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Sherlock Holmes - Das Heulen des Wendigo

von

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Die neue Klientin

Anmerkung des Autors John H. Watson: Folgende Erzählungen finden im Dezember 1903 statt, während einer unserer Exkursionen außerhalb Londons. Jedoch sollte sich diese nicht als erholsame Ruhepause erweisen, wie ich sie schon zuvor in meinem Bericht zu den 'Gutsherren von Reigate' schilderte, in welchem mein Freund einen interessanten Fall jederzeit einem Urlaub vorzieht, sondern eher unseren Ausflügen ins Dartmoor, wie ich in Erzählungen wie 'Die Internatsschule' heranzog.
 

Für gewöhnlich beschreibe ich in meinen Geschichten von meiner und Holmes' Abenteuern im beschaulichen London. Seien es Besuche in Herrenhäusern, deren Besitzern von Einbrüchen oder familiären Tragödien berichten, oder auch Exkursionen in die Londoner Unterwelt, wie etwa das Aufsuchen der ein oder anderen Opiumhöhle, was selten zur völligen Missgunst meines Freundes ausfällt, oder der Hafen, an dem sich stets das ein oder andere Gesindel herumtreibt. Jedoch gibt es auch Ausschweifungen von dieser Regel, mir drängen sich die Ereignisse des Junkers von Reigate in den Sinn, aus dem Jahre 1887, in welchem ich Holmes eigentlich ausreichenden Urlaub verordnet hatte, er sich hingegen in den nächstbesten Fall stürzte. Oder so auch unsere Ausflüge in Richtung des Dartmoors, wie etwa unsere Untersuchungen in Baskerville-Hall im Jahre 1900. Wann immer unsere Ermittlungen es verlangten, so bat ich stets meinen treuen Kollegen doch meine Praxis zu übernehmen, was mir erlaubte meinen treuen Freund auf seinen Reisen zu begleiten. An jenem Tage sollte es sich nicht anders erweisen, mit der einzigen Ausnahme, dass mir keineswegs danach war. London steckte im tiefsten Winter und ich wagte mich nur zeitweise vor die Haustür. Dennoch hatte ich mich diesen Nachmittag bei Holmes in der Baker Street eingefunden um mit ihm zusammen einen Nachmittagstee zu genießen. Unsere treue Mrs. Hudson stellte für mich gerne eine zusätzliche Kanne auf und holte meine alte Lieblingstasse aus dem Geschirrschrank.

Nachdem Holmes immer noch keine Anstalten machte sich zu mir zu gesellen, übernahm ich die Initiative und schlenderte in dessen Arbeitszimmer. Wie erwartet saß er an seinem Schreibtisch und sortierte seinen Schriftverkehr.

„Holmes, Ihr Tee wird kalt. Das da kann doch sicherlich warten. Tee wird kalt, Papier hingegen nicht.“, wies ich ihn darauf hin, erntete doch den stets unbeeindruckten Blick meines Freundes.

„Watson, Sie hätten mir den Tee doch auch bringen können, anstatt mich auf diese physikalische Begebenheit hinzuweisen.“

Ich wies meinen Freund darauf hin, dass ich nicht sein Haushälter sei, ließ mich am Ende aber wie immer breitschlagen. Also servierte ich ihm den Tee und stellte meinen Stuhl näher an seine Arbeitsstelle.

„Etwas Spannendes? Ein neuer Klient womöglich?“, versuchte ich Holmes etwas zu entlocken.

Dieser schüttelte erst nach einiger Zeit den Kopf.

„Nein, im Gegenteil. Die Anfragen klingen keineswegs nach einem spannenden Rätsel. Dieser letzte Brief hier ist sogar so dreist mich nicht wegen eines Falles zu behelligen.“, knurrte er.

Ich runzelte die Stirn.

„Nein? Was sollte man denn bitte sonst von dem großen Meisterdetektiv wollen?“, hakte ich nach.

Holmes faltete den Brief wieder und legte ihn beiseite.

„Dieser... Thomas Driscoll möchte mich tatsächlich als seine Muse engagieren. Was kommen die Leute nur auf Ideen.“

Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen.

„Warten Sie. Meinen Sie etwa Thomas Driscoll, den bekannten Kriminalautor?“, wollte ich wissen.

Holmes schnaubte.

„Ja, so hat er sich glaube ich genannt. Er ist auf der Suche nach Detektiven, die ihm als Inspiration dienen sollen. Aber ausgerechnet ein Genie wie mich anzuschreiben ist... nun ja dreist.“

Zum Teil konnte ich meinen Freund verstehen, auf der anderen Seite war ich mir sicher, dass er nie eines von Driscolls Werken gelesen hatte.

„Das würde ich jetzt nicht sagen. Driscolls Romane sind überaus beliebt. Sie in einen von ihnen zu verewigen würden manche seiner Fans durchaus als Ehre betiteln.“

Holmes zeigte sich unbeeindruckt. Mir war bewusst, dass er so gut wie keine fiktiven Geschichten las und sich vollkommen auf Fachliteratur verstand. Selbst mich rügte er wenn ich während meinen Erzählungen zu sehr ins Fantastische abdrifteten und die wahren Darstellungen zu sehr verzerrte.

„Wenn Sie es wünschen, können Sie ja statt meiner nach Carlisle reisen und seine Fantasie beflügeln.“

„Carlisle?“, fragte ich verdutzt nach.

Holmes nickte.

„Ja, augenscheinlich gibt er dieses Wochenende eine Dinnerparty in seinem Landsitz in Carlisle. Er schrieb, dass er auch noch andere Experten eingeladen hat, die sich mit den verschiedensten Thermenbereichen beschäftigen. Doch wie dem auch sei, zu schwatzen und ausgeschmückte Berichte über meine Arbeit wiederzugeben liegt mir nicht. Das überlasse ich dann doch Ihnen, werter Doktor.“

Ich merkte an, dass Driscoll mit mir alleine wohl nicht zufrieden wäre, doch für meinen Freund schien dieses Thema ohnehin abgehackt zu sein.

„Aber widmen wir uns doch etwas erfreulichen, Watson. Wie lautet Ihre Meinung zu unserer neuen Klientin?“

Eine Frage, mit der mich mein Freund sichtlich überraschte.

„Haben... wir denn eine?“,verbarg ich meine Skepsis nicht.

Der Detektiv nickte.

„Jeden Augenblick zumindest. Mrs. Hudson hat sie soeben eingelassen und das ohne großes Drumherum. Die Person muss also einen sehr freundlichen und sympathischen Eindruck auf sie hinterlassen haben. Bei unseren männlichen Klienten inspiziert sie diese bis aufs Mark, immerhin kann nicht jeder zu mir durchgelassen werden.“

Ich nickte langsam.

„Kann es nicht ein hübscher Bursche sein, der es Mrs. Hudson angetan hat?“, konterte ich.

Obgleich mir bewusst war, dass unsere Haushälterin sich nach dem Tod ihres Mannes keinerlei Männergeschichten mehr hingab.

„Theoretisch. Doch der Gang hat meine Vermutung bestätigt. Sie hastet die Treppen sehr rasch nach oben, aufgrund ihres Schuhwerkes hingegen schließe ich, dass es sich um eine Dame aus feinerem Hause handelt. Sie ist energisch, zielstrebig und besorgt. Wie auch immer ihr Anliegen ausfällt, wir sollten sie nicht warten lassen.“

Beinahe wollte ich Holmes bereits Übertreibung unterstellen, da klopfte es bereits an unserer Tür. Der Detektiv bat die Person herein und vor uns tat sich tatsächlich eine junge, fein gekleidete Dame auf. Sie trug ein besches Kleid, einen hohen Hut und eine teuer wirkende Tasche um die Schulter. Anhand der hohen Schuhe konnte ich Holmes' Schlussfolgerungen nachempfinden. Sie konnte noch keine 30 sein, doch ihr Gesicht wirkte ernst und etwas abgekämpft. Mein Freund räusperte sich und ich verstand sofort, dass ich der jungen Dame einen Stuhl anzubieten hatte. Diese Zeit schien diese zu nutzen um erst einmal durchzuatmen. Holmes hatte recht, sie wirkte in Eile und auch etwas besorgt. Schließlich bat ich sie, sich zu setzen und sie folgte. Sie legte ihre Tasche ab und schlug sich das Bein übers Knie.

„Was können wir denn für Sie tun, Miss...“, begann ich und ließ die Dame fortfahren.

„Florence Pembroke. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass mich empfangen, Mr. Holmes.“,

Der Detektiv nickte und wollte der Frau einen Tee anbieten. Diese lehnte jedoch höflichst ab.

„Zunächst möchte ich mich zum Tod Ihres Vaters aussprechen. Er war bestimmt eine wichtige Person für sie.“, kam er nun zum Punkt.

Ich bemerkte die Verwirrtheit und das Unverständnis, das auch mich schon so oft in Holmes' Anwesenheit überkommen war.

„Wo... woher können Sie das wissen?“, fragte sie ungläubig.

Mein Freund ließ mit einer Antwort nicht lange auf sich warten.

„Verzeihen Sie. Mir fiel nur auf, dass Sie den Friedhof besuchten, bevor Sie meine Detektei aufsuchten. Besser gesagt fiel mir die heruntergebrannte Friedhofskerze im Seitenfach Ihrer Tasche auf. Sie ist um Blumenstraußpapier gewickelt. Da Sie diesen jedoch nicht bei sich tragen, müssen Sie ihn irgendwo anders gelassen haben. Sie haben demnach ein Grab besucht. Allerdings handelt es sich nicht um einen kürzlich verstorbenen, denn dann würden Sie Schwarz tragen. Ihr Kleid ist maßgeschneidert, hat sich also einiges kosten lassen. Ich nehme dadurch an, dass die Erbschaftsangelegenheiten inzwischen alle geregelt sind.“, konkretisierte er.

Die Dame nickte leicht.

„Ja... aber wieso... mein Vater?“,verstand sie nicht recht.

„Weil sich diese noch am Leben und dazu bei bester Gesundheit befindet. Sie war es, die Ihr Haar geflochten hat, nicht wahr? Wäre es eine Freundin gewesen, würde es einen weniger detailreichen Anschein erwirken. Nein, dieses Haar wurde von jemandem geflochten, der sich mindestens schon seit Ihre Kindheit damit beschäftigt. Dadurch schloss ich auf Ihre Mutter, nicht zuletzt, da diese als Floristin tätig ist und den Blumenstrauß für Sie angefertigt hat. Und zwar, weil ich kein Logo einer Firma am Papier in Ihrer Tasche sehen kann.“

Während Miss Pembroke noch staunte, räusperte ich mich.

„Und er hat sich noch nicht einmal, richtig warmgelaufen. Gleich sagt er Ihnen, dass Sie auch eine Katze besaßen, die Sie über alles liebten.“, frotzelte ich.

Die Dame sah mich verwundert an.

„Woher... wissen Sie das?“

Das verschlug wiederum mir die Sprache.

„Nun, unser guter Dr. Watson ist ein Meister des Ratespiels. Er konnte es inzwischen derart gut perfektionieren, dass er bei jedem dritten oder vierten Mal richtig liegt, wenn ich ihm eine Frage stelle.“

Die Frotzelei war nach hinten losgegangen und ich überließ Holmes den Sieg.

Doch nun schlich sich wieder Ernsthaftigkeit ins Gesicht unserer neuen Klientin

„Sie haben recht. Mein Vater, Victor Pembroke ist vor gut einem Jahr gestorben. Man... fand ihn mit einem Messer in der Brust vor. Die Polizei spricht von Selbstmord.“

„Doch Sie glauben nicht daran.“, führte Holmes den Satz fort.

Die Dame schüttelte vehement den Kopf.

„Nein, so ein Mensch war mein Vater nicht. Er hätte mich und meine Mutter nie alleine gelassen.“, stand für sie fest.

„Ich nehme an, dann existiert auch kein Abschiedsbrief?“, wollte ich in Erfahrung bringen.

Die Klientin verneinte augenblicklich.

„War Ihr Vater im Besitz einer Pistole oder eines Revolvers?“, fuhr der Detektiv fort.

Miss Pembroke zögerte.

„Nein, aber er besaß ein Gewehr. Er und sein Arbeitgeber gingen oft gemeinsam auf die Jagt.“

Ich verstand nun worauf mein Freund hinauswollte. Warum sich der umständliche Todesart durch ein Messer bedienen, wenn man im Besitz einer Schusswaffe war?

