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Trust is everything

Wichtel Geschichte für Ral
von

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Prolog

Habe ich dir Angst gemacht? Das tut mir furchtbar leid, es war nicht meine Absicht.“

 

Waylon schlug die Augen panisch auf. Die Stimme kitzelte in seinem Ohr, der warme Atem war so deutlich zu spüren.

 

Kenne ich dich nicht? Ich erkenne dein Gesicht.“

 

Hektisch drückte er sich vom Boden hoch, seine Augen suchten die Dunkelheit des Raumes ab, seine Finger tasteten nach seiner Kamera. Er zitterte überall, drückte sich die freie Hand gegen den Mund, um seine Töne leiser werden zu lassen.

 

Darling~“

 

Mit einem Schrei wollte er sich komplett aufrichten, sein Kopf knallte hart gegen etwas und mit einem Ächzen fiel er beinahe in die vorherige Position.

Er hatte die Kamera gefunden, wie angeboren lag sie in seiner Hand. Waylon hob sie schnell, schaltete das Nachtlicht an und sah hindurch.

 

Er war alleine.

 

~

 

 

Der ehemalige Software-Entwickler – für Murkoff eher als Berater bekannt – konnte nicht sagen, wie viel Zeit verstrichen war. Tage, Wochen und Monate konnten vergangen sein, genauso wie nur einige Stunden. Mit Erleichterung hatte er festgestellt, dass er nicht mehr unter dem Antrieb zu leiden hatte, nichts flimmerte vor seinen Augen und er hörte keine Stimmen.

 

Vielmehr Positives gab es dann aber auch nicht mehr zu erzählen.

 

Nach der Flucht vom Bräutigam lebte er in den Lüftungsschächten. Mit Entsetzen hatte er die Sicherheitsleute von Murkoff dabei beobachtet, wie sie alles exekutiert hatten, was sich auch nur ansatzweise zu bewegen schien. Er hörte immer noch die Schreie einiger Patienten, solcher, die komplett verängstigt in Ecken gehockt hatten oder zu irgendeinem Gott beteten.

 

Als ob es hier einen Gott gäbe...

 

Seither war viel Zeit vergangen. Waylon traute sich nur raus, wenn er unbedingt Essen oder Wasser brauchte – oder eben auch zum urinieren. Wann immer das war, schlich er barfuß davon, die panische Vorstellung verfolgt zu werden als ständigen Begleiter..

 

Die Söldner waren nicht mehr aufgetaucht. Die meisten Leichen waren nicht mehr vorzufinden, aber immer noch klebte überall Blut, Kotze oder Fäkalien. Dennoch herrschte nunmehr Stille im ganzen Mount Massive. Abgesehen von den Geräuschen in seinem Kopf. Er hörte immer noch die Stimmen vergangener Verfolger. Dem Gesehenen zum Trotz war er auch felsenfest davon überzeugt, dass er nicht alleine hier war.

 

Er kratzte mit seinen Fingerkuppen die letzten Reste irgendeiner neutralen Paste heraus, als er beschloss, dass es Zeit war.

 

Mount Massive zu verlassen.

 

Seiner Sehnsucht nach zu Hause würde er jedoch nicht verfallen, er hatte damals die Söldner gehört. Einige Patienten, vor allem jene aus dem Gefängnistrakt, waren in die angrenzenden Wälder geflohen, unter anderem der Kannibale, der auch ihm schon nach gehetzt war. Waylon hatte keine Erfahrung, er würde in den kühlen Sommernächten erfrieren n oder schlichtweg verhungern. Außer er hatte das Glück, auf Andere zu treffen, aber vermutlich würden jene ihn auch nur umbringen.

 

Also brauchte er Hilfe.

 

Waylon kannte nur eine Person, die eventuell bereit sein könnte, ihm zu helfen. Selbst wenn er sich darüber im Klaren war, dass er damit einen Pakt mit dem Teufel eingehen würde.

 

All die Zeit, die er hier verbracht hatte, hatte Waylon genau eines vermieden. Nun krabbelte er jedoch wieder durch die Lüftungsschächte, spürte das Zittern durch den ganzen Körper und schüttelte es entschieden ab. Es war keine Zeit für Angst.

 

Leichtfüßig ließ er sich aus dem Schacht runter, bis er den Boden unter sich erahnen konnte. Sein Aufkommen hörte sich laut an wie ein Knall. Dann landete sein Blick auf den vielen Menschen, die von der Decke baumelten. Er betrachtete die Stelle, an welcher er hätte hängen sollte. Dann sah er die Rohre und Drähte, alles, was damals von der Decke gekommen war, als er um sein Leben gekämpft hatte.

 

Das Einzige, was an dieser Stelle fehlte, war... Der Bräutigam.

 

Waylon war sich mittlerweile nicht mehr ganz sicher, was er gesehen hatte. Wie wurde der Mann getroffen, an welchen Stellen und war es überhaupt möglich, das zu überleben? Er hatte gesehen, was viele dieser Menschen überlebt hatten. Der Antrieb brachte Dinge aus ihnen hervor, die nicht zu beschreiben waren.

 

Mit einem tiefen Atemzug versuchte er sich auf alles Kommende vorzubereiten, hielt die Kamera wie gewohnt vor sich, um etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Er wagte die ersten Schritte in die Richtung seiner Fluchtmöglichkeit – oder alternativ auch in sein Verderben.

 

All die Flure, die es gab, waren ihm so gut wie unbekannt. Er war durch sie durch gerannt, den Tod im Nacken. Jetzt fiel ihm mehr denn je die rote Farbe an den Wänden auf, – vielleicht auch Blut. Die Türen waren auf eine Weise verrammelt, die es chaotisch wirken ließ, doch im Endeffekt nur eins war – Planung. Wie bei einem Labyrinth für Versuchskaninchen. Man kam am Ende dort raus, wo man es wollte – wenn nicht, dann landete man eben in einer Sackgasse, was das gleiche Ende zu bedeuten hatte.

 

Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann überlebt hatte, was Waylon ansehen musste? Nun, er traute dem Bräutigam alles zu. Wirklich.

Chapter One

When I was a boy my mother often said to me.“

 

Waylon blieb ruckartig stehen. Er traute seinen Ohren nicht.

 

get married, son and see how happy you will be.“

 

Er drückte seine Hände gegen seine Ohren, versuchte irgendwie auszumachen, ob er sich das einbildete oder die singende Stimme tatsächlich durch die Gänge hallte. Waylon wusste nicht, wieso man hierbleiben sollte. Jene, die hier waren, waren Patienten die vermutlich zu lange gequält worden waren, um überhaupt nocht geradeaus denken zu können. Sicherlich gehörte der Bräutigam auch zu solchen Personen, oder er hoffte weiterhin auf seine Braut.

 

Waylon senkte seine Hände, atmete mit geschlossenen Augen tief durch. Er leckte sich über die trockenen Lippen, bewegte sich weiter voran. Wenn er sich das alles nicht einbildete, dann war das seine Chance.

 

Seine Chance endlich hier wegzukommen.

 

Er würde keinen Rückzieher machen, er würde das jetzt durchziehen.

 

I have looked all over, but no girlie can I find“

 

Dem Gesang zu folgen, war nur bedingt einfach in diesen schallenden Räumen. Dennoch war Waylon sich sicher, dass er die korrekte Richtung einschlug. Die Stimme seines beinahe Mörders wurde zumindest lauter.

 

who seems to be just like the little girl I have in mind.“

 

Es fühlte sich so an, als wären seine Schritte schrillend laut. In den fast stummen Gängen, könnte es vielleicht auch so sein. Eine der großen Türen, war einen Spalt breit geöffnet, schien die Quelle des Gesangs darzustellen. Er lehnte sich mit einer Hand an die geschlossene Hälfte, drückte sein Gesicht dicht genug an den Spalt, um etwas zu erkennen.

 

I will have to look around until the right one I have found. Hehe“

 

Die große, kräftige Statur war deutlich zu erkennen. Fahles Licht fiel durch die riesigen Fenster, die teilweise komplett zugestellt waren mit hohen Regalen, Mannequins und Kleidungsstücken. Kleider. Was sonst.

 

Darling!“, ein dunkles Lachen ließ eine Gänsehaut über Waylon fahren. Er schnappte deutlich nach Luft, wie festgefroren versuchte er sogar das Atmen einzustellen, Blinzeln tat er ohnehin nicht. „Du musst dich doch nicht verstecken. So zart du auch sein magst“, der Stuhl wurde quietschend über den Boden geschoben und der Mann baute sich komplett auf, zeigte Waylon wieder seine Größe und Statur komplett – einschüchternd. „Meinen Ohren entgeht nichts. Also komm hinein, ich arbeite gerade... an deinem Kleid. Ich muss es nur an deine Maßen anpassen.“

 

Waylon zögerte weiterhin. Diese Begegnung lief anders ab, als alle bisherigen mit Eddie. Noch war sie ungefährlich, aber er wusste, wie schnell das sich verändern konnte. Sein Zögern wurde zu lang.

 

Darling?!“, dröhnte die Stimme gefährlich zu ihm durch.

 

Schluckend ballte Waylon die Hände zu Fäusten, ehe er sich zur Entspannung zwang. „J-ja... Entschuldige“, brabbelte er zügig vor sich hin, während er sich durch den Spalt quetschte. Er konnte nicht einschätzen, wie schnell und ob man ihn überhaupt erkennen würde. Aber er war bereit zu rennen, sollte es der Fall sein. So schnell sein ramponiertes Bein es eben zuließ, dass glücklicherweise wieder soweit geheilt war, dass er auch rennen konnte.

 

„Ohhh“, machte der Bräutigam. Waylon gefror unter den Blicken des Mannes blauen Augen, die viel zu hell schienen. Jetzt war der Moment. Er war erkannt worden. Der Mann würde ihm hinterher hetzen und dann töten. Ehe er umdrehen und rennen konnte... fassten ihn große Hände an seinen Oberarmen, knapp unter den Schultern. „Darling“, noch immer klang die Stimme sanftmütig mit einem Hauch von Gefahr. „Ich habe dir doch schon Hunderte Male gesagt, dass du nicht barfuß herumlaufen sollst. Du wirst dich dadurch erkälten oder noch schlimmer – verletzen! Lass mich dir Schuhe holen.

 

Waylons Herz schlug so schnell und laut, er war sich sicher, dass es noch kilometerweit zu hören war. Mit einem tiefen Atemzug, beobachtete er den Bräutigam. Eddie Gluskin. Den Namen hatte Waylon nur in gefundenen Akten gelesen, aber er hatte nie so gefährlich gewirkt, wie der Mann es tatsächlich war.

 

„Ich denke die sollten passen“, stolz drehte sich Eddie von der Kiste um, durch die er gekramt hatte. Er hielt ein simples, weißes Paar Schuhe vor sich, vielleicht vom Personal getragen, als es noch... na ja... lebte. Die Schuhe eines Toten an seinen Füßen? Schwer vorstellbar, aber unausweichlich, so wie der Mann auf ihn zukam, unaufhaltsam wie ein Tornado. „Setz dich hin. Ich helfe dir beim Anziehen.“

 

„Abe- uff“, Waylon landete ruckartig auf den Stuhl, welcher eben noch Eddie gehört hatte. Jener ging vor ihm auf ein Knie runter und wirkte von dieser Pose aus, nicht mehr ganz so fürchterlich wie bisher. „Ich kann... sie mir auch selbst anziehen!“

 

„Natürlich“, die Hände des Mannes waren beinahe so groß wie Waylons Füße. Einer davon lag jetzt auf dem Oberschenkel von Eddie, das Fußgelenk von den langen Fingern umschlungen. „Aber wieso sollte ich dich lassen? Lass mich das für dich machen.“

 

Es wirkte nicht so, als hätte Waylon eine andere Wahl. Er versuchte einfach nur genau auf das Gesicht vor sich zu achten. Sobald er darin Gefahr erkennen würde, würde er die Beine in die Hand nehmen. Doch für den Moment... schien es befremdlich friedlich zu sein.

 

„Hmpf...“, Eddie fuhr mit seinen kühlen Fingerkuppen über seine Füße. „Wir sollten sie wieder mal reinigen, Darling. Es gehört sich für eine Frau nicht, dreckige Füße zu haben.“

 

Waylon musste sich entscheiden, wie er dieses Spiel spielen sollte. Er wollte vorerst auf Nummer sichergehen. So sicher wie es möglich war. „Du hast Recht“, stimmte er mit unerwartet starker Stimme zu. „Aber... es ist schwer... an reines Wasser zu kommen.“

 

„Oh ja!“, der Bräutigam seufzte auf, es klang ein wenig genervt, dabei hatte er von allen hier, wohl noch das meiste zu sagen. Waylon kannte niemanden, der sich ihm entgegensetzen würde, jetzt wo er frei war. „Aber ich werde welches für dich finden. Solange schützen dich die Schuhe vor weiteren Dreck oder Verletzungen.“

 

Waylon fühlte die langen, starken Finger an seinen Waden, sie waren am Fußgelenk hinauf gestrichen, berührten nun mehr von der Haut. Der ehemalige Software-Entwickler musste sich dazu zwingen, nicht zurückzuzucken. Wenn er seinem Plan folgen wollte, dann musste er sich in etwa so benehmen, wie von Eddie erwartet. Er wusste nicht alles über den Mann, aber das was er wusste, würde er auch so umsetzen.

 

„Das ist sehr freundlich... danke“, flüsterte Waylon beinahe, er traute sich kaum, die Stimme zu erheben, auch wenn der Moment sehr harmonisch wirkte. Wenn man ihre Umgebung vergaß. Er wandte den Blick von Eddie ab, stattdessen sah er dorthin, wo der Mann vorher wohl noch gesessen hatte. Weißer Stoff – eigentlich eher grau – hing zum Teil vom Tisch herunter, auf welchem man noch mehr von dem Stoff erkennen konnte. „Ich wollte dich nicht bei der Arbeit stören.“

 

„Aber Darling, du störst doch nicht!“ Eddie grinste breit und entfernte seine Finger von den Waden, stattdessen fasste er nach oben, ummantelte das Gesicht von Waylon. „Ganz im Gegenteil, du kannst mir behilflich sein. Immerhin benötige ich deine Maße, um dein Kleid zu vollenden.“

 

„Uhm... natürlich, gerne.“

 

Waylon beobachtete Eddie, als jener richtig aufstand und zurück zum Tisch ging. Er hatte deutliche Erinnerungen daran, wie der Mann von der Decke gehangen hatte, durchstochen von Metallstangen. Dennoch wirkte Eddie ganz normal, er humpelte nicht, fasste sich nicht an offene Wunden... Vielleicht die Rest-Wirkung des Antriebs oder Waylon... hatte sich das alles eingebildet? Seitdem er für Murkoff arbeitete, war er sich manchmal nicht sicher, was echt war und was nicht.

 

„Darling?“, drang die tiefe Stimme wieder zu ihm durch.

 

„Oh!“, schnell rappelte er sich auf, er wollte wirklich nicht den Zorn des Mannes auf sich ziehen, also lief er zum Tisch, zog sein Bein immer noch etwas hinter sich her. „Wo soll ich mich hinstellen?“

 

„Du wirkst heute wieder sehr durcheinander, Darling“, Eddie betrachtete ihn kritisch. „Hast du wieder schlecht geträumt?“

 

Waylon wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Natürlich war diese Sorge eher falsch, sie kannten einander kaum und Eddie sorgte sich nur um das perfekte Bild, was sich in seinem Kopf abspielte. Er musste diesem Bild entsprechen, damit er auf der sicheren Seite stand. „Hmhm... ja. Mein Schlaf war... nicht so gut.“

 

„Armes Darling“, flüsterte der große Mann sanftmütig, eine Hand landete zart an der Wange von Waylon, mit dem Daumen fuhr er über die Wangenknochen. „Ich werde dafür sorgen, dass du diese Nacht wieder friedlich verbringen wirst.“

 

Eine Gänsehaut überkam seinen kompletten Körper. Natürlich, er würde schlecht wieder in die Schächte kriechen können, dennoch hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, auch nachts bei Eddie zu bleiben. Zu schlafen, während der Mann sich eventuell erinnern und ihn dadurch töten könnte.

 

„Nun, stell dich hierher“, der Mann schob ihn auf eine erhöhte Stelle. Waylon war froh darüber, dass er auf keinen Leichenberg stehen musste, sondern einer umgedrehten Kiste, die von einer grauen Decke überzogen wurde, vermutlich um den Anschein eines Podestes zu erzeugen, wie man es aus Brautgeschäften kannte.

 

Waylon ließ seinen Blick schweifen, dieser Raum war weniger chaotisch wie alles andere und es gab auch keine Leichen. Hier und da waren rote Spuren - sicherlich Blut - ansonsten wirkte alles sehr aufgeräumt. Scheinbar hatte sich Eddie bemüht, Ordnung zu schaffen. In Waylons Kopf wummerte es, als würden Erinnerungen sich vorkämpfen wollen, aber es kam zu keinem Ergebnis.

 

„So“, Eddie hatte das zusammengenähte Kleid hochgehoben und hielt es zufrieden an den Körper des Software-Entwicklers. „Du wirst unglaublich schön darin aussehen...“, hauchte er. „Aber ich muss es noch weiter anpassen. Das letzte Mal war es schon ganz gut, jetzt werde ich es perfektionieren, sobald du es angezogen hast.“

 

Nachdenklich starrte er den Mann vor sich an. Das alles hörte sich so an, als wäre Waylon bereits da gewesen. Nicht so, wie er es im Kopf hatte, sondern auf andere Weise. Ob sein Kopf ihm Streiche spielte?!

 

„Darling“ Vor seinen Augen erschien wieder das Gesicht von Eddie, der ihm mit gerunzelter Stirn entgegen blickte. „Du bist heute wirklich sehr verloren in deinen Gedanken.“

 

„Entschuldige“, murmelte Waylon, ein wenig nervös – er wollte Eddie nicht erzürnen. „Ich... Ich ziehe das Kleid an, ja?“

 

„Aber nur, wenn es nicht zu viel für dich ist.“

 

„Nein, es ist in Ordnung“ Er mühte sich ein Lächeln ab und sah sich dann etwas um, nach einem Ort, wo er sich umziehen konnte, ohne zu viel von sich zu zeigen.

 

„Oh, natürlich. Du bist immer noch so verlegen, um dich selbst. Ich werde kurz nach draußen gehen, ruf nach mir, wenn du fertig bist.“

 

Waylon beobachtete wie Eddie den Raum verließ, in die Richtung, aus welcher er gekommen war. Er hielt das Kleid in den Händen, das wirklich beinahe fertig aussah. Seine Gedanken kreisten um alles, was Eddie bisher gesagt hatte, währenddessen zog er sich die ramponierten Kleidungsstücke aus. Recht leicht stieg er in das Kleid, welches tatsächlich schon gut an seiner Größe angepasst war. Es war an manchen Stellen etwas zu groß, vermutlich weil es einfacher war, es enger zu nähen, als weiter.

Trotz aller Bemühungen schaffte er es nicht, an den Verschluss am Rücken zu kommen, also nagte er an seiner unteren Lippe und entschied, dass er nicht noch mehr Zeit hier verbummeln sollte.

 

„Eddie?“, rief er also hinaus und keine Sekunde später öffnete sich die Tür und Eddie kam hinein. „Uhm... hilfst du mir noch beim Schließen?“

 

„Natürlich Darling“, mit großen Schritten kam der Bräutigam auf ihm zu und umrundete ihn. Der Mann zog das Kleid zusammen und schloss mit geschickten Fingern das Kleid hinten. Seine großen Hände wanderten an seinem Rücken entlang hinauf zu seinen Schultern, um die Träger zurechtzulegen.

 

Obwohl Waylon fest daran glaubte, dass er nie ein Kleid zuvor angezogen hatte... Fühlte es sich wie etwas Bekanntes an.

 

„Du siehst jetzt schon so unglaublich schön aus“, flüsterte ihm Eddie von hinten ins Ohr. „Aber ein paar Veränderungen muss ich noch vornehmen. Halt still und ich werde schnell alles Nötiges unternehmen.“

 

Mit geübten Handgriffen, bearbeitete Eddie das Kleid und berührte ihn hin und wieder. Er streifte seine nackte Haut an den Schultern und Armen, strich manchmal unter das Kleid und sprach an, dass er sich mal wieder rasieren müsste, damit seine Beine wieder glatt wären. Waylon stimmte einfach nur allem zu und hielt größtenteils still. Irgendwann richtete Eddie ihm aus, dass er sich wieder umziehen konnte, ging für die Zeit nach draußen und setzte sich dann mit dem Kleid hin, um es anzupassen.

 

Etwas verloren stand Waylon im Raum herum und beobachtete, wie Eddie geschickt an dem Kleid arbeitete. Er wusste nicht viel, nur das, was in den Akten stand, aber gerade meinte er sich daran zu erinnern, dass Eddie Schneider gewesen war. Er wusste nicht, woher diese Eingebung kam.

 

„Willst du dich zu mir setzen, Darling?“

 

„Wenn ich dich nicht störe?“

 

„Natürlich nicht“, Eddie lächelte sanft und besorgte einen zweiten Hocker, den er bei sich hinstellte und Waylon Platz nehmen ließ.

 

Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen beobachtete Waylon wie sich Eddie direkt an die Arbeit machte. Seine Handgriffe waren geübt, wenn er das Kleid drehte und wendete, Nähte öffnete oder verschloss oder dergleichen machte. Während er bei ihm saß, sprachen sie kein Wort. Waylon dachte darüber nach, wie er es schaffen könnte, dass Eddie mit ihm von hier verschwand. Natürlich war da ein Grundgedanke, aber an der Ausführung mangelte es noch. Er war ja schon etwas sprachlos, dass er noch lebte und Eddie ihn nicht getötet hatte, sobald sie einander begegnet waren.

 

Der akute Schlafmangel zeichnete sich aus, seine Lider wurden schwerer, etwas, das er kaum bemerkte, so sehr war er in Gedanken vertieft. Erst eine Hand auf seinem Schopf machte ihn darauf aufmerksam, er zuckte zusammen und mit großen Augen starrte er zum Bräutigam.

 

„Du siehst sehr müde aus, Darling“, hauchte er leise, ließ seine großen Finger durch das dreckige Haar streichen. „Ich werde einfach morgen weiter arbeiten. Gehen wir zu Bett.“

 

„Das... ist nicht notwendig“, Waylon setzte sich aufrecht hin, beabsichtigte damit, wieder wacher auszusehen. Aber dem Wahnsinn zu trotz, schüttelte Eddie etwas den Kopf.

 

Eddie legte alles bei Seite und streckte die Hand aus, um die Lampe auszuschalten. Waylon fragte sich ohnehin, wo das alles doch herkam. Immerhin fand man – gerade nach dem Einsatz von Murkoffs Söldnern – nicht mehr so viel. Allerdings wusste Waylon auch nicht genau, wo sie alles waren. Vielleicht hatten sie diesen Bereich sich selbst überlassen?

 

Nervös biss sich Waylon auf der Lippe herum, als Eddie ihn vom Hocker schob. Sein Fluchtinstinkt schrie ihn an – verschwinde! Nimm deine Beine in die Hände! Waylon wusste nicht, wie er es schaffte, dem zu widerstehen. Vielleicht lag es an dem Bräutigam, der direkt bei ihm war, ein großes Messer in der Hand hielt und mit der Freien nach seinem Unterarm griff. Also war er mehr oder weniger gezwungen dazu, dem größeren Mann zu folgen. Er betrachtete die Gänge, denen sie entlang liefen, Blut konnte er nach wie vor nicht viel erkennen, aber vermutlich hatte Eddie sich nur ein paar spezielle Räume ausgesucht, für all seine Experimente.

 

Es war ein abgedunkelter Raum, den sie schließlich betraten und kaum waren sie drinnen, versperrte Eddie die Türen mit allerlei Möbeln. Natürlich, selbst Eddie konnte nicht viel unternehmen, wenn er schlief – Waylon jetzt auch nicht.

