Tensai
Marui Buntas liebstes Hobby war das Essen. Zweifellos.
Zwar war ihm Tennis beinahe genauso wichtig, dennoch würde selbst der Spaß, Reiz und der Nervenkitzel an diesem Spiel seinem Nummer eins Zeitvertreib niemals die Stirn bieten können.
Er mochte jedwede Art von Gerichten, egal ob sauer, salzig, bitter oder scharf, bekannt oder unbekannt. Seine besondere Passion jedoch, und diese war weiträumig bekannt, wenn nicht gar verschrien, galt ausnahmslos Süßigkeiten jeder Art.
Jedes Kind liebte Süßigkeiten, Marui jedoch liebte sie noch mehr. Er genoss den süßen, sich auf seiner Zunge ausbreitenden Geschmack nachdem er sich ein Bonbon in den Mund geschoben hatte, erfreute sich daran zu spüren wie ein Stück Schokolade langsam schmolz um nach und nach seinen sahnigen Geschmack Preis zu geben. Er war verrückt nach den süßen, klebrigen Fäden die Kaugummi zwischen seinen Zähen zog und nach dem prickelnden Geschmack den er auf seinen Lippen hinterließ, nachdem er in Form einer Blase mit einem leisen Pop Geräusch zerplatzt war.
Ja, Marui fand Gefallen an der Tatsache dass ihn zuckerhaltige Speisen jedes Mal zu einem geschmacklichen Höhepunkt und einer Angenehmen Art der Befriedigung verhalfen äußerst schätzenswert.
„Mhhh.“, leise stöhnend, die Augen geschlossen und das Gesicht mit einem seligen Grinsen verzogen, wippte der rothaariger Junge auf der weißen Bank neben einem der zahlreichen Tennis Courts des Rikkai Dai Schulgeländes vor und zurück. Sein glatzköpfiger, braungebrannter Nebensitzer verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.
“Musst du wegen deiner Süßigkeiten immer so übertreiben? Das ist peinlich.“, murrte er und linste zu einem Doubles Pair von Erstklässlern hinüber, die auf dem Feld auf Grund von Maruis augenscheinlicher Ekstase zu tuscheln begonnen hatten und einen Punkt einbüßen mussten, „Alle starren schon.“
Der rothaarige öffnete zufrieden grinsend die Augen und blies eine Kaugummiblase auf.
„Das Essen ist mein höchster Genuss.“, ließ er schwelgerisch verlauten und streckte sich, stand dann von der Bank auf und sprang vom einen Bein aufs andere, um das schwere, eingeschlafene Gefühl zu verdrängen dass sich von seinen Waden her bis in seine Oberschenkel ausbreitete.
Jackal rümpfte die Nase und schwieg, faltete bedächtig die Hände und legte die Stirn in Falten.
„Hm.. da ist es wohl jemand anderes höchster Genuss dich zu beobachten.“, sprach er langsam und blickte zum Gitter hinüber, hinter dem sich ein kleiner Junge mit blond gelockten Haaren postiert hatte, seine Finger um das Metall des Gitters des Absperrungszaunes gelegt.
„Hä?“, Marui fuhr herum, mit seinem Kaugummi eine erneute Blase formend, worauf seinem Beobachter ein schrilles Quieken entfuhr, er wie wild zu winken begann und sich in seinen rehbraunen Augen ein sehnsüchtiges Glitzern zeigte.
„Marui-kun! Marui-kun!“
Besagter legte die Stirn leicht in Falten, hob dann jedoch ebenfalls seine Hand zum Gruß.
„Tag, Jiroh.“
Marui war jemand, der sich selbst von vielen Leuten missverstanden sah. Es war nicht so dass er darunter zu leiden hatte, oh nein, es ging schlichtweg darum, dass er wusste dass er ein Genie war, ein Tensai, und als genau dieser wollte er auch anerkannt werden.
Für seinen Geschmack wurde er diesbezüglich viel zu oft von anderen verspottet. Sein Teamkamerad Niou war das beste Beispiel dafür.
Jiroh hingegen war ein Fan. Ein Bewunderer. Eine süße Bestätigung für sein Können. Marui schätzte diese Bestätigung (und das nicht nur weil sie ihn zusätzlich mit Chocolate Chip Cookies, Erdbeersahnetörtchen und massenweise Gummibärchen und Pralinen versorgte.)
Der blonde war stets eine Hilfe wenn es um das Bespannen seiner Schläger, das Tragen seiner Taschen oder das Reichen von Handtüchern und Wasserfalschen ging.
Er war allzeit bereit mit Marui Sondertrainingsstunden bezüglich eines Turniers einzulegen, selbst wenn der Gegner Hyotei hieß, lauschte jedem von Maruis Worten so aufmerksam wie möglich und war zudem ungeheuer spendabel. Er brachte ihm zu jedem ihrer Treffen Presente mit, bezahlte grundsätzlich seine Getränke und anderweitige Einkäufe die Marui tätigte wenn sie zusammen waren.
