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Effect 1 - Abschlussball

„Ja, ich kümmere mich sofort darum. Sag Matt bitte, dass er mir bei den Butterbierkästen helfen soll. Die Hauselfen haben derzeit genug zu tun, die Essenswünsche für später vorzubereiten. Außerdem möchte ich noch einmal selbst über den Bestand und den Alkoholvorrat schauen.“

„Gosh, Lillian. Du machst dir viel zu viel Arbeit. Selbst für ein Mitglied des Komitees.“ Cait schaute hinter ihrer Flasche Butterbier, die sie sich eben geholt und dadurch das Gespräch zufällig von der anderen Seite der Theke mitbekommen hatte, hervor, erntete aber nur ein sanftes Lächeln seitens der Hufflepuff. Sie machte es schließlich nicht nur freiwillig, sondern auch gern. Es machte ihr tatsächlich Spaß. Die Ravenclaw zuckte daraufhin nur mit den Schultern und verschwand wieder aus Lillians Blickfeld in Richtung Tanzfläche. Der Abschlussball der diesjährigen Siebtklässler war bisher ein voller Erfolg und die kränkliche Schülerin genoss einen der wenigen Tage, in denen sie sich ausnahmsweise einmal vollkommen ausgeruht und fit fühlte. Sie selbst bezeichnete es insgeheim als kleines Geschenk ihres Körpers und war unglaublich froh, dass er es ihr erlaubte, ausnahmsweise mal nicht eines der Feste entweder am Ende ihrer Kräfte oder ganz im Krankenflügel zu verbringen. Dass sie stattdessen als Organisationsmitglied kaum aktiv an der Feier teilnahm, störte sie wie gesagt überhaupt nicht.

Als sie die große Halle verlassen hatte, führten sie ihre Schritte in Richtung der Abstellkammer, in der sie den gesamten Vorrat an Getränken verstaut hatten. Magisch verschlossen, um die unteren Klassen vom Stibitzen des Alkohols zu … bewahren. Während sie also noch dabei war, die verschiedenen Bannzauber einer besonders misstrauischen Klassenkameradin aufzubrechen, tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter und als sie sich umdrehte, blickte sie in das grinsende Gesicht Matthew Gallaghers: „Wie kann ich dir denn helfen?“

„Einen Moment…“, schmunzelte sie, bevor sie mit einem erleichterten Seufzen endlich den dritten und letzten Fluch aufgelöst hatte und mit einem beendeten Schwung ihres Zauberstabs die Tür aufschwang.

„Jasper hat nach zwei Flaschen Whiskey gefragt und die Theke braucht zwei weitere Kästen Butterbier, einen mit Weiß- und Rotwein und ein paar Softdrinks“, klärte sie den anderen auf, während sie das Kämmerchen betrat. „Ich könnte sie zwar mit den entsprechenden Sprüchen selbst tragen oder schweben lassen-“

„Neinneinnein. Ich helfe dir natürlich!“, unterbrach sie da schon ihr Kumpel und griff prompt nach den geforderten Kästen. Lillian arrangierte unterdessen die anderen Wünsche, schaute noch einmal über den Bestand – er würde definitiv ausreichen – und verließ beladen wie sie war dann ebenfalls den Raum. Matt wartete – kaum sichtbar hinter den gestapelten Bestellungen – schon auf der anderen Seite der Tür, die es nun galt erneut zu verschließen. Sorgfältig glitt also ihr Zauberstab durch die Luft und sie betrachtete zufrieden, wie sich ein Ausschlussfluch über den Raum legte. Nur noch Mitgliedern, die bei der Organisation des Abschlussballs halfen, war es damit erlaubt, selbigen zu betreten. Eine Sicherheitsvorkehrung, die ihrer Meinung nach vollkommen ausreichte. Sie würde die entsprechende Neuerung natürlich den restlichen Komiteemitgliedern weitergeben, aber eins nach dem anderen. So nahm sie ihre leichter gemachten Kästen – sie bestand darauf, selbst auch noch etwas zu tragen – wieder auf und machte sich mit ihrem Klassenkamerad auf den Rückweg. Auch, wenn sie nicht sonderlich weit kamen. Keine fünf Schritte weiter wurden sie erneut aufgehalten, als eine bekannte, doch unerwartete Person sich ihnen gegenüber ankündigte.

„Whiskey. Wie zuvorkommend uns so zu begrüßen.“ Noch während die raue Stimme sprach, erleichterte die dazugehörige Hand Lillian um eine der bestellten Flaschen, die sie auf den obersten Kasten vorsichtig drapiert hatte.

Matt – prompt in der Antwort – ließ beinahe seine Kästen fallen, als er einen empörten Ausruf ausstieß: „Das ist nicht für dich! Wenn du was willst, dann frag an der Theke nach!“

Etwas irritiert lugte die noch Unbeteiligte derweil über die Kästen hervor, um herauszufinden, wer ihren Begleiter in solchen Aufruhr brachte… Rückblickend hätte sie sich selbiges wohl durchaus denken können. In den vielen Gesprächen mit dem offenherzigen Gryffindor war der Name des Siebtklässlers viel zu oft in zuerst positivem und später negativem Zusammenhang gefallen, als dass eine solche Reaktion nicht offensichtlich war. Sie selbst ließ sich jedoch nichts davon anmerken. Sie kannte Hadrian nur flüchtig, obwohl er mit ihr verwandt war, und hatte nie wirklich die Möglichkeit bekommen mit ihm zu reden. Persönlich empfand sie es – vollkommen unabhängig von den Erzählungen Matthews – bedauerlich, da sie seine Person eher als interessant denn als unangenehm empfand. Zu gerne hätte sie ihn um seine Sicht der Dinge gebeten, oder ihn generell etwas näher kennengelernt. Allerdings war der verschlossene Adler ähnlich wie sein Begleiter eher wenig von großen Offenbarungen seiner selbst angetan und so unterließ sie selbige Annäherungsversuche.

Während Dorian leicht missbilligend seinen besten Freund ermahnte, dass sie den Sechstklässlern nicht noch mehr Arbeit als nötig machen müssten, beobachtete Lillian die Szenerie weiterhin recht interessiert. Ganz im Gegensatz zu Matty, der sich zur Seite drehen musste, um dem Älteren überhaupt ins Gesicht blicken zu können. Was er auch sofort getan hatte. Wie sonst hätte der wütende Blick seine ehemalige Affäre treffen können? Hadrian indes rollte nur genervt mit den Augen und schien sich in keiner Weise von einem der beiden Männer beeindrucken zu lassen. Das Faktum, dass er kurze Zeit später wohl ganz nach dem Motto Den Kindergarten muss ich mir nicht geben mit der Whiskeyflasche in Richtung der großen Halle verschwand, ohne auf seinen besten Freund zu warten, unterstrich seine Geste. Der Löwe neben Lillian war verständlicherweise wenig davon begeistert. Für einen kurzen Moment fürchtete die ruhige Dächsin, dass ihr temperamentvoller Freund seine bisher exzellent gehaltenen Vorsätze in Bezug auf Hadrian in den Wind schießen würde und ihm hinterhereilte. Allerdings brummte er stattdessen nur etwas von wegen Kisten wegbringen und stampfte davon. Wobei er nicht darauf achtete, ob seine Freundin ihm nun folgte oder nicht. Und so standen kurze Zeit später die beiden Hufflepuffs allein in der Eingangshalle. Stille. Lils seufzte lautlos, kommentierte das Szenario jedoch nicht und Dorian hielt sich gestresst die Stirn.

„Entschuldige die Umstände“, unterbrach er schließlich die Stille und schenkte Lillian ein leichtes Lächeln, als sie sich überrascht zu ihm umdrehte.

„Oh, keineswegs“, antwortete sie nach einer kurzen Pause und erwiderte seine Höflichkeit. „Es ist schließlich nicht so, als könnte ich nicht einfach noch eine Flasche holen, wenn Jasper auf selbige besteht. Kommt ihr erst an? Ich habe euch bisher noch nicht gesehen.“

Noch immer mit den Kisten beladen bedeutete sie der unverhofften Begleitung, dass sie sich dennoch langsam in Richtung Theke begeben würde, er allerdings eingeladen war, ihr zu folgen. Was er auch tatsächlich tat, nicht jedoch, ehe er sie um eine Kiste erleichtert hatte.

„Dankeschön, das wäre aber nicht nötig gewesen“, vergalt sie die Freundlichkeit des Anderen, nichtsdestoweniger leise aufatmend aufgrund der geringeren Last. Auch wenn sie sich die Kisten leichter gezaubert hatte, so besaßen sie dennoch ein gewisses Eigengewicht, das auf Dauer doch auf die Arme drückte.

Während sie sich am Rand der Halle hin zu der aufgebauten Getränketheke am anderen Ende des Raumes einen Weg suchten, bekam sie die Antwort auf ihre Frage. Etwas lauter als zuvor, jedoch angemessen, bedachte man dass die Musik der Band, die Jules dieses Jahr ins Leben gerufen hatte, die Luft erzittern ließ. So erfuhr sie, dass Dorian eigentlich den nicht-offiziellen Teil des Abschlussballs hatte verpassen wollen – was ihr bereits zugetragen worden war und weswegen sie so überrascht von dem plötzlichen Auftauchen der beiden gewesen war – Hadrian ihn jedoch hierhergeschleppt habe. Ironie des Schicksals, wenn man bedachte, dass sie sich noch vor Eintritt zur Feier getrennt hatten. Am Getränkevorrat angekommen setzten sie die Kästen ab und Lillian bedankte sich höflich für die Hilfe.

„Kann ich dir ansonsten etwas Gutes tun? Als Abschlussschüler solltest du schließlich den Abend genießen und nicht Kisten schleppen“, versuchte sich die Jüngere zurück an ihrem Arbeitsplatz nützlich zu machen, was allerdings mit wenig Erfolg gekrönt war, da sich in just diesem Moment eine ihrer besten Freundinnen einmischte: „Dasselbe gilt für dich, Lils. Geh jetzt endlich feiern, ich bin seit einer halben Stunde mit meiner Schicht dran und du hast in der noch immer nichts zu suchen!“

Damit drückte Anath ihr und Dorian jeweils eine Butterbierflasche in die Hand und scheuchte sie grinsend mit fordernder Handbewegung in Richtung Tanzfläche. Auf eine Diskussion ließ sie sich nicht einmal mehr ein und wandte sich den nächsten Schülern zu, die die Theke belagerten. So blieb Lillian nichts anderes übrig, als dem Befehl Folge zu leisten. Er war gut gemeint und das wusste Lilly auch, allerdings konnte sie nicht umhin, widerwillig die Mundwinkel zu verziehen. Schließlich ging es um die Abschlussfeier ihrer Schwester und auch wenn sie mit ihr selbst nicht interagieren konnte, wollte sie doch persönlich dafür sorgen, dass der Abend für sie unvergesslich wurde. Im positiven Sinne, wodurch eine direkte Konfrontation mit ihr schon einmal ausfiel. Der letzte Versuch hatte schließlich äußerst ungemütlich für beide Seiten geendet. Nicht, dass die Hufflepuff das entmutigt hätte, allerdings hielt sie es für besser, die gewünschte Distanz zu ihrer Schwester erst einmal wieder zu akzeptieren. Und entsprechend half es auch nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen… beinahe hätte Lillian aufgrund des Paradoxons der Redewendung in Bezug auf sie gelacht. Nun denn. Da sie allerdings auch Anath den Gefallen tun wollte, nicht von zwei Seiten beansprucht zu werden, wandte sie sich zum Gehen und wurde zu ihrer Überraschung mit Dorian konfrontiert, der noch immer nicht auf die Suche nach seinem besten Freund gegangen war. Dem Gesicht nach zu urteilen, hatte er selbiges allerdings auch nicht in nächster Zeit vor. Kurz schoss Lillian die Vorstellung durch den Kopf, dass ihr Gegenüber gerade innerlich inbrünstig jeden Gedanken an Hadrian mit einem inneren Fluch begann und beendete. Ob sie mit dieser spontanen Vermutung allerdings richtig lag oder nicht, prüfte sie nicht nach. Schließlich wollte sie ihre neue Gesellschaft nicht sofort wieder mit ihrer Neugierde verjagen. In den letzten Jahren hatte Lillian den Schulsprecher zwar hoch zu schätzen gelernt, allerdings auch verstanden, dass sie nicht eng genug miteinander verbunden waren, dass er ihr derart private Gedanken offenbarte. Und auch wenn Lillian das Mysterium Dorian eben exakt deswegen zu lösen bereit war, hatte sie sich zum Wohle des guten Auskommens zurückgenommen. Entsprechend deutete sie nur fragend in eine etwas ruhigere Ecke weiter fort von der Musik, die hier das Reden beinahe unmöglich machte. Dorian stimmte – dankbar? Ihn zu lesen war oft geradezu unmöglich – nickend zu und so zogen sie sich an einen kleinen Tisch am Rand der Tanzfläche zurück, wo die Musik in erträglicherer Lautstärke spielte.

„Besser“, brach Lillian etwas erleichtert das Schweigen und nippte vorsichtig an ihrem Getränk. Tatsächlich hatte sie bis dato erst einmal von einem Butterbier kosten können und das hatte in Anbetracht ihres damals gesundheitlichen Zustandes nicht wirklich Geschmack gehabt. Eine verstopfte Nase war doch in vielen Punkten äußerst kontraproduktiv.

„Oh, das schmeckt gar nicht schlecht“, war das zufrieden ausgesprochene Ergebnis des Versuchs und sie nippte gleich noch einmal daran.

„Hast du noch nie Butterbier getrunken?“, Dorian war sichtlich überrascht und das wohl zurecht. Eine Reinblüterin, die das Zauberergetränk nicht einmal in jungen Jahren zumindest einmal kurz probiert hatte, war durchaus eine Seltenheit. Aber was sollte man machen, wenn man die ersten Lebensjahre meist im Bett verbrachte und sich das auch dann nicht änderte, wenn man ein Alter erreichte, in dem der familieneigene, fürsorgliche Butler dieses Getränk theoretisch erlaubt hätte. Sicher, Butterbier war nur leicht alkoholisch und absolut ungefährlich für Minderjährige, allerdings hatte Law bei ihr schon immer einen verschärften Blick darauf gehabt. Unter anderem auch, da er nicht riskieren wollte, dass die Heiltränke mit dem Alkohol reagierten. In Hogwarts war sie später meist bettlägerig gewesen, als es für die anderen Schüler nach Hogsmeade ging und auch wenn ihre Freundinnen immer etwas mitgebracht hatten, hatte sie für gewöhnlich auf den Genuss des Biers verzichtet. Einfach zur Sicherheit.

„Ja“, bestätigte sie also mit sanftem Lächeln Dorians Frage. „Ich hatte bisher noch nie wirklich die Möglichkeit gehabt, es auszuprobieren.“

Sie redete nicht gern über ihre vielen Krankheiten, da sie weder wollte, dass man sie bedauerte, noch dass man dachte, sie wolle dadurch Mitleid erregen. Beide Versionen passierten – letztere zum Glück seltener als erstere – und beide waren anstrengend zu ertragen. Nicht gerade das, was sie als gelungenes Gesprächsthema bezeichnen würde. Entsprechend grob blieb ihre Erklärung auch in der Hoffnung, dass Dorian nicht nachfragte. Ihr Hauskamerad schien glücklicherweise zu verstehen und hielt sich nicht allzu lange mit dem Getränk auf.

„Dann ist es doch schön, dass es dir schmeckt“, erwiderte er diplomatisch und startete ein neues Thema: „Wie war dein Schuljahr? Bist du zufrieden mit deinen Noten?“

Schule. Ausgezeichnete Wahl für Smalltalk, das musste die Neugierige zugeben und so beantwortete sie die Frage gern: „Ich fand es tatsächlich sehr aufregend. Wobei mir besonders die Dinnerabende bei Professor McCallum zusagten. Zwar denke ich noch immer, dass das Ausschlussverfahren für die Teilnahme etwas ungerecht ist, aber das ändert im Endeffekt dennoch nichts an den interessanten Denkansätzen, die man darüber bekam. Ansonsten waren meine Abschlussnoten in Ordnung. In Verteidigung gegen die dunklen Künste konnte ich leider nicht ganz die Anforderungen für den sportlichen Teil halten und in Wahrsagen hatte ich einen falschen Interpretationsansatz, aber ansonsten kann ich nicht klagen. Was ist mit dir? Hat sich das Lernen für dich gelohnt? Ich habe mir zugegeben in der Endphase etwas Sorgen um dich gemacht, da du so wenig Schlaf zu bekommen schienst.“

Noch weniger als sonst, allerdings ließ die Hufflepuff die Tatsache, dass ihr schon länger auffiel, wie wenig sich Dorian um sich selbst kümmerte, wenn es um Pflichten und Schule ging, unausgesprochen. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie ihn exzessiv beobachtete, da dem nicht so war. Es entsprach viel mehr der Wahrheit, dass sie durch ihre Beobachtungsgabe sehr viel mehr registrierte als ihre Umgebung. Gerade, wenn es um Menschen ging.

„Weißt du, was du nun machen möchtest?“, fügte sie schließlich hinzu, ohne sich ihre Gedanken anmerken zu lassen.

„Sie hätten besser sein können“, ihr Gegenüber schien wenig begeistert zu sein, wobei sich Lillian unsicher war, ob das daran lag, dass ihn übermäßige Selbstkritik plagte, oder ob seine Konzentration tatsächlich im entscheidenden Moment nachgelassen hatte. Sie tippte auf ersteres, fragte allerdings nicht weiter nach. Die kurzgehaltene Antwort wies schließlich unmissverständlich darauf hin, dass er nicht darüber reden wollte. „Und ich habe mich bereits für eine Ausbildung zum Auror beworben. Die Rückmeldung sollte die nächsten Tage ankommen.“

Lilly nickte verstehend. Sie fand die Wahl mutig, aber auch gut, wenn sie sich eine Wertung erlauben durfte. Er hatte sicherlich die nötige Disziplin und den Ehrgeiz, in dieser Richtung weit zu kommen. Vom vorhandenen Talent ganz abgesehen. Als Sohn einer extraordinären Aurorin wie es Lucrezia McAlistair war, wurde das zwar meist schon angenommen (und es stellte ihn selbst sicherlich unter entsprechenden Druck), jedoch wusste sie, dass Dorian im Duellierclub keineswegs sein Licht unter den Scheffel stellte. So gesehen hatte er sicher sehr gute Voraussetzungen. Die Reinblüterin hoffte für ihn innerlich nur, dass er in der Zentrale nicht als Sohn von McAlistair gesehen würde. Aber auch das verschwieg sie ihm.

„Oh, ich bin mir sicher, sie wird positiv ausfallen. Du hast bisher ja großes Talent im Duellieren bewiesen, wenn ich das richtig mitbekommen habe?“

Dorian hielt kurz inne, nickte dann allerdings etwas ruckartig und schenkte ihr erneut ein etwas zögerliches Lächeln: „Hast du auch schon Pläne für die Zukunft oder lässt du es für’s Erste auf dich zukommen?“

Themenwechsel. Hatte sie etwas Falsches gesagt? … Ihr fiel in ihrer Aussage nichts sonderlich Verwerfliches auf; womöglich bildete sie es sich ein und Dorian wollte auch nur Interesse bezeugen. Also ging sie darauf ein: „Ich bin mir noch unsicher. Allerdings möchte ich ebenfalls später im Ministerium arbeiten. Vielleicht im Bereich der Archive. Zumindest stelle ich mir die Arbeit dort äußerst interessant vor. Umgeben von alten Dokumenten und einem großen Informationsbestand…“

Lillian stockte, als sie bemerkte, dass sie anfing zu schwärmen. Über ein Thema, das die meisten eher ermüdend fanden oder ihr Interesse belächelten. Oder im Falle ihres Vaters mit kritischem Auge betrachteten. Das Streitgespräch in den letzten Ferien, in denen sie ihre Überlegungen an einem der wenigen Familiendinner zu Wort gebracht hatte, hallte noch immer in ihrem Kopf nach. Ihr fehle Geschäftssinn und auch wenn Ministeriumsarbeit nicht absolut sinnlos sei, interessiere sie sich für unnötige Dinge, ganz wie Joshua es erwähnt hatte. Ihr Vater war im Endeffekt tatsächlich so weit gegangen, ihr vorzuwerfen, dass sie keine Hilfe für die Familie sei. Doch das war eine Thematik, die nicht in dieses Ambiente gehörte. Verlegen strich sie sich durchs Haar und schaute kurz zu ihrer Butterbierflasche. Als sie die Stimme erneut erhob, redete sie aus Versehen in Dorian rein, der ihr gerade eine Rundführung durch das Ministerium anbot, wenn er sich in der Ausbildung befand.

Das Fettnäpfchen mit einem Lachen umkreisend, entschuldigte sie sich kurz für das Verhalten, bevor sie sich noch immer mit einem Schmunzeln auf den Lippen für das Angebot bedankte.

„Ich möchte keine Umstände machen. Aber dennoch danke für das Angebot, das ist sehr lieb von dir. Wer weiß, vielleicht komme ich ja noch einmal darauf zurück.“

Erneut ein Lachen, das zeigte, dass sie es nicht wirklich ernst meinte. Ihr war durchaus bewusst, dass der angehende Auror es nur aus Höflichkeit erwähnt hatte. Und genau dort sollte es auch bleiben, wenn es nach ihr ging. Denn der erste Teil ihrer Antwort war tatsächlich ehrlich.

„Aber wenn wir beide im Ministerium angestellt sind, sieht man sich ja vielleicht mal wieder. Bist du denn schon aufgeregt?“
 

Ihre mitgebrachten Getränke waren schon lange leer und sie hatten sich mittlerweile in Diskussionen über das Ministerium vertieft, als sich plötzlich ein Arm um den Nacken des baldigen Aurors legte und sich Hadrians Kopf in das Sichtfeld der beiden schob. Zusammen mit einer deutlichen Alkoholfahne, die den Nüchternen beinahe den Atem nahm. Zumindest ging es Lillian so, da sie ausschweifende Saufabende nicht gewohnt war. Weder von ihr selbst, noch von ihrer Umgebung. Dennoch gab sie sich Mühe, den unangenehmen Geruch möglichst zu ignorieren und ihm ein begrüßendes Lächeln zu schenken.

Das nicht wirklich ankam, da sich der Adler bereits zu Dorian gewandt hatte: „Hey, mein Freund. Was stehst du so dämlich in der Gegend rum? Die Party ist zum Tanzen da. Und du schuldest mir noch einen Tanz.“

Dorian, der nicht sonderlich begeistert über diese Aussicht war, blickte geradezu steif zu seinem besten Freund, bevor er ihm gepresst zu verstehen geben wollte, dass dessen Vorschlag unerwünscht war: „Hadrian, ich befinde mich in einem Gespräch.“

Der Adler blickte kurz zu Lillian, bevor er ihr ein süffisantes Grinsen schenkte: „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich deinen Gentleman kurz entführe.“ Seine Stimme in ironisch-sarkastischem Ton gehalten, zeigte sofort, dass er beiden keine andere Wahl lassen würde und seinen besten Freund – wenn nötig – mit Gewalt auf die Tanzfläche zerren würde. Ob Dorian das mit sich machen ließ, stand zwar auf einem anderen Blatt geschrieben, allerdings wollte die Gefragte keine Rangelei provozieren. Auch, wenn sie bezweifelte, dass es dazu kommen würde. Ihr älteres Hausmitglied wirkte für solches Verhalten viel zu vernünftig und wenn ihr scharfes Auge das richtig interpretierte, schien er in Anbetracht des alkoholisierten Zustandes seines besten Freundes bereits zustimmen zu wollen.

„Ich habe absolut nichts dagegen, nein“, beantwortete sie daher die rhetorische Frage weiterhin höflich wie eh und je und wünschte ihnen noch viel Spaß. Da waren die beiden allerdings auch schon auf halben Weg in Richtung der tanzenden Menge. Kurz schaute sie ihnen noch nach, dann machte sie sich auf die Suche nach dem wilden Gryffindor, den sie seit dem Alkoholstreit nicht mehr gesehen hatte und zugegeben ein schlechtes Gewissen bekam, dass sie ihn allein gelassen hatte…

Effect 2 - Weltreise


 

~25.12.2051~
 

Es war totenstill, als die flache Hand die Wange der jüngsten Raynolds erreichte. Keiner im Raum schien atmen zu wollen; aus Angst, der Nächste zu sein, den die Wut des Familienoberhaupts traf. Nur das Echo des Schlags hallte einige Sekunden im Salon wieder, während Lillians Finger fassungslos zu der Stelle glitten von der sich nun ein brennender Schmerz ausbreitete. Die Augen fixierten dabei weiterhin ihren Vater. Angst sprach aus ihnen. Angst vor dem, was nun kommen mochte. Angst vor dem Unbekannten.

„Ein SCHLAMMBLUT? Du wagst es, mit einem SCHLAMMBLUT durchzubrennen?“

Lillian zuckte bei den so hasserfüllten Flüchen unmerklich zusammen. Kurz wagten es ihre Augen, sich von dem bebenden Vulkan abzuwenden. Hin zu ihrer Schwester, die ebenfalls überrascht ob der Härte Stans schien. Es war keine Frage, dass sie es gewesen war, die diese Information an ihren Vater herangetragen hatte. Aber offensichtlich hatte Gewalttätigkeit nicht zu ihrer Vorstellungskraft gezählt. Für gewöhnlich ließ der Firmenchef sich nicht dazu herab.

„Hast du vergessen, wo dein Platz ist? Wer bist du, dass du mein Geld an Schlammblüter und Muggel verschenkst?“, der dröhnende Bass ließ die ehemalige Hufflepuff wieder geradeaus blicken; sie zurückweichen, als er sich anschickte, noch einmal die Hand gegen sie zu erheben.

„Antworte!“

Sie zögerte. Die Antwort, die er hören wollte, war ihr bekannt. Es war jene, die zu all der Ignoranz passte, die er ihr die ganzen Jahre entgegengebracht hatte. Aber es war nicht ihre…

„Lillian Raynolds. Deine Tochter und Erbin“, kam es stattdessen überraschend fest von der Angeklagten. Die Hand sauste erneut gen Wange.

Ungehorsam duldete man hier nicht. Lillian schloss ängstlich vor der nächsten Ohrfeige die Augen. Sie war es wert. Sie bereute nichts. Schließlich war die Weltreise wunderbar gewesen. Besser, als alles zuvor…
 

~ 36 Tage zuvor ~
 

Genießerisch schloss die Brünette die Augen, während sie spürte, wie seine von der täglichen Arbeit auf der Baustelle rau gewordenen Finger über ihr Schlüsselbein fuhren...
 

Lillian klappte irritiert das Buch zu. Vergewisserte sich noch einmal, ob sie sich beim Titel nicht doch verlesen hatte. Jakobs 1000 Wege stand dort in silbernen Lettern auf schwarzem Einband.

Keine Frage… erneut öffnete sie das Buch, erwartete fast schon einen Zauber, der den Scherz entlarven würde.

Heißer Atem glitt über ihre Haut, als Jakobs Lippen jeden Zentimeter ihres Körpers bedeckten. Sich ihren Weg immer weiter südwärts-

Nein. Definitiv kein Roman über den, bei den Muggeln hier in der Gegend, weit bekannten Jakobsweg… zumindest erklärte das die anzüglichen Blicke des Buchhändlers, als sie mit dem spanischen Werk an den Tresen getreten war. Die Reinblüterin errötete. Dabei hatte sie sich doch nur eine spannende Abendlektüre holen wollen, die ihr etwas mehr über die Stadt und ihre Menschen beizubringen vermochte.

Matt hatte sich heute Abend mit einer mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Reisebekanntschaft verabredet. Der junge Mann begleitete sie nun schon seit Italien und im Laufe der Reise hatte es zwischen den beiden geknistert. Als jedoch keiner von ihnen den nächsten Schritt zu machen schien, hatte Lillian schließlich den Platz ihrer besten Freundin Gwen eingenommen und ein gemütliches Abendessen vorgeschlagen. Leider hatte sie im Laufe des Tages angefangen zu kränkeln und beschlossen, den Abend lieber im Hotel zu verbringen. Um nicht die Zeitplanung zu sehr aufzuhalten. Natürlich hatte sie ebenfalls darauf bestanden, dass die beiden allein den Abend genossen und versichert, dass es ihr nichts ausmachte. Das Argument, es wäre schade um die Reservierung, ließ die Jungs schließlich einlenken und nun war sie seit einigen Stunden allein. Angenehm überrascht, dass ihr üblicherweise tatsächlich katastrophaler, gesundheitlicher Zustand doch für etwas gut sein konnte. Das einzige Problem war, dass sie ihre Zeit nun allein vertreiben musste und ohne den leisesten Schimmer, wie die TVs funktionierten (sie hatte es einmal versucht, was ein Entfernen der … Batterien? zur Folge hatte; seitdem ließ sie lieber die Finger davon), war sie auf ihre Lieblingsbeschäftigung – Lesen – umgestiegen. Leider waren bereits alle mitgebrachten Bücher mindestens zwei Mal beendet worden, wodurch ihr die Idee für einen Neukauf gekommen war.

Ohne Möglichkeit, einen Sprachzauber in der Öffentlichkeit anzuwenden, da die Geheimhaltung gewahrt werden musste, stellte es sich allerdings als ein Abenteuer – das vielleicht doch besser hätte vermieden werden sollen – heraus.

Unschlüssig blickte sie erneut auf den Buchband. Was sollte sie jetzt bloß tun? Es nicht zu lesen wäre Verschwendung, allerdings gehörte der Inhalt nicht wirklich zu ihren Lieblingsgenres und…

In diesem Moment schwang die Tür mit einer Wucht auf, die Lillian das Buch erschrocken in die nächste Ecke werfen ließ.

Ein völlig aufgelöster Matt warf sich Sekundenbruchteile später auf die Matratze neben ihr und begann in diese zu schluchzen. Nur unterbrochen von unverständlichen Textbrocken. Überrumpelt – so hatte sie sich seine Rückkehr nicht vorgestellt – rutschte sie etwas näher zu ihm, um dem ehemaligen Löwen Trost zu spenden, als er sich auch schon umdrehte und sein Leid gen Decke rief: „Er hat mich einfach für einen anderen sitzen lassen! Es lief so gut und dann kam dieser gut aussehende Kerl rein und… zu uns und… er ist einfach mit ihm mit. Mitten im Date. Matt, meinte er, kann spät werden, wartet nicht auf mich. Ich dachte, er mag mich. Er hat doch immer sowas in der Richtung angedeutet. Oder Lillian? Hat er doch!“ Die Angesprochene beeilte sich zustimmend zu nicken, kam jedoch nicht dazu, es mit Worten noch einmal zu bekräftigen. „Wer macht denn sowas? Er ist einfach… einfach weg! … dieses Arschloch! Wie kann man bloß so falsch sein?“

Matt wischte sich die Tränen weg, plötzlich fest entschlossen, den Verräter zu vergessen und schaute zu ihr hoch. „Und was hast du heute gemacht?“

Lillian errötete.

„Ähm… also… ich…“

Schallendes Gelächter hallte kurze Zeit später durch die Flure des Hotels.
 

~
 

Das Buch war letztlich tatsächlich eine Abendlektüre geworden, die sie sich gegenseitig vorlasen, wenn sie sonst nichts zu tun hatten. Matt war überraschenderweise mit ganzem Herzen dabei und trug die Kapitel mit voller Inbrunst in Stadion- passender Lautstärke vor. Das ging sogar so weit, dass sie eines Morgens nach einer Session ein etwas beschämtes, älteres Ehepaar begrüßten, die im Zimmer neben ihnen untergekommen waren. Das ganze Frühstück über amüsierten sie sich noch über den Blick der Frau, als Matt ihr gut gelaunt zunickte. Es hatte Spaß gemacht und letztlich war sie froh, dass Matt das Werk als Erinnerung mitgenommen hatte und es nicht bei den anderen Souvenirs in der Mitte des Salons aufgebahrt lag.
 

~104 Tage zuvor~
 

„Und was ist das?“, Lillian beugte sich interessiert über eines der vielen Geräte in der Elektroabteilung des Supermarkts. Der Verkäufer sah leicht zweifelnd zu der jungen Dame auf, erinnerte sich dann allerdings an das Servicegebot und räusperte sich.

„Das ist ein Milchschäumer“, meinte er knapp, aber höflich, als sei damit alles geklärt und wollte sich an den vernünftigeren der beiden jungen Leute richten, als die Frau tatsächlich noch einen draufsetzte.

„Ein Milchschäumer? Wie interessant! Und wie funktioniert er, wenn ich fragen darf?“

Der Japaner blinzelte einige Sekunden lang. Unsicher, ob er gerade nicht in eine dieser Fernsehverarschen reingerutscht war. Kurz blickte er sich entsprechend um, erwartete, dass gleich jemand um die nächste Ecke kam, in die Hände klatschte und mit fröhlicher Stimme erzählte, dass er soeben unfreiwilliger Darsteller in einer Fernsehsendung geworden war. Nichts.

„Sie… Wenn Sie den Stiel in warme Milch halten und dann den Knopf drücken, schäumt sie auf…“, erklärte er fast schon misstrauisch. Wäre das das erste Produkt gewesen, bei dem sie solche ordinären Fragen gestellt hätte, wäre das ja kein Problem. Nur leider waren sie – seit er ihnen seine Assistenz angeboten hatte – erst fünf Meter weitergekommen, weil die Engländerin zu wirklich jedem Teil eine Frage auf Lager hatte. Ein Blick zu dem Mann vergewisserte ihm, dass zumindest einer von ihnen gut unterhalten wurde. Wäre dieser ehrliche Blick der Ahnungslosen nicht gewesen, so hätte er diesem Irrsinn schon längst einen Riegel vorgeschoben. Von wegen elitär. Alles Hinterwäldler, da drüben auf der europäischen Insel…

„Tatsächlich? Einfach so? Faszinierend…“, die Dame schaffte es tatsächlich, wirklich begeistert über diesen Umstand zu klingen. Von Mr. Gallagher – so hatte er sich vorgestellt – hörte er hingegen nur ein leises Glucksen. „Meinst du, wir können so etwas gebrauchen?“

Diese Frage richtete sich ausnahmsweise an ihren Begleiter, der nun lachend den Kopf schüttelte.

„Wenn du es haben willst, können wir es aber trotzdem holen, klar.“
 

Merkwürdiges Pack, dachte sich der Berater zwei Stunden später, als die beiden Gestalten den Laden mit diversen Vorräten, einer Taschenlampe, einem Zelt, einer Kaffeemaschine, drei Packungen verschiedengroßer Batterien und einem Milchschäumer den Laden verließen… Nun… Ausländer eben…
 

~
 

„Verschwinde“, die Worte ihres Vaters kamen so plötzlich, dass Lillian erst einige Sekunden brauchte, um sie vollkommen zu registrieren. „RAUS! Ich will dich hier nie wieder sehen, hörst du?! Du bist eine Schande für unsere Familie! Ich habe das schon lange genug mit angesehen. Es. Reicht. Mir! Geh zu deinem geliebten Schlammblut oder wo auch immer du hinwillst, aber geh.mir.aus.den.Augen!“

Stan Raynolds Iriden funkelten gefährlich und kalte Schauer liefen der Geächteten bei jeder ausgesprochenen Silbe über den Rücken. Sie hatte vieles erwartet. Eine Strafe war in ihren Augen unausweichlich gewesen. Mit diesem Wissen hatte sie der Reise zugestimmt, aber das? Er warf sie raus? Einfach vor die Tür? Lillian öffnete ungläubig den Mund, ließ ihn jedoch unverrichteter Dinge wieder zufallen, als sie der zitternden Wut des Familienoberhaupts gewahr wurde. Er machte keine Scherze. Und trotzdem... es klang so… unecht. Sie war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen, das wusste die Raynolds bereits seit sehr jungen Jahren. Aber sie hatte sich damit abgefunden. Hatte ihm nie Probleme bereitet. Hatte den Umstand und seinen Charakter akzeptiert. Hatte sogar davon abgesehen, ihn näher verstehen zu wollen, als sie merkte, wie unerwünscht ihre Fragen bei ihm waren. Und jetzt… sie hatte einen – in seinen Augen – etwas größeren Fehler gemacht und… und es war vorbei? Ihr Blick schoss hilfesuchend zu den restlichen Anwesenden. Keiner wagte es, ihren Blick zu erwidern. Nicht einmal Law, der ihr über all die Jahre hinweg als treuer Ersatzvater gedient hatte, der ihre einzige Vertrauensperson war, wagte es in diesem Moment seinem Vorgesetzten zu widersprechen. Nur kurz erhaschte sie seine Augen, er wirkte bekümmert. Lillians Blick änderte sich in eine entschuldigende Mimik. Sie wollte ihn nicht in die Bredouille bringen. Hatte es nie vorgehabt.

Letztlich… ganz langsam… setzten sich ihre Beine in Bewegung. Gingen auf den kleinen Haufen an Erinnerungsstücken und Mitbringseln für Freunde und Familie zu. Sie sammelte alles auf und verstaute sie in dem magisch vergrößerten Koffer, der heute Mittag ebenfalls seinen Weg in die anklagende Raummitte gefunden hatte. Für einen kurzen Moment war sie erleichtert, dass sie noch nicht dazu gekommen war, ihre Kleidungsstücke und Wertgegenstände auszupacken, seit sie vor 4 Tagen wieder zurückgekommen war.

„Ich hoffe, euch ergeht es gut“, verabschiedete sie sich schließlich und schenkte ihrer Familie ein trauriges, aber dennoch ehrlich wünschendes Lächeln. Dann wandte sie sich um und schritt zum letzten Mal aus der Haustür.
 

~187 Tage zuvor~
 

„… und dann geht es über Japan, Neuseeland, Madagaskar, Italien, Spanien wieder zurück. Das wird bestimmt super“, beendete Matty seine Ausführungen. Lillian hatte während der letzten halben Stunde ruhig ihm gegenübergesessen und zugehört. Eine Weltreise klang wirklich interessant, das musste sie zugeben, allerdings war sie sich nicht so sicher, ob es eine gute Idee war. Zumindest nicht mit ihr im Gepäck. Ihre Krankheiten würden sie nur aufhalten und es gelänge ihnen so wohl niemals über den großen Teich zu fliegen, um Amerika einen Besuch abzustatten. Insgesamt mochte sie den Gedanken an das Sitzen in einem… Flugzeug? nicht sonderlich. Apparieren ging sicherlich schneller, oder nicht? Und man musste nicht Angst haben, abzustürzen. Wenn sie überhaupt in die Luft kamen. Wenn sie das richtig verstanden hatte, waren diese Muggelgefährte nämlich aus Metall. Wie dieses über längere Zeit in der Luft bleiben sollte, war der Hufflepuff ehrlich gesagt ein Rätsel. Sie gehörte zwar sonst durchaus zu den Menschen, die gern neue Dinge ausprobierten und die Geheimnisse hinter verborgenen Zaubern entdeckten, aber wenn es um Höhen ging, vergaß sie ihren Entdeckerdrang. Allein der Gedanke ließ sie leicht blass um die Nasenspitze werden. Andererseits gab es wohl keine bessere Methode, um die Nichtmagier und insgesamt neue Kulturen besser kennenzulernen. Diese Überlegung war es schließlich auch, die sie langsam nicken ließ.

„Es klingt wirklich interessant. Ich könnte wohl ein wenig Geld beisteuern. Allerdings… nicht sonderlich viel. Mein Verließ ist nicht so gefüllt wie das meiner Schwester… ich hoffe, es reicht“, antwortete sie zaghaft und wurde in der nächsten Sekunde von einem freudestrahlenden Gallagher umarmt. Blieb nur zu hoffen, dass ihre Ersparnisse wirklich reichten. Sie gab zwar nicht so viel aus, bekam allerdings auch sehr viel weniger und unregelmäßiger etwas von ihrem Vater oder anderen Verwandten. Taschengeld kannte sie nicht. Ihre Tante steckte ihr ab und an einige wenige Galleonen zu und schrieb ihr auch manches Mal, dass sie ihr etwas überwiesen habe, aber ansonsten… Es war gut möglich, dass der Traum bereits hier endete, jedoch schien sich der Gryffindor in ihren Armen keinerlei Sorgen zu machen und Lillian ließ sich von seinem Enthusiasmus mitreißen.
 

Matthew Gallagher klappte die Kinnlade herunter. Vor einer Woche hatten sie begonnen zu planen und dank Lillian waren sie sogar unglaublich schnell mit allen möglichen Problemen durch gewesen. Blieb nur noch das Thema Geld, bei dem seine beste Freundin immer wieder Unsicherheiten gezeigt hatte. Also waren sie am Ende der Planungsphase mal zu ihrem Verlies gegangen, um zu schauen, ob sie irgendwo Abstriche machen mussten. Lillian war schon den ganzen Weg über nervös gewesen. Offensichtlich war sie sich unsicher, wieviel sie für was brauchten und konnte teuer nicht wirklich einschätzen. Und jetzt das.

„Ist es nicht genug?“, fragte Lillian, sich besorgt hinter ihm an der Tür festhaltend. Matthew wimmerte leise. Nicht genug? Der Ire starrte ungläubig auf den kleinen Berg an Galleonen vor sich. Galleonen! Sicher, es gab auch ein paar Sickel und Knut, aber der Haufen Goldmünzen dominierte den Raum um einiges.

„Wie-wie viele sind das?“, fragte er mit schwacher Stimme. Hinter sich schaute Lillian betreten zu Boden.

„Ungefähr 2000 Galleonen“, gestand sie schuldbewusst, als ahnte sie bereits, dass es nicht genug sein würde. Dem jungen Zauberer wurden die Beine schwach. Zwei… zweitausend. Das waren… waren… sehr viele Pfund. „Zu wenig?“

Roboterartig drehte sich Matthew zu der Rednerin herum. Öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Seine Kehle fühlte sich rau an, doch er schaffte es, beim nächsten Versuch Töne hervorzubringen. Wenn auch noch immer krächzend: „Nein… ich… denke damit kommen wir gut um die Welt.“ Oder auch zwei Mal, fügte er in Gedanken hinzu und stakste gefolgt von dem irritierten Blick Lillians aufgrund seines Verhaltens wieder aus dem Raum. Nein, sie würden sich wirklich keine Sorgen machen müssen. Jetzt brauchten sie nur noch Last-Minute-Tickets nach New York und ein, zwei andere lebensnotwendige Dinge (Karten für das nationale Quidditch-Championship-Spiel in Washington in ein paar Wochen zum Beispiel) und dann konnte es losgehen.
 

~
 

Verwundert blickte der Braunhaarige zu der zugeschneiten Person vor sich. In der einen Hand einen angebissenen Truthahnschenkel verriet der jetzt schneller kauende Mund, wo sich der Rest des Beins befand.

„Lilly?“, er erkannte die Engländerin kaum unter dem dicken Mantel, der sie vor dem weißen Nass schützte. Tatsächlich wäre er nie darauf gekommen, hätte er kurz zuvor nicht ihr charakteristisches Hüsteln unter der Kapuze gehört. Nicht, weil sie so unbekannt aussah, sondern einfach, weil a) die Schneewehen es ziemlich schwer machten, irgendetwas zu erkennen und b) er sie nicht hier erwartet hätte. Sie wohnte schließlich viele Kilometer weit weg und es war Weihnachten…

„Was ist passiert? … Oh, komm rein, komm rein!“, registrierte der Muggelstämmige, dass es drinnen doch etwas kalt wurde und ließ sie mit ihrem Koffer in sein Haus hinein. Erst dort hob die Raynolds ihren Mantel an und blickte schuldbewusst zu dem Älteren hinauf.

„Ich… also… bitte entschuldige die Störung, ich… wusste nur nicht, wohin ich sonst sollte… mein Vater…“, sie stockte, wusste nicht wirklich, wie sie weiterreden sollte.

Zum Glück brauchte sie das auch nicht, da in dem Moment eine Stimme aus dem Esszimmer drang, die nur allzu deutlich machte, dass nicht nur Matt, sondern auch der ominöse Besuch zurück zum Essen kommen sollten. Reden konnte man, wenn nichts mehr von den traditionellen Gerichten übrig war und der gemütliche Teil des Abends begann.

„Deine Familie ist wirklich sehr herzlich“, bemerkte Lillian während sie sich auch von ihren nassen Schuhen befreite. Matt lachte und schüttelte den Kopf.

„Ach was. Es ist Weihnachten!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Schneefeuer1117
2016-01-11T20:43:19+00:00 11.01.2016 21:43
Oooooooh Honey!

Du hast mich mit diesem Kapitel unheimlich glücklich gemacht. Es passt einfach alles. Die kleinen Passagen über Matts & Lillys Weltreise sind herzallerliebst und ich stelle mir diese Reise auch genau so vor - der Schundroman, das Sitzengelassenwerden, der Elektrofachhandel (dat Milchschäumer-Idee xDDD), die lebensnotwendigen Quidditch-Tickets .. es liest sich so, als hätten wir nicht nur ein paar Stunden drüber geschwärmt, sondern als hätten wir die Reise wirklich geplant und du hast es wirklich super hinbekommen, die Beziehung der beiden darzustellen <3
Und die Galleonen-Szene..! Ich habe schon am Anfang des Kapitels gehofft, dass sie vorkommt und du hast sie reingebracht ;///; Ich dachte dir für die tolle Szene, ich habe Matt SO gut wiedererkannt xD Genau so hätte er reagiert (bzw reagiert er |3) und ich finde die Idee, dass sie plötzlich bei ihm vor der Tür steht einfach so unglaublich süß - Nala wird sie lieben. Und James denkt bestimmt, er hätte doch eine Chance auf Enkelkinder XD
Dass Lilly (im Endeffekt nicht für ihn, aber doch für ihren eigenen Weg, hach, das ist so .. so .. tiefgründig! So wunderschön) mit ihrem Vater und damit auch mit ihrer Familie bricht ist tragisch. Es ist mir ein Rätsel, wie man seinem Kind so etwas antun kann und bin noch immer total wütend auf den blöden Raynolds und mag am liebsten - ganz mattig - auf ihn einschlagen >o< Oder zumindest mal kurz die Meinung geigen. Lillian tut mir unheimlich leid und gleichzeitig finde ich es großartig, dass sie es endlich geschafft hat, sich von ihrer Familie loszusagen. Natürlich macht es mich auch traurig, aber für sie ist es eigentlich das Beste, was sie tun kann. Sie ist so ein wundervoller Mensch und zwischen all dem Hass und der Engstirnigkeit geht sie total ein.
Es ist schön, dass Matt ihr ein Stückweit da raus helfen konnte :3
...
Und ich habe das Bedürfnis, diese Weltreise zu schreiben! xD
Danke für das tolle Kapitel und die Emotionen, die du damit ausgelöst hast <3 Danke für deine wundervolle Lillian, die ich so sehr lieben gelernt habe und danke dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir ein so schönes Kapitel aus der Hand zu schütteln! ♥ ♥ ♥
Dankedankedanke! <3


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