Seine Anforderungen an Schlafmöglichkeiten, Nahrung und dergleichen waren stark abgeschwächt. Er nahm, was er kriegen konnte und in all den Nächten, die er in Lüftungsschächten verbracht hatte, wirkte die jetzige Schlafmöglichkeit wirklich sehr attraktiv.

 

Die – mit Sicherheit dreckige – Matratze war von grauen Tüchern bedeckt, es gab tatsächlich Kissen, die ganz in Ordnung aussahen und Betttüchern, die vermutlich als Decken gedacht waren. Ohne weiter darüber nachzudenken, bewegte er sich von selbst auf das hergemachte Bett zu und strampelte die Schuhe ab, sobald sein Hintern die Matratze berührte. Viel zu dünn, um wirklich gemütlich zu sein, aber das Beste seit Langem.

 

Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich zurückfallen und schloss die Augen. Er öffnete sie nur wieder, weil die Präsenz von Eddie unmöglich zu ignorieren war. Waylon war immer wieder überrascht davon, wie leise sich der große Mann bewegen konnte.

 

„Ich habe das Bett extra für dich etwas mehr hergerichtet“, sagte der Bräutigam leise, aber mit einem Grinsen im Gesicht. Waylon bekam eine unangenehme Gänsehaut, als der Mann über ihn kletterte, prinzipiell auf seinen Hüften saß und seine Hände um das komplette Gesicht legte. „Ich möchte, dass du jede Nacht bei mir verbringst, keine Ausflüchte mehr. Du bist hier sicher und kannst schlafen. Schlafentzug ist wirklich nicht gut für dich, Darling. Du musst doch fit für die Hochzeit sein.“

 

Waylon war sich sicher, dass sein Herz gleich aus der Brust springen würde, als Eddie sich weiter runter beugte. Der warme Atem streifte sein Gesicht, dann trafen die Lippen seine Stirn. Sie waren trocken und rissig, aber dennoch unglaublich warm und zärtlich. Eddie drückte weitere Küsse auf seine Stirn und Schläfe, ehe er sich von ihm runter rollte.

 

Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, entspannte sich nur wirklich sehr langsam mit der schwindenden Nähe. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte – etwas Schlimmeres als den Küssen auf seiner Stirn.

 

„Rutsch weiter hoch“, wies ihn Eddie an und betrachtete ihn doch etwas argwöhnisch. „Morgen gebe ich dir etwas Neues zum Anziehen. Du solltest nicht immer dieselben Kleidungsstücke tragen.“

 

Sprachlos schaffte er es nur zu nicken und wirklich hochzurutschen, bis sein Kopf auf die Kissen traf. Sein Blick fiel wieder auf Eddie, der auf dem Bett saß und sich die schwarze Weste, sowie das Hemd darunter aufknöpfte. Sein Blick fiel auf die viel zu helle Haut des Bräutigams, er konnte Narben deutlich erkennen, – aber er hatte nichts anderes erwartet, nach allem, was er gelesen hatte. Eddies Kindheit musste ein wahr gewordener Albtraum gewesen sein.

 

Der Mann faltete seine Kleidung ordentlich zusammen, legte sie beiseite und zog sich auch die Schuhe von den Füßen, ehe er sich in das viel zu schmale Bett legte. Waylon rutschte, soweit es ihm möglich war, bis er auf die Wand neben dem Bett traf. Eddie zog die Laken hoch, es waren mehrere, vermutlich falls es doch etwas kühler wurde.

 

„Jetzt wird geschlafen“, beschloss der Mann, als er die Tücher auch über Waylon legte und ihn darin fürsorglich einwickelte.

 

So etwas kannte Waylon nur von sich selbst, wenn er seine Söhne in Decken gewickelt hatte.

Das Bett war zu eng, um Berührungen zu vermeiden, egal wie er sich hinlegte. Dazu kam, dass Eddie kein großes Interesse daran hatte, auf Berührungen zu verzichten. Außerdem war er viel zu müde, um große Pläne auszutüfteln. Also drehte er sich auf die Seite, bettete seinen Kopf auf dem Kissen, unter welchem der Arm von Eddie lag und blinzelte diesen noch ein paar mal müde an.

 

„Gute Nacht, Darling“, flüsterte ihm der Mann zu.

 

Waylon wollte erst nichts sagen, doch dann rutschte es ihm ebenso leise raus: „Gute Nacht, Eddie.“

Chapter Two

Du willst mich dafür arbeiten lassen, nicht wahr Dummerchen?“

 

Waylon spürte, wie hektisch seine Atmung ging, wie schnell sein Herz klopfte. Er öffnete die Augen, starrte in die Dunkelheit.

 

Machen wir uns nicht lächerlich. Komm raus und lass uns über alles reden, Darling!“

 

Er konnte sich nicht bewegen. Keinen Muskel rühren. Sein Herz klopfte immer schneller und schneller.

 

Darling, du könntest so schön sein.“

 

Seine Atmung ging viel zu schnell, als er es endlich schaffte, sich rasch aufzusetzen, panisch drehte er den Kopf und fühlte, wie stark sein Körper zitterte. Seine Finger gruben sich in den Stoff, er war bereits dabei, aus dem Bett zu springen, als er aufgehalten wurde.

 

Es waren große Hände, die ihn hielten, seine Schultern umfassten und ihn im Bett hielten. Aus Waylons Mund kam nichts, außer ein leises Wimmern, er spürte warme Tränen seine Wange hinunterlaufen und dann... Drückte ihn jemand an sich. Eine Hand lag in seinem Schopf, die andere umschlang seine Hüften und Waylon schlang aus Reflex seine Arme um die starke Statur.

 

Es war nicht Lisa. Natürlich war es nicht sie.

 

„Shhh... Ich habe dich, Darling“, flüsterte ihm die Stimme zu, die ihn bis in die Träume verfolgte. Sein Herz klopfte dadurch heftiger. „Ich pass auf dich auf, beruhige dich, konzentriere dich auf deine Atmung.“

 

Waylon versuchte es, aber statt einer ruhigen Atmung, entkamen ihm nichts, als zittriges Schluchzen und Tränen, die weiterhin seinem Gesicht herunterliefen. Er bekam kein Wort über die Lippen.

 

„Darling. Konzentriere dich“, sagte die Stimme leise weiter, er drückte ihn etwas von dem warmen Körper. „Sieh mich an. Darling, sieh mich an!“ Waylon starrte hoch, in die viel zu blauen, leuchtenden Augen, Hände legten sich wieder um sein Gesicht. „Es ist alles in Ordnung, Darling“, leise sprach er jedes Wort deutlich aus. Seine Hand wurde an die Brust gedrückt. „Hier, atme mit mir. Fühlst du es? Ein und aus. Ein und aus. Sehr gut, immer weiter so.“

 

Waylon hatte nicht bemerkt, dass er beim Tempo mit einstimmte. Er lauschte den Anweisungen, atmete tief ein oder tief aus und spürte, wie sein Herz ein normales Tempo einnahm. Die Hände waren aus seinem Gesicht gewichen und lagen wieder um seinen Körper. Ohne einen Gedanken darüber zu verschwinden, drückte er sein Gesicht gegen Eddies Schulter. Das Schluchzen hatte ein Ende gefunden und stattdessen... Fühlte er die nackte, warme Haut an seiner Stirn, nahm den Geruch des Mannes wahr und war sich wirklich sicher, dass niemand hier so gut riechen könnte.

 

Nicht einmal er selbst.

 

„Ist wieder alles in Ordnung?“

 

Waylon nickte nur leicht gegen die Schulter, er war sich sicher, dass seine Finger sich etwas zu fest in die nackte Haut gruben, aber Eddie schien es nicht weiter zu merken.

 

„Gut, gut...“, hörte er die Stimme murmeln.

 

Die Arme schlossen sich fester um ihn, dann ließ sich der Bräutigam in eine liegende Position fallen und zog Waylon mit sich, halb auf sich. Normalerweise würde er sich dem entziehen, doch gerade hatte er kaum mehr Kraft, um seine Augen offen zu halten.

 

„Jetzt schlaf weiter. Ich bin da, Darling. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt. Niemals.“

 

Wenn Eddie doch nur wüsste, dass sich seine Albträume um ihn drehten.

 

~

 

Als Waylon seine Augen aufschlug, hatte er leichte Kopfschmerzen, was aber nichts ungewöhnliches mehr war. Er merkte, wie viel Platz er hatte. Eddie war nicht mehr da.

Sich die Augen reibend, schob sich Waylon hoch und sah sich weiter um.

 

„Oh, du bist aufgewacht.“ Ruckartig drehte er den Kopf in die Richtung, aus welcher die Stimme kam. Eddie stand bei einem Tisch, dort hatte er eine Schüssel vor sich. „Komm her Darling, ich habe Wasser besorgt.“

 

Waylon brauchte einen Moment, um zu reagieren, aber schließlich wickelte er ein Laken wieder um sich und schlüpfte aus dem Bett, ignorierte die Schuhe und kam stattdessen direkt zum Tisch. Er entdeckte mehr als nur eine Schale voll Wasser. Es gab mehrere.

 

„Ich werde dir deine Haare waschen, sie sind wirklich sehr dreckig“, erklärte Eddie und legte einen Lappen in das Wasser.

 

Neugierig streckte er den Finger ins Wasser und schauderte aufgrund der Kälte. Na gut, er hatte nichts Warmes erwartet.

 

„Leg den Kopf zurück.“

 

Ohne Widerworte, tat Waylon genau das. Natürlich schauderte er, wann immer das kalte Wasser ihn traf, Eddie hielt ihn an der Schulter fest, während er mehrere Male durch sein Haar wusch, den Dreck heraus rieb und das alles so viel sanfter, als er sich vorgestellt hätte. Schließlich schob Eddie ihn ein Laken auf den Kopf, vermutlich um das Haar abzudecken.

 

„Ich werde nach draußen gehen und Essen besorgen, solange kannst du dich waschen“, der Lappen landete in eine der Schalen mit Wasser. „Ich werde von draußen die Tür versperren, damit du sicher bist. Außerdem habe ich dir bereit neue Kleidung mitgebracht.“

 

„Danke...“, murmelte Waylon, etwas überfordert von der Fürsorglichkeit.

 

„Dafür musst du dich nicht bedanken, Darling. Ich, als dein zukünftiger Mann, mache das alles sehr gerne.“

 

Ein zarter Kuss, traf die Nase von Waylon, dann verschwand Eddie, mit seinem Lied auf den Lippen. Er wartete ab, bis die Tür verrammelt wurde und er das Summen nicht mehr hören konnte, bevor er sich vom Stuhl schob und langsam seiner Kleidung entledigte. Ganz egal wie kalt das Wasser war, es war unglaublich, sich von Dreck und Blut zu befreien. Sobald das Wasser einer Schüssel zu stark verschmutzt war, ging er zu einer Neuen über, bis er bei seinem Körper durch war und das Laken um sich wickelte, welches Eddie für seine Haare benutzt hatte. Mit dem Laken um den Körper, ging er in die Richtung seiner neuen Kleidung. Mit roten Wangen betrachtete er die Auswahl – Kleider. Glücklicherweise gab es auch Hosen und Hemden, also griff er nach diesen, um sich neu einzukleiden. Gerade rechtzeitig, – denn er hörte, wie Zeug vor der Tür verschoben wurde.

 

„Bist du fertig, Darling?!“, rief ihm die bekannte Stimme zu.

 

„Uhm... Ja... Ja!“

 

Dann trat die große Gestalt von Eddie wieder in den Raum, er trug etwas bei sich – vermutlich das angekündigte Essen. Mit gerunzelter Stirn starrte ihn der Mann an. „Willst du... Keines meiner Kleider tragen?“

 

„Oh ähm...“, er sah zu der Auswahl und dachte darüber nach, wie er das erklären sollte, was er überhaupt antworten sollte. Die Bedrohlichkeit kam zurück – er sollte sich nicht zu sehr entspannen. „Ich dachte... Na ja, ich hebe mir die Kleider auf... Für die Flitterwochen?“

 

„Ja!“, rief Eddie enthusiastisch. „Das ist eine großartige Idee! Ich hätte wissen müssen, dass mein Darling nicht grundlos auf Kleider verzichten würde!“

 

Waylon lächelte schief, als er die Schüsseln vorsichtig vom Tisch hob, damit dieser frei war. Es half, die ganze Situation zu ertragen.

 

„Natürlich siehst du auch so, großartig und wunderschön aus, Darling“, flüsterte ihm die Stimme ins Ohr, Waylon verkrampfte sich plötzlich. „Nun, lass uns essen.“

 

Sich die Anspannung vom Körper schüttelnd, setzte er sich auf einen der Hocker und betrachtete alles, was Eddie zum Essen besorgt hatte. Er war ja doch schon verwirrt davon, dass er kein gammeliges Brot besorgt hatte. Stattdessen war es ein Topf, aus dem etwas dampfte. Waylon wusste nicht, was man den Patienten und Insassen zum Essen gegeben hatte, vermutlich so etwas, wie Dosensuppen. So würde er das hier jedenfalls bezeichnen.

 

„Leider haben wir hier nicht so viel Auswahl anEssen“, seufzte Eddie, als er zwei Schüsseln mit der Suppe füllte und eine davon vor die Nase von Waylon abstellte. „Aber sollten wir an frische Zutaten kommen, bin ich mir sehr sicher, dass du daraus etwas Fabelhaftes kochen wirst, Darling!“

 

„Ja... Ich würde gerne etwas Frisches kochen“, antwortete Waylon, nicht das er es gerne für sie kochen würde, aber... ja, er hätte schon mal wieder Hunger auf etwas Leckeres. Er hatte immer gerne gekocht, vor allem für seine Familie.

 

Jetzt saß er hier, im Gefängnistrakt von Mount Massive, mit einem Serien-Frauen-Mörder, der ihn heiraten wollte und aß eklige Dosensuppe. Zumindest gab es auch Wasser zum Trinken und überhaupt etwas essbares. Während sie aßen, herrschte größtenteils Schweigen und man hörte nur Löffel an den Schüsseln kratzen. Waylon war erleichtert, als er seine Schüssel geleert hatte.

 

„Wie geht es dir, Darling?“, Eddie sah ihm äußerst intensiv in die Augen, Waylon fühlte sich unwohl unter den direkten Blicken. „Du hattest wohl einen Albtraum, es war schwer, dich wieder zu beruhigen.“

 

„Ich fühle mich gut“, antwortete Waylon direkt. „Es tut mir leid, dass ich dich die Nacht geweckt habe.“

 

„Es ist keine Entschuldigung von Nöten. Immerhin weiß ich, dass du dasselbe tun würdest.“

 

Waylon zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. „Natürlich.“ Er hatte den Trost angenommen, aber könnte er das Gleiche tun, bei einem Mann der ihn hatte töten wollen?

 

Eddie stapelte die Schüsseln aufeinander und schob sie direkt wieder ihm zu. „Ich werde mich nun an die Arbeit für das Kleid machen. Du kannst derweil abwaschen“, wies er an und zog etwas hervor, dass Waylon kurz schreckhaft zucken ließ. „Ich würde mir außerdem wünschen, wenn du deine Beine von diesem unnötigen Haar befreien würdest.“

 

Er besah die lange, schmale Klinge, die Eddie ihm über den Tisch schob. Waylon hatte keine Erfahrung damit, sich auf diese Art zu rasieren – davon abgesehen hatte er sich nie die Beine rasiert. „Ich... also, ich weiß nicht“, er fuhr sich durch das mittlerweile wieder trockene Haar. „Ich habe so etwas nie benutzt.“

 

Der Bräutigam besah ihn argwöhnisch, ehe er doch langsam nickte. „Natürlich... ich will nicht, dass du dich damit verletzt“ Nachdenklich besah Eddie die schmale Klinge. „Dann werde ich es für dich machen. Ich kann gut damit umgehen.“

 

Ja, das konnte sich Waylon gut vorstellen und er hätte mindestens einen Grund, das zu verneinen. Aber bei Eddie konnte er das nicht bringen. „Das wäre sehr... charmant von dir.“

 

Plötzlich fingen die Augen des Bräutigams an, förmlich zu leuchten. Vermutlich begeistert davon, charmant zu sein. Waylon sollte solche Wörter häufiger nutzen, auch wenn er damit nichts mit Eddie in Verbindung bringen würde.

 

Waylon hatte erwartet, dass Eddie jetzt gehen würde – für das Kleid – und er das bisschen Geschirr abwaschen würde. Stattdessen umrundete der Bräutigam den Tisch und zog den Hocker von Waylon weg vom Tisch. Ein sehr unmännliches Fiepen entrann dem Software-Entwickler bei dieser Aktion.

 

„Dreh dich zu mir“, Eddie stellte eine saubere Schüssel mit Wasser neben sich sowie einen Lappen und etwas anderes. Eine Tube. Duschgel, Rasierschaum... Parfüm? Vielleicht von den ehemaligen Mitarbeitern hier

 

Waylon hatte gesehen, wie gut manche Wachmänner ausgestattet waren, als ob sie immer hier wären. Möglich empfand er mittlerweile alles.

Er drehte sich langsam auf dem Hocker. Sein Herz klopfte wieder viel zu schnell, nur weil er Eddie mit dieser Klinge sah und diesem Glitzern in den Augen. Der Bräutigam zog sein linkes Bein weiter vom Hocker weg. Waylons Fuß wurde auf Eddies Schenkel abgelegt und langsam fing eben jener auch an, das Hosenbein hochzukrempeln.

 

Waylon empfand sich nicht als sehr haarig, er kannte Frauen, die sich auch nicht täglich rasierten – er erinnerte sich daran, dass Lisa sich deshalb immer beschwert hatte. Wenn es eine Rasur war, die ihn am Leben erhalten würde... Dann würde er das über sich ergehen lassen.

 

Es war ein seltsam intimer Moment, als Eddie aus der Tube etwas drückte, was er wohl zur Hilfe für die Rasur benutzen wollte. Langsam rieb er Waylons Bein damit ein, verharrte mit Sicherheit länger an allen Stellen, als es notwendig war. Es fiel Waylon schwer, still zu halten, immer wieder wollte er sein Bein zurückziehen, aber unterließ es – er wollte Eddie sicherlich nicht wütend machen, schon gar nicht, wenn dieser eine lange Klinge in der Hand hielt und an seinem Bein herum hantierte.

 

So etwas hatte Waylon nie mit jemanden gemacht. Es war komplett normal, dass man sich selbst um die eigene Rasur kümmerte – er sah weder bei Lisa zu, noch sie bei ihm. Natürlich hatte es Momente gegeben, in denen sie sich mit Massageöl eingerieben hatten, sich gegenseitig mit Duschgel wuschen. Dennoch war das hier komplett anders. Vielleicht, weil es die Hände eines Mannes waren, die sein Bein so berührten, als wäre es etwas Heiliges. Es war immer noch abgedunkelt im Zimmer, Licht schien allgemein nirgendwo mehr durchzukommen. Die Tatsache machte Waylon etwas nervöser.

 

„Du hast wirklich schöne Haut, so rein und weich“, murmelte Eddie. „Und sie wird sich noch besser anfühlen, wenn diese Haare weg sind.“ Damit tunkte der Bräutigam, die Klinge ins kalte Wasser. „Nun halte still, Darling.“

 

Waylons Hände verkrampften sich um den Hocker, sobald er die scharfe Klinge spürte. Auch wenn er gerade sicher war, dass Eddie ihn nicht verletzen wollte, konnte er nichts gegen automatische Panik tun, die seinen Körper hinaufkroch. Er bemühte sich, das Zittern zu minimieren und suchte nach Gedanken, die seine Panik abschwächen würden. Seine Gedanken drehten sich um seine Hochzeit, darum, wie er Lisa kennenlernte und wie schön die Schwangerschaften gewesen waren. Doch jeder dieser Gedanken wurde von dem Mann vor sich ruiniert. Lisas Augen waren plötzlich strahlend blau statt dem gewohnten Schokoladenbraun. Seine Söhne waren eher zerstückelte Körperteile, wie er es bei diesem verunstalteten Mann gesehen hatte.

 

„Darling!“, dröhnte die bestimmende Stimme des Bräutigams zu ihm, er zog mit einem starken Ruck an seinem Bein. „Ich sagte, halte still. Ich will dir nicht wehtun, aber du zwingst mich ja fast dazu!“

 

Mit geweiteten Augen sah Waylon herunter zum Mann, der ihn erzürntansah. „Es tut mir leid... Eddie.“

 

Genannter seufzte laut auf. „Oh Darling, ich kann dir nicht böse sein.“

 

Darüber war Waylon zumindest jetzt, wirklich glücklich. Er vermied es, sich zu viele Gedanken zu machen, beobachtete lieber wie Eddie immer wieder die Klinge wusch, nur um sie daraufhin wieder über das Bein von Waylon zu fahren. Man erkannte einen Unterschied, selbst wenn Waylon keine haarigen Beine hatte.

Irgendwann schien Eddie zufrieden zu sein, mit einem Lächeln nahm er sich einen Lappen, um alles von dem Bein zu reiben.

 

„Jetzt“, sagte Eddie. „Jetzt ist dein Bein perfekt, Darling. Genauso perfekt, wie du es für mich bist.“

 

Verlegen rieb sich Waylon die geröteten Wangen, Eddie schien das nicht weiter zu interessieren, stattdessen senkte er seine Lippen auf die gereizte, rasierte Haut, hauchte einen Kuss nach den anderen darauf, während er weiter runter wanderte, bis zum Fußknöchel.

 

„Nun, dein anderes Bein ist dran“, sanft schob er das Hosenbein wieder über die rasierte Haut und stellte den Fuß auf den Boden ab. Dann griff er nach dem rechten Bein und Waylon zog ungewollt die Luft ein – vor Schmerz. „Oh natürlich.“ Mit kühlen Fingerkuppen strich Eddie über den verletzten Fuß. „Ich habe es fast vergessen. Deine Verletzung.“ Mit den leuchtenden Augen, sah der Mann zu ihm hinauf, was bei Waylon zu einer Gänsehaut führte. „So etwas passiert nun mal, wenn du solche Spielchen mit mir spielst.“ Vorsichtig legte Eddie den Fuß dennoch auf seinem Bein ab. „Natürlich verstehe ich deine Intention dahinter – eine Frau wie du... Du musst die Spreu vom Weizen trennen, es gab sicher schon viele vor mir, die ihr Interesse dir gegenüber ausgesprochen haben.“

 

Nun, es gab eigentlich keine Männer, wenn Waylon ehrlich sein sollte, aber das wollte Eddie nicht hören. Nur – was wollte Eddie dann hören? „Keiner von ihnen war wie du“, sprach er also sanft aus. „Du bist der Einzige... Der es je geschafft hat, mir zu imponieren und Gefühle zu entwickeln.“

 

„Darauf bin ich sehr stolz“, Eddie wirkte zufrieden. „Immerhin gehört es sich so. Ich werde besser sein, als jeder andere Mann, ich werde nicht zulassen, dass jemand dir oder unseren Kindern etwas antut!“

 

Für einen Moment schien Eddie in seinen Gedanken verloren und ließ Waylon genug Zeit, darüber nachzudenken. Etwas Ähnliches hatte der Mann schon einmal zu ihm gesagt und da er die Akten kannte, wusste Waylon auch in etwa, woran das lag. Wenn man das hörte, war es schwierig, sich vorzustellen, dass Eddie eigentlich ein Serien-Frauen-Mörder war.

 

„Ich werde die Haare entfernen und dann deinen Fuß stabilisieren und verbinden. Auch wenn es gut zu verheilen scheint.“

 

Wie vorher an seinem linken Bein, begann Eddie die freigelegte Haut mit dem Zeug einzureiben, um sich dann an die Arbeit zu machen. Es war durchaus beeindruckend, dass Waylon keinen Kratzer abbekam, egal welche Stelle Eddie rasierte, er hinterließ nichts, außer glatter Haut. Mehrere Male wischte er mit dem Lappen und kalten Wasser über sein Bein und war besonders sanft, wenn er weiter runter kam – in die Nähe seines verletzten Fußes.

