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Ich bin bereits tot

John-Cleaver-Reihe
von

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Prolog: Sie haben uns gefunden.

„Was würdest du aufgeben, um ein Begabter zu werden?“

Die Verlockung eines unbesiegbaren Königs, ausgesprochen von der Stimme eines Mörders, in einer kalten Winternacht, in der Garage einer Leichenhalle.

Ein schwarzhaariger junger Mann von 17 Jahren, der vor der Entscheidung seines Lebens stand, der allein mit seiner Intelligenz die Aufmerksamkeit dieses Königs auf sich gezogen hatte, dem gerade alles versprochen wurde, was er sich jemals erträumt hatte.

Und doch waren da Zweifel, die ihn davon abhielten, diese Entscheidung zu treffen.

„Du musst einfach nur das Richtige aufgeben.“

All die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, trafen immer wieder auf einen zerbrochenen Spiegel. Ein Badezimmer voller Blut. Der schrecklichste Anblick seines Lebens, den er vergessen wollte, am besten für immer.

Er müsste ablehnen, er wusste das. Es war nicht gut, er kannte die zerstörten Existenzen. Jene, die der König Begabte nannte, die sich selbst aber vielmehr als Verfluchte oder Verwelkte sahen. Eine solche stand neben ihm, bat ihn, das Angebot nicht anzunehmen. Ein Häufchen Elend, einst so mächtig wie ein Gott und nun nicht viel mehr als ein zerrütteter Geist in einer verrottenden Hülle, so wie er es bei vielen anderen, die von ihm getötet worden waren, beobachtet hatte.

Aber vielleicht … nur vielleicht würde es bei ihm anders werden.

Also schloss er die Augen und hieß den endlosen, unzerstörbaren Frieden willkommen.

„Bist du bereit? Wir müssen uns mit einigen Leuten treffen.“
 

Zur selben Zeit, viele tausend Meilen entfernt, stand ein anderer junger Mann, der dem ersten ähnelte, ebenfalls vor einer lebensverändernden Situation.

Er kniete, inmitten von schwarzen, öligen Pfützen, im Eingangsbereich seines Hauses. Neben ihm lag der Körper seines Vaters, aus den länglichen Wunden, die in seine Brust geschlagen worden waren, floss noch mehr von dieser Substanz, statt rotes Blut, wie es eigentlich zu vermuten gewesen wäre.

„Kieran ...“

Ein verzweifeltes Schluchzen, das die Stille durchbrach, ein schweres Atmen.

Es war nicht der junge Mann, der weinte, er starrte einfach nur. Wartete auf etwas, das nicht eintrat, was er nicht verstehen konnte.

„Es wird nicht funktionieren. Er hat sie mir genommen.“

Mit einer kraftlosen, unbestimmten Bewegung, deutete er zu einer der Lachen hinüber. Der junge Mann, der Kieran genannt worden war, schüttelte mit dem Kopf, unwillig, diese Wahrheit einzusehen, sie zu akzeptieren, doch er sagte immer noch nichts, hörte dafür die folgenden Worte umso deutlicher: „Du musst fliehen. Sie wissen von dir. Und sie werden dich suchen. Nimm alles aus der Schublade und lauf. Sie dürfen weder dich, noch etwas aus dieser Schublade jemals finden.“
 

Nur eine halbe Stunde, nachdem der Körper seines Vaters ebenfalls zu einer solchen Pfütze geworden war, lief Kieran mit einer Sporttasche über der Schulter quer durch die Stadt. Er wagte kaum, den Bus oder irgendein anderes Fortbewegungsmittel zu nehmen, wechselte die Straße so oft wie möglich und vermied es, irgendjemanden anzusehen. Jeder Passant, der ihm begegnete, kam ihm verdächtig vor, auch wenn er keiner seiner Verfolger war.

Als er schließlich vor dem Haus ankam, das sein Ziel war, atmete er kaum merkbar auf, wobei sein Atem als weißer Lufthauch vor ihm sichtbar wurde – und es dadurch sehr wohl merkbar wurde.

Wenige Sekunden später befand er sich bereits im Haus, lief eilig zu dem gesuchten Stockwerk hinauf und blieb dort wieder vor einer bestimmten Tür stehen. Sie war geöffnet, ein junger Mann, ein Freund, stand mit verschränkten Armen gegen den Rahmen gelehnt und sah ihn amüsiert schmunzelnd an. „Kieran, welch glücklichem Umstand verdanke ich deinen Besuch?“

Noch immer ein wenig atemlos dauerte es einen kurzen Moment, bevor er antworten konnte. In dieser Zeitspanne gelang es seinem Gegenüber, die Situation einzuschätzen, worauf sein Blick ernst wurde, aber er sagte nichts mehr.

Das überließ er dafür gänzlich Kieran, der endlich zu Atem gekommen war: „Sie haben meinen Vater umgebracht. Sie haben uns gefunden.“

Kapitel 1: Ich bin auch kein Mensch.

Mir war schon immer bewusst, dass ich anders bin. Nicht nur weil ich nie etwas mit den Themen aller meiner Mitmenschen etwas anfangen konnte oder weil ich nicht verstand, warum bestimmte Dinge beliebt waren. Nicht, weil ich Fan von außergewöhnlichen Dingen war, die sonst niemand kannte. Ich war selbst im Vergleich zu denen, die anders waren oder so sein wollten, anders. Ich passte nirgendwo dazu, denn ich war – und bin – nicht normal.

Normale Menschen bluten rot, wenn sie sich verletzen, es dauert Tage oder sogar Wochen, bis die Wunden verheilen. Wenn ich mich verletze, blute ich rot-schwarz, aber nur für wenige Sekunden, dann ist es, als wäre dort nie etwas gewesen, nicht einmal eine Narbe bleibt zurück.

Normale Menschen verteidigen sich mit ihrem Körper oder mithilfe herumliegender Gegenstände gegen Angriffe. Wenn ich angegriffen werde, brechen Ketten aus meinem Rücken, die mir jede Gefahr vom Leib halten.

Normale Menschen ernähren sich rein von Lebensmitteln. Ich ernähre mich von den Erinnerungen toter Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier.

Normale Menschen haben normale Eltern. Mein Vater war ein Dämon.

Gut, Dämon ist vielleicht das falsche Wort. Er bezeichnete sich selbst als Verwelkter, kurz bevor er im letzten Jahr starb. Ich weiß nicht, was alles dahintersteckt, da mir vieles selbst jetzt noch vollkommen unverständlich ist, nur dass die Verwelkten fast so alt sind wie die Menschheit, aber ich weiß ganz sicher, dass ein Krieg bevorsteht – und ich stehe auf der Seite der Menschen.

Das war keine leichtfertige Entscheidung. Ehrlich, ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich für die Menschen entschied, weil ich mich ihnen näher fühlte als den Verwelkten, weil meine Freunde alle Menschen sind und ich sie alle total gern habe.

Aber die Wahrheit sieht anders aus.

Ich habe so gut wie keine Freunde und ich fürchte, einige von denen sind mir auch vollkommen egal. Man war während Schulzeit stets zusammen, weil es gut war, jemanden zu haben, der einem beim Lernen half, nicht weil man sich mochte und sobald das vorbei war, war auch die Freundschaft vorbei. Inzwischen habe ich sogar nur noch einen einzigen Freund.

Die Menschen sind mir nicht egal, aber allein deswegen gibt es keinen Grund für mich, zu ihnen zu halten, denn die Verwelkten sind mir im Gegenzug vollkommen gleichgültig. Ich verspüre keinen Hass ihnen gegenüber, der es erfordert, dass ich sie bekämpfe, sie sind einfach ... da.

Ich will auch keinen Ausgleich schaffen, damit der Krieg für die Menschen fairer wird, auch wenn sie das durchaus gebrauchen könnten. Tritt ein Mensch gegen einen Verwelkten an, setzen Sie besser alles auf den Dämon und hoffen, dass es möglichst schmerzlos für den Menschen enden wird, so unausgeglichen ist die Kräfteverteilung.

Es gibt nur einen einzigen Grund, wegen dem ich mich für diese Sache entschied, aber das würde ich ihm sicher nie sagen, sonst wäre er am Ende nur eingebildet. Noch mehr als ohnehin schon.

Aber ihn in meiner Nähe zu wissen war immer angenehm.

Auch in jener Januar-Nacht, in der sogar ich fror, saß er neben mir, auf dem Fahrersitz dieses Mietwagens, und trank einen Kaffee, dessen Duft das gesamte Auto erfüllte und mich allein damit bereits wach hielt.

Ich trug einen grauen Wintermantel, einen Schal und Handschuhe und drückte mich dennoch wärmesuchend tiefer in meinen Sitz, während Faren nur eine hellbraune Jacke trug, deren Ärmel sogar hochgekrempelt waren, als spürte er die Kälte gar nicht.

„Er könnte sich ruhig mal wärmere Gegenden aussuchen“, brummte er plötzlich und durchbrach die bis dahin herrschende Stille, die ich sehr genossen hatte.

Mir war klar, dass er gern Radio hören würde, hatte mir vorhin daher bereits als Vorwand angeboten, die Heizung einzuschalten, aber das war von mir abgelehnt worden. Ein Auto, in dem, mitten in der Nacht, zwei schweigende Männer saßen, war schon auffällig genug, aber es bestand die Hoffnung, dass es im Dunkeln nicht beachtet wurde. Ein Auto mit laufendem Motor jedoch, in dem, mitten in der Nacht, zwei schweigende Männer saßen, lenkte garantiert alle Aufmerksamkeit auf sich.

„Die Kälte erinnert ihn an etwas“, erwiderte ich. „Du musst also nicht darauf hoffen, dass er uns mal nach Florida führt.“

„Vielleicht ja der danach?“

Auf meinen tadelnden Blick hin, zuckte Faren unschuldig lächelnd mit den Schultern. „Man weiß ja nie. Und Menschen in Florida sind ja auch kein Freifutter.“

Ich überlegte, ihn darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Dämon seine Opfer fraß, ließ es aber gut sein. Faren war nicht dumm und er wusste es besser, er drückte sich manchmal nur unüberlegt aus. Das kannte ich ja schon von ihm, deswegen störte es mich nicht mehr so sehr.

„Aber mal im Ernst“, begann er dann erneut, „an was kann einen diese Kälte erinnern?“

„An zu Hause?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht mag er ja Schneemänner?“

Faren schüttelte lächelnd, fast schon grinsend, den Kopf und nahm noch einen Schluck, dann hielt er mir den Becher hin. „Auch etwas?“

„Nein, danke. Ich bleibe heute auch so wach.“

Die Anspannung verhinderte, dass ich einschlief und auch der Kaffee hätte mich gerade nicht wärmen können, also war es besser, wenn er alles für sich behielt, wenn ihm das half.

Gleichgültig nahm er selbst einen weiteren Schluck. „Er könnte sich endlich mal zeigen. Das ist so unhöflich.“

„Ich habe dir gesagt, dass du im Motel warten kannst und ich das auch allein geregelt kriege.“

Das gefiel ihm aber nicht wirklich. Er zog die Brauen zusammen. „Damit du mir hier draußen erfrierst? Nee, lass mal.“

Ich wies ihn nicht darauf hin, dass seine Anwesenheit gerade nichts an meinem Frieren änderte, aber ich konnte mir sein Augenrollen auf derartige Worte bereits vorstellen. Er schüttelte sich, worauf sogar sein braunes, schulterlanges Haar, das er wie üblich in einem hohen Pferdeschwanz trug, zu schwingen begann. Einen kurzen Moment lang war ich von diesem Anblick geradezu gefangen genommen, doch dann lenkte mich etwas wieder von ihm ab.

In einigen hundert Metern Entfernung war eine Gestalt aufgetaucht, die, selbst in einen dicken Mantel eingehüllt, durch den Schnee stapfte und damit harmlos genug wirkte.

„Das ist er“, sagte ich und streckte die Hand bereits nach dem Türgriff aus.

„Bist du sicher?“

„Ich kann es fühlen.“

Sie müssen sich vorstellen, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen überhaupt, eine eigene Ausstrahlung besitzt, etwas, das es einzigartig macht. Nun ist jedoch die Ausstrahlung eines Verwelkten derart intensiv, dass es in jemandem wie mir, der empfindlich auf fremde Energien reagiert, alles zum Schwingen bringt. Auf keine gute Art jedoch. Wann immer ich mich in der Gegenwart eines Verwelkten befinde, scheint ein ganzes Violinenkonzert in mir Misstöne hervorbringen zu wollen. Ein kreischender Chor aus unzähligen verstimmten Instrumenten, die mir Kopfschmerzen bereiten. Nur wenige waren von dieser Regel ausgenommen. Selbst auf diese Entfernung hin und obwohl ich im Auto saß, war es mir deswegen genau möglich, zu bestätigen, dass es sich um einen Verwelkten handelte.

Ich nickte Faren noch einmal zu, dann stieg ich aus dem Wagen. Sofort wehte mir ein schneidender, eiskalter Wind ins Gesicht und ich überlegte tatsächlich, einfach wieder einzusteigen, die ganze Sache zu vergessen und mir lieber ein heißes Bad zu gönnen.

Aber von dieser Entscheidung hingen Leben ab und ich war nicht gewillt, auch nur ein einziges zu riskieren, wenn dieses eine möglicherweise Faren sein könnte.

Also bahnte ich mir einen Weg durch den Schnee und ließ dabei den Blick schweifen. Es sah nicht so aus, als würde es hier draußen Beute für einen Verwelkten geben, der sich immerhin von Menschen ernährte. Was führte ihn dann hierher?

Der Verwelkte vor mir war ein Mann, der unter irgendeinem Pseudonym in dieser Stadt lebte, deren Namen mir stets aufs Neue entfiel. Ich war im Lauf des letzten Jahres einfach in zu vielen Städten gewesen, da konnte ich mir nicht jeden merken.

Einst mochten die Verwelkten vielleicht Götter gewesen sein, aber inzwischen waren die meisten nur noch ein Schatten ihrer selbst. Also war es vielleicht gar nicht so falsch, sie zu töten. Zumindest redete ich mir das immer ein, wenn mich Gewissensbisse heimzusuchen drohten.

Sein Rücken war gebeugt, sein Gang war schleppend, aber als er mich sah, hellte sein Gesicht sich augenblicklich auf. Was immer er benötigte, er glaubte, es von mir zu bekommen und ahnte nicht, dass er damit erfolglos sein würde.

„Eine seltsame Zeit für einen Schneespaziergang“, grüßte der andere mich.

Ich wollte aber nicht auf den Smalltalk eingehen, besonders nicht in dieser Kälte. Daher sprach ich ihn einfach mit Namen an: „Guten Abend, Marduk.“

Sein ganzer Körper spannte sich an, von seinem gebeugten Rücken war nichts mehr zu sehen. Er musterte mich mit misstrauischem Blick, überlegte wohl gerade, ob er mich kannte.

„Mach dir keine Mühe, wir sind uns noch nie begegnet. Ich kenne dich trotzdem.“

Er zog die Brauen zusammen, sein Blick wurde feindselig. „Gehörst du zum Tötungskommando der Menschen?“

Wenn man nach Verwelkten jagte, kam man nicht darum herum, zu erfahren, dass eine besondere Abteilung des FBI ebenfalls Jagd auf sie machte. Soweit ich wusste bestand diese aber rein aus Menschen. Bislang war es mir gelungen, diesen Leuten erfolgreich auszuweichen und ich plante auch nicht, ihnen jemals gegenüberzutreten.

