Zum Inhalt der Seite

Axe Art Online

Weil Äxte einfach cooler sind
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das folgende Kapitel ist äußerst detailreich. Ich will das ganze einmal durchziehen und danach weniger ins Detail gehen, außer die Situation verlangt. Damit einmal deutlich wird, wie ich SAO selbst umgestalte, ziehe ich dieses Kapitel etwas in die Länge. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die letzten Momente Realität

Die Lampe des NerveGears leuchtete als einzige Lichtquelle in einem abgedunkelten Raum. Die Jalousien sperrten fast sämtliches Licht aus und die Umrisse der Möbel waren nur schemenhafte Schatten. Nur das Ticken einer Uhr war zu hören, sonst war es still im Raum. Die Luft war muffig und roch zuckrig.

Mit einem Ruck wurde die Tür aufgestoßen und Licht aus dem Flur erhellte das Zimmer. Der Blick auf schmutzige Kleidung, die verstreut im Zimmer lag, wurde freigegeben. Neben einem Schreibtisch standen ordentlich gestapelt und gereiht leere Dosen von Energy-Drinks und die Reste einer Pizza lagen auf einem Teller auf dem Nachtschrank.

Ein Lächeln stahl sich auf Zezubou's Gesicht, als er seinen neuesten Besitztum sah. Die Tüten mit Chips und Dosen mit Energy-Drinks, die er im Arm hielt, ließ er auf das Fußende des Bettes fallen, bevor er sich setzte und den Helm in die Hand nahm. Wie ein Motorradhelm ohne Kinnschutz war er geformt mit einigen Vorrichtungen an der Außenseite angebracht zu Übertragung der Daten. Dass ihn dieses Ding in ein Spiel bringen könnte und er damit alles selbst erlebte, war doch ein fremdartiger Gedanke. Auch wenn die Entwickler versicherten, dass jeder Mensch das NerveGear benutzen könnte, war Zezubou sich nicht sicher, ob er dafür geeignet war.

In der Anleitung war beschrieben, man solle sich einmal komplett abtasten, um dem Spiel eine Vorlage für das virtuelle Selbst zu geben. Wenn dann doch Menschen mit besserer körperlicher Fitness Vorteile hätten? Nein, das würde an Cheaten grenzen - aber wenn, dann würden die Fitness-Studios konsequent überlaufen.

Schnell nahm er noch einige Schlücke eines Energy-Drinks, stopfte sich zwei handvoll Chips in den Mund und schloss seine Zimmertür ab. Zuletzt stellte er noch seinen Wecker, der ihn in drei Stunden ans Abendessen erinnern würde. Dann setzte er den Helm auf und befolgte sorgsam die Anweisungen in der Anleitung, um ja keine Fehler zu machen und am Ende vielleicht einen völlig deformierten Körper zu haben. Und das brauchte er nun wirklich nicht.

Immerhin hatten Zezubou und sein Bruder vor, sich so realitätsgetreu wie möglich zu modelieren, um sich im Spiel leichter zu finden. Auch wenn Zezubou es bevorzugte, Charak

te nach seinem Idealbild zu gestalten, würde er immerhin selbst im Spiel sein. Als Person.

"Du bist ganz ansehnlich, Zezu. Das brauchst du nicht verstecken", meinte Shizuo zu ihm, als die beiden über das Thema diskutierten. "Da werden haufenweise Mädchen sein, die auch gut aussehen. Besser als auf jeder Datingseite!"

Zezubou schüttelte den Kopf bei der Erinnerung an die Diskussion. Für seinen Bruder Shizuo war es wohl nur ein Spiel, aber für Zezubou würde es ein neuer Lebensstil sein. Er hatte sich bei allen MMO's, die er aktiv spielte, auf unbetimmte Zeit abgemeldet und hatte nicht vor, allzu schnell zurückzukehren. Er war sich absolut sicher, dass 'Sword Art Online' alle Konkurrenz in den Schatten stellen würde.

Auf dem Bett liegend und die Gliedmaßen von sich gestreckt sah Zezubou noch einmal an die Decke. An der Dachschräge hing ein Bild von seinen Freunden und ihm auf einer Gamesconvention in Japan letzten Jahres. Dort hatte er das erste Mal das NerveGear ausprobieren dürfen. Lange hatte er gewartet, doch nun war es soweit. Mit einem matten Lächeln schloss er die Augen und aktivierte das NerveGear. Ein seltsames Kribbeln durchfuhr ihn und es fühlte sich plötzlich so an, als würde ihn ein Sog vom Bett ziehen. Dann spürte er das Bett nicht mehr unter sich.

Klassische Prozedur

Sein Blickfeld erhellte sich und es erschien ein einheitliches Muster aus hellblauen und weißen Quadraten, das vor einem dunkelblauen Hintergrund schwebte. Vor íhm erschien eine Textnachricht, als wäre sie vor ihn projeziert. Eine typische Frage stand dort geschrieben:
 

Language?
 

Unschlüssig, was er tun sollte, streckte er die Hand aus und berührte das Textfeld. Sein Finger traf auf eine Art feste Membran, jedenfalls fühlte es sich so an. Anscheinend würde er so Menü und Inventar bedienen. In der vorliegenden Liste suchte er seine Sprache heraus und bestätigte. An der Stelle dieser Textnachricht trat eine andere.
 

"Vielen Dank, dass Sie NerveGear benutzen! Im weiteren Verlauf werden Sie einige Entscheidungen treffen müssen, die endgültig sein werden. Einmal festgelegt können Änderungen nur durch Hinzuziehens unseres technischen Supports geschehen."
 

Dabei handelte es sicherlich um Sachen wie Geschlecht, Klasse, Augenfarbe, und so weiter. Die klassischen Auswahlmöglichkeiten bei MMORPG's. Die Endgültigkeit spielte hier jedoch eine weitaus größere Rolle, denn nach Angaben des Spiels kann nur ein Charakter bestehen, doch die Möglichkeiten sollen vielfältig sein und darüber hinwegtrösten. Zezubou kümmerte es aber nicht viel und rief das nächste Textfeld auf.
 

Möchten Sie einen bestehenden Charakter laden oder einen neuen beginnen?
 

Einzig die Möglichkeit eines neuen Charakters war für ihn erhältlich, darum blieb ihm wohl nichts anderes übrig.
 

Geschlecht? Engültig!
 

Müssten sie das nicht gerade eingelesen haben, als er sich abgetastet hatte? Männlich natürlich.
 

Bitte entscheiden Sie über ihr Aussehen! Teilweise endültig!
 

Die schwierigste Entscheidung für jeden, der RPG's spielte. Man würde eine lange Zeit mit seinem Charakter verbringen, also sollte man ihn so attraktiv oder gut aussehend wie möglich gestalten. Vorallem bei Spielen mit solch vielfältigen Auswahlmöglichkeiten war es schwer, sich nicht in Details zu verlieren. Glücklicherweise gab es die Möglichkeit, sein wahres Aussehen anzunehmen, wobei nachträgliche Änderungen möglich waren. Wie mit seinem Bruder abgesprochen, bewahrte sich Zeubou sein Aussehen, kam aber nicht umhin, sich einige kleine Narben zu verpassen.

Es war schon irgendwie komisch, sich selbst zu modelieren. Und das Spiel hatte ihn bis ins kleinste Detail erkannt, selbst die Narbe auf seinem Hinterkopf war zu sehen, als er seinem Alterego aus Spaß eine Glatze verpasste. Schnell änderte er seine Frisur wieder um in die, die er selbst trug. Lange, feuerrote Haare. Er war stolz auf seine Mähne und ließ sie stets wachsen, womit er sich immer den Weg zum Frisör sparte. Für ein MMO wie Sword Art Online würde es sicherlich einen netten Effekt haben.

Zufrieden mit seinem leicht abgeänderten Aussehen bestätigte er seine Auswahl und versicherte dem System, dass er sich damit sicher war. Angeblich sollte es aber möglich sein, Frisur, Haarfarbe und auch Augenfarbe nachträglich zu ändern. Na immerhin.
 

Bitte entscheiden Sie über ihre Klasse! Endgültig!
 

Der Rollenspieler in ihm geriet sofort in Zwiespalt. Zezubou war es gewohnt, aus mehreren Charakteren auswählen zu können, die alle unterschiedliche Klassen und Eigenschaften besaßen. Und oftmals konnte auch ein einzelner Charakter mehrere Klassen annehmen. Diese Vielfalt wurde ihm nun genommen. Doch dadurch würde das Spiel deutlich interessanter werden. Es gäbe die Vielfalt des Einzelnen nicht mehr, aber da man aus 30 verschiedenen Klassen auswählen konnte, die in sich noch in verschiedene Skilltrees unterteilt waren, ließ schon die Vorstellung der vielen Möglichkeiten sein Gehirn arbeiten.

Zezubou brauchte sehr lange zu einer Entscheidung. Immerhin war die Auswahl endgültig und er müsste sich einen neuen Charakter anlegen, was das Verschwinden des jetzigen heißen würde. Am Ende kam er bei der Klasse "Berseker" an. Berseker waren selbstverständlich eine der Klassen mit dem höchsten Damage-Output und wenn er sich so die vielen Skills ansah, hatte er bereits klare Vorstellungen, wie er dieses Spiel erleben würde. Auch wenn der Berseker nur Äxte, Hämmer und Zweihänder benutzen konnte und keine Schilde tragen durfte, war Zezubou dieses Set an Waffen mehr als Recht. Je mehr Damage desto besser.