 

Auch sein rechtes Bein wurde mit Küssen überhäuft, eine Geste, die Waylon weiterhin rot anlaufen ließ, etwas das Eddie nur mit einem dunklen Kichern wahrnahm. Das Hosenbein wurde wieder herunter gestrichen, dann suchte der Mann ein paar Sachen zusammen, um sich auch um den Fuß zu kümmern. Jede Berührung zu viel tat weh und ließ Waylon etwas zucken. Eddie warf ihm hin und wieder Blicke zu – vielleicht warnend oder doch eher entschuldigend - machte dann aber weiter. Seine Finger fuhren zärtlich über die Zehen und der Fußsohle, ehe er sie in Tücher packte. Es war nichts, was ein Arzt vollbringen könnte, aber es war besser als nichts.

 

„Das sollte vorerst helfen“, Eddie stand aus der sicherlich unbequemen Position vom Boden auf und schien sich den Dreck von der Kleidung zu klopfen. „Ich werde mich jetzt an die Arbeit wegen deines Kleides machen. Hoffentlich werde ich damit noch fertig“, seufzte der Bräutigam. „Du wäschst ab und ruhst dich aus. Ich will dich hier nicht herumrennen sehen, Darling.“ Der strenge Blick ließ Waylon unruhig werden, er biss sich auf der Lippe herum Eddie begann zu lachen. „Oh Darling, du musst dir keine Sorgen machen. Du bist hier sicher.“ Der Daumen des Mannes zupfte an seiner angebissenen Lippe. „Und verletze dich nicht selbst. Diese Lippen gebühren mir.“

 

Waylon war sich sicher, dass er riesige Augen bekam, nur wegen dieser Aussage. Eddie küsste ihn auf der Stirn, wie so einige Male bereits, ehe er ihm durch das Haar strich, um daraufhin das Zimmer zu verlassen.

 

Natürlich verbaute er die Türen, damit nichts rein kam.

 

Oder hinaus.

Chapter Three

Hier Darling, dass wird dir helfen, dich zu entspannen.“

 

Er versuchte etwas Bekanntes zu erkennen. Den Geruch oder seine Umgebung. Doch alles wirkte so unergründlich und schwarz, so... unrealistisch.

 

Darling, du musst versuchen, weniger zu bluten. Ich weiß, dass das schwache, schöne Geschlecht, oft die gleichen Wunden, mit mehr Qualen erleidet, aber du musst dich wirklich anstrengen.“

 

Er sah es, direkt vor seinen Augen. Ein langer Tisch, voller Blut, drumherum Körperteile, verteilt auf dem Boden oder von der Decke baumelnd. Er hörte die Schreie und das Weinen, dass Betteln darum, Gnade walten zu lassen. Aber es gab keine Gnade. Nicht in Mount Massive.

 

Nein. Es tut mir leid, Darling. Die Liebe ist nicht jedermanns Sache.“

 

Und dann starrten sie ihn an. Leuchtende, blaue Augen.

Sein Brustkorb spannte sich an, doch der Schrei entwich ihm nicht, als er sich rasch aus dem Bett drückte. Mit Schnappatmung landete er auf dem Boden, fühlte einen kurzen Schmerz an seinen Handflächen, während seine Augen den Raum gehetzt abscannten.

 

Er war allein.

 

Aber er wollte nicht alleine sein.

 

Unaufhörlich stieg die Panik in ihm an, er rappelte sich schnell auf und suchte nach irgendwas – irgendjemanden.

 

Eddie war nicht da. Eddie war nicht zurückgekehrt. Vielleicht war er tot. Vielleicht war er eingeschlafen. Vielleicht würde er niemals zurückkommen. Waylon konnte keinen klaren Gedanken fassen, er hatte nur das Gefühl, die Einsamkeit würde ihn von innen zerfressen und das konnte er nicht zulassen. Er wollte hier raus. Er musste hier raus.

 

Waylon ignorierte den stechenden Schmerz in seinem Fuß, als er zur Tür stürmte. Er zog und zerrte am Knauf, schlug gegen die Türen, aber nichts bewegte sich. Waylon bemerkte nicht, wie sich Tränen in seine Augen schlich, Panik. Lisa war so oft in seinem Kopf, doch gerade hatte selbst seine Frau keinen Platz mehr dort. Ganz anders als jemand, vor dem er sich fürchten sollte.

 

„Eddie? Eddie!?“, mit jedem Rufen des Namens wurde seine Stimme lauter – verzweifelter – er hörte die näher kommenden Schritte nicht genauso wenig wie die Stimme hinter Türen, die versuchte, ihn zu beruhigen.

 

Erst als die Tür geöffnet wurde und er eine bekannte Gestalt erkannte, kam er wieder zu sich.

 

„Darling, was ist de-“

 

Ohne abzuwarten, drückte sich Waylon nach vorne und umschlang den starken Brustkorb mit seinen Armen, drückte sich so fest an Eddie, als würde er in ihn kriechen wollen.“

 

„Darling?“, murmelte der Bräutigam irritiert, ehe er seine Arme langsam um die zarte Gestalt legte.

 

„Lass mich nicht alleine...“, hauchte Waylon, immer noch das Gesicht in Hemd und Weste von Eddie gedrückt. „Bitte. Bitte lass mich... einfach nicht alleine. Nie mehr...“ Er registrierte kaum, was er da von sich gab, er spürte nur... wie die Panik abnahm. Immer und immer weiter. Sie wurde klein. Bis es sie kaum mehr gab.

 

„Ja... natürlich, Darling. Alles was du willst“ Eine der großen Hände vergrub sich in das blonde Haar, streichelte sanft, aber doch etwas zu grob, hindurch. „Komm. Lass mich dich ins Bett bringen.“

 

„Du musst bei mir bleiben. Bitte!“

 

„Ich bleibe bei dir. Mach dir keine Sorgen.“

 

Trotz der Worte, klammerte sich Waylon an den anderen Mann, bis sie gemeinsam halb ins Bett fielen und einige Momente brauchten, um sich zurechtzulegen. Sie verbrachten einige Momente damit, dass Waylon sich weiterhin an den Mann klammerte, der ihm durch Haar und über den Rücken streichelte, aber keine Fragen stellte.

 

Nach und nach kamen all seine Gedanken wieder zu ihm durch. Er lag in den Armen eines Mannes, der ihn hatte töten wollen. Der ihn zu einer Frau hatte machen wollen. Während Eddie damals dauernd darüber gesprochen hatte, hatte er es bisher nicht ein einziges Mall erwähnt.

 

War das gut... oder doch eher schlecht?

 

Er war zu müde für all diese Gedanken.

 

„Du darfst wieder schlafen, Darling. Ich werde hier bleiben“, versprach Eddie ihm. „Morgen, da ist der große Tag.“

 

„Der große Tag?“, wiederholte er leise.

 

„Unsere Hochzeit natürlich!“, lachte Eddie, seine Brust bebte unter Waylons Kopf. „Ich habe dein Kleid so gut wie fertig. Morgen ist es endlich so weit. Wir werden heiraten. Ein richtiges Ehepaar sein! So, wie es meine Mutter immer für mich wollte.“

 

Natürlich, Eddie wollte heiraten. Das wusste Waylon noch, immerhin musste er nur deshalb ein Hochzeitskleid anprobieren. Er hatte nicht erwartet, dass Eddie so schnell sein würde.

 

„Du bist schnell fertig geworden. Mit dem Kleid.“

 

„Ich habe mir viel Mühe gegeben“, erwiderte der Bräutigam stolz. „Ich kann es kaum erwarten. Dich zu heiraten. Dich zu meiner Frau zu machen.“

 

Vielleicht war das der Augenblick, auf den Waylon gewartet hatte.

 

„Und danach...“, fing er dennoch vorsichtig an. „Danach sind doch unsere Flitterwochen, oder?“

 

„Oh, aber natürlich!“, Eddie schrie das beinahe, so erfreut schien er zu sein, „Sie werde großartig sein! Ich habe einen Raum gefunden, der perfekt sein wi-“

 

„Eddie“, Waylon hatte der Mut gepackt, den Mann zu unterbrechen. Vorsichtig setzte er sich auf, seine Hände immer noch auf der Brust des Bräutigams, der ihn irritiert ansah. „Du willst doch... nicht wirklich, dass wir unsere Flitterwochen hier verbringen, oder?“

 

„Was meinst du, Darling? Das ist unser Zuhause.“

 

„Ja genau. Flitterwochen verbringt man nicht daheim. Man... fährt weg, fliegt weg... läuft.“

 

„Ich denke, dass ist keine gute Idee.“

 

„Oh, bitte Eddie!“, Waylon legte sich ins Zeug, er schob sogar seine Unterlippe schmollend vor. „Lass uns ein Stückchen der Welt sehen, bevor wir... bevor wir Kinder bekommen und nicht mehr verreisen können.“

 

„Darling...“

 

„Es ist mein größter Wunsch“, der Software-Entwickler biss sich auf die Unterlippe. „Ich möchte hier raus. Ich möchte mit dir verreisen.“

 

Eddie starrte ihn an, Waylon konnte nicht erkennen, ob der Bräutigam sauer war oder nicht, er wirkte zumindest erst einmal recht ruhig und nachdenklich. „Na schön“, seufzte der Mann. „Ich kann dir einfach keinen Wunsch abschlagen, Darling.“

 

„Oh, danke Eddie!“, strahlend ließ sich Waylon wieder in die Arme ziehen. „Du machst mich zum- zur glücklichsten Frau der Welt!“ Um seinen Fehler zu verbergen, machte er zum ersten Mal etwas, dass Eddie bislang nur ihm gegenüber getan hatte. Er streckte sich, um die Wange des Serien-Frauen-Mörder zu küssen. Nicht sehr lange, aber lang genug, um zu erhaschen, wie Eddie die Augen schloss, als würde er es wirklich genießen.

 

Wer weiß, – vielleicht genoss er es wirklich, eine Art Zuneigung zurückzubekommen, die er sich wünschte.

 

 

~

 

 

Der nächste Tag brach schnell an. Und damit auch die Hochzeit. Als Waylon die Augen aufschlug, war die andere Betthälfte leer, aber er erkannte Eddie am Tisch sitzend, bereits ausgestattet mit Wasser und Essen, das er wohl wieder für sie gesucht hatte. Sein Hungergefühl war komplett anders geworden, seitdem er hier in den Lüftungsschächten gelebt hatte. Selbst wenn das Essen echt schlecht war, es war etwas, das ihn rasch aus dem Bett lockte. Verschlafen stolperte er mit dem Laken aus dem Bett und auf Eddie zu. Der Bräutigam hob den Kopf, sah ihm entgegen und begann direkt zu grinsen.

 

„Darling, du bist wach geworden. Sehr gut, ich hoffe, du bist ausgeschlafen!“, begrüßte ihn Eddie und zog den freien Stuhl zurück, damit sich Waylon setzen konnte und dieser tat es natürlich sofort. Daraufhin legte sich eine der großen Hände von Eddie auf seinen rechten Oberschenkel. „Heute wird ein großartiger Tag. Wir werden heiraten.“

 

Eddie wirkte aufgeregt wie ein Kind, zu seinem Geburtstag. Er füllte eine Schüssel mit der Suppe, gab sie an Waylon ab, inklusive eines Bechers mit Wasser. Sie aßen im Stillen, auch wenn Waylon bemerkte, dass es Eddie scheinbar schwer fiel, wirklich ruhig zu bleiben. Sobald ihre Schüsseln und Becher leer waren, war es auch vorbei mit der Ruhe.

 

„Komm Darling, wir müssen uns vorbereiten für die Hochzeit!“, kündigte er an und zog Waylon an den Händen hoch, ließ sie auch für einen Moment nicht los. „Ich habe für unsere Flitterwochen bereits alles vorbereitet, damit wir weggehen können, wie du es dir gewünscht hast.“

 

Waylon wusste nicht, was Eddie vorbereitet haben könnte, aber er hoffte, es war etwas wirklich Hilfreiches.

 

„Das ist wunderbar, ich freue mich schon so sehr r“, erwiderte der Software-Entwickler sanft.

 

Die Lippen des Mannes drückten sich auf die Stirn von Waylon, wie bereits einige Male zuvor. Schließlich hielt Eddie ihn an einer Hand fest und zog ihn aus ihrem Raum hinaus.

 

„Ich habe jemanden gefunden, der dir helfen wird.“

 

„Mir helfen?“, harkte Waylon irritiert nach.

 

„Ja, beim Zurechtmachen. Ich weiß doch, dass eine Frau immer etwas mehr Zeit benötigt. Er wird dir helfen, beim Anziehen vom Kleid und alles. Bis dahin habe ich alles andere vorbereitet, was noch notwendig ist“, informierte ihn Eddie weiter, führte ihn durch die langen Gänge, Waylon konnte sich nicht orientieren.

„Dennis!“

 

Waylon runzelte die Stirn – den Namen kannte er. Den hatte er gehört, oder eher gelesen in einer von vielen Akten. Es war nicht einfach das Gesicht zu erkennen, die meisten Patienten sahen ähnlich aus, mit derselben Kleidung, den abrasierten Köpfen und blutunterlaufenen Augen.

 

„Ich bin da. Ich bin da...“, flüsterte Dennis.

 

„Sehr gut. Das hier ist meine Frau. Du weißt, ich vertraue dir. Aber wenn du etwas Falsches tust...“

 

„Ich werde gut sein. Ich werde keine Fehler machen!“, schwor Dennis eifrig, erlaubte es sich gar nicht, Waylon anzublicken.

 

„Gut. Du hast alles und weißt Bescheid. Ich überlasse sie dir jetzt und erwarte, dass ihr so pünktlich wie möglich seid!“

 

„Natürlich, Mr. Gluskin!“

 

Waylon fühlte sich seltsam ungeschützt, ohne Eddie an seiner Seite. Doch der Bräutigam verabschiedete sich mit einem Kuss auf seiner Schläfe und einem Strahlen im Gesicht. Nervös spielte Dennis mit seinen Händen, ehe sich seine Körperhaltung komplett veränderte. Er streckte den Rücken durch und seine Augen fixierten Waylon.

 

„Gut, jetzt komm! Schnell!“, brummte Dennis plötzlich mit wesentlich tieferer Stimme. „Ich will keinen Ärger mit ihm bekommen, weil du zu langsam bist!“

 

Der Software-Entwickler folgte dem Patienten in den Raum hinein, er erkannte das Kleid an einem Bügel hängen, ein paar Schuhe und sogar einen Schleier. Waylon verkrampfte seine Hände nervös zu Fäusten, er hatte bereits geheiratet – Lisa. Jetzt würde er wieder heiraten, einen Mann, für den er sicherlich alles, nur keine Liebe empfand.

Aber gut, das hier dürfte alles andere als offiziell sein...

 

„Ich bin wirklich überrascht davon, dass du überlebt hast.“

 

Die Worte rissen ihn aus seinen Gedanken: „Was?“

 

„Du hast überlebt. Ich habe nicht erwartet, dass du es schaffen würdest“, Dennis lachte etwas auf. „Ich meine... Ich habe so viele andere zu ihm geschickt, Männer, die wesentlich besser gebaut waren – stärker. Sogar Ärzte und Wachmänner und keiner... Niemand hat das überlebt.“

 

„Du hast... mich damals zu ihm getrieben!“, Waylon begann sich richtig zu erinnern, die Katz-und-Maus-Jagd, die ihm viel zu einfach vorgekommen war. Aber vorher war er von einem Kannibalen gejagt worden, er hatte gedacht... nun, dass es im Vergleich dazu einfach geworden war, nicht allgemein.

 

„Ja, das war ich. Nun, die Wahl war – ich oder du“, der Mann zuckte die Schultern, diese Entscheidung zu treffen, war wohl einfach gewesen. „Aber du hast überlebt – also hatten wir beide Glück!“

 

Waylon erinnerte sich an die Akte von Dennis, irgendwas über verschiedene Persönlichkeiten. Jetzt gerade wirkte Dennis sehr... Nun, als wüsste er genau, wer er war und was um sie herum passierte.

 

„Wie hast du es geschafft, hmm? Es gab viele vor dir, die meisten haben auch versucht, Gluskin alles Mögliche vorzuspielen. Wieso hat es gerade bei dir funktioniert?“

 

„Keine Ahnung“, brummte Waylon. „Wie... wie lange bin ich schon bei ihm?“

 

Dennis runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf etwas. „Hier hat Zeit keinen wirklichen Platz, es geht nur ums Überleben.“ Er schob Waylon mehr zum Raum. „Zieh dich aus. Du musst das Kleid tragen.“ Auf Anhieb drehte sich der ehemalige Patient um, der nun eher Bewohner als alles andere war.

 

Waylon zog sich die Kleidung aus, die Eddie ihm erst kürzlich gegeben hatte. Bis zur Unterwäsche, dann entfernte er das Kleid vom Bügel und zog es wie beim ersten Mal an.

 

„Schließt du es?“

 

„Dafür bin ich da“, erwiderte Dennis und stellte sich hinter Waylon, um das Kleid am Rücken mit einem kurzen Reißverschluss, Knöpfen und Bändern zu schließen. „Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist“, murmelte der Mann. „Ich weiß nur... dass Gluskin hin und wieder nach dir gesucht hat. Scheinbar hast du dich des Nachts vor ihm versteckt.“

 

Waylon biss sich auf der Unterlippe herum, er hatte ja immer noch Erinnerungslücken, er wusste nur nicht direkt woran sie lagen. Nun, vielleicht an der Panik? An allem, was hier so passiert war, vielleicht war es wie ein Trauma?

 

„Du hattest Glück. Gluskin kümmert sich um dich, du musst dich vor nichts fürchten.“

 

„Außer vor Gluskin selbst.“

 

Dennis gluckste viel zu heiter: „Sozusagen, ja. Aber bisher hast du es ja auch geschafft, nicht wahr?“

 

Ja, das hatte Waylon. Aber wie sollte das weitergehen? Irgendwann würde Eddie doch auffallen, dass er keine Frau geheiratet hatte. Wie sollte er das also verhindern?

 

„Jetzt die Schuhe.“

 

„Ernsthaft?“, Waylon betrachtete die weißen Latschen, die von Eddie mit Stoff überzogen wurden. Zumindest hatte er keine Absätze dran geschraubt. Er schlüpfte ungeschickt in die Schuhe.

 

„Ich werde dein Haar kämmen und den Schleier befestigen. Dann geht es los.“

 

Immer wieder verzog Waylon das Gesicht, wenn sein Haar durch Knoten am Kamm zog. Größtenteils ging es aber und schließlich verdeckte der Schleier sein Gesicht.

 

„Sind... echte Leute bei der Hochzeit?“

 

„Teilweise“ Dennis führte Waylon aus dem Raum hinaus. „Teilweise aber auch hergerichtete Leichen. Aber die wenigen Glücklichen, die überlebt haben und von Eddie gefunden wurden, haben auch einen Platz. Ein Anhänger von Vater Martin übernimmt die Trauung.“

 

Wer auch immer dieser Vater Martin gewesen sein sollte.

 

Etwas wackelig in den neuen Schuhen, ließ sich Waylon von Dennis durch die Gänge führen, schließlich hörte er Musik von irgendwoher, es war typische Musik für eine Hochzeit. Er konnte sie aber nicht zuordnen, die Melodie klang etwas schief aus einem Plattenspieler, ein Klavier wurde gespielt, mit Violinen im Hintergrund. Man hörte niemanden sprechen, etwas das Waylon von seiner Hochzeit in Erinnerung geblieben war.

 

„Gab es schon andere Hochzeiten dieser Art hier?“

 

„Nein. Die meisten Auserwählten von Gluskin sind vorher gestorben oder abgehauen und dann gestorben“, erläuterte Dennis ihm. „Willst du noch abhauen?“

 

„Lieber nicht“, seufzte Waylon leicht. Er hatte seinen Plan. Er brauchte dafür Eddie und vor allem dessen positive Gefühle ihm gegenüber. „Er ist weniger aggressiv, als bei unserer ersten Begegnung.“

 

„Viele haben sich verändert. Sie sind frei vom Einfluss des Antriebs.“

 

Das machte aus Eddie keinen grundsätzlich anderen Menschen. Immerhin war er früher ein Frauenmörder gewesen. Waylon wusste nicht, weshalb er bisher überlebt hatte.

Schließlich waren sie angekommen – es war einer von vielen Räumen, nur eben hergerichtet zum Heiraten. Tatsächlich fand er zwischen einigen Leichen, auch lebendige Personen. Sie sahen alle Dennis sehr ähnlich. Der Mann, der ihn begleitet hatte, tätschelte ihm noch die Schulter, dann suchte er sich weiter vorne einen Platz. Aus einer Tür von rechts kam Eddie in den Raum. Er sah nicht sehr anders aus, – er trug seine Weste und sein Hemd, schwarze Hosen und sein Haar wirkte zurückgelegt – wo auch immer er das her hatte.

 

Eddie stand an dem selbstgemachten Altar, wo noch ein weiterer Herr stand, mit der Kleidung eines Pfarrers. Von einem Patienten bekam er etwas in die Hände gedrückt. Blumen, sie waren nicht sehr schön oder frisch, aber es war zu einem Strauß zusammengebunden. Waylon hatte sich nie als Braut gesehen, aber er musste das mitspielen. Der Bräutigam trug ein breites Lächeln im Gesicht, starrte ihn erwartungsvoll von vorne an.

 

Mit deutlicher Nervosität in den Adern bemühte er sich langsam den Gang entlang zu treten. Er spürte die Blicke auf sich, nicht nur die von Eddie. Er versuchte das alles nicht so ernst zu nehmen, eher wie in einem Traum zu sehen. Aber als er bei Eddie ankam, war das schwieriger.

 

„Du siehst so wunderschön aus, Darling“, flüsterte ihm der Bräutigam zu, als er nach seinen Händen griff, sie fest mit seinen verschränkte, eine zärtliche Geste, die absolut nicht passte. „Jetzt fang an!“, wies er schließlich ihrem Pfarrer an, der unter der Anweisung zusammen zuckte.

 

Mit zittrigen Fingern entfaltete der Mann einen Zettel vor sich, scheinbar hatte er sich vorbereitet, damit nichts zu schief ging. Die Musik wurde asugeschalten. Nach ein wenig hüsteln in der Stille begann der Pfarrer mit seiner Rede.

 

„L-liebes Brautpaar“, der Mann starrte sie unsicher an. „Sie sind... in dieser entscheidenden Stunde Ihres Lebens, uhm... nicht allein. Sie sind umgeben von Menschen, die euch... nahe stehen“, murmelte er schnell hintereinander weg. „Ich bitte Sie nun... Ihre Liebe öffentlich zu bekunden. Eddie Gluskin, ich frage Sie...“, hüstelnd widmete sich der Mann also Eddie, dem er sich gar nicht in die Augen zu sehen traute. „Sind... Sind Sie hierher gekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrer...“, scheinbar nicht ganz sicher, wie er sich ausdrücken sollte, pausierte ihr Pfarrer, ehe er schnell fortfuhr. „Ihrer Braut, uhm...“

 

Es dauerte einen Moment, bis Waylon begriff, auf was gewartet wurde. Eddie schien das kaum zu bemerken, trotzdem beeilte er sich nachzusetzten:„Waylon... Mein Name ist... Waylon Park.“

 

„Ein wunderschöner Name“, erwiderte Eddie sanftmütig, als würde er von dem ganzen Drumherum nichts mitbekommen, sein strenger Blick traf dann doch wieder den Pfarrer. „Worauf wartest du? Mach weiter!“

 

„Ja natürlich!“, der Mann atmete tief durch. „Ihrer Braut, Waylon Park den Bund der Ehe zu schließen?“

 

„Ja!“, antwortete Eddie direkt.