„Sein Arbeitgeber? Was genau tat Ihr Vater beruflich?“

Miss Pembroke zögerte und rieb sich die Hände.

„Er war der persönliche Assistent eines reichen Mannes. Sie haben vielleicht schon von Thomas Driscoll gehört?“

Ich und Holmes warfen uns verblüffte Blicke zu.

„In... der Tat haben wir das. Tatsächlich haben wir uns kurz vor Ihrem Eintreffen über ihn unterhalten.“, offenbarte ich.

Für die Dame schien dies aber keine besondere Erkenntnis zu sein.

„Ich weiß. Onkel Thomas... so habe ich ihn zumindest früher immer genannt, hat mir davon erzählt. Er veranstaltet dieses Wochenende ein Dinner, zu dem er einige seiner Bekannten eingeladen hat. Alles Experten auf ihrem Gebiet. Sein Ziel ist es, dass sein nächster Roman der erfolgreichste überhaupt wird. Er erwähnte auch, dass er versuchen will, den großen Sherlock Holmes einzuladen. Dadurch kam ich erst auf die Idee Sie zu engagieren. Onkel Thomas... war derjenige, der meinen Vater gefunden hat.“, berichtete sie.

Während Holmes die Information noch verarbeitete, füllte ich die Pause.

„Sie... verdächtigen doch nicht etwa Mr. Driscoll? Standen die beiden in keinem guten Verhältnis zueinander?“, wollte ich wissen.

Miss Pembroke zuckte mit den Schultern.

„Doch eigentlich schon. Darum kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er meinem Vater etwas antun würde. Aber... irgendetwas verschweigt Onkel Thomas mir. Das... spüre ich einfach. Können Sie das... irgendwie nachempfinden, Mr. Holmes?“

Zu meiner Überraschung bejahte mein Freund. Ich hingegen wusste, dass er wenig über Gefühle gab, obgleich er die Instinkte eines Ermittlers nicht leugnete.

„Sind Sie ebenfalls zu diesem Dinner eingeladen, Miss Pembroke?“, erkundigte er sich.

„Ja, das bin ich. Schon alleine weil es der Todestag meines Vaters ist.“

Der Detektiv nickte und nahm noch einmal den Brief zur Hand, den er vorhin zur Seite gelegt hatte.

„Also, gut ich möchte folgendes vorschlagen. Wir werden getrennt anreisen. Und Sie werden so tun, als würden wir einander nicht kennen. Das dürfte uns einen kleinen Vorteil verschaffen.“, lautete Holmes' Plan.

Miss Pembrokes Gesicht entspannte sich zusehends,.

„Heißt das... Sie übernehmen den Fall?“

Mein Freund nickte, blieb aber stoisch.

„Ja. Allerdings möchte ich noch keine Versprechen machen. Dazu fehlt es deutlich an Details. Ich werde persönlich ein Auge auf diesen Driscoll werfen.“, entschied er.

Miss Pembroke erhob sich und verbeugte sich leicht. Ihre Dankbarkeit war ihr sichtlich anzusehen. Wir verabschiedeten einander und bald darauf hatte sie die Detektei wieder verlassen.

„Wie sieht es aus, Watson? Wollen Sie mich begleiten?“, lud mich mein Freund ein.

Ich zögerte jedoch etwas.

„Sie meinen... dieses Wochenende? Nach Carlisle? Da ist jetzt tiefster Winter, Holmes! Noch schlimmer als hier in London!“, wehrte ich mich.

Dieser schmunzelte jedoch nur.

„Ach kommen Sie! Solche lapidaren Hindernisse haben Sie doch noch nie von etwas abgehalten. Wo ist der Soldat, dem selbst Granaten in afghanischen Schützengräben nichts ausgemacht haben?“

Ich wusste, was mein Freund bezweckte und wie immer konnte ich mich nicht wehren. Hinzukommend gestand ich mir ein, doch daran interessiert zu sein, einen berühmten Autor wie Mr. Driscoll einmal kennenlernen zu wollen. Schließlich sagte ich zu und wir verabredeten uns für das kommende Wochenende.

Ankunft in Carlisle

Es war nicht schwer Holmes auf dem Bahnhof zu finden, immerhin hatte er diesmal keine seiner vielfältigen Verkleidungen angelegt. Gemeinsam bestiegen wir den Zug, der uns in den Norden Englands, nach Carlisle bringen sollte. Die Fahrt wurde zweimal unterbrochen um zu dichten Schnee beiseitezuschieben, der sich auf den Gleisen angesetzt hatte. Nach wenigen Stunden hatten wir unser Ziel aber erreicht und fanden einen Mann vor, der ein Schild mit unseren Namen hochhielt. Er stellte sich als der Kutscher Mr. Driscolls vor und sollte uns zu seinem Landsitz bringen. Die Fahrt dauerte nicht all zulange und vor uns tat sich ein hohes Herrenhaus auf. Driscoll war zweifelsfrei vermögend, kein Wunder bei der Beliebtheit seiner Werke.

Der Kutscher ließ uns aussteigen und gab uns Bescheid, uns morgen Nachmittag wieder abzuholen. Den Rest gingen wir zu Fuß und klopfen an der Holztür des Hauses. Kurz darauf wurde uns schon geöffnet und ein Mann um die 40 begrüßte uns. Er war äußerst adrett gekleidet und machte eine einladende Handbewegung.

„Mr. Holmes und Doktor Watson, wenn ich mich nicht irre. Erlauben Sie mir, Sie auf Driscoll-Hall Willkommen zu heißen. Ich bin Mr. Driscolls Butler, Stanhope, aber sagen Sie ruhig Daniel zu mir.“

Er ließ uns ein und wir erfreuten uns am warmen Inneren. Der Kamin schien sein Werk zu tun und wir würden während unseres Aufenthalts hier definitiv nicht als Eiszapfen enden. Der Butler Stanhope schloss die Tür und bat uns, ihm zu folgen. Offenbar begaben wir uns ins Speisezimmer, bis wir aufgehalten wurden.

„Sherlock Holmes!“, sagte eine Stimme und mein Blick fiel auf die Treppe, die zum ersten Stock hinaufführte. Oben stand ein älterer, aber sehr erfreut wirkender Mann mit weißem Vollbart, der nun nach unten hastete. Dort angekommen, schüttelte erst meinem Freund die Hand, dann mir.

„Es ist mir eine wahre Ehre. Ich bin ein großer Fan von Ihnen, müssen Sie wissen. Ich hatte wirklich starke Zweifell, ob Sie mein Angebot auch annehmen würden.“, gestand er.

Holmes lächelte gespielt.

„Aber ich bitte Sie! Als ob ich das Angebot eines so begabten Autors wie Ihnen hätte ablehnen können.“, schmeichelte er ihm.

Ich unterdrückte ein Schmunzeln, angesichts dessen, dass sich Holmes zuvor noch ausdrücklich gegen so eine herabwürdigende Veranstaltung ausgesprochen hatte. Einzig und allein dem Fall war es zu verdanken, den Miss Pembroke an uns herangetragen hatte.

„Und auch über Ihr Kommen freue ich mich besonders, werter Doktor. Ich habe jede Ihrer Erzählungen im Strand-Magazine wahrlich genossen.“

Ich dankte ihm für das Kompliment und gab es gerne zurück. Ich gestand ihm, ein Bewunderer seiner Romane zu sein, auch wenn ich in diesem Bereich noch einiges aufzuholen hatte.

„Daniel, ich übernehme, bereiten Sie weiter das Dinner zu.“, wies er seinen Butler an.

Dieser nickte und rückte ab, während uns der Hausherr mit sich zog.

Offenbar führte er uns in einen Gemeinschaftssaal, indem ich bereits einen Billardtisch, einen Likörschrank und mehrere Sitzmöglichkeiten entdeckte. Nicht zuletzt, die bereits eingetroffenen Gäste, die uns Neuankömmlinge zaghaft musterten.

„Darf ich vorstellen? Sherlock Holmes und sein Assistent Dr. Watson.“, präsentierte er uns beinahe schon wie Zirkusaffen.

Holmes raunte mir jedoch zu mitzuspielen, immerhin hatten wir diesen Abend eine Rolle auszufüllen. Wir sollten Driscoll auf den Zahn fühlen, um mehr über das Ableben von Victor Pembroke herauszufinden.

Abwechselnd reichten wir den bereits anwesenden Gästen die Hand. Es handelte sich um eine Frau und zwei Männer.

„Wenn ich vorstellen darf? Dies ist Miss Agnes Cresswell, meine treue Lektorin. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie anstellen sollte.“, schwärmte Driscoll förmlich.

Miss Cresswell war noch keine 40, fein gekleidet und schien bereits mindestens ein Glas Whiskey zu sich genommen zu haben.

„Und hier haben wir meinen Freund, den bekannten Meteorologen Frank Foster. Er kann Ihnen erklären, warum wir unter diesem grässlichen Wetter leiden müssen.“

Foster wirkte nur etwas jünger als Driscoll, dafür aber reservierter.

„Ich wünschte ich könnte. Doch das Wetter macht, was es will.“, entgegnete er.

„Und zum Schluss noch den erfolgreichen Zoologen, Edwin Palmer, vielleicht haben Sie schon eine Abhandlung von ihm gelesen.“

Während ich verneinen musste, konnte Holmes tatsächlich einen Artikel als Beispiel nennen, der von Palmer verfasst worden war. Auf mich machte er einen charmanten Eindruck, der eines Frauenschwarms, wie ihn unser gemeinsamer Freund Doyle in Form des Abenteurers Lord John Roxton in seinen Romanen beschrieben hätte. Er wirkte am unbeeindruckten von unserem Erscheinen. Holmes und ich gaben uns dazu hin von unseren letzten Fällen zu erzählen. So charmant wie an diesem Abend hatte ich meinen Freund noch nie erlebt. Wenn er eine Rolle erst einmal angenommen hatte, füllte er sie vollends aus. Wenig später traf der letzte Gast des Wochenendes ein. Es handelte sich um Miss Pembroke, die einen eher distanzierten Eindruck erweckte. Ich selbst hatte mir noch kein vollständiges Bild unseres Gastgebers gemacht, doch wie ein hinterhältiger Mörder, der einem Angestellten ein Messer in die Brust rammte, wirkte er nun wirklich nicht.

Daniel wies uns unsere Zimmer zu, wo wir zu allererste unsere Koffer verstauten. Viel hatten wir nicht eingepackt, lediglich dicke Kleidung und Feuerzeuge.

„Wie lautet Ihre Meinung bisher, Watson?“, wand sich der Detektiv an mich.

„Bezüglich Driscoll? Er wirkt nett, aber nach einem so kurzen Treffen kann man noch niemanden in den Kopf sehen.“, merkte ich an, wohl wissend, dass Holmes dies zu einem gewissen Grade durchaus vermochte.

„Und die anderen Gäste?“

Ich stutzte.

„Verdächtigen Sie etwa einen von Ihnen?“, wollte ich wissen.

Doch mein Freund wollte sich nicht festlegen.

„Sie sind alle mit Driscoll befreundet. Das bedeutet, dass sie auch den verstorbenen Victor Pembroke gekannt haben dürften.“, wand er ein.

Diese Vermutung ergab für mich durchaus Sinn. Trotzdem müsste man einem von ihnen erst einmal ein Motiv nachweisen. Daniel klopfte an und bat uns zum Dinner.

Wir verließen unsere Gemächer und folgten ihm.

„Ach... Daniel, richtig? Arbeiten Sie bereits lange für Mr. Driscoll?“, wollte Holmes wissen.

Der Butler schien erst überrascht von der Frage zu sein.

„Aber nein, keineswegs. Ehrlich gesagt bin ich lediglich diese Woche für Mr. Driscoll tätig. Meine Arbeitsagentur hat mich an ihn vermittelt. Sie müssen wissen, eigentlich residiert Mr. Driscoll in London und spannt nur ab und zu in seinem Domizil auf dem Land aus. Ich kenne ihn also gar nicht wirklich.“, gestand er.

Holmes nickte und ließ es dabei bleiben. Ihm war klar, dass es dann auch nichts brachte nach Driscolls ehemaligen Assistenten zu fragen. Dieser war immerhin schon vor einem Jahr verstorben.