Die Waffe schien ohnehin keine Rolle zu spielen. Jede Waffe sollte von jeder Klasse benutzbar sein, doch beispielweise ein Dieb würde einen großen Angriff-Malus erhalten, wenn er eine Axt einsetzt, kriegt aber einen Bonus bei Dolchen und Kurzschwertern. Der Berserker hatte einen gewaltigen Bonus bei schweren Waffen, während sehr leichte dagegen einen großen Malus bekommen. Zufrieden mit seiner Entscheidung bestätigte Zezubou abermals.
 

Wie lautet Ihr Name? Teilweise ndgültig!
 

Zum Ausfüllen waren hier zwei Felder. In das erste sollte er seinen Anzeigenamen, seinen Nickname, eingeben. Das zweite Feld war für seinen richtigen Namen oder, wie es hier beschrieben war, Freundesnamen gedacht. Dieser würde auch für Party-Mitglieder angezeigt. Da er vorraussichtlich nur mit seinem Bruder und seinen anderen Freunden spielen würde, tippte er ohne weiteres seinen Realnamen in das zweite Feld ein. Beim Nicknamen brauchte er jedoch eine ganze Weile. Er wäre endgültig, oder sicherlich nur gegen Echtgeld zu ändern, darum wollte er aus Gewohnheit so passend wie möglich machen.

Nach langem Überlegen wählte er einen Namen, den er sich schon lange in Spielen gab. "Raging Bull" gab er all jenen Charakteren, die viel Schaden austeilten, und das würde er in jedem Falle mit einem Berserker. Auf den Namen kam er jedoch nicht selbst. Eine ehemalige Gilde gab ihm diesen Namen, aufgrund seines risikofreudigen und wilden Spieleverhaltens. Nachdem er die korrekte Schreibweise beider Namen überprüft hatte, bestätigte er. Diesmal sogar zweimal.
 

Sind Sie sicher, dass sie mit diesen Einstellungen das Spiel starten wollen? Endgültig!
 

Zezubou bestätigte abermals.
 

Willkommen in Aincrad!

Kickstart

Nach und nach löste sich das grelle Licht auf, dass ihn seit dem Ladebildschirm blendete. Einzelne Konturen waren zu erkennen, als er blinzelte, und dröhnendes Stimmengewirr umfing ihn. Als er wieder richtig sehen konnte, erblickte er eine gewaltige Masse von Menschen vor sich stehen. Spieler. Es waren so unglaublich viele, dass er das Ende des Platzes, auf dem er stand, nicht erkennen konnte. Und es kamen immer mehr hinzu. Bevor er sich nicht mehr hindurch zwängen konnte, flüchtete er schnell vom Platz. Vorher wagte er aber noch einen Blick in den Himmel.

Umrundet von elegant geschwungenen Bögen und Türmen, war der Blick frei auf einen strahlend blauen Himmel. Nur wenige, flauschige Wolken zogen über den Himmel. In der Ferne waren die Schemen eines Turmes zu sehen, der sich bis in die Wolkendecke zu erstrecken schien. Fahnen in verschiedensten Farben wehten im Wind, der deutlich auf Zezubous Haut zu spüren war. Bei diesem Gefühl bekam er leichte Gänsehaut. Normalerweise war er es nicht gewohnt, an so einem Tag an der frischen Luft zu sein. Normalerweise saß er vor seinem PC und spielte irgendein Spiel.

Aber jetzt gerade in diesem Moment war er selbst in einem Spiel. Wäre da nicht sein Blickfeld, das wie die Oberfläche eines Bildschirmes wirkte. Kopfschüttelnd über diesen Realismus bahnte sich Zezubou einen Weg durch die Spielermassen.

Er hoffte, auf dem Weg noch seinen Bruder zu entdecken. Doch zwischen diesen vielen Gesichtern war er nicht zu finden. Dafür sprachen ihn jedoch haufenweise andere Spieler an, wollten sofort eine Party mit ihm schließen oder, warum auch immer, mit ihm handeln. Hastig lehnte Zezubou ab. Er wollte nur noch in eine ruhige Ecke und alles ausprobieren.

Unter der strahlenden Sonne wurde ihm seltsam warm, als stünde er wirklich unter freiem Himmel. Im Schatten wiederrum wurde es ihm kühler. Ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Der Macher hatten sicherlich ihren Spaß dabei, alles so detailgetreu zu machen. Beim Durchqueren eines Torbogens waren diese Details besonders deutlich zu sehen. In den Ritzen zwischen den Felsblöcken, die selbst von Kratzern übersäht waren, waren sogar Krümmel von Erde und Dreck zu sehen. Staub, den er beim Gehen aufwirbelte, flog in kleinen Wolken umher. Immer breiter wurde sein Grinsen. Das alles spielte sich in seinem Kopf ab, und doch war es so real.

Es war unmöglich, dass er in den nächsten Jahren ein anderes Spiel spielen würde.

Dann erschien vor ihm eine Textnachricht.

Der Spieler "Shizuo" möchte Sie als Freund hinzufügen. Ja? Nein?

Zezubou schaute verwundert auf den Namen. Hatte er ihn nur auf gut Glück hinzugefügt oder bereits entdeckt? Prüfend sah er sich um, bemerkte seinen Bruder jedoch nicht. Aber es wird er wohl sein, wie sonst sollte so ein Zufall zustande kommen? Mit einem Fingerzeig bestätigte er die Anfrage. In dem nun geöffneten Menü war Shizuo nun angezeigt, daneben sein Online-Status und seine derzeitige Position.

"Heeee!! Brüderchen, da bist du ja!", schallte eine Stimme vom Platz her und Zezubou drehte sich unwillkürlich um. Mit einem Buckler, einem einfachem Speer und einer schlichten, braunen Rüstung ausgestattet, eilte ein junger Mann mit schulterlangen, dunkelbraunen Haaren auf ihn zu. Es war unverkennbar, dass es sein Bruder Shizuo war.

Leicht grinsend hob Zezubou seine Hand. Als Shizuo vor ihm zum Stehen kam, schnappte dieser kurz nach Luft, bevor er sich vor seinem kleinen Bruder aufrichtete. Er überragte Zezubou um gut einen halben Kopf und hatte deutlich ausgeprägte Gesichtszüge.

„Alles glatt verlaufen? Keine zusätzlichen Extremitäten?“, fragte Shizuo grinsend.

„Klar, siehst du ja. Wieso fragst du?“

„Weil dem einen armen Tölpel da hinten zwei zusätzliche Arme eingebaut wurden. Er hatte sich bei dieser Abtastung einmal zu oft abgetastet und das System hat das nun drauß gemacht.“

„Ach, quatsch doch nicht...“, meinte Zezubou stirnrunzelnd und sah zurück zum Platz. Solche Fehler waren doch undenkbar für eine so fortschrittliche Technologie. Wenn das aber der Fall sein sollte, patchen die das bestimmt noch raus.

„Und wenn ich es dir doch sage! Na ja, was soll's. Komm, legen wir gleich los! Ich will endlich ein paar Schleime oder Füchse oder was auch immer das erste Mob in diesem Spiel ist bekämüfen...“

Man sah seinem Bruder die Vorfreude an. Perfekt realisiert waren seine Gesichtsausdrücke, bis ins kleinste Detail. Zezubou nickte zustimmend. Auch er war gespannt, ob das Kampfsystem hielt, was es versprach.

Die beiden folgten dem Pfad, der vom Spawnpunkt aus einen Hügel hinab und auf eine weite führte. Weit und breit waren noch keine Gegner zu sehen, darum liefen sie erst eine ganze Weile über eine ordentlich gepflasterte Straße, die von kniehohem Gras gesäumt war, welches in der leichten Brise gleichmäßig auf und ab wehte. Der Sonnenzyklus schien hier wie im echten Leben zu funktionieren, wahrscheinlich war sie an irgendeine Uhr gekoppelt. Ein Blick auf die spielinterne Uhr verriet ihm dies.

Nach einer guten Viertelstunde kam eine Stadt in Sicht und weitere fünf Minute später durchquerten sie bereits das Stadttor. Die Stadt war noch recht leer, nur hier und dort wanderte ein Spieler umher, doch jene schienen sich mehr um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Den Großteil der Bevölkerung machten die computergesteuerten Charaktere, die NPC's aus. Gekleidet in recht simplen Gewändern waren sie entweder für den Verkauf von Gegenständen zuständig oder wanderten durch die Straßen, um den Anschein zu erwecken, dass die Stadt bevölkert wäre.

In früheren Spielen war dies oft nur halbherzig gelungen, doch die NPC's wirkten in ihrem Verhalten unglaublich authentisch und vielfältig, was sicherlich auch durch die eigene eingeschränkte Sicht kam. Man hatte nicht mehr einen umfassenden Überblick über die Umgebung, sondern sah nur alles im eigenen Sichtfeld. Vor 30 Jahren war diese Kombination aus Ego-Perspektive und RPG undenkbar für ein MMORPG gewesen. Doch bis jetzt meisterte SAO diese Kombination einwandfrei.

