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Great Canon

Wichtelgeschichte für Alaiya
von

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Was war das? Ein Flüstern, ein Raunen, dahin gemurmelte Worte, die nicht für jedermanns Ohren gedacht waren? Oder doch nur der Wind, wie er leise durch die üppigen Baumkronen rauschte?

Noriko schlug die Augen auf und schloss sie auch sogleich wieder. Unter Schmerzen drängten sich Tränen hervor, als hätte sie noch nie zuvor das Tageslicht erblickt. Einen kurzen Moment verharrte sie so daliegend, mit den Händen vors Gesicht geschlagen und zur Seite gedreht.

„Jetzt steh schon auf“, drang eine Stimme in einem befehlenden Ton an ihr Ohr.

Langsam nahm sie ihre Hände wieder vom Gesicht weg und zwinkerte ein paar Mal vorsichtig, um sich somit an das Licht zu gewöhnen. Es dauerte noch einen Moment, ehe sie sich Augen reibend aufsetzte, nur um dann vor Erstaunen diese nicht wieder zu zubekommen.

Noriko saß auf einem großen, mit weichem Moos bewachsenen Felsen, inmitten eines saftig grünen Waldes. Es bräuchte noch zwei weitere von ihrer Art, damit sie einen der mächtigen Baumstämme hätte umfassen können. Hoch oben wiegten sich die blätterreichen Wipfel in der sanften Sommerbrise und ließen ein wahres Konzert an Rauschen, Rascheln und Geknister entstehen. Auf dem üppigen Waldboden wuchsen zahlreiche Blumen und Kräuter, Pilze und Moose, die Noriko noch nie zuvor gesehen hatte. Büsche und Sträucher trugen entweder pralle Beerenfrüchte oder ein wunderschönes Blumenkleid. Der Duft der vielen Pflanzen mischte sich mit einer angenehmen Note von Wildtier, und ließ die Luft somit noch lebendiger wirken.

„Wunderhübsch, oder?“, fragte der Mann, der auf einem ebenso überwucherten Stein ihr gegenüber saß. „Fertig soweit?“

Sie musste erst ihre Stimme wieder finden. Worte formen, als hätte sie noch nie im Leben gesprochen. „Wer bist du?“, fragte sie schließlich zaghaft.

Der Mann, zumindest nahm Noriko an, dass die Person ihr gegenüber ein Mann war, war gänzlich in Schwarz gekleidet. Obwohl die Hose, die er trug, und das langärmlige Oberteil aus Wollstoff und die Handschuhe und sein Schuhwerk aus Leder bestand, so wirkte es alles doch wie aus ein und demselben Material gefertigt. Über seinen Kopf hatte er eine ebenso schwarze Kapuze gezogen, deren tiefrote Fransen von seinen Schultern herabhingen. Sein Gesicht verbarg er hinter einer emotionslosen, weißen Maske, die nur zwei Sehschlitze aufwies.

Er führte einen Zeigefinger an die Stelle seiner Maske, wo sich sein Mund dahinter verbarg, und gab ihr somit zu verstehen, dass sie ruhig sein sollte. „Die wichtige Frage ist nicht, wer ich bin.“ Der Mann rutschte von dem Felsen runter und lief Noriko entgegen. „Sondern wer du bist, verehrte Soldatin.“

Sie blickte auf die Hand, die der Vermummte ihr entgegen hielt, um ihr somit von dem Stein zu helfen, und dann wieder auf seine ausdruckslose Maske.

„Okay“, er zog seine Hand wieder zurück, nachdem sie darauf nicht reagiert hatte. „Vielleicht ist es auch klüger von dir, mir zu misstrauen.“ Seine Stimme verriet ihr, dass ihn das scheinbar sehr gekrängt hatte. „Ich meine, du weiß nicht wo du bist, wer ich bin oder wer du bist.“

„Ich weiß sehr wohl, wer ich bin!“, platze es aus ihr heraus. Sie quälte sich von dem Felsen herunter und wäre beinahe hingefallen, da sich ihre Beine wie Pudding anfühlten.

„Wirklich? Achtundzwanzig Jahre alt und erst jetzt zu einer Soldatin geworden? Weib, geh lieber an einen Herd und Kinder großziehen, ehe du dir noch was abbrichst.“ Kritisch blickte er durch die engen Sehschlitze seiner Maske auf sie.

„Ich bin Sakamoto Noriko.“ Plötzlich schwieg sie und ihr Blick wurde starr. Ich kann mich an gar nichts erinnern. Was war nur mit ihren Erinnerungen geschehen?

Der Mann legte den Kopf schief und blickte sie durchdringend an. „Solch einen Namen gibt es hier nicht.“ Er schüttelte bedächtig sein Haupt und seufzte. „Wie wäre es, wenn du dir lieber einen neuen Namen aussuchen würdest? Am besten einen, mit dem du nicht gleich wie ein bunter Hund auffallen würdest.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Brunhilde, Hera oder Gwyneth sind hier allgegenwärtig.“

„Nein. Ich bin, wer ich bin.“ Noriko wischte energisch mit ihrer Hand durch die Luft, um ihrer Aussage somit Kraft zu verleihen.

„Okay, von mir aus.“ Der Maskierte schlenderte ein wenig vor ihr herum. „Und kannst du mir auch sagen wo du bist, Noriko?“

Sie schwieg, da sie es nicht wusste. Mit prüfendem Blick sah sich Noriko noch einmal in dem Grün um, in der Hoffnung vielleicht etwas zu finden, das ihr bekannt vorkommen könnte.