Im Speisesaal waren wir die letzten die erschienen, das Geschirr war bereits gedeckt worden. Mr. Driscoll entschuldigte sich, dass das Dinner etwas früher stattfinden musste, da seine Köchin einen familiären Notfall hatte und schnell abgereist war. Nachdem Daniel aber anrichtete, hätte dies sicher niemand verübeln können. Es gab einen köstlichen Schweinebraten mit einer Soße, welche sogar jener unserer guten Mrs. Hudson Konkurrenz verschaffte.

Nachdem wir aufgegessen hatten, schlug sich Mr. Driscoll demonstrativ auf den Bauch.

„Einfach köstlich, nicht wahr? Wir wäre es, wenn wir uns hiernach wieder in den Gemeinschaftssaal begeben, wo wir ungestört plaudern können?“, schlug er vor.

Mr. Foster lachte hörbar.

„Ach komm, Thomas. Du willst doch nur unser Fachwissen für ein nächstes Werk anzapfen.“, sagte er offen heraus.

Dies war alles andere als ein Geheimnis, immerhin waren wir zu genau diesem Zweck hier erschienen.

Ich räusperte mich.

„Mr. Driscoll. Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage, aber können Sie uns bereits etwas zu Ihrem neuen Roman verraten? Ich meine... es wäre vielleicht einfacher Ratschläge zu erteilen, wenn wir etwas zur Prämisse wüssten.“, lenkte ich ein.

Der Autor zögerte etwas. Scheinbar haderte er mit sich. Es war Mr. Palmer, der antwortete.

„Das ist doch offensichtlich, werter Doktor. Er hat mich und Frank eingeladen. Einen Meteorologen und einen Zoologen. Dazu noch einen logisch denkenden Detektiv wie Mr. Holmes. Thomas... will es demnach also wirklich durchziehen.“, sprach er.

Ich sah abwechselnd von Mr. Driscoll zu Mr. Palmer, doch keiner erwiderte noch etwas.

Es war schließlich Miss Cresswell, die mehr verriet.

„Das Heulen des Wendigo. Das soll also die Spitze deines Erfolgs werden?“

Der Autor bedachte sie eines forschen Blickes. Offenbar war es ihm nicht recht, dass seine Lektorin so viel über sein nächstes Projekt verriet.

„Entschuldigen Sie... Wendi... was?“, hatte ich nicht richtig verstanden.

Es war mein Freund Holmes, der mich wieder einst belehrte.

„Ein Wendigo, mein guter Watson. Sagt Ihnen dieser Begriff nichts? Ein Wesen aus den tiefsten Bergen, ein Ungeheuer mit Tierschädel, das nur ein Ziel verfolgt. Dem Verschlingen von Menschenfleisch.“

Ich starrte meinen Freund ungläubig an. Ich wusste im ersten Moment nicht, ob er mich lediglich auf den Arm nehmen wollte.

Es war der Zoologe Mr. Palmer, welcher der Erzählung mehr Kontext verlieh.

„Laut der Legende der Ureinwohner Amerikas handelt es sich um ein Wesen, das einem Hirsch ähnelt. Ein gewaltiges Geweih, jedoch mit bereits verrottetem Schädel. Ein dickes Fell, welches den Wendigo aber nicht daran hindert, sich schnell zu bewegen.“

Ich konnte mich jedoch nicht entsinnen, jemals von so einem Tier gehört zu haben.

„Aber... so ein Wesen existiert doch nicht wirklich, oder?“

Ein Lachen seitens der Gäste.

„Nein, guter Doktor. Es handelt sich lediglich um eine mythische Gestalt, welche in den Überlieferungen der Ureinwohner existiert. Selbstverständlich nicht um ein echtes Tier.“, sagte Driscoll zu meiner Erleichterung.

„Es ist so, dass Thomas dieses Wesen als Bösewicht in seinem ersten Buch einbauen wollte. Jedoch kam das nicht wirklich an und der Inhalt änderte sich. Er scheint es jetzt wissen zu wollen.“, entgegnete Miss Cresswell.

Der Autor räusperte sich.

„Inzwischen habe ich auch eine genaue Vorstellung wo ich damit hinwill. Sie werden diesen Roman lieben, das versicherte ich Ihnen. Dennoch bitte ich Sie alle, noch Stillschweigen über diese Tatsache zu wahren.“

Wir alle versprachen es ihm, sichtlich zu Driscolls Erleichterung. Diese sollte sich aber kurz darauf wieder ändern.

„Ist schon lustig. War es nicht damals Vater, der dich auf die Idee mit dem Wendigo stieß?“, fragte Miss Pembroke nun.

Bevor Driscoll reagieren konnte, schaltete sich Holmes ein.

„Ach, Ihr Vater, werte Dame? Hatte dieser denn auch etwas mit Schreiben am Hut?“, mimte er den Unschuldigen.

Unsere Klientin, von der niemand wusste, antwortete unverzüglich.

„Oh ja, Victor Pembroke. Er war Onkel Thomas' persönlicher Assistent. Unglücklicherweise starb er vor einem Jahr. Aber Sie alle erinnern sich doch noch bestimmt an meinen Vater, nicht wahr?“, fragte sie an die Runde gewandt.

Holmes' Spiel hatte sich ausgezahlt.

Driscoll reagierte völlig perplex. Doch nicht nur er, ich konnte eine gewisse Bleiche in den Gesichtern von Miss Cresswell und Mr. Foster erkennen. Nur Mr. Palmer wies eine gewisse Stoik auf, wie ich sie sonst nur von Holmes kannte.

„Ja... das tut... mir wirklich leid wegen Victor.“, kam es von der Lektorin. Auch Mr. Driscoll sprach sein Beileid aus, während die anderen beiden schwiegen.

Der Butler Daniel kam um das Geschirr abzuräumen. Danach begaben wir uns wieder in den Gemeinschaftsaal. Die Stimmung war inzwischen aber spürbar getrübt. Der Hausherr schenkte uns allen ein Glas ein und versuchte die Stimmung etwas anzuheben. Freudig erzählte er uns von seinen Ideen und animierte uns dadurch, welche auszutauschen. Mr. Palmer erzählte von Tieren, an welchen der Wendigo angelehnt sein konnte und deren Eigenarten. Mr. Foster gab sein Fachwissen zum Besten, immerhin lebte dieses Wesen in verschneiten Bergen. Jenen welche sich auch um dieses Herrenhaus reihten, wie mir auffiel. Holmes ließ sich dann schließlich dazu herab, von den etwas übernatürlichen Fällen seiner Karriere zu berichten, wie etwa unsere Bemühungen in Baskerville-Hall, oder unserem Abenteuer rund um den Mann mit dem Flammenkopf. Natürlich lauschten alle gebannt den Ausführungen meines Freundes, obgleich einige von ihnen bestimmt bereits meine Berichte im Strand-Magazine gelesen hatten.

Als es schließlich spät wurde, löste sich die Gruppe auf und wir begaben uns zu unseren Zimmern. Gerade noch so konnte ich mitansehen, wie Miss Pembroke meinem Freund einen kleinen Zettel zuschob. Ich beschloss, Holmes später darauf anzusprechen.

Der Wendigo

In unserem Zimmer entledigte ich mich meines dicken Pullovers, da das Herrenhaus doch recht gut beheizt wurde.

„Was hatte es mit dem Zettel auf sich?“, hakte ich dann doch nach.

Der Detektiv reichte ihn mir, sprach dann aber von sich aus.

„Unsere Klientin verlangt nach einem Update was unsere bisherigen Ermittlungen anbelangt.“

Ich hob die Augenbrauen.

„Nun ja, bisher haben wir nicht wirklich etwas herausgefunden.“, gestand ich.

Mein Freund schien meine Ansicht aber weniger zu teilen.

„Ist das so? Wir wissen inzwischen, dass fast alle hier das Opfer gekannt haben dürften. Bei Mr. Palmer bin ich mir nicht sicher, vielleicht ist er auch nur recht gut darin, seine Emotionen zu verbergen. Doch was Mr. Driscoll, Mr. Foster und Miss Cresswell angeht... sie haben es. Mehr noch, ich vermute, dass sie eine persönliche Beziehung zu Victor Pembroke gehabt haben müssen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Natürlich hatten sie das. Mr. Driscoll war Pembrokes Arbeitgeber. Als Lektorin hatte Miss Cresswell ebenfalls mit ihm zu tun. Und Mr. Foster wurde bestimmt ebenfalls in der Vergangenheit als Quelle herangezogen. Pembroke dürfte alle drei recht gut gekannt haben.“

„Und der Wendigo war scheinbar seine Idee.“, fügte mein Freund hinzu.

Ich verzog die Lippen.

„Das erachten Sie als wichtig?“, fragte ich skeptisch.

Vielleicht war es meinen Abenteuern mit Holmes geschuldet, welche mich bereits auf die ein oder anderen Spukgestalten stoßen ließ. Man möge sich nur an den Vampir von Sussex erinnern, der sich am Ende als fürsorgliche Frau herausgestellt hatte. Dennoch war mir klar, dass Driscoll diesen Wendigo nur heranzog, um seinen Roman interessanter zu gestalten.

„Wussten Sie, dass Mr. Pembroke ursprünglich aus Amerika übersiedelt ist? Das hat mir unsere Klientin noch verraten.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, aber es macht Sinn, wenn der Wendigo seine Idee war. Vermutlich hat er dort von den Legenden gehört.“

Mein Freund pflichtete mir bei. Nach einiger Zeit bat er mich, ihm zu folgen. Wir schritten in die Halle, wo unsere Klientin Miss Pembroke bereits auf uns wartete.

Holmes gab seine Überlegungen auch ihr gegenüber preis, musste sie aber vertrösten. Noch fehlte es ihm an Hinweisen. Wir unterbrachen unsere Unterhaltung als wir Mr. Foster und Mr. Palmer im ersten Stock erblickten.

„Na nu, sind Sie noch nicht schlafen gegangen?“, rief uns einer der beiden herab.

Wir wussten nicht, ob die beiden etwaige Gesprächsfetzen mitbekommen hatten, also mimten wir weiterhin die Unschuldigen.

„Nein, wir haben uns etwas verplappert. Miss Pembroke hat uns von ihrem Vater erzählt. Er schien ein sehr interessanter Mann gewesen zu sein.“, fuhr Holmes seinen Kurs fort.

Ich fragte mich, ob damit nicht doch etwas zu unvorsichtig war. Mr. Foster wich vom Gelände zurück, während Mr. Palmer ungerührt blieb. Jedoch nur für einen Moment. Ein bis ins Mark gehender Schrei ertönte und nicht nur er zuckte zusammen, sondern wir ebenfalls.

„Das war Miss Cresswell!“, rief ich erschrocken.

Holmes übernahm sofort die Initiative.

„Miss Pembroke, Sie bleiben hier. Watson, Sie begleiten mich, falls die Frau Hilfe braucht.“, wies er uns an.

Etwas unnötig wie ich empfand, schließlich war ich Arzt und würde einer Person in Not automatisch zu Hilfe eilen. Während Foster und Palmer noch bewegungsunfähig waren, eilte Holmes die Treppe hoch und versuchte die Quelle des Schreis auszumachen. Ich und die beiden Männer dicht hinter ihm.

„Die Tür am Ende des Ganges! Wohin führt sie?“, verlangte der Detektiv zu wissen.

Es war Palmer, der die Nerven behielt und antwortete.

„Der Wintergarten.“

Nun verschwendeten wir keine Zeit mehr und hasteten zu dem Raum. Die Tür stand halb offen, Holmes riss sie gänzlich auf. Der Anblick, der sich uns anbot, ließ uns alle erstarren.

Miss Cresswell war auf die Knie gesunken, ihr Blick war von Entsetzen gezeichnet.

Der Wintergarten war nur spärlich eingerichtet, am meisten wurde er von einem länglichen Tisch in der Mitte des Raumes erfüllt. Und auf diesem... lag eindeutig Thomas Driscoll. Seine Augen waren geschlossen, die Arme hingen leblos herab. In seiner Brust prangte ein breites Messer, die Blutlache wurde größer und größer.

„Um Himmels Willen! Thomas!“, schrie Foster panisch.