„Spiele-Guides! Holt euch eure Spiele-Guides! Tipps und Tricks von Profis und Produzenten! Kommt und holt euch eure Spiele-Guides!“ Auf einem Platz etwas weiter im Stadtinneren schrie ein NPC oder gut einstudierter Angestellter seine Parolen umher und wedelte mit Büchern in der Luft rum. Ein Preisschild vor seinem Stand verriet, dass man umsonst ein Exemplar bekommen könne.

Unschlüssig, ob sie das Buch einfach nehmen durften, sprachen die Brüder den nächstbesten Spieler an. Freundlich und zuvorkommend erklärte der junge Mann mit den weißen Haaren und der Lederrüstung es ihnen. An seinem Gürtel hingen zwei Dolche.

„Schaut, behandelt den Gegenstand wie ein Icon auf dem Desktop. Tippt ihn mit dem Zeigefinger an und es wird sich ein Menü öffnen. Da habt ihr dann einige Optionen, „Aufnehmen“, „Untersuchen“ und „Abbrechen“ sollten es sein. Wenn ihr außerhalb des vorgegebenen 2 Meter Abstandes seid, ist die Option „Aufnehmen“ grau und nicht anwählbar.“

„Also im Klartext wie in normalen MMO's?“, fragte Shizuo und probierte es aus. Als er den Fingerzeig tat, erschien vor ihm ein Textfeld mit den eben beschriebenen Optionen. Selbiges geschah bei Zezubou.

„Sollte der Gegenstand jemand anderem gehören, würde dahinter noch der Vermerk stehen, dass man diesen Gegenstand dann stehlen würde“, fügte der Fremde an. „Sobald ihr das Item aufgenommen habt, könnte ihr euren Beutel so aufrufen und es dort dann genauer betrachten.“

Er wischte einmal mit seiner Hand von rechts nach links und vor ihm erschienen mehrere Textfelder und Menüs. Von der Seite her sah Zezubou, wie der Fremde mit anscheinend geübtem Griff das Menü bediente. Wahrscheinlich hatten sie es hier mit einem Beta-Player zu tun.

Nach einigem Knopfgedrücke erschien das Buch in der Hand des Fremden und die beiden Brüder taten es ihm gleich.

„Da findet ihr noch ganz viele andere Sachen, die ganz essenziell für das Spiel sind.“

„Wow, vielen Dank! Gleich so viel Information auf einmal...“, meinte Shizuo und streckte dem Fremden die Hand aus. „Mein Name ist Shizuo, und das ist mein Bruder Zezubou.“

Der Fremde schlug ein und lächelte breit.

„Ich heiße Minato, freut mich ihr zwei!“

Auch wenn sein Lächeln etwas zu breit war, schien er freundlich gesinnt zu sein. Auch Zezubou schüttelte ihm die Hand.

„Also, Minato. Du hast nicht zufällig schon herausgefunden, wo man hier gut leveln kann, oder?“, fragte Zezubou dann etwas ernster.

„Es steht sogar hier drin! Also, jedenfalls werden im Guide die Standorte der ersten Gegner beschrieben.“

„Hättest du Lust auf eine Party? Mit drei Spielern sollten wir richtig schnell austeigen!“, warf Shizuo ein und sein Blick zeigte Abenteuerlust.

„Ich weiß nicht, eigentlich wollte ich mich mal umsehen... Ach, was soll's!“

Wieder huschten seine Finger durch das Menü, das noch vor ihm offen war und kurz darauf kamen bei beiden Einladungen für eine Gruppe an, die sie prompt bestätigen. Minato zeigte beiden darauf dann noch, wie man es selbst tat.

Im oberen linken Teil des Bildschirmes oder viel mehr seines Sichtfeldes waren nun neben seiner eigenen Lebensanzeige die von Shizuo und Minato angezeigt. Außerdem war der Zeiger über den Köpfen der beiden nun blau eingefärbt und diente wohl als Indikator, um Gruppenmitglieder direkt ausfindig zu machen, wenn es im Kampf mal hektischer wurde.

„Wollen wir dann?“, fragte Minato und stemmte die Hände in die Hüften, worauf die beiden Brüder nickten und ihrem neuen Gefährten aus der Stadt folgten. Zezubou war nur etwas verwundert, mit welcher Zielstrebigkeit der Junge mit den weißen Haaren durch die Straßen ging. Nie schien er sich zu verirren oder im Kreis zu laufen. Eine Karte konnte er nebenbei nicht offen haben, laut dem Guide war das Item, das erst gekauft werden musste und bei Benutzung für alle sichtbar war. Ihr ganz persönlicher Guide musste also bereits hier gewesen sein. Auch Shizuo schien es zu bemerken, was Zezubou in seinen Augen sah, als ihre Blicke sich trafen.

„Sag mal, Minato?“, fragte sein Bruder dann prompt und ihr persönlicher Guide drehte den Kopf als Antwort in seine Richtung. "Woher weißt du all diese Grundlagen? Du scheinst ziemlich souverän alles zu beherrschen..."

"Ich sagte doch, es steht alles im Guide. Außerdem bin ich hier schon seit einigen Stunden unterwegs und hab mit den Menüs rumgespielt. Es geht schnell in Fleisch und Blut über."

"Ach, so lange schon? Wann hast du denn dein NerveGear bekommen?"

Shizuo schien diese Antwort anscheinend zu genügen und auch Zezubou wollte nicht weiter darauf eingehen. Nicht, dass sie am Ende diesen netten Kerl vergrauelten.

"Wahrscheinlich zur selben Zeit wie ihr, aber ich wohne direkt über einem Videospieleladen, darum war der Weg nach Hause minimal und das NerveGear aufbauen war nun absolut keine Herausforderung."

Minato blieb stehen, als sie die Kuppe einer Hügelkette erreicht hatten. Vor ihnen erstreckte sich weites, flaches Grasland, das bereits in Wald überging. Überall trotteten Wildschweine und Hirsche herum, allesamt mit einem gelben Marker versehen. Außer ihnen sah man nur vereinzelt Spieler, die die ersten Kämpfe bestritten.

"Da wären wir! Hier ist die erste Gebiet mit den schwächsten Gegnern. Sagt jedenfalls der Guide..."

"Worauf warten wir dann noch?!", meinte Zezubou, griff seine Waffe und eilte den Hügel hinab. Den ganzen Weg über hatte er gespannt diesem Moment entgegen gefiebert. Endlich konnte er das Spiel richtig erleben. Es waren im Prinzip nur Tiere, aber jeder fängt mal klein an. Mit einem Griff auf seinen Rücken packte er seine Stabaxt, deren Gewicht er deutlich merkte, und erhob sie mit einem Kriegsschrei. Das ihm nächste Reh reagierte auf seine Präsenz und drehte den Kopf zu ihm, doch tat es noch nichts. Über dem Tier zeigte sich nun eine Lebensanzeige.

Erst, als Zezubou auf wenige Meter herankam, färbte sich der Marker über dem Kopf des Rehs rot und es kam ihn entgegen. Mit beiden Händen packte er seine Axt, holte aus und hielt kurz inne, um das Reh zu fixieren. Doch er wurde von einem Leuchten am Rande seines Blickfeldes abgelenkt. Der Kopf seiner Axt leuchtete rot auf, als würde er eine Attacke aufladen.

"Zezubou! Los, schlag schon zu!", rief ihm Minato zu, der von hinten angerannt kam.

Das ließ er sich nicht zweimal sagen und schwang die Axt seitlich gegen den Rumpf des Rehs. Seine Axt glitt nicht durch das Reh hindurch, sondern blieb zur Hälfte stecken und warf es durch die Wucht einen guten Meter zur Seite. Mit einem Aufschrei landete das Tier und blieb leblos liegen, bevor es sich in glänzende Partikel auflöste.

Verwundert, was denn gerade passiert war, starrte Zezubou auf die Stelle, wo das Reh eben gerade noch lag. Mit einem einzigen Schlag ging es zu Boden. Sicherlich war das nicht bei allen Waffen so. Zufrieden grinsend richtete er sich wieder aus der etwas gekauerten Haltung auf. Vor ihm erschien ein Textfeld, das beschrieb, was er alles erhielt. 20 EXP und 5 Gol schienen ihm nicht viel. Wo man wohl die Erfahrungsleiste einsehen konnte?

"Hey, netter Schlag! Mit so geballter Kraft räumen wir hier bestimmt alles leer. Und dieses Leuchten, echt irre!", meinte Shizuo mit einem Grinsen und klopfte Zezubou auf die Schulter.

"Beeindruckend, wirklich. Ich brauchte vorhin ein halbes Dutzend Hiebe, bevor so eins zu Boden war", bemerkte Minato und stellte sich zu den beiden.

"Kannst du mir erklären, was ich da gerade gemacht hab?", wandte sich Zezubou an Minato, der spontan den Guide aus seinem Inventar zog.

"Der Guide beschreibt es als Basic-Attack. Jede Waffe braucht eine bestimmte Zeit, um ihre Kraft zu entfalten. Schwingt man die Waffe, bevor sie leuchtet, bringt das nur einen Bruchteil des Schadens. Mehr steht dazu aber noch nicht...", las Minato aus dem Buch vor, bevor er es wieder zuschnappen ließ.

"Ich hoffe ja, dass es mehr als nur diese eine Attacke gibt. Wie man die dann aber einsetzt, kann ich mir noch nicht vorstellen...", meinte Zezubou und begutachtete seine Axt. Ein schlichter Schaft mit einem Kopf aus Eisen, absoluter Anfängerstandard, doch das Leuchten hatte diesen einen simplen Schlag beeindruckender wirken lassen, als so manche andere Fähigkeit, der er in seiner Karriere begegnete.