„Wehe du sagst mir jetzt, dass du in einem Wald bist.“ Der vermummte Mann seufzte und ließ sich auf den mit Gras bewachsenen Boden in den Schneidersitz fallen. „Das wäre echt dumm. Immerhin ist mir das durchaus selber bewusst.“

Noriko schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung wo ich hier bin.“ Sie bemerkte, wie der Maskierte sie ansah. „Weißt du es denn überhaupt?“, fragte sie ihn dann.

Gerade wollte der Angesprochene die ihm gestellte Frage beantworten, als unweit hinter ein paar Büschen Zweige brachen.

Er blickte sie an. „Tut mir leid, aber ich muss gehen.“

Und ehe Noriko etwas sagen und somit am gehen hindern konnte, stoben hunderte schwarze Feder durch die Luft und eine Krähe schwang sich krächzend von dort in die Höhe, wo der Vermummte gerade noch gesessen hatte. Auf der Stirn des schwarzen Vogels saß gut sichtbar eine kleine weiße Maske.

Noriko blickte der Krähe noch ungläubig hinter her, als erneutes Astbrechen sie herumfahren ließ. Irgendetwas kam da, das war Noriko glasklar.

Ihre Gedanken überschlugen sich. Wer oder was kam da? Ein Reisender, der sich in dem Wald auskannte, in dem sie ausgesetzt wurde, oder vielleicht doch nur ein Tier? Was sollte sie tun, wenn es ein Mensch wäre, der ihr jedoch böse gesinnt war? Und bei einem Wildtier? Sie wusste nicht was sie tun sollte, wenn es ein Wolf, ein Bär oder gar was Schlimmeres wäre. Lass es schreckhaftes Rotwild sein. Bitte! Fliehen oder bleiben. Noriko musste sich entscheiden. Jetzt.

Sich fast schon zum Rennen umgewandt, fiel ihr Blick auf das eiserne Kurzschwert und den hölzernen Rundschild, die beide neben dem Felsen lagen, auf dem sie gerade erst noch gesessen hatte. Sie griff nach der Waffe und dem Schild und stellte sich kampfbereit hin - was eher kläglich aussah. Aber sie würde bleiben.

Der letzte Zweig zerbrach hinter der dichten Reihe aus Büschen und Sträuchern, und in Panik hob Noriko das Schwert bereits in die Luft, um mögliche Feinde sofort niederstrecken zu können. Mit ihrem Blick fixierte sie das Buschwerk.

Zwei kleine Hände glitten zwischen zwei Sträucher hervor und schoben das Grün auseinander. Entsetze Kinderaugen fielen auf Noriko und ihr drohendes, gen Himmel gerecktes Schwert.

„Bitte…“, das Mädchen fiel auf ihr Hinterteil und begann zu wimmern. „Bitte tu mir nicht weh.“

Bestürzt von sich selbst, ließ die Soldatin ihr Schwert sinken. „Entschuldige bitte“, sagte sie hastig. „Ich hatte gerade selber noch große Angst gehabt.“

„Etwa vor mir?“ Misstrauen mischte sich in die Furcht ihrer Worte. Sie beäugte die Waffe, die die Frau noch in ihrer Hand hielt.

Noriko legte Schwert und Schild beiseite und setzte sich auf ihre Knie vor das Kind. „Ich bin neu hier, wenn man es so sagen will.“ Ihre Hände ruhten auf ihren Oberschenkeln, gut sichtbar für das Mädchen. „Und ich wusste nicht, ob es womöglich hier wilde Tiere oder Räuber gibt.“ Sie beugte sich ein wenig nach vorne. „Es tut mir leid.“

Das Mädchen trat zwischen den Sträuchern hervor. Sie trug eine nachtblaue Robe, mit lila und rosafarbenen Akzenten, und ihr spitzzulaufender Hut war am Kronenteil mit einem rosaroten Band umbunden. - Alles in allem sah sie aus wie eine kleine Hexe.

Die junge Hexe blickte sich um, scheinbar nach irgendwas suchend. „Bist du alleine hier?“, wollte sie von Noriko wissen.

„Ja, ganz allein.“

„Nun“, das Mädchen schien mit sich selbst noch ein wenig uneinig zu sein. Sie trat von einem Fuß auf den anderen. „Wo kommst du denn her?“

Beschämt blickte die Soldatin zur Seite. „Ich weiß es nicht. Ich kann mich eigentlich an nichts erinnern.“ Warum sie es dem Kind sagte, wusste Noriko selbst kaum.

Die kleine Hexe schien zu überlegen. Sie kannte Noriko nicht und jemanden Blindlinks zu vertrauen, den man mitten im Wald begegnet, war eigentlich noch nie eine gute Idee gewesen.

„Und was machst du hier?“, fragte Noriko gerade heraus. „Ich meine, du bist ein kleines Mädchen, was machst du ganz alleine in einem Wald wie diesen?“

„Ich wohne auf der großen Lichtung mit meinem Opa in einer Hütte.“

„Opa?“ Noriko überraschte es doch ein wenig, dass das Mädchen hier im Wald lebte. „Was ist mit deinen Eltern?“.

„Keine Ahnung“, log sie - und das nicht einmal gut. „Wenn du dich verlaufen hast, dann“, das Mädchen wusste nicht, ob es der Frau wirklich vertrauen konnte. „Dann kann ich dich zu Opa führen. Er kennt sich im Wald sehr gut aus.“

„Das wäre wunderbar.“

Noriko stand auf und sammelte Schwert und Schild wieder ein. Die Klinge ließ sie in der Scheide verschwinden, die an ihrem Ledergürtel hing, und den Schild band sie sich an dem linken Unterarm fest.

