Zum Inhalt der Seite

Das ist MEINE Katze!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Noch so ein netter Stichpunkt, auf den mich jemand aufmerksam gemacht hat. Vielen Dank. ^^ Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das ist MEINE Katze!

„Uaaaaaoooar!“, keuchte er entsetzt auf und wollte seine Pistole in Anschlag reißen, als er nur noch den großen Schatten auf sich zufliegen sah. Er kam nicht mehr dazu. Das was-auch-immer sprang ihm mit Wucht auf die Schulter, ehe er auch nur ansatzweise zum Zielen gekommen wäre. Da er sich erschrocken reflexartig wegdrehte, tropfte das Ding ungelenk wieder zu Boden, weil es auf seiner Schulter keinen Halt fand.

„John!“, bellte es hinter ihm nicht minder schockiert. Sein Kollege hatte es auch endlich gesehen und riss ebenfalls die Waffe aus der Halterung.

„Fuck. ... Nichts passiert.“, gab er zurück.

„Was ist das?“

„Eine riesengroße Scheiße!“, fluchte John aufgekratzt, was wohl eine Antwort auf die Frage sein konnte, oder auch nicht. „Das ist echt die Hölle, daß der Virus jetzt auch vor den Viechern keinen Halt mehr macht.“ Er strich sich die blonden, verdreckten Haare aus dem Gesicht und musterte das Tier, das grollend vor ihm auf dem Boden hockte, als wolle es ihm jeden Moment an die Gurgel springen. Eine Katze. Nur eine ganz normale, gewöhnliche Hauskatze. Eigentlich mochte John Katzen ja. Aber nicht, wenn sie blutunterlaufene Augen hatten, aussahen wie durch die Fleischwolf gedreht, und ihm mit angelegten Ohren und gesträubtem Fell alle 18 Krallen ins Gesicht zu schlagen versuchten. Diese hier sah zwar noch erstaunlich <intakt> aus, im Gegensatz zu anderen Zombie-Tieren, die er bisher gesehen hatte, war aber nichtsdestotrotz unverkennbar vom Zombie-Virus befallen. Andere Tiere – oder allgemein Zombies, egal ob nun tierischen oder menschlichen Ursprungs – hatten meistens riesige, klaffende Wunden und komplett fehlende Körperteile, weil sie sich gegenseitig zerfleischten. Entweder nahmen sie schon im lebenden Zustand solchen Körperschaden, wenn sie von Zombies erwischt wurden, oder sie zogen sich diese Schäden spätestens im untoten Stadium zu. Aber solange sich Zombies noch irgendwie auch nur ansatzweise bewegen konnten, gingen sie ungestört weiter ihrer aggressiven Zerstörungswut nach. So wie diese Katze hier, die ihn mit giftigen, gelben Augen belauerte und unentwegt grollte. Zombie-Tiere, vor allem die kleineren wie Vögel, Hunde und Fische, waren fast ein noch größeres Problem als menschliche Zombies, die man schon von Weitem sah und mittels einer stabil gebauten Tür aussperren konnte. Vogelschwärme überfielen einen völlig unvorgewarnt und waren zahlenmäßig meist zu groß, um ihrer mit einer Pistole Herr zu werden. Man konnte kaum noch irgendwo seine Wasservorräte auffüllen, ohne dabei von Fischschwärmen angefallen zu werden. Katzen fanden in jedes Versteck irgendwie Zugang, weil sie selbst die kleinste Lücke ausfindig machten und hindurchpassten, und das zumeist auch noch lautlos, bis sie einem am Hals hingen. Es war eine Plage.

„Knall sie ab!“, meinte Damian.

Ein empörtes <Nein!> zeterte dazwischen und aus heiterem Himmel wurde die Zombie-Katze grob im Genick gepackt und hochgehoben. John und Damian schauten fassungslos zu, wie eine junge Frau das kreischende, fauchende, um sich schlagende Tier wegtrug, ein paar Meter weiter rigeros in eine Transportbox stopfte und die Klappe schloss. Die Box rappelte daraufhin wild in der Gegend herum, und wo immer die Lüftungs- und Sichtschlitze breit genug waren, schlugen die Krallen heraus.