„Watson!“, rief mich Holmes zur Besinnung und ich verstand. Nun war meine Profession als Arzt gefragt, Auch wenn ich bezweifelte, dass man dem guten Mann noch irgendwie helfen konnte. Ich näherte mich dem Körper, als es schließlich geschah. Die Lampe über uns erlosch und tauchte den Wintergarten in Dunkelheit.

„Verdammt! Ein Stromausfall? Ausgerechnet jetzt?“, keuchte Palmer.

Ich verharrte um nach meinem Feuerzeug zu kramen. Als ich es aus der Tasche zog, wollte ich es nutzen, da ertönte bereits der nächste Schrei.

Diesmal aus der Halle. Die Stimme gehörte zweifelsfrei Miss Pembroke. Durch die Finsternis konnte ich Holmes' Blick nicht erkennen, doch dies war ohnehin unnötig. Sofort machten wir kehrt und rannten ins Erdgeschoss zurück. Leichter gesagt als getan, da es im ersten Stock keinerlei Fenster gab. Endlich waren wir die Treppe hinunter gehastet und wieder bei unserer Klientin angelangt. Ich hatte inzwischen mein Feuerzeug bei Hand und hielt es etwas in die Höhe. Sonderlich viel Licht spendete es uns allerdings nicht.

Dennoch war die Miene der jungen Frau besorgniserregend. Sie wirkte, als hätte sie den leibhaftigen Teufel gesehen.

„Miss Pembroke! Alles in Ordnung?“, musste Holmes sie praktisch wach rütteln.

Diese schüttelte leicht den Kopf.

„Nein... da... vor dem Fenster.“, deutete die Dame nach draußen.

Ich konnte in der Nacht jedoch nichts erkennen.

„Ja, was ist da? So reden Sie doch!“, wies ich die Gute an.

„We.. we... Wendigo...“, stammelte sie nun.

Ich verstand aber nicht.

„Wendigo? Sie meinen wie das Wesen in Driscolls Roman? Was ist damit?“, forschte ich nach.

Ein Blick seitens Holmes' verriet mir den Rest.

„Können Sie das nicht erahnen? Die arme Frau hat einen Wendigo gesehen. Ist dem nicht so?“, hakte er nach.

Diese nickte schwach.

„Ja... er... war plötzlich da. Draußen im Freien. Ein skalpierter Schädel mit riesigem Hirschgeweih. Er... starrte mich einfach nur an.“

Ich zweifelte sichtlich an den Schilderungen unserer Klientin, doch egal was sie glaubte gesehen zu haben, dafür war jetzt keine Zeit.

Eine Tür ging auf und der Butler Daniel trat zu uns. Scheinbar hatte er sich bereits fertig zum Schlafen angezogen.

„Was ist das für ein Lärm? Ist alles in Ordnung?“, fragte er verwirrt.

Wir mussten ihn jedoch enttäuschen und ihm mitteilen, dass sein Arbeitgeber tot war. Das Detail mit dem Wendigo verschwiegen wir erst einmal.

„Wo befindet sich der Verteilerkasten?“, wies ihn Holmes an.

Daniel zögerte erst etwas an, dann gab er uns ein Zeichen ihm zu folgen.

Der Kasten für den Strom befand sich dem Nebentrakt des Gebäudes. Doch der lange Weg blieb erfolglos. Der Kasten schien aufgebrochen worden zu sein und die Kabel zerschnitten. „Jemand hat hier ganze Arbeit geleistet.“, murmelte Holmes.

Ich sprach nicht aus, dass es nur Mr. Driscolls Mörder gewesen sein konnte.

„Haben Sie hier keine Petroleumlampen?“; wollte Foster von dem Butler wissen.

Dieser bestätigte es und eilte in den Gang zur Halle. Dort kramte er in den Schubladen eines Schrankes und holte schließlich drei Lampen hervor. Es dauerte etwas, sie anzuzünden, doch dann spendeten sie uns ausreichend Licht.

Endlich fühlten wir uns etwas sicherer, auch wenn dazu wohl kaum Anlass bestand.

„Diesmal bleiben Sie bei uns, Miss Pembroke. Wir bleiben alle zusammen.“, entschied Holmes und niemand besah irgendwelche Einwände.

Wir kehrten in den ersten Stock zurück, wo uns der Wintergarten mit Driscolls Leiche erwartete. Oder zumindest nahmen wir dies an.

Kaum hatten wir den Raum wieder betreten, erwartete uns eine böse Überraschung. Die Leiche war verschwunden.

Zwar war auf dem Tisch noch eine große Lache Blut zu erkennen, doch kein Hinweis eines Toten.

„Ha... haben Sie sich vielleicht nur getäuscht? War Mr. Driscoll vielleicht ohnmächtig?“, fragte Daniel zögernd.

Am liebsten wäre ich auf seinen Wunsch eingegangen, doch unsere Entdeckung vorhin war eindeutig gewesen. Mr. Driscoll war erstochen worden. Doch wo war die Leiche? Auch von der Mordwaffe keine Spur.

„Watson, leuchten Sie nach rechts.“, wies mich der Detektiv an.

Ich folgte und zugleich wehte mir ein kalter Wind ins Gesicht. Erst jetzt realisierten wir, dass die Tür des Wintergartens offenstand. Kalter Wind und Schnee drang durch die Terrasse her ein.

„Der... der Wendigo hat ihn geholt!“, wimmerte Miss Pembroke nun.

Ich konnte meinem Freund ansehen, dass er diese Bemerkung für albern hielt. Dennoch. Mr. Driscoll war ein stämmiger Mann gewesen. Ihn dieser kurzen Zeit wegzuzerren war nicht einfach gewesen. Es hätte mehrere Männer sein müssen. Oder... eben eine mythische Gestalt mit ungeheuren Kräften. Da mein Freund darüber aber sicher nichts hören wollte, sprach ich es nicht aus.

„Also schön. Watson, ich möchte, dass alle im Gemeinschaftssaal versammeln. Ich sehe mich hier noch etwas um.“

Ich versprach es ihm, und bat die Gäste mir zu folgen. Zusätzlich raunte er mir zu, niemanden von ihnen aus den Augen zu lassen.

Also ließen wir Holmes zurück, dessen Sinne im Moment mehr als geschärft sein mussten. Was würde er am Tatort wohl entdecken können?

Auf der Hut

Ich war gezwungen all meine Anstrengung aufzufahren um Ruhe und Ordnung unter jene Gruppe zu bringen, die sich nun im Gemeinschaftssaal des alten Herrenhauses versammelt hatte. Am meisten Aufmerksamkeit widmete ich der armen Miss Cresswell, die durch den Fund der Leiche den größten Schock davon getragen hatte. Ich hatte ihr ein Glas Brandy eingeschenkt, während sich die Herren Foster und Palmer etwas Stärkeres genehmigten. Miss Pembroke saß auf ihrem Stuhl und starrte lediglich zu Boden. Ihre Hände in einander verschränkt wirkte sie nervös und unsicher.

Endlich kehrte Holmes zu uns zurück. Es war mir nicht möglich in seinem Gesicht zu lesen, was er herausgefunden hatte.

„Sind alle wohl auf?“, erkundigte er sich.

„Ja, wir alle außer Thomas.“, murrte Foster unzufrieden.

Der Detektiv ging nicht drauf ein.

„Holmes, konnten Sie die Leiche sicherstellen?“, versuchte ich es stattdessen.

Leider musste mich mein Freund enttäuschen

„Nein, Doktor, das konnte ich nicht. Da wir uns vor der Treppe zum ersten Stock befanden, und auch die Zimmer neben dem Wintergarten leer sind, kann der arme Mr. Driscoll lediglich hinaus auf die Terrasse geschafft worden sein.“, kombinierte er.

So wie er den letzten Satz lang zog, wusste ich, dass etwas in der Luft liegen musste.

„Aber?“, tat ich ihm den Gefallen.

Mein Freund holte tief Luft.

„Die Tür zur Terrasse war zwar geöffnet, aber... ich konnte keinerlei Spuren eines Transportes feststellen. Weder Fußabdrücke, noch Schleifspuren.“, fuhr er fort.

Ich verstand was er meinte. Thomas Driscoll war ein stämmiger Mann gewesen, wenn er also nicht geschleift wurde, konnte er nur fortgetragen worden sein. Dies ließ ebenfalls Rückschlüsse auf den Täter zu. Dieser musste ebenfalls muskulös und zu allem entschlossen gewesen sein.

„Auf Anhieb... würde mir etwas einfallen, dass den armen Thomas hätte fortbringen können. Etwas gewaltiges, das keinerlei Mühe gehabt hätte, sich Thomas um die Schultern zu hieven.“, kam es nun von Mr. Palmer.

Ich hatte eine düstere Ahnung was genau er ansprechen wollte. Es war Miss Pembroke, die er damit köderte.

„Der... Wendigo! Darauf wollen Sie doch hinaus, oder? Aber... ich habe ihn wirklich gesehen. Ich habe dieses Monster wirklich gesehen!“, beharrte sie auf ihrer Beobachtung.

Ich wusste, dass Holmes ihren Ausführungen Ernsthaftigkeit beimaß, zumindest dass unsere Klientin irgendetwas in dieser Art hatte beobachten können. Angesichts der Ereignisse konnte ich auch den restlichen Gästen ansehen, dass diese Idee in ihren Köpfen Früchte getragen hatte.

„Wenn Sie sagen, Sie konnten den Wendigo sehen, wie darf ich mir jenes vorstellen? Ich meine, zu dieser Zeit war das Licht im Haus erloschen. Und draußen war es finstere Nacht.“, begann Holmes Miss Pembroke zu befragen.

Dieser fiel es offensichtlich schwer sich die schockierenden Ereignisse wieder ins Gedächtnis zu rufen.

„Ein... Licht. Ja, da war ein Licht. Er... trug eine Laterne in seiner rechten Hand.“, entsann sie sich.

Holmes und ich warfen uns Blicke zu.

„Ein mythisches Monster, das mit einer Laterne umgehen kann?“, hakte der Detektiv nochmals nach.

Miss Pembroke blieb allerdings bei ihren Ausführungen.

Dann schien Holmes etwas aufzufallen.

„Wo ist eigentlich der Butler Daniel hin? Ich sehe ihn hier nirgends.“, fragte er scharf und ich spürte etwas Kritik in seiner Stimme. Immerhin hatte er mir aufgetragen die Gruppe beisammen zuhalten.

„Daniel wollte in den Keller. Er meinte, dort würde sich noch ein alter Generator befinden, den er zum Laufen bringen wollte.“, erklärte ich.

Miss Cresswell erhob sich.

„Sehr gut! Dann wird auch hoffentlich das Telefongerät wieder funktionieren und wir können Hilfe holen. Soll sich doch die Polizei mit diesem angeblichen Monster herumschlagen.“

Doch mein Freund enttäuschte sie.

„Eher nicht. Das Telefon habe ich bereits überprüft, die Kabel wurden durchtrennt wie zuvor jene des Sicherungskastens. Vorerst können wir keine Hilfe rufen, tut mir leid.“

Miss Cresswell traf der Schlag, aber auch Mr. Foster verlor die Fassung.

„Das kann doch nicht wahr sein! Was wenn sich wirklich etwas da draußen herumtreibt? Denken Sie ernsthaft, dass wir hier drin sicher wären? Thomas dachte das sicherlich auch und nun? Wenn wir keine Hilfe rufen können, dann müssen wir sie uns selbst verschaffen!“, sagte er entschieden und trat auf den Gang.

„Mister Foster, was bezwecken Sie mit Ihrer Aktion? Wollen Sie hinaus in den Schnee? Es hat inzwischen zu schneien begonnen. Selbst ohne mythische Kreatur würden Sie den langen Weg zum Bahnhof niemals überleben. Ich gebe Ihnen nicht einmal eine Stunde, bis Sie erfroren wären.“, sagte der Detektiv scharf.

Foster starrte ihn erzürnt an, musste aber eingestehen, dass sein Gegenüber richtig lag.

„Der Kutscher wird erst morgen kommen um uns abzuholen, solange bleibt uns nichts übrig als hier im Haus zu bleiben.“, setzte Holmes noch dran, auch wenn er einigen damit die Hoffnung auf schnelle Rettung nahm.

Foster nickte.

„Gut, ich bin auf meinem Zimmer. Schlafen werde ich ohnehin nicht können, klopfen Sie, wenn Sie etwas von mir benötigen.“, entschied er und verließ die Gruppe.