"Sei's drum! Lasst uns ein paar Mobs klatschen!" Shizuo wirkte leidenschaftlich wie eh und je und lief direkt auf das nächste Reh zu. Anders als Zezubou holte er bereits im Lauf aus, worauf die Spitze seines Speeres in einem hellen Gelb erstrahlte. Als das Reh auf ihn reagierte, hechtete Shizuo vorwärts und schlug seine Waffe direkt in das Wesen hinein. Ebenfalls anders war dieses Mal, dass das Reh nicht direkt zu Boden ging und zu einem Gegenschlag mit dem Kopf ausholte, den Shizuo jedoch gekonnt mit dem Schild blockte, als hätte er nie etwas anderes getan. Mit selbigem schlug er das arme Reh dann zu Boden, worauf sich dieses auflöste und ihm seine EXP und Gol erbrachte.

"Hey, ist gar nicht mal so schwer", bemerkte Shizuo und drehte sich zu den beiden. Im Verbund liefen sie dann direkt weiter und widmeten sich den nächsten Rehen, Hirschen und Ebern, die sie antrafen. Meistens nahmen sie nicht nur ein einzelenes Monster, sondern gleich mehrere. Ihre Zahl und Stärke ließ das ohne weiteres zu.

Seltsamerweise empfand Zezubou nach einer Weile eine gewisse Erschöpfung. Seine Hiebe wurden langsamer und er konnte nicht mehr auf seine Gegner zu sprinten, sondern musste sie an sich heran lassen. Wenig später ging sein Atem schwer und er musste sich nach jedem Kampf eine kurze Zeit ausruhen. Sein Bruder schien damit ebenfalls Probleme zu haben, was aber wohl seine schwerere Rüstung verursachte. Mit einer einfachen Lederrüstung, eigentlich nur aus einem Brustschutz, festen Handschuhen und sonst aus normaler Kleidung bestehend, würde er sicherlich deutlich weniger Ermüdungserscheinungen aufweisen.

Ganz anders Minato. Ihr weißhaariger Gefährte schien sich vollkommen wohlzufühlen. Immerhin trug er nur zwei Dolche und eine ebenso leichte Rüstung wie Zezubou, doch er müsste wenigstens etwas außer Atem sein. Immerhin wirbelte er regelrecht um Gegner und deckte sie mit Schlägen ein. was gepaart mit dem strahlend weißen Leuchten seiner Klinge fast hypnotisierend wirkte. Zezubou hatte nichts gegen Spieler, die was auf dem Kasten hatten. Aber Minato spielte zu gekonnt, als dass er ein Spieler wie er und Shizuo war. Oder er war einfach nur ein Naturtalent.

Als Zezubou dann kaum noch seine Axt heben konnte, rasteten die drei unter einem Baum, um sich eine Verschnaufspause zu gönnen.

"He, Minato? Schau mal im Guide nach, ob dort irgendetwas über Ausdauer steht. Wenn die richtigen körperlichen Fähigkeiten hier in SAO übertragen werden, habe ich ganz schön schlechte Karten", meinte Zezubou und lehnte sich halb liegend an den Baum, seine Axt neben sich. Die Augen geschlossen versuchte Zezubou, seinen Atem zu beruhigen.

"Kommt sofort! Lass mich nur einen Moment suchen."

Während Minato im Buch herumblätterte, vernahm Zezubou neben sich die Soundeffekte des Menüs, in dem umhergescrollt und -geklickt wird. Ein Blick zur Seite verriet ihm, dass Shizuo die einzelnen Optionen im Spiel genauer unter die Lupe nahm. Von dort wo er ruhte sah Zezubou ein Charaktermenü mit den Ausrüstungsslots und Werten, danach eine lange Liste mit verschiedenen Gegenständen und einer Goldanzeige, was wohl das Inventar war.

"Nein, tut mir Leid, Zezu. Hier steht nichts darüber."

"Schade. Hätte mich mal interessiert."

"Ich bin mir sicher, dass sie das noch updaten! Hier sind einige Seiten offen gelassen, in die man etwas schreiben kann. Jedenfalls war die Option erhältlich."

"Echt? Ein von Spielern aktiv zu vervollständigender Guide... Wie praktisch."

"Jepp! Da bleibt einem die Suchmaschine erspart."

Hiopsbotschaft

"Und was machst du da, Shizuo?"

Nachdem Zezubou etwas geruht hatte, spürte er, wie die Erschöpfung deutlich nachließ und er setzte sich auf. Sein Bruder runzelte die Stirn, als er einen Menüpunkt musterte.

"Ich hab gerade rausgefunden, wo man seine Stufe verbessern und Skills erlenen kann. Findest du alles unter deiner Charakterinfo. Mich stört aber eine Sache, überprüft das mal selbst..."

Zezubou rief selbst sein Menü auf und suchte den Unterpunkt "Optionen" heraus, den Shizuo aufgerufen hatte. "Und was ist daran nun so komisch?"

"Na ja, ich finde weder dort noch sonst irgendwo im Menü eine Möglichkeit, mich auszuloggen. Ich wollte eigentlich noch was unternehmen."

"Am Release-Tag von SAO was unternehmen? Ach, stimmt ja. Du hast ein Real-Life."

"Ganz recht. Hast du denn eine Möglichkeit zum ausloggen?"

Zezubou musste nach einigem Suchen darüber den Kopf schütteln und auch Minato fand nichts. Wenn es keine Option dafür gab, konnte sie nur jemand in der realen Welt manuell ausloggen, indem man ihnen das NervegGear abnahm. Ein GM konnte das sicherlich auch.

"Und einen Support-Button gibt es hier auch nicht!", bemerkte Minato.

"Ganz schön viele Bugs für den Release-Tag... Das beheben sie hoffentlich!", meinte Shizuo schnaubend.

"Was erwartest du denn, das ist neueste Technologie. Natürlich wird die Bugs haben!", antwortete Minato.

"Nein, das können die NerveGear nicht sein. Das ist ein Softwareproblem", meinte Zezubou und verschränkte die Arme, immer noch das Menü musternd. Irgendwie musste es doch funktionieren, das Gerät innerhalb von SAO abzuschalten. Aber ohne ein Chat-Fenster könnte er auch keine Befehle eingeben. Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Er hatte es doch schon selbst getestet und genau dort, wo damals der Logout-Button war, gab es nichts.

"H-hey! Was passiert denn jetzt?!", rief sein Bruder mit einem Mal. Als Zezubou zu ihm aufsah, weiteten sich seine Augen erstaunt. Um Shizuo und Minato herum stiegen Strahlen blauen Lichtes empor und ein Wind schien an ihren Haaren zu ziehen. Als Zezubou an sich herunter sah, bemerkte er das gleiche mit sich geschehen. Stirnrunzelnd sah er die beiden an.

"Was meint ihr, Notfall-Logout der GM's?", fragte Shizuo und sah zwischen beiden hin und her.

"Müssten sie so etwas nicht ankündigen? Immerhin gibt es ein Nachrichtensystem", meinte Minato und sah etwas panisch zu den beiden, als sich die Strahlen intensivierten und mehr von ihrer Sicht raubten.

"Solange wie es dauert wohl eher ein Teleport... aber wohin?", fragte Zezubou, mehr zu sich selbst. Sie würden es wohl bald herausfinden. Als das Licht dann zu grell wurde, um es zu ertragen, kniff er die Augen angestrengt zusammen. Daraufhin fühlte er, wie der Boden unter seinen Füßen verschwand, wenn auch nur für einen kurzen Moment, und er wie in der Schwebe war. Wenige Augenblicke später fühlte er, wie er bereits wieder aufkam. Vorsichtig öffnete er die Augen. Vor ihm erstreckte sich eine gewaltige Spielermasse und einen Irrwald aus Namensanzeigen, indem sich ein Name über den anderen lagerte. Ein Blick nach hinten verriet ihm, dass sie am Rande der Ansammlung standen. Neben sich fand er Minato und Shizuo, deren Namen er durch die grüne Farbe deutlich besser lesen konnte.

"Ein Massenteleport... sicherlich eine Ansage der GM's."

"He, schaut mal da oben!", rief eine Stimme weiter vorne und ein Arm reckte sich gen Himmel. Dort, mitten im blauen Himmel, blinkte eine Art rotes Hexagon. Es war keineswegs beruhigend und es wurde nur noch beunruhigender, als das Blinken stoppte und von diesem einen Hexagon ausgehend sich der gesamte Himmel füllte. In einem gewaltigen, scharlachroten Mosaik zogen sie sich bis zum Horizont und tauchten die Spieler in rotes Licht. Wimmern und nervöses Japsen war zu hören. Wenn die GM's beeindrucken wollten, gingen sie ein Stück zu weit.
 

"SPIELER, HÖRT MIR ZU!"
 

Hatte noch eben jemand einen Laut von sich gegeben, so verstummte er bei dieser donnernden Stimme, die über den Platz hallte. Hoch über ihren Köpfen materialisierte sich eine gewaltige Figur, gekleidet in einer langen Robe. Sie breitete die Arme weit aus, als wollte sie alle Spieler halten und sprach mit donnernder Stimme weiter.
 