„Nein“, antwortete ich daher. „Ich bin auch kein Mensch.“

Darauf entspannte er sich wieder, ich fuhr bereits mit einer Frage fort: „Wann hast du zuletzt gegessen?“

Dank den Aufzeichnungen meines Vaters wusste ich, dass Marduk sich von Stimmbändern ernährte. Seine alte Stimme war ihm wohl nicht gut genug gewesen, also hatte er sich einfach eine neue genommen – und fuhr damit immer noch fort.

„Schon eine Weile her“, antwortete er schließlich mit krächzender Stimme, jedes Wort schien ihm Schmerzen zu verursachen, was mich wieder zu einer bestimmten Frage brachte: „Was tust du hier? Es ist weit und breit kein Mensch zu sehen.“

Statt etwas zu sagen, sah er mich mit einem Blick an, aus dem vor allem eines sprach: Hunger.

Ich mochte vielleicht kein Mensch sein, aber das war ihm in dieser Situation wohl einerlei.

Er griff nach mir, mit einer Hand, die plötzlich mehr einer Klaue glich, zielte direkt auf meine Kehle. Ich bewegte mich keinen Zentimeter, Ketten brachen aus meinen Schulterblättern, schnitten ohne mein Zutun durch die Luft und durchbohrte den Brustkorb von Marduk.

Das war nicht genug, um ihn zu töten, aber immerhin hielt es ihn erst einmal auf, er stoppte tatsächlich. Er sah an sich herab, konnte offenbar nicht glauben, was gerade geschehen war, aber er reagierte auch nicht weiter, wusste wohl nicht, was er tun sollte.

Solange die Ketten in seinem Körper waren, konnte er sich nicht heilen und während er derart bewegungsunfähig war, nutzte ich die Gelegenheit. Eine weitere Kette, mit einer Sense am Ende, erschien und trennte Marduk mit einem einzigen Hieb den Kopf ab.

Eine solche Verletzung konnte kein Verwelkter heilen, egal wie stark er war, so stand es in den Unterlagen meines Vaters und so war es mir auch einmal von ihm erklärt worden, als mir die Heilungskräfte erstmals aufgefallen waren. Damals hatte er mir aber verschwiegen, was genau ich eigentlich war.

Marduks Körper folgte seinem Kopf und stürzte in den Schnee. Ich ließ die Ketten wieder verschwinden, sah auf ihn hinab und fragte mich unwillkürlich, wie bei so einigen anderen Verwelkten, was dieser wohl alles im Laufe seines Lebens gesehen hatte, was ihm widerfahren war.

Ich wollte mich das nicht fragen, aber es war ein innerer Drang, dem ich nachgeben musste, das verlangte das Erbe meines Vaters von mir.

Obwohl ich meinen Abstand zu Marduk hielt, der langsam in eine ölige Pfütze zu schmelzen begann, drangen Erinnerungen und Eindrücke seines Lebens in mich ein, durchbrachen meine aufgebaute Barriere problemlos und entfalteten sich in meinem Gehirn. Die Bilderabfolgen waren zu schnell, um ihnen zu folgen, die Stimmen verzerrt und überlagert, so dass ich lediglich ein Rauschen hören konnte, das sich rasch zu einem nervenzehrenden Hämmern entwickelte.

Die Kopfschmerzen ließen mich schwanken und zwangen mich schließlich in die Knie. Marduk war inzwischen nur noch eine schlechte Erinnerung, eine schwarze Lache im weißen Schnee.

Ich presste mir die Hand auf die Stirn, die viel zu heiß geworden war, hoffte auf Linderung, die normalerweise Stunden auf sich warten ließ. Eine Zeit, die ich eigentlich nicht hier verbringen wollte, aber ich fühlte mich nicht fähig, aufzustehen, zum Auto zurückzugehen und dann einfach alles in der Wärme auszusitzen, statt kniend im Schnee, der meine Hose durchnässt hatte und meine Beine zusätzlich mit seiner Kälte lähmte.

Das Hämmern in meinem Kopf wurde noch einmal intensiver, ich spürte Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, alles ausgelöst von diesen Erinnerungen, die ich nicht einmal erkennen konnte, die mir nichts sagten, außer dass Marduk sehr lange gelebt hatte. Ich drohte, vornüberzustürzen – da spürte ich bereits, wie jemand mich umarmte, mich mit Wärme erfüllte und die Schmerzen, genau wie die finsteren Emotionen, schrittweise von mir nahm.

Als ich den Kopf wandte, entdeckte ich Faren, der neben mir kniete und mir ein zuversichtliches Lächeln schenkte. „Alles klar?“

Im ersten Moment war es mir nicht möglich, ihm zu antworten. Er hatte einen Arm um mich gelegt, um mich zu stützen und neigte den Kopf, als meine Antwort auf sich warten ließ.

„Es geht schon“, antwortete ich, bevor er noch etwas fragen würde. „Ich muss mich nur etwas ausruhen.“

„Dann gehen wir besser ins Motel zurück, hier ist es ein wenig zu kalt.“

Damit half er mir wieder nach oben und schleifte mich auch zurück zum Auto. Ja, schleifen, ich hatte immer noch kein richtiges Gefühl in meinen Beinen und war deswegen nicht in der Lage, mich selbst fortzubewegen. Inzwischen war ich das gewohnt und ließ deswegen auch zu, dass er mich ins Auto setzte, als wäre ich bereits gelähmt, aber ganz zu Beginn war es mir unangenehm gewesen, ihn das alles für mich machen zu lassen, egal wie oft er mir versichert hatte, dass es ihn nicht störte.

Zumindest anschnallen konnte ich mich selbst, so dass ich bereits fertig war, als er sich ebenfalls ins Auto setzte. Trotzdem warf er mir noch einen besorgten Blick zu. „Alles klar? Bereit für die Fahrt?“

Das fragte er jedesmal, ich weiß bis heute nicht, warum. Ich war noch niemals nicht bereit gewesen, loszufahren, aber es war offenbar eine Art ... Tick von ihm.

Statt etwas zu sagen, nickte ich, worauf er sich endlich auf das Fahren konzentrierte und den Wagen startete. Kaum spürte ich die beruhigenden Vibrationen des Motors, sank ich tiefer auf dem Sitz und schloss die Augen, worauf ich, aufgrund meiner Erschöpfung, innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen war und von einer längst vergangenen Zeit und einem schicksalsträchtigen Abend auf einem Hügel träumte.

Kapitel 2: Tu das nicht ...

Ich war gerade einmal vier Jahre alt, als ich meine Heilkräfte das erste Mal entdeckte. Mit aufgeschürften Knien saß ich in der Auffahrt unseres Hauses, das Fahrrad, von dem ich gestürzt war, lag unbeachtet neben mir. Statt zu weinen betrachtete ich interessiert die schwarz-rote Flüssigkeit, die in der Wunde zu sehen war. Da ich bereits aus dem Fernsehen – bis dahin war ich nie verletzt worden – wusste, dass eine Verletzung eigentlich nur rote Flüssigkeit hervorbrachte, wusste ich, dass es nicht nur Blut war. Die Knie verheilten, bevor ich zu einem Schluss diesbezüglich kommen könnte, aber mein Vater nahm mich an diesem Abend beiseite und erklärte mir, dass es für mich normal wäre, dass meine Wunde heilten, für andere aber nicht, dass ich deswegen niemanden verletzen und auch niemanden davon erzählen durfte. Nachdem ich ihm das versprochen hatte, ließ er mich wieder spielen und ich dachte mir nichts mehr dabei.

Aber ich erinnere mich jedes Mal daran, wenn ich darauf warte, dass sich mein Körper wieder erholt. An jenem Abend saß ich auf dem Bett unseres Motelzimmers und starrte gedankenverloren auf den Fernseher. Es war ein altes Röhrengerät, der Bildschirm flimmerte bereits, aber mich interessierten ohnehin nur die Nachrichten an sich und nicht die Bildqualität. Die Kamera zeigte dasselbe Motel in dem wir uns befanden.

Eigentlich war das nicht unbedingt einfach zu erkennen, da ich zumindest fand, dass jedes Motel so ziemlich gleich aussah und es nur kleinere Variationen gab. Dieses hier war hufeisenförmig, mit dem Parkplatz in der Mitte, aber im Moment standen kaum Autos dort, ich erkannte unseren hellblauen Mietwagen auf Anhieb. Die Zimmer waren auf zwei Etagen verteilt, unseres war im Erdgeschoss, um einfacher fliehen zu können, falls es nötig sein sollte. Es gab kaum was Schlimmeres, als aus dem Badezimmerfenster eines ersten Stocks zu klettern, wenn man gerade von einem Feind verfolgt wird. Ja, das habe ich bereits ausprobiert.

Jedenfalls waren in diesem Motel und dessen Umgebung in den letzten Wochen immer wieder Leichen gefunden worden. Glücklicherweise noch lange vor unserer Ankunft, so dass wir nicht in den direkten Verdacht geraten waren, anders als vielleicht der ein oder andere Gast. Erst am Morgen noch hatte ich gehört, wie der Einwohner im Zimmer neben uns mit einem anderen Bewohner darüber gesprochen hatte, wie störend es war, nach jedem neuen Mordfall von den Polizisten nach seinem Alibi befragt zu werden. Faren hatte eine Grimasse gezogen und mir gegenüber kommentiert, dass es den Leichen ganz bestimmt leid täte, dass sie sein Leben verkomplizierten.

Meine Haut kribbelte noch ein wenig an den Stellen, die ich mir während des Bads wundgeschrubbt hatte, um auch nur jede erdenkliche Spur Marduks wieder loszuwerden.

Zumindest war mir wieder warm, während ich unter der Decke lag, die beißende Kälte des Schnees war nur noch eine finstere Erinnerung, vergraben unter dem Schutt, den das fremde Gedächtnis hinterlassen hatte. Es war mir nicht mehr möglich, auf die Erinnerungen zuzugreifen, sie lagen nur da und waren Fremdkörper, Abfall – auch wenn ich es nicht gern so bezeichnete, immerhin hatten sie einst zu einem Lebewesen gehört, aber sobald sie erst einmal in mir waren, handelte es sich um nicht viel mehr.

Als Faren, in T-Shirt und Jogginghose, aus dem Bad kam, lenkte er mit einem Seufzen sofort seine Aufmerksamkeit auf sich. „Schaust du schon wieder Nachrichten an?“

Sein Haar fiel ihm offen über die Schulter, durch die Nässe des Wassers wirkte es wesentlich dunkler, was ihn viel älter, reifer wirken ließ. Wenn ich ihn derart sah -

„Das ist jetzt doch unwichtig geworden“, fuhr er fort. „Wir haben diesen Marduk doch getötet.“

Wir. Als ob er mehr getan hätte, als nur im Auto zu sitzen.

„Ich wollte nur wissen, ob noch mehr Dinge vorfallen“, erwiderte ich ihm.

Außerdem versuchte ich stets herauszufinden, ob die Aufnahmen live waren oder doch Archiv-Aufnahmen – das Auto war kein Indikator, wir stellten es immer auf denselben Parkplatz, direkt vor unserem Zimmer und zumindest einmal war mir das Kamerateam auch aufgefallen. Aber um sicherzugehen hätte einer von uns ans Fenster treten müssen, aber das wollte keiner von uns.

In unserem alten Zuhause wurden wir immer noch gesucht, immerhin waren wir als vermisst gemeldet worden, möglicherweise im Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen, und wir wollten nicht riskieren, entdeckt zu werden.

Nachdem die übliche Berichterstattung (die Toten besaßen keine Verbindung zueinander, ihnen allen fehlten die Stimmbänder, die Polizei tappte nach wie vor im Dunkeln) vorbei war, wurde wieder ins Nachrichtenstudio geblendet, zu einer Reporterin, die ein falsches Zahnpasta-Lächeln zeigte, während ihre Stirn gleichzeitig gerunzelt war und ihr Blick eindeutig eines zeigte: Angst.

Ich verstand das gut. Als letztes Jahr in meiner Heimatstadt eine Reihe an Morden stattgefunden hatte, war das auch meine erste Reaktion gewesen. Dabei war ich nicht einmal um mich besorgt gewesen, schlimmer war mir der Gedanke vorgekommen, dass jemand, den ich kannte, ihm zum Opfer fallen könnte, möglicherweise Faren oder mein Vater – und dieser war schlussendlich der letzte Tote gewesen.

Die Nachrichten fuhren mit gewöhnlichen Neuigkeiten aus der Umgebung fort, was Faren als Anlass nahm, mir die Fernbedienung abzunehmen und den Fernseher auszuschalten. Dann warf er die Fernbedienung achtlos beiseite und legte sich neben mich auf das Bett. Von ihm ging eine angenehme Hitze aus, die mich einhüllte und vor Geborgenheit fast einschlafen ließ.

„Heute war ein erfolgreicher Tag“, sagte er zufrieden.

Ich überlegte, ihn darauf hinzuweisen, dass er nichts getan hatte, aber das wäre eine Lüge gewesen, wie mir selbst auffiel. „Danke für das Herumfahren heute ... und ...“

Er legte seine Hand auf mein Handgelenk und unterbrach mich damit.

„Schon gut“, sagte er. „Du musst doch nicht alles aussprechen, was zwischen uns vorgeht.“

Dann zwinkerte er mir zu, weswegen ich tatsächlich stillblieb. Da war schon immer etwas an ihm gewesen, das devotes Verhalten von mir einforderte – ich konnte nichts dagegen tun, aber es ärgerte mich schon lange nicht mehr. Zumindest in einem Teil der Beziehung sollte er ruhig einmal die Oberhand haben, wenn er sonst immer zurückstecken musste.

„Eigentlich haben wir jetzt keinen Grund mehr hier zu bleiben, oder?“ Er klang fast schon traurig.

„Eigentlich nicht.“

Genau genommen freute ich mich sogar, wenn wir diesen Ort endlich verlassen könnten. Zum einen störte es mich, Regale in Supermärkten einzuräumen – auch wenn ich jetzt schon wusste, dass es in der nächsten Stadt nicht großartig anders werden würde –, zum anderen wurde ich natürlich nervös, je länger wir uns an einem Ort aufhielten. Weniger weil ich befürchtete, dass die Polizei uns doch noch auf die Spur kam – Farens gefälschte Ausweise waren überraschend gut – sondern vielmehr, weil ich der sicheren Überzeugung war, dass wir eines Tages das Ziel anderer Verwelkten sein würden, wenn wir zu lange – besonders nach einer solchen Aktion – am selben Ort blieben.

Wer sah schon gern untätig dabei zu, wie jemand all seine Freunde umbrachte? ... Im schlimmsten Fall wurden wir vielleicht auch vom FBI erwischt und das wollte ich noch weniger. Nicht zwingend wegen mir, sondern eher wegen Faren.

„Schade“, seufzte dieser. „Es war eigentlich ganz nett hier. Es lag viel Leidenschaft in der Stadt.“

Der Biss auf meine eigene Zunge, um jeden Kommentar zu umgehen, war derart schmerzhaft, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Faren bemerkte das natürlich, er schmunzelte. „Awww, Trennungsschmerz?“

Ich rieb mir die Augen, um die Tränen wieder wegzuwischen. „Idiot.“

Er rutschte näher zu mir heran und schmiegte sich an mich. „Mhm, ich kann dich auch ablenken, wenn du willst.“

Bei der von ihm ausstrahlenden Hitze, die mich nun nicht mehr nur umhüllte, sondern auch erfasste, stand mir nicht mehr der Sinn danach, weiter mit ihm zu diskutieren, obwohl das durchaus möglich gewesen wäre, wenn er glaubte, mich derart einfach manipulieren zu können – allerdings gelang ihm das durchaus, wie ich zugeben musste.

Also schloss ich einfach die Augen und ließ ihn gewähren.
 