„Das ist MEINE Katze!“, stellte die junge Frau dann an Damian gewandt klar und stemmte die Hände in die Hüften. Sie hatte zwei brünette Zöpfe und ihre Haut und ihre Klamotten waren so schmuddelig wie bei jedem Überlebenden. Diese postapokalyptischen Zustände, die den Massenpaniken, Plünderungen und Bürgerkriegen nachgegangen waren, herrschten seit über 3 Wochen. Niemand hatte mehr Wasser oder Strom. Oder eine gesicherte Wohnung. Oder saubere Kleidung. Wer noch sein nacktes Leben hatte, hatte für gewöhnlich nicht viel mehr als eben dieses. Aber auf ihrem Gesicht stand nicht die gleiche Todesangst und Panik wie bei jedem anderen Überlebenden. Sie wirkte sicher und selbstbewusst. Wie jemand, der wusste, was er tat. John hatte gar nicht geglaubt, hier draußen überhaupt noch Überlebende zu finden. Sie schien wohl ein Survival-Genie zu sein, auch wenn ihre Arme und ihre linke Wange mit mehr oder minder frischen Kratzspuren nur so übersäht waren.

„Was willst du mit dem Ding? Machst du medizinische Test, um gegen den Virus vorzugehen, oder sowas?“, hakte Damian verständnislos nach.

„Nein! Das ist meine Katze!“, meinte sie nochmals.

Den beiden Männern schlief das Gesicht ein, als sie verstanden. <Katze> stand hier gleichbedeutend für <Haustier>. „Bist du bescheuert??? Mach das Vieh tot! Sonst tu ich es!“, schnappte John empört.

„Neeeeiiiiiinnnn! Ich liebe meine Miezekatze!“, maulte sie stinksauer. „Die geb ich nicht her! Mir egal, ob die ein Zombie ist. Fleisch gefressen hat die schon immer! Nur weil sie jetzt beim Jagen ihrer Beute etwas rabiater ist als früher ...“

„Sie wird dich noch anstecken, du Idiot!“

„Dann hätte sie das in den letzten 14 Tagen schon mehr als gründlich getan. Aber ich bin zweifellos immer noch quicklebendig.“

Ah ja. Daher also hatte sie all die Kratzer und Bisswunden, stellte John fest. Er kam mit dem Kopfschütteln gar nicht mehr nach. Diese junge Dame mit ihrem Zombie-Kuscheltier verwirrte ihn maßlos. Normalerweise hätte er sich gefreut, seine nur noch 4-köpfige Gruppe von Überlebenden wieder mit neuen Mitstreitern auffüllen zu können. In der Gruppe überlebte es sich meistens etwas leichter. Aber ob er die hier wirklich bei sich haben wollte, da war er sich nicht so sicher. Bevor er allerdings über die Frage, ob der Zombie-Virus etwa nicht von Tieren auf Menschen übertragbar war, nachdenken konnte, wurde hinter ihnen die Tür mit einem lauten Bersten zerschlagen und eine Welle von Zombies stürzte herein. Fluchend riss John seine Waffe wieder hoch und verteilte das Blei auf die Angreifer. Im Gefecht wurde er von der jungen Frau getrennt, die mit ihrem Monster in der Transportbox erstmal eilig türmte, bevor sie sich um die Sicherung der Umgebung kümmerte.

Wieso gehen die Mücken immer auf mich?

Die junge Frau mit den brünetten Zöpfen lies das Magazin aus ihrer Pistole fallen, rammte ein neues in den Magazinschacht, zog den Schlitten an um durchzuladen, und steckte ihre nunmehr wieder einsatzfähige Knarre weg. „Aua, lass das!“, maulte sie dann tadelnd, als die Zombiekatze mit den Krallen herausangelte und den Stoff ihrer Jeanshose ins Innere der Transportbox zu zerren versuchte. „Komm, wir ziehen weiter, Süßer. Hier haben wir alles aufgeräumt.“ Sie schnappte die Transportbox am Henkel und wollte losspazieren. An sich war es erstaunlich, daß das bisschen Plastik dem Toben des wilden Tieres tatsächlich standhielt.