"DIES IST DIE WELT AINCRAD'S! IHR HABT EUCH ENTSCHIEDEN, DIESE WELT ZU BETRETEN! MEINE WELT!"
 

Seine Welt? Es war also der Produzent. Wie war noch gleich sein Name? Kayaba Akihiko?
 

"HIER GELTEN NEUE REGELN! MEINE REGELN! IHR WERDET KEINE ANDERE WAHL HABEN, ALS EUCH IHNEN ZU BEUGEN!"
 

Schon klar. Ein Spiel hat feste Regeln, nach denen es funktioniert. Niemand kann sie ohne weiteres ändern. Aber sicherlich war er auf etwas anderes hinaus.
 

"BEVOR ICH EUCH DIE WICHTIGSTE REGEL OFFENBARE, ÖFFNET DAS GESCHENK, DAS JEDER VON EUCH ZU BEGINN BEKOMMEN HAT!"
 

Sie hatten ein Geschenk bekommen? Achselzuckend öffnete er das Inventar mit wenigen Handbewegungen. Als es gerade aufgerufen wurde, entdeckte er eine Art Geschenksymbol mit einem Ausrufezeichen dahinter. Er berührte das Symbol und ein Handspiegel erschien vor ihm. Das gleiche passierte bei jedem von ihnen. Als auch der letzte von ihnen einen dieser Handspiegel hielt, erhob die Gestalt über ihnen abermals die Stimme.
 

SEHT HINEIN! DIESER SPIEGEL WIRD EUCH ZEIGEN, WORUM ES IN DIESEM SPIEL GEHEN WIRD!"
 

Stirnrunzelnd musterte er die Gestalt über ihnen. Hinweise für die erste Story-Quest? Oder ein groß angelegtes Event, so wie sie dieses Auftreten gestaltet haben? In jedem Falle würde er sicherlich nicht umhin kommen, einen Blick zu wagen. Im kleinen Handspiegel vor sich sah er nichts weiter, als sein eigenes Spiegelbild. Einen Moment lang geschach nichts und Zezubou blickte nur angestrengt hinein, um irgendetwas anderes außer sich selbst zu erkennen. Dann erstrahlte die Oberfläche des Spiegels hell auf und mit ihm alle anderen auf dem Platz. Jeder Spieler wurde in einem gleißend blauen Licht gebadet und für einen Moment war es taghell. Nach und nach ebbte das Licht ab und man sah sich verwundert um. Dann gellten die ersten Schreie über den Platz.

Zezubou war sich sicher, dass dort eben vor ihm noch eine weibliche Figur in wenig Haut bedeckender Rüstung stand mit hüftlangen, blonden Haaren. Nun aber sah er einen pummeligen, kleinen Mann stehen mit exakt der gleichen Rüstung, der sich panisch umsah und irgendwie versuchte, noch etwas von sich zu bedecken. Leicht angewidert wandte er den Blick ab. Doch der arme Kerl vor ihm war nicht der einzige, der eine Veränderung erlebte. Wo vorher noch übermannsgroße, muskulöse Hünen über die Köpfe attraktiver, idealer Frauen ragten, standen nun schmächtige Typen mit Kellerbräune und schiefem Gesicht neben ebenso blassen Aller-Welts-Mädchen oder dicklichen, unrasierten Kerlen. Alle waren in heller Aufruhe, einige erhoben ihre Stimme und deuteten auf die Gestalt, die noch immer über ihnen schwebte.

Prüfend sah Zezubou zu seinem Bruder und Minato. Shizuo schien etwas geschrumpft zu sein und nun so ziemlich genauso groß wie er selbst, so wie es auch im echten Leben der Fall war. Minato war sogar ganz und gar unverändert.

"He, Zezu. Deine Narben sind weg!", meinte sein Bruder erstaunt und beäugte ihn genauer.

"Und du bist ganz schön geschrumpft...", antwortete Zezubou und sah ein zweites Mal hin, um sicher zu sein. Doch sie hatten nicht viel Zeit, sich über das alles zu wundern, denn man sprach abermals zu ihnen.
 

"IN AINCRAD SOLL SICH NIEMAND HINTER FALSCHEN FASSADEN VERSTECKEN DÜRFEN! IHR SEID HIER IHR SELBST!"
 

Ja, großartig. Unansehnliche Gestalten zwischen noch unansehnlicheren Gestalten. Das Spiel wird allein dadurch deutlich unattraktiver - wortwörtlich.
 

"UND UM GENAU DAS GEHT ES HIER. UM EUCH! IN DIESEM SPIEL SPIELT IHR UM EUCH SELBST!"
 

Die Verwirrung darüber war den meisten direkt anzusehen.
 

"WIE IHR SICHERLICH ALLE ENTDECKT HABEN SOLLTET, GIBT ES KEINE MÖGLICHKEIT ZUM LOGOUT IM MENÜ! SEID UNBESORGT, DAS IST KEIN SPIELFEHLER!"
 

Stille.
 

"IN SWORD ART ONLINE SPIELT IHR UM EUER LEBEN. IHR HABT EINEN EINZIGEN VERSUCH! WENN IHR DIESE CHANCE VERTUT, IST DAS SPIEL VORBEI FÜR EUCH - FÜR IMMER!"
 

Game Over? Ein einmalig spielbares Spiel? Das kann es nicht geben.
 

"SEID ALSO NICHT ALLZU WAGEMUTIG. EIN GAME OVER BEDEUTET NICHT NUR DEN TOD FÜR EUREN CHARAKTER! IN DER SEKUNDE, IN DER IHR STERBT, WIRD EUER ZENTRALES NERVENSYSTEM DURCH EINEN STROMSTOSS AUSGESCHALTET. DAS GLEICHE PASSIERT, WENN JEMAND VERSUCHT, EUER NERVEGEAR ABZUNEHMEN."
 

Fassungslos starrte Zezubou hinauf zu der Gestalt.
 

"EUER WEG AUS DIESEM SPIEL IST RECHT SIMPEL - GEWINNT! GEWINNT DAS SPIEL, UND IHR ALLE SEID FREI! EROBERT DIE 100 EBENEN DES TURMS UND BESTEIGT DEN THRON IM RUBINSCHLOSS!"
 

Sein Hände ballten sich zu fäusten und das Leder seiner Handschuhe knartschte wie als Antwort. Er fühlte gerade keinerlei Angst oder Panik oder Hass. Das einzige Gefühl, das langsam in ihm aufstieg, war pure Vorfreude. Ein breies Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Die ultimative Herausforderung. Keine Guides, kein Trial-and-Error, kein Versuchen.
 

"LASST DEN KAMPF BEGINNEN!!"

Cardinal System

Nach dem Verschwinden der wundersamen Gestalt, die über ihnen schwebte, und nach dem Verkünden jener unheilvollen Botschaft, starrten die meisten der Anwesenden auf dem Platz ratlos dorthin, wo eben noch jenes Wesen erschienen war. Dann glitt der Blick vieler auf die Person neben sich. Ein gellender, panischer Schrei schnitt durch die Stille, die die donnernde Stimme hinterlassen hatte, und schon war der Platz in heller Aufruhr. Einige Spieler vor sich sah Zezubou hektisch das Menü durchforsten, anscheinend auf der Suche nach irgendeiner Möglichkeit, doch noch herauszukommen. Doch ihre Blicke verrieten den Misserfolg.
 

"Ich will sofort einen GM sprechen!"
 

"Wenn das ein Scherz sein soll, ist er absolut nicht gelungen..."
 

"Ich will mein Geld zurück!"
 

Das losbrechende Stimmengewirr und die in Panik versetzten, durcheinander laufendern Spieler gefielen Zezubou nicht. Naserümpfend wand er sich ab und stapfte davon in Richtung Eingangsportal. Er wollte schleunigst von hier weg und sich einen Überblick verschaffen, einige Händler aufsuchen, um seine Heiltränke aufzustocken, und dann mit dem Kampf beginnen. Es würde keinen Sinn machen, jetzt noch lange darauf zu warten, dass irgendwer ihm die Erfahrungspunkte klaute. Doch eine Hand packte seinen Arm und hinter ihn jäh daran, davonzueilen, und als er den Kopf zu der Person drehte, sah er in die Augen eines ernst drein blickenden Shizuos.

"Wo willst du hin? Du kannst nicht einfach weglaufen!", blaffte sein Bruder ihn an.

"Dann komm halt mit. Ich halte es hier nicht länger aus."

"Hättest mir doch Bescheid sagen können! In so einer Situation alleine unterwegs zu sein könnte.."

"Ich hab eben zugehört, Shizuo. Ich weiß, was mich erwartet."

"Und warum willst du dann einfach unvorbereitet loslaufen?!"

"Wäre ich nicht einmal. Ich wollte mir Tränke kaufen und ein paar niedrig levelige Monster töten."

"Achso.. Trotzdem, sag mir doch Bescheid!"

"Nun weißt du es, also lass uns los."

Mit einem kurzen Nicken ließ Shizuo ihn wieder los und die beiden wandten sich an Minato, der den Spiele-Guide gezückt hatte und intensiv studierte. Einige Sekunden verstrichen, bis er zu ihnen aufsah und dann in einige Richtungen hinter ihnen.

"Habt ihr zwei heute schon etwas vor?", fragte Minato dann mit einem leichten Grinsen und ließ das Buch mit einem vernehmlichen Klappen zuschnappen, woraufhin es sich dematerialisierte.

