Unerträglich schlimmer.

„Also“ begann Herr Saotome, „ wir, dein Vater und ich, haben beschlossen, unsere Kampfsportschulen zu vereinen, und deshalb....“ Mein Vater fiel ihm ins Wort.

„Deshalb haben wir entschieden, dass Ranma und du heiraten werdet!“

Tatsächlich musste ich auf die Stelle schauen, auf der ich saß, um völlig sicher zu gehen, dass sich nicht doch ein Schwarzes Loch unter mir aufgetan hatte. Dies war nicht der Fall.

Doch wieso fiel ich dann?

Alle Augen waren auf mich gerichtet: aufgeregt, bewundernd, als wäre ich eine göttliche Erscheinung. Oder ein Opfer, dessen Schlächter es in freudiger Erwartung zum Schlachthof führten. Je nachdem.

Nun, ich musste zum ersten Mal seit ich denken konnte, zugeben, dass mir die Worte fehlten. Mein Kopf war nicht wie erwartet leergefegt, im Gegenteil, Gedanken schossen hin und her. So schnell, dass ich nicht deutlich erkennen konnte, was sie aussagten, was ihr Inhalt war. Unglaublich, aber ich konnte meine eigenen Gedanken nicht lesen!

Sehr verwundert über diese Situation, schweifte mein Blick zu ihm. Ich weiß nicht, was ich mir erhoffte, doch die brutale Realität prügelte auf mich ein, als er meinen Blick nicht erwiderte. Stattdessen bestaunte er den Boden.

Meine Augen hefteten sich an jeden einzelnen von ihnen, von dem Rest.

Überglücklich strahlten mich alle an.

„Ah, das ist euer Ernst?“ fragte ich wahrheitsgetreu.

„Ist das nicht schön, Akane? Endlich bist du nicht mehr so allein!“ meinte auch Kasumi und schenkte eine weitere Runde Tee ein. Ich fixierte meine Schwester. Was hatte sie gesagt?

„Ab jetzt seid ihr verlobt.“ fügte mein wahnwitziger Vater vollkommen unnötig hinzu.

Einige Sekunden vergingen, als ich auch nur einen annähernd klaren Gedanken fassen konnte.

Sekunden, in denen alle die Luft anhielten, um meine Antwort auch ja nicht zu überhören.

Welch Freude mir das machte, ihre Träume zu zerschlagen!

„Niemals!“

Alle Köpfe fuhren herum, alle Augen starrten mich an, als hätte ich gerade eine Kriegserklärung von mir gegeben. Doch ich wandte mich nur meinem Vater zu. Schließlich war ich mir doch sicher, dass diese dämliche Idee von ihm stammte.

Der alte Mann hatte sich leicht nach vorne gebeugt, mit einem völlig entgeisterten Gesichtsausdruck.

„Was hast du gesagt?“ brachte er etwas heißer heraus. Seine Unterlippe bebte leicht.

„Nein.“ wiederholte ich nochmals. In den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Nabiki den Kopf schüttelte. Sie hatte es wohl befürchtet, dass ich so reagiere.

„A...aber warum denn nicht? Ich dachte ihr seit Freunde?!“ mischte sich nun Frau Saotome in die brenzlige Situation ein. Ich wusste, woran sie dachte, aber das lag schon Jahre zurück und würde niemals wieder, - auch nur im Geringsten - , so werden.

So sehr sie sich das alle auch wünschten.

Meine Augen blitzten nach dem zuletzt gesprochenen Satz gefährlich auf. Sehr zum Gegensatz meiner Stimme. Diese war ruhig und gelassen.

„Ich brauche niemanden!“ war das einzige, was ich von mir gab. Weiterer Worte bedurfte es aus meiner Sicht nicht.

Darauf erwiderte niemand etwas und so erhob ich mich von meinem Platz.

„Entschuldigt mich bitte.“

Sprachlos wie sie waren, ließ ich die versammelte Truppe zurück, schloss leise die Tür und begab mich in mein Zimmer, dass doch von Anfang an mein eigentliches Ziel war.
 

Es war immer noch brüllend heiß draußen, obwohl sich der Tag langsam dem Ende neigte. Ich spürte, wie mein Magen sich leicht zusammenzog und anschließend leise knurrende Geräusche von sich gab. Wundern tat mich das nicht, immerhin hatte ich heute noch nichts zu mir genommen. Also griff ich in die oberste Schublade meines Schreibtisches und zog einen Müsliriegel hervor. Dieses Zeug schmeckte mir nicht sonderlich gut, doch als Notvorrat reichten sie allemal.