Doch selbst für andere Bereiche des Tensais Leben war Jiroh eine Bestätigung. Hätten Erwachsene, Lehrer zum Beispiel, von seinen mehr als freundschaftlich angehauchten Beziehungen zu verschiedensten Leuten, unter anderem auch dem blonden Singles Player des Hyotei Tennisclubs, gewusst, hätten sie ihn mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als ausnahmslos frühreif eingeschätzt. Marui jedoch genoss die Gelegenheiten die sich ab und an gaben, denn Jiroh war nicht nur ein Fan, er war zusätzlich noch ein äußerst zuverlässiges Groupie. Zudem würde ihn sein Alter garantiert nicht davon abhalten Sex zu haben. Warum sollten die angenehmen Dinge des Lebens einzig und allein den Erwachsenen vorbehalten sein?
Jirohs Küsse waren süß, scheu und unerfahren. Für Marui war es herrlich amüsant zu beobachten wie der andere immer mehr und mehr errötete und sein Atem langsam schwerer wurde wenn er ihm mit seinen Fingern unters T-Shirt fuhr oder ihm unsittliche Dinge ins Ohr flüsterte.
Aber dies war ja schließlich kein Wunder. Er war ein Tensai, in jeglicher Hinsicht.
Dennoch hatte selbst diese Beziehung, wie jede goldene Medaille, auch eine Kehrseite.
Einen Fan zu haben war gut und schön, nicht mehr spaßig wurde die Situation allerdings, wenn er einem jeden Tag nach der Schule, nach dem Tennistraining und selbst vor dem eigenen Zuhause auflauerte, übermäßig anhänglich war und außerdem unheimlich eifersüchtig.
Marui hätte schwören können dass Sanadas böser Blick ihn augenblicklich hätte töten können, hätte er ihm direkt in die Augen gesehen.
Es war ein heißer Freitagnachmittag, die Luft flimmerte über dem roten Belag der Tennisplätze und anstatt zu trainieren, hatten es sich der rothaarige gemeinsam mit Niou auf einer Bank im Schatten gemütlich gemacht.
Marui hatte auf Nious Schoß platzgenommen und teilte sich ausnahmsweise mit selbigem eine große Kugel von grünem Apfeleis. Grinsend und stets darauf bedacht keinen Tropfen der kühlen Speise die Waffel hinabrollen zu lassen, schien es ihnen absolut nichts auszumachen dass sich ihre Zungen immer wieder trafen.
Yagyuu, Nious Doubles Partner und Jackal, Maruis Doubles Partner, spielten sich den Ball alleine zu, legten aber hin und wieder längere Pausen ein in denen sich der Brasilianer mit angewidertem Blick zur Seite drehte und Yagyuu seine Brille immer wieder auf seinem Nasenrücken nach oben schob.
Noch stärker zu brodeln und zu kochen als der Schweiß unter Sanadas schwarzer Mütze, war jedoch der wütende Jiroh, der wie immer am Zaun stand und die Szenerie mit aufgeblasenen Backen beobachtete.
„Marui-kun!!“, rief er immer wieder und rüttelte am Zaun, „Marui-kun, ich bin’s! Schau doch!“
Manch einem mochte Jiroh auf Grund dieser Ignoranz vielleicht leid tun, Marui Bunta jedoch war sich sicher diesbezüglich der letzte zu sein. Der blonde vereinnahmte ihm total. Tauchte immer dann auf wenn er mit anderen Personen allein sein wollte. Er fiel Personen die versuchten mit Marui zu reden so oft ins Wort, dass diese oftmals aufgaben, sich abwandten und sich dem rothaarigen erst dann wieder nährten, wenn er sein kleines, blondes Ungeheuer mal ausnahmsweise nicht bei sich hatte.
Um es kurz zu sagen: Jiroh ging ihm auf die Nerven.
Und diese Tatsache konnten nicht mal seine speziellen, selbstgemachten Erdnussbutterkekse wieder wett machen, ganz gleich wie viele, mit wie viel Schokoglasur oder bestreuten Liebesperlen er ihm darbrachte.
Maruis Leben war angenehm. Wie ein süßes Dessert aus dem er sich die Rosinen herauspickte um auf diese Weise nur das Beste inklusive eines extra Sahnehäubchens zu bekommen. Und obwohl er es zunächst nicht wirklich wahr haben wollte eine solche Bestätigung seines Könnens jedwedes Bereiches eventuell zu verlieren, begann er sich an einem gewissen Punkt angelangt zu fragen, ob Jiroh nicht vielleicht doch eine Rosine war, die es zu picken galt.