 

„Gut, gut... Eddie Gluskin, Wollen Sie Ihre Frau lieben und achten und Ihr die Treue halten, alle Tage ihres Lebens?“

 

„Ja, aber natürlich.“

 

„Waylon Park... Sind Sie hierher gekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrem Bräutigam Eddie Gluskin, den Bund der Ehe zu schließen?“

 

Waylon könnte jetzt ehrlich sein und darüber sprechen, dass das alles nicht sehr freiwillig passiert war, aber damit würde er alles zerstören, nichts, was er wollte. „J-ja“, antwortete er also zitternd – nervös.

 

„Wollen Sie Ihren Mann lieben und achten und ihm die Treue halten, alle Tage seines Lebens?“

 

Es fühlte sich trotz all der Lächerlichkeit falsch an, zu lügen. Aber er musste es tun.

 

„Ja, natürlich“, antwortete Waylon also.

 

„Gut... Sind Sie beide bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott Ihnen schenken will und sie nach bestem Wille zu erziehen?“

 

An solch eine Frage, konnte sich Waylon nicht erinnern. Aber er wusste ja, wie wichtig es für Eddie war, Kinder zu bekommen – auch wenn er sich da wirklich die falsche Braut gesucht hatte.

 

„Oh ja!“, verkündete Eddie also glücklich und starrte ihn direkt an.

 

„Natürlich“, sagte also auch der Software-Entwickler schnell, damit Eddie sich keine falschen Gedanken machte.

 

„Nun dann ähm... die Ringe?“, fragend sah ihr Pfarrer in die Menge und tatsächlich tauchte Dennis auf, mit einem kleinen Kissen und zwei Ringen darauf.

 

Waylon hatte nicht viele Ideen, woher diese Ringe kamen. Vermutlich von verheirateten Angestellten, die mittlerweile tot waren. Es war kein wirklich schöner Gedanke, dass er einen Ring tragen musste, der eigentlich jemand anderem gehörte... Eddie nahm den Ring, der kleiner war. Im Vergleich zur Hand von Eddie, war die von Waylon natürlich wirklich kleiner und zierlicher. Der Bräutigam zog eine Hand mehr zu sich, Waylon spreizte die Finger, damit Eddie an den Ringfinger herankam und sehr einfach schob sich der Ring über seinen Finger. Eng, aber nicht zu eng. Ob Eddie auch seine Fingergröße abgemessen hatte?

 

Langsam griff er also nach dem zweiten Ring, Eddie überließ ihm die Hand fast komplett und Waylon schob den Ring langsam über den ausgestreckten Ringfinger, betrachtete vielleicht etwas zu lange den Ring am Finger seines... Mannes.

 

„Also jetzt... Sie dürfen... Ihre Braut küssen.“

 

Das war etwas, was Waylon wirklich vergessen – oder eher verdrängt hatte. Aber er konnte nichts dagegen tun, dass Eddie ihm den Schleier zurücklegte, seine Hände um sein Gesicht legte und sich hinunter beugte. Waylons Herz klopfte hart gegen seiner Brust, als sich der Bräutigam weiter herunter beugte – und dann landeten ihre Lippen zum ersten Mal aufeinander.

 

Sie waren trocken und rissig, nichts Überraschendes für ihn. Aber... sie waren auch warm und sanfter, als Waylon erwartet hatte. Seine Augen fielen wie von selbst zu, als er sich langsam in den Kuss beugte und die Gedanken ignorierte, die sich in seinem Kopf sammelten – er küsste einen Mann. Er hatte einen Mann geheiratet. Eddie löste sich kurz von ihm, nur um eine Hand tiefer in Waylons Haar zu vergraben und einen zweiten Kuss einzuleiten. Weniger sanft, mehr innig und hungrig. Waylon empfand es... als nicht so schlimm, wie er zuerst erwartet hatte. Er fand diese Küssen komplett in Ordnung. Aber vielleicht stimmte etwas auch nicht mehr mit ihm?

Chapter Four

 

Alles, was nach dieser Hochzeit geschah, ging an Waylon vorbei. Die Gratulationen, – die eher ängstlich als ernst gemeint waren – Dennis, der sie persönlich beglückwünschte, und Eddie, der ihn mehrere Male noch küsste oder Liebesschwüre in sein Ohr flüsterte. Irgendwann jedenfalls... verließen sie die Räumlichkeiten und Menschen.

 

„Gehen wir jetzt gleich los?“, fragte Waylon aufgeregt.

 

„Wenn du das willst Darling, dann natürlich!“

 

„Ich fände es wirklich schön...“

 

Eddie schien nicht mehr aufzuhören, so breit zu lächeln. Es tat Waylon schon fast etwas leid, dass das alles einfach nicht echt war. Waylon hatte noch keinen direkten Plan, was er tun wollte, wenn sie hier raus waren. Er würde ihr Spielchen weiter treiben müssen, er musste dafür sorgen,dass Eddie ihn zur Polizei brachte. Waylon hatte nach wie vor die Videokamera, viele Akten... Das mussten doch ausreichend Beweise sein!

 

„Lass das Kleid an“, wies Eddie an, als Waylon nach der vorherigen Kleidung griff. „Ich möchte mit dir etwas Spezielles machen, wenn wir draußen sind.“

 

„Und was genau?“ Waylon ahnte nichts Gutes, aber Eddie schmunzelte nur.

 

„Keine Angst, es wird etwas Tolles sein, für uns beide!“

 

Waylon war sich da nicht so sicher, aber er behielt das Kleid an, als Eddie nach einer Tasche griff. Er wusste nicht, wie lange Eddie nach so etwas gesucht hatte, aber es war nicht nur eine Tasche, sondern gleich drei. Was auch immer darin war – Waylon hoffte auf etwas Wasser, vielleicht auch Essen, aber er fragte nicht nach. Stattdessen griff er von selbst nach der Hand von Eddie und ließ sich aus dem Labyrinth führen, dass vor allem Eddies zu Hause dargestellt hatte. Waylon hatte nicht gewusst, wie man von hier nach draußen kam. Doch der Weg war kürzer als gedacht und dann... blendete ihn die Sonne von draußen. Er musste einige Male dagegen anblinzeln, ehe er alles um sich herum erkennen konnte.

 

„Wow... endlich“, murmelte er leise, schloss die Augen und atmete tief durch. Frische Luft. Sonnenlicht. Wind. Es war wunderschön.

 

„Wir waren sehr lange nicht mehr draußen“, erwiderte Eddie nachdenklich. „Länger, als ich dachte. Es ist wirklich schön, wieder außerhalb unserer vier Wände zu sein.“

 

Dennoch wirkte Eddie etwas unruhig. Wie lange war der Mann in Mount Massive gewesen? Wie lange hatte er die Außenwelt nicht mehr erlebt? Waylons Hand schloss sich fester um die von Eddie, er lächelte ihm ermutigend zu.

 

„Es wird großartig sein, Eddie. Du und ich zusammen. Wir werden schöne Orte finden, um gemeinsam Zeit dort zu verbringen und unsere… Flitterwochen zu genießen.“

 

„Oh, daran glaube ich fest, Darling“ Der Bräutigam beugte sich vor, küsste Waylon ein weiteres Mal auf den Lippen, ehe er mit neuem Mut vorausging.

 

Es gab keine Außenkräfte mehr, man hörte keine Schüsse oder Schreie, man hatte Mount Massive sich selbst überlassen. Das war gerade ihr Glück. Aber ohne fahrbaren Untersatz, wurde ihre Reise schwieriger – Waylon würde sich dem stellen. Gemeinsam mit Eddie.

Die Haupttore waren einfach zu finden, auch wenn alles zerstört aussah und Waylon mehrere Male mit dem Kleid hängen blieb, half Eddie ihm dabei aus, weiter zu kommen. Er bot sogar an, ihn zu tragen, aber das lehnte Waylon ab. Immerhin trug Eddie bereits ihre Taschen.

 

Mount Massive war umringt von einem dichten Wald und einer Straße, die alles andere als leicht zu befahren war. Sie hielten sich dennoch an der Straße, es zeigte einen halbwegs genauen Weg. Doch irgendwann verharrte Eddie an einer Stelle und hielt Waylon an der Hand fest. Fragend blickte er zurück, noch immer erschien ihm Eddie gut gelaunt und beinahe schon fröhlich. Nun, so hatte sich Waylon nach seiner Hochzeit auch gefühlt – besonnen, glücklich, entspannt und aufgeregt zugleich.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte er langsam nach und erntete ein noch breiteres Grinsen.

 

„Weißt du noch, wie das mit uns angefangen hat?“

 

„Ähm...“ Überrumpelt rieb sich Waylon an der Wange, auf was wollte Eddie hinaus? „Nun... es ist viel passiert, als wir uns... kennengelernt haben.“

 

„Ja ja, da hast du natürlich recht“, erwiderte Eddie mit einem langsam nicken. „Es gab ein Teil unserer Anfangszeit, der immer etwas... Sagen wir, hektisch, war. Aber es hatte auch etwas Befreiendes und... Amüsantes an sich.“

 

Wenn Waylon daran zurück dachte, wie ihre ersten Begegnungen ausgesehen hatten... nun, dann dachte er an nichts von dem, wie Eddie es beschrieb. Doch er sprach es nicht aus, immerhin lag ihm viel daran, diese Stimmung in vollkommener Harmonie zu halten.

 

Eddie machte sich glücklicherweise nichts daraus, dass Waylon schwieg, er redete schließlich einfach weiter: „Unser Spielchen – ich weiß, damals war es weniger ein Spielchen für dich. Du wolltest sehen, ob ich es wert bin, dich zu heiraten und gemeinsame Kinder zu bekommen, aber jetzt können wir den Grund ja verändern.“

 

„Du meinst also... als ich...“, er öffnete und schloss den Mund mehrere Male, wie ein Fisch.

 

„Als du weggerannt bist und dich versteckt hast, richtig.“

 

Das war wirklich kein Spaß damals gewesen. Waylon zerbiss sich beinahe die Unterlippe, als er darüber nachdachte. „Ja, ich erinnere mich gut daran.“

 

„Wir sollten es zur Feier unserer Hochzeit noch einmal tun.“

 

Hier?“, Waylon sah sich um, überall waren Bäume und Büsche und er blieb so schon überall mit seinem Kleid hängen.

 

„Ja, warum nicht? Es ist ja nichts Ernstes, sondern nur... aus Spaß.“

 

Eddie Gluskin, Serien-Frauen-Mörder, wollte etwas aus Spaß machen? Waylon wurde immer weiter überrascht und er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Es zu verneinen, war aber ziemlich unklug.

 

„Nun ähm... okay“, stimmte Waylon also langsam zu. „Aber... was wenn ich mich verlaufe und du mich nicht wiederfindest?“

 

„Oh Darling“, lachte Eddie dunkel. „Ich werde dich immer finden.“

 

Das klang eindeutig eher nach einer Drohung, als nach einer Ermutigung.

 

„Wie auch immer, wegen deiner Verletzung“, argwöhnisch blickte der Bräutigam zum Fuß von Waylon herunter. „Bekommst du etwas mehr Vorsprung. Sagen wir... 30 Sekunden? Und mach dir keine Sorgen wegen dem Kleid, wenn es etwas kaputt geht oder schmutzig geht, werde ich mich darum kümmern, sobald wir einen ruhigen Ort gefunden haben.“

 

Es war für den Software-Entwickler unglaublich, welche Freude sich seit der Hochzeit in Eddie widerspiegelte. Der Mann schien gar nicht mehr aufzuhören, zu strahlen. Waylon fragte sich, ob es von Anfang an so hätte sein können. Ihre Anfangszeit hatte aus Jagden bestanden und einem gefährlichen Messer auf Eddies Seite. Dann noch dieser Tisch, wo ihm hätte diverse Teile seines Körpers entfernt werden sollen... sehr viel, nicht so harmonisches Zeug, wie jetzt.

 

Ob Waylon doch etwas vergessen hatte? Dennis hatte immerhin auch etwas angedeutet.

 

„Okay, dann...“ Eddie hielt sich seine großen Hände vor die Augen. „Eins... Zwei... Drei...“

 

Wie unter Strom spannte sich Waylon kurz an, bevor er sich hastig umsah und dann drauf los rannte. Wenn sich Eddie wie ein Kind benehmen und Fange spielen wollte, dann würden sie das eben so machen! Waylon musste das Kleid etwas anheben, er konnte es kaum wahrhaben, dass er es so einfach hinnahm, in einem Kleid durch den Wald zu laufen.

 

Bald schon hatte er komplett die Orientierung verloren, überall waren Bäume und Büsche und egal wo er hinsah, es sah alles komplett gleich aus. Er berührte die rauen Baumrinden mit seinen Händen und schob sich hinter einen besonders dicken Stamm, um erst einmal wieder tief durchzuatmen. Es war ganz anders als in Mount Massive. Vielleicht auch nur, weil Eddie ihn nicht mit einem Messer verfolgte, sondern... einfach nur so.

 

Nun im Versuch, sich wesentlich leiser und langsamer zu bewegen, hob er sein Kleid wieder etwas an, während er durch Laub und Schlamm stieg. Er versuchte auf Geräusche zu lauschen, aber er hörte nichts, außer Vogelgezwitscher oder Grillen. Natürlich hörte er auch seine eigenen Schritte, wie Zweige unter ihm knackten, genauso wie das Laub unter seinem Gewicht. Hin und wieder drückte er sich an Bäume heran und sah sich um, von Eddie konnte er nach wie vor nichts sehen, noch etwas hören.

 

Während er darüber nachdachte, was er machen sollte, wenn Eddie auf ewig verloren wäre, stieg er weiter über Laub und durch Büsche.

 

„Hab dich!“, große Hände umschlossen von hinten seinen Kopf, hielten seine Augen zu.

 

Obwohl er die Stimme erkannte, schrie Waylon für einen Moment auf und verkrampfte und entkrampfte sich gleichzeitig. „Eddie“, fiepte er schließlich etwas erschrocken auf.

 

„Hmhm“, machte der Größere und vergrub sein Gesicht in Waylons Halsbeuge. „Es war nicht so einfach wie daheim, aber...“

 

„Ich bin wohl nicht sonderlich gut im Verstecken“, fügte Waylon hinzu.

 

Eddie kicherte dunkel auf. „Blödsinn. Du hast das großartig gemacht“, seine Hände wanderten von Waylons Gesicht herunter, auf dessen Schultern. „Ich habe etwas für dich, Darling. Eine Überraschung.“

 

„Eine... Überraschung“, wiederholte er langsam, mit den schweren, warmen Händen auf seinen Schulterblättern.

 

„Ja!“, Eddie klang noch immer überaus glücklich. Er zog seine Hände zurück, aber nicht ohne die Worte, dass Waylon sich ja nicht umdrehen dürfe. Als sich schließlich etwas um seinen Hals schloss, stieg kurzzeitige Panik auf – er fühlte ein dickes Seil, das ihn an die Decke zog und... „Sie gehörte mal meiner Mutter. Jetzt soll sie dir gehören, Darling.“

 

Waylon fühlte noch Tränen in seinen Augen, die aufgekommen waren, durch die Erinnerung, aber Eddie sah sie glücklicherweise nicht. Also schluckte Waylon die Tränen herunter und sah an seinem Hals hinab. Vorsichtig berührte er mit den Fingern das silberne Amulett, es strahlte nicht mehr so rein Silber, wie früher vermutlich. Zarte Engelsflügel waren eingraviert und auf der Rückseite, konnte Waylon mit den Fingern einen Namen erkennen. Verwirrt verharrte sein Daumen auf dem Namen.

 

„Da... ist ein Name“, sagte Waylon und drehte sich etwas um, um Eddie ansehen zu können.

 

„Oh, ja!“, der Bräutigam nickte mit einem Grinsen. „Es sollte mich nicht so sehr wundern, dass es dir direkt aufgefallen ist. Deine Finger sind so zart und einfühlsam.“ Sofort ergriff Eddie beide Hände von Waylon und verschränkte ihre Finger ineinander. „Es hat sehr lange gedauert und ich brauchte die Hilfe von einem anderen in unserem Haus, aber ich denke es hat sich gelohnt.“

 

„Aber es ist doch die Kette deiner Mutter gewesen.“

 

„Ja“, Eddie seufzte. „Aber ich weiß, dass du ein besserer Mensch sein wirst. Besser als...“ Die Gedanken von Eddie schweiften ab, er starrte vor sich hin und Waylon erinnerte sich an alles, was in den Akten von dem Bräutigam gestanden hatte.

 

„Ich bin dir sehr dankbar, Eddie!“, versuchte er also die Gedanken des Mannes zu unterbrechen. „Die Kette ist wunderschön und es ist... eine wirkliche Ehre für mich, dass ich sie von dir geschenkt bekomme und dann auch noch...“, Waylon drehte das Amulett um. „Mit meinem Namen.“

 

„Für dich... alles, Darling.“

 

Es sollte ihm komplett egal sein, wie glücklich oder eben unglücklich Eddie aussah, ob er in Gedanken und Erinnerungen vertieft war, oder eben nicht. Aber über die ganze Zeit, hatte sich etwas zwischen ihnen entwickelt. Waylon würde es nicht als Liebe bezeichnen, aber als eine Art von Abhängigkeit und gegenseitige Fürsorge.

Schluckend legte Waylon seine Hände an Eddies Gesicht und streckte sich, um zum ersten Mal von sich aus einen Kuss auf die rissigen Lippen zu drücken. Das schien zu helfen, um Eddie aufzuwecken, zumindest lagen die Arme wieder fest um Waylon, und er wurde an den größeren, breiteren Körper gezogen, tiefer in den Kuss hinein.

 

~

 

Eddie Gluskin war beeindruckender, als Waylon anfangs gedacht hatte.

 

Bisher war der Mann für ihn eine Gefahr gewesen. Erschreckend und einschüchternd. Jetzt war er zu viel mehr geworden. Ein fürsorglicher Ehemann, wenn man es so sehen wollte. Er hatte Holz gesammelt und ein kleines Feuer für sie entzündet, nachdem sie einen Platz an einem kleinen Fluss gefunden hatten. Die Nacht war etwas unheimlicher hier im Wald, auch wenn Eddie bereits mehrmals erzählt hatte, dass ihnen nichts passieren würde. Es war beeindruckend, was Eddie alles mit sich geführt hatte, Flaschen mit Wasser und die altbekannte Dosensuppe, die sie in einem kleinen Topf warm machen konnten.

 

Waylon wusste nicht, wie weit entfernt sie von irgendeiner Zivilisation waren. Der Fahrtweg war immer lang gewesen, aber wie war das zu Fuß?

 

„Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, Darling. Dir wird nichts zustoßen. Ich passe auf, während du schläfst.“

 

„Aber du musst ja auch schlafen“, erwiderte Waylon und beobachtete, wie Eddie ein paar Laken hervor zog. Auch wenn es schon warm war, hier im Wald, wurde es doch etwas kühler des Nachts. Mittlerweile hatte er etwas anderes angezogen, dass Hochzeitskleid hatte Eddie versucht so sauber wie möglich zu falten und in eine der Taschen zu stecken. Dafür trug Waylon jetzt ein anderes Kleid. Er hatte es ja Eddie versprochen...

 

Der Bräutigam rollte eines der Laken so zusammen, dass man es als Kissen nutzen konnte, ein weiteres Laken würde wie immer als Decke dienen. Sicher, der Boden war wirklich unbequem, aber Waylon hatte Nächte in Lüftungsschächten verbracht, er war solche Umgebungen langsam gewohnt.

 

„Macht dir keine Sorgen, ich komme mit wenig Schlaf ganz gut zurecht.“

 

Dennoch rutschte Eddie an ihn heran, wie bei ihren Nächten in einem Bett, lag er hinter ihm. Waylon drehte sich auf den Rücken, spürte den Arm in seinem Nacken und wälzte sich etwas herum, bis er Eddies Oberkörper als Kopfkissen benutzte, der daraufhin seinen Arm mehr um Waylons Taille legte. Ihre Decke lag über sie ausgebreitet, das Rauschen des Flusses wirkte beruhigend und Waylon wurde immer müder, aber seine Gedanken um alles andere hörten nicht auf.

 

„Weißt du... Wo wir überhaupt lang müssen, Eddie?“, fragte er mit einem Gähnen in der Stimme.

 

„In etwa“, erwiderte Eddie sanftmütig. „Wir folgen morgen einfach der Straße, die ist nicht weit entfernt. Dann werden wir auch in eine Stadt kommen und dort... sehen wir einfach weiter.“

 

Augenblicklich fragte sich Waylon, wann Eddie zuletzt unter Menschen gekommen war, die es nicht automatisch Böse mit ihm meinten, wie hier in Mount Massive oder bei seiner Familie. Wie lange war es her, dass er aus Mount Massive überhaupt raus gekommen war? Ob er Eddie dazu bewegen könnte, dass sie gemeinsam zur Polizei gehen würden? Sich Kontakte suchten, um das mit Mount Massive anzuklagen?

 

„Du denkst immer so viel nach Darling“ Die warmen Finger von Eddie rieben über seine Stirn. „Das liebe ich so an dir, aber jetzt solltest du dich wirklich darauf konzentrieren, zu schlafen. Morgen wird sicherlich ein langer Tag.“

 

Waylon nickte ganz leicht. „Wir könnten ja noch mal etwas spielen? Wie heute?“

 

Eddies Brust bebte von seinem leisen Lachen: „Natürlich, Darling. Was immer du willst.“

 

„Aber was ist mit dir, Eddie?“, fragte er nun etwas mutiger nach. „Was... willst du denn? Du machst mich mit vielen Sachen glücklich, aber du...“

 

„Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist“, unterbrach Eddie ihn. „Darauf kommt es an!“

 

Waylon stemmte sich etwas hoch, mit einer Hand auf dem Brustkorb des Bräutigams gestützt, mit der anderen Hand auf dem Waldboden, sah er von oben, in die unnatürlich blauen Augen. „In... einer Ehe, sollten wir beide glücklich sein. Du weißt Dinge, die mich glücklich machen, ohne das ich es manchmal weiß.“ Vielleicht war das übertrieben, aber umso weicher er Eddie gekocht bekam, umso einfacher wurde der Umgang mit ihm. „Ich will wissen, was dich wirklich glücklich macht. Außer... Die Sache wenn ich glücklich bin.“

 

Die strahlenden Augen blickten ihm etwas verwirrt entgegen und es war fast etwas traurig, dass scheinbar nie gefragt wurde, was Eddie wollte oder was ihn glücklich machte.

 

„Nun ich...“, versuchte Eddie eine Antwort zu formen. „Es macht mich glücklich, wenn wir uns küssen. Wenn du mich küsst“, eine der großen Hände, wanderte hoch in Waylons Haar und zupfte an ein paar Strähnen. Eddie zog ihn nicht herunter, er ließ ihm komplett freie Hand und auch wenn er es nicht musste, beugte sich Waylon herunter, um Eddie wieder zu küssen.

 

Manchmal hatte er immer noch Lisa im Kopf, genauso wie seine Jungs, aber irgendwie... war es einfacher, das Ganze hier zu tun, wenn er sie in eine andere Ecke seines Kopfes schob und zumindest im Moment ganz bei Eddie war. Der Kuss war erst zart, Waylon hauchte ihn eher auf die Lippen des Bräutigams, als ihn wirklich zu küssen. Die Küsse wurden von Mal zu Mal länger und fester und irgendwann übernahm auch Eddie wieder die Kontrolle.

 

„Was noch?“, unterbrach Waylon ihre Küsse, um zum Atem zu kommen und mehr von dem zu erfahren, was Eddie glücklich machen könnte.

 

„Dich berühren.“ Die großen Hände fuhren über seine Schultern und Seiten. „Dich anzusehen und... wenn du mich berührst.“

 

Bisher hatte Waylon es immer noch vermieden, Eddie anzufassen, ihn von sich aus zu küssen oder Nähe zu suchen, wenn es nicht notwendig war. Vorsichtig ließ er seine Hände also wandern, er berührte den bedeckten Oberkörper von Eddie bis zum Bauch hinunter und wurde von einer Hand im Nacken nach unten dirigiert, damit ihre Lippen wieder zueinander fanden.

Waylon wollte weitere Fragen stellen, aber Eddie übernahm den Moment, wälzte sie herum, bis er bequem über ihm lag und Waylon nur noch hochsehen konnte, dort, wo Eddie auf ihn hinab blickte.