Mehrere Stunden später erwachte ich mit hämmernden Kopfschmerzen, die mich sofort in Alarmbereitschaft versetzten. Etwas war in der Nähe, ein Verwelkter, und sein Zerstörungsdrang, wenn ich von dem Grad der Schmerzen ausging, war enorm.

Ich stellte sicher, dass Faren noch schlafend neben mir lag, dann wandte ich den Blick in Richtung des Fensters und erschrak, als ich eine Silhouette hinter dem Vorhang erkennen konnte.

Für mich gab es keine Frage, dass diese ein Verwelkter war, der zum Fenster hereinstarrte, uns beobachtete. Ich erwiderte das Starren angespannt, hoffte aber, nicht kämpfen zu müssen, vor allem nicht mit diesen Schmerzen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte der andere sich ab und ging davon. Die Schmerzen ließen langsam nach, schwanden aber nicht gänzlich. Dennoch reiche das vollkommen, dass ich mich wieder bewegen konnte. In aller Hast richtete ich mich auf und zog mich an.

Die Schmerzen blieben auf demselben Niveau, Faren wachte nicht auf.

Ohne Mantel trat ich aus dem Zimmer direkt in die Kälte, die mich mit einer beißenden Umarmung begrüßte. Ich spielte mit dem Gedanken, wieder reinzugehen und zumindest einen Schal zu holen, verwarf das aber wieder, weil meine Neugier zu groß war. Im Nachhinein betrachtet war das natürlich dumm und eindeutig eine Falle, aber in jenem Moment erschien es mir wie das beste.

Der graduell ansteigende Schmerz führte mich zu einem weiteren Zimmer, vorbei an all den Fenstern, verhüllt mit grauen Vorhängen, hinter denen blaues Licht flimmerte oder leise Geräusche zu hören waren. Die Leuchtreklame des Motels flackerte, was meine Nervosität steigerte, die grellen weißen Lichter der Straßenlaternen schmerzten in meinen gerade empfindlichen Augen, die Eismaschine summte leise, als ich an ihr vorbeikam.

Die Tür des anderen Zimmers stand offen, der Raum dahinter lag im Dunkeln – und das Zentrum meines Schmerzes befand sich genau im Inneren.

Statt zurückzugehen und Faren zu wecken, was sicher vernünftig gewesen wäre, trat ich ein und betätigte den Lichtschalter. Das weiße, dämmrige Licht der Deckenbeleuchtung erhellte den Raum und zeigte mir, was ich nicht hatte sehen wollen.

Auf dem Bett lag eine Gestalt, eine Leiche, deren Geschlecht mir nicht sofort ins Auge fiel. Der Körper lag auf dem Bauch, der Rücken war mit unzähligen Stichen – mit einem Messer? – übersehen, das Blut war sogar bis an die Decke gespritzt, es war noch rot, also war es frisch.

Ich wollte in diesem Moment die Flucht ergreifen, fort von diesem Schauplatz des Grauens, doch die noch immer umherstreifenden Erinnerungen erfassten mich, bevor ich fliehen konnte. Widerwillig nahm ich das Gedächtnis dieser Leiche in mich auf, erfuhr das viel zu kurze Leben eines Jungen, das nicht von vielen Höhepunkten durchzogen war und dessen einziger Traum es gewesen war, eines Tages einmal ein Baseball-Profi zu werden. Ein Traum, der nun nur noch in meiner Erinnerung existiert.

Ich ging nicht in die Knie, dafür war die Intensität diesmal natürlich nicht stark genug, aber mich überkam der Drang, mich einfach übergeben zu wollen. Das war ... neu und überraschte mich deswegen so sehr, dass ich kurzzeitig sogar den Schmerz vergaß. Erst als dieser schlagartig derart heftig anstieg, dass ich glaubte, mein Kopf würde jederzeit platzen, sah ich ihn.

Ein junger Mann, etwa in meinem Alter, mit schwarzem Haar, etwa wie meines, das in diesem Moment wohl wirklich genauso ungekämmt aussah wie meines. Ich glaubte erst, in einen Spiegel zu sehen, aber nachdem ich die Tränen weggewischt hatte, wurde er klarer und ich erkannte das blasse Gesicht und die wie tot erscheinenden Augen besser, beides hatte nichts mehr mit mir gemein.

Er tat nichts, stand einfach nur da und sah mich an, doch in den neuen Erinnerungen sah ich ihn mit einem Messer, mit dem er immer wieder auf mich einstach, mit einem wilden Blick, der mich zusätzlich vor Angst lähmte und mir wieder neue Tränen, diesmal vor Verzweiflung, einbrachte.

„Bitte nicht“, flüsterte ich, obwohl ich schreien wollte. „Tu das nicht ...“

Meine Stimme war derart kraftlos, dass es mich wunderte, würde ich überhaupt gehört werden – aber er schaffte es tatsächlich.

„Ich mache gar nichts“, erwiderte er mit kalter Stimme, der jegliches Mitgefühl fehlte, als würde sie so etwas wie Empathie nicht einmal ansatzweise kennen. „Ich beobachte nur.“

Ich versuchte, an den Schmerzen vorbei, mir die Unterlagen meines Vaters ins Gedächtnis zu rufen, einen Verwelkten zu finden, auf den diese Beschreibung passte, aber alle Gedanken explodierten in meinem Kopf und verknoteten sich dann zu einem unentwirrbaren neuen Knäuel, das nur darauf wartete, dass ich noch einmal Feuer legte, damit es ebenfalls explodieren konnte.

Kraftlos sank ich auf die Knie, stützte mich mit den Händen, damit ich nicht gänzlich zu Boden stürzte. Ich würgte, ohne mich übergeben zu müssen.

Der Verwelkte vor mir blickte immer noch auf mich hinab, sein Blick bohrte sich regelrecht in meinen Schädel, so dass es mir wie eine Erleichterung vorkam, als er sich endlich von mir abwandte und an mir vorbeiging. Noch immer ohne mir etwas zu tun – aber meine Gedanken waren bereits bei Faren. Dieser Verwelkte wusste, in welchem Zimmer ich lebte, ganz sicher wusste er auch, dass ich nicht allein unterwegs war.

Ich wollte die Kette einsetzen, um ihn aufzuhalten, aber die Schmerzen verhinderten meine Verbindung zu ihnen, so dass ich nichts anderes tun konnte, als weiter untätig auf dem Boden zu knien und zu warten. Eine Woge von Selbsthass spülte durch mich hindurch, als ich mir meiner Kraftlosigkeit bewusst wurde. Faren vertraute auf meinen Schutz. Wenn ihm irgendetwas geschah, ihm auch nur ein Haar gekrümmt wurde, könnte ich mir das niemals verzeihen, das beherrschte in diesem Moment mein volles Denken und verhinderte, dass ich mich auf meine Umgebung konzentrieren konnte.

Langsam ließ der Schmerz wieder nach, die Kraft kehrte in meinen Körper zurück. Ich richtete mich auf, fuhr herum – und hielt sofort wieder inne.

In der Tür standen zwei schwerbewaffnete Polizisten, noch mehr von ihnen konnte ich durch das Fenster sehen, durch das auch das grelle Licht eines Scheinwerfers fiel und mich blendete – und sie alle hielten ihre Waffen auf mich gerichtet, rote Ziellaser waren auf meinem Oberkörper verteilt.

„Auf die Knie!“, bellte eine autoritäre Stimme, noch bevor ich die Situation gänzlich erfassen konnte. „Hände hinter den Kopf!“

Zu diskutieren – vor allem, dass ich der Meinung war, dass ich eigentlich erst die Hände hinter den Kopf legen und dann auf die Knie gehen müsste – erschien mir sinnlos. Natürlich hätte ich sie aus dem Weg räumen können, aber nicht alle auf einmal – was mir viel zu viele Kugeln in den Oberkörper eingebracht hätte – und geholfen hätte mir das in meiner Situation ohnehin nicht. Wenigstens war der Schmerz gänzlich verflogen, der Verwelkte war also fort und Faren hoffentlich außer Gefahr. Aber das würde ich nur herausfinden können, wenn ich lange genug überlebte und keine dummen Entscheidungen traf.

Also sank ich langsam wieder auf die Knie zurück und legte die Hände hinter den Kopf.

Kapitel 3: Ich helfe gern.

Mein Spiegelbild sah ziemlich ungesund aus, wie ich feststellen musste. Ich war doch überraschend blass, was noch daher rühren musste, dass ich an diesem Tag zwei Gedächtnisse zu mir genommen hatte. Und nach dem zweiten war Faren nicht in meiner Nähe gewesen. Genau wie in diesem Moment noch.

Ich saß in einem Verhörraum der ansässigen Polizeistation, gegenüber einem großen Spiegel, an einem einfachen Metalltisch. Ich wusste nicht, wie spät es war, da es weder Uhren noch Fenster in diesem Raum gab und die Polizisten achteten sorgsam darauf, dass ich nicht auf ihre Armbanduhren sehen konnte.

Langsam wurde mir kalt, während den beiden Beamten, die mich verhörten immer wärmer zu werden schien. Inzwischen hatten sie ihre Jacketts ausgezogen, sie über die Lehnen der grauen Plastikstühle gehängt und ihre Hemdsärmel bis zu den Ellenbögen hochgekrempelt. Dennoch waren ihre Köpfe rot, sie schwitzten; sie arbeiteten unter Hochdruck, um einen Mörder zu fassen, der ich nicht war.

Zum wiederholten Mal warfen sie die Fotos aller bis dahin gefundenen Leichen vor mir auf den Tisch und erwarteten – mal wieder – eine Reaktion, die aber ausblieb. Ich würde mich nicht als abgestumpft oder abgebrüht bezeichnen, aber auch nicht als sonderlich emotional. Obwohl mich das alles also wirklich traf, konnte ich das nicht zeigen und das wurde mir wohl negativ ausgelegt. Einer der beiden Männer schlug wütend auf den Tisch. „Reden Sie endlich, Shepherd!“

Murphy Shepherd, mein Deckname, war die Idee von Faren gewesen. Ich weiß bis heute noch nicht, wie er darauf gekommen ist, aber in jenem Moment interessierte mich das auch nicht weiter.

Der Zorn der beiden Männer war mir verständlich. Bei einem derart grausamen und scheinbar sinnlosen Mord wollte man nicht nur das Warum herausfinden, sondern auch schnellstens den Täter festsetzen, bevor er noch mehr Morde begehen konnte. Da tat es mir fast leid, dass ich nicht der Mörder war, damit es ihnen wieder besser gehen konnte.

„Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß“, erwiderte ich ruhig.

Je länger ich allerdings derart ruhig blieb, desto zorniger schienen die Polizisten zu werden. Einer von ihnen – er war deutlich jünger, frisch rasiert, mit vollem dunklen Haar – erhob sich mit einem genervten Seufzen von seinem Stuhl und begann aufgeregt auf und ab zu laufen. Ich sah ihm deutlich an, dass er diesen Fall so schnell wie möglich abschließen wollte.

Der andere war ein älterer Beamter, ein grauer Haarkranz rahmte seine, vom Schweiß glänzende, Halbglatze ein, hinter den leicht getönten Brillengläser waren seine Augen kaum zu erkennen, aber dass er wütend war, spürte ich dennoch. Er schaffte es lediglich, das nicht zu deutlich zu zeigen, ob aus Erfahrung oder wegen eines gänzlich anderen Temperaments. Faren erklärte mir später, dass sie vermutlich Guter Cop – Böser Cop gespielt hatten, aber bei meinem ratlosen Blick daraufhin, hatte er lediglich gelacht.

„Murphy“, sagte der ältere Beamte, dessen Name Belcer war, mit angestrengt ruhiger Stimme, „wir wollen doch alle nicht hier sein. Also sagen Sie uns einfach, was in diesem Motelzimmer geschehen ist.“

„Das habe ich bereits“, erwiderte ich. „Als ich ins Zimmer lag die Leiche schon dort.“

„Warum waren Sie überhaupt dort?“, fragte Belcer weiter.

Sie hofften, ich würde mich in Widersprüchen verstricken, an denen sie mich aufknüpfen könnten. Wenn in einer Großstadt ein Mord geschah, war das eine Statistik, in einer kleinen Stadt wie dieser dagegen war es persönlich.

„Ich habe ein Geräusch gehört und wollte nachsehen, was los ist. Es hätte ja sein können, dass jemand meine Hilfe braucht.“

Dass ich nicht einmal wusste, wie Erste-Hilfe funktionierte, mussten sie ja nicht wissen.

Belcer stieß ein tiefes Seufzen aus. „Warum waren Sie in der Nähe des Zimmers?“

Ich versuchte mir den Plan des Motels in Erinnerung zu rufen, ohne dabei zu viel Zeit verstreichen zu lassen. Dabei fiel mir eine Gerätschaft wieder ein, die in der Nähe gestanden hatte und ein Retter in der Not war: „Ich wollte mir etwas am Getränkeautomaten holen. Ich war durstig.“

Sicher hatte man auch das Kleingeld in meiner Börse sichergestellt – und das angespannte Schweigen der beiden Beamten darauf verriet mir, dass sie dem nicht entgegenzusetzen hatten.

Der jüngere Polizist – der wohl Flint hieß, wenn mich nicht alles täuschte – kam wieder zum Tisch zurück, stützte die Hände darauf und beugte sich vor. Die Ader auf seiner Stirn schien in einem ungesunden Rhythmus zu pochen.

„Sie laufen also einfach so in ein fremdes Zimmer, weil Sie jemandem helfen wollen“, stellte er fest. „Und Sie denken nicht daran, vielleicht selbst in Gefahr zu geraten?“

„Ich helfe gern.“

Und es gab kein Gesetz dagegen, aber das erwähnte ich lieber nicht. Ich wollte nicht Gefahr laufen, dass am Ende etwas fingiert wurde, nur damit ich ihnen ausgeliefert blieb.

Beide Polizisten tauschten einen Blick miteinander. Sie waren wirklich genervt, aber ich konnte es mir leisten, ruhig zu bleiben. Ich war erst nach dem Tod des Jungen ins Zimmer gekommen, ich hatte nichts berührt, es gab also nichts, das mich als Täter kennzeichnete.

„Haben Sie jemand Verdächtiges gesehen?“, fragte Flint ungeduldig. „Einen anderen Motelgast vielleicht? Einen Pizzaboten? Irgendwen?“

„Nein.“

Es wäre ein Leichtes gewesen, den schwarzhaarigen Mann ins Spiel zu bringen, aber das widerstrebte mir. Zum einen war er ein Verwelkter und damit zu gefährlich für die Polizei; zum anderen hatte er mich herausgefordert und das sollte er haben. Ich würde ihn stellen und zur Rechenschaft ziehen und niemand sonst.

In dieser Situation saß ich jedenfalls am längeren Hebel und die Polizisten wussten das ebenfalls, weswegen Flint sich nun aufs Drohen verlegte: „Wissen Sie, Murphy, in Kleinstädten werden gern mal harmlose Gäste als Mörder eingebuchtet, einfach nur damit die Leute beruhigt sind. Der große böse Wolf ist hinter Gittern und die Schäfchen sind endlich wieder sicher.“

Während er sprach, senkte er seine Stimme immer weiter, so dass er am Ende nur noch flüsterte, dabei aber alles überdeutlich betonte, so dass ich ihn gar nicht missverstehen konnte.

An Belcers Blick sah ich, wie unangenehm diesem die Taktik war, aber wahrscheinlich war ihnen beiden gerade alles recht, wenn es sie nur ans Ziel brachte. In diesem Fall auch, wenn das möglicherweise bedeutete, einen Unschuldigen – nämlich mich – einzusperren.