Erst jetzt hatte sie ein Auge für ihr Äußeres. Sie trug ein ergrautes Lederwams, über dem ein eiserner Brustschutz lag. Auf ihren Schultern ruhte ein kurzer Umhang, der vom Aussehen eher an einen Schal erinnerte. Ihre Hose bestand ebenfalls aus demselben grauen Leder, wie ihr Wams, sowie ihr Schuhwerk scheinbar aus derselben Tierhaut wie der Gürtel.

„Wie heißt du eigentlich, Kleine?“, wollte Noriko wissen, nachdem sie sich in Bewegung gesetzt hatte und nun dem Mädchen durch die Büsche und Sträucher folgte.

„Pili.“ Die kleine Hexe drehte sich beim Gehen um und lief rückwärts weiter. „Und wie heißt du?“, fragte sie strahlend.

Noriko dachte an die Worte des maskierten Mannes, dass ihr Name hier wohl womöglich viel zu viel Aufsehen erregen würde. Sie überlegte hin und her und ging im Kopf einige Namen durch, die vielleicht doch nicht so auffallen würden.

„Und?“, fragte Pili ungeduldig. Sie stolperte über einen Ast und entschied sich dann dafür, dass es klüger sei, nun wieder mit dem Gesicht voran zu laufen.

„Ich heiße Helena.“

Das Mädchen blickte mit ihren funkelnden, smaragdgrünen Augen über die Schulter. „Genau wie meine Mama.“
 

Die kleine Hexe führte Noriko auf eine größere Lichtung, an deren Rand ein mittlerweile recht klappriger, hüfthoher Holzlattenzaun stand. Das kleine Tor lag neben dem Eingang im Gras. Es schien schon länger dort zu liegen.

„Wir sind da“, verkündete Pili stolz. „Warte du hier, ich hole Opa.“ Mit diesen Worten öffnete das Mädchen die morsche Tür und glitt in das Dunkel im Inneren des Hauses.

Noriko betrachtete die alte Hütte argwöhnisch. Ebenso wie der Zaun, wirkte das ganze Gebilde fast schon verfallen. Überall wuchsen Gräser und Farne auf dem Haus; sowohl die Wände, als auch das Dach waren davon betroffen. Das Grundstück selbst sah genauso verwildert aus, wie die Hütte selbst. Das Gras war an manchen Stellen schon eine Handbreite höher als der Lattenzaun. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde der Wald das Grundstück wieder zurückerobert haben.

Knarrend öffnete sich die Holztür und Pili hielt sie offen, damit ihr Großvater heraustreten konnte.

Der alte Mann wirkte merkwürdig in seiner zerlumpten Robe, die früher wohl auch mal so ausgesehen haben musste, wie die von der kleinen Hexe. Das Band seines Spitzhutes, unter dem sein ergrautes Haar hinab fiel, war schon völlig Mottenzerfressen, so wie die meisten Sachen, die der Alte am Leib trug.

Er kam langsamen Schrittes auf Noriko zu und besah sie sich mit seinen ehemals blauen, jetzt milchigen Augen an. „Einen schönen guten Tag, junges Fräulein“, begrüßte er sie und machte einen Buckel.

Sie verbeugte sich ebenfalls, wobei sich eine Strähne ihres Haares löste und ihr ins Gesicht fiel. Mit einer Bewegung ihrer Hand, schob sie die blonde Strähne wieder dahin zurück, wo sie hingehörte.

Blond? Noriko war plötzlich wie gelähmt. Sie war nicht blond, sie hatte seit ihrer Geburt schwarzes Haar, das wusste sie genau. Aber warum zum Teufel war sie nun blond gewesen?

„Warum denn plötzlich so ein entsetztes Gesicht?“

Die Stimme des Alten riss Noriko aus ihren Gedanken und ließ sie wieder aufblicken. „Tut mir leid, ich musste nur gerade an etwas denken.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum.

„Hast du Hunger?“ Der alte Mann machte eine Geste zu der Holzhütte. „Ich habe gerade einen Eintopf gekocht. Es wird vielleicht nicht sonderbar gut schmecken, aber zumindest den Bauch voll machen.“ Sein Lachen klang hohl, als würde er sich selbst dazu zwingen.

Dankend nahm Noriko an. Sie hatte bisher eigentlich kein Gefühl von Hunger verspürt, aber jetzt wo es ihr angeboten wurde, merkte sie, welch einen Kohldampf sie eigentlich hatte.

Pili voraus, führte der Alte die Soldatin in die morsche Hütte. Sie bestand aus nur einem Raum, in dem sowohl Geschlafen, Gegessen und auch Gelebt wurde. Zwischen den Bodenbrettern erkannte sie, wie sich kleine Gräser bereits einen Weg in das Innere der Behausung gefunden hatten und hinter den Dachbalken hingen Netzte von allerlei Spinnengetier. In der Mitte war die Feuerstelle ausgehoben worden, die mit faustgroßen Steinen abgegrenzt wurde. Über der knisternden Flamme brodelte der Inhalt eines Topfes, der an einem Gestell aus Metall und Holz hing.

Der alte Mann nahm drei Holzschalen von einem kleinen Regal und schöpfte mit einer Kelle den Eintopf ein, der so aussah, als hätte man Kartoffelschalen und faulige Rüben in Schmutzwasser getan. Und er hatte Recht behalten. Der Eintopf schmeckte wirklich nicht gut. Doch der Hunger trieb das verdünnte Elend hinunter und ließ Noriko sogar um eine zweite Portion bitten.

„Wie lange bist du eigentlich schon eine Soldatin?“, wollte Pili plötzlich wissen.

Noriko sah sie verwirrt an. Woher sollte sie das denn wissen? Immerhin lagen Schwert und Schild neben dem Felsen und ihre Rüstung trug sie ebenfalls schon, als sie ihre Augen öffnete. „Noch nicht allzu lange“, log sie und schob den Holzlöffel in ihren Mund.