„Hey, jetzt warte doch mal!“ John beeilte sich, zu ihr aufzuschließen. „Was ... Wo ...“ Er unterbrach sich selbst wieder, weil er gleich gar nicht wusste, welche Frage er zuerst stellen sollte. Er hatte einfach zuviele. Welche war wohl die wichtigste? „Du kämpfst ganz schön effektiv!“, meinte er als Zeitüberbrückung, bis er sich entschieden hatte.

„Kann man von euch nicht behaupten. Ihr verschwendet Munition.“, gab sie nur etwas schnippisch zurück und marschierte weiter.

John blieb ihr trotzig auf den Fersen. „Hast du eine militärische Ausbildung? Du scheinst gut klarzukommen!“

„Ich bin früher ganz gern mal auf dem Schießstand gewesen. Mehr nicht.“

„Und du ... du rennst tatsächlich mit diesem Monster-Viech da rum?“

„Lass meinen Kater in Ruhe!“, nörgelte sie wütend. „Das ist MEIN Kater, okay?“

„Schon gut, das sagtest du ja bereits.“, gab John beschwichtigend zurück. „Nun bleib doch mal stehen, bitte!“

Sie stellte genervt ihre Transportbox auf dem Boden ab, verschränkte die Arme und sah ihn wartend an. Aber immerhin, sie blieb stehen.

„Wie heißt du überhaupt?“

„Du kannst mich Kira nennen. Und ja, ich bin allein unterwegs, und nein, ich werde nicht für euch den Bodyguard spielen. Ich komme sehr gut klar, weil ich nur für mich selber verantwortlich bin, und werde mir keine Gruppe von handverlesenen Vollidioten aufhalsen, auf die ich auch noch aufpassen muss.“

Der blonde Kerl seufzte ernüchtert. Die Kleine war offensichtlich wirklich so hart drauf wie man vermuten musste. „Du hast eine hohe Meinung von uns, wie ich sehe.“

„Ehrlich! Wie könnt ihr so bescheuert sein, den Haupteingang aufzubrechen, wenn ihr in ein Gebäude rein wollt, und die Tür dabei so zu beschädigen, daß sie nicht mehr zu schließen geht? Wollt ihr unbedingt sterben? Wenn man schonmal ein sicheres Gebäude findet, dann sucht man sich doch einen Weg hinein, auf dem die Zombies einem nicht folgen können!“, fand Kira ungehalten.

„Ist das hier dein Versteck? Hast du das Gebäude so gesichert?“, hakte John nach.

„Nein. Meine Katze ist euch hier rein gefolgt. Ich wollte nur vermeiden, daß sie euch was tut. Oder ihr meiner Katze.“

„Hör mal, wir haben mit unseren Pistolen ne Menge Krach gemacht. Sicher wimmelt es hier gleich von Zombies. Wir haben in der Nähe einen gut gesicherten Unterschlupf. Und die Sonne geht bald unter. Bleib doch eine Nacht bei uns und morgen sehen wir weiter. Du kannst ja morgen alleine weiterziehen, wenn du unbedingt willst.“, schlug John vor und steckte auch seine eigene Knarre endlich weg.

Kiras Blick wanderte nachdenklich zum Fenster. Das war in der Tat ein gutes Angebot. Sollte sie das wirklich ablehnen, weil sie zu stolz dafür war? „Ich werde mich aber nicht von meiner Katze trennen! Und ich schieße auf jeden, egal ob Zombie oder nicht, wenn er meiner Katze ans Leder will.“

„Verstanden. Sieh nur zu, daß sie dir nicht wieder ausbüchst, solange sie sich in unserem Versteck befindet.“, bat John.

„Mein Kater ist mir nicht ausgebüchst!“

„Na hast du ihn etwa vorsätzlich frei rumrennen lassen?“

„Ja. Ich kann ihn ja nicht ständig da drin lassen. Irgendwann braucht er auch mal Freigang und muss sich bewegen dürfen.“, schmollte die junge Frau und lies ihm damit einmal mehr das Gesicht einschlafen.