"Ich denke, wir werden uns ins Getümmel schmeißen und stärker werden. Wenn man bedenkt, was vor uns liegt...", meinte dann Shizuo und sah seitlich zu Zezubou.

"Wirst du mit uns kommen?", fragte dieser knapp. Er wollte nicht mehr lange warten.

"Wo ich ohnehin mit einem Eber alleine nicht gut klar komme, und ich stattdessen mit zwei starken Spielern durch die Gegend ziehen kann? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand."

Noch immer mit diesem schwachen, zufriedenen Grinsen ging er zwischen den beiden durch und deutete mit dem Kopf zu einer Ansammlung von Gebäuden nahe des Tores.

"Dort können wir unsere Vorräte aufstocken. Ich will hier nicht sterben, weil mir ein Heiltrank fehlte..."

Zustimmen nickend traten die Brüder an seine Seite und steuerten zielstrebig das Tor an. Vorbei an verzweifelten, wimmernden und panischen Spielern, zusammengekauert auf dem Boden hockend oder liegend, wirkten sie als eine der wenigen mit einem Plan. Die meisten waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu merken, dass sich einige in Bewegung setzten. Vor ihnen hatten sich bereits mehrere einzelne Spieler und kleine Gruppen in die selbe Richtung aufgemacht. Demnach waren sie nicht die einzigen mit einem Plan. Hoffentlich würden sie noch etwas für Zezubous Gruppe übrig lassen.

"Hört zu, wir sollten etwas schneller gehen... Wir haben keine Zeit zu verlieren", meinte Minato mit gedämpfter Stimme, sodass nur Zezubou und Shizuo ihn hören konnten. Fragend blickten die Brüder zu dem jungen Mann mit weißen Haaren auf, wobei ihre Blicke sich kurz trafen. "Vielleicht habt ihr es schon gemerkt, aber ich hatte das Spiel bereits vor dem Release spielen dürfen."

"Also.. bist du ein Beta-Tester?", fragte Shizuo, obwohl die Antwort offensichtlich war.

"Ganz richtig. Ich habe in den zwei Wochen der Betaphase eingehend gespielt und kenne bereits die ersten drei Ebenen. Sollte sich nichts verändert haben, dann kann ich uns einen ordentlichen Vorteil verschaffen..."

"Die da vorne wohl auch", bemerkte Zezubou und deutete mit dem Kinn auf einige Spieler, die mit den NPC's sprachen und in Menüfeldern herum tippten.

"Kann gut sein. Das macht die Sache aber umso schwerer... hört gut zu, das ist jetzt wichtig", begann Minato und sprach noch leiser, als wollte er ein Geheimnis mit ihnen austauschen. "SAO wird von einem komplexen System verwaltet, welches die vielen Variablen innerhalb des Spiels überwacht und steuert. Den Begriff 'Cardinal System' solltet ihr aus den Trailern kennen." Die beiden Brüder nickten. Als der Hype um VRMMO's begann, hatten sie sich alle Informationen einverleibt, die sie auftreiben konnten. Dazu gehörte jeder Trailer zu SAO, den sie finden konnten und mit unter wurde dort der Begriff 'Cardinal System' genannt mit wenig Erklärung. Es wurde nur als 'innovativstes und fortgeschrittenstes System der Spielewelt' bezeichnet. "Dieses System sorgt für die Regelung von Monsterpopulationen, Quests, Gegenständen und Klima."

"Wie kannst du dir da so sicher sein?", warf Zezubou skeptisch ein.

"Weil", fuhr Minato ohne zu zögern fort, "die Beta-Tester stark auf die vielen Variablen eines MMO's geachtet haben. Das erste, was uns auffiel, waren die niedrigen Respawn-Raten von Monstern. Hatte man erst einmal ein Feld von Keilern gesäubert, tauchten diese erst nach mehreren Tagen auf. Einige Monstergruppen schienen sogar einmalig zu sein, denn sie kamen in den zwei Wochen der Betaphase nur ein einziges Mal vor. Auf Nachfrage bei den GM's, die damals noch dort an den Toren standen", meinte er mit einem Blick nach vorne zu den breiten Toren vor ihnen, "wurde uns gesagt, dass das alles seine Richtigkeit hatte und vom System bestimmt wurde."

"Es könnte doch aber genau so gut voreingestellt sein, oder?"

"Nein, denn daraufhin hat eine Gruppe von Betatestern angefangen, gezielt auf Monstergruppen einzuwirken. Bei einem der Versuche war ich selbst dabei. Erst zählten wir die Monster einer Gruppe, dann erledigten wir etwa ein Drittel von ihnen, und zogen uns wieder zurück. Nach zwei Tagen war fast die gleiche Anzahl an Monstern wieder da. Währenddessen hatten wir eine identische Monstergruppe bis auf wenige Exemplare ausgelöscht. Diese erholte sich kaum und als wir nach ebenfalls zwei Tagen zurückkamen, waren nur eine handvolle respawnt."

Wie gebannt hörte Zezubou ihrem neuen Gefährten zu. Wenn dieser Kerl all das nicht erfand und es sich als wahr herausstellen sollte, dann würde sein Wissen noch ausschlaggebend für ihr Überleben hier sein.

"Vorausgesetzt, dass sie das System nicht noch geändert haben", meinte dann Shizuo, als Minato eine kurze Pause einlegte. "Außerdem.. bin ich noch nicht ganz überzeugt."

"Ganz recht. Wenn sie das System geändert haben, werde ich genau wie ihr nun vollkommen überrascht. Aber gut, wenn du noch nicht überzeugt bist, dann kann ich dir noch mehr erzählen. Doch lasst uns erst einmal einkaufen. Ich will nicht unvorbereitet in Aincrad herumstolpern."

Mittlerweile hatten sie einige Verkaufsstände links und rechts der mächtigen Tore erreicht. NPC's priesen dort ihre Waren an und riefen wild durcheinander. Ein Rüstungsverkäufer hier, ein Alchemist dort, mehrere Verkäufer mit Speisen aller Art überall verteilt. Zielstrebig ging Minato auf den Alchemisten links vom Tor zu und blieb vor seinem mit Reagenzien, Kesseln und Phiolen vollgepackten Stand stehen. Der Mann dahinter, ein bärtiger Alter mit einer schwarz-grauen Robe und Brille, setzte ein Grinsen auf und sah zu seinem Kunden auf.

"Ah, werter Herr! Ich sehe, dass Ihr an meinen Tränken und Zutaten interessiert seid! Wie darf ich Euch behilflich sein?"

Anstatt zu antworten, nickte Minato nur beiläufig und tippte vor dem Mann in die Luft. Zezubou, der hinter seinem Wegführer stand, schaute ihm über die Schulter und beobachtete, wie dieser den Kauf abwickelte. Das Menü war klassisch aufgebaut. Drei Optionen: Kaufen, Verkaufen, Ansehen von oben nach unten. Minato tippte auf die oberste und ein Scrolldown-Menü mit den verschiedenen Waren öffnete sich. Heiltränke in drei Variationen, jede effektivere Sorte ein wenig teurer, zusammen mit Angriffs- und Verteidigungstränken, sowie Gegengiften und allerlei Status heilenden Tränken waren dort aufgelistet. Oberhalb des Scrolldown-Menü waren noch weitere Felder anwählbar, wie 'Zutaten' und 'Zubehör'. Der Unterpunkt 'Tränke' war gerade ausgewählt. Minato wählte die billigste Variante der Heiltränke und kaufte direkt 20 davon. Bei einem Stückpreis vom 15 Gold brauchte dieser Kauf bereits 300 Goldstücke von seinen angesammelten 567 Goldstücken auf. Dann griff er noch zu jeweils zwei Angriffs- und Verteidigungstränken, die nochmals 100 Gold verschlangen und 5 Gegengiften, die weitere 50 Gold von seinem Ersparnis abzogen. Die verbliebenen 167 Goldstücke ließen Zezubou leicht zucken. Er hasste es, wenn seine Geldbörse nicht bereits platzte vor Geld - jedenfalls in Videospielen.

Als Minato dann das Einkaufsmenü schloss, verneigte sich der NPC-Alchemist vor ihm. "Ich danke Euch für Euren Kauf, werter Herr! Wenn Ihr jemals wieder einen Experten für Tränke aller Art braucht, zögert nicht, mich abermals aufzusuchen." Dann wandte sich ihr Erklärbär ab und sah stattdessen die beiden Brüder an.

"Habt ihr gut zugeschaut? Am besten rüstet ihr euch ähnlich wie ich aus, obwohl das natürlich voll und ganz euch überlassen ist. Aber eine gewisse Anzahl an Heiltränken solltet ihr schon einkaufen..."

"Da bin ich ganz deiner Meinung. Aber eine Frage noch: könnte man auch zu zweit einen NPC benutzen? Ich und Shizuo zum Beispiel?", fragte Zezubou und war im Begriff, an den Stand heranzutreten.

"Natürlich doch! Er wird jedoch nur auf den ersten Spieler, der ihn benutzt, reagieren. Für den zweiten und alle weiteren wird er nichts sagen. Aber, seien wir mal ehrlich - wer will einen Händler schon reden hören?", gab Minato lachend zurück und trat beiseite, um den beiden Platz für den Einkauf zu machen.