Die kleine Hexe gab sich mit dieser Antwort jedoch nicht zufrieden. „Wirst du in die Kaiserstadt gehen und dich weiter ausbilden lassen? Zu einer Gladiatorin oder einer Kämpferin?“

Ohne Ahnung von dem was Pili da eigentlich sprach, nickte Noriko einfach nur. „Mal schauen.“

Aufgeregt sprang das Mädchen auf und stieß dabei unabsichtlich ihre leere Holzschale um. „Wenn ich alt genug bin, dann werde ich zum königlichen Hofe gehen und mich zu einer Magistra ausbilden lassen.“ In ihren grünen Augen brannte die Flamme des Eifers. „Ich werde jeden mächtigen Zauber lernen und alle meine Feinde mit Blitzen und Feuerstürmen niederstrecken.“ Dabei schwang sie ihren Löffel wie einen Zauberstab wild durch die Gegend.

„Oder dich selbst in die Luft jagen, so wie deine Mutter.“ Der Alte hatte seinen Holzlöffel beiseite gelegt und schlürfte aus seiner Schüssel den Rest der Plörre.

Pili sah ihren Großvater entsetzt an und blickte dann zu Noriko. Tränen sammelten sich in ihren Augen und ihre Unterlippe fing an zu zittern. Sie drehte sich weg und stürmte durch die Tür aus der Hütte hinaus, ehe sie anfing zu weinen.

„Dummes Kind“, murmelte der alte Mann und schenkte sich eine weitere Portion ein.

„Pili!“, rief Noriko in das Dunkel des Waldes hinein.

Das kleine Mädchen war weggerannt und seitdem nicht wieder zurück gekommen. Ihr Großvater versicherte Noriko zwar, dass Pili wieder nach Hause kommen würde, wenn sie sich abgeregt hätte, so ganz vertraute die Soldatin dem Ganzen aber nicht.

Die Sonne war bereits tief gesunken und der Himmel hatte sich längst für die bevorstehende Nacht gekleidet. Zwischen den dichtstehenden Bäumen vermochte das menschliche Auge außer Schatten nichts mehr zu erkennen.

„Sollten wir sie nicht lieber suchen gehen?“ Noriko drehte sich dem Alten zu, der neben ihr stand.

Er schien zu grübeln und fasste sich dabei gedankenverloren an sein Kinn. „Also gut“, sagte er dann. „Machen wir uns auf die Suche. Ein Mädchen in ihrem Alters sollte nachts nicht allein im Wald unterwegs sein.“

„Ich werde eine Fackel an dem Feuer in der Hütte entzünden.“ Noriko wollte sich gerade umdrehen, da hielt sie der alte Mann am Arm fest.“

„Zu gefährlich“, sprach er betont. Sein Blick traf den ihren. Er hob seine linke Hand und flüsterte: „Argia.“ Erst geschah nichts, doch dann strahlte die Linke des Alten ein sachtes Glimmern aus, das sich zu einem intensiven, aber nicht unangenehmen Leuchten steigerte.

Noriko blickte wie hypnotisiert auf die Lichtmagie des alten Mannes. Ob sie sowas auch bewirken konnte?

Er schien ihre Gedanken lesen zu können, denn er lächelte sie väterlich an und schüttelte dann sacht seinen Kopf.
 

Als Noriko und der alte Magier Pili fanden, war die Nacht bereits vollends hereingebrochen und am Himmelszelt schimmerten die Sterne hell und magisch durch die sich in der abendlichen Brise wiegenden Baumkronen hindurch.

„Pili“, die einfühlsame Stimme des alten Mannes war wie ein Flüstern, das vom Wind getragen wurde. „Ich mache mir doch nur Sorgen um dich.“ Er schwang seine glimmende Hand, woraufhin der Lichtzauber erlosch, und setzte sich neben seine Enkeltochter auf die große Wurzel eines Baumes. „Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn auch dir etwas passieren würde.“

„Ich weiß.“ Pili rutschte an ihren Großvater heran und lehnte sich an seine Seite.

Etwas verlegen stieg Noriko von einem Fuß auf den anderen. Sie kam sich gerade ziemlich fehl am Platz vor und wollte schon alleine zurück zu der alten Hütte gehen, als plötzlich ein tiefes Knurren die Stille zerbrach.

Der Alte stand blitzartig auf und zeigte dabei eine Geschwindigkeit, die er bisher nicht an den Tag gelegt hatte. Er trat neben Noriko und blickte mit trübem Blick in die Schatten.

„Vielleicht sollten Sie wieder Licht machen, dann sehen wir besser.“

„Opa?“ Die kleine Hexe stand hinter Noriko und blickte sorgenvoll zu ihrem Großvater, dessen Gesicht starr wie eine Maske geworden war.

„Helena“, sagte er leise zu Noriko, die sich für einen kurzen Moment erst wieder entsinnen musste, dass das jetzt ihr Name war. „Nimm Pili und geh zu der Hütte zurück. Schnell.“ Seine Stimme ließ keine Widerrede offen und ehe noch etwas geschehen konnte, hob er seine beiden Hände und sprach laut und deutlich: „Sua Tximista!”

Die Feuerkugel aus seinen Handflächen schlug durch Baumstämme, zerriß die Dunkelheit und traf etwas Großes, das mit einem wütenden Brüllen antwortete. Die Kreatur schritt unbeirrt trotz des flammenden Geschoss nach vorn und seine zwei gelben Augen richteten sich auf den alten Mann.

„Lauf!”, bellte der Alte Noriko an, die sich nicht ein weiteres Mal bitten ließ und packte nach Pilis Arm.

„Komm!”

Das kleine Mädchen drehte sich zu ihrem Großvater um. „Und Opa?”