 

Ihre Lippen fanden daraufhin immer wieder aufeinander, Waylon ließ seine Hände noch recht schüchtern über den Körper des Mannes über ihn wandern, fuhr letztendlich auch unter das weiße Hemd, um die warme Haut darunter zu berühren. Eddie schnappte über ihn nach Luft.

 

Danach wurde alles etwas hektischer.

 

Ihre Lippen lösten sich nur noch zum atmen und mittlerweile ließ Waylon es auch zu, dass ihre Zungen aufeinandertrafen. Aber wenn er doch etwas mehr Zeit zum Atmen brauchte, wanderten die trockenen Lippen von Eddie auf andere Stellen. Er liebkoste Waylons Wangen und Kiefer runter zum Hals, es blieb nicht nur beim Küssen, es entwickelte sich zu Bissen und wann immer eine Zunge über die Stelle fuhr, erschauderte Waylon. Auch Eddies Hände wurden mutiger. Während Waylon den Kopf zurück legte, um Eddie mehr Platz zum liebkosen zu geben, fühlte er die großen Hände über seinen Körper wandern. Erst als er die Hände auf seiner nackten Haut fühlte, besann sich Waylon wieder.

 

„Eddie“, mit einem Keuchen hielt er die Hand fest, die geradewegs unter sein Kleid wandern wollte.

 

„Es ist okay, Darling“, sagte Eddie leise. „Wir sind verheiratet. Es sind unsere Flitterwochen. Du musst nicht mehr so verlegen sein.“

 

„Ja, ich weiß, aber ich...“, er biss sich unsicher auf der Unterlippe herum. „Ich... mache mir Sorgen. Was, wenn du meinen Körper nicht magst?“ Was auf jeden Fall passieren würde, weil er nun mal keine Frau war, auch wenn Eddie das vielleicht anders sah.

 

„So ein Blödsinn, Darling. Ich liebe alles an dir, nichts könnte meine Liebe zu dir beeinträchtigen.“

 

„Auch wenn... ich nicht aussehe, wie jede andere Frau?“

 

Eddie runzelte die Stirn. „Wie meinst du das, Darling? Du bist einfach perfekt, alles an dir.“

 

„Nein, nicht alles.“

 

„Du bist so kritisch mit dir selbst, Darling“, seufzte Eddie. „Wir hatten doch bereits darüber gesprochen.“ Er verteilte Küsse, überall im Gesicht von Waylon.

 

„...haben wir?“

 

„Natürlich haben wir das. Ich akzeptiere dich so, wie du bist, mein Darling. So wie du mich akzeptierst, wie ich bin. So harmonieren wir miteinander“, die Lippen wanderten wieder runter zum Hals. „Und spätere Probleme, werden wir dann besprechen. Wir werden auf jeden Fall unsere Kinder bekommen!“

 

Waylon war irritiert, wann hatten sie darüber gesprochen? Gab es wirklich eine Zeit, die er irgendwie vergessen hatte, aufgrund von... ein paar traumatischen Momenten?

 

„Wir müssen nicht... bis zum Ende gehen“, murmelte Eddie gegen seinen Hals. „Ich will... dich nur berühren. Mehr als jemals zuvor. Und ich will, dass du mich auch berührst.“

 

„O-okay“, keuchte Waylon, nur weil sich Zähne in seinen Hals gruben.

 

Also ließ er es zu, dass sich Eddies Hände, unter das Kleid verirrten, aber nicht ohne einer gewissen Nervosität. Erst nach einigen ruhigen Momenten, begann er dem Wunsch nachzukommen und fing ebenfalls an, Eddie weiter zu berühren, jedoch blieb er oberhalb der Hose – aber das reichte komplett aus.

 

Für Eddie. Für Waylon. Und für eine Nacht, die nicht so kühl war, wie gedacht – sondern viel eher ziemlich heiß wurde, wenn auch nur wegen ihrer immensen, körperlichen Nähe.

Chapter Five

 

Es war unmöglich, dass Eddie Gluskin überlebt hatte.

 

Dennoch war sich Waylon sicher, dass er den Gesang hörte, genauso wie Schreie, die darum bettelten, dass der Bräutigam sie doch gehen ließ. Dabei hatte er doch gesehen, wie Metallstangen sich durch den Körper gebohrt hatten.

 

Es war unmöglich, dass Eddie Gluskin überlebt hatte. Aber er hatte das Unmögliche offensichtlich überlebt.

 

Waylon lebte nur in den Lüftungsschächten, manchmal kam er nach draußen, aber nur um etwas Essbares oder Trinkbares zu finden. Nachdem Söldner-Team von Murkoff war das alles andere als einfach, er knabberte an harten Brotkanten, trank sicherlich dreckiges Wasser und wusste nicht, wie sein Körper das überlebte. Er fühlte sich nicht gesund, eher schwach. Die Verletzung an seinem Bein schmerzte den einen oder anderen Tag, manchmal fühlte er es gar nicht mehr. Die Schreie hörten auf, nicht so der Gesang.

 

Es gab scheinbar niemanden mehr, der sich hierher verlief, vielleicht waren sie auch alle tot.

 

Als er auf seinen bekannten Routen kein Essen mehr fand und noch weniger etwas zu trinken, musste er sich neue Wege suchen. Der Gesang vom Bräutigam hallte irgendwann nicht mehr durch die Gänge, also traute er sich, die bisher vermiedenen Wege zu nutzen.

Deutlich geschwächt kletterte er aus dem Lüftungsschacht in die Halle voller Leichen, die von der Decke hingen. Wo er beinahe auch gelandet wäre.

 

Waylon hatte das Zeitgefühl komplett verloren. Sein Körper wurde nicht mehr vom Adrenalin am Leben gehalten, vielleicht war auch der Hunger und der Durst zu groß.

Er zog sein verletztes Bein hinter sich her, fuhr mit einer Hand stützend über die Wände und versuchte auf alles zu achten, was er hören könnte. Es gab keine Schritte, kein Gesang, nicht einmal der Plattenspieler, den er damals gehört hatte. Vielleicht nahm er es auch einfach nicht mehr wahr?

 

Natürlich spürte er den Schwindel, der ihn langsam überkam. Aber er hatte gelernt, mit solchen Dingen umzugehen, immerhin wurde ihm mittlerweile sehr oft übel oder schwindelig

Er hörte keine Schritte und er hörte auch keine Stimme. Seine Sicht verschwamm leicht, aber dennoch... erkannte er etwas.

 

Mit halb geschlossenen Lidern betrachtete er schwarze Schuhe, sein Blick hob sich langsam über die langen Beine, hinauf zum breiten Oberkörper und dem Gesicht. Er sollte panisch davon rennen, schreien und um sich herum schlagen. Waylon erkannte das Gesicht vor ihm.

 

Oh, Darling“, hörte er die Stimme leise. „Du siehst sehr schwach aus.“

 

Er fühlte eine große, kühle Hand an seiner Wange, die sein Gesicht hochhielt.

 

Eigentlich müsste ich dich für die Vergangenheit... bestrafen. Aber...“ Die Stimme dröhnte förmlich in seinem Kopf, Waylon musste die Augen schließen, um nicht komplett verrückt zu werden. „Du machst mich schwach“, ein Seufzen drang aus der Stimme des Mannes vor ihm. „Komm her, Darling. Ich werde dir helfen.“

 

Waylon verlor den Boden unter seinen Fußen, er machte ein gequältes Geräusch, während seine Finger sich in Kleidung krallten.

 

Es wird alles gut, Darling“, hörte er die leise Stimme. „Ich kümmere mich um dich.“

 

 

~

 

 

Als Waylon aufwachte, tat ihm der Rücken vom Waldboden weh und sein linker Arm war eingeschlafen. Das Sonnenlicht, welches durch die Baumwipfel drang, tat in seinen Augen weh. Unwillig wirklich zu erwachen, drückte er sein Gesicht an Eddies Oberkörper. Er spürte die ruhige Atmung und genoss diesen... ja, friedlichen Moment. Die frische Luft um sie herum, das leise Rauschen des Flusses, die Wärme um ihn herum.

 

Nach einem Moment, löste er sich jedoch aus den Armen und setzte sich auf. Er richtete das Kleid wieder ordentlich. Durch die Nacht war einiges verschoben, vor allem dank der gierigen Hände von Eddie. Auch bei Eddie sah die Kleidung nicht so geordnet aus wie normalerweise.

 

Ihr Lagerfeuer war aus, nur noch schwarzes Holz war zu erkennen. Natürlich nicht zu vergessen, ihre Taschen mit allerhand Zeug, was Eddie gepackt hatte. Waylon legte das Laken über Eddie, nachdem er sich gelöst hatte, damit der Mann weiterschlafen konnte, währenddessen kramte er durch die Taschen, suchte nach einer weiteren Dose und einer Flasche mit Wasser. Er nahm sich den Topf vom Vorabend sowie die Schüsseln und Löffel, um diese im Fluss abzuwaschen. Waylon nahm sich einen Moment Zeit, um sich selbst zu erblicken – sein verschwommenes Spiegelbild. Es war schwer zu erkennen, ob er sich verändert hatte oder nicht.

 

Während er alles zum Trocknen hin stellte, suchte er in der näheren Umgebung nach etwas neuem Holz für ein Feuer. Von der Seite aus erkannte er schließlich, wie Eddie aufwachte. Der große Mann richtete sich auf und schien seine Kleidung zu ordnen, Waylon hatte ihn nie mit so schiefer Kleidung gesehen.

 

„...Hallo... Eddie“, es war nach wie vor seltsam, so aufzuwachen.

 

„Oh guten Morgen Darling!“, bekam er euphorisch zurück. „Brauchst du Hilfe, beim Feuer machen?“

 

Eddie kümmerte sich um das Feuer, auf welchem sie die Suppe wieder kochten und aufeinander verteilten. Das Essen war nicht lecker, aber es war seit Langem das Beste und... Waylon hatte nicht mehr so ein starkes Hungergefühl, seitdem er halbwegs regelmäßig Essen bekam.

Sie packten alles recht schnell wieder zusammen und mit Eddies Hand in seiner ließ er sich aus dem Wald hinaus führen, an den Rand der Straße, die Waylon gut kannte. Er war hier viele Male lang gefahren, er kannte noch die strengen Kontrollen am Eingang und die wiederholten Kontrollen, wenn er richtig ins Innere von Mount Massive gekommen war.

 

„Was willst du eigentlich machen, sobald wir in der Stadt sind, Darling?“

 

„Oh ich... weiß nicht genau“, antwortete Waylon nervös. Er hatte einen Gedanken im Kopf, aber den auszusprechen, wirkte jetzt gerade noch nicht richtig. „Wir könnten... schön Essen gehen, zum Beispiel.“

 

„Das ist eine großartige Idee“, meinte Eddie begeistert. „Wir suchen uns ein schönes Restaurant und werden dinieren, danach gehen wir in ein wunderschönes Hotel, mieten uns eine Suite und verbringen ganz viel Zeit nur miteinander!“

 

Wenn Eddie nicht ein Serien-Frauen-Mörder wäre, würde sich das alles wundervoll anhören, aber Waylon hatte andere Pläne, er wusste nur nicht, wie er diese umsetzen sollte. Er musste herausfinden, wie er die Polizei kontaktierte oder den Geheimdienst. So etwas stand sicher nicht in der Zeitung, aber er hatte auch nichts Technisches mehr bei sich. Außerdem war da noch Eddie, der an ihm hing.

 

„Das wird viel Geld kosten“, erwähnte Waylon, um das Gespräch aufrecht zu erhalten.

 

„Darum musst du dich nicht sorgen, Darling!“, verkündete der Bräutigam direkt. „Ich habe genug bei mir.“

 

Waylon wusste nicht, ob das die Wahrheit war, aber er sagte nichts dagegen. Vielleicht hatte Eddie ja wirklich Geld, immerhin hatte er viele Menschen getötet und einige davon hatten für Murkoff gearbeitet – Waylon wusste, wie viel man da verdient hatte. Es war mehr als genug, um ein Hotelzimmer zu mieten und hübsch zu essen, immerhin musste Murkoff einen Weg finden, um seine Mitarbeiter dazu zu bringen, dass sie nichts sagten und dennoch zur Arbeit kamen.

 

Sie verbrachten viel Zeit schweigend miteinander, Eddie ging immer sicher, zumindest eine Hand von Waylon zu halten, dass sie keiner Gefahr liefen, von einem Auto erfasst zu werden. Wobei hier wohl niemand mehr herum fuhr. Dieses Gebiet war geheim gewesen, man kam nicht so einfach auf diese Straßen. Waylon hoffte auch, dass keine Söldner mehr unterwegs waren.

Zwischendurch besah Waylon die Kette um seinen Hals. Er kam immer noch nicht darüber hinweg, dass sein Name darin eingraviert worden war. Es zeigte nur wieder, wie wichtig und ernst das alles für Eddie war.

 

Waylon sollte sich nicht schlecht fühlen, aber er tat es dennoch. Um sich davon abzulenken, suchte er nach lockeren Themen, die er ansprechen konnte. Er landete bei Themen, die er allesamt nicht ernst meinte, aber von denen er wusste, dass Eddie gerne darüber sprechen würde. Vielleicht könnte er auch etwas mehr von ihm in Erfahrung bringen?

 

„Also“, fing er langsam an und sah lächelnd zum anderen Mann. „Wie viele... Kinder möchtest du eigentlich haben?“

 

Eddie blieb plötzlich stehen und drückte Waylons Hand etwas fester. Der Software-Entwickler zweifelte kurz an dem, was er gesagt hatte – war das... doch etwas zu viel des Guten? Er leckte sich nervös über die Lippen, ehe er zurück zu Eddie sah.

 

„Alles okay, Eddie?“, fragte er vorsichtig nach.

 

„Du... du willst“ Eddie hörte auf zu sprechen, Waylon sah ihn verwirrt ihn. „Du willst wissen... wie viele Kinder ich haben möchte?“

 

„Nunja... Ja. So etwas sollte man immerhin besprechen als... Ehepaar.“

 

Der Bräutigam nickte hastig: „Da hast du natürlich Recht, Darling!“

 

Lächelnd strich er mit dem Daumen zaghaft über die Hand von Eddie und zog ihn sanft voran, damit sie weiter laufen konnten. Eddie folgte ihm glücklicherweise wieder.

 

„Ich weiß es nicht genau“, fing Eddie an zu reden. „Ich dachte immer, zwei Kinder wären perfekt, aber manchmal wünsche ich mir eine ganze Fußball-Mannschaft. Wie viele Kinder möchtest du denn haben, Darling? Immerhin... musst du sie austragen. Das wird nicht einfach für dich.“

 

Waylon konnte keine Kinder austragen, aber er würde mitspielen. „Zwei Kinder sind für mich ein Minimum. Ich liebe Kinder.“ Natürlich dachte er dabei, an seine zwei Söhne.

 

„Du wirst eine großartige Mutter“, hauchte Eddie ehrlich und blieb erneut stehen, dieses Mal allerdings nur, um seine freie Hand an die Wange von Waylon zu legen und ihn zu küssen. Sie hatten sich – vor allem letzte Nacht – schon so oft geküsst, dass es für Waylon komplett normal geworden war.

„Zwei Kinder. Und danach werden wir weitersehen.“ Schmunzelnd nickte er Eddie zu, ehe dieser ihn weiter zog. „Ich denke, ein Junge und ein Mädchen wären großartig, aber ich freue mich über alles, solange es gesund ist. Ich hoffe, die Kinder werden nach dir kommen, dann werden sie zu großartigen Menschen.“

 

„Eddie“, unterbrach Waylon den Mann. „Sie würden auch großartig werden, wenn sie nach dir kommen würden“, wandte er ein, wie ehrlich er das meinte, wusste er selbst nicht, aber er konnte das nicht hören. Mittlerweile war es auch nicht mehr so schwierig – weder sich mit Eddie zu unterhalten, ihn zu berühren, noch positive Dinge anzuerkennen. „Ohne dich, wäre ich sicherlich schon lange gestorben. Du bist so fürsorglich und liebevoll und so viele Dinge machen dich glücklich.“

 

„Oh, Darling“, lachte Eddie herzlich auf. „Du hebst mich in den Himmel, dabei gibt es dafür keinen richtigen Grund. Du bist das Licht in meinem Leben.“

 

Waylon hoffte wirklich, dass Eddie darüber hinwegkommen würde, wenn das Licht seines Lebens verschwand. Auch wenn er sich schon jetzt wirklich schlecht fühlte. Er lächelte dem Bräutigam einfach zu: „Okay, was für Namen schweben dir vor?“

 

„Oh, ich mag es klassisch!“, verkündete der Größere direkt. „Ich weiß, früher hat man auch die Namen der Eltern für die eigenen Kinder genutzt aber... das würde ich nicht machen.“ Waylon konnte sich denken wieso. „Aber... Ich mag Namen wie William, Charles, Robert“, zählte Eddie auf. „Und es gibt so schöne Mädchennamen! Elisabeth, Mary, Margret.“

 

Eddie blühte bei dem Thema auf, Waylon musste an seine zwei Söhne denken, der Ältere hatte sogar einen genannten Namen erhalten – William.

 

„Welche Namen magst du, Darling?“

 

„William und Mary klingen wunderschön.“

 

~

 

Sie waren fast den ganzen Tag schon unterwegs, bis sie von weiten eine Stadt erahnen konnten. Noch schien die Sonne am Himmel, aber bald schon, würde sie sich wohl wieder neigen und dem Mond Platz machen. Die Entscheidung zwischen rasten oder weitergehen war für Waylon einfach getroffen. Er wollte so schnell wie möglich, in die Stadt kommen. Wenn Eddie wirklich Geld hatte, könnten sie sich etwas zu essen kaufen – etwas Richtiges zu essen.

 

Allerdings fiel ihm etwas Wichtiges auf, als sie weiter liefen.

 

So, wie sie jetzt gerade unterwegs waren, würden sie haufenweise Blicke auf sich ziehen. Nicht unbedingt, weil Waylon ein Kleid trug – selbst wenn das auch eher ungewöhnlich sein mochte, – sondern weil vor allem Eddies Kleidung ein paar blutige Flecken aufwies.

 

„Eddie“, sprach er also an, betrachtete den Mann und beäugte besonders die roten Flecken auf dem weißen... eher grauen Hemd.

 

„Ja, Darling?“

 

„Wir sollten... uns nochmal waschen und umziehen“, sagte Waylon und blieb schließlich auch stehen. „Ich möchte nicht... dass andere Menschen glauben, wir wären ungepflegt oder dergleichen. Vielleicht würden sie uns auch nicht in ein Restaurant lassen oder in ein schönes Hotel!“

 

„Du hast recht!“, nickte Eddie. „Ein Glück denkst du mit, Darling. Ich kann so froh sein, dass du so intelligent und hübsch gleichzeitig bist!“ Mit einem Daumen rieb er über Waylons Wange. „Lass uns zum Fluss gehen, ich habe natürlich Wechselkleidung für uns beide dabei und im Fluss können wir uns etwas waschen.“

 

Waylon stimmte diesem Plan zu. Den Fluss zu finden, war keine schwierige Angelegenheit, genauso einfach wie es war, ein ruhiges Örtchen zu suchen. Man konnte die Straße nicht mehr erkennen und um sie herum, waren nur Bäume, Büsche und vielleicht ein paar Tiere. Waylon hatte in den Wipfeln schon Eichhörnchen herum springen sehen, das war immer sehr interessant. Seine Aufmerksamkeit wurde von Eddie angezogen, als dieser anfing, sich die blutige Kleidung auszuziehen. Bedauernd sah er die Kleidungsstücke an.

 

„Wir können sie einpacken und waschen. Ich kenne ein paar Tricks, solche Flecken rauszubekommen“, meinte Waylon aufmunternd mit einer Hand auf der nackten Schulter. Eddies Körper war übersät von Narben, der Software-Entwickler wollte lieber nicht wissen, woher sie alle stammten.

 

Fein säuberlich nahm er Eddie die Kleidungsstücke aus den Händen, um sie dann genauso sanftmütig zusammen zu legen, damit sie in einen der Rucksäcke passte, wo sie die – mehr oder weniger – frische Kleidung herausgeholt hatten, für später. Waylon war beeindruckt davon, an was Eddie alles gedacht hatte, sogar Lappen hatte er eingepackt, was helfen würde, sich im Wasser zu waschen. Waylon wollte wirklich nicht ganz hinein steigen.

 

Eddie saß bereits am Flussufer und wusch sich mit einem der Lappen. Waylon hatte ihn nie als... normal angesehen. Aber jetzt? Eddie wirkte, ohne der blutigen Kleidung, dem Messer und dem verrückten Blick, völlig normal. Ein großer, breitschultriger Mann, mit schwarzen Haar und stechenden blauen Augen.

 

„Kommst du, Darling?“

 

„Oh ähm... ja, natürlich!“

 

Waylon errötete. Nicht weil er sich entkleiden musste, sondern weil er Eddie angestarrt hatte. Er öffnete die Knöpfe an seinem Brustkorb, von denen das Kleid gehalten wurde, wie bei einer Bluse. Schließlich konnte er dort heraussteigen. Er legte es genauso zusammen, wie die Kleidung von Eddie. Es war für ihn immer noch etwas verwunderlich, dass Eddie nichts zu seiner sehr flachen Brust gesagt hatte. Aber schon am Vorabend, als sie beieinander eingeschlafen waren... und sich vorher mehrere Male geküsst und einfach berührt hatten. Waylon wusste nicht mehr, was real war, was hatte er verpasst? War es wie in seinem Traum gewesen?

 

War er in Eddies Arme gefallen, bewusstlos vor Hunger, Schlafmangel und der Verletzung am Bein?

 

Seine Gedanken wurden ausgelöscht, als sich kalte Finger um seine Unterarme schlangen. „Darling“, sprach die tiefe Stimme ihn an. „Komm, wir wollen doch heute noch in der Stadt ankommen.“

 

„Ja... Du hast recht“ Waylon folgte dem Ziehen und kam an den Rand des Flusses.

 

Mit zwei Lappen bewaffnet, reinigte er sich von Dreck und allem, was es sonst noch gab. Er half Eddie an Stellen, an die er nicht ran kam und dieser half ihm dafür auch äußerst gerne. Waylon fühlte sich nicht mehr so unwohl, wenn Eddie ihn an den Schultern oder dem Nacken küsste wie zu Beginn. So viele Dinge waren normal geworden. Dinge, die ihm unangenehm wären, aber im Kampf ums Überlebe, war man zu so viel bereit...

 

Waylon wusste nicht, ob das Flusswasser ausreichte, um sie zu säubern und... auch von etwaigen Gestank zu befreien. Sie hatten immerhin tagelang in der Nähe von Leichen gelebt. Aber zumindest Waylon fühlte sich deutlich besser, wenn er sich gewaschen hatte. Eddie hatte bereits die frische Kleidung für sie beide herausgesucht.

 

Auch dieses frisch war Ansichtssache.

 

Eddie trug etwas Ähnliches wie vorher. Nur die schwarze Weste fehlte und ohne diese sah Eddie einfach nicht so aus... wie Eddie.

 

„Wir sollten auch neue Kleider kaufen, wenn wir in der Stadt sind“, schlug Waylon vor.

 

„Mir würden Stoffe reichen, dann könnte ich selbst etwas für uns machen.“

 

„Ja... Gerne, ich weiß ja, dass du ein Talent dafür hast“, erwiderte Waylon. Ihm war es egal, er hätte einfach gerne ein paar Kleidungsstücke, die nicht aus Mount Massive stammten. Ganz egal, ob Eddie sie herstellte oder sie einfach fertige Klamotten kauften.

 

Der Bräutigam reichte ihm eines der Kleider und auch wenn sich Waylon, in einem Hemd und einer Hose wohler fühlen würde, akzeptierte er das Kleid einfach, um unnötigen Stress zu vermeiden.