Glücklicherweise musste ich darauf auch nichts mehr sagen, denn da wurde bereits die Tür geöffnet. Flint trottete missmutig hinüber und lauschte dem, was der Störenfried ihm Wichtiges zuzuflüstern hatte. Darauf verfinsterte sich sein Gesicht schlagartig noch mehr. „Gut, soll reinkommen.“

Mit noch schlechterer Laune als zuvor, kehrte Flint zum Tisch zurück, sah bei den folgenden Worten aber Belcer an: „Sein Anwalt ist da.“

Ich war mehr überrascht als genervt, da ich, meines Wissens nach, keinen Anwalt hatte. Meine einzige Vermutung war, dass Faren mir einen solchen besorgt hatte. Aber als sich die Tür öffnete, kam keine mir fremde Person herein, sondern Faren. Ich erkannte ihn sofort, obwohl ich ihn das erste Mal in einem Anzug sah – und der stand ihm auch noch ziemlich gut. Mit der Brille, die sicher unecht war, und seinem Aktenkoffer in der Hand, wirkte er wie ein echter Anwalt, obwohl er sich den Kinnbart nicht rasiert hatte und sein Haar teilweise immer noch in einem hohen Pferdeschwanz trug.

„Miles Wright“, stellte er sich vor, obwohl das gar nicht sein Pseudonym war. „Freut mich sehr, meine Herren. Mein Mandant wird aber erst einmal kein Wort mehr sagen.“

Er zwinkerte mir zu, legte den Koffer auf den Tisch und setzte sich dann unaufgefordert neben mich. „Hallo, Mr. Shepherd. Machen Sie sich keine Sorgen, wir haben Sie hier bald wieder draußen.“

Ich nickte ihm zu, er sah die beiden Beamten auffordernd an.

„Dürfte ich mit meinem Mandanten allein sprechen?“, fragte er in einem Ton, der danach klang, als würde man ihm nicht widersprechen können.

Tatsächlich zogen die Beamten nach einem kurzen Austausch von Blicken bereits ab und schlossen auch die Tür hinter sich. Ich war dennoch unsicher, ob ich etwas sagen dürfte und schwieg daher, deswegen übernahm Faren für mich: „Keine Sorge, die Gespräche mit Anwälten sind vertraulich, die beobachten uns jetzt nur durch den Spiegel. Schau nicht zu auffällig hin.“

Ich wollte gerade stirnrunzelnd in den Spiegel sehen, ließ es aber bleiben, als er mich derart ermahnte und blickte lieber ihn an. Er war ungewohnt ernst, seine Stirn war sogar leicht gerunzelt. „Also, was ist passiert?“

So knapp wie möglich erklärte ich ihm, dass ich nachts von einem Verwelkten geweckt worden war, der mich anschließend zu dieser Leiche geführt hatte. Es war gut möglich, dass er auch selbst die Polizei verständigt hatte, um mich festnehmen zu lassen – oder um zu testen, wie ich auf eine menschliche Bedrohung reagierte. Aber das behielt ich erst noch für mich, denn der Gedanke war noch zu flüchtig und unbestimmt.

Faren nickte nachdenklich und gab ein verstehendes Geräusch von sich. „Also sind sie jetzt auf dich aufmerksam geworden. Hast du ihn von den Unterlagen deines Vaters erkannt?“

„Nein. Aber ich kann nicht alle Steckbriefe auswendig.“

Deswegen hegte ich noch die Hoffnung, dass ich ihn wiedererkannte, sobald ich erst einmal die Gelegenheit bekam, erneut durch die Unterlagen zu blättern. Aber mich beunruhigte, dass dieser Verwelkte bereits so viel über mich wusste, dass er mich sogar im Motel finden konnte.

War er mir gefolgt? Konnte er andere Verwelkte aufspüren und wusste so immer, wo ich mich befand? Das waren Dinge, die ich bedenken musste, wenn es um eine derartige Bedrohung ging.

„Hast du irgendetwas angefasst?“, fragte Faren.

Wie der Polizei zuvor, versicherte ich ihm, dass am Tatort keinerlei Spuren von mir gefunden sein könnten, da ich wirklich nur die Leiche gesehen und sonst nichts getan hatte.

„Gut“, stellte er zufrieden fest. „Damit haben sie keine Beweise gegen dich. Wir haben dich im Nu wieder draußen.“

Seine Zuversicht stimmte mich ebenfalls optimistisch, ich lächelte sogar wieder. Langsam erwachten Hunger und Durst in mir – und ich war furchtbar müde. Ich wollte nur noch ins Bett fallen und am besten eine Woche lang durchschlafen.

Faren winkte die Polizisten wieder herein. Ich wollte einwerfen, dass er sich vielleicht irrte und es wirklich nur ein Spiegel war, aber da öffnete sich bereits die Tür, als hätten sie wirklich nur auf ein Zeichen gelauert. Faren erhob sich mit seinem strahlendsten Lächeln. „Also, so sieht es aus ...“
 

Nur eine halbe Stunde nach diesem Ereignis, trat ich gemeinsam mit Faren ins Freie. Schützend hielt ich mir eine Hand vor die Augen, als mich die, von dem Schnee tausendfach zurückgeworfenen, Sonnenstrahlen trafen und blendeten. Glücklicherweise hatte er meinen Mantel mitgebracht, den er mir sofort um die Schultern legte, damit ich ihn anziehen könnte.

Während ich das tat, wunderte ich mich darüber, dass das Leben in dieser Stadt noch immer ganz normal weiterging, trotz dieses brutalen Mordes. Aber vielleicht irrte ich mich auch und selbst hier war es nur eine Statistik, möglicherweise war der Tote auch ein Fremder gewesen und damit nicht viel wert an diesem Ort.

„Wir kehren jetzt ins Motel zurück“, sagte Faren. „Dann schauen wir die Unterlagen durch.“

„Was, wenn er die Unterlagen gestohlen hat? Immerhin weiß er, in welchem Zimmer ich wohne.“

„Er kann nicht stehlen, was gar nicht da ist.“ Stolz klopfte Faren auf den Aktenkoffer. „Ich habe alles dabei. Deswegen sollten wir erst mal in ein Diner gehen, ich habe furchtbaren Hunger.“

Hatte ich ebenfalls, deswegen kam es mir gar nicht in den Sinn, dem zu widersprechen. Ich kam aber nicht umhin, ihn innerlich für seine Umsichtigkeit zu loben. Gleichzeitig fragte ich mich aber, ob es eine gute Idee war, solche Dinge an einem öffentlichen Ort zu besprechen.

„Wir besprechen ja nichts im Detail, nur oberflächlich, ich finde, das sollte noch gehen.“

Da ich wirklich hungrig war, stimmte ich dem einfach zu.

Am Auto angekommen blieb ich stehen und wartete darauf, dass Faren es umrundet hatte, um auf der Fahrerseite aufzuschließen. Die richtige Gelegenheit, um etwas anderes zu fragen, das mich schwer beschäftigte: „Woher kennst du dich eigentlich so gut mit diesem ganzen Kram aus?“

Er wusste sofort, was ich meinte, und sah mich schmunzelnd, über das Fahrzeug hinweg an. „Ich habe noch nie eine Folge von Law & Order verpasst.“

Ich blinzelte mehrmals verständnislos, was ihn wieder zum Lachen brachte. Statt einer weiteren Erklärung forderte er mich auf, endlich einzusteigen, und setzte sich selbst ins Auto. Aber noch während ich wirklich einstieg, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, was ich eigentlich alles im Leben verpasst hatte.

Kapitel 4: Hätte ich ihn das fragen sollen?

Ich liebe den Geruch von Kaffee. Ich konnte den Geschmack noch nie ertragen, aber der Geruch ist für mich so angenehm, dass ich allein dafür gern immer welchen kochen würde – wenn das keine Verschwendung von Geld wäre.

Mein Vater hatte oft Kaffee getrunken, deswegen erinnerte mich dieses Getränk auch immer an ihn. Vielleicht mag ich den Geruch deswegen so sehr.

An diesem Morgen wurde er von dem Aroma gebratenen Specks und Rührei überdeckt. Beides war vor mir aufgetürmt, die Serviererin musste entweder Mitleid mit mir haben, weil ich so übernächtigt aussah oder weil Faren mit ihr geflirtet hatte. Ich war mir nicht sicher, aber im Endeffekt war es ja auch egal.

Für das Frühstück hatten Faren und ich beschlossen, ein Diner aufzusuchen. Ich wusste inzwischen, wie viel Pech man mit diesen haben konnte, aber hier waren wir in ein gutes geraten. Entsprechend war jeder Tisch besetzt, am Tresen saßen Trucker, die schweigend ihren Kaffee tranken. Die Jukebox spielte irgendein Jazzstück, das ich nicht kannte, ein Mann mit einer kernigen Stimme schmetterte ein Lied, das einem eigentlich gute Laune bescheren sollte, meine Stimmung blieb dennoch am schachbrettartig gemusterten und frisch gewischten Boden. Trotz der frostigen Temperaturen draußen, drehte sich der Deckenventilator, langsam und behäbig, als wäre es für ihn auch nur noch eine Pflichtübung.

Farens Bagel lag noch unberührt auf dem Teller, viel zu sehr war er damit beschäftigt, die mitgeführten Unterlagen durchzublättern und seinen Kaffee zu trinken. Ich hatte ihm bereits im Auto alles erzählt, was vorgefallen war, weswegen ich nun die Gelegenheit bekam, mein Frühstück zu essen. Auch wenn schlingen die bessere Bezeichnung war. Wenn ich schon müde war, wollte ich den Energieverlust zumindest mit Essen wieder ausgleichen.

„Es ist schlecht, dass wir nicht wissen, wieso er seine Opfer tötet.“ Faren sortierte die Datenblätter wieder sorgsam. „Wir haben damit absolut keinen Anhaltspunkt.“

Kaum erinnerte ich mich wieder an den Anblick der Leiche auf dem Bett, verging mir der Appetit, lustlos stocherte ich in den letzten Resten des Rühreis. „Hätte ich ihn das fragen sollen?“

In meinem Kopf tastete ich zaghaft nach der Erinnerung des Toten, in der Hoffnung, dort einen Hinweis zu finden, aber natürlich konnte ich sie nicht abrufen. Sie waren nur noch Ballast, der auf einem Regal in meinem Inneren Staub ansetzte. Verschlüsselte Daten, die nicht mehr decodiert werden konnten, weil die entsprechende Dechiffriermaschine verlorengegangen war.

Also blieb mir nur, mich auf meine Erinnerung zu verlassen. Aber die wenigen Fetzen, die ich hatte begreifen können, halfen mir nicht. Warum der Baseballspieler mit dem Verwelkten in einem Motel gewesen war, entzog sich meinem Wissen. Was der Mörder von ihm gewollt hatte, war mir immer noch ein Rätsel.

Faren sah mich an, die Stirn in Falten gelegt, die Brauen zusammengezogen. „Natürlich nicht. Du kannst ohne jede Vorbereitung froh sein, dass du da wieder rausgekommen bist. Er hätte dich auch ganz einfach kaltmachen können.“

„Ich dachte, er will dir etwas antun.“ Ich blickte auf meinen Teller hinunter, um nicht sehen zu müssen, wie Faren mich nach diesen Worten ansah.

Glücklicherweise ging er nicht näher darauf ein, sondern sprach weiter über etwas anderes: „Vielleicht wollen sie mehr über dich herausfinden, um dich anzuwerben.“

„Oder meine Schwächen auszuloten.“ Ich sah ihn nun doch wieder direkt an. „Nachdem ich so viele Verwelkte getötet habe, müssen sie mich hassen. Sicher wollen sie mich loswerden.“

Dass wir über ein derartiges Thema sprachen, obwohl wir uns in einem vollbesetzten Diner befanden, mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen – aber eigentlich ist es ziemlich logisch. Jeder an diesem Ort war mit seinem Begleiter beschäftigt, abgesehen von den Truckern am Tresen und der Bedienung. Aber diese waren allesamt von der Jukebox und allen stattfindenden Gesprächen geradezu übersättigt an Eindrücken, so dass sie einem einzelnen Gespräch kein Gehör schenken konnten, egal wie verräterisch oder belastend es war.

Endlich griff Faren sich seinen Bagel und biss ein Stück ab, um dann mit vollem Mund weiterzusprechen: „Aber das ist bei dir doch total einfach.“

Auf mein tadelndes Stirnrunzeln hin, schluckte er erst einmal und spülte mit Kaffee hinterher.

„Der Kerl hat doch gesehen, wie du allein bei ihm schon zusammengebrochen bist. Wie gesagt, er hätte dich ganz einfach töten können. Oder zumindest mitnehmen.“

Aber es gab Gründe dafür, dass nichts davon geschehen war. Mich mitzunehmen war wohl wegen der Polizei, die bereits alles umstellt hatte, ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Er allein war dem Blick der Beamten entkommen, aber mit einem unter Schmerzen leidenden Anhängsel? Nein, das war wirklich absolut nicht möglich.

Auch dafür, dass er mich nicht direkt getötet hatte, gab es eine Begründung, das wusste ich einfach.

„Vielleicht geht es ihnen nicht darum, mich aus Rache zu töten. Sie sind Dämonen, ich würde eher darauf wetten, dass sie mich so lange wie möglich quälen wollen.“

Faren verzog das Gesicht zu einer Grimasse, ließ mir aber nicht die Gelegenheit, noch etwas zu sagen oder etwas zurückzunehmen, weil er direkt darauf einging: „Und du glaubst, sie tun das, indem sie mir etwas antun?“

Das war der einzig logische Schluss. Meine Eltern waren tot, mehr Familie besaß ich nicht. Mit der Flucht aus meiner Heimatstadt hatte ich auch sämtliche Bande zu Freunden und Bekannten gekappt. Niemand wäre in der Lage, diese zu finden und gegen mich zu verwenden.

Aber Faren war hier. Wir teilten ein Zimmer, ein Bett, waren eigentlich immer zusammen zu sehen. Wenn jemand sich an mir rächen wollte, dann ganz gewiss über Faren.

Doch auf meine Besorgnis hin, winkte er, fast schon gelangweilt, ab. „Ich glaube kaum, dass das notwendig ist. Kieran, du würdest dich wahrscheinlich sogar für einen Wildfremden in die Höhle des Löwen stürzen, selbst wenn dieser ausgehungert wäre und du dich langsamer als eine Schnecke bewegen würdest. Das ist einfach dein Naturell.“

Im Grunde sagte er mir damit, dass ich auf jeden Fall in einer Zwickmühle saß. Aber ich durfte nicht zulassen, dass ich in eine passive Position gedrängt wurde, aus der ich mich nicht mehr befreien könnte. Ich musste aktiv werden, ich musste diesen Verwelkten finden.

„Aber wie sollen wir das ohne jeden Anhaltspunkt anstellen?“, fragte Faren mich.

Normalerweise konnten wir Zeitungsberichte und die Nachrichten verfolgen, um uns ein umfassendes Bild über den Verwelkten zu machen und ihn dann in den Unterlagen meines Vaters erkennen. Aber in diesen Fällen war den Dämonen meine Anwesenheit, meine Existenz, nie bewusst gewesen. Sie waren nicht gewarnt gewesen. Das war diesmal anders.