Dann wand ich mich an meinen Freund.

„Holmes, sollen wir uns vielleicht bewaffnen? Ich selbst habe meinen Revolver dabei, aber wird uns dieser gegen so ein Ungeheuer überhaupt helfen?“, sah ich schwarz.

Dieser bedachte mich eines abschätzigen Blickes.

„Ich bitte Sie, Watson! Ungeheuer sind immer noch in der Welt der Fabeln und Mythen zu suchen.“

Auch Miss Pembrokes Hilfe suchenden Blick wies er ab.

„Wir werden schon herausfinden, was genau Sie da glauben gesehen zu haben. Aber in erster Linie ist es am wichtigsten uns Sicht zu verschaffen. Sie erwähnten einen Generator, Watson? Können Sie mich hinführen?“

Ich bejahte, auch wenn ich nur die Richtung gesehen hatte, in welcher Daniel verschwunden war. Die beiden Frauen beschlossen gemeinsam ein Zimmer aufzusuchen, während Mr. Palmer entschloss, uns zu begleiten. Niemand wollte in diesem Moment alleine sein.

Also setzten wir uns in Bewegung und suchten die Tür, die in den Keller führte. Tiefe Dunkelheit erwartete uns, doch mit unseren Lampen gelang uns der Abstieg irgendwie. Holmes ging voran, während Palmer und ich ihm dicht folgten. Unten angekommen erwartete uns bereits eine Helligkeit, die durch die Petroleumlampe des Butlers hervorgerufen wurde. Von diesem selbst war allerdings nichts zu sehen. Auch etwas das einem Generator glich, konnte ich nicht ausmachen.

„Seltsam, er sollte eigentlich hier sein.“, murmelte ich.

Holmes wurde auf etwas aufmerksam.

„Die Decke endet da vorne. Das sieht mir beinahe wie ein Schacht aus. Wissen Sie etwas darüber, Mr. Palmer?“

Dieser musste einen Moment überlegen.

„Ja, das ist ein alter Lastenaufzug. Ich glaube er endet auf dem Dachboden. Damit wurden früher verschiedene Gegenstände, die im Haus gelagert wurden transportiert.

„Halten Sie mal.“, reichte mir der Detektiv die Lampe und ich versuchte in den Schacht zu leuchten. Ich konnte eine Bewegung ausmachen, irgendetwas schien vor uns zu baumeln. Es dauerte etwas, bis ich es erkennen konnte. Waren das... Schuhe?

Holmes schien sie nun auch zu erkennen, vor allem, da etwas in ihnen steckte. Ich leuchtete nach oben und wir beide reckten unsere Köpfe in den Schacht.

Ich erinnerte mich später nicht mehr an meinen Gesichtsausdruck, jedoch musste jenes eine äußerst bleiche Farbe angenommen haben.

„Verdammt! Das ist Stanhope! Er baumelt an einem Seil!“, informierte Holmes auch Mr. Palmer, der sich hinter uns befand.

Ich konnte meinem Freund leider nur recht geben. Das Licht reichte aus um die Butleruniform und das Gesicht des armen Mannes zu erhellen. Dieses war blutverschmiert und um seinen Hals hing der Strick des Seils, welches ihn in dem Schacht baumeln ließ.

„Watson, Palmer, helfen Sie mir den Mann loszubinden.“, wies der Detektiv uns an.

Unter normalen Umständen hätte er uns dies nicht zweimal sagen müssen, doch an diesem Abend war nichts normal. Ich hielt inne als wir ein seltsames Geräusch vernahmen. Der schwache Versuch mir einzureden, das der Wind dafür verantwortlich war, zerschlug sich augenblicklich. Es war eindeutig das Geräusch eines Tiers. Ein bis ins Mark gehendes Heulen.

Holmes erkannte es kurz vor mir. Oben im Schacht regte sich etwas. Ich leuchtete in eine erschreckende Fratze. Den Schädel eines Hirsches, nein seinen Skalp besser gesagt. Links und rechts prangte sein imposantes Geweih aus seinem Kopf. Das Ungetüm starrte uns an und ich verstand nun, was Miss Pembroke hatte empfinden müssen. Ungläubig sahen wir mitan, wie der Wendigo begann, den armen Daniel mit dem Seil nach oben zu ziehen. Er schien eine enorme Kraft zu besitzen, wir konnten nicht einmal reagieren. Erst als die Leiche über der Kante verschwunden und auch der Wendigo verstummt war, packte mich Holmes an der Schulter.

„Kommen Sie, Watson! Wir müssen auf den Dachboden!“, drängte er.

Ich hätte ihm am liebsten widersprochen, immerhin konnten wir uns doch wohl kaum mit einem Ungeheuer anlegen. Zwar hatte ich meinen Revolver eingesteckt, doch wäre dieses Wesen überhaupt empfänglich für Kugeln gewesen? Ich erinnerte mich, dass es nicht einmal Spuren im Schnee hinterließ. Hatten wir es hier also mit einer Art Geisterwesen zu tun, würden meine Kugeln einfach durch es durchgehen,

Doch Holmes schien zu allem entschlossen zu sein. Wir rannten los und ließen Mr. Palmer verdutzt stehen.

Wir erklommen die Treppe zum ersten Stock wo wir nach dem Aufstieg zum Dachboden suchten. Bald hatten wir die Klapptreppe gefunden und kletterten nach oben.

Sofort leuchtete ich nach allen Seiten, damit wir nicht hinterrücks angegriffen wurden.

Doch da war nichts. Egal wohin ich leuchtete, auf dem Dachboden blieb es ruhig. In wenigen Metern Entfernung erblickten wir den Schacht, in dem der arme Daniel aufgeknüpft worden war. Ein durchtrenntes Seil bestätigte uns, dass es keine Einbildung war. Doch wie verlief es mit dem Wendigo?

„Holmes... Sie... haben es doch auch gesehen, oder?“, begann ich langsam an mir selbst zu zweifeln.

Der Detektiv nickte nur leicht und schritt voran. Ich folgte ihm bis zur anderen Seite des Dachbodens, welcher vor einem breiten Fenster endete. Dieses war geöffnet und Schneeflocken drangen ins Innere. Dies schien der einzige Weg gewesen zu sein, wie das Ungetüm hätte entkommen können. Holmes nahm mir die Lampe ab und leuchtete nach draußen.

Dann ächzte er.

„Natürlich. Und schon wieder keinerlei Fuß oder Schleifspuren“, setzte er mich ins Bild.

Ich schluckte.

„Also... haben wir es wirklich mit einem Geisterwesen zu tun, Holmes?“

Ich hatte erwartet, dass er mich zurechtwies, doch dies blieb aus. Nun wurde mir erstmals bewusst, wer sehr mich Holmes' rationale Art über die Jahre Weg immer beruhigt hatte. Sollte er nun selbst die Fassung verlieren, so hätte ich nicht weiter gewusst. Er war mein fester Punkt in einem sich stets wandelnden Zeitalter.

Uns blieb nichts übrig als das Fenster zu schließen und den Rückweg anzutreten. Uns blieb nun die Aufgabe, den anderen Gästen vom Tod des Butlers Daniels zu berichten, obgleich wir wussten, dass sie dies nur zusätzlich verängstigen würde.

Palmer war der erste, welcher unter der Leiter bereits auf uns wartete. Er war tief in Gedanken versunken und zeigte das erste Mal, seit ich ihn erkannte eine gewisse Bestürzung. Dann suchten wir das Zimmer auf, in welches sich die Damen Pembroke und Cresswell zurückgezogen hatten. Auch wenn sie den Butler kaum gekannt hatten, begannen sie einander zu trösten. Zum Schluss folgte Mr. Foster, welcher uns nur widerwillig öffnete. Er reagierte am schockiertesten. Jedoch weniger was den Tod des Butlers anging, sondern eher über die Existenz einer solchen Kreatur.

„Es... ist Victor. Er muss es sein! Es ist sein Geist!“, hatte er uns noch angeschrien, bevor er uns die Tür vors Gesicht zuschlug. Sowohl mir als auch meinem Freund war klar, dass es keinen Sinn machte, ihn weiter zu befragen.

„Was unternehmen wir nun, Holmes?“, fragte ich, hatte aber nicht mit seiner Antwort gerechnet.

„Nichts. Im Moment können wir nicht weiter agieren, Lediglich reagieren, Und dies missfällt mir zutiefst, treuer Freund. Wir können nur auf den Tagesanbruch warten und dann auf den Kutscher. Erst dann wird es uns erlaubt sein, Hilfe zu rufen.“

Ich verstand ihn, doch wir mussten doch zumindest irgendetwas tun können.

„Was wenn wir die Fenster und Türen vernageln würden?“, schlug ich vor.

Mein Vorschlag wurde unverzüglich abgetan.

„Nein, das wäre sinnlos. Das Haus besitzt zu viele Fenster und Türen. Selbst wenn wir ausreichend Werkzeug und Holz finden würden, es würde etliche Stunden kosten. Nein, unser bester Plan ist es jetzt bis zum Morgen zu warten und uns dann neu zu sortieren.“, entschied er.

Ich gab ihm recht, merkte aber an, dass es bis zum Morgengrauen noch mindestens 6 Stunden her war. Holmes schlug mir vor, den Rest zu schlafen, eine Aufgabe, bei der ich mir sicher war, sie nicht erfüllen zu können. Nachdem ich ihm versicherte auch ohne Schlaf noch ausreichend über Kraft zu verfügen, durfte ich ihn begleiten. Wir kehrten in den Keller zurück, wo wir Stanhopes Petroleumlampe löschten. Ein Brand wäre das Letzte gewesen, das wir in dieser Situation noch hätten gebrauchen können. Holmes sah sich im gründlich im Keller um, wirkte aber unzufrieden. Wenn Daniel hier angegriffen wurde, warum existierten keine Kampfspuren? Konnte es sich bei diesem Wendigo... tatsächlich um ein Geisterwesen handeln? Hatte Foster mit seiner Theorie recht? War Victor Pembrokes Geist in Form des Wendigos zurückgekehrt und wollte nun Rache nehmen? Holmes tat diese These mit seinem nächsten Satz ab.

„Interessant. Haare.“, murmelte er.

Er hatte sich vor den Schacht gekniet und etwas aufgesammelt. Ich kniete mich neben ihn und gab ihm recht. Auf dem Boden des Schachts lagen einige weiße Haare verstreut.

„Gehören sie etwa dem Wendigo? Dann muss es sich dabei ja doch um ein physisches Wesen handeln!“, entkam es mir.

Mein Freund äußerte sich nicht dazu, sondern sammelte die Haare ein.

„Watson, ich möchte Sie um etwas bitten. Bitte lassen Sie unsere Klientin diese Nacht in unserem Zimmer übernachten. Ich schlafe dafür in dem ihrigen“, entschied er.

Ich konnte seinem Vorschlag erst nicht glauben.

„Aber... Miss Pembroke ist eine Dame! Ich kann ihr nicht zumuten...“, begann ich, wurde aber schnell unterbrochen.

„Watson! Ihr Leben könnte in Gefahr sein! Ich denke unter diesen Umständen können wir wohl eine Ausnahme machen.“

Schließlich stimmte ich meinem Freund zu. Während er eine andere Richtung einschlug, begab ich mich zu den Frauen und bat unsere Klientin alleine sprechen zu dürfen. Erst wirkte sie verblüfft, vertraute Mr. Holmes' Urteil dann aber völlig.

Wir zogen uns in unser Zimmer zurück, wo ich noch einmal meinen Revolver überprüfte. Trotz ihrer Aufregung verließ Miss Pembroke bald die Kraft und entschwand ins Land der Träume. Ein Luxus, den ich mir selbst nicht gönnte. Ich erinnerte mich an die nächtlichen Überfälle in Afghanistan, auch nur eine Minute Schlaf konnte einem das Leben kosten.

Im Schnee

Holmes ließ sich in den nächsten Stunden nicht mehr blicken. Als es endlich hell wurde, spürte ich Erleichterung in mir aufkommen. Bald war dieser Alptraum hier vorbei und wir würden in die beschauliche Baker Street zurückkehren. Unsere Klientin schlief immer noch, ich machte keine Anstalten sie zu wecken. Also trat ich vor die Tür und sah mich nach Holmes um. Ich musste nicht lange gehen um zu sehen, wie er mit Miss Cresswell in ein Gespräch vertieft war.