Schmunzelnd trat Zezubou dann heran. Die automatischen Dialoge der NPC's hatten ihn an MMO's schon immer am meisten genervt. Und wenn man gerade schnell einen Kauf tätigen wollte und den Händler nie ausreden ließ, war besonders nervtötend, wenn nur einzelne Satzbausteine ankamen.

"Ah, werter Herr! Ich sehe, dass Ihr an meinen Tränken und Zutaten interessiert seid! Wie darf ich Euch behilflich sein?", rief der Händler aus, als Zezubou in den Bereich kam, indem der Alchemist anscheinend auf die Spieler reagierte. Glucksend sah er in das gleichsam grinsende Gesicht des Mannes. Nicht einmal im Jahre 2025 hatten sie sich die Mühe gemacht, neue Dialoge für verschiedene Situationen auszudenken. Oder jene kamen noch nicht. Neben ihm öffnete Shizuo bereits das Einkaufsmenü und Zezubou tat es ihm nach.

Hoch konzentriert, um ja keinen Fehler zu machen, um am Ende mit 20 Gegengiften anstatt Heiltränken dazustehen, wählte Zezubou jedes Feld sorgsam an. Anders als Minato setzte er auf die zweit-effektivsten Tränke, die ihm jedoch auch 20 Gold kosteten. Mit 20 dieser Tränke bestückt sowie 5 Gegengiften, trat Zezubou mit 450 Gold weniger vom Tresen zurück. Wieder nagte an ihm das Gefühl eines leeren Geldbeutels, auch wenn er mit 194 Goldstücken noch etwas weiter vor Minato lag.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Zezubou, wie sein Bruder ungeniert einkaufte und seine Ersparnisse, bis auf einige wenige Goldstücke, komplett ausgab. Er hatte nicht gesehen, was Shizuo alles gekauft hatte, doch am Ende fiel sein Blick auf eine magere '7' am unteren rechten Menürand, der das eigene Gold angab. Nicht in der Hinterhand zu haben wäre für Zezubou unerträglich gewesen. Vorallem nicht, wenn noch andere Händler auf ihn warteten. Doch sein Bruder schien auf Nummer sicher gegangen zu sein, wenn er an die 700 Goldstücken ausgab.

Zufrieden drehten sich die beiden wieder zu ihrem Weggefährten um und warteten darauf, dass er ihnen mehr erzählte. Beide waren sich der Situation bewusst, in der sie sich befanden, und sie wollte keinenfalls unvorbereitet anfangen. Allmählich gesellten sich mehr Spieler zu ihnen. Jene, die anfangs noch fassungslos umher irrten, folgten nun den wenigen, die sich zusammengerissen hatten und die NPC's ansteuerten. Fahrig und ziellos wischten sie in den Menü's umher, schauten sich dabei von ihrem Nebenmann einige Handgriffe ab und kamen ab und zu ins Gespräch. Doch neben den umher krackelenden Händlern war es ansonsten ruhig auf dem Platz.

"Habt ihr noch etwas Geld übrig? Dann kommt mit, wir brauchen noch ein paar Sachen..."

Zielstrebig führte sie Minato an den vielen Ständen entlang. Von weitem her hatten die Tore deutlich kleiner gewirkt und die Stände daneben nicht so zahlreich, wie sie sich am Ende dann doch herausstellten. Unter den buntesten Planen, verziert mit Gierlanden, drängten sich dicht an dicht die Stände der Händler. Ab und zu durchbrach eine kleine Gasse die Mauer von Tischen, in der sich weitere Händler drängten, und in eben eine solche Gasse führte sie nun Minato. Im kühlen Schatten der Gebäude wurde es besonders ruhig, denn hier schrien der Händler nicht umher. Jene hier waren deutlich reservierter und reagierten nur, wenn sie zu nahe an einen Stand herankamen. Auf den Tischen bot sich einen Vielzahl an Waffen und Rüstungsteilen da, ab und zu unterbrochen von einem kleinen Alchemistenladen. Hier und dort führte eine Tür in die Gebäude um sie herum hinein, doch ansonsten reihten sich auch hier die Händler aneinander.

Sehr unpraktisch, fand Zezubou. Er war es gewohnt, einige wenige, jedoch spezialisierte Händler zu haben, die zentral lagen und leicht erreichbar waren. Und auch wenn er verstand, dass dies deutlich zur Atmosphäre beitrug, so mochte er es nicht, von den NPC's beäugt zu werden, während er sich mit seinen beiden Begleitern einen Weg bahnte. Als er gerade Blicke mit einem besonders grimmig blickenden Schmied wechselte, stieß er gegen Shizuo, der abrupt vor ihm stehen geblieben war. Fragend sah er nach vorne zu Minato, der vor einem ihm neuen Verkaufsstand stehen geblieben war. Es war eine Vielfalt an allerlei Dingen. Tränke, Ausrüstung, Schmuck, Taschen und Zutaten waren dicht an dicht gestellt.

"Hier, eine wichtige Sache, die ebenfalls vom Cardinal System gesteuert wird... Schaut in das Menü hinein."

Die beiden taten wie geheißen und sofort fielen Zezubou neben den einzelnen Gegenständen kleine Zahlen in eckigen Klammern auf. Obwohl er ahnte, was diese bedeuteten, ließ er Minato aussprechen.

"Diese Zahlen dort zeigen an, wie viele Exemplare eines Gegenstandes der Händler besitzt. Man hatte es ganz am Anfang entdeckt und aus Neugierde, ob sie am nächsten Tag wieder aufgestockt waren, kaufte ein Betatester alle 78 Wurfmesser eines Händlers. Am nächsten Tag hatte dieser nur ein gutes Dutzend anzubieten und auch in den darauffolgenden Tagen vergrößerte sich der Bestand nur langsam. Auf Anfrage meinten die GM's abermals, dass das Cardinal System dafür verantwortlich sei. Nach ausgiebigem Testen war klar, dass manche Gegenstände einfach nicht unendlich oft gekauft werden können. Vorallem bei besonderen Artefakten war es schwer, mehr als eine Kopie zu bekommen... So wie diesen Ring hier."

Während er noch erzählte, schob er die Liste der Gegenstände weiter hinunter, bis er am Ende angekommen war. Als Zezubou es ihm nachtat, fand er dort die Beschreibung eines schlichten, silbernen Ringes.
 

"Das Soldatenband - ein einfacher Ring, der jeder Stadtwache bei der Vereidigung überreicht wird. Es soll symbolisieren, wie jede Wache ihre Pflicht zu erfüllen hat und dabei in der Pflicht mit den Kameranden vereint ist. Außerdem soll dieser Ring die Fähigkeiten des Trägers leicht steigern, um selbst dem schwächsten Soldaten eine Chance gehen wilde Kreaturen zu geben. "
 

HP+20(+5 pro Band)

Atk.+10(+2,5 pro Band)

Def.+10(+2,5 pro Band)
 

Neben dem Gegenstandsnamen war eine drei in eckigen Klammern angezeigt, demnach hatte der Händler nur noch drei Exemplare zum Verkauf, wobei ein Exemplar 100 Gold kostete. Minato zögerte auch nicht lange und kaufte einen der Ringe, was Zezubou ihm direkt nachtat. Mit einem markanten Laut von klingelnden Münzen verringerte sich sein Gold auf 97. Nur Shizuo ging leer aus und er schnalzte vernehmlich mit der Zunge.

"Hättest du mir nicht sagen können, dass wir sowas teures kaufen? Dann hätte ich mir noch etwas Geld aufbewahrt...", maulte dieser und sah Minato missbilligend an. Dieser hob beschwichtigend die Hände und öffnete einige Menüs.

"Hier, nimm von mir 50 Gold. Und wenn dein Bruder kein Geizhals ist, wird er dir wohl die restlichen 50 Goldstücke borgen", meinte Minato zuversichtlich lächelnd und legte den Kopf schief, um an Shizuo vorbei zusehen.

"Klar, du musst mir nur sagen, wie", gab Zezu knapp zurück und suchte bereits nach einer Option zum Handeln. Dabei vernahm er die Soundeffekte, die abgespielt wurden, wenn jemand durch die Menüpunkte wischte und eine Textnachricht erschien vor Shizuo.
 

Möchten sie mit Minato handeln? [O] JA [X] Nein
 

Während Minato Shizuo durch die einzelnen Schritte führte, hörte Zezubou mit einem Ohr zu und suchte dabei weiter nach einer Option für Handel. Schnell würde er fündig. Ein neues Menüfenster öffnete sich, doch es zeigte nur mehrere leere Felder an. Als dann mit einem vernehmlichen Laut der Handel zwischen Shizuo und Minato abgeschlossen wurde, tauchten ihre beiden Namen im Menü vor Zezubou auf.

"So, das haben wir. Soll ich dir zeigen, wie der Handel funktioniert?", fragte Minato an Zezubou gewandt.

"Nein, das sollte ich hinkriegen", meinte dieser und tippte den Namen seines Bruders an. Wie vorher auch bekam dieser ein Auswahlmenü, um den Handel anzunehmen. Daraufhin erschien vor Zezubou ein Inventarfenster, indem all seine Gegenstände sowie sein Gold am unteren, rechten Rand in einem Scrolldownmenü angezeigt wurden. Instinktiv tippte er das Gold an, woraufhin er eine Summe festlegen konnte. 50 Goldstücke brauchte sein Bruder noch und er bot sie ihm durch das Betätigen zweier Schaltflächen an. Dann mussten beide noch auswählen, dass sie bereit waren und der Handel wurde abgeschlossen.