Kauend saß ich auf meinem Stuhl und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Ich hatte keine Lust mir irgendwelche Gedanken über die letzte Stunde zu machen. Natürlich war dieses Arrangement äußerst beunruhigend und wenn ich es näher betrachtete, wurde mir schlecht bei dem Gedanken. Doch ich fasste es als gutes Omen, dass mir niemand ins Zimmer gefolgt war, um ein „ernstes Wörtchen“ mit mir zu reden.

Das ich damit meinen Vater meinte verstand sich von selbst.

Also verdrängte ich dieses Geschehnis soweit es ging.

Tja, und wie es der Teufel so wollte, klopfte es just an meine Tür. Doch ich machte keine Anstalten, denjenigen herein zu bitten. Vielleicht, wenn ich ganz still bin...

„Akane, darf ich reinkommen?“ Überflüssig, diese Frage. Frau Saotome hatte schon wieder die Tür hinter sich geschlossen, bevor ich mit einem Nein antworten konnte.

Sie lief auf mein Bett zu und setzte sich. Ihr Blick wanderte durch mein Zimmer. Ich wusste was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging. Kasumi hatte vor Jahren die Meinung geäußert, dass mein Zimmer kalt und unpersönlich wäre, als würde hier niemand wohnen. Und es war ebenfalls nicht zu übersehen, dass die beiden Frauen sich in vielerlei Hinsicht glichen und selbstverständlich auch alles mit gleichen Augen sahen. Jedoch kümmerte mich auch diese Sache nicht sonderlich.

„Schön hast du es hier.“ Ich runzelte die Stirn.

Wie überaus nett von ihr, zu versuchen, mir mit einer Lüge zu schmeicheln! Sollte ich jetzt vor Entzückung dahinschmelzen?

„Akane, ich weiß, dass diese Verlobung für dich überraschend kam. Natürlich bist du durcheinander und warst im ersten Moment schockiert. Das verstehe ich und die anderen ebenfalls. Wir wollen dich auch gar nicht unter Druck setzen...“

Du liebe Güte, wurde der Frau der Humor in die Wiege gelegt?

„...du noch mal eine Nacht drüber schläfst, dann siehst du alles mit ganz anderen Augen, glaub mir!“ Normalerweise war dies nicht meine Art, aber sie forderte mich praktisch heraus!

„Selbst wenn Sie mich ins Koma legen würden, ändern würde sich nichts.“

Ich hätte pures Entsetzen in ihren Augen erwartet, doch stattdessen donnerte sie mir Verzweiflung entgegen.

„Das meinst du nicht so, Akane. Bitte denk noch mal gründlich darüber nach. Das würde uns allen viel bedeuten!“ Ich tat, als würde ich angestrengt überlegen. Leicht neigte ich meinen Kopf und antwortete wieder mit einem Nein.

Ein tiefer Seufzer entfuhr der Frau vor mir. Mit einer Hand bedeckte sie ihren Mund. Ich konnte sehen, dass sie mit den Tränen kämpfte.

„Es hat wohl keinen Sinn, jetzt mit dir darüber zu reden.“

Leichtfüßig erhob ich mich und lief zur Tür. Schwungvoll öffnete ich diese.

„Dann können Sie ja jetzt gehen.“ Tief erschüttert und traurig trat Frau Saotome auf den Flur hinaus. Ein letztes Mal wandte sie sich mir zu.

„Früher warst du glücklicher, Akane!“

Ich wusste nicht wovon sie sprach...
 

Schwer keuchend fuhr ich aus dem Schlaf. Ich war mächtig verwirrt, wusste im ersten Moment nicht, wo ich war. Was war geschehen? Kerzengerade saß ich in meinem Bett und blickte mich hektisch um. Es war kurz nach vier und draußen wurde es langsam wieder hell. Ich spürte, wie mir der kalte Schweiß den Nacken hinunterlief. Was ist nur passiert? Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern, was mich aus dem Schlaf schrecken ließ, doch es wollte mir beim besten Willen nicht einfallen. Also ließ ich mich zurückfallen. Selbst für mich war es viel zu früh. Je länger ich aber so da lag, desto stärker beschlich mich ein unheimliches Gefühl, das ich nicht genau bestimmen konnte. Auf jeden Fall reichte mir dieses ungute Gefühl, mich doch noch aus dem Bett zu jagen.

Hundemüde schlurfte ich zum großen Wandspiegel. Meine kurzen blauen Haare standen zu allen Seiten vom Kopf ab, ich sah aus, als hätte ich in eine Steckdose gegriffen. Ich fuhr mir mit den Fingerspitzen durch die Haare, schüttelte leicht den Kopf. Tief ein und ausatmend schloss ich meine Augen und öffnete sie wieder, um in den Spiegel zu blicken.