„Watson! Geht es der guten Miss Pembroke gut?“, erkundigte er sich.

Ich konnte ihm dies zum Glück bestätigen.

„Gut. Wir werden heute alle zusammen im Gemeinschaftssaal warten, bis der Kutscher eintrifft. Dieser wird uns dann zum nächsten Polizeirevier bringen.“, sprach er den Plan laut aus.

Ich hatte keinerlei Einwände. Sollten sich doch die Bobbies mit diesem Monster herumschlagen. Ich war nicht zur Monsterjagd ausgebildet worden, jeder beim Militär, noch bei meiner Arbeit mit Holmes.

Es war Palmer der nun angerannt kam, sichtlich unruhig.

„Er ist nicht da, Mr. Holmes! Foster ist nicht in seinem Zimmer.“, verkündete er.

Er beobachtete wie mein Freund mit den Zähnen knirschte.

Er eilte los, wir ihm dicht auf den Fersen. Die Tür zu Fosters Zimmer stand offen, sein Bett wirkte ungemacht. Jedoch konnte ich keine Anzeichen eines Kampfes feststellen. Der Detektiv sah sich gründlich um und fischte dann einen Zettel aus dem Mülleimer.

„Was steht da?“, wollte ich erfahren, doch Holmes teilte es mir im nächsten Augenblick mit.

„Lediglich drei Worte, Watson. Diese lauten Pembroke, Offenbarung, Feuerstelle.“

Ich wiederholte die Worte, konnte aber nicht viel damit anfangen.

Der Detektiv wand sich an Palmer.

„Das letzte Wort... Feuerstelle. Können Sie etwas damit anfangen?“, erkundigte er sich.

Der Zoologe musste einen Moment überlegen, doch dann schien ihm etwas einzufallen.

„Wir hatten früher immer eine feste Feuerstelle während unseren Spaziergängen.“, entsann er sich.

„Wen meinen Sie mit 'unseren'“, wollte Holmes wissen.

Dies schien aber kein großes Geheimnis zu sein.

„Nun ja, ich selbst, Thomas, Victor und...“

„Frank Foster.“, fügte Holmes hinzu und Palmer nickte nur.

Mein Freund stieß einen Fluch aus und stürmte aus dem Zimmer. Wir folgten ihm in einigem Abstand, nur um mitanzusehen, wie er unser Zimmer aufsuchte. Dort erwartete uns die nächste böse Überraschung.

„Aber... Miss Pembroke war vorhin noch hier!“, beharrte ich.

Holmes nickte und begann sich zu bücken. Er hob einen weiteren Zettel auf und las seinen Inhalt. Er war identisch mit jenem, den wir in Fosters Zimmer sichergestellt hatten.

„Mr. Palmer, hat Pembrokes Tochter Sie hin und wieder bei diesen Spaziergänge begleitet?“, wollte er erfahren.

Dieser bestätigte ihm seine Vermutung. Kaum hatten wir das Zimmer verlassen und waren ins Erdgeschoss geeilt, trafen wir wieder auf Miss Cresswell.

„Was ist denn los? Florence ist vorhin dick angezogen einfach ins Freie gestürmt. Ich dachte, wir sollten hier warten?“

Holmes fluchte erneut und wand sich an Palmer.

„Bitte sagen Sie mir, dass sich an den genauen Ort dieser Feuerstelle noch erinnern.“, sagte er eindringlich

Der Zoologe nickte zum Glück.

„Ja, ich denke ich würde die Stelle schon wiederfinden. Aber er stürmt draußen im Moment ziemlich heftig, ich bin nicht sicher, ob ich mich bei diesem Wetter nicht verlaufen würde.“, gestand er.

Holmes begann sich anzukleiden und gab auch uns ein Zeichen.

„Wir müssen das Risiko eingehen. Einer der beiden könnte das nächste Opfer des Wendigos sein. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Wir beide verstanden und legten unsere Mäntel an. Nur Miss Cresswell beschwerte sich, dass sie alleine zurückbleiben musste. Doch es blieb uns nichts übrig.

Zu dritt verließen wir das Herrenhaus und begannen hinaus in den Schnee zu stapfen. Palmer hatte nicht übertrieben, der Wind peitschte uns den Schnee förmlich ins Gesicht.

„Wir müssen diesen Hügel dort hinauf!“, wies uns Palmer an.

In schnellem Tempo bewegten wir uns nach vorne. Ich fluchte, da ich weder nach links noch nach rechts sehen konnte. Meinen Webley fest umklammert wartete ich gerade zu auf einen Angriff dieses Ungetüms. Ich wusste nicht, ob es auch bei Tag angegriffen würde, oder lediglich nachtaktiv war. Dazu fehlte mir das Fachwissen zu mythischen Wesen, die plötzlich zum Leben erwachten.

Immer öfter musste ich mir die Hand vors Gesicht halten, Nachdem wir den Aufstieg des Hügels wagten, geschah es dann. Ich rutschte nach hinten und verlor das Gleichgewicht. Mehrere Meter fiel ich rückwärts und spürte trotz des weichen Schnees einen Stich im Rücken. Ich ruf nach Holmes und Palmer, war aber nicht sicher, dass sie mich hören konnten. Ich durfte auch keine Zeit verlieren, da wir nicht zu lange voneinander getrennt werden durften. Darum unternahm ich einen Versuch, den Hügel von einer anderen Position aus zu erklimmen, die mir weniger Steil erschien.

Ich wusste nicht, wie sehr ich mich inzwischen von den anderen entfernt hatte. Doch dann sah ich eine Gestalt auf mich zukommen. Doch es handelte sich nur um eine einzige. War es Holmes oder Palmer? Oder...

Sofort setzte der Überlebensinstinkt ein und ich zog meinen Revolver. Ich richtete ihn nach vorne, bereit auf das Ungeheuer zu feuern.

„Nein, Doktor! Ich bin es!“, hielt mich nur die zarte Stimme Miss Pembrokes davon ab.

„Miss Pembroke! Was machen Sie denn? Sie dürfen nicht einfach alleine, auf eigene Faust losziehen!“, belehrte ich.

Die junge Frau wirkte Schuldbewusst, aber auch am Ende ihrer Kraft.

„Ich... ich weiß doch. Ich wollte doch nur... herausfinden, was es mit Vaters Tod auf sich hat. Ich wollte zu der Feuerstelle, wo wir früher immer waren. Aber... beim Aufstieg habe ich mir glaube ich mein Bein verstaucht.“, erwiderte sie kläglich.

Sofort ging ich in die Knie um einen Blick auf ihr Bein zu werfen. Die Sicht war alles andere als die Beste, weshalb ich mich mit bloßem Abtasten begnügte. Unsere Klientin stöhnte zweimal leicht auf, was ihre Selbstdiagnose zu bestätigen schien.

„Also gut, wir gehen zurück zum Haus. Holmes und Palmer werden den Rest schon alleine schaffen.“; entschied ich.

Diesmal hatte die junge Frau zum Glück keine Einwände. Ich begann sie zu stützen und legte meinen Arm um ihre Taille. Im Schneckentempo kämpften wir uns vorwärts. Wir waren kaum 10 Meter gegangen, da spürten wir, wie unsere Füße leicht wurden und der Grund darunter nachgab.

Wir rutschten, scheinbar hatten wir einen Hang nicht gesehen.

Wir fielen mindestens 4 Meter, was Miss Pembrokes Verletzung vermutlich nur noch verschlimmerte. Um die Auswirkungen auf meine eigene Person machte ich mir gar keine Gedanken.

„Ist... alles in Ordnung?“, fragte ich gequält.

Die junge Frau bestätigte es mir zum Glück.

„Ja... wo sind wir gelandet?“, wollte sie wissen.

Eine kluge Frage, denn auch unsere Sicht hatte sich deutlich verbessert.

„Wir... scheinen in eine Art Graben gefallen zu sein. Wenn nicht sogar eine kleine Höhle.“, überlegte ich laut.

„Ohnein, Doktor Watson! Wie kommen wir da wieder hoch?“, breitete sich Angst in der Stimme der Frau aus.

Ich blickte nach oben. Mit einem Sprung würde ich nichts ausrichten können. Vermutlich würde ich ohnehin nur abrutschen und mich zusätzlich verletzen.

Wir unternahmen erst einen Versuch eine Räuberleiter zu bauen, doch mit Miss Pembrokes verstauchtem Bein war dies aussichtslos. Auch umgekehrt dürfte es mit einem Gewicht unvorstellbar gewesen sein.

„Wir suchen einen Aufstieg, der weniger steil ist. Kommen Sie.“, entschloss ich und unsere Klientin folgte mir.

Wir entfernten uns zusehends von der Stelle, durch die wir eingebrochen waren und kämpften uns vorwärts. Es gab nur einen Gang, den wir wählen konnten und hoffte, er würde nach oben führen. Unsere Erwartungen sollten nicht nur enttäuscht, sondern ins Gegensätzliche gerichtet werden.

Während ich noch völlig verdutzt von unserer Entdeckung war, begann Miss Pembroke zu schreien.

Ich konnte es ihr nicht verdenken. Nicht nur, dass wir in einer Sackgasse gelandet waren, auch waren wir auf einen Fund gestoßen, mit dem wir nicht gerechnet hatten.

Halb im Schnee vergraben stießen wir auf eine erfrorene Leiche. Ich tat einen schritt näher um ihn mir genauer anzusehen. Auf den ersten Blick wirkte er nicht wie jemand, den wir kannten. Er war in Miss Pembrokes Alter, kaum an die 30, dafür aber fein angezogen. Er trug keinen Mantel oder eine Wollmütze. Schwer vorstellbar, dass er ohne diese Utensilien durch den Schnee gestapft war.

„Der arme Mann... er ist erfroren.“, stotterte Miss Pembroke schwach.

Ich kniete mich vor die Leiche und begann sie zu untersuchen.

„Nein, das ist sie nicht. Dieser Mann hier scheint mir erdrosselt worden zu sein.“, stellte ich fest.

Die Würgemale am Hals des Toten waren unverkennbar. Wir hatten es mit Mord zu tun.

Aber wer? Und warum? Hatte es mit den Morden im Herrenhaus zu tun, denen die armen Herren Driscoll und Stanhope zum Opfer fielen? Oder hatte sein Tod gänzlich andere Hintergründe?

Ich untersuchte seine Kleidung, ob diese einen Hinweis lieferte. In seiner Brusttasche fand ich dann ein Notizbuch. Es war von Frost bedeckt und schwer auseinander zu klappen. Ich riss es mit Gewalt auf und versuchte einige Worte zu erkennen.

„Was genau steht da, Doktor Watson?“, erkundigte sich meine Begleiterin.

Ich brummte undeutlich.

„Ich erkenne nur Vor und Nachnamen. Alle mit einem bestimmten Datum versehen. Die Zahlen sind meist 1-2 Wochen auseinander.“

An ihrem Gesicht erkannte ich, dass sie sich genauso wenig einen Reim darauf machen konnte wie ich. Es half nichts, Holmes musste einen Blick darauf werfen.

Uns blieb nichts übrig als zurückzugehen und zu warten, bis man uns fand. Sobald sich der Schneesturm lichtete, sollte es nicht allzu schwer sein, die Vertiefung im Schnee zu entdecken. Doch... wann würde das der Fall sein?

Das Gesicht des Wendigo

Miss Pembroke und ich kauerten uns eng aneinander um uns Wärme zu spenden. Sie ergriff sogar meine Hände um sie auf diese Weise zu wärmen. Augenblicklich wurde ich in der Zeit zurückversetzt und erinnerte mich, wie meine Frau Mary stets meine Hand gehalten hatte. Doch die Frau neben mir war aber nicht Mary. Doch dies änderte nichts daran, dass sie jemand war, der meinen Schutz benötigte. Nachdem gefühlt eine Stunde verstrichen war, hielt ich es nicht mehr aus. Ich richtete meinen Kopf nach oben und begann zu brüllen.

Ich formte meine Hände zu einem Trichter und stieß Hilfeschreie aus.

Miss Pembroke wollte sich mir anschließen, doch ich hielt sie davon ab. Sie sollte ihre Kraft sparen, es war sinnvoller uns abzuwechseln.