„Das ist kein Lebewesen mehr!“, stellte John grenzhysterisch klar.

„Hackt´s bei euch total? Das Vieh bleibt draußen!“, mischte sich Damian ein, der sich inzwischen dazugesellt hatte um das Gespräch zu verfolgen. „Das nehmen wir nicht mit in unseren Unterschlupf! Das kann in seiner Transportbox draußen vor der Tür stehen bleiben, wenn überhaupt!“

Kira musterte ihn unwillig. „Du siehst scheiße aus!“, diagnostizierte sie und deutete auf seine blasse Haut und die Augenringe. „Das ist kein gutes Zeichen.“

„Du bist mir direkt sympathisch.“, gab Damian zynisch zurück. „Wenn man völlig übermüdet ist und nur wenig zu essen bekommt, sieht man eben nicht mehr taufrisch aus! Guck dich mal selber an!“

„Seht zu, daß ihr in die Gänge kommt, wenn ihr aus diesem Gebäude lebend wieder raus wollt. Ihr habt die Tür ja demoliert und die Zombies werden nicht so höflich sein, draußen zu bleiben.“, stellte sie klar, griff wieder nach der Transportbox und ging voraus.

„Ich mag die nicht! Willst du die wirklich mitnehmen?“, wollte Damian leise wissen, in der Hoffnung, Kira würde ihn nicht mehr hören.

„Wir sollten sie wenigstens Silent Lex vorstellen. Er wird stinksauer auf uns sein, wenn er hört, daß wir eine Überlebende gefunden haben und sie nicht mitgebracht haben. Ich schätze, wenn er ihre Katze sieht, wird er sich schon von selber überlegen, ob er sie wirklich in unserer Gruppe haben will. Und selbst wenn wir wieder getrennte Wege gehen, kann sie uns vielleicht noch nützliche Infos geben.“
 

„Hey, wir sind zurück.“, meldete Damian, steckte seine Waffe weg und lies sich schwer auf irgendeinen Sitzplatz fallen. Er keuchte als wäre er eine längere Strecke gerannt. Die Hitze machte ihn ganz schön fertig.

„Habt ihr Lebensmittel oder Munition gefunden?“

„Nein, aber eine Überlebende. Das ist Kira. Kira, das ist Silent Lex.“, stellte John die beiden einander vor. „Er ist der Kopf unserer Gruppe. Er hat hier so ein bisschen das Sagen und trifft die Entscheidungen. Oder sagen wir, er liefert die Ideen, das trifft es vermutlich eher.“

Kira nickte herablassend. „Ah ja. Woher stammt der Titel <Silent Lex>? Lex ist wohl eine Kurzform für Alex oder Alexander oder was in der Art, nehme ich an!?“ Sie pappte ihre Katzenbox auf den Boden und setzte sich einfach darauf. Das Ding hielt ihr Gewicht tadellos. Schien wohl doch stabiler zu sein als gedacht.

„Ja, Lex steht für Alexander. Und er redet nicht viel.“

„Ein guter Mann!“, fand Kira. Sie schätzte es sehr, wenn man nicht viel laberte. Sie sah sich um, während Silent Lex sich aus seiner Ecke erhob und herüberkam. Neben ihm, John und Damian bestand diese Gruppe aus nur noch einer weiteren Person, nämlich einer Frau im fortgeschrittenen Alter.

„Fuck, man, warum gehen die scheiß Mücken immer auf mich?“, jaulte Damian im Hintergrund genervt auf und schlug eines der Stechinsekten an seinem Hals tot. Kira warf ihm noch einen halb besorgten, halb herabwürdigenden Blick zu. Damians Haut war inzwischen noch eine gute Ecke blasser und die Augenringe deutlicher geworden. Und ihm standen dicke Schweißtropfen im Gesicht. So warm war es doch nun auch wieder nicht. Das gefiel ihr gar nicht.

„Fuck! Ist das´n Zombie?“, keuchte Silent Lex und sprang wieder zurück, als aus der Box heraus eine Kralle nach ihm schlug.
 