Sofort empfingen mich dunkle braune Augen, so groß, das ich dachte, sie würden mich verschlingen. Wie paralysiert starrte ich mein Spiegelbild an. Mein Atem ging immer schneller, mein Herz klopfte wild.

Diese Augen, sie waren...waren...

Der Druck in meinem Kopf stieg ins unermessliche, Schatten umkreisten mich, bis alles ganz schwarz wurde...
 

Seufzend tauchte ich tief ins heiße Wasser. Ich war einige Stunden lang durch den Park gelaufen und anschließend hatte ich im Dojo trainiert. Diese körperliche Tätigkeit hatte mich meinen ganzen Vormittag gekostet, doch das störte mich nicht im Geringsten, im Gegenteil. So stellte ich mir einen perfekten Tag vor. Und zum krönenden Abschluss gönnte ich mir ein beruhigendes Bad.

Ein lautes Klopfen durchdrang die wohltuende Ruhe. Grummelnd stieg ich aus der Wanne. Nicht einmal im Bad ließ man mir meinen Frieden. Sachte schloss ich die Tür auf.

„Hey, Schwesterherz! Dad ruft dich schon seit einer halben Stunde.“

„Ich komme gleich.“ antwortete ich Nabiki und schlug ihr die Tür vor der Nase wieder zu. Vorbei war es mit meiner wohltuenden Ruhe.

Zwanzig Minuten später verließ ich etwas schlecht gelaunt das Bad. Ich war überzeugt, dass jetzt meine Standpauke kam. In meinem Inneren sah ich den Ablauf diesen Monologes schon deutlich vor mir: Wie kannst du dich nur so unhöflich benehmen? Diese Verbindung ist von äußerster Wichtigkeit. Dein Verhalten ist inakzeptabel, so was dulde ich nicht in meinem Haus. Ich erwarte von dir, dass du dich...

Und so weiter und so fort, bla bla bla.

„Ach, da bist du ja, Kleines! Setz dich, setz dich.“ Ich ließ mich auf eines der Sitzkissen am Tisch im Wohnzimmer nieder und musterte meinen Vater. Kleines? Hatte er den gestrigen Abend etwa vergessen? Innerlich zuckte ich mit den Schultern und schrieb es dem hohen Alter meines Vaters zu.

„Da ich keinerlei Lust verspüre, mit dir über gestern Abend zu diskutieren, schneide ich dieses Thema erst gar nicht an. Aber als dein Erziehungsberechtigter und Vater möchte ich immer nur das Beste für dich und deshalb bleibt mein gestriger Beschluss bestehen, ob es dir passt oder nicht!“

Ja, dann wohl eher ´oder nicht `.

„So, kommen wir zum nächsten Punkt. Ich wollte dich noch mal darüber informieren, dass der geplante Drei-Tage-Urlaub zwar stattfindet, jedoch um einen Tag gekürzt wird. Ich werde mit den Saotomes nach Osaka fahren. Wir werden morgen in aller Frühe aufbrechen und am Montag Abend wieder da sein. Kasumi wird, wie geplant, drei Tage nicht nach Hause kommen und Nabiki wird die ganze Woche unterwegs sein.“

Nur zwei Tage? Besser als nichts. Ich konnte zufrieden sein.

Da mein Vater seinen Redefluss offensichtlich beendet hatte, erhob ich mich, um wichtigeren Dingen nachzugehen.

„Moment, da wäre noch etwas.“ Misstrauisch beäugte ich den alten Mann.

„Auch wenn dir diese Zeit nicht überaus lang vorkommt, für mich sind es genau zwei Tage zuviel, in denen ich dich nicht gerne alleine lasse. Deshalb wird, – und hier möchte ich ebenfalls keinen Widerspruch hören - , Ranma auf dich aufpassen. Ich weiß, ich weiß, das gefällt dir nicht, aber daran lässt sich nichts mehr rütteln.“

Er konnte nicht einmal ansatzweiße erahnen, wie egal mir das war, ob er Widerspruch hören wollte oder nicht.

„Das kann nicht dein Ernst sein! Sehe ich vielleicht aus, als bräuchte ich einen Babysitter?“

„Wenn du mich fragst...“ begann mein Vater, doch ich ließ ihn nicht ausreden.

„Es ist mir egal, was du für das Beste hältst. Ich will ihn nicht hier haben!“

Ich verstummte erst, als ich bemerkte, wie das Gesicht meines Vaters langsam rot anlief. Mein letztes Kommentar war nicht gut gewählt. Ich zählte den Countdown bis er platzte.