„Wenn du mich fragst, befinden wir uns bereits in einer passiven Position.“ Faren lehnte sich mit seiner Tasse zurück und legte den freien Arm ausgestreckt auf die Rückenlehne. „Es würde mich nicht wundern, wenn sie eine Verbindung zur Polizei haben und deswegen noch mehr über dich wissen als vorher.“

Da er das nun erwähnte, konnte ich diesen Gedanken auch nicht mehr abschütteln. Glücklicherweise benutzten wir die Pseudonyme, so konnte niemand, den ich kannte …

Ich erstarrte augenblicklich, als ich das dachte. Natürlich könnten Personen, die ich kannte, Ziel der Verwelkten werden. Auch wenn ich keine Freundschaften aufgebaut hatte, sollte niemand zu Schaden kommen, nur weil er mich zufällig kannte. Aber was konnte ich jetzt noch tun? Den Supermarkt überwachen, in dem ich arbeitete? Auch wenn es immer nur drei Stunden in der Woche gewesen waren? Ich könnte die anderen Angestellten nicht mal erkennen, wenn ich sie irgendwo unterwegs träfe.

All die umherschwirrenden Gedanken brachten meinen Kopf wieder zum Schmerzen. Mit einem leisen Stöhnen griff ich mir an die Stirn und schob mit der anderen Hand den Teller von mir.

Faren schmunzelte. „Du bist wirklich nicht jemand, der gern nachdenkt, oder?“

„Ich arbeite lieber praktisch. Von allen Wenns und Abers bekomme ich nur Kopfschmerzen.“

Und sie hatten meinen Vater getötet. Statt weiter umzuziehen, wie er es sein ganzes Leben lang gemacht hatte, war er in derselben Stadt wie meine Mutter geblieben. Mit Wenns und Abers hatte er sich davon überzeugt, dass er niemals gefunden werden könnte. Und was war am Ende geschehen?

„Das einzige, was wir tun könnten, wäre herumzufahren und darauf zu hoffen, dass du sie irgendwo spüren kannst. Aber ich glaube, das könnte für deine neuen Freunde Verdacht genug sein, um dich wieder einzusperren.“

Faren deutete mit dem Kinn nach draußen. Von meinem Platz aus konnte ich den Parkplatz überblicken. Etwas weiter entfernt stand ein unauffälliger dunkler Wagen, in dem zwei Männer saßen und aus Pappbechern tranken. Sie sahen zu mir herüber und machten sich nicht einmal die Mühe, auch nur im Mindesten unverdächtig zu wirken.

„Idioten“, seufzte ich. „Was denken die denn? Dass ich vor ihren Augen einen Mord begehe?“

„Ich denke, sie sind ziemlich wütend, dass sie dich gehen lassen mussten. Sie brauchen irgendeinen Schuldigen, damit die Schäfchen wieder ruhig schlafen können.“

Es könnte problematisch werden, dass ich den eigentlichen Schuldigen umbringen wollte, statt ihn der Polizei auszuliefern.

„Aber sieh das Gute daran: Wenn es während der Observation zu einem weiteren Todesfall kommt, wissen sie, dass es nicht du warst.“

Dennoch wollte ich jedes weitere Opfer eigentlich vermeiden. „Wir sollten gehen. Setzen wir deinen Vorschlag um und fahren durch die Gegend, bis ich die Anwesenheit eines anderen Verwelkten spüre.“

Faren stellte die Tasse wieder ab. „Gut, geht klar.“

Ohne jedes weitere Wort stand er auf und ging in Richtung der Toiletten davon. Mein Blick wanderte derweil wieder auf den Parkplatz hinaus. Die beiden Beamten unterhielten sich inzwischen und bemühten sich wohl, nicht mehr so auffällig zu sein. Ich fragte mich, ob sie mich wirklich für so bescheuert hielten, dass sie damit durchkommen könnten. Aber vielleicht sprachen sie nun auch über etwas ganz anderes. Wenn sie Partner waren, kannten sie sich wohl immerhin mit dem Privatleben des jeweils anderen aus. Ich sollte mir nicht derart viele Gedanken um Leute machen, selbst wenn sie mich observieren sollten.

Jemand lief an meinem Tisch vorbei, aber ich schenkte dem keine Beachtung – bis ich bemerkte, dass ein Zettel neben meiner Hand lag. Eine Nachricht war darauf gekritzelt, was mich sofort aufspringen ließ.

Hastig lief ich ebenfalls in Richtung der Toiletten, wo ich den Schreiber wähnte, lief stattdessen aber direkt in Farens Arme, als dieser gerade heraustrat. „Na, nicht so stürmisch, Kieran~. Was ist denn los?“

„Hast du gerade jemanden hineingehen sehen?“

Er warf einen Blick über seine Schulter, schüttelte dann aber mit dem Kopf. „Ich war der einzige da drinnen. Warum? Was ist denn?“

Ich drückte ihm den Zettel gegen die Brust. „Das da wurde mir gerade auf den Tisch gelegt, aber ich weiß nicht, von wem. Ich dachte, er wäre da reingegangen.“

Geduldig nahm Faren mir das Papier aus der Hand, dann glättete er es, um zu lesen.

Mit sicherer, aber absolut gefühlloser Hand hatte dort jemand eine Aufforderung geschrieben:
 

Du willst wissen, was die Begabten von dir wollen?

Komm heute um Mitternacht zur Tür unter der Turnpike Bridge.

J.W.C.

Kapitel 5: Du gehörst zu Rack.

Nach dieser Begegnung kehrten wir ins Motel zurück, damit ich noch einmal duschen und ein wenig schlafen konnte. Doch nach der Dusche lag ich lediglich schlaflos auf dem Bett und starrte auf die Vorhänge vor dem Fenster, als erwartete ich dort jederzeit die Rückkehr der Silhouette des Verwelkten.

Faren hatte mich allein gelassen, um sich die Gegend anzusehen und die Polizisten, die uns verfolgten, im Auge zu behalten. Vermutlich fragten sie sich aber eher, ob er wirklich mein Anwalt war, wenn er die ganze Zeit in der Gegend blieb – und sich sogar extra umgezogen hatte. Vielleicht erkannten sie ihn ohne den Anzug aber auch nicht mehr, das konnte ich jedenfalls hoffen. Wenn man mit jemandem nicht so viel zu tun hat, kommt es oft vor, dass man diese Person nicht wiedererkennt, sobald man ihr irgendwo mit neuer Kleidung wiederbegegnet.

Vielleicht war es seine Abwesenheit, vielleicht aber auch die Situation an sich, aber meine Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen, dachten weiterhin rastlos über diesen Zettel und auch den fremden Verwelkten nach. Wie war es ihm gelungen, mich so schnell zu finden, obwohl es noch nicht lange her war, seit ich Marduk getötet hatte? War unsere Spur derart leicht nachzuvollziehen gewesen? Dabei hatten wir extra darauf geachtet, zwischen unseren einzelnen Aktionen viel Zeit verstreichen zu lassen, um niemanden, vor allem das FBI nicht, auf unsere Fährte zu locken. Und nun waren wir doch von jemandem erwischt worden.

Oder er war schon vorher hier gewesen.

Natürlich. Marduk war laut den Aufzeichnungen meines Vaters schon einige Jahre hier in der Stadt gewesen, und der König der Verwelkten – Rack – plante einen Krieg und holte dafür Leute in seine Armee. Da war es doch nur natürlich, dass sie ebenfalls hierher kamen, um ihn zu rekrutieren. In diesem Fall waren wir uns nur zufällig über den Weg gelaufen. Aber was wollten sie dann nun von uns? Uns töten oder doch rekrutieren? Und was fände ich besser?

Für mich war vollkommen klar, dass ich mich niemals jemandem wie Rack anschließen werde. Aber ich glaubte nicht, dass ich gegen jemanden wie ihn ankommen könnte. Über ihn stand nicht viel in den Unterlagen, deswegen war es schwer einzuschätzen. Aber mit Sicherheit war er nicht umsonst der König der Verwelkten.

Während ich noch nachdachte, wurde die Tür geöffnet, Faren erschien darin. Er schenkte mir einen wehleidigen Blick, dann setzte er sich auf das Bett neben mich. „Na? Kannst du nicht schlafen?“

„Ich schlafe mit offenen Augen.“

„Guter Witz. Worüber denkst du nach?“

In kurzen Worten erklärte ich ihm meine Überlegungen bezüglich Rack. Er lauschte aufmerksam, ohne mich zu unterbrechen, was mich ein wenig ausschweifender reden ließ, als sonst.

„Würdest du dich ihm denn anschließen?“, fragte er schließlich, nachdem ich geendet hatte.

„Natürlich nicht.“ Ich zog die Brauen zusammen. „Ich sagte ja schon, dass ich kein Interesse habe, irgendwelche Menschen dazu zu zwingen, den Verwelkten Untertan zu sein.“

Vor allem weil es lediglich bedeutete, dass die gesamte Welt zu einem riesigen Masthof würde, in dem sich die Herrscher bedienten, wie sie wollten. Das war kein Zustand, den ich mir für irgendjemanden erträumte, weder für die Menschen, noch für die Verwelkten, die niemandem schaden wollten. Aber vielleicht konnte ich leicht reden, ich benötigte immerhin nur tote Menschen – oder Tiere – zum Überleben und solche gab es überall. Was sollte aber ein Verwelkter machen, der lebende Menschen reißen musste?

Reißen, wenn ich nur an meine eigene Wortwahl beim Denken über diese anderen dachte … Sie waren nichts anderes als Raubtiere und mussten deswegen zum Schutz ausgeschalten werden. Ohne Wenn und Aber.

Faren hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte nachdenklich auf den ausgeschalteten Fernseher. Ich fragte mich, was ihm durch den Kopf ging, aber er antwortete bereits, ehe ich es aussprechen konnte: „Meinst du, Marduk ist deswegen in der Kälte dort draußen gewesen?“

„Ich kann dir nicht folgen.“

„Wenn du ein ehrwürdiges altes Wesen wärst, das jemandem die Anweisung bringen will, sich seiner Armee anzuschließen, würdest du das in einem alten verkommenen Apartment tun, in dem sogar die Kakerlaken dich belauschen, oder doch lieber an einem abgelegenen Ort, an dem es auch nicht auffiele, räumtest du denjenigen, der sich weigert, sofort aus dem Weg? Du bist ihm dann lediglich zuvorgekommen.“

Das klärte wirklich die Frage, warum er sich ausgerechnet dort aufgehalten hatte, obwohl es keinerlei Nahrungsquelle für ihn dort gab. Aber es erklärte nicht, wie dumm es gewesen war, dorthin zu gehen, als er hungrig gewesen war. Vielleicht war er nur nicht mehr dazu gekommen, ein Opfer zu finden. An jenem Abend waren die meisten Personen sicher lieber zu Hause geblieben.

Wenn dort also ein Treffen hätte stattfinden sollen, wäre die andere Partei, die Verwelkten, auch vor Ort gewesen, verborgen vor unseren Blicken, die sich ohnehin ganz auf Marduk konzentriert hatten. Aber auch verborgen vor meinen Fähigkeiten. Wie das möglich sein konnte, musste ich aber erst einmal hintenanstellen. Ich musste darüber nachdenken, was dann an jenem Abend geschehen war.

„Dann müsste er uns nur ins Motel gefolgt sein“, schlussfolgerte ich schließlich. „Deswegen wusste er, wo wir sind. Und jetzt hat er uns im Visier.“

Faren holte den Zettel wieder aus seiner Tasche und glättete ihn vorsichtig. „Aber wer ist J.W.C.? Das klingt nach Initialen eines normalen Menschen, keines Verwelkten.“

„Ich werde es sehen, wenn ich ihn treffe.“

„Du willst also wirklich hingehen?“ Farens Stimme war von Sorge geprägt, die mein Herz berührte.

„Mir wird schon nichts passieren. Wenn er nur mit mir reden will, ist alles gut, wenn nicht, bin ich sofort wieder weg.“

Einen Moment lang war seine Stirn noch immer von einer Sorgenfalte geprägt, aber da ich seinen Blick so ruhig wie möglich erwiderte, beruhigte er sich ebenfalls und lächelte wieder. „Dafür solltest du aber erst einmal schlafen und dich ausruhen. Also mach das jetzt auch endlich. Ich bleibe auch neben dir sitzen, damit du keine Sorge haben musst.“

„Ich mache mir keine Sorgen.“ Ich wandte den Kopf wieder zum Fenster, dort war immer noch keine fremde Silhouette zu sehen. „Aber du bleibst wirklich, oder?“

Faren beugte sich über mich, so nah, dass ich seinen kaum wahrnehmbaren Geruch einatmen konnte. Ein fruchtiger, angenehmer Duft, den ich zu lieben gelernt hatte. Ich war derart fasziniert davon, dass ich kaum bemerkte, dass er seine Lippen auf meine legte. Es nahm Sekunden – scheinbar eine ganze wundervolle Ewigkeit – in Anspruch, bis ich diesen Kuss mit geschlossenen Augen erwiderte und auch die Arme um Faren legte. Was immer mich auch unter dieser Brücke erwarten sollte, für ihn hielt ich durch, davon war ich überzeugt.
 

Die Tür zu der ich kommen sollte, sah unbedenklich genug aus. Sie war braun, aus Metall, und führte wohl in einen Wartungstunnel, so hatte Faren es mir zumindest im Auto erklärt. Das einzige, was mir verriet, dass ich richtig stand, war eine rote Blume auf der Tür. Es war ein viel zu romantisches Bild für die Verwelkten und gleichzeitig unheimlich passend, eben wegen diesen Namens. Vielleicht, ich wagte kaum zu hoffen, erwartete mich dahinter auch ein weiterer Verbündeter.

Offen blieb die Frage, hatte Faren im Auto eingeworfen, wer die Person war, die mir diesen Zettel gegeben hatte. Meine Kopfschmerzen waren ausgeblieben, aber das musste nichts bedeuten, erwiderte ich darauf, denn immerhin war es möglich, dass er einen normalen Menschen beauftragt hatte, mir den Zettel zu geben.

„Trotzdem, das riecht sehr nach einer Falle.“

Farens Worte echoten noch immer in meinem Inneren, deswegen stand ich auch allein vor jener Tür, während er im Auto wartete. Wenn die Polizei uns noch immer überwachte, so hatten sie es zumindest nicht bis hierher geschafft, uns zu folgen. Ich sah jedenfalls niemanden. Bei Farens Fahrstil, wenn er jemanden abhängen wollte, war das auch kein Wunder. Ich überlebte das auch nur, wenn ich nebenbei die Augen schloss.

Aber darum ging es nun nicht. Ich musste herausfinden, woher der Zettel gekommen war, das war nun wesentlich wichtiger.

Noch einmal tief Atem schöpfend, öffnete ich die Tür und trat ein. Es war lediglich der Beginn eines Versorgungsschachts, dementsprechend gedämpft war das gelbe Licht, das den Gang notdürftig erhellte. Ich schloss die Tür sanft, um kein lautes Geräusch zu verursachen und lief dann, so schnell ich konnte, den Gang entlang. Meine Schritte hallten unheimlich laut von den Wänden wider, dröhnten in meinen Ohren wie mein Atem und mein Herzschlag, in einem Takt, der nicht gesund sein konnte.

An jeder Abzweigung hielt ich für einen Moment inne, um mich zu orientieren, aber glücklicherweise war derjenige, der mich treffen wollte, klug genug gewesen, meinen Weg zu markieren. So folgte ich den Markierungen, bis der Gang wieder in einen großen Raum mündete. Es war eine Halle, in der augenscheinlich Rohre aufbewahrt wurden. Die bis an die Decke reichenden Regale reihten sich aneinander, so dass es kaum möglich war, zu sehen, ob sich jemand hier versteckte. Noch spürte ich keinen anderen Verwelkten, mein Kopf war vollkommen klar.

Langsam lief ich an den Regalen vorbei, lauschte, hörte aber nur meine eigenen Schritte, die von den Wänden widerhallten. Ich glaubte, im Echo noch etwas anderes zu hören, aber wann auch immer ich stehenblieb, verstummten sämtliche Geräusche.