Doch Noriko konnte nicht antworten, denn brüllend krachte das Ungetüm durch das Gehölz und schlug dabei nach dem alten Mann. Dieser duckte sich unter dem Prankenhieb des schwarzen Bären hindurch und wagte sich noch näher an das dämonische Tier heran. Innerhalb weniger Augenblicke legte er seine Hände flach auf den Bauch des Monstrums und sprach energisch die nächste Zauberformel: „Solairuan Bero!”

Der Gestank von verbrannten Fell und Fleisch war unerträglich, das Tier musste Höllenqualen erleiden. Das Tier jaulte schmerzerfüllt, doch wich nicht zurück, sodern setzte dem Alten mit weiteren Schlägen seiner krallenbewehrten Pranken nach.

Der alte Mann konnte noch zwei Hieben ausweichen, doch den dritten hatte er falsch eingeschätzt und wurde von dem Angriff getroffen. Wie ein Spielzeug flog sein Körper durch die Luft und landete hinter ein paar großen Wurzeln.

„Opa!“, brüllte Pili mit Tränen in den Augen. Sie hatte sich von Noriko losgerissen und wollte zu ihren Großvater laufen. Doch diese packte das Mädchen unter den Armen und hob sie hoch. „Lass mich los!“, protestierte sie und trat dabei nach der Soldatin.

Noriko drückte das Mädchen an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Keine Sorge, er kommt wieder.“

Die kleine Hexe wusste, dass das eine Lüge war, dennoch ließ sie von ihrer Gegenwehr ab und nickte. Dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen. „Ja.“

Groß wie ein Berg richtete sich der schwarze Bär vor der Soldatin und dem Mädchen auf und brüllte sie an. Geifer tropfte aus seinem Maul und Blut von seiner Pranke..

„Scheiße!“, fluchte Noriko und griff nach Pilis Hand. Sie zog das Mädchen hinter sich her und lief blindlings in irgendeine Richtung - Hauptsache weg von dem riesigen Tier.

Das Monster wollte sich gerade in Bewegung setzen und die beiden Flüchtlinge verfolgen, als ein plötzliches Leuchten hinter ihm seine Aufmerksamkeit gewann.

Mit einem merkwürdig verdrehten Arm, kauerte der alte Mann auf seinen Knien und hatte mit seiner gesunden Hand den Lichtzauber gewirkt. Sein Blick fixierte die Augen der riesigen Bestie, die wie gelbstichige Flammen brannten.

„Du willst mich, nicht sie.“ Das Glimmen in seiner Hand wurde schwächer. „Dann hol mich auch.“
 

Noriko konnte am Ende nicht mehr sagen, wie lange sie gerannt waren. Mehrere male musste sie Pili am Arm hochziehen, das sie nicht mehr laufen konnte oder hingefallen war. Irgendwann hatte sie das Mädchen huckepack genommen und war so weiter gerannt.

„Bist du okay?“, fragte die Soldatin keuchend, als auch ihre ganze Ausdauer völlig verbraucht war und selbst ihre Furcht sie nicht mehr antreiben konnte.

Pili glitt von Norikos Rücken und blickte den Weg zurück, den sie gekommen waren. „Was ist mit Opa?“

Die Soldatin schüttelte den Kopf. Ihre Gesicht war klatschnass und ihre Haut unter dem Leder vom Schweiß und Reibens völlig wund. „Ich weiß es nicht.“

„Du hättest kämpfen können.“ Was Pili flüsterte Pili leise.

„Was?“

„Du hast schon richtig gehört!“ Tränen standen dem kleinen Mädchen im Gesicht und als sie liefen, vermischten sie sich mit dem Schweiß auf ihren Wangen. „Du hättest kämpfen und Opa somit retten können!“ Ihre Hand vollzog eine harsche Geste. „Aber nein, du bist feige weggerannt!“ Sie schluchzte bitter und wischte sich die Nase an ihrem Ärmel ab. „Du bist so feige, Helena! Ich dachte immer, dass Soldaten mutige Kämpfer wären.“ Langsam schüttelte sie den Kopf, nahm ihre Zipfelmütze ab und ließ sie auf den Waldboden fallen. „Da habe ich mich wohl getäuscht.“ Sie setzte sich auf den Boden und vergrub ihr Gesicht in den Armen.

„Pili, hör zu“, Noriko suchte nach den richtigen Worten. Aber wie sollte sie nur welche finden? Noch nie hatte sie sich in solch einer Situation befunden. Hätte sie vielleicht doch bleiben und gegen das Untier kämpfen sollen? Wäre sie stark genug gewesen, um das Leben des alten Mannes zu retten?

Plötzlich stand die kleine Hexe auf und starrte mit geröteten Augen in das Dunkel der Nacht. Sah sie etwas?

„Was ist los?“, wollte Noriko wissen, aber Pili ignorierte sie völlig und lief urplötzlich los.

Erstaunt davon wie schnell das Mädchen trotz der kurzen Pause wieder rennen konnte, hetzte die Ältere hinterher. Allerdings entfernte sich die kleine Hexe immer schneller von ihr und vergrößerte somit die Distanz zwischen ihnen.

Auf einmal vernahm auch Noriko etwas. Irgendwas war da zwischen den gehetzten Atmen und brechenden Ästen. Gesang? Wer zum Teufel singt Spätnachts ein Lied in einem Wald?

Irgendwo unweit vor ihnen flackerte zwischen den dicken Stämmen der hohen Bäume ein Feuer. Vielleicht ja ein Lagerfeuer? An welchem Feuer würde man sonst ein Liedchen trällern, wenn nicht an einem gemütlichen Lagerfeuer, an dem man mit Freunden trank und aß?