"Seht ihr? Ganz simpel", meinte Minato zufrieden lächelnd und während Shizuo schnell den Ring einkaufte, grübelte Minato über einigen Menüs. Seine grellen, orangen Augen huschten hin und her, während seine Finger geschickt über die Menüpunkte sprangen. Dann erschien mit einem kurzen Leuchten der Ring an seinem Finger. "Denkt daran, den Ring noch auszurüsten."

Zezubou brauchte gar keine Erklärungen mehr dafür. Mit einem Wisch mit der Hand nach rechts öffnete er das Menü, wählte den Punkt "Ausrüstung" aus und legte mit wenigen Handgriffen den Ring an. Wie schon bei Shizuo erschien der Ring an seinem Finger mit einem schwachen Leuchten. Es war, wie die Beschreibung sagte, ein schlichter, silberner Ring ohne Gravur, doch er mochte ihn. Großer Prunk mit Gold und Edelsteinen gefiel ihm nicht.

Als dann auch Shizuo den Ring angelegt hatte, legte Minato die Hände in die Hüften und baute sich vor den beiden auf. "Alles klar! Wir sind mit Tränken versorgt und haben uns einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Spielern verschafft. Wollen wir dann endlich loslegen?", verkündete er mit einem breiten Grinsen und musterte die beiden Brüder aus aufgeweckten, hellen Augen. Die beiden sahen sich kurz an und nickten kurz und wie als Antwort nickte auch Minato mit einem Kippe seines Kinns. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und führte sie hinaus aus der Gasse.

Weggefährten

Das Tor lag bereits einige hundert Meter hinter ihnen, als Minato nach seinem zügigen Marsch aus der Stadt das erste Mal Halt machte. Kurzes Getippe im Menü war zu vernehmen und nach wenigen Augenblicken öffnete sich vor Minato eine halbdurchsichtige Karte. Er winkte die beiden zu sich und sie versammelten sich um das schwebende Abbild der hiesigen Geographie. Sie war nur zweidimensional dargestellt, doch unverkennbar war die Stadt dargestellt mit ihren ausladenen Toren und dem riesigen, wirbelnden Portal am Rande der Klippe, an der die Stadt lag. Der Eingang nach Aincrad. Hier würden neue Spieler ankommen und sich ausrüsten können, doch bis sich die Lage beruhigt hatte, konnte man nur einen Haufen verzweifelter Spieler vorfinden, die um ihre Sicherheit bangten.

"Mein Plan sieht für's wie folgt aus: wir drei werden uns von den anderen Grüppchen, die hier bereits die Monstergruppen dezimieren, absetzen und gen Westen reisen." Minato fuhr mit dem Finger von einem blauen und zwei grünen Punkten, die wohl ihre Gruppe symbolisieren sollten, in einer gerade Linie in Richtung Westen. Die Geographie war dort nur vage angegeben. Hier und da schienen kleine Wälder aus einem Nebel hervorzuragen und, anders als die Ebene vor der Stadt, waren keine weiteren Gebiete benannt. Einzig die Umrisse der Insel, auf der sie sich befanden, begrenzte das Unbekannte vor ihnen. So wie es Zezubou abschätzen konnte, hatten sie nicht einmal ein Fünftel der Karte aufgedeckt, was für ihn noch unangetastete Monstergruppen versprach.

"Es bringt uns nur wenig, wenn wir die restlichen Monster hier ausmerzen. Der Erfahrungsgewinn ist niedrig und es können stets noch mehr Spieler kommen. Stattdessen werden wir in ein Gebiet gehen, das sich in der Betaphase der 'Wildwucherwald' nannte. Da ich nicht glaube, dass sie allzu große Veränderungen an der Geographie vorgenommen haben, sollten wir dort am besten aufsteigen können. Denn das brauchen gerade: höhere Stufen! Ich will nicht sterben, nur weil wir plötzlich das Aggro einer zu starken Monstergruppe ziehen...", erläuterte ihnen Minato.

"Was macht dich so sicher, dass wir dort gute Chancen haben? Und was erwartet uns in diesem Wald?", fragte Shizuo dazwischen.

"Weil ich dort eine längere Zeit verbracht habe in der Beta. Dort haben wir auch unsere Versuche mit dem Cardinal System durchgeführt. Ich kenne den Ort noch gut. Eber und Hirsche wie auf den Ebenen, doch einige Level stärker. Nichts, womit wir nicht fertig werden würden. Die Wölfe waren immer etwas lästig, aber ich bin damals alleine gewesen und konnte ihre Rudel immer besiegen."

Das setzte natürlich voraus, dass sich nichts verändert hatte. Zezubou traute diesem Fremden noch nicht. Er war sich so sicher bei allem bisher, dass er es ihm noch abkaufte. Aber was, wenn das ganze nur ein abgekatertes Spiel war, um sie auszurauben oder, noch schlimmer, in den sicheren Tod zu führen? Er hatte schon einige kuriose PvP-Spieler erlebt, die wahrhaft tollkühne Aktionen und Fallen auf die Beine stellten, nur um ein paar ahnungslose Spieler dran zu kriegen. Sollte es jedoch soweit kommen, war er wenigstens nicht alleine und kein Spieler könnte bereits stark genug sein, um ihn und seinen Bruder einfach zu überrumpeln.

"Von der Stadt aus müssen wir nur der Pflasterstraße folgen, dann kommen wir bald zu einigen Wäldern. Jener Teil im Norden ist der Wildwucherwald, im Süden befinden sich 'Die Jagdgründe', eine der Hauptversorgungsquellen der kleinen Dörfer hier."

"Warum sollte uns das kümmern?", fragte Zezubou argwöhnisch. Noch nie war es relevant, was die NPC's für Hintergrundgeschichten hatten. Am Ende zählte die Beute.

"Weil, und hier kommt wieder das Cardinal System ins Spiel, die NPC's wirklich leben. Sie brauchen Nahrung und eine Waserversorgung sowie ein Heim. Als sich einige Spieler exsessiv in den Jagdgründen austoben, verschwanden einige NPC's mit einem Mal. Aus einigen Dialogen entnahmen wir dann, dass fehlendes Wild die Menschen zwang, in die Stadt umzusiedeln."

"Das heißt, sie sterben nicht unbedingt, aber verhalten sich den von uns geschaffenen Umständen entsprechend?", fragte Shizuo nun neugierig und lehnte sich leicht vor.

"Ganz recht. Als ein ungestümer Spieler mal eine ganze Horde Eber in ein Dorf lockte, kamen mehrere NPC's um oder wurden vertrieben. Während der Betaphase war das Dorf danach vollkommen unbewohnt..."

Erstaunt zog Zezubou die Augenbrauen hoch. Wenn die Erzählungen von Minato Glauben zu schenken waren, dann war dieses Cardinal System wirlich so innovativ wie es behauptet wurde. Aber wie es am Ende nun aussehen würde, sollte sich wohl erst noch zeigen.

"Also gut, ich bin einverstanden. Was sagst du, Zezu?", meinte Shizuo und sah seinen Bruder an.

"Ich habe keine Einwände", meinte Zezubou nur knapp und wandte sich dann in Richtung Westen. In der Ferne waren bereits einige Baumwimpfeln zu erkennen, doch noch lag vor ihnen nur die Ebene, in der die ersten Spieler mit einigen Monstern rungen. Das leuchten ihrer Waffen blitzte auf und das gedämpfte Quieken und Jammern der Wildtiere war zu vernehmen, als diese zu Boden gingen und sich auflösten.

"In Ordnung! Lasst uns keine Zeit mehr verlieren. Wir sollten etwa eine halbe Stunde unterwegs sein auf direktem Weg", schloss Minato dann ab, ließ seine Karte verschwinden und marschierte los. Nach kurzem Tauschen eines Blickes folgten ihm dann die beiden Brüder, dicht beieinander und wenige Schritte hinter ihrem Wegführer. Das dumpfe Pochen ihrer Stiefel auf den Pflastersteinen war eine Zeit lang das einzige, das zu vernehmen war, neben den Kampfesschreien der Spieler in der Ferne und den Lauten der Monster, deren Lebenspunkte auf 0 fielen. Zezubou schauderte es kurz. Wie er wohl reagieren würde, wenn das jemals ihm passiert?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (5)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Wave
2014-01-09T11:06:57+00:00 09.01.2014 12:06
Falls du weiterschreibst, sag Bescheid^^
Klingt bisher nicht schlecht :)
Von:  ferdi
2013-12-01T10:58:04+00:00 01.12.2013 11:58
ich mag dein schreibstil :)
mach unbedingt weiter :):)
Von:  ruffyboy
2013-11-24T22:08:07+00:00 24.11.2013 23:08
Und der Spaß kann beginnen ^^ nettes Kapitel
Von:  ruffyboy
2013-11-18T22:03:47+00:00 18.11.2013 23:03
Jetzt gehts los ich freu mich schon was für abenteuer unser Held erleben wird ^^
Von:  ruffyboy
2013-11-18T21:56:59+00:00 18.11.2013 22:56
Netter anfang und mir gefällt der schreibstill mach weiter so und versuch etwas längere kapitel zu schreiben würde mich freuen ^^


Zurück