Bislang war zwischen den einzelnen Regalen nichts zu sehen. Aber ich blieb weiterhin aufmerksam, in der wachsenden Erwartung, direkt in einer Falle gelandet zu sein.

Als ich das Ende der Halle erreichte, sah ich allerdings niemanden, schon gar keinen Verwelkten. Eine Tür führte zwar weiter, allerdings war sie abgeschlossen, wie ich nach einem kurzen Test feststellen konnte. Es war ein toter Hinweis gewesen, eine Erkenntnis, die mir nicht behagte.

Vielleicht, fuhr mir durch den Kopf, war dem Hinweisgeber auch etwas geschehen. Da ich ihn als Verbündeten eingeschätzt hatte, bestand die Möglichkeit, dass dieser Verwelkte von letzter Nacht ihn abgefangen hatte. Oder jemand anderes. Ich wusste ja nicht, wer auf wessen Seite stand oder wo sich manche der Verwelkten, wie etwa Hula, befanden.

Aber es hatte keinen Sinn, weiterhin hier zu stehen und darauf zu warten, dass etwas geschah, also drehte ich mich um – und sah mich dem jungen Mann von letzter Nacht gegenüber. In Erwartung der lähmenden Schmerzen wollte ich bereits in die Knie gehen, aber da bemerkte ich auch schon, dass mein Kopf vollkommen ruhig war. Aber wie war das möglich?

„Kieran Lane“, sagte er mit tonloser Stimme.

„Wer bist du?“ Das war die einzige Frage, die mir in diesem Moment einfiel, obwohl es noch wesentlich mehr zu fragen gab, vor allem, weswegen er in diesem Augenblick keinerlei Einfluss auf mich ausübte.

„John Wayne Cleaver“, antwortete er, ohne jegliche Emotion in der Stimme.

Die Initialen waren dieselben wie auf dem Zettel. Also war er derjenige, der mich hatte sehen wollen! Aber sein Name war der eines Menschen, nicht der eines Verwelkten. War er etwa vor gar nicht langer Zeit einer der ihren geworden? Hatte es ein neues Ritual gegeben?

Ich ging direkt in Angriffsbereitschaft über, die Ketten rasselten, während sie sich um meinen Körper schlangen, um mich zu verteidigen und meinen Feind anzugreifen.

John hob eine Hand, worauf ein leises Pochen in meinem Kopf einsetzte, als der Chor der verstimmten Violinen ihr Lied anstimmten. Noch war es aber erträglich, nicht so wie in der Nacht zuvor.

„Ich bin nicht hier, um dich anzugreifen. Ich bin hier, um dir ein Angebot zu machen.“

„Du gehörst zu Rack.“

Wohlwollend neigte John den Kopf. „Also weißt du schon ein wenig Bescheid. Ich nehme an, du reist nicht blindlings durch das Land, sondern kennst deine Ziele.“

Ich antwortete darauf nicht. Wenn er mich mit Marduk beobachtet hatte, war die Wahrscheinlichkeit, dass er wusste, auf wessen Seite ich stand, hoch genug, dass er nur Informationen wollte, ehe er mich tötete.

„Du willst nicht reden?“ Er musterte mich, schien mich regelrecht zu scannen, meine Kopfschmerzen wurden noch einmal intensiver. „Keiner von uns kennt dich. Aber trotzdem bist du einer von uns. Wie kann das sein?“

„Wie lange beobachtet ihr mich schon?“ Je weniger Informationen ich ihm gab, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Profil von mir erstellen könnte; wenn ich die Stadt wieder verließ, würden sie mir folgen?

Sein Blick streifte meine Ketten, die in dem schwachen Licht glitzerten. „Ehrlich gesagt haben wir dich in dieser Stadt das erste Mal bemerkt. Gestern Abend, unten, am See.“

Also war das wirklich diese Sache mit Marduk gewesen. Er war dort gewesen, vielleicht nicht allein. Genausowenig wie ich.

„Deswegen wissen wir nichts über dich, außer dass du auf andere Verwelkte offenbar allergisch reagierst.“

Aber wohl nicht so sehr, wie erhofft, jedenfalls verriet mir das seine gerunzelte Stirn. Ich vermied, daran zu denken, dass es nur daran lag, weil er mir nicht wirklich feindlich gesonnen war. Zumindest im Moment noch nicht.

„Auch wenn du nicht sagen willst, wer du bist und wo du herkommst, haben wir ein Angebot für dich.“

Sie wollten, dass ich mich ihnen anschließe, da war ich mir sicher. Aber ich hatte bereits eine feste Antwort, von der ich nicht abrücken wollte: „Ich verzichte dankend. Ich habe kein Interesse daran, mich euch anzuschließen. Ich werde euch bekämpfen. Bis zum letzten Atemzug.“

John sah mich schweigend an, aber der Chor in meinem Inneren schwoll zu einem furchterregenden Kreischen an, das meine Schmerzen in einem Maß hochtrieb, dass ich glaubte, mein Schädel platze jeden Moment.

„Glaub bloß nicht, du wärst eine Bedrohung für uns. Du bist nur ein Nadelstich in der Hornhaut unserer Existenz.“

John fuhr herum und ließ mich in die Knie sinken, ohne sich weiter um mich zu kümmern. Mit langsamen Schritten ging er davon. „Du verstehst das sicher, oder? Wir werden dir nichts tun – aber für deinen Begleiter kann ich nicht garantieren.“

Farens Bild zuckte in meinen Gedanken auf, sein Lächeln, seine Stimme, das Gefühl seiner Haut auf meiner. „Nein!“

Trotz meiner Schmerzen zuckten die Ketten, schossen rasselnd nach vorne, um John anzugreifen. Sie trafen ihr Ziel, griffen tief in seinen Körper, aber er blieb nicht stehen, als spüre er das nicht einmal. Dafür wurden meine Schmerzen noch einmal schlimmer, ich war sicher, dass mein Schädel sich wirklich spaltete, als wäre jemand mit einem Hammer und einem Meißel gerade dabei, ihn aufzubrechen. Dem konnten die Ketten nichts mehr entgegenbringen, sie verschwanden, und Johns Wunden verheilten innerhalb kürzester Zeit.

Vor meinen Augen verschwamm alles, Übelkeit stieg in mir auf, aber ich kämpfte den Drang, mich zu übergeben, nieder. Ich musste Faren retten, da blieb mir keine Zeit, mich um meine eigenen Probleme zu kümmern.

Nachdem John aus meiner Sicht verschwunden war, ließen die Schmerzen wieder nach, ließen aber ihr Echo zurück, das mich weiterhin niederdrücken wollte. Ich kam stolpernd wieder auf die Füße und folgte dem Gang, der mich hierher geführt hatte, um zurück nach draußen zu kommen.

Die Schmerzen wurden nicht mehr stärker, also war John bereits fort. Wie lange hatte ich auf diesem Boden gekniet? Es hatte sich nach nur wenigen Sekunden angefühlt, aber gleichzeitig schien sich die Zeit, die ich auch für diesen Weg benötigte, ins Endlose zu ziehen. Ich war bereits davon überzeugt, Faren draußen nicht mehr vorfinden zu können.

An der Tür angekommen, stürzte ich direkt nach draußen. Der schneidend kalte Wind machte mir bewusst, dass ich schwitzte, ich erschauerte, fror, darauf nahm ich aber keine Rücksicht. Ich konnte nicht, ich musste zu Faren, in der Hoffnung, dass es noch nicht zu spät war.

Der Weg den Abhang zur Straße hinauf, schien mir wie die längste Strecke der Welt. Meine Lunge, die mir erfroren schien, ächzte unter der Anstrengung bereits, mein ausgestoßener Atem bildete kaum noch eine weiße Wolke vor meinem Gesicht.

Als ich oben angekommen war, fühlten meine Beine sich ungeahnt schwer an, ich war mir nicht sicher, ob ich jemals noch einen Schritt gehen könnte, aber ich müsste.

Mein Blick huschte über die stille Straße, behindert von den fallenden Schneeflocken, die ich nur im Licht der Straßenlaternen richtig erkennen konnte. Endlich fand ich das geparkte Auto wieder, inklusive einer Person, die lässig dagegen lehnte – und gerade in aller Ruhe an einer Zigarette zog.

„Faren ...“

Ich glaubte nicht, dass meine brüchige Stimme ihn erreichen könnte, aber da wandte er mir den Blick zu – und kaum erkannte er mich, warf er die Zigarette fort und kam auf mich zugelaufen, während ich zeitgleich zu Boden stürzte.

Faren kam gerade rechtzeitig, um mich daran zu hindern, mit dem Kopf aufzuschlagen. Ich sank gegen seinen Körper, der mir angenehm warm vorkam. „Faren ...“

„Schon gut“, sagte er leise und strich mir über den Rücken, der sich wieder mit Wärme füllte.

„Ich dachte, du wärst ...“ Ich wagte es nicht einmal, das auszusprechen, aus Angst, dass es doch wahr werden könnte.

„Du zitterst. Ich bringe dich besser ins Auto und dann ins Motel.“

Ich widersprach nicht, auch nicht, als er mir wieder nach oben half und mich zum Auto bugsierte. Die Erleichterung durchströmte meinen gesamten Körper und ließ langsam wieder Wärme in ihn hineinströmen. Faren lebte – und ich konnte endlich dem Verlangen nachgeben, bewusstlos zu werden.

Kapitel 6: Hast du irgendetwas herausgefunden?

Technik und ich waren noch nie Freunde gewesen. Es ist als wüsste die Technik, dass ich nicht normal bin, könne mich aber nicht richtig einordnen und stoße mich deswegen ab. Natürlich funktioniert diese Annahme nur, wenn man der Technik ein Bewusstsein zuspricht.

Allerdings kann ich nicht abstreiten, dass ich im Laufe meines Lebens mehrere Handys, PCs und auch Lampen verschlissen habe. Von brennenden Toastern ganz zu schweigen. Wenigstens gewöhnte man sich irgendwann an diesen Umstand und war dann auch nicht mehr erstaunt, wenn ein weiterer Toaster mit einer Stichflamme das Zeitliche segnete.

Im Gegensatz zu mir zeigt Faren nie ein Problem damit, deswegen überließ ich es ihm, mehr Informationen zu sammeln. Im Grunde gab es keinen Anlass für uns, aktiv nach John zu suchen. Ich war mir sicher, dass er uns in Ruhe ließe, sofern ich aufhörte, Verwelkte zu jagen oder zumindest den Ort – am besten den Staat – dafür wechselte. Er und Rack waren nur deswegen auf mich und Faren aufmerksam geworden, weil wir zufällig zur selben Zeit am selben Ort waren. Ich war mir sicher, das Interesse könnte genauso schnell wieder enden.

Aber wir wussten beide, ohne es aussprechen zu müssen, dass wir nicht zulassen konnten, dass die beiden weiter zahlreiche Menschen töteten.

Aufgrund meines Zustandes hatte Faren mich den Rest der Nacht schlafen lassen, um allein zu recherchieren. Als ich gegen Mittag wieder wach wurde – glücklicherweise ohne Kopfschmerzen –, trank Faren, der neben mir saß, gerade einen Kaffee und tippte immer noch auf der Tastatur seines Netbooks, das er auf seinen Oberschenkeln ruhte. Es war ein kleines Gerät, nur unwesentlich größer als ein Smartphone, mit außergewöhnlicher Verzierung. Die dunkelrote Verschalung war mit goldenen Blättern versehen, die ein Muster bildeten, das mir vollkommen unbegreiflich war. Einmal hatte ich Faren danach gefragt, aber seine Antwort war nur ein einfaches, vielsagendes Lächeln gewesen. Er liebte seine kleinen Geheimnisse eben.

Ich setzte mich aufrecht hin, um ebenfalls einen Blick auf den Bildschirm werfen zu können. Im Moment war nur eine Facebook-Seite zu sehen, der Name der Person interessierte mich aber nicht weiter. Es schien ohnehin nur irgendein Freund von Faren zu sein, den ich nicht kannte.

Er lächelte mich derweil an. „Guten Morgen~. Hast du gut geschlafen?“

Ich wies ihn nicht darauf hin, dass es bereits Mittag war – wie mir die Uhr in der unteren rechten Ecke des Bildschirms verriet – sondern nickte. „Hast du irgendetwas herausgefunden?“

„Natürlich.“ Er klopfte sich selbst auf die Schulter. „Allerdings war ich eine Weile auch damit abgelenkt, mir etwas über John Wayne Gacy durchzulesen.“

Der Name klang ähnlich, aber er war nicht derselbe. Was gab es über so jemanden zu lesen?

„Er war ein Serienkiller“, erklärte Faren mir. „Er hat 33 Jungen und Männer getötet.“

„Hat das etwas mit Cleaver zu tun?“

„Eigentlich nicht.“

Bei Farens Lächeln fiel es mir schwer, verärgert zu sein, aber ich brachte zumindest ein Schnauben zustande, damit er wusste, wie wenig ich von dieser Ablenkung hielt.

Er klickte auf einen anderen Tab in seinem offenen Browser. Es war ein Artikel aus einer regionalen Zeitung über einen Vorfall in einem County namens Clayton. Ich überflog ihn lediglich, stellte fest, dass es auch hier Serienmorde gegeben hatte und es einem Jungen namens John Wayne Cleaver gelungen sei, ihn zu vertreiben.

„Und dann das.“

Faren klickte auf einen weiteren Tab. Ein weiterer Serienmörder, diesmal im gesamten Land, der aber in Clayton getötet worden war – von John Wayne Cleaver.

„Und hier.“

Noch ein Tab. Wieder eine Todesserie, wieder in Clayton. Eine Frau namens April Cleaver war in der Auseinandersetzung mit dem Mörder gestorben. Und sie war – Überraschung – die Mutter von John Wayne Cleaver gewesen.

„Das kann kein Zufall sein“, stellte ich fest.

„Ist es auch nicht.“ Faren deutete auf den Bildschirm. „Die Details zu den Opfern, die öffentlich sind, deuten darauf hin, dass sie von Verwelkten getötet wurden.“

Also hatte John die Verwelkten bekämpft und war dann einer der ihren geworden. Aber weswegen?

„Er muss Racks Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben“, schlussfolgerte Faren. „Und dann hat er ihn in einen Verwelkten verwandelt.“

Es wunderte mich auch nicht. Wenn es einem einfachen Menschen gelang, mindestens drei Verwelkte auszuschalten, musste das doch die Aufmerksamkeit ihres Königs wecken. Selbst bei mir war es geschehen, aber ich hatte zumindest die Unterstützung meiner Verwelkten-Gene besessen. Was für ein wundersamer Mensch und damit wertvoller Verbündeter musste John da erst sein?

„Hast du noch mehr über ihn herausgefunden?“

Faren tippte ein wenig ungeduldig auf dem Rahmen seines Netbooks. „Das war ein echtes Problem. Normalerweise hat so gut wie jeder irgendein Facebook-Profil. Sogar der Kerl, der hier im Motel ermordet wurde hatte eines.“

Ich glaubte, mich an einen kurzen Augenblick zu entsinnen, als ich zwischen seinen Erinnerungen auch sein Profil sehen konnte. Aber es war nur undeutlich, vielleicht kam mir da auch eine meiner eigenen Erinnerungen in die Quere.

„Aber John Wayne Cleaver aus Clayton? Nope, nada. Er hat keinerlei Einträge auf irgendeiner Social Media Seite. Abgesehen von diesen Artikeln findest du nichts über ihn, außer ...“

Er verstummte und sah mich schmunzelnd an.