Es war ein geradliniges Kleid, ein helles Blau, was vielleicht mal weiß war, ehe es mehrere Male gewaschen wurde. Eddie hatte es schulterfrei geschneidert. Waylon wusste, dass er solche Kleider an Lisa geliebt hatte – es war manchmal etwas erschreckend, dass Eddie sich von ihm gar nicht so sehr unterschied. Immerhin war er doch... ein Serienmörder.

 

Eddie half ihm dabei, das Kleid zu schließen, denn dieses wurde hinten verschlossen. Es passte so perfekt, wie auch das Brautkleid gepasst hatte.

 

„Nun, jetzt sind wir bereit!“, kündigte Eddie beinahe feierlich an, legte seine Hände auf die nackten Schulterblätter von Waylon. „Und du siehst großartig aus, Darling. Also bleib an meiner Seite, nicht das Jemand glaubt, dich anfassen zu dürfen!“

 

„Ich werde immer bei dir sein, Eddie“, versprach Waylon und zog eine Hand von seiner Schulter, um sie stattdessen ineinander zu verschränken. „Gehen wir weiter.“

 

Es war nicht mehr ganz so weit, Waylon spürte Freude und Angst zur selben Zeit – er würde endlich wieder unter normale Menschen kommen. Er würde vielleicht Hilfe finden, Hilfe für sich, für seine Familie, für all die gequälten Menschen.

 

Vielleicht auch Hilfe für Eddie?

Chapter Six

 

In die Stadt zu kommen, war wie in eine ganz andere Dimension zu geraten. Alles war so... normal. Die Menschen sahen aus wie Menschen – mit einem freien Willen darüber, wie sie sich kleideten oder wie sie allgemein aussahen. Sie lachten und umarmten sich, sie... waren alle so menschlich.

 

Waylon klammerte sich an Eddies Hand und Arm, welcher im Gegensatz zu ihm gar nicht eingeschüchtert von allem wirkte. In seinem Kopf hatte er sich vorgestellt, wie man sie anstarren würde. Doch es war gar nicht so. Natürlich wurden ein paar Blicke auf sie gerichtet, aber sie gingen genauso schnell wieder und sie vermischten sich einfach mit den Menschen.

 

Nach und nach entspannte sich Waylon auch mehr, seine Finger gruben sich nicht mehr in die Kleidung von Eddie. Eher mit Spannung und Freude, beobachtete er die Leute. Teenager, die mit einem Skateboard über Rampen fuhren, Gruppen von Menschen, die sich wohl zum Kaffee und Kuchen trafen, typische Touristen in extrem seltsamer Kleidung...

 

„Was machen wir als Erstes?“, fragte Eddie irgendwann, als sie einige Minuten schon, herumgeirrt waren.

 

„Vielleicht suchen wir ein Hotel? Dann können wir dort die Taschen ablegen und etwas Essen gehen“, schlug Waylon nach kurzer Bedenkzeit zu.

 

„Großartige Idee, Darling!“, lobte der Bräutigam ihn direkt. „Kennst du dich hier eventuell aus?“

 

„Nicht wirklich, aber ich denke wir sind nahe der Innenstadt, also sollten wir über viele Hotels stolpern.“

 

Waylon kannte die Schilder, die stets auf Hotels wiesen und deshalb war es wirklich einfach, auf ein paar Hotels zu stoßen. Es gab hohe, moderne Gebäude, Eddie rümpfte die Nase, als sie vor einer solchen Tür standen. Also zog Waylon ihn weiter, es gab sicherlich auch ein paar kleinere Motels, wo sie vielleicht auch besser hineinpassten.

 

Der Fußmarsch war kaum auffallend, sie waren so lange unterwegs gewesen, dass es einfach normal geworden war. Schließlich kamen sie in eine ruhigere Gegend, in etwas Entfernung erkannte man Häuser aneinandergereiht, mit hübschen Vorgärten. Dort in der Nähe, gab es ein kleines Motel. Sicherlich nicht groß ausgestattet, aber es wäre ausreichend für sie. Eddie wirkte auch begeistert davon, als sie eintraten.

 

Man roch frische Blumen, die in Vasen standen und erkannte Spitzendeckchen und Spitzengardinen. Eine ältere Dame stand hinter dem Tresen, gerade dabei, einen scheinbar perfekten Platz für die neue Pflanze zu finden.

 

„Guten Tag!“, widmete sie sich sofort ihnen, als sie dem Tresen näher kamen. „Wie kann ich Ihnen denn weiterhelfen?“

 

Waylon wusste nicht, ob er sich lieber zurückhalten sollte, aber da er glaubte, etwas mehr Erfahrung bei so etwas zu haben, meldete er sich zuerst zu Wort. „Guten Tag“, erwiderte er also. „Wir suchen nach einem Schlafplatz für ein paar Tage. Haben sie noch ein Zimmer frei?“

 

Die Dame starrte ihn kurz irritiert an, Waylon konnte nur erahnen weshalb – immerhin trug er ein Kleid und seine Stimme war eindeutig männlicher Natur. Aber sie sagte darauf nicht, sondern schaute in ihr Büchlein. „Oh, Sie haben Glück. Wir haben noch drei Zimmer frei. Ich nehme an, es soll ein Doppelbett-Zimmer sein?“ Sobald sie ein Nicken erhielt, schaute sie noch einmal ins Büchlein. „Gut, dann sind es zwei. Ein Zimmer mit Blick zum Hintergarten und dem Wald“, erklärte sie. „Oder unser größtes Zimmer, da haben Sie das Obergeschoss sozusagen für sich, es gleicht also eher einem Apartment. Wir empfehlen das für kleine Familien oder... frisch Verheiratete.“

 

„Das nehmen wir!“, mischte sich Eddie plötzlich bestimmend ein. „Das ist perfekt für uns, Darling! Wissen Sie, wir haben gestern erst geheiratet, leider etwas spontan.“

 

„Ach wirklich? Dann herzlichen Glückwunsch, es ist immer wundervoll frisch verheiratete Paare zu empfangen“, kicherte die Dame. „Also dann das Apartment? Es ist natürlich teurer...“

 

„Mir ist kein Geld zu schade, um alles perfekt zu machen!“, erwiderte Eddie und kramte in einer Tasche herum. Eine alte, braune Brieftasche, die unglaublich dick wirkte, kam dort heraus. „Wie viel macht es?“

 

„Wissen Sie denn schon, wie lange Sie bleiben wollen? Die nächsten Gäste für das Apartment kommen erst in einer Woche an...“

 

„Dann bleiben wir die Woche bis dahin.“

 

„Perfekt!“, lachte sie auf und trug etwas im Büchlein ein. „Wollen sie Frühstück und Abendessen inklusive haben?“

 

„Frühstück reicht, ich werde meine Liebste zum Abendessen ausführen!“, entschied Eddie strahlend. „Können Sie uns ein paar schöne Restaurants empfehlen?“

 

„Aber natürlich, Sir“, sie starrte sie einen Moment an und seufzte dann auf. „Sie wirken so schön harmonisch und verliebt, behalten Sie sich das ja, verstanden?“

 

In binnen weniger Minuten, hatte Eddie tatsächlich alles bezahlt und ein paar Broschüren für Restaurants in der Nähe bekommen. Die Dame führte sie zu den Treppen und hinauf zum Apartment. Dann ließ sie ihnen ihre Ruhe.

Waylon sah sich in dem offenen Raum um, dann fiel sein Blick auf das Bett, welches frisch und weich aussah. Mit einem viel zu kindischen Lachen, sprang er auf das Bett und ließ sich in die vielen, weichen Kissen fallen. Mit einem Seufzer vergrub er die Nase in eines und genoss den blumigen Geruch.

 

„Darling“, hörte er Eddie etwas glucksend sagen. Das Bett senkte sich auf einer Seite und als Waylon den Kopf drehte, konnte er Eddie dort sitzen sehen. „Dir scheint es zu gefallen.“

 

„Es ist fantastisch!“

 

Das Bett war weich und bequem, alles roch... einfach nach Blumen und es kam Licht hinein. Ein Gähnen entrann ihm ungewollt, als er sich wieder aufsetzte.

 

„Ich muss zugeben... es ist anders, als unser zu Hause“, gestand Eddie mit einem Blick um sie herum.

 

Waylon wusste, dass sie heute mehr vorgehabt hatten, aber er wollte... wirklich nicht aus dem Bett aufstehen. „Hey Eddie... Macht es dir etwas aus, wenn wir einfach für ein paar Stunden hier bleiben?“, er drehte sich auf den Rücken. „Ich will... einfach hierliegen und nichts tun.“

 

Der Bräutigam sah ihn streng an, verdrehte dann aber spielerisch die Augen. „Na schön, weil du es bist!“

 

Er stand auf und zog die Vorhänge zu, ehe er die Schuhe von Waylons Füße zog, einen Kuss auf jedes Fußgelenk hauchte und sich dann ebenfalls die Schuhe auszog. Schließlich lagen sie beide nebeneinander im Bett, viel größer als das in Mount Massive.

Es dauerte wirklich keine fünf Minuten, bis sich Waylon unter der dicken Decke vergraben hatte und ihm die Augen zufielen. Er spürte am Rande des Schlafes, noch die Arme von Eddie um sich, dann schlief er aber einfach ein.

 

~

 

Sein Kopf brummte. Seine Augen wollten sich nicht öffnen. Sein Mund war trocken.

 

Waylon ächzte schmerzerfüllt, versuchte zu ertasten, wo er denn war. Er fühlte fast schon weichen Stoff, eine Matratze unter sich, der Geruch war muffig, metallisch. Er fühlte sich warm, heiß... als würde er brennen. Ein Zucken durchfuhr seinen Körper, als etwas auf seinem Kopf landete. Etwas Kaltes, legte sich über seine Stirn, etwas tropfte an seinen Wangen entlang und endlich zwang sich Waylon dazu, die Augen zu öffnen. Seine Lider hoben sich zur Hälfte an. Alles um ihn herum war grau und dunkel, Licht drang nur schwach durch den Raum.

 

Oh, Darling“, kühle Finger strichen über sein Gesicht. „Du bist wieder aufgewacht. Ich habe mir ernsthafte Sorgen gemacht.“

 

Er erkannte die Stimme. Waylon wurde augenblicklich eiskalt. Das konnte nicht wahr sein, oder? Hektisch versuchte er sich aufzusetzen, der Lappen flog von seiner Stirn und er sah sich um, Schwindel und Übelkeit überkam ihn und ehe er wusste was passierte, kotzte er in einen Eimer. Es war nicht viel mehr als Magensäure, sein Buch verkrampfte sich schmerzhaft, während eine Hand tröstend über seinen Hinterkopf strichen.

 

Mein armes, kleines Ding“, flüsterte die Stimme wieder.

 

Als der Eimer wieder verschwand, drückten ihn Hände zurück in die liegende Position, der kalte Lappen traf erneut seine Stirn. Waylon schaffte es kaum, die Augen aufzuhalten, aber er erblickte die erwartete Gestalt – der Bräutigam.

 

Du musst dich ausruhen, Liebes“, sagte Eddie leise zu ihm. „Bleib einfach hier liegen und schlafe etwas. Ich werde die Lappen auswechseln, damit du etwas abkühlst.“

 

Waylon wurde erst klar, dass er sogar Wadenwickel hatte, als Eddie sich daran machte, die mittlerweile wieder warmen Lappen abzuwickeln, vermutlich um sie wieder kalt zu machen. Selbst wenn er wollte, könnte Waylon nicht wegrennen. Er war nicht gefesselt, – was er wohl eher erwartet hatte – sein Körper reagierte einfach gegen ihm. Kaum ein Muskel ließ sich zucken oder bewegen und Waylon war schon von der kurzen Wach-Phase wieder müde.

 

Ein Zucken durchfuhr ihn, als etwas Kaltes wieder seine Wade fand, aber nach dem kurzen Schreck wurde es zu einer angenehmen Abkühlung – Waylon seufzte erleichtert auf und ließ die Augen zufallen.

 

Du bist hier sicher, Darling“, versprach die tiefe Stimme von Eddie. „Ich werde nach Medikamenten suchen, die dir helfen. Erhole dich einfach wieder.“

 

Waylon konnte nicht antworten, er machte nur ein gepresste „Mhm...“ und verfiel kurz darauf, wieder in einem tiefen Schlaf.

 

~

 

Mittlerweile war Waylon es gewohnt, aus Albträumen aufzuwachen, oder in den Armen von Eddie. Gerade passierte beides nicht. Er wachte recht ruhig und entspannt auf, aber ohne einem zweiten Körper neben sich im Bett. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und richtete sich zur Hälfte auf. Der Fernseher lief und darin kam irgendwas über Hochzeitskleider. Eddie hatte sich in einem Sessel gesetzt und starrte gespannt zum Fernseher.

 

Wie lange war es wohl her, dass Eddie ferngesehen hatte?

 

Langsam schob sich Waylon aus dem Bett und lief mit nackten Füßen über den kuscheligen Teppich hinüber zum Sessel.

 

„Bist du schon lange wach?“, fragte er, mit den Händen auf Eddies Schultern gestützt.

 

Eddie zuckte nicht einmal zusammen, vermutlich hatte er alles im Blick, selbst wenn er fernsah: „Ich konnte nicht lange schlafen... Aber ich wollte dich nicht wecken, du scheinst es gebraucht zu haben.“

 

„Es hat gut getan“, erwiderte Waylon ehrlich. „Möchtest du dir das noch etwas ansehen, oder wollen wir... na ja, etwas Essen gehen?“

 

„Wir können gehen. Nicht das es zu spät wird!“, Eddie starrte nachdenklich auf die Fernbedienung, schien nach dem entscheidenden Knopf zu suchen.

 

„Der Rote“, informierte er, mit einem Lächeln.

 

Daraufhin ging der Fernseher aus. Waylon stieg in seine Schuhe zurück, Eddie trug seine bereits. Mit der gefüllten Brieftasche in einem der hübscheren Beutel, verließen sie ihr Apartment und dann auch das Motel. Eddie betrachtete die Flyer, welche sie bekommen hatten.

 

„Es gibt viele schöne Restaurants hier“, meinte Eddie. „Ich habe vorhin mit dem Telefon hier angerufen, die haben einen Tisch für uns!“

 

Waylon nahm den gereichten Flyer und betrachtete ihn. Schlicht, aber elegant. Die Adresse war schnell gefunden. „Gut, wir müssen nur die Straße finden. Für wann haben wir den Tisch?“

 

„Oh, 19 Uhr“, antwortete Eddie und sah sich nach einer Uhr um. Glücklicherweise gab es davon mehr als genug, umso näher sie der Stadt kamen. Sie hatten also noch etwas Zeit.

 

Waylon sprach irgendwann jemanden an, um herauszufinden wie sie zum Restaurant kamen. Sie hatten Glück, dass es in der Nähe war und die Beschreibung dorthin, nicht so schwer. Das Restaurant passte zum Flyer – schlicht und elegant. Eddie wirkte extrem begeistert, als er ihm die Tür aufhielt und sie beide hinein ließ. Am Eingang direkt befand sich ein Tresen, der junge Mann dahinter fragte nach einer Reservierung. Es wunderte Waylon nicht, dass Eddie unter Gluskin reserviert hatte. Der Tisch, den sie bekamen, stand etwas abseits von allen anderen. Geschmückt mit schönen Rosen in gläsernen Vasen und einer schwarzen Tischdecke, mit goldenen Verzierungen.

 

Eddie bemühte sich um jede Gentleman-Geste, die man irgendwo mal gesehen haben könnte – die Tür aufhalten, den Stuhl zurückziehen und wieder ran schieben, natürlich auch das Bezahlen. Waylon hatte derzeit gar nichts, aber glücklicherweise war das auch nicht so schlimm.

 

„Es ist wundervoll hier“, meinte Waylon, er empfand es immer als gute Entscheidung, alles zu belobigen, selbst wenn es nur am Rande war und nicht direkt. „Ich hoffe das Essen hier ist auch so gut.“

 

„Bestimmt, Darling“, erwiderte Eddie, er grinste nicht so unheimlich wie so oft, er lächelte diesmal. Es schien ein ehrliches, liebevolles Lächeln zu sein. Ob er gerade einen Blick auf den wahren Eddie Gluskin bekam? „Such dir aus, was immer du willst, ich bezahle alles, was dein Herz begehrt.“

 

Waylon rieb sich schmunzelnd über die Wange. Glücklicherweise hatte er nie großen Bartwuchs gehabt, dass machte vieles einfacher. Zumindest im Umgang mit Eddie. Er öffnete die Menükarte, warf einige Blicke hinein, entschied sich aber relativ schnell für etwas. Eddie ließ sich etwas empfehlen, Waylon hielt ihn davon ab, den teuersten Wein zu kaufen, weil ihm etwas anderes besser schmeckte. Da er immer noch nicht wusste, wie viel Geld Eddie allgemein hatte, wollte er alles dafür tun, dass sie vorerst nicht bankrott gehen würden.

 

Er ließ es zu, dass Eddie immerzu eine Hand von ihm hielt und ineinander verschränkte. Waylon bemerkte keine seltsamen Blicke, obwohl sie hier eindeutig nicht reinpassten. Das Kleid zu tragen, machte ihn auch nicht so nervös. Vielleicht hatte er mehr Schäden von Mount Massive davon getragen?

 

Der Wein wurde ihnen als Erstes gebracht, danach kam aber bald schon das Essen. Er stieß mit Eddie an – zu ihrer Heirat... - ehe sie zu Essen begannen. Zwischendurch bekam er etwas von Eddie vor den Mund gehalten, zum Probieren und dafür gab Waylon ihm auch etwas von seinem Teller. Es fühlte sich alles so leichtfertig und... normal an. So etwas hätte er sich nie vorstellen können, innerhalb von Mount Massive.

 

Sie verbrachten fast drei Stunden im Restaurant, beim Essen und Trinken und ja, sie unterhielten sich zwischendurch. Waylon erzählte ein wenig was aus seiner Kindheit und Eddie schien sich deshalb ehrlich zu freuen. Er erzählte von seiner Schulzeit und seinen Eltern, er ließ alles weg, was Eddie auf die Fährte bringen könnte, dass er jemals eine andere Beziehung gehabt hatte. Ab und an stellte er Eddie auch Fragen, allerdings war er allgemein eher verschwiegen, was Waylon nicht wirklich überraschte, wenn er an die Akten zurückdachte.

 

Irgendwann bezahlte Eddie dann die Rechnung und mit wirklich vollen Magen verließen sie das Restaurant, um durch die Nacht zurück ins Motel zu spazieren.

 

„Ich bin wirklich froh darüber, dass du mich überredet hast, unsere Flitterwochen außerhalb zu verbringen“, meinte Eddie auf den Weg. „Es ist wirklich schön hier und... ich liebe es, hier Zeit mit dir zu verbringen.“

 

Waylon fiel es schwer, bei dem ehrlichen Blicke und dem liebevollen Lächeln, nicht an Lisa zu denken – oder sie zu vergessen. „Wie du siehst, solltest du meinen Plänen öfter vertrauen.“

 

Ein herzliches Lachen dröhnte aus Eddie hervor: „Ja, Darling. Du hast wirklich recht.“

 

In ihrem Apartment zurückgekommen, wollte Waylon nichts lieber tun, als zu schlafen. Aber mehr als das... wollte er duschen. Während Eddie sich vor den Fernseher setzte und scheinbar nach etwas Interessantem suchte, verabschiedete sich Waylon ins geräumige Badezimmer und stellte sich zügig unter das heiße Wasser. Die Badewanne würde er ein anderes Mal austesten.

 

Seine Muskeln entspannten sich unter dem heißen Strahl und nachdem er einige Minuten einfach nur dastand, nahm er schließlich die kleinen Packungen Duschgel und Shampoo an sich. Endlich mal wieder richtig duschen! Er sollte Eddie dann auch drunter schicken, das war einfach purer Luxus!

 

Waylon wusste nicht genau, wie lange er unter der Dusche stand. Es fühlte sich an wie eine schöne Ewigkeit. Als seine Haut anfing, schrumpelig zu werden, wusch er den Schaum von sich und drehte das Wasser ab. Er warf ein kleines Handtuch auf den Boden, nachdem er damit sein Haar kurz damit trocken gerieben hatte. Daraufhin stellte er sich darauf und wickelte sich in einem Bademantel ein.

Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, dass er Kleidung hätte mitnehmen müssen, aber mittlerweile empfand er es nicht mehr als so schrecklich, vor Eddie zu treten – er hatte das Gefühl, dass jener Mann nichts tun würde, was Waylon absolut verneinen würde.

 

Der Dampf vom heißen Wasser kam hinter ihm aus der Tür hinaus, als er heraustrat. Eddie saß weiterhin auf dem Sessel, diesmal bekam aber Waylon die Aufmerksamkeit.

 

„Oh Darling“, lächelte ihm der Mann zu. „Du hast die Dusche wohl sehr genossen, was?“

 

„Ja, es hat wirklich gutgetan“, antwortete Waylon ehrlich. „Du solltest auch mal, dass Wasser ist so unglaublich heiß und die Bademäntel sind weich!“, schwärmte er davon. „Aber wir können auch erst einmal schlafen.“

 

Eddie schien ihn anzusehen, ohne zuzuhören. Er war aus dem Sessel aufgestanden und war auf ihn zugekommen. „Ja, ich werde es morgen machen“, antwortete der Bräutigam, seine Hände lagen prompt um Waylons Gesicht. „Deine Haut... fühlt sich unglaublich weich an.“

 

„Liegt sicherlich am Duschgel hier, dass riecht auch gut. Du kannst es morgen ja au- E-eddie“, Waylon zog erschrocken die Luft ein, als der Größere sein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub. Er spürte den warmen Atem an seiner Haut, die Lippen an seinem Hals.

 

„Du riechst wirklich gut...“, murmelte Eddie, eine Hand strich durch das noch nasse Haar, während sein zweiter Arm sich fest um Waylons Taille legte. Er wurde fest an den Größeren gedrückt, Körper an Körper.

 

Nach kurzer Anspannung ließ sich Waylon etwas entspannter in den Armen fallen, legte seine eigenen um den großen, kräftigen Körper. Manchmal fühlte sich das weniger wie eine liebevolle oder besitzergreifende Umarmung an und mehr nach... Trost.

 

Trost für sie beide.

 

Die Umarmung wurde auf keinen Fall aufdringlich, es schien, als würden sie beide einfach den Kontakt genießen, die körperliche Wärme des anderen und Waylon hatte damit absolut kein Problem mehr.

 

„Komm, ich ziehe mir etwas zum Schlafen an und dann legen wir uns ins Bett und...“, obwohl es mittlerweile so normal war, fiel es ihm dennoch schwer, es direkt auszusprechen. „Kuscheln. Bis wir einschlafen.“

 

Eddie wirkte fast schon etwas gerührt und Waylon fragte sich zum wiederholten Male, wie sehr der Mann alles um sie herum wahrnahm. Ob es ihm klar war, dass das alles nicht so real war? Ihre Beziehung zueinander und... einfach alles?

 

„Du hast wie immer die besten Ideen“, Eddie schaffte es diesmal alleine, den Fernseher auszuschalten, ehe er sich ein paar Kleidungsstücke entledigte und ins Bett förmlich fiel.

 

Waylon zog sich im Badezimmer noch etwas an – einer der Kleider und seine Shorts, er hoffte wirklich, dass sie morgen ein paar neue Klamotten finden könnten und er auch Shorts kaufen könnte, ohne das es Eddie seltsam fände.

 

Für den Moment legte er sich einfach zu Eddie ins Bett, landete direkt in dessen Armen und ließ die Decke über ihre Körper ziehen.

Chapter Seven

Chapter Seven

 

 

Waylon bekam von den nächsten Tagen nicht besonders viel mit. Er wachte zwischendurch mal auf, konnte sich aber nur so lange wach halten, wie Eddie es schaffte, ihm etwas zu Essen einzuflößen, Wasser oder gefundene Medikamente, die hoffentlich eine heilende Wirkung hatten. Es dauerte ein paar Tage, bis er eine Besserung verspürte. Er fühlte sich wieder lebendiger, schaffte es, länger wach zu bleiben und... er schaffte es wieder, Angst zu empfinden.