Es war der zweite Wechsel, als sich endlich etwas rührte. Zwei Gestalten tauchten über uns auf. Zu meinem Glück erkannte ich, dass es Holmes und Palmer waren.

„Holmes! Sie schickt der Himmel!“, keuchte ich.

Das tat er ihm wahrsten Sinne des Wortes. Mit vereinter Kraft wurden ich und Miss Pembroke von unseren Rettern nach oben gezogen.

„Doktor Watson, nachdem wir Sie im Haus nicht vorfanden, haben wir die Gegend abgesucht.“, informierte mich Mr. Palmer.

„Miss Pembroke ist verletzt, wir müssen sie so schnell wie möglich zurückbringen!“, sagte ich entschieden.

Dann reichte ich Holmes das Notizbuch und erzählte von der eisigen Leiche. Mein Freund durchstöberte es eine Weile, dann schien er eine Erkenntnis zu haben.

„Mr. Palmer, schaffen Sie es alleine, Miss Pembroke zum Haus zu bringen?“

Dieser bestätigte es, während Holmes selbst wieder in die Vertiefung sprang.

„Holmes! Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?“, beklagte ich mich.

„Ich muss einen Blick auf diesen Toten werfen! Bitte warten Sie solange und ziehen mich dann hoch!“, wies mich der Detektiv an.

Während Mr. Palmer die arme Miss Pembroke zurückbrachte, wartete ich geduldig auf meinen Freund. Ich hätte ihm in aller Ruhe den Zustand der Leiche schildern können, doch dies reichte ihm wohl nicht.

Nach wenigen Minuten kehrte er zurück und ließ sich von mir nach oben ziehen.

„Ich hatte bereits einen Verdacht, doch jetzt ist es mir klar.“, stöhnte er.

Ich zog die Augenbrauen nach oben.

„Sie wissen, um wen es sich bei dem Toten handelt?“, fragte ich verblüfft.

Holmes nickte, schuldete mir aber die Antwort.

„Kommen Sie, Watson. Sie müssen sich etwas ansehen.“, sagte er stattdessen und zog mich mit sich.

Die Hoffnung, wir würden nun ebenfalls den Rückweg zum Haus antreten, zerschlug sich. Stattdessen wagten wir erneut den Aufstieg des Hügels. Gott sei dank hatte sich der Schneesturm inzwischen etwas gelichtet, wodurch sich unsere Sicht deutlich verbesser hatte.

Oben angekommen kämpften wir uns durch einige Bäume, bis wir schließlich an einer Lichtung angekommen waren. Dies musste die Feuerstelle sein, welche Mr. Palmer erwähnt hatte.

Unverzüglich wurde ich kreidebleich. Auf einem Baumstumpf vor saß eine haarige Gestalt, auf seine Gäste lauernd.

Unwirklich starrten uns die kalten, leeren Augenhöhlen der Kreatur an. Es handelte sich um einen Hirschkopf mit einem pelzigen Unterleib. Das Fell, mochte man es so nennen, erschien mir selbst gestrickt. Nur der Kopf schien tatsächlich dem Tier zu gehören. Und unter dem Fell.. erkannte ich eine Hose. Zusammen mit einem Paar Schuhen.

„Wer... wer verbirgt sich darunter?“, hakte ich nach.

Holmes präsentierte mir die Antwort unverzüglich. Er packte den Hirschkopf und zog ihn samt Fell vom Körper darunter.

Ich erstarrte als ich darunter das Gesicht des Meteorologen Mr. Fosters erkannte. Ähnlich wie die Leiche in der Höhle war er zu Tode erfroren. Seine Augen wirkten voller Panik und Abscheu. Seine Haut bläulich und steif.

„Foster... war der Wendigo?“, kam ich ins Staunen.

Holmes, immer noch das Kostüm in der Hand, umrundete den Toten einmal in Gänze.

„Das möchte man meinen. Watson, ich brauche Ihre fachliche Einschätzung wie lange sein Tod bereits her ist.“, sagte er dann.

Ich verstand seine Bitte und trat noch einen Schritt näher.

Ich begann ihn zu untersuchen wie die Frostleiche zuvor. Jedoch musste ich Holmes enttäuschen.

„Es tut mir leid, aber hier vor Ort ist das äußerst schwierig. Es kommen eine Menge Faktoren hinzu. Hat er etwas zu sich genommen? Wärmende Flüssigkeit? Oder hatte er das Kostüm mit dem wärmenden Fell die ganze Zeit bei sich?“, listete ich die Faktoren auf.

„Gehen wir einmal davon aus, dass ihn das Fell nicht gewärmt und erst übergezogen wurde, nachdem er tot war. Und er hat auch sicher nichts zu sich genommen. Und spekulieren wir, dass er sofort niedergeschlagen und ohnmächtig wurde, als er hier ankam.“, grenzte es der Detektiv ein.

Ich nickte und sprach meine Überlegung aus.

„In diesem Fall kann er sehr schnell erfroren sein. Aber was bedeutet niedergeschlagen? Foster hat sich doch als Wendigo verkleidet und Driscoll und Stanhope ermordet. Vermutlich auch den armen Mann in der Eishöhle. Oder etwa nicht?“, hakte ich nach.

Holmes warf mir einen scharfen Blick zu.

„Ja, mein Guter, genau das sollen wir auch denken. Beziehungsweise, was würde man denken, würde man Foster hier vorfinden in diesem albernen Kostüm?“

Ich spann den Gedanken weiter.

„Dass... er es auf sein nächstes Opfer abgesehen hatte. Die Temperaturen allerdings unterschätzte und schließlich erfror.“

Mein Freund nickte und gab mir ein Zeichen ihm zu folgen.

Es dauerte nicht lange, bis wir zurück im Haus waren. Ich wollte mich um die arme Miss Pembroke kümmern, doch Holmes gab mir ein Zeichen still zu sein.

„Das kann warten, Watson. Ich weiß, Ihre Ehre als Arzt schreibt es Ihnen vor sofort zur Hilfe zu eilen, aber Mr. Palmer kann sich noch einen Moment um sie kümmern.“, erklärte er.

Ich wollte aufs Schärfste widersprechen, immerhin konnte sich die Verletzung unserer Klientin durchaus verschlimmern, oder sogar entzünden. In Holmes' Blick erkannte ich jedoch, wie ernst es ihm war. Schließlich stimmte ich zu und folgte ihm. Wir kamen vor einem Zimmer zum Stehen und mein Freund klopfte.

„Watson, Sie haben doch Ihren Webley dabei, richtig?“

Ich tastete meine Taschen ab, nur um sicherzugehen, ihn nicht unterwegs verloren zu haben. Nein, er war an Ort und Stelle. Wenn Holmes mir für gewöhnlich diese Frage stellte, bedeutete dies, dass jener auch in Kürze zum Einsatz kommen würde.

Die Tür schwang auf und Miss Cresswell trat vor uns. Verdutzt starrte sie mich und Holmes an.

„Wir sind wieder zurück, Miss Cresswell. Allerdings ohne Mr. Foster. Dieser ist leider ebenfalls tot. Aber damit haben Sie bereits gerechnet, nicht wahr?“

Die Lektorin verengte ihre Augen und schluckte schwer.

„Was... immer Sie glauben über mich zu wissen...“, begann sie, doch der Detektiv schnitt ihr das Wort ab.

„Oh, ich weiß alles, da können Sie sich sicher sein. Aber das verschieben wir erst einmal. Wenn Sie auch nur die vage Hoffnung haben wollen, den heutigen Tag noch zu überleben, dann tun Sie genau das was ich sage. Verstehen wir uns?“, verlangte er forsch.

Miss Cresswell nickte schwach.

Holmes trug ihr auf in unserem Zimmer zu warten und keinerlei Mucks zu machen. Die Frau folgte, während wir in ihr Zimmer eintraten und die Tür hinter uns schlossen.

„Holmes! Was hat die Frau mit der Sache zu tun?“, hakte ich nach.

Doch für eine Antwort schien mein Freund keine Zeit zu haben. Schnell durchforsteter er den Raum und kam vor einem Schrank zum Stehen.

„Hier drin können wir uns verstecken.“, entschied er.

Noch bevor ich nachfragen konnte, hatte Holmes den Schrank bereits geöffnet und war damit beschäftigt die Kleidungsstücke auf dem Bett von Miss Cresswell zu verteilen. Dann stülpte er die Decke darüber, so dass es am Ende wirkte, als würde eine Person darunter schlummern.

Dann zog er mich mit sich und zusammen drängten wir uns in den Schrank.

Es war eng und wir war bewusst, dass ich den größeren Teil an diesem Umstand beitrug.

„Watson, seien Sie so leise wie möglich. Wenn ich Ihnen ein Zeichen gebe, verlassen wir den Schrank und Sie richten Ihren Revolver auf die Person, die gleich vor uns stehen wird. Haben Sie verstanden?“

Ich nickte und legte eine Hand an meine Waffe. Jedoch hatte Holmes nicht verraten wie lange genau wie warten sollten. Es vergingen erst 5, dann 10 und schließlich 15 Minuten. Erst dann hörte ich, wie die Tür zum Zimmer aufging. Wir vernahmen Schritte, die sich zu unserem Glück dem Bett und nicht dem Schrank näherten.

Dann hielten sie inne und ein Kichern war zu vernehmen.

„Du bist die letzte, du kleines Miststück. Verrecke!“, sagte eine tiefe Stimme und zeitgleich gab mir Holmes das Zeichen

Wir stürmten aus dem Schrank und traten nach vorne. Ohne zu zögern richtete ich meinen Webley auf die Gestalt vor uns.

Es war ein Mann um die 40, in dicke Kleider gehüllt und ein Messer in der Hand. Er hatte es gerade in die Decke gerammt, unter welcher sich jedoch nur die Kleidungsstücke aus dem Schrank befanden.

Sein Gesicht wirkte verwirrt und ungläubig. Als wollte er es nicht wahrhaben, dass wir vor ihm standen. Oder, dass er seinen Plan nicht hatte beenden können. Aber auch in meiner Miene spiegelten sich Unverständnis und Unglauben wider. Die Person vor mir konnte gar nicht vor mir stehen. Immerhin... war sie längst tot.

„Sie... Sie sind Daniel Stanhope!“, entkam es mir.

Holmes schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, ist er nicht, Watson. Er hat sich uns gegenüber lediglich als jener ausgegeben. Den echten Mister Stanhope haben Sie in der Höhle gefunden. Er dürfte dort schon mindestens eine Woche lang rumliegen.“

Ich starrte abwechselnd ihn, und abwechselnd den falschen Stanhope an.

„Der erfrorene Mann war der Butler?“, hinterfragte ich erneut.

Der Detektiv bejahte.

„Ja, nachdem ich mir das Notizbuch ansah und die Art wie der Mann sich die Kleidung angelegt hat, war mir sofort klar, dass er als Butler arbeiten musste.

Der falsche Stanhope hat uns gegenüber doch erwähnt, dass er für eine Agentur arbeitet. Niemand kannte ihn vor seinem Einsatz hier. Es war ein leichtes für ihn, den echten Butler zu töten und seinen Platz einzunehmen. Er musste diesen nur an einen Ort verstecken, wo er lange nicht gefunden werden konnte.“

Ich begann zu verstehen. Aber gleichzeitig verstand ich auch gar nichts.

„Ja, aber Holmes... dieser Stanhope muss doch auch tot sein! Wir haben seine Leiche gesehen!“, erinnerte ich.

Mein Freund schmunzelte nur leicht.

„Haben wir das, Doktor? Erinnern Sie sich zurück. Im Keller war es dunkel und im Schacht sowieso. Nur die Lampe spendete uns Licht. Wir 'glaubten' lediglich Stanhope gesehen zu haben.“

Nun begann ich langsam an meinem Freund zu zweifeln

„Aber... er sah genauso aus wie Stanhope! Und wer soll es denn sonst gewesen sein?“, blieb ich dabei.

Holmes verzog keine Miene.

„Natürlich Thomas Driscoll, wer sonst.“

Ich glaubte nicht richtig gehört zu haben, doch im Gesicht des falschen Daniel Stanhopes las ich, dass er wohl richtig lag.

„Driscoll? Aber der... starb doch im Wintergarten!“, rief ich ihm ins Gedächtnis.