„Kira, richtig?“ Der große Hühne stellte sich neben sie ans Fenster und warf ebenfalls einen Blick hinaus. Es war inzwischen schon mitten in der Nacht und es war sowas ähnliches wie Ruhe eingekehrt.

Die junge Frau schaute ihn nicht an, sie nickte nur leicht. An der tiefen, brummenden Stimme erkannte sie Silent Lex auch so. Und wenn nicht daran, dann an seinem Spiegelbild in der Glasscheibe.

„Deine Katze macht ganz schön viel Theater.“, fuhr er ruhig fort.

Kira nickte wieder. Auch wenn sie das Tierchen ins Nebenzimmer verfrachtet hatten, hörte man das anhaltende Protestgejaule und Grollen leise in der ganzen Unterkunft. „Tut mir leid, wenn sie euch wach hält. Zombies schlafen leider nicht.“

„Und wieso schläfst DU nicht?“, wollte er wissen. Wenn das ihre Katze war, musste sie es doch zumindest gewöhnt sein. „John hält Wache. Du bist hier sicher.“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Ihr solltet Damian schnellstmöglich loswerden.“, gab sie kühl zurück und deutete blind über die Schulter auf den besagten Kerl, der sich unruhig im Schlaf wälzte. „Er ist eindeutig infiziert.“

„Quatsch. Er hat Fieber bekommen, wer weis was er sich eingefangen hat, aber das hat nichts zu sagen. Deswegen ist er ja nicht gleich ein Zombie. Wo soll er sich auch infiziert haben? Er wurde ja gar nicht gebissen.“

„Nein. Aber Mücken und Flöhe übertragen den Virus auch. Man muss sich nicht von einem Zombie beißen lassen, um einer von ihnen zu werden.“, erklärte Kira in gedämpftem Tonfall, um die anderen nicht zu wecken. Ihr Blick blieb dabei weiter aus dem Fenster gerichtet.

Silent Lex warf unter diesem Gesichtspunkt nochmal einen Blick auf seine Mitstreiter. Und kratzte sich dabei unbehaglich einen Mückenstich, den er selber am Arm hatte. Wurde der Virus echt auch durch blutsaugendes Ungeziefer übertragen? Er hörte in sich hinein, ob er sich irgendwie komisch fühlte oder Anzeichen von Krankheit spürte. Und vor allem fragte er sich, woher diese Kira sowas wusste. „Woher kommst du?“, hakte Silent Lex nach, nachdem er beschlossen hatte, daß er sich gut fühlte.

„Aus Tomahawk, Wisconsin.“, erwiderte Kira knapp, wohl wissend, daß das nicht seine eigentliche Frage gewesen war. Nicht bei diesem argwöhnischen Tonfall.

„Das ist aber schon ne ganze Ecke weit weg.“

„Das alles hier ist auch schon ne ganze Weile am Laufen.“, lächelte sie müde.

„Hast du die Katze die ganze Zeit mitgeschleppt? Den ganzen Weg von Wisconsin hier runter?“, brummte Silent Lex.

Kira seufzte leise. Gerade machte dieser Kerl seinem Spitznamen keine Ehre. Sie wünschte, er wäre still gewesen und hätte sie in Ruhe gelassen. Sie wollte lieber Damian im Auge behalten, um sofort reagieren zu können, wenn mit ihm irgendwas war. Es würde sich bestenfalls noch um Minuten bis wenige Stunden handeln, bis er zum Zombie wurde. Sie würde ihn sofort abknallen, sobald sein Atem aussetzte. „Ich habe in Wisconsin in einer Tierklinik in meinem Nachbardorf gearbeitet.“, begann sie also notgedrungen leise zu erzählen. „Wir haben einen verwahrlosten Hund reinbekommen, einen Streuner, der einen Glassplitter im Rücken stecken hatte. Ein Passant hatte ihn aufgelesen und aus Mitleid zu uns gebracht. Der Hund hatte miese Flöhe. Und obwohl wir ihm einen ziemlichen Hammer von Flohmittel verpasst hatten, hatten wir bald auf der halben Station eine Flohplage. Der Streuner war das erste Tier, das ich je gesehen habe, das zum Zombie wurde. Und alle Tiere, die sich von ihm Flöhe eingefangen hatten, wurden später auch zu Zombies. Die flohfreien Tiere nicht. Es kann nur an den Flöhen gelegen haben. Wir waren ziemlich überfordert. Die Tiere sind in ihren Käfigen total ausgeflippt und aggressiv geworden. Selbst welche, die förmlich schon im Sterben gelegen hatten und gar nicht mehr die Kraft dazu hätten haben dürfen. Wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, was das war. Wir hatten bis dahin noch von keinem Fall gehört, bei dem auch Tiere vom Zombie-Virus befallen worden wären. Wir hatten das gar nicht für möglich gehalten. ... Leider hatten wir keine Zeit mehr, in unserem Klinik-Labor noch medizinische Tests dazu zu betreiben, denn unser Dorf wurde noch am gleichen Tag von den Zombies überrannt und wir mussten Hals über Kopf fliehen.“