„Spann mich nicht auf die Folter, das ertrage ich heute nicht.“

Der Druck in meinem Kopf begann bereits wieder zuzunehmen. Faren hörte auf meine Bitte und klickte auf einen weiteren Tab. Dieser enthielt eine Vermisstenanzeige für John – und das abgebildete Foto war eindeutig der Verwelkte der letzten Nacht. Hatte er wirklich bereits als Mensch derart blass und übernächtigt ausgesehen?

„Das ist er.“

Faren nickte zufrieden. „Er wurde vom FBI vermisst gemeldet, ich nehme an, er gehörte zu der Gruppe, die nach Verwelkten jagt.“

Das empfand ich als passend für jemanden mit seinem Können. Ich wusste zwar nicht, wie ihm das alles gelungen sein mochte, aber etwas musste er ja haben.

„Hilft uns das irgendwie weiter?“

Faren ging auf den vorletzten Tab. Es war ein weiterer Artikel aus einer regionalen Zeitung, in diesem wurde Johns Verschwinden nur kurz umrissen (und er wurde lediglich als John C. bezeichnet). Ansonsten ging es um die Rückkehr seiner Begleiterin Brooke W. nach Clayton.

„Wie passt dieses Mädchen jetzt hinein?“

„Das frage ich mich auch“, gab Faren zu. „Aber soweit ich mitbekommen habe, ist sie gemeinsam mit John vorher unterwegs gewesen. Und wenn du bedenkst, dass er zum FBI gehört hat, bedeutet dies, dass sie ebenfalls mit denen unterwegs war.“

Und sie nahmen sicher nicht einfach nur irgendein Mädchen mit, das sie dann auch noch durchfüttern mussten. Es gab irgendetwas, das sie bieten konnte – aber warum hatte Rack sie dann zurückgelassen? Sie nicht einmal getötet?

„Wir wissen zu wenig“, schloss ich meine Gedanken ab, was Faren mit einem Nicken bestätigte.

„Das ist echt schlecht. Deswegen dachte ich mir, wir sollten mit ihr reden gehen.“

Ich sah zu ihm hinüber, erwartete ein verräterisches Schmunzeln, aber er war vollkommen ernst.

„Was denn?“, fragte er. „Wir können kaum zu John selbst hingehen und ihn fragen, was seine Schwächen sind und all das, um ihn aufzuhalten.“

Das entsprach natürlich der Wahrheit. Wir konnten ihn nicht einfach davonkommen lassen, wenn er zu Rack gehörte und Menschen zerstörte, wie diesen Baseballspieler. Aber uns gegen einen neuen Verwelkten zu stellen über den wir absolut nichts wussten, war auch kein kluger Plan. Also blieb als einzige Alternative wirklich, diese Brooke aufzusuchen. Sie musste mehr über John wissen und auch darüber, was er beim FBI so Tolles getan hatte, um Racks Aufmerksamkeit endgültig auf sich zu ziehen.

„Okay, du hast mich überzeugt. Aber wie sollen wir sie finden?“

Faren streckte stolz die Brust heraus. „Es hat einiges an Zeit gekostet, aber ich konnte die Namen einiger Opfer der letzten Todesserie in Clayton rekonstruieren. Wusstest du übrigens, dass sie samt und sonders junge Mädchen waren und sich alle die Pulsadern aufgeschnitten haben?“

Er sah mich erwartungsvoll an und ich lieferte sofort: „Hulla?“

„Klingt ganz danach“, sagte Faren, er deutete zu der Tasche mit den Unterlagen meines Vaters hinüber. „Jedenfalls wäre das die einzige Verwelkte, die auf diese Art agiert und Cathan bekannt war.“

Es gab Verwelkte, die im Ritual ihren verhassten Körper hinter sich gelassen hatten und die Fähigkeit gewannen jeden zu besetzen, der ihnen beliebte. Aber die Vorgehensweise war bei ihnen stets anders. Es gab solche wie Mkhai, die sich brutal nahmen, was sie wollten und den alten Körper beim Verlassen einfach zersetzten – und dann gab es solche wie Hulla, die ihren Wirt zwar verlassen konnten, aber es bevorzugten, das zu tun, indem sie den Körper verletzten und den Seelenstoff wie Blut durch diese Wunden hinauszulassen. Für jeden Außenstehenden musste das natürlich aussehen als ob jemand sich selbst umgebracht hatte.

Und es klang insofern nach Hulla, dass es junge Mädchen getroffen hatte. Laut Cathans Unterlagen waren das Hullas bevorzugte Opfer, da sie in ihnen allen etwas suchte, das ihr fehlte. Das machte es besonders schwer, sie zu finden. Doch wenn sie in Clayton gewesen war, während John dort noch Verwelkte gejagt hatte, gehörte sie möglicherweise nun der Vergangenheit an.

„Aber darum geht es ja gerade nicht“, fuhr Faren fort. „Über diese Namen fand ich auch die entsprechenden Facebook-Profile mit den offenen Kondolenz-Einträgen, wo ich wiederum den vollen Namen von Brooke fand: Brooke Watson.“

In meinem Kopf drehte sich bereits alles. Von allem, was Faren erklärte, verstand ich gerade mal die Hälfte. Deswegen war ich wieder einmal froh, dass er die Recherche übernommen hatte. Ich wäre nie irgendwo gelandet.

„Brooke Watson hat ein Facebook-Profil“, fuhr er fort, „aber das liegt schon seit einiger Zeit brach. Glücklicherweise fand ich aber ein Profil eines ihrer Verwandten. Und der erzählte von einem Besuch bei ihrem derzeitigen Aufenthaltsort.“

„Kommst du endlich zum Punkt?“

Es schien ihm diebisches Vergnügen zu bereiten, mich so lange zappeln zu lassen. Dabei wollte ich doch nur wissen, wo sich Brooke Watson gerade aufhielt.

„Ja ja, da bin ich ja gleich.“ Faren seufzte theatralisch. „Ihr Verwandter hatte seine Ortung bei diesem Posting aktiviert – und dadurch weiß ich, dass sie sich in einer Nervenklinik in der Nähe von Clayton aufhält!“

Wieder streckte er die Brust heraus, als erwarte er ein Lob oder eine besondere Belohnung dafür, dass er das alles geschafft hatte. Und ich muss zugeben, dass ich wirklich beeindruckt war in diesem Moment. Er hatte in der kurzen Zeit mehr herausgefunden als es mir in zahlreichen Wochen gelungen wäre – und das alles nur mit einem Computer.

„Ich habe auch schon die Adresse“, sagte er, bevor ich zu einem Lob kommen konnte; vermutlich war ihm mein fassungsloser Blick bereits genug gewesen. „Wir können sofort packen und los.“

Das zeigte mir dann aber wieder, dass er nicht ganz durchdachte, was er da so vorschlug. Ich zog die Brauen zusammen und deutete in Richtung des Fensters. Vom Bett aus konnte ich keinen verdächtigen Wagen entdecken, aber ich wusste, dass die Polizisten noch dort draußen standen. Als wir wieder im Motel angekommen waren, hatte ich sie gesehen – und nach gestern waren sie bestimmt nicht einfach verschwunden.

Außerdem hatten wir nicht ewig Zeit – ich war mir sicher, dass wir Johns Spur wieder verloren, wenn wir ihm zu langweilig wurden – und mit dem Auto bis nach Clayton zu kommen, dürfte viel zu lange dauern. Das Flugzeug käme aber wohl kaum in Frage, wenn man eines Mordes verdächtigt wurde.

Faren strich mir lachend durch das Haar. „Du vergisst, mit wem du hier sprichst. Ich habe darüber natürlich schon nachgedacht. Und es wird Zeit, dass jemand mir einen bestimmten Gefallen erweist.“

Faren öffnete seinen letzten Tab. In diesem war ein weiteres Facebook-Profil zu sehen. Der Name – Jonathan McDoe – sagte mir nichts, aber das Bild dazu durchaus. Er war derjenige, der uns die falschen Identitäten und die dazugehörigen Pässe verschafft hatte.

„Meinem persönlichen Meisterfälscher“, sagte Faren stolz, „wird bestimmt etwas einfallen, um uns schnellstens nach Clayton zu befördern.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Prolog war mehr ein kleines Experiment und diente auch mehr der Einstimmung auf die beiden neuen Charaktere - und der Klärung, was aus John geworden ist. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Namenserklärungen:
Murphy Shepherd = Murphy Pendleton aus Silent Hill Downpour und Alex Shepherd aus Silent Hill Homecoming.
Miles Wright = Miles Edgeworth und Phoenix Wright aus Ace Attorney (beides Anwälte ;D)
Belcer = Ricard Jay Belzer ist ein Schauspieler aus Law & Order: Special Victims Unit Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: Platan
2014-11-27T14:12:34+00:00 27.11.2014 15:12
Okay, dann geht es doch gleich mal weiter mit dem ersten Kapitel. ♥
Ich mag Kieran bei dem Titel ja gleich widersprechen und sagen "Natürlich bist du ein Mensch! >.<". ;<
Oh, an der Stelle muss ich übrigens sagen: Du schreibst in der Ich-Perspektive! *___*
Meinen Respekt, ich finde diese Perspektibe irgendwie immer noch schwer, aber für eine FF zu Dan Wells Geschichte bietet sich die natürlich an. Ich freue mich ja echt sehr darauf, aus Kierans Sicht zu lesen, also so richtig. :D

Der erste Absatz alleine beschreibt Kieran ja schon mal echt großartig! >.<
Da wird mir nochmal bewusst, wie gut er wirklich zu John passt, also was die Natur angeht (nicht, dass man das jetzt falsch versteht :,D).

> Wenn ich mich verletze, blute ich rot-schwarz, aber nur für wenige Sekunden, dann ist es, als wäre dort nie etwas gewesen, nicht einmal eine Narbe bleibt zurück.
Einerseits ja sehr praktisch, hätte ich auch gerne. :D
Aber andererseits auch ... recht einsam, weil es einen vom Rest der Welt abgrenzt und man nicht "normal" ist. :(

> Wenn ich angegriffen werde, brechen Ketten aus meinem Rücken, die mir jede Gefahr vom Leib halten.
Kieran und seine Ketten! >______<

> Ich ernähre mich von den Erinnerungen toter Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier.
Oh, ist Kieran also so ähnlich wie Elijah? °_°

Btw. finde ich den Stil echt super, der sich hier herauslesen lässt. Dass immer vorher die "Normalität" erklärt wird und dann im Gegensatz Kieran seine Seite dazu vergleicht. Hat wirklich was, liest sich auf jeden Fall gut.

> Normale Menschen haben normale Eltern. Mein Vater war ein Dämon.
Aber auch Cathan war ein richtiger Vater! >.<

> und ich stehe auf der Seite der Menschen.
Wie könnte es bei Kieran auch anders sein?! Q___Q

In den folgenden Sätzen merkt man wieder total, wie ähnlich Kieran John wirklich ist. D;

> Inzwischen habe ich sogar nur noch einen einzigen Freund.
Und ein Freund ist besser als keiner. Und dieser Freund ist der wahre Freund. Q___Q

> Tritt ein Mensch gegen einen Verwelkten an, setzen Sie besser alles auf den Dämon und hoffen, dass es möglichst schmerzlos für den Menschen enden wird, so unausgeglichen ist die Kräfteverteilung.
Deshalb ist es ja auch umso beeindruckender, dass die Menschen sich trotzdem gegen die Verwelkten stellen (man könnte es aber auch als dumm ansehen). D;
Aber klar, realistisch betrachtet haben Menschen keine Chance gegen Verwelkte. =/
TROTZDEM MUSSTE ELIJAH STERBEN!!! TT______TT

> Es gibt nur einen einzigen Grund, wegen dem ich mich für diese Sache entschied, aber das würde ich ihm sicher nie sagen, sonst wäre er am Ende nur eingebildet. Noch mehr als ohnehin schon.
Redet Kieran etwa von Faren? :3
Bestimmt haben seine Gefühle für Faren Kieran dazu gebracht, den Menschen beizustehen~.

> Aber ihn in meiner Nähe zu wissen war immer angenehm.
Awwwwwwwwww~. ♥♥♥

> Auch in jener Januar-Nacht, in der sogar ich fror, saß er neben mir, auf dem Fahrersitz dieses Mietwagens, und trank einen Kaffee, dessen Duft das gesamte Auto erfüllte und mich allein damit bereits wach hielt.
Ich kann nicht genau beschreiben, warum, aber ich finde diese Stelle gerade unbeschreiblich schön. ♥
Vielleicht, weil das für mich dieses typisch vertraute Bild von Kieran und Faren ist. Auf jeden Fall finde ich es einfach schön, zu sehen, dass sich manche Sachen nie ändern. Egal in welcher Welt. :3

> Ich trug einen grauen Wintermantel
Hehe, Kieran und Luan haben es wohl echt mit grauen Wintermänteln. X3

> einen Schal und Handschuhe und drückte mich dennoch wärmesuchend tiefer in meinen Sitz,
Er ist so süüüß! X3

> während Faren nur eine hellbraune Jacke trug, deren Ärmel sogar hochgekrempelt waren, als spürte er die Kälte gar nicht.
Ferris: Er ist ja auch in deiner Nähe. Wenn ich bei Luan bin, ist mir auch immer warm genug. ;D
Luan: ... Es könnte auch daran liegen, dass er einen heißen Kaffee trinkt. =_=

> Ein Auto, in dem, mitten in der Nacht, zwei schweigende Männer saßen, war schon auffällig genug, aber es bestand die Hoffnung, dass es im Dunkeln nicht beachtet wurde.
Ah, sie observieren also offenbar jemanden. °_°

> „Die Kälte erinnert ihn an etwas“, erwiderte ich. „Du musst also nicht darauf hoffen, dass er uns mal nach Florida führt.“
Wen? Wen, wen, wen? Wen verfolgen die denn? °___° *neugierig ist*

> „Vielleicht ja der danach?“
Okay, also verfolgen die einen Verwelkten. War mir zwar schon klar, aber ich will trotzdem wissen wen. Ich finde Verwelkte immer so interessant, weil jeder von ihnen anders ist. >.<

> Faren war nicht dumm und er wusste es besser, er drückte sich manchmal nur unüberlegt aus. Das kannte ich ja schon von ihm, deswegen störte es mich nicht mehr so sehr.
Ich hab die ganze Zeit Feels beim Lesen, wenn ich solche Gedanken von Kieran sehe. X3

> „An zu Hause?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht mag er ja Schneemänner?“
Und sowas von Kieran. XDDDDDDDDDD

> „Er könnte sich endlich mal zeigen. Das ist so unhöflich.“
Ach, Faren. Das bist mal wieder typisch du. :,D

> „Ich habe dir gesagt, dass du im Motel warten kannst und ich das auch allein geregelt kriege.“
Das gefiel ihm aber nicht wirklich. Er zog die Brauen zusammen. „Damit du mir hier draußen erfrierst? Nee, lass mal.“

Sagte ich schon, dass ich die ganze Zeit Feels habe? Die beiden sind einfach so großartig zusammen. ♥
Faren ist wieder so fürsorglich zu Kieran und wartet sogar in der Kälte mit ihm. Q___Q

> Ich wies ihn nicht darauf hin, dass seine Anwesenheit gerade nichts an meinem Frieren änderte,
Ferris: Denkst du. >:D

> Einen kurzen Moment lang war ich von diesem Anblick geradezu gefangen genommen, doch dann lenkte mich etwas wieder von ihm ab.
*quietscht laut*
FEELS! FEELS! FEELS! ♥♥♥

> Sie müssen sich vorstellen, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen überhaupt, eine eigene Ausstrahlung besitzt, etwas, das es einzigartig macht.
Oh, das finde ich jetzt sehr faszinierend. *___*

> Nun ist jedoch die Ausstrahlung eines Verwelkten derart intensiv, dass es in jemandem wie mir, der empfindlich auf fremde Energien reagiert, alles zum Schwingen bringt. Auf keine gute Art jedoch.
Also ich finde das gerade echt cool und ich bin beeindruckt, wie toll sich dein Schreibstil zu dem von Dan Wells anpasst.