Pili war bereits zwischen den Bäumen verschwunden, als Noriko die Lagerstätte betrat, sogleich aber stoppte. Vor ihrer Kehle ruhte ein gehobenes Schwert aus kaltem Stahl, auf dessen blankpoliertem Klingenblatt das flackernde Licht des Feuers tanzte.

„Wieso jagst du dieses Kind?“

Noriko wagte es nicht ihren Kopf zu drehen, aus Angst, dass der Stahl sie schneiden könnte. So also bewegte sie nur ihre Augen und erspähte zu ihrer Rechten eine Frau, die etwas jünger aussah als sie selbst. Die Klinge in ihrer Hand musste hunderte Kilo wiegen, so empfand es zumindest Noriko. Handbreit und über anderthalb Meter lang.

„Senk deine Waffe, Dimme“, befahl eine gütig klingende Frauenstimme, die keine Widerworte erlaubte.

Ein Mann mit rauer Stimme mischte sich ein. „Teufel auch eins, sieh sie dir doch an. Die Gute ist selber völlig außer Atem und der Schweiß steht ihr ins Gesicht geschrieben.“

„Na schön.“ Der Stahl wurde von Norikos Hals nach kurzem Zögern entfernt. „Aber wenn sie aufmuckt, will ich mir kein Gejammer von euch anhören.“

„Ha, die Einzige, die hier rumjammert, bist du, meine Liebe!“, lachte ein anderer Mann.

Noriko ließ ihren Blick wandern und besah sich den vier Reisenden. Ein älterer Mann, mit einem langen ergrauten Bart und ebenso mausgrauen Haaren, saß ihr gegenüber hinter dem Lagerfeuer. Er hatte sich seinen langen, ehemals schwarzen Umhang umgeworfen und ließ somit keinen Blick auf seine Statur zu.

Links von ihm saß ein zweiter Mann, der etwa ein Kopf kleiner als der Ältere war. Sein braunes Haar musste mal wieder geschnitten werden, denn er hatte sich seine langen Stirnfransen zurückgekämmt. Ein Vollbart verdeckte sein halbes Gesicht und an dessen Mundwinkel hatten sich ein paar Reste vom Essen verfangen. Der Mann wirkte im Allgemeinen sehr stämmig. Wäre er noch etwas kleiner gewesen, hätte Noriko ihn für einen Zwerg gehalten. Auf seinem Schoß ruhte eine Laute und gleich neben ihm sein Bogen samt vollem Köcher.

An der Frau, die zur Rechten des Alten saß, blieb Norikos Blick hängen. Die Spitzen ihres nackenlangen Haares lockten sich und waren scheinbar gefärbt worden. Ihr Gesicht wies mütterliche Züge auf und versprach Liebe, Wärme und Geborgenheit. Auch in dem flackernden Licht des Feuers, meinte Noriko das kristallklare Blau ihrer Augen erkennen zu können. Die Frau schien Ende Dreißig, Anfang Vierzig zu sein. Wenn Noriko zehn Jahre jünger und die Frau nicht in eine eiserne Rüstung gehüllt worden wäre, hätte sie schwören können, ihrer Mutter gegenüberzustehen.

Die vierte Person, die junge Frau, die Noriko die Klinge an den Hals gehalten hatte, setzte sich etwas abseits auf einen Baumstumpf und begann damit ihre lange Klinge mit einem ölgetränkten Lappen zu polieren. Sie wirkte so völlig anders als ihre Reisebegleiter. Dunkles, kurzgeschnittenes Haar. Lederne Handschuhe, ein großer Umhang und verdreckte Stiefel. Zu allem Überfluss trug sie auch noch eine Augenklappe über ihrem linken Auge. Sie sah wie ein heruntergekommener Wegelagerer aus. Jedoch glänzte im Schein des Feuers auf ihrer Brust eine silberne Brosche, auf der ein Fuchs abgebildet war, und schien ihr einziges wertvolles Gut zu sein.

Pili saß zusammengekauert vor dem Lagerfeuer und schluchzte in ihre Robe. Sie weinte aus Wut und Angst, Hass und Verzweiflung.

„Komm her, Kleines.“ Die Stimme der älteren Frau erreichte das kleine Mädchen, das sich darauf hin aufrappelte und zu ihr um das Feuer herum wankte. Bei ihr angekommen ließ sich Pili bei ihr nieder und begann wieder bitterlich zu weinen. „So ist es gut. Lass alles es raus.“ Die Frau streichelte dem Kind sanft über den Kopf und deutete Noriko dann sich zu setzen.

„Am besten wäre es, wenn du uns erzählen würdet, was vorgefallen ist“, sagte der ergraute Mann und schob der Soldatin einen Teller mit Fleisch und Gemüse und einem gefüllten Trinkschlauch rüber.

„Und lass lieber keine Einzelheiten aus.“ Drohend deutete die einäugige Füchsin mit der Spitze ihres Zweihänders auf Noriko. „Nicht eine einzige.“

„Ein großer, schwarzer Bär?“ Der ältere Mann, der sich als Jerges vorgestellt hatte, strich sich mit den Fingern durch seinen langen, grauen Bart. „Könnte ein ganz normaler Bär gewesen sein, der von Belphegor korrumpiert wurde.“

Der Bogenschütze, Argus, zupfte schon die ganze Zeit, seit Noriko angefangen hatte zu erzählen, einige Noten auf den Saiten seiner Laute. Das tat er immer, wenn er warten musste. Er war eben ein ungeduldiger Mensch.

„Wer ist denn Belphegor?“, wollte Noriko wissen und schob den leer gegessenen Teller beiseite. Den Trinkschlauch hatte sie kaum angerührt, da sich darin ein ekelhaft süßer Wein befand.