 

Eddie ließ ihn nur selten aus den Augen, nur wenn er Essen und Trinken hörte, die Lappen wieder kalt machte... Ansonsten war er jeder Zeit da und kümmerte sich. Es wäre ja nett, wenn... Eddie kein Serienmörder wäre, der ihn hatte töten wollen.

 

Irgendwann schaffte er es wieder, sich von selbst hinzusetzen und sich nicht mehr ganz so erhitzt zu fühlen. Er wechselte kaum ein Wort mit Eddie, wich dessen Blicken auch aus, wann immer es ging. Es schien Eddie nicht zu stören, er sprach meistens einfach weiter von dem, mit was auch immer er angefangen hatte zu reden. Meistens über die Hochzeit, Kinder... Operationen. Nichts, wovon Waylon etwas wissen wollte.

 

Als er nach einer weiteren Nacht wach wurde, fühlte er etwas an seinem verletzten Fuß. Er zuckte erschrocken zurück, schob sich direkt in eine Sitzposition und sah zu einem knurrenden Eddie.

 

Darling!“, sagte er bedrohlich. „Ich kann mich nicht, um dich kümmern, wenn du mich nicht lässt!“

 

Waylon starrte nur erschrocken zu Eddie, schaffte er nicht zu sprechen und sah schließlich schnell weg. Der Bräutigam seufzte etwas auf.

 

Ich weiß, dass man dir sicherlich beigebracht hat, nicht mit Männern zu sprechen, aber du musst wirklich nicht mehr die Verlegene spielen“, redete er weiter und griff erneut nach den Verletzungen. „Immerhin werden wir bald heiraten. Du musst keine Angst vor mir haben! Es gibt doch so viel, dass ich von dir wissen möchte, Liebes.“

 

Aber vielleicht wollte Waylon nicht antworten? Er wagte es nicht, dass auszusprechen. Stattdessen hob er zaghaft den Blick. „Tut... mir leid“, sagte er langsam. „Ich wollte dich damit... keineswegs verletzen.“

 

Keine Sorge, Darling. Das weiß ich doch.“ Eddie fuhr mit seinen Fingern über seine freigelegten Waden, rümpfte die Nase. „Du musst wirklich diese Behaarung loswerden, bevor wir heiraten!“

 

J-ja... Du hast recht. Ich habe das... etwas ignoriert...“

 

Nun, dir ging es auch wirklich nicht gut, Liebes“, sagte Eddie leise. „Ich habe mir ernsthafte Sorgen gemacht... Aber keine Angst, ich pflege dich wieder gesund. Nebenbei arbeite ich an deinem Kleid und dann... dann sind wir so weit. Natürlich ist da noch die... Operation.“

 

Die Waylon eindeutig nicht mitmachen würde. Aber er sollte alles ausnutzen, was ging – und die Ruhe für sich genießen, um wieder fit zu sein, bevor er wieder rennen musste.

Also schlief er, so viel wie er nur konnte, aß und trank so viel wie er bekam und ließ Eddie seine Wunde am Fuß behandeln, die länger zum Heilen brauchen, aber ihn nicht aufhalten würde.

 

Es war ein Tag, der anfing wie viele zuvor. Nur das er sich wesentlich besser fühlte und Eddie dies bemerkt hatte. Schon von Anfang des Tages an wirkte er glücklicher als zuvor die Tage.

 

Heute, Darling!“, summte er. „Heute ist es so weit!“ Waylon drückte die Augen fest zu, er wollte nicht hören, was Eddie meinte. „Ich habe alles vorbereitet! Deine Operation wird mir glücken und uns... eine glückliche Zukunft schenken.“

 

Das war Waylons Stichwort und sobald es einen Moment gab, indem Eddie das Zimmer verließ, rappelte er sich aus dem Bett raus. Seine Kamera hatte er bereits vor Tagen auf einem der Tische entdeckt, also griff er nach ihr und sah sich um. Es gab nur zwei Türen, beide waren verbarrikadiert, also suchte er sich ein Versteck und hockte in der Dunkelheit mit klopfenden Herzen und weichen Knien. Sobald Eddie die Tür öffnen und nach ihm suchen würde...

 

Dann würde er rennen!

 

~

 

Als Waylon aufwachte, war er wieder alleine im Bett. Langsam zu sich kommen, setzte er sich gähnend auf, streckte die Arme von sich weg und sah sich blinzelnd um. Er hatte ja beinahe erwartet, dass der Fernseher wieder lief und Eddie begeistert davor saß. Aber es herrschte Stille im Raum, Eddie war aber dennoch da. Verwirrt sah Waylon den Mann an, erkannte nach und nach, was er dort machte.

 

„Wo hast du denn das Nähzeug her?“, fragte er, während er sich von den Decken befreite und aus dem Bett hüpfte.

 

Eddie sah zu ihm, legte das Handwerk nieder: „Die Besitzerin des Hotels war so lieb, ich hatte danach gefragt und sie hat mir tatsächlich ein paar schöne Stoffe und die Hilfsmittel bereitgestellt. Jetzt kann ich uns schöne Kleidung nähen. Die Stoffe sind viel hochwertiger, als die zu Hause.“

 

Das glaubte Waylon ohne es zu hinterfragen. Er kam zu Eddie rüber und fuhr vorsichtig mit den Fingern über die Stoffe. Sie waren weich oder glatt, hatten Muster oder waren schlicht in einer Farbe gehalten.

 

„Ich bin sicher, du wirst etwas Umwerfendes daraus machen“, erwiderte Waylon – zu seiner eigenen Verwunderung, meinte er das wirklich ernst. Andererseits wusste er ja schon lange, dass Eddie ein Schneider-Talent besaß. „Wollen wir trotzdem heute etwas einkaufen? Ich liebe deine Kleider, aber...“, wie äußerte man Kritik gegenüber einem Mann, der trotz allem unberechenbar war?

 

„Ich verstehe schon, Darling“, missmutig sah er zu ihren Taschen. „Die meisten Kleider, die ich dir nähen konnte, sind aus keinem schönen Stoff. Sie reizen sicherlich deine zarte Haut. Leider wird es noch etwas dauern, bis ich hieraus etwas machen kann...“

 

„Dir sollten wir auch etwas kaufen. Vielleicht... finden wir ja eine schöne Weste?“, schlug Waylon lächelnd vor. „Ich... vermisse den Anblick von einer Weste an dir.“ Ohne dieser war Eddie einfach nicht... Eddie. „Es wird keine so schön sein, wie die du gemacht hast... aber zumindest ein Ersatz?“

 

„Klingt gut, Darling“, stimmte Eddie ihm zu, er war heute so... sanftmütig und ruhig, die Tage zuvor war er auch schon verändert, aber jetzt gerade war es doch sehr extrem. „Aber vorher sollte ich duschen gehen. Das Frühstück wird für uns hochgebracht.“

 

„Soll ich warten, bis du da bist?“

 

„Musst du nicht, Liebes.“

 

Waylon fühlte sich wie in einer echten Ehe. Es fühlte sich an, wie damals mit Lisa. Gut, damals hatten sie viel Zeit im Bett verbracht, damit einander zu lieben. Aber abgesehen davon... war alles so wie mit ihr. Das machte ihm Angst.

 

Aber es war auch... beruhigend.

 

Es dauerte nicht lange, bis es an der Tür klopfte. Eddie stand bereits unter dem Wasser – zumindest hörte es sich danach an. Ein junger Angestellter stand mit einem Schiebetisch vor ihm, fuhr alles herein und deckte den Tisch, ehe er sich freundlich verabschiedete. Waylon hatte die Stoffe vorsichtig weggeräumt, genauso wie die Utensilien zum Nähen. Dann setzte er sich an den gedeckten Tisch, goss sich Kaffee in die Tasse, mischte etwas Milch hinein und roch erst einmal genießerisch daran.

 

Kaffee. Endlich!

 

Er belegte sich Brötchen mit Käse und Wurst, schmierte sie teilweise mit Marmelade voll und begann zumindest langsam mit dem Essen. Eddie benötigte wesentlich weniger Zeit beim Duschen, als Waylon es getan hatte. Ungewollt klebte sein Blick an dem Mann. Eddie trug auch den Bademantel, sein schwarzes Haar tropfte leicht darauf und zum ersten Mal schien er Eddie laufen zu hören. Wenn man den Mann so sah, dann dachte man an keinen schlechten Menschen.

 

Waylon wusste es besser, dennoch war er gerade etwas... geblendet.

 

„Ich ziehe mir etwas an, dann setze ich mich zu dir, Darling.“

 

Er nickte als Antwort nur. Waylon wollte den Blick abwenden, aber da fiel bereits der Bademantel, Eddie hatte ihm den Rücken zugewandt und dennoch... Sein Blick klebte an dem nackten, vernarbten Rücken, über den Steiß und... schnell drehte er den Kopf weg. Er hatte nie großes Interesse an dem männlichen Geschlecht gezeigt, aber jetzt gerade... nun, vielleicht lag es an den ganzen Umständen. An einfach allem, was passiert war? Nach kurzer Zeit saß Eddie bei ihm am Tisch, angekleidet in einem grauen Hemd und einer schwarzen Hose – alles ohne Blut. In Ruhe aßen sie, Eddie schwärmte ebenfalls von der Dusche und dem Duschgel, das es dazu gab.

 

Waylon suchte sich eines der Kleider aus, dass nicht abartig nach Mount Massive stank, damit sie bald losgehen konnten. Er sollte sich nicht so wohl fühlen in diesen Kleidern, aber es war schnell normal geworden. Vielleicht auch zu normal. Zumindest zeugte das davon, dass es keinen Streit gäbe und er sich auch nicht schrecklich fühlte.

 

Mit Schuhe und Brieftasche, ging es tatsächlich nach draußen. Eddies Haar war schon halbwegs trocken, jetzt ohne das Gel – oder was auch immer sich der Mann ins Haar geschmiert hatte, – wirkte es weich und aufgeplustert. Waylon hatte das Bedürfnis, hindurch zu streichen. Aber er unterdrückte dieses Gefühl.

 

Die Motel-Besitzerin stand unten und grüßte sie freundlich, genauso, wie sie ihnen einen schönen Tag wünschte. Der Himmel war blau, Wolken waren kaum zu finden, dafür strahlte die Sonne herunter. Noch war es angenehm, aber Waylon war sich sicher, dass es bald schon extrem heiß werden würde.

 

Hand in Hand – wie beinahe immer – liefen sie durch die Straßen in die Richtung der Innenstadt. Hier gab es mehr als genug Geschäfte, auch für Kleidung. Es war schwer, Eddie von Geschäften wegzubekommen, in denen Kleidung für die Hochzeit ausgestellt wurden. Auch wenn der Mann immer riesige Augen bekam, beim Anblick von rein-weißen Kleidern und matt-schwarzen Anzügen.

Sie landeten schließlich in einem der normaleren Geschäften, wo man Jeans, Pullunder und alles Weitere bekam.

 

Eddie bestand darauf, zuerst Waylon einzukleiden, also landeten sie in der Frauenabteilung. Er war zwar eindeutig keine Frau, aber... er trug ja bereits Kleider. Von denen wurde Eddie magisch angezogen. Die nächste Stunde hielt der Bräutigam ein Kleid nach den anderen an Waylon gedrückt, manches nickte er ab und legte es in den Korb hinein, andere wurden zurück gehangen. Auch wenn Eddie nicht von Hosen begeistert war, schaffte es Waylon die eine oder andere Jeans zu ergattern, genauso wie normale Shirts und Blusen.

 

Der Korb war reichlich gefüllt, als sie die Männerabteilung besuchten, um dort Eddie auszustatten. Etwas, dass sich als recht einfach herausstellte. Weiße Hemden, schwarze Hosen und sogar zwei Westen. Waylon packte auch anderes Zeug ein – kurzärmlige Shirts, kurze Hosen... Unterwäsche für sie beide. Die Schuhe blieben auch schlicht.

 

Auf den Weg zu den Umkleiden knüpfte Eddie ihm irgendwelche Spangen mit Schleifen ins Haar, packte sie ebenfalls ein, – genauso wie Haarreifen.

 

Die Umkleidekabinen waren recht leer, also suchten sie sich zwei nebeneinander aus.

Waylon atmete auf, als er in der kleinen Kabine war, mit dem reichlich gefüllten Korb. Er befreite sich aus dem geschneiderten Kleid, um sich durch die große Auswahl zu probieren. Er fing mit Hosen und Shirts oder Blusen an. Eddie hatte ein gutes Auge für die Passformen, musste er zugeben.

 

„Wie sieht es aus, Darling?“

 

„Ich bin noch nicht so weit gekommen“, rief Waylon hinaus. „Bei dir?“

 

„Passt alles“, wie zu erwarten. „Hast du ein Kleid an?“

 

Tatsächlich war Waylon gerade in eines geschlüpft: „Ja, ich brauche deine Hilfe... Zum Schließen.“

 

Keine Sekunde später, wurde der Vorhang weggeschoben und Eddie analysierte ihn, half ihm dabei, den Reißverschluss zu schließen und betrachtete ihn dann. „Das Kleid ist zu groß... Ich hole eine Größe kleiner!“

 

Ehe Waylon widersprechen konnte, stürmte Eddie davon, um seiner Worte, Taten folgen zu lassen. Also zog er den Vorhang prompt wieder zu und zog sich ein weiteres Kleid an, während das jetzige auf den Haken gehangen wurde, von dem was er nicht mitnehmen würde. Eddie war bereits eine Weile verschwunden und Waylon kam, wieder mal, nicht am Reißverschluss an – ging man davon aus, dass jede Frau Jemanden zur Hilfe hatte?

 

Als er hörte, wie sich Schritte der Kabine näherten und stehen blieben, atmete er erleichtert auf.

 

„Eddie kannst du-“, er riss den Vorhang auf und blickte auf eine fremde Person. „Oh ähm... entschuldige“, nuschelte Waylon direkt hervor.

 

„Kein Problem.“ Waylon spürte deutlich, wie der Mann ihn betrachtete und scheinbar auf dem zweiten Blick entdeckte, dass er es mit keiner Frau in einem Kleid zu tun hatte. „Oh... Also“, nach einigen Minuten des verwirrt sein, raufte sich der Fremde durch das störrische Haar. „Brauchen Sie... Hilfe bei etwas?“

 

„Also...“, unsicher biss sich Waylon auf die unter Lippe. „Ich-“

 

„Was zur Hölle!“, hörte er es Knurren. Waylon schloss bereits die Augen... Verdammt! „Was machst du da, bei meinem Darling!?“

 

„Eddie!“, fiepte Waylon etwas und trat zum Teil aus der Kabine heraus. „Es ist alles in Ordnung, es-“

 

„Nein, Darling!“, der Bräutigam drängte sich prompt vor dem komplett verblüfften Mann und schubste ihn weg. „Was hattest du vor?! Wenn du auch nur einen Griffel-“

 

„Whoa, entspann dich, man!“, der Fremde hob die Hände hoch, wirkte aber ziemlich genervt. „Ich habe gar nichts gemacht, klar?“

 

„Und wieso standest du dann hier? Vor meiner großen Liebe und starrst sie an, während sie kaum was anhat?!“

 

„Eddie, es ist nichts...“, Waylon fasste zaghaft an den Unterarm von seinem Ehemann.

 

„Halt dich raus, Darling. Ich mache das schon!“

 

„Du hast sie doch nicht mehr alle! Ich wollte ihm nur meine Hilfe anbieten, nichts weiter!“

 

Hilfe anbieten?“, knurrte Eddie. „Wie kommst du darauf, ihr deine Hilfe anzubieten? Woher wusstest du überhaupt, dass sie welche brauchte? Hast du in die Umkleide geguckt?!“

 

„Was?! Nein! Natürlich nicht!“, der Fremde lief mittlerweile rot an vor Wut – oder Scham – während er gleichzeitig etwas verwirrt wirkte – vielleicht wegen der Pronomen?

 

„Jetzt verschwinde einfach, bevor ich-“

 

„Bevor du was?“

 

Waylon fiepte erschrocken auf – und äußerst unmännlich – als Eddie nicht lang fackelte und seine Faust hob, um sie ins Gesicht des Mannes zu verfrachten. „Eddie, nicht!“ Hektisch, mit immer noch offenen Kleid, versuchte Waylon dazwischen zu gehen, hielt einen der Arme von Eddie fest. „Bitte hör auf!“, er schaffte es irgendwie vor den Mann zu kommen, seine Hände vorsichtig an dessen Oberkörper zu legen und starrte in die blauen Augen, die vor Zorn sprühten und immer noch auf etwas hinter ihm fixiert waren. „Eddie, sieh mich an... hey!“, er legte seine Hände um das Gesicht von Eddie und zwang ihn dazu, ihn anzublicken. „Es reicht. Hör auf.“

 

~

 

Der Einkauf daraufhin war angespannt. Waylon durfte nichts mehr anprobieren und hatte Glück, dass er sich überhaupt umziehen durfte. Dann wurde er raus gezerrt, Eddie bewarf die arme Kassiererin beinahe mit dem Geld, bevor er alles ungeduldig einpacken ließ und Waylon mit sich heraus zerrte.

 

„Eddie... Jetzt warte doch mal... Hey!“, prompt versuchte Waylon einfach stehen zu bleiben und kam ins Stolpern, weil Eddie ihn grob weiter zerrte. „Halt doch mal an! Lass uns reden!“

 

Mit einem Knurren, zog Eddie ihn vor sich und drückte ihn schmerzhaft gegen einen Baum. „Du willst reden? Gut, dann rede! Was sollte der Scheiß darin?! Kann ich dir doch nicht vertrauen?! Bist du eine Schlampe wie alle anderen auch!?“

 

„Ich bitte dich Eddie“, mit hektischer Atmung, versuchte sich Waylon von der Baumrinde zu trennen, wurde aber an einer Schulter fest daran gehalten. „Es ist absolut nichts passiert. Ich würde dich niemals betrügen oder hintergehen.“

 

„Das sagst du, aber du benimmst dich anders!“

 

„Ach komm!“, Waylon warf Eddie einen bösen Blick zu. „Darf ich mit niemanden reden, ohne das du glaubst, ich würde dich betrügen? Das ist Blödsinn!“ Waylon musste sich eingestehen, dass er so nicht weiter kam, er musste vielleicht... den sanfteren Weg wählen? „Eddie“, fing er also wesentlich ruhiger an und streckte seine Hände aus, um sie an die Wangen zu legen. „Es gibt für mich niemanden außer dich“, versprach er, es klang so ehrlich, als würde er es wirklich so meinen. „Ich liebe nur dich und ich würde niemanden an mich heranlassen, außer dir. Bitte vertrau mir.“

 

Tatsächlich spürte er, wie sich die Anspannung in Eddie zu lösen begann. Der Mann seufzte leise und schloss die Augen. Sobald die Hand, die ihn bisher festgehalten hatte, lockerer ließ, bewegte er sich etwas weg vom Stamm und auf Eddie zu. Er streckte sich hoch und hauchte einen kurzen Kuss gegen die Lippen des Mannes.

 

„Darling“, seufzte Eddie wiederholt, drückte ihn erneut gegen den Baumstamm, aber dieses Mal nicht so grob. Er folgte der Bewegung, vereinte ihre Lippen ein weiteres Mal und hielt Waylon an den Hüften fest.

 

Waylon ergab sich seinem Drang, eine Hand vergrub sich in der Kleidung – die andere... in das Haar, welches sich wirklich weich anfühlte. Er wusste nicht, wie lange sie hier standen und sich küssten, Eddie war ihm immer näher gekommen, ihre Körper drückten sich aneinander und irgendwann... hörten sie empörtes Gehüstel in ihrer Nähe. Eine ältere Dame schüttelte den Kopf, während ein paar Kinder kichernd auf sie zeigten.

 

Waylon würde vermutlich erröten, wenn er nicht schon rot war. Er hatte schon ewig nicht mehr so herumgeknutscht, nicht einmal mit Lisa. Aber wenn man Kinder bekam, wurde alles schwieriger. Bei Eddie war... ohnehin alles anders.

 

Das machte Waylon Angst.

 

Er fürchtete sich vor allem, was Eddie in ihm auslöste. Die Gefühle, die Begierde, die Gedanken. Es ähnelte dem, was er für Lisa empfunden hatte und gleichzeitig war es etwas komplett anderes.

 

„Gehen wir zurück ins Motel“, entschied Eddie.

 

Waylon nickte, fühlte Blut durch seine Lippen pumpen, sie fühlten sich warm und dick an. „Ja, okay“, stimmte er also zu. „Aber... wollen wir uns vorher was zu Essen irgendwo zum Mitnehmen holen? Dann können wir im Motel essen.“

 

„Was immer du willst, Darling.“

 

Waylon wollte verdammt nochmal eine Pizza!

Chapter Eight

Eddie verbrachte die meiste Zeit damit, weiter zu nähen. Waylon nutzte die jetzige Zeit, um die Kleidungsstücke anzuprobieren. Glücklicherweise passte alles im Großen und Ganzen oder was nicht passte, wollte Eddie selbst ändern. Also saß Waylon mit einem Kleid, dass er auch zum Schlafen anziehen wollte, bei Eddie am Tisch und beobachtete ihn bei allem, was er machte.

 

Bei einer Pause aßen sie gemeinsam die gekaufte Pizza, die nur noch lauwarm war, aber dennoch unglaublich lecker, während sie fernsahen. Eddie schien danach nicht mehr nähen zu wollen, stattdessen wusch er sich die fettigen Finger und zog Waylons Füße auf seinen Schoß. Waylon hatte trotz allem damit gerechnet, dass eine Grundwut in Eddie tummelte. Er hatte nicht gedacht, dass der Bräutigam heute noch allzu freundlich oder zärtlich wäre. Doch jetzt bewegte er seine Finger massierend über Waylons Fußballen und über die Zehen.

 

Genießend stöhnend, legte Waylon den Kopf zurück, ergab sich den geschickten Fingern des Schneiders. Er wollte diesen Moment jedoch auch nutzen – zum reden.

 

„Eddie“, fing er also an und verzog das Gesicht kurz, als Eddie eine Stelle etwas zu fest drückte. „Bist du... Bist du noch sauer?“

 

„Wieso sollte ich, Darling?“, Eddie beugte sich herunter und hauchte Küsse auf die entspannten Füße. „Ich habe überreagiert und ich bin froh, dass du trotzdem hier, bei mir, bist.“

 

„Natürlich bin ich da, Eddie. Ich werde dich nicht verlassen“, versprach Waylon sanftmütig.

 

„Ja, ich weiß“, seufzte der Bräutigam. „Ich... verliere nur so schnell die Kontrolle, wenn sich die Möglichkeit ergeben könnte, dass dich jemand belästigt oder... mir wegnimmt. Du bist so wunderschön und zart... Ich kann es anderen Männern nicht verübeln, dass sie dich für sich gewinnen wollen.“

 

„Ich werde niemals Jemanden an mir ran lassen. Niemanden, außer dir, Eddie.“

 

Der Bräutigam strahlte wieder, schob seine Beine auseinander, um sich dazwischen zu stellen und runter zu beugen. Waylon kam den Lippen entgegen, es fühlte sich komplett normal an... und schön. Angenehm. Normal. Seine Finger gruben sich tief in das weiche Haar, zogen Eddie mehr an sich und vertiefte ihren Kuss.

 

Die großen Hände von Eddie waren dafür an seinen Schultern, hinab an den Oberarmen. „Bett“, sagte er leise gegen seine Lippen. Waylon bekam davon eine Gänsehaut. Er würde sich im Nachhinein vielleicht etwas dafür schämen. Aber jetzt ließ er sich vom Stuhl hochziehen und unter Küssen zum großen Bett des Apartments bringen.

 

Sie waren sich bereits einmal im Wald nahegekommen, jetzt war es aber... irgendwie anders.

 

Intensiver.