Silent Lex brummte verstehend. „Und das Zombie-Vieh da drüben im Nebenzimmer? Hast du das aus der Klinik mitgebracht?“

„Nein. Das ist mein Hauskater. Sicher wird jeder klar denkende Mensch sagen, daß man doch andere Probleme hat, in so einer Lage. Aber ich konnte ihn einfach nicht zurücklassen. Er ist alles, was ich noch habe. Auch wenn ich mich seinetwegen alleine durchschlagen muss. Die Evakuierungs-Truppen, als es noch welche gab, hätten mich niemals mitgenommen, mit einem Tier im Gepäck. Naja, war vielleicht auch besser so. Es sind ja alle Auffangstationen überrannt worden, bis zur letzten. Wäre ich in einer gewesen, wäre ich jetzt sicher schon lange tot. Als ich fliehen musste, war mein Kater noch gesund. Er ist während meiner Flucht irgendwann zu dem geworden, was er jetzt ist. Woher er den Virus hat, weis ich ehrlich gesagt nicht. Alles was ich sagen kann, ist, daß er mich bisher nicht angesteckt hat, obwohl er mich mehrfach gekratzt und gebissen hat. Ich habe aber einen Fall mitbekommen, wo ein infizierter Fuchs einen Hund gebissen hat und der Hund zum Zombie wurde. Der Virus scheint durchaus artübergreifend übertragbar zu sein, aber offenbar nicht völlig schrankenlos.“

Hinter ihnen wurde gequältes Stöhnen laut und Damian wälzte sich noch unruhiger im Schlaf hin und her als sowieso schon. Kira schaute zurück und musterte ihn, eine Hand schon an der Pistole. „Ehrlich, ihr solltet ihn loswerden!“, legte sie Silent Lex ernst aber leise ans Herz. „Und beschafft euch Mückenspray!“

„Glaubst du, untote Mücken stören sich noch an Insektiziden?“

„Mücken werden nicht zu Zombies. Dafür ist ihr Nervensystem zu minderentwickelt. Sie übertragen nur den Virus von einem Menschen zum nächsten, wenn sie stechen.“

„Wie Malaria?“

„Wie Malaria!“, bestätigte Kira und ging dann aus dem Raum um nach ihrer Katze zu sehen. Die war inzwischen skepsiserregend ruhig geworden. Das war bei Zombies nie ein gutes Zeichen. Sie sollte zusehen, hier wieder wegzukommen, entschied sie dabei. Sie war bisher alleine tadellos klargekommen und würde das auch weiter so beibehalten. Andere Menschen waren in ihren Augen Risiko-Faktoren. Man musste auf sie aufpassen und auf sie Rücksicht nehmen. Sie konnten zu Zombies werden, sie mussten mit Nahrung versorgt werden und sie konnten mit unbedachten Aktionen Zombies anlocken oder die Barrikaden gefährden. Nein, es war Kira lieber, nur für sich selbst sorgen und nur auf sich selbst aufpassen zu müssen. Morgen würde sie diesen Leuten hier zeigen, wo sie noch ein paar Lebensmittel und Waffen fanden, und dann würde sie weiterziehen.
 