Artemis, die ältere Frau, antwortete ihr prompt. „Belphegor ist ein Dämon, ein Geschöpf aus einer gänzlich anderen Welt.“ Sie streichelte Pili, die auf ihrem Schoß eingeschlafen war, über den Kopf. „Angeblich lebt er schon seit Urzeiten und sein Antlitz soll schon ausreichen, um einen Menschen um den Verstand zu bringen.“

Noriko legte die Stirn in Falten. Das alles klang in ihren Ohren seltsam vertraut. Hatte sie etwa schon einmal von diesem Belphegor gehört, es aber nur wieder vergessen? Vielleicht war sie ihm sogar begegnet und erinnerte sich deswegen an rein gar nichts mehr, was vor dem Erwachen auf dem Stein vorgefallen war. Halt! Und der Maskierte? Könnte er der Dämon gewesen sein?

„Alles schön und gut“, meldete sich die junge Frau mit der Augenklappe zu Wort, die zuvor Dimme genannt wurde. „Sie weiß nun, dass Belphegor ein Dämon ist und wir kennen nun die Geschichte, wie sie der Heulsuse hier begegnet ist.“

„Dimme“, ermahnte Argus sie und blickte ihr finster entgegen.

Ohne auf den stämmigen Mann zu hören, fuhr sie fort. „Aber ich traue dir nicht, Helena.“ Sie stand vor Noriko und ihr gesundes Auge schien ihren Körper förmlich zu durchbohren. „Woher kommst du und wer bist in du wirklich?“

Nun meldete sich Jerges zu Wort. Er stand auf und seine Stimme war eindringend. „Dimme, auch du wolltest uns zu Beginn nicht deine Geschichte erzählen.“ Er deutete auf Noriko. „Verlange nun nichts von anderen, was du nicht bereit warst selber zu tun. Wenn du wirklich von dem hören willst, was sie zuvor getan hat, wie wäre es dann, wenn du mit gutem Beispiel voran gehen würdest?“

„Wie bitte?“, giftete die einäugige Füchsin den älteren Mann an, der mehr als doppelt so alt war wie sie selbst.

„Erzähl zuerst Helena deine Geschichte, dann lauschen wir der ihrer.“

Gerade als Dimme mit ihrer harschen Antwort beginnen wollte, hob Argus in einer raschen Geste die Hand und befahl allen somit leise zu sein. „Beendet euren Zank.“ Sein Blick wanderte durch die Reihen dichter Bäume. „Da kommt was.“ Seine Ohren zuckten unter dem dichten Haar.“ Viele kleine Füße.“

Artemis weckte sanft aber eingehend die schlafende Pili auf und deutete ihr, sich geduckt zu halten.

„Was ist passiert?“

Die Frau lächelte dem Kind mütterlich zu. „Noch gar nichts. Aber hab keine Angst, wir werden dich beschützen.“

Schnell hatte Dimme nach ihrem Zweihänder gegriffen und nahm die Ausgangspose ein, mit dem sie jeden Kampf begann. Ihr gesundes Auge wanderte im Dunkel umher, konnte aber nichts entdecken.

Argus hatte seine Laute beiseite gelegt und mit einem großen Leinentuch umwickelt, scheinbar zum Schutz des Instrumentes. Er rammte seinen Köcher vor sich in den Boden, was aufgrund der Metallspitze an der Unterseite des Pfeilbehälters kein Problem darstellte. Einen Pfeil spannte er mit der Sehne seines Bogens, der in die Nacht zwischen den Bäumen zielte.

Erst knöpfte Jerges seinen langen Umhang auf und legte diesen fein säuberlich zusammen neben das restliche Reisegepäck, ehe er die Waffe von seinem Ledergurt löste und mit Mittel- und Zeigefinger sacht über den Stahl des Rapiers bis zu dessen Spitze strich. Noriko glaubte für einen Moment die Waffe schimmern zu sehen. Allerdings war dieser Eindruck so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.

Artemis legte Pili eine Decke über die Schultern und nickte dem kleinen Mädchen zu. Sie schnallte ihren mannshohen Turmschild an den linken Arm und in der rechten Hand führte sie ein einschneidiges Schwert, dessen Klingenrücken wie eine Welle geformt war. Die Frau musste Bärenkräfte haben, denn es schien ihr nicht schwer zu fallen den Schild zu führen. Sie gesellte sich neben Jerges und ging ebenfalls in Position.

„Was ist?“, blaffte Dimme über die Schulter hinweg Noriko an und besah die Soldatin mit ihrem gesunden Auge. „Du hast ein Schwert und einen Schild. Also nutze sie auch!“

Noriko blickte an sich herab und besah die Klinge an ihrer Hüfte, die in ihrer Scheide ruhte. Sollte sie kämpfen? Sie war schon einmal weggerannt und das hatte jemanden das Leben gekostet. Hier aber waren vier Kämpfer, die scheinbar alle sehr erfahren mit ihrem Metier waren. Sollte sie es also riskieren? Lieber nicht.

Plötzlich strömten aus dem Wald kleine gedungene, hüfthohe Gestalten und sammelten sich vor den kampfbereiten Reisenden. Die Haut der kleinen Unwesen hatte die Farbe von Sandpapier und war an den Stellen, die nicht mit dem langen, zerzausten Haar übersät waren, völlig verdreckt gewesen. Ihre krummen Zähne hatten dieselbe Farbe wie ihre Fingernägel und in all ihren Augen schien ein Feuer zu brennen, das von Hass und Gier geschürt wurde. Manche der Unholde hatten sich Holzschilde vor die Brust geschnallt, die sie höchstwahrscheinlich irgendwelchen unachtsamen Wanderern abgeluchst hatten. Einige trugen auf ihren Köpfen Eimer aus Blech oder Holz und waren zudem mit Knütteln bewaffnet, die nicht größer als ein Stuhlbein waren.