 

Waylon genoss diese Intensität, diese Küsse, wie Eddie ihn mit seinem Gewicht in die Matratze drückte. Ein kleiner Teil von ihm fühlte sich davon bedrängt, aber vielmehr als das, empfand er pures Verlangen und... Sehnsucht.

 

~

 

Waylon wusste nicht, wie lange er hier in der Dunkelheit verharrte. Aber als er hörte, wie an der Tür herum geschoben wurde, war alles in Alarmbereitschaft! Schluckend drückte er sich eine Hand gegen den Mund, um seine Atmung zu verbergen. Dann öffnete sich die Tür, unweit von ihm entfernt.

 

Darling, alles ist vorbe- Darling?!“, er erkannte Eddie, wie dieser scheinbar irritiert am Bett stand und sich umsah. „Darling! Wo bist du, Liebes!?“, er sah unter das Bett. „Komm schon! Es ist alles vorbereitet! Ziehen wir es nicht hinaus!“ Als sich Eddie aufrichtete, wirkte er bereits wütender. „Darling! Komm sofort raus!“ Dann ging er weiter. Hinter zum Raum, scheinbar um dort zu suchen.

 

Vorsichtig kroch Waylon aus der Dunkelheit heraus und näherte sich leise und humpelnd dem Ausgang. Tief durchatmend, drückte er sich durch ein paar Möbel, um raus zu kommen. Als etwas klappernd zu Boden fiel, hielt er die Luft an und verspannte sich.

 

Gott verdammter Eimer!

 

Darling?!“

 

Waylon drehte den Kopf zurück zum Ruf, dort stand Eddie mit einem großen Messer in der Hand. Ohne weiter darüber nachzudenken, reagierte Waylon – mit Rennen!

 

Es war schrecklich, dass er so langsam lief, während er die Rufe des Bräutigams im Nacken hatte. Die Beleidigungen und gleichzeitigen Liebesschwüren, die keinen gemeinsamen Sinn ergaben. Waylon zitterte am ganzen Leib, seine Atmung rasselte in seiner Lunge. Er drückte sich durch jede Lücke, die es gab, schob Schränke davon, um durch Türen zu treten. Waylon sprang fast geübt über Tische oder kroch unter ihnen durch, immer nach einem weiteren Weg suchend.

 

Bis es... eben keinen weiteren Weg gab.

 

Nein, nein, nein...“, murmelte er hastig vor sich hin. Verzweifelt raufte er sich das dreckige, blonde Haar und drehte sich um, als die Rufe des Bräutigams lauter und klarer wurden.

 

Waylon drückte sich so fest gegen die Wand, als würde er hoffen, dadurch eins mit ihr zu werden. Nicht das, dass logisch wäre.

 

Da bist du ja, Darling!“, erleichtert sah Eddie ihn an, mit einem verzerrten Grinsen. „Das war jetzt wirklich genug Aufregung. Aber jetzt komm – ich habe alles vorbereitet...“

 

Er musste etwas tun. Er musste irgendwas tun. Waylon konnte jetzt nicht sterben. Er durfte es nicht! Aber Eddie kam unaufhörlich näher. Mit diesem riesigen Messer. Waylon wusste nicht, was über ihn kam. Aber er würde nichts unversucht lassen.

 

Stopp!“

 

Wir können es nicht me-“

 

Ich sagte STOPP!“, brüllte Waylon förmlich. Anscheinend ausreichend, um Eddie irritiert stehen bleiben zu lassen. Sobald der Bräutigam nur die Anstalt machte, sich wieder zu bewegen, machte Waylon weiter: „Nein! Stopp! Bleib stehen!“ Und Eddie verharrte, komplett irritiert. Waylon atmete tief durch, plädierte weiter auf... sein Glück. Denn was anderes war das nicht. „Komm mir nicht zu nahe.“

 

Darling, ich bitte dich“, Eddie runzelte die Stirn. „Was soll das denn?“ Er wollte sich weiter bewegen.

 

Bleib stehen!“, brüllte Waylon wieder. „Du wirst mich nicht anfassen!“

 

Wovon redest du?“, knurrte der Bräutigam.

 

Davon, dass du mich nicht anfassen wirst!“, Waylon senkte seine Stimme kaum, er wollte weniger Angst zeigen.

 

Ich muss dich doch nur reparieren, Liebes. Komm scho-“

 

Musste deine Mutter repariert werden?!“

 

...was?“, Eddie blinzelte verwirrt.

 

Musste deine Mutter repariert werden?!“

 

Der Bräutigam schwieg einen Moment, starrte ihn nur an: „...nein.“

 

Warum willst du dann mich reparieren?!“

 

Weil... na ja... Ich muss es tun...“

 

Wieso? Wieso musst du das tun?!“, Waylon ließ etwas Verzweiflung durchschauen, er fand sich in dieser Rolle zu wohl. „Wieso akzeptierst du mich nicht so, wie ich bin? Wieso... wieso kannst du mich nicht einfach so lieben!?“

 

Aber natürlich liebe ich dich, Darling...“

 

Wenn du mich lieben würdest, würdest du nicht versuchen, mich zu verändern!“

 

Aber Darling...“

 

Ich... Ich versuche es doch auch nicht! Ich versuche auch nicht, dich zu verändern, Eddie!“, seine Stimme wurde leiser. „Ich... ich liebe dich. Ich liebe dich, so wie du bist Eddie. Also bitte... liebe mich doch auch so, wie ich bin...“

 

Es war unglaublich zu erkennen, wie sich etwas in Eddie änderte. Die Verwirrung verschwand und stattdessen trat reines Verständnis und die Liebe hinein. Waylon wusste nicht, ob er wirklich etwas verändert hatte, aber dies war der Anfang von allem, was folgen würde...

 

~

 

Es war ja nichts mehr neues, dass er ohne Eddie im Bett aufwachte. Aber dieses Mal... befand sich Eddie nicht einmal im Apartment. Waylon war sogar im Badezimmer gewesen, aber auch dort hatte er Eddie nicht gefunden.

 

Erst nach der panischen Suche hatte er einen Zettel gefunden. In feiner Handschrift hatte Eddie ihm hinterlassen, dass er etwas zu Essen holen würde. Das... beruhigte Waylon nicht gerade. Eddie hatte in Mount Massive einen großartigen Orientierungssinn gehabt, aber hier? Seitdem sie in der Stadt waren, war das alles ganz anders. Waylon atmete ein paar Mal tief durch, beruhigte sich selbst.

 

Aber wenn er schon alleine war... Waylon atmete tief durch. Er sollte an dem eigentlichen Plan arbeiten.

 

Er machte sich kurz etwas frisch, zog seine neuen Schuhe an und ging nach unten zur Rezeption. Irgendwie stand die Chefin immer da, zumindest wann immer Waylon hier war.

 

„Oh guten Abend“, begrüßte sie ihn freundlich. „Ihr Mann ist weg, er meinte ich solle Ihnen sagen, dass er etwas zu Essen besorgt.“

 

„Ja, er hat mir schon eine Nachricht oben hinterlassen... Wie lange ist er denn schon weg?“

 

„Hm... ich denke schon etwas mehr als eine halbe Stunde“, sie nickte ihrer Antwort selber zu.

 

„Verstehe“, ob es noch lange dauern würde? „Weshalb ich da bin... haben sie zufällig einen Computer oder Laptop? Ich muss dringend etwas machen, aber wir haben keinen dabei...“

 

„Im Prinzip haben wir nur den Computer zum Arbeiten hier“, dachte sie laut nach. „Aber lassen Sie mich in den Fundsachen nachsehen. Wir haben hier schon vieles gefunden.“

 

„Ja, bitte!“

 

Waylon war sich nicht sicher, wer einen Laptop vergessen würde, – zumindest bis er das kaputte Wrack sah.

 

„Ich weiß wirklich nicht, ob man daraus noch was machen kann“, lachte die Besitzerin verlegen. „Im selben Karton gab es noch ein paar andere Sachen, aber... na ja...“

 

„Ich werde es versuchen, danke.“

 

Als er damals entschieden hatte, diese E-Mail zu verfassen und zu verschicken, hatte er bereits nachgesehen, wie es weitergehen könnte. Er hatte bereits sämtliche Informationen zum Geheimdienst gesammelt, sich sogar mit ihnen verbunden, bevor die E-Mail raus war.

 

Er musste jetzt einfach hoffen, dass... die Kontaktdaten dieselben waren und er eine Chance bekam!

 

Mit dem kaputten Laptop und dem Karton, ging er wieder hinauf ins Apartment. Dort breitete er alles aus. Zum Glück kannte er sich mit so etwas aus – und er würde alles dran setzen, irgendwie den Laptop zusammen zu bekommen.

 

Also saß er dort, verbrachte Minute um Minute damit und vergaß die Zeit um sich herum. Bald schon war jeder Gedanke an Eddie vergessen und es ging nur noch darum, den Laptop zusammen zu bauen, ihn irgendwie einzuschalten.

Mehrere Male hielt er sich an den Kopf, verzweifelt und mit Schmerzen, bevor er sich selbst wieder Mut machte, um weiter zu machen.

 

„Endlich... endlich!“, murmelte er aufgeregt, als ein Bild am Laptop erschien.

 

Natürlich war das Gerät extrem langsam und Waylon musste erst einmal für Internet sorgen, aber sobald das versorgt war... konnte er langsam ins Internet und sein Pseudo-Mail-Fach öffnen. Haufenweise Antworten von angeschriebene Enthüllungsjournalisten wurden geladen und verbrauchten mehr und mehr Zeit.

 

Er öffnete eine Mail, die er an sich selbst geschickt hatte, schrieb sich alle Daten auf und begann eine neue E-Mail zu schreiben.

 

Mein Name ist Waylon Park.

 

Ich schrieb sie bereits vor Ewigkeiten an, um Ihnen meine Geschichte zu erzählen.

Murkoff hat mich selbst als Patient gefangen gehalten, um dies zu vermeiden, ich habe es geschafft zu fliehen und trage genügend Videomaterial mit mir mit, um zu beweisen, was alles passiert ist.

 

Bitte kontaktieren Sie mich. Ich brauche Ihre Hi“

 

Waylon zuckte zusammen, als die Tür aufgestoßen wurde. Seine Mail blieb unvollendet, aber sein Blick glitt zur Tür. Ein greller Schrei und ein umgeworfener Stuhl waren die Folge von dem Anblick.

 

„Eddie!? Was... Was...“

 

Mit aufgerissenen Augen betrachtete er die mittlerweile bekannte Gestalt. Es gab einen Beutel, vermutlich mit Essen. Wichtiger als all das war jedoch... Blut.

 

Eddie war voller Blut. Sein weißes Hemd war davon getränkt. Sein Gesicht befleckt. Waylon blinzelte einige Male, aber das Bild änderte sich nicht und seine Gestalt begann zu zittern.

 

„Darling“, die Tonlage klang so wie... in Mount Massive. Dieses vermeintlich liebevolle, süße, aber die klare Gefahr dahinter. „Ich habe mich um unser Problem gekümmert. Nichts weiter. Hast du Hunger?“

 

Die Tür fiel hinter Eddie zu, der Beutel landete auf dem Tisch, neben dem Laptop.

 

„Was... was hast du getan, Eddie? Woher kommt das Blut?“

 

„Ich musste es tun.“

 

„Was? Was musstest du tun?“

 

„Ich konnte nicht zulassen, dass du mich verlässt. Du bist alles... Alles was ich habe und brauche. Ohne dich, kann ich nicht leben.“

 

„Eddie. Bitte sag mir, was du getan hast.“

 

„Dieser Mann.“

 

„Welcher Mann?“

 

„Der im Laden. Ich habe ihn wiedergesehen. Ich wollte nur Essen für uns holen aber... Als ich ihn sah. Ich wurde so wütend.“

 

Waylon hatte eine Vorstellung davon, was passiert war. Aber er musste es hören, musste sicher sein. „Eddie...?“

 

„Er schläft jetzt“, der Bräutigam lächelte ihn an, seine blutigen Hände legten sich um Waylons Gesicht. „Er schläft jetzt und wird uns nie wieder belästigen. Wir sind sicher.“

 

Waylon wollte schreien und Eddie von sich stoßen. Glücklicherweise besann er sich schnell, dass das die falsche Reaktion war. Er schloss die Augen, schluckte seinen Kloß und Schrei herunter. „Du... danke... danke, Eddie“, hauchte er sachte.

 

„Ich wusste du würdest es verstehen. Nicht so wie diese Frau da unten.“

 

Die Besitzerin. „Ist... schläft... sie auch?“

 

„Natürlich. Es gab keine andere Chance.“

 

Natürlich. Waylon zwang sich zu lächeln, während es in seinem Kopf schon ratterte, er brauchte einen neuen Plan. Aber erst einmal... musste er sich hier rum kümmern.

 

„Du solltest duschen“, sagte Waylon schließlich langsam und berührte mit seinen Fingern etwas Blut. „Und dir was Neues anziehen.“

 

„Du hast recht, dass wäre wohl besser.“

 

Eddie ging ins Badezimmer. Waylon fragte sich, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, dass alles zu verändern. Aber ein Mörder blieb es wohl – zumindest mit der Vergangenheit, die Eddie hatte und ohne der passenden Hilfe.

 

Er widmete sich mit zitternden Fingern wieder dem Laptop.

 

Bitte kontaktieren Sie mich. Ich brauche Ihre Hilfe.

 

PS.: Ich habe einen weiteren Überlebenden aus Mount Massive bei mir. Wir brauchen beide Ihre Hilfe.“

 

Er schickte die E-Mail ab und blieb nervös zurück. Unten war eine Leiche – wenn Eddie sie nicht vernichtet hatte. Sie mussten von hier verschwinden, um zu entwischen. Zittrig begann Waylon den Laptop vorsichtig zusammen zu packen, suchte die Beutel und Taschen zusammen, um alles zu verpacken. Sie würden etwas Essen und dann... musste er Eddie dazu bringen, gemeinsam abzuhauen.

 

„Was machst du denn da, Darling?“

 

„Ich... packe unsere Sachen.“

 

„Wieso? Gefällt es dir hier nicht mehr?“

 

Vermutlich war das einfacher, als die Wahrheit. „Es ist schon schön hier aber... ich wäre gerne in einem Zimmer... wo man von oben mehr sieht, weißt du?“

 

„Natürlich, der Ausblick wäre großartig.“

 

~

 

Waylon wusste nicht, wie er es geschafft hatte, sie in ein anderes, größeres Hotel unterzubringen. Aber sie waren da, anonym für die Welt und... sicher für den Moment. Eddie benahm sich wieder genauso, wie vor den Morden. Waylon stand dafür unter Strom. Er hatte den Laptop eingeschaltet und die Nummer des Hotels an dieselbe Mailadresse geschickt, wie seine Mail schon. Das letzte Mal hatte die Antwort nicht lange gedauert und er erwartete in jedem Moment das es wieder so war.

 

Eddie beschäftigte sich glücklicherweise selbst mit dem Nähen.

 

Manchmal musste Waylon sich aufstellen, damit Eddie alles besser abmessen konnte, aber das war das kleinste Übel für ihn. Trotz den Wissen vom Mord war es für ihn kein Unterschied, trotzdem berührt zu werden. Er sollte das nicht normal finden? Er wusste, dass Eddie gemordet hatte, – zwei Unschuldige waren gestorben.

 

Und es war Waylons Schuld.

 

Er hatte diesen Irrtum gehabt. Nur wegen diesem Irrtum war Eddie eifersüchtig gewesen. Nur wegen diesem Irrtum hatte Eddie gemordet.

 

Nur wegen Waylon.

 

Als das Telefon klingelte, drehte er den Kopf zügig um.

 

„Was...“, murmelte Eddie verwirrt.

 

Waylon stürmte zum Telefon und hob ab. Er sagte kein Wort, aber das war nicht notwendig.

 

„Mr. Waylon Park?“, dröhnte eine tiefe Stimme zu ihm. „Wir haben Ihre E-Mail erhalten. Wo befinden Sie sich gerade.“

 

„Wie kann ich Ihnen vertrauen?“

 

„Es gibt keinen ultimativen Beweis dafür. Sie müssen uns einfach vertrauen.“

 

Waylon schwieg kurz, aber er musste diese Chance ergreifen. „Wo kann ich Sie treffen?“

 

„Je nachdem wo Sie sich befinden.“

 

„Ich werde nicht meinen Aufenthaltsort preisgeben.“

 

„...“, es herrschte Schweigen. „Wie schnell können Sie in Denver sein?“

 

Das war nicht so weit weg. Sein Herz pochte heftig. „Morgen früh.“

 

„Nicht noch diese Nacht?“

 

Waylon biss sich auf der Unterlippe, sah zu Eddie der ihn angestrengt musterte. „Ich habe kein Auto.“

 

„Nehmen Sie sich ein Taxi. Wir werden es zahlen.“

 

„...echt?“

 

„Ja, echt! Seien Sie einfach so schnell wie möglich da!“

 

„Okay geben Sie mir... drei Stunden.“

 

Dann wurde einfach aufgelegt und Waylon besah seufzend das Telefon.

 

„Wer war das? Mit wem hast du telefoniert?“

 

„Eddie“, sagte Waylon sanft und vorsichtig. „Ich weiß, dass alles ist... sehr schwer zu verstehen, aber... du musst mir vertrauen. Bitte.“

 

„Wie? Du scheinst Geheimnisse vor mir zu haben! Ich dachte wir-“

 

Waylon unterbrach Eddie mit einem Kuss: „Du kannst mir vertrauen. Ich versuche uns beide zu schützen.“

 

„Schützen? Ich bin da um uns zu schützen und nicht-“

 

„Eddie. Du hast zwei Menschen getötet. Das bleibt nicht ohne Strafe. Ich kenne einen Weg, wie wir ungestraft davon kommen und... zusammen bleiben können. Aber dafür musst du mit mir hier weg.“

 

„Ich habe niemanden getötet, Darling, ich-“

 

„Ja, ich weiß. Du hast sie... schlafen gelegt. Aber das ist... auch nicht weniger schlimm. Bitte. Bitte vertrau mir und... komm mit mir.“

 

„Wohin?“, Eddie ließ es zu, dass Waylon seine Hände ergriff.

 

„Nach Denver. Wir nehmen uns ein Taxi und fahren direkt hin. Man erwartet uns und wird uns helfen.“

 

„Ich...“

 

„Bitte Eddie, vertrau mir einfach.“

 

Vertrauen war schwierig. Vor allem wenn man lebenslang missbraucht und gequält wurde. Waylon konnte nur hoffen, dass Eddie zumindest jetzt die Realität sah und das Waylon ihm nichts Böses wollte.

 

„Ich... vertraue dir, Waylon... Darling.“

Epilog

„Wo ist Eddie?“

 

„In einem der Nebenräume. Wir wollen getrennte Befragungen durchführen.“

 

„Ich hoffe da sind mehr als nur Eddie und eine andere Person.“

 

„Sorgen Sie sich um Eddie?“

 

„Eher um die anderen Personen.“

 

Waylon seufzte etwas auf. Der Raum war spärlich ausgestattet. Ein stabiler Holztisch, ein Stuhl auf den er saß. Kameras in den Ecken des Raumes, obwohl alles finster war. Vor ihm stand ein Laptop, seine Kamera mit den Aufnahmen von Mount Massive und ein Glas Wasser.

 

Die wie viele Befragung sollte das hier werden?

 

„Sehen Sie sich die Aufnahmen an. Danach sollte es keine Fragen mehr geben.“

 

„Das haben wir bereits. Und ich habe unsere langen Gespräche auch nicht vergessen“, man konnte kaum das Gesicht des anderen Mannes erkennen, das Licht warf perfekte Schatten auf dessen Gesicht. „Aber es geht um viel mehr als das.“

 

Der Laptop wurde aufgeklappt, eine internationale Seite öffnete sich, ein E-Mail-Account mit geöffneter Mail. Waylon kannte keinen der Namen, aber es musste sich um hohe Tiere handeln.

 

„Drücken sie den Knopf, laden sie all ihre Aufnahmen hoch. Sie senden alles, an die geheimen Organisationen der Welt, mit denen wir zusammen arbeiten. Murkoff wird davon erfahren und alles daran setzen, Sie zu vernichten und alles abzuwehren.“

 

Waylons Blick glitt vom Bildschirm zum Mann und wieder zurück.

 

„Ihr normales Leben wird aufhören. Der Rechtsstreit kann mehrere Jahre mit sich bringen. Sie werden Ihre Familie eine lange Zeit nicht wieder sehen und nur wenig von Ihnen hören können. Sie werden Tag für Tag oder Woche für Woche durch die ganze Welt reisen, werden kein zu Hause haben und immer unter Beobachtung sitzen.“

 

Waylon starrte zurück zum Mitarbeiter dieser Organisationen. Die Polizei hätte nicht helfen können, nicht bei so etwas.

 

„Sie würden stets um ihr Leben bangen müssen. Aber... Sie würden für Gerechtigkeit handeln. Sie würden diese Monster bestrafen und der erste Schritt dafür sein, dass Sie alle zur Rechenschaft gezogen werden könnten.“

 

Waylon hatte seine Entscheidung schon lange getroffen. Er wusste genau, was alles passieren könnte. Er würde den Knopf drücken. Aber... es gab etwas, dass bei der ganzen Sache fehlte.

 

„Was wird mit Eddie passieren?“

 

„Gluskin?“, ein Schnauben. „Knast. Die nächste Irrenanstalt. Das ist nicht mehr Ihre Sache, Park.“

 

Waylon war sich sicher, dass er zu Beginn zugestimmt hätte. Aber über diese ganze Zeit hinweg... hatte sich vieles verändert. Ich vertraue dir... Waylon... Darling... Er konnte einem Menschen, der so viel erlebt hatte, so oft enttäuscht... nicht noch mehr hintergehen.

 

„Nein. Kein Knast. Keine Irrenanstalt.“

 

„Waylon-“

 

Nein. Eddie Gluskin ist ein kaputter und gefährlicher Mensch. Aber... Murkoff hat viel dazu beigetragen“, unterbrach er direkt. „Ich drücke den Knopf, werde dieses Leben für weitere Jahre leben, wie Sie es gesagt haben“, Waylon atmete tief durch, dachte darüber nach, ob er das wirklich gerade tun würde. „Eddie kommt mit mir. Er wird mit mir durch die halbe Welt reisen und Sie sorgen für eine psychologische Betreuung, die mit uns kommt.“

 

„Das ist... unmöglich.“

 

„Ich habe gelernt, dass nichts unmöglich ist. Setzen Sie einen Vertrag auf oder wir lassen es“, Waylon biss sich auf die Unterlippe, verunsichert. „Eddie Gluskin kann auch in zehn Jahren noch für das, was er getan hat, belangt werden.“

 

„Na schön. Warten Sie einen Moment.“

 

Ob seine Entscheidung gut gewesen war? Oder hatte er sich verschätzt? Würde man sie jetzt raus werfen und die ganze Sache ignorieren?

 

Die Tür wurde schneller als gedacht wieder geöffnet und derselbe Herr tauchte auf.

 

„Sie haben Glück Park“, lachte er. „Der Chef versucht Murkoff seid Jahrzehnten dran zu bekommen...“

 

„Das heißt...“

 

„Ja, abgemacht.“ Prompt lag ein Vertrag vor ihm. „Lesen Sie, unterschreiben Sie, drücken Sie den verdammten Knopf.“

 

Und alles davon tat Waylon Park. Womit sein Leben mit Eddie Gluskin versiegelt war – es fühlte sich nicht so schrecklich an, wie gedacht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Vreith
2022-12-20T09:36:41+00:00 20.12.2022 10:36
Omg, ich habe deine Fanfic verschlungen!
Ich liebe deinen Schreibstil und wie schön flüßig du schreiben kannst.
Es ist toll, wie du dich in Eddie hineinversetzen und ihn schreiben kannst, das macht richtig spaß zu lesen.
Ich finde es nur so schade,
dass die Story so aprubt aufhört, ich hätte gerne mehr gelesen, gerade wo es so richtig spannend wird :3


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