Silent Lex öffnete die Balkontür und trat hinaus. Der Balkon war über der Haustür, dem einzigen Zugang zum Gebäude. Wenn hier irgendwas rein wollte, würde John es vom Balkon aus sehen. „John, gehst du mal unseren Fluchtweg checken?“, trug er dem zum Wachdienst eingeteilten blonden Kerl auf, der gerade müde rumgelungert hatte. Wenn der sich mal etwas bewegte, wurde er vielleicht wieder munter.

„Hm. Du bist noch wach?“, grummelte John unmotiviert und rückte das Gewehr auf seinem Schoß zurecht.

„Ja, deine neue Freundin auch.“

„Ihr habt nen Fluchtweg hier raus?“, hakte Kira nach, die es beim Zurückkommen gehört hatte, den spitzen Kommentar aber überging.

„Ja, ein Gulli, unten im Keller. Wenn das Haus von Zombies umstellt ist und sie die Tür aufzubrechen drohen und wir nicht mehr raus kommen, können wir noch durch die Kanalisation abhauen.“

Die junge Frau mit den brünetten Zöpfen zog ein durch und durch sarkastisch-verstehendes Gesicht. „Seid ihr Spaßvögel jemals da unten gewesen?“

„Nein, wieso?“

„Da wimmelt es nur so von Zombie-Ratten! Ihr kommt keine 20 Meter weit, bevor die euch restlos zerfleischt haben!“

„Echt? Scheiße!“, lies John einen sehr männlichen Fluch verlauten.

„Junge, wie habt ihr es bloß geschafft, bis jetzt zu überleben?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  GodOfMischief
2020-03-06T10:12:43+00:00 06.03.2020 11:12
Hallo :)

Ich muss zugeben, die Idee ist schon ein wenig abgedreht; bis dato hatte ich auch nur einmal eine ähnliche Idee im Sinn, was Tiere angeht, allerdings mit Vampiren (á la dem armen Reh, was in twilight angebissen wurde :'))
Dementsprechend ist auch die Umsetzung sehr interessant und bietet so viel Potenzial - direkt nach dem ersten Kapitel habe ich mich nämlich auch schon gefragt, was ist eigentlich mit Mücken?
Und im Zweiten wurden sie auch schon erwähnt :'D
Da muss man wirklich schon sagen, dass es ein wenig schade ist, dass das ganze in zwei Kapiteln abgeschlossen ist.

Was die Charaktere angeht, so sind die beiden Herren schon fast ein wenig blass neben der 'verrückten Katzenlady' und sie hat vollkommen Recht damit, zu hinterfragen, wie sie eigentlich so lange haben überleben können.
Kira hat wirklich alles rausgehauen, nicht nur, dass sie ihre Katze nicht gehen lassen will, aber sie scheint auch eine ziemlich interessante Hintergrundgeschichte zu haben, gerade was Infos über das Virus angeht und ihre Selbstverteidigungsstrategie. Über sie würde man wirklich gerne mehr erfahren wollen - und trotzdem ist es gerade hier, für eine Kurzgeschichte, gut gewählt, dass sie eher ein Nebencharakter ist; das macht neugierig.

Gerne hätte ich auch noch mehr über das Virus erfahren. Wo genau kommt er her? Welche Arten übertragen ihn, welche nicht? Natürlich wurde es im zweiten Kapitel ein wenig angeschnitten, aber auch hier wird man mit dem Gefühl zurück gelassen, dass man einfach mehr erfahren will.

Trotz allem, vielen Dank für dieses kurzweilige Lesevergnügen, es hat mir wirklich Spaß gemacht :)