Doch Holmes schüttelte den Kopf.

„Eben dies hat er nicht getan, mein guter Dr. Watson. Auch wenn ich zugeben muss, dass Sie beide mich mit diesem Schauspiel ernsthaft reingelegt haben. Dies passiert selbst mir nicht oft, dieses Kompliment würde ich Ihnen überlassen, würde es sich bei Ihnen nicht um einen feigen Mörder handeln.“

Der falsche Stanhope schwieg weiterhin und lauschte lediglich Holmes' Ausführungen.

„War das Schauspiel Ihre oder Mr. Driscolls Idee? Lassen Sie mich raten, Sie haben ihn davon überzeugt. Schließlich musste alles genau nach Plan laufen. Ein kleiner Streich, mit dem Driscoll seine Gäste überraschen wollte, der sich aber rasch zu einer Mordserie ausbreitete.“

Stahnhopes Miene entspannte sich, aber nur leicht.

„Ja, ich habe ihn auf diese Idee gebracht. Aber das Kostüm hat er beigesteuert. Dieses wäre für meinen Plan nämlich gar nicht nötig gewesen. Eine simple Maske oder dergleichen hätte ihren Zweck ebenfalls erfüllt. Doch dieser Idiot hatte es als Promotion für sein neues Buch herstellen lassen.“, gab er Aufschluss.

Holmes schien sich dies bereits gedacht zu haben.

„Und während wir alle schockiert auf die vermeintliche Leiche von Driscoll starren sollten, sollten Sie der armen Miss Pembroke als Wendigo verkleidet Angst einjagen. Denn es reichte nicht, einfach nur den Strom auszuschalten. Einer von uns hätte ein Feuerzeug bei sich haben und die falsche Leiche immer noch untersuchen können. Besonders als Arzt wäre Doktor Watson in sekundenschnelle aufgefallen, dass Driscoll gar nicht tot war. Und Ihr toller Plan wäre vollkommen über den Haufen geworfen worden.“

Nun fiel es mir erheblich leichter meinem Freund zu folgen.

„Aber wenn er der Wendigo war... wer hat dann Driscoll aus dem Haus geschafft?“, fragte ich als nächstes.

Darauf hatte mein Freund eine einfache Antwort.

„Niemand hat das. Kaum waren wir aus dem Wintergarten verschwunden, stand Driscoll auf, trat auf die Terrasse hinaus und kletterte über den Sims auf den Dachboden. Das erklärt auch die fehlenden Spuren im Schnee. Die Leiche wurde nicht weggezerrt, sondern befand sich die ganze Zeit über im Gebäude. Dass es ein Schauspiel war, wurde mir auch bald darauf klar, da sich weder rechts noch links vom Tisch, auf dem Driscoll gelegen hatte, geronnenes Blut befand. Dieses war nämlich bereits im Vorfeld präpariert worden. Im Dachboden sollte er also warten, bis sich der Schreck in seinen Gästen festgesetzt hatte. Erst dann sollte er vor uns erscheinen und in einen Lachanfall verfallen.

Doch derjenige der zuletzt gelacht hat... waren Sie, nicht wahr?“

Der falsche Butler schien scheinbar zu überlegen wie er als nächstes handeln sollte. Ich hingegen war bereit eine Kugel abzufeuern, sollte er das Messer aus der Decke ziehen.

„So ist es, Mr. Holmes. Ich musste tatsächlich lachen als ich ihm dort oben den Gar ausmachte. Sie hätten sein Gesicht sehen müssen als ich den Strick um seinen Hals zuzog.“, grinste er nun hämisch.

Der Detektiv räusperte sich.

„Darauf konnte ich zum Glück verzichten. Driscoll galt für uns als tot, egal ob wir seine Leiche je finden würden oder nicht. Doch Sie mussten ebenfalls sterben. Die Leiche in der Höhle konnten Sie nicht vorschieben. Wir kannten inzwischen Ihr Gesicht und auch die körperlichen Proportionen des echten Stanhopes unterschieden sich von den Ihrigen. Nein, Sie mussten Driscoll für Ihren gefälschten Tod nutzen. Zu diesem Zweck begannen Sie, dessen Haar und Bart abzurasieren. Das würde aus ihm optisch einen wesentlich jüngeren Mann machen. Danach schmierten Sie sein Gesicht mit Blut ein, um etwaige Merkmale zu verdecken. Mit Ihrer Kleidung und dem spärlichen Licht würden wir also Driscoll für Sie halten. Es war schon sehr verdächtig, dass er am Kopf blutete, wo er doch angeblich erdrosselt worden war. Demnach mussten Sie seine Leiche nur noch ein zweites Mal verschwinden lassen. Sie zogen ihn nach oben und versteckten diese an einem vorbereiteten Ort. Erst in der späten Nacht hatten Sie Gelegenheit, die Leiche weiter weg vom Haus zu deponieren. Wäre auch nur eine der beiden Leichen, die in Wirklichkeit ein und dieselbe war entdeckt worden, hätte man ihr Spiel durchschaut. Jedoch entdeckte ich weiße Haare am Grund des Schachts. Diese gehörten natürlich keineswegs einer mythischen Gestalt, sondern sind dem Bart von Mr. Driscoll geschuldet. Nachdem ich mich danach in seinem Zimmer umsah, entdeckte ich, dass sein Rasiermesser fehlte. Sie und Driscoll besitzen in etwa dieselbe Größe, zusammen mit den Präparationen mussten wir ihn praktisch für Sie halten.“

Mir schauderte. Demnach war der Mörder die ganze Zeit unter uns.

„Und... Mr. Foster?“, wollte ich in Erfahrung bringen.

Für Holmes schien dies der einfache Teil zu sein.

„Na ja, er wollte dem Meteorologen am Ende alles anhängen. Würden wir ihn draußen in der Kälte im Kostüm des Wendigos vorfinden, würden wir unsere Schlüsse ziehen. Allerdings habe ich die richtigen gezogen. Das war Ihr Fehler, Stanhope. Oder sollte ich lieber Mr. Samuel Pembroke sagen?“

Den Mörder schien er mit letzterer Aussage nicht verblüffen zu können, anders sah es da schon bei mir aus.

„Wie erwartet. Sie haben sich also mit meinem Bruder beschäftigt. Und dadurch kamen Sie auch auf mich.“, kam es vom falschen Butler.

Der Detektiv nickte.

„Ja, während meinen Nachforschungen in London stieß ich auch auf dessen jüngeren Bruder Samuel. Jener saß bereits lange wegen Totschlags im Gefängnis, jemandem wie ihm wäre so eine Tat also durchaus zuzutrauen.“

Samuel Pembroke musste lachen.

„Ja, Mr. Holmes. Ich war immer der schlimmere von uns beiden. Ich war das Monster. Aber mein Bruder... er war die Güte in Person. Er hat es nicht verdient zu sterben. Aber Driscoll... hat ihn einfach immer nur ausgenutzt. Ständig sollte er die Tricks nachstellen, welche dieser sogenannte Autor in seinen Werken verwenden wollte. Viele waren gefährlich, wodurch er sich oft Verletzungen zuzog. Doch dann... ging Driscoll zu weit. Er verlangte etwas zu gefährliches, wodurch schlussendlich die Klinge eines Messers in der Brust meines Bruders landete. Foster und Cresswell waren ebenfalls anwesend und haben meinen Bruder sogar noch animiert. Sie sind genauso schuldig, nicht zuletzt weil sie alles vertuscht und es wie Selbstmord haben aussehen lassen.“

„Und darum wollten Sie Rache nehmen. Für Ihren Bruder.“, schloss Holmes.

Samuel Pembroke nickte mehrmals.

„Ja. Florence hatte mich zuletzt gesehen als sie noch ein Kind war. Ich war mir sicher, dass sie mich niemals wiedererkennen würde. Aber... sie musste einfach hier sein. Sie musste jeden dieser Monster sterben sehen. Ich habe es... auch für sie getan.“

Holmes trat nun entschlossen vor.

„Vollkommener Unsinn! Sie denken ernsthaft, Ihre Nichte hätte das hier gewollt? Nein, Miss Pembroke erscheint mir wie eine Person, der Gerechtigkeit am Herzen liegt. Sonst hätte sie mich niemals in der Baker Street aufgesucht und mich engagiert. Ich verbiete es Ihnen in ihrem Namen zu sprechen.“

Holmes' Forschheit konnte Samuel Pembroke jedoch nicht beeindrucken.

„Mir ist Ihre Meinung herzlich egal, Mr. Holmes. Immerhin... habe ich mein Werk noch nicht erfüllt. Ich wollte Agnes Cresswell zuletzt töten und es wie Selbstmord aussehen lassen. Die Nerven wären mit ihr durchgegangen. Aber die Details sind immer nun egal!“, brüllte er nun und zog aus das Messer aus der Decke. Er stürmte auf meinen Freund zu, doch ich reagierte blitzschnell. Ich schoss und die eine Kugel traf das Bein des Mannes. Er ließ das Messer los und stürzte voller Schmerz zu Boden.

Während Holmes nach etwas suchte, mit dem er den Täter fesseln konnte, versuchte ich die Wunde zu versorgen.

Die Tür wurde kurz darauf aufgeschlagen, es waren Mr. Palmer und Miss Cresswell. Vom Schuss angelockt wollten sie erfahren was los war. Sie staunten nicht schlecht, als sie den vermeintlich toten Mr. Stanhope auf dem Boden erblickten.

Bald darauf war dieser gefesselt und seine Wunde vorsorglich versorgt. Erst als wir sicher waren, dass keine Gefahr mehr von ihm ausging, wagte ich es, nach Miss Pembroke zu sehen. Der Zoologe Palmer hatte ihr Bein inzwischen gekühlt, so dass eine Weiterversorgung für mich ohne Probleme verlief. Sie würde sich schnell erholen, da war ich mir sicher.

Der größere Schock für sie stellte sich für sie dar, als sie erfuhr, bei wem es sich um den vermeintlichen Daniel wirklich handelte. Sie verlangte ihn zu sehen, doch Holmes hielt das im Moment zu gefährlich. Erst nachdem der Kutscher angekommen war und Holmes ihm auftrug, die Polizei zu informieren, welche den Mörder kurze Zeit später abholte, ergab sich die Gelegenheit diesem nochmals in die Augen zu sehen. Es fielen keine Worte, es war lediglich Schuld in Samuels Gesicht zu erkennen. Ich bezweifelte, dass sich diese jedoch auf die Morde bezog. Darauf, ob er seinen Bruder im Stich gelassen hatte, oder dass er seine Nichte in die Sache verwickelt hatte, würden wir wohl nie erfahren. Auch Miss Cresswell musste die Polizei wegen der Verdeckung einer Straftat begleiten. Gerecht wie ich fand, immerhin hatte diese Tragödie nur wegen ihrem und Mr. Fosters Schweigen begonnen. Hätten sie das Geschehene der Polizei gemeldet, wäre vielleicht nichts derartiges wie dieses Wochenende geschehen.

Auch die Leichen Mr. Fosters und des wahren Mr. Stanhopes wurden geborgen und ins Leichenschauhaus gebracht. Mr. Driscolls Leiche ausfindig zu machen war um einiges schwieriger. Samuel hatte sie gut versteckt und der Schneesturm seine Spuren verdeckt. Vermutlich war es nötig bis zum Frühling und dem Abtauen des Schnees zu warten um ihrer habhaft zu werden. Außer natürlich sein Mörder würde das Versteck verraten, was diesem jedoch im Moment egal sein dürfte. Er hatte bestimmt andere Sorgen.

Mr. Palmer war der letzte von dem wir uns verabschiedeten. Er wünschte uns eine sichere und vor allem ruhige Heimreise, einen Wunsch, den ich nur befürwortete

Auf dem Rückweg kam ich nicht umher, Holmes ein klein wenig zu triezen.

„Geben Sie es zu, Holmes. Für einen kleinen Moment haben Sie ebenfalls an den Wendigo geglaubt.“

Mein Freund verdrehte seine Augen und seufzte.

„Selbst wenn dem so gewesen wäre. Hätte ich mich immer mit einem so fähigen Schützen wie Ihnen immer noch sicher gefühlt.“, versicherte er.

Ich schmunzelte.

„Also gut, Holmes. Ich werde Sie daran erinnern, wenn wir dem nächsten Monster begegnen.“



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