> Wann immer ich mich in der Gegenwart eines Verwelkten befinde, scheint ein ganzes Violinenkonzert in mir Misstöne hervorbringen zu wollen. Ein kreischender Chor aus unzähligen verstimmten Instrumenten, die mir Kopfschmerzen bereiten.
... Alter! Vane, ich brauche mein Beatmungsgerät! SCHNELL! >___<
Vane: *seufz* Hier.
Ciela: Danke! >___<
Vane: ... Du fühlst dich wieder unwürdig?
Ciela: Sie ist einfach zu genial. Q///Q

> Ich nickte Faren noch einmal zu, dann stieg ich aus dem Wagen. Sofort wehte mir ein schneidender, eiskalter Wind ins Gesicht und ich überlegte tatsächlich, einfach wieder einzusteigen, die ganze Sache zu vergessen und mir lieber ein heißes Bad zu gönnen.
... Dieser Abschnitt ist so verdammt süß, dass ich Kieran knuddeln mag, um ihn aufzuwärmen. ♥

> Aber von dieser Entscheidung hingen Leben ab und ich war nicht gewillt, auch nur ein einziges zu riskieren, wenn dieses eine möglicherweise Faren sein könnte.
*blubbert ergriffen vor sich hin und labert wieder was von Feels*
Q//////Q
Wieso ist Kieran nur so toll? TT___TT

> Ich war im Lauf des letzten Jahres einfach in zu vielen Städten gewesen, da konnte ich mir nicht jeden merken.
Kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Ich kann mir nicht mal in meiner eigenen Stadt alles merken. :,D

> „Guten Abend, Marduk.“
Oh, du hast sogar Namen für den Verwelkten rausgesucht. ♥

> Er zog die Brauen zusammen, sein Blick wurde feindselig. „Gehörst du zum Tötungskommando der Menschen?“
Oha, inzwischen scheinen das ja echt alle Verwelkten mitbekommen zu haben. :,D

> Bislang war es mir gelungen, diesen Leuten erfolgreich auszuweichen und ich plante auch nicht, ihnen jemals gegenüberzutreten.
Aber manchmal kann man nicht alles planen, Kieran. D;
... Na ja, nach Band 4 gibt es diese Abteilung des FBI sowieso nicht mehr. Und John kämpft ja auch nicht mehr gegen die Verwelkten. =/

> Dank den Aufzeichnungen meines Vaters wusste ich, dass Marduk sich von Stimmbändern ernährte.
Ah, das musste also unter anderem in Cathans Schublade gewesen sein. °_°

> Statt etwas zu sagen, sah er mich mit einem Blick an, aus dem vor allem eines sprach: Hunger.
Ich mochte vielleicht kein Mensch sein, aber das war ihm in dieser Situation wohl einerlei.

Hey! Nicht Kierans schöne Stimme, die darfst du nicht einfach an dich nehmen! Aus! >.<

> Eine weitere Kette, mit einer Sense am Ende, erschien und trennte Marduk mit einem einzigen Hieb den Kopf ab.
O___________________O
... Und Faren schaut dabei zu. Mir würde sich ja der Magen umdrehen, auch wenn Kieran mein Freund wäre.

> Eine solche Verletzung konnte kein Verwelkter heilen, egal wie stark er war, so stand es in den Unterlagen meines Vaters
Luan: Es sind Untote! D:
Ciela: Nein, Luan. :,D

> Damals hatte er mir aber verschwiegen, was genau ich eigentlich war.
Ich würde mein Kind auch nicht damit konfrontieren wollen, weil ich ihm ein normales Leben wünsche. =/
Aber irgendwann lässt sich sowas ja nicht mehr verheimlichen, also wäre es wohl doch besser, das Kind von Anfang an einzuweihen, damit es später nicht so ein Schock ist.

> Obwohl ich meinen Abstand zu Marduk hielt, der langsam in eine ölige Pfütze zu schmelzen begann, drangen Erinnerungen und Eindrücke seines Lebens in mich ein, durchbrachen meine aufgebaute Barriere problemlos und entfalteten sich in meinem Gehirn.
*kann gerade nichts sagen, weil sie gespannt weiterlesen muss*
°___°

> Die Kopfschmerzen ließen mich schwanken und zwangen mich schließlich in die Knie.
Faren! Los, geh zu Kieran und stütze ihn! >.<

> Ich presste mir die Hand auf die Stirn, die viel zu heiß geworden war, hoffte auf Linderung, die normalerweise Stunden auf sich warten ließ.
Armer Kieran. Q___Q

> Ich drohte, vornüberzustürzen – da spürte ich bereits, wie jemand mich umarmte, mich mit Wärme erfüllte und die Schmerzen, genau wie die finsteren Emotionen, schrittweise von mir nahm.
ASDFGHJKL!!! Q/////////Q *quietsch* *blubber*

> Als ich den Kopf wandte, entdeckte ich Faren, der neben mir kniete und mir ein zuversichtliches Lächeln schenkte. „Alles klar?“
Ich habe-
Vane: "Feels", ja, ich weiß. Atme bitte weiter.
Ciela: *holt tief Luft*
Vane: Gut.

> Das fragte er jedesmal, ich weiß bis heute nicht, warum. Ich war noch niemals nicht bereit gewesen, loszufahren, aber es war offenbar eine Art ... Tick von ihm.
Ich finde das alles gerade so verdammt süß. X3

OmG! OmG! OmG!
Dieses erste Kapitel!
DIESES KAPITEL! Q___Q
Vane: Ich sagte atmen, Kind. =_=
Ciela: *holt wieder tief Luft*

Ich konnte kaum was zitieren, weil-
Luan: ... *blickt nach oben* Das nennst du "kaum was"? D:
Ciela: Ich hätte eigentlich viel mehr zitieren können, aber es lässt sich besser zusammenfassend sagen:
Ich bin absolut begeistert! Man merkt total, dass du dir Mühe gibst, dich an Dan Wells zu halten und gleichzeitig bleibt da doch auch dein eigener Schreibstil mit erhalten, was mich absolut begeistert sein lässt (Oh, neues RPG-Posting sehe ich gerade. :D *freu). Dieser Mix ist wirklich awesome, ich kann es nicht anders sagen. ♥ Ich hatte wahrlich den Drang, einfach alles in einem Rutsch durchzulesen, statt zwischendurch innehalten zu müssen, damit ich kommentieren kann.
Und dann kommen zu dieser John Cleaver-Atmosphäre auch noch diese KieranxFaren-Feels hinzu, dass ich am liebsten vor Freude weinen möchte. Q___Q
Ach, hier habe ich wieder deutlich gemerkt, wie perfekt die beiden füreinander einfach sind. ♥ Dass Kieran jemanden wie Faren hat, der sich um ihn kümmert und sogar bei der Jagd nach Verwelkten begleitet, ist so rührend.
Vielleicht geht auch mein Fangirl-Gen gerade mit mir hier durch, aber ich hätte auch so bisher nichts zu meckern, weil ich echt finde, dass du dem Stil von Dan Wells bisher gerecht wird. Also freue ich mich wirklich schon riesig auf mehr. :3
Antwort von:  Flordelis
29.11.2014 22:24
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Von: Platan
2014-11-27T13:18:22+00:00 27.11.2014 14:18
Nur zur Vorsicht an alle, die meinen Kommentar lesen: Enthält Spoiler zur John Cleaver-Reihe.

Sooo~!
Nachdem ich die John Cleaver-Reihe in (persönlicher!) Rekordzeit durchgelesen habe (ich habe in meinem Leben wirklich noch nie so "viele" Bücher kurz hintereinander gelesen °_°), kann ich mich jetzt auch endlich dieser FF widmen! Yay~. *___*
Zuallererst: Ich finde es so, so, so unbeschreiblich großartig, dass du eine FF zu dieser Reihe schreibst. Ich hatte ja immer darauf gehofft, dass du das mal für etwas von Dan Wells tust (deshalb liebte ich auch den OS zu Michael aus "Du stirbst zuerst" schon so sehr ♥) und jetzt ist es wirklich eine längere Geschichte, auf die ich mich freuen kann. Ich selbst hätte mich nämlich nie getraut, etwas zu Dan Wells zu schreiben (auch wenn ich dazu neige, einen OS zu schreiben, in dem Elijah überlebt Q___Q), aber dir traue ich das zu. ♥ Und so kann ich direkt "weiterlesen", während ich nun sehnsüchtig eine Ewigkeit auf Band 5 warten muss. >.<
Endlich kann ich auch mal alles hier lesen und genau begutachten, das hatte ich mich ja kaum getraut, während ich noch mitten in Band 4 steckte. :D
Also alles der Reihe nach:
Die Aufmachung allgemein gefällt mir ausgesprochen gut, wie immer eigentlich~. Das Cover passt so gut zur Reihe und vor allem die Steckbriefbilder haben es mir besonders angetan (die hast du echt toll bearbeitet), weil die auch so passend sind. Auch all die ausgewählten Lieder gefallen mir sehr, sehr gut und ich mag's auch, dass alle von Shinedown sind, denn so entsteht irgendwie eine gewisse Verbundenheit. ♥
Was mir aber nicht gefällt: Kieran ist doch keine Warnung! ò_ó Kieran ist immer ein guter Grund, eine Geschichte zu lesen! >.<
Außerdem wollte ich ihn auch gerne mal auf John treffen sehen, nachdem auch ich oft gemerkt habe, dass sie sich sehr ähnlich sind, also warum dafür entschuldigen? Ich finde das sehr großartig. :)
> • Faren kam dann dazu, weil why not? ;)
Hehe, ja, why not trifft es ziemlich gut~. Er gehört einfach dazu, wenn es um Kieran geht. :3

... Ich habe bestimmt total viel vergessen, was ich eigentlich noch sagen wollte. Aber zur Not erwähne ich das dann halt einfach später noch, in anderen Kommentaren. :)
Das Lied von Faren hat es mir übrigens besonders angetan. Q___Q
Jetzt fange ich aber an zu lesen. >.<

Oh! Oooh~! Finde ich schon mal direkt großartig, dass du erst nochmal auf die Szene zwischen John und Rack eingehst. *___*

> „Du musst einfach nur das Richtige aufgeben.“
Der Satz von Rack hatte mir ja schon im Buch eine Gänsehaut gemacht. D;
Und jetzt wieder. >.<

> All die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, trafen immer wieder auf einen zerbrochenen Spiegel. Ein Badezimmer voller Blut. Der schrecklichste Anblick seines Lebens, den er vergessen wollte, am besten für immer.
Ja, das fand ich auch immer schrecklich, dass John dieses Bild die ganze Zeit so sehr verfolgt. :(
Daran merkt man stark, wie sehr er darunter zu leiden hat ... deswegen war ich an der Stelle im Buch auch echt davon überzeugt, dass er Racks Angebot annimmt, schon allein weil er dann auch geweint hatte bei der Vorstellung, nie wieder diesen Schmerz erleiden zu müssen. Das war so emotional. D;

> Eine solche stand neben ihm, bat ihn, das Angebot nicht anzunehmen.
Brooke tut mir bei dieser ganzen Geschichte ja auch sehr leid, muss ich sagen. :(

> Aber vielleicht … nur vielleicht würde es bei ihm anders werden.
... Wie ich gerade grinsen muss, weil ich es so GROßARTIG finde, dass du ihn das denken lässt. Denn ich habe beim lesen echt erwartet, dass John es tatsächlich so betrachten und annehmen würde. Daher bin ich jetzt total geflasht, dass du das echt so umsetzt. :D

> Also schloss er die Augen und hieß den endlosen, unzerstörbaren Frieden willkommen.
Ich finde das gerade so mitreißend, weil ich die richtige Stelle im Buch ja kenne. Q___Q

> Zur selben Zeit, viele tausend Meilen entfernt, stand ein anderer junger Mann, der dem ersten ähnelte, ebenfalls vor einer lebensverändernden Situation.
Kieran! ♥
Mir gefällt der Wechsel an der Stelle echt gut. Man merkt sofort, dass die beiden irgendwie verbunden sind oder es auf jeden Fall noch sein werden.

> Neben ihm lag der Körper seines Vaters, aus den länglichen Wunden, die in seine Brust geschlagen worden waren, floss noch mehr von dieser Substanz, statt rotes Blut, wie es eigentlich zu vermuten gewesen wäre.
CATHAN! Q___Q
Warum musst du direkt im Prolog sterben?! TT___TT
Für den Plot, ich weiß, aber trotzdem ... >.<

> „Kieran ...“
Ein verzweifeltes Schluchzen, das die Stille durchbrach, ein schweres Atmen.

... Ich kann die Liebe zu seinem Sohn geradezu spüren. Q___Q

> Es war nicht der junge Mann, der weinte, er starrte einfach nur. Wartete auf etwas, das nicht eintrat, was er nicht verstehen konnte.
Wartet Kieran darauf, dass Cathan sich wieder selbstständig heilt? D;

> Der junge Mann, der Kieran genannt worden war, schüttelte mit dem Kopf, unwillig, diese Wahrheit einzusehen, sie zu akzeptieren,
Also wartet Kieran tatsächlich darauf, dass Cathan sich wieder selbst heilt. Da muss war grauenvolles vor sich gegangen sein. .___.
Obwohl Kieran hier nur mit dem Kopf schüttelt, tut er mir bereits so leid. >.<

> „Du musst fliehen. Sie wissen von dir. Und sie werden dich suchen. Nimm alles aus der Schublade und lauf. Sie dürfen weder dich, noch etwas aus dieser Schublade jemals finden.“
Owwwwww ... Q___Q
... Was wohl in dieser Schublade liegt? o___Ô

> Jeder Passant, der ihm begegnete, kam ihm verdächtig vor, auch wenn er keiner seiner Verfolger war.
In so einer Lage kann man aber auch echt nur Verfolgungswahn bekommen. D;

> Sie war geöffnet, ein junger Mann, ein Freund, stand mit verschränkten Armen gegen den Rahmen gelehnt und sah ihn amüsiert schmunzelnd an. „Kieran, welch glücklichem Umstand verdanke ich deinen Besuch?“
Ich liebe diese Stelle irgendwie sehr, weil sie so typisch Faren ist. ♥♥♥

> „Sie haben meinen Vater umgebracht. Sie haben uns gefunden.“
Ich ziehe darauf den Schluss, dass Faren darin eingeweiht ist, dass Kieran kein echter Mensch ist, also nur so halb. Und das macht es für mich noch großartiger. Q___Q

Also ich fand die Einstimmung perfekt! Vor allem der erste Absatz mit John, wie er sich für Racks Angebot entscheidet, da bekomme ich gleich schon massig Feels alleine deswegen. >.<
Und der kurze Einblick auf Kieran als Einstieg war auch super. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich schon Sympathie für ihn übrig, nach dieser Szene. ;<
Ich mag so kurze Prologe ... teach me! >___<
Auf jeden Fall bin ich jetzt total hibbelig und gespannt, wie sich das Ganze entwickeln wird. Mir tut nur Brooke unendlich leid ... sie wollte ja nicht, dass John sich auf Rack einlässt. D;
Bisher bin ich jedenfalls schon mal begeistert, aber ich habe auch nichts anderes erwartet~.
Antwort von:  Flordelis
29.11.2014 21:53
Danke dir für diesen Kommentar~.
Die Antwort erfolgt in der ENS~. ♥


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