Jerges‘ prüfender Blick wanderte durch die Horde von Gestank und Geschrei, Dreck und Habgier. „Gnome? Es könnten aber auch Kobolde sein.“

„Wohl eher Bastarde aus beidem“, murmelte Argus und spuckte aus. „Die Viecher sind ja schlechter bewaffnet als ein wütender Mob aus Bauern und Huren.“

„Dann dürfte es ja keine Probleme geben.“ Dimme rammte ihre Klinge vor sich in den Boden und ein paar der kleinen Missgestalten blickten sie ängstlich an. „Wer die meisten Köpfe-“

„Meine Liebe“, unterbrach Artemis die Einäugige. Das mütterliche Lächeln zierte noch immer ihr Gesicht. „Wir sind nicht hier um zu wetteifern.“

Die Wesen brüllten sich gegenseitig irgendwas zu, was Noriko nicht so wirklich verstand. Ein Kauderwelsch aus Gurgeln, Husten und Sprechen. Und auf einmal griffen die kleinen Unholde an. Eine große Zahl strömte an Dimme vorbei, um die Kämpfer in den hinteren Reihen zu bedrängen.

„Drecksviecher!“, brüllte die Füchsin und vollzog mit ihrem Zweihänder eine halbe Umdrehung. Die Waffe ließ die Wesen durch die Luft fliegen, die durch das Klingenblatt nicht zerteilt wurden. Sie setzte einem der Bastarde nach und spaltete die Kreatur, trotz des vor die Brust gespannte Holzschild und dem Holzeimer auf dem Kopf.

Eines der Wesen sprang sie von hinten an und krallte sich an ihrem Umhang fest. Es brüllte was in seiner Gossensprache und schon rückte eine Handvoll der drum herumstehenden Unholde an, lachend und mit ihren Knütteln drohend.

Dimme riss die Knöpfe ihres Mantels auf und zog so kräftig an dem Stoff, dass das Wesen, das sich darin verkrallte hatte, zu Boden stürzte. In einer fließenden Bewegung wickelte sie den Umhang um einen ihrer Arme, während sie mit dem anderen ihre Klinge hob und das freche Viech mit einem Schwung zerlegte. Ein Pfeil durchschlug den Schädel eines Wichts, der mit seiner kleinen Keule ihr gerade in die Kniekehle schlagen wollte.

„Nichts zu danken“, rief Argus ihr zu und hatte in der kurzen Zeit schon wieder einige Pfeile verschossen.

Noriko war von Argus wirklich beeindruckt gewesen. Mit solch einer Geschwindigkeit, die der Mann an den Tag legte, hätte sie nun wirklich nicht gerechnet, wo er doch so ungelenk wirkte.

Jerges hatte einige der verkümmerten Gestalten von den anderen weggelockt und entfesselte seine magischen Kräfte. Dabei tauchte sein Rapier mindestens genauso oft in das gegnerische Fleisch, wie es auch von Blitzen und Feuerbällen verbrannt wurde. Er legte eine Hand auf den Boden und sprach mit kräftiger Stimme eine weitere Zauberformel. „Migrazio Lantza!” Armlange Steinspitzen stießen aus dem Erdboden hervor und durchschlugen die kleinen Leiber der Angreifer.

Nun begriff Noriko auch, warum der alte Mann sich von der Kampfgruppe entfernt hatte. Somit verhinderte er, dass einer seiner Gefährten in die Schussbahn seiner Zauber laufen konnte und folglich musste er sich auch nicht mehr zurückhalten. Bemerkenswert.

Der Ergraute bemerkte, wie sich der Ring aus Feinden um ihn immer enger schloss. Selbst sein Erdspeer-Zauber hielt die kleinen Ungetüme nicht davon ab, über die Leiber ihrer Toten Artegnossen zu steigen und ihn weiter zu bedrängen. Jerges fuhr wie zu Beginn des Kampfes mit zwei Fingern den Stahl seiner Waffe entlang. „Erre.” Plötzlich entflammte der Rapier und das Feuer leckte in die Richtung seiner Gegner. Er hob die Waffe in die Luft, mit der Spitze nach unten gerichtet, und brüllte. „Lurrikara! Su-Armak!” Die Stichwaffe wurde in den Boden gerammt und urplötzlich wurde die Umgebung um ihn herum erschüttert. Feuer brach aus dem Boden unter den Unholden hervor und ließ sie lichterloh brennen.

Artemis bildete das wortwörtlich letzte Bollwerk vor Argus, Pili und Noriko selbst. An ihrem gewaltigen Schild schien jeder Angriff förmlich zu verpuffen und die Wucht der Missgestalten ließ mit jedem erneuten Versuch immer etwas mehr nach. Ihre gewellte Klinge trennte ohne Mühe Arme, Beine und Köpfe ab. Trotz das ihre Gegner gurgelnd und blutend zu Boden gingen, wurde ihre wundereschöne Rüstung nicht von einem einzigen kleinen Tropfen des schwarzen Blutes befleckt. Ihre Geschwindigkeit und Elegenz, mit der sie sich bewegte, war schier unbeschreiblich.

Doch eines war Noriko an der Frau dennoch unheimlich gewesen. Die ganze Zeit schon, während der Kampf tobte, schmückte dieses Lächen Artemis’ Gesicht. Allmählich kam es ihr nicht mehr mütterlich, sondern wahnsinnig vor. Wie konnte ein normaler Mensch noch lächeln, während er so brutal seine Gegner zu Boden schickte?

Pilis Schrei riss Noriko aus ihren Gedanken. Drei der kleinen Ungetüme hatten sich an ihr vorbeischleichen können und