„Das interessiert mich nicht. Du wirst tun, was ich gesagt habe, sonst kannst du dein blaues Wunder erleben. Hast du mich verstanden, Fräulein?!“ schrie er laut.

Es war nicht das erste Mal, dass er mich anbrüllte. Ich hatte schon oft genug Ärger bekommen, deshalb beeindruckte mich sein Geschrei nicht sonderlich.

„Und zur Strafe wirst du heute Abend schön mit uns zum Abschlussball deiner Schwester gehen!“ Auch diesmal wollte ich widersprechen, doch dazu kam ich nicht mehr. Der alte Mann schickte mich mit dem Kommentar, dass er mich bis heute Abend nicht mehr sehen wollte, in mein Zimmer.

Ernsthaft überlegte ich, wo der Rekord für die Überbringung von schlechten Nachrichten lag. Ich war fester Meinung, dass mein Vater ihn geknackt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  ThaliaFrostgrove
2012-12-07T19:51:09+00:00 07.12.2012 20:51
ich bin wirklich begeistert. das ist mal eine ganz andere geschichte gefällt mir aber wirklich sehr gut. man sollte sie verfilmen :D nur weiter so!!

glg
Von:  Toshi
2008-01-12T15:15:01+00:00 12.01.2008 16:15
Hallihallo! :3
Also.. Deine Geschichte gefällt mir wirklich gut. Dein Schreibstil gefällt mir, so ähnliche Gedankengänge hab ich acuh manchmal, kann mich mit Akane gut identifizieren ^^
Ich find's schön, dass Du sozusagen von Anfang an erzählst, als Ranma und Akane noch Kinder waren und sich da schon kannten. Nur fehlt mir das ''Verschwinden'' Ranmas, da sie sich ja 11 Jahre nicht gesehen haben.
Komisch finde ich es nur, dass er am Ende des Schuljahres in die Schule kommt. Etwas ungewöhnlich, aber ist ja nicht schlimm.
Freu mich, wenn es weitergeht, ich lese diese FF wirklich gern. :3
Liebe Grüße, Mimie.
Von:  Bienchen1709
2008-01-11T16:28:00+00:00 11.01.2008 17:28
Es geht endlich weiter!
Also, wenn du mich fragst wird dein Schreibstil von Mal zu Mal besser und inzwischen finde ich ihn schon großartig.
Gott, ich bin ganz euphorisch vom Lesen dieses Kapitels^^
Einfach phänomenal toll!
Ich fand die Handlung von Anfang an toll, aber jetzt kann ich es gar nicht mehr erwarten das nächste Kapitel zu lesen, weil es immer spannender wird.
Ich finde Akanes rebellische Art, auch wenn sie sich anders äußert als im Original, passt gut zu ihr.
Ihre Gedankengänge sind wahnsinnig gut gewählt und bei manchen könnt ich mich totlachen. Dieser trockene Sarkasmus, einfach urkomisch^^
Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie es weiter geht und hoffe deswegen sehr, dass es bald weiter geht. Sonst muss ich wohl mal wieder ein wenig penetrant werden (kennst mich ja...)^^
Bin momentan auf der Arbeit und konnte das Kapitel deswegen nur überfliegen, aber wenn ich heut Abend wieder komme, werd ich mir noch mal gaaaanz viel Zeit nehmen es Zeile für Zeile zu genießen.
Da deine Kapitelwidmung so traurig war, würd ich dich gerne trösten, doch über das Internet geht so was immer mehr schlecht, als recht, aber wenn du zur Zeit traurig bist und jemanden verloren hast du mein Beileid.
Liebe Grüße
Bienchen


Von: abgemeldet
2008-01-10T21:28:41+00:00 10.01.2008 22:28
also ich muss ehrlich sagen, ich habe seit langem
keine mehr so gute ranma fanfiction gelesen.
du beschreibst die story super und an deinen schreibstil kann
man auch rein gar nichts aussetzen,der ist perfekt.
mach weiter so,das ist ne richtig gute handlung und ich
würd mich sehr über ne schnelle fortsetzung freuen ^^
lg
Von:  Kruemelchen
2008-01-09T21:19:34+00:00 09.01.2008 22:19
Ich finde deine FF sehr schön.
Dein Schreibstil ist flüssig und sehr schön.
Die Handlung ist gut nachvollziehbar und logisch.

Besonders gefällt mir, dass du die Geschichte abänderst.
Also, dass du in Akanes und Ranma Kindheit beginnst.
Ich finde das sehr schön!

Lg Kruemelchen


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