lg
Von: abgemeldet
2015-08-01T09:16:59+00:00 01.08.2015 11:16
Ich muss zugeben, dass mich die... Absurdität der Situation, in der sich deine Charaktere befinden, gerade sprachlos gemacht hat - was schon was heißen will. Ich weiß ja nicht womit ich gerechnet hatte, als ich die Kurzbeschreibung gelesen hatte, aber diese kleine Geschichte hat mich eindeutig überrascht.
Zuerst einmal finde ich das Konzept von Zombietieren ziemlich cool, vor Allem auch, dass dabei eben nicht die großen Tiere die gefährlichsten sind, sonder kleinere, die eben in großen Zahlen auftreten (Ratten! Ratten wären definitiv auch ein Kandidat für das fürchterlichste Zombietier!). Also dafür mal einen Daumen hoch =D
Obwohl die Geschichte aus Johns Sicht beschrieben ist, finde ich, dass die unbekannte Frau den stärksten Eindruck hinterlässt. Sie ist in ihrer Art so ... anders, als man es in einer derartigen Welt vermuten würde. Und ich mag schräge Charaktere. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Katze einsammelt und mitnimmt, finde ich unheimlich toll und du bringst gut herüber wie verdutzt die beiden Männer angesichts dieser Situation sind. Kann man ihnen auch nicht übel nehmen.
Was ich mich allerdings frage: wie wird das Virus übertragen? Und kann das Virus einfach artübergreifend alles befallen, oder sind es verschiedene Mutationen des Zombievirus, die sich ausgebildet haben, sodass eine Katze zB keinen Menschen infizieren kann, aber andere Katzen? Die Tatsache, dass sie offensichtlich gebissen und gekratzt wurde, würde ja dafür sprechen, dass eine Übertragung nur innerhalb der eigenen Art möglich ist (also von Mensch zu Mensch) oder innerhalb ähnlicher Arten (Affe zu Mensch, um bei einem klassischen Beispiel zu bleiben). Wenn du dir dazu Gedanken gemacht hast, würde ich mich über eine kurze Rückmeldung freuen, ich bin da sehr neugierig =D
Alles in allem eine wirklich schöne Geschichte, die mir gerade den Tag versüßt hat!
Antwort von: Futuhiro
01.08.2015 13:58
Aww, danke schön, das freut mich. ^^

Stimmt, Ratten wären auch eine haarige Angelegenheit. Auf die bin ich so auch noch nicht gekommen. Aber die bleiben ja meist in der Kanalisation. Solange man sich als Mensch also nicht dort unten rumtreibt, sollte man die ganz gut umgehen können. ... Andererseits wäre es auch wieder denkbar, daß man sich als Überlebender erst recht in der Kanalisation verschanzt, um den Zombies und untoten Landtieren zu entgehen, die oben in den Straßen sind. Das ist ein Gedanke, den ich bei Gelegenheit mal weiterspinnen könnte. Danke für diese geniale Anregung. ^^

Zum Virus, ja, ich hatte es mir tatsächlich so vorgestellt, daß der Virus nur unter "ähnlichen" Lebensformen übertragbar ist und es verschiedene Mutationen gibt. Es sind (in meiner Story hier) auch bei weitem (noch) nicht alle Tierarten davon betroffen. Es sind derzeit noch vorrangig die menschennahen Tiere, wie Nutz- und Haustiere oder Tiere die auf Nahrungssuche gern mal in die Städte kommen (Waschbären, Füchse, Raben), die vom Zombie-Syndrom befallen sind. Die wilden Tiere wie Löwen, Gnu-Herden und sowas, die es nur draußen in der Pampa gibt und die mit Menschen normalerweise nicht groß in Kontakt kommen, betrifft es (noch) nicht so. Weil der Mensch der "ursprüngliche" Überträger für den Zombie-Virus war und sich der Virus vom Menschen aus via Mutation weiterverbreitet hat. Aber es verbreitet sich immer weiter, da ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. ^^
Ich seh schon, das Konzept ist wohl zu umfassend für meine 2,5 Seiten Kurzgeschichte. Ich hätte was umfangreicheres draus machen sollen.

Die junge Dame mit ihrer geliebten Miezekatze ist auch nochmal so ein Kapitel für sich. Über die könnte ich auch noch viel erzählen. ^^

Vielen Dank für´s Lesen und den langen, konstruktiven Kommentar. Hat mich sehr gefreut.
Von:  Miezel
2015-07-18T08:18:08+00:00 18.07.2015 10:18
Uuuuuuund? Weidaaaaaaaa schneeeeellllll, bevor dich die Katze erwischt.... Schöner Anfang, gefällt mir seeeehr gut
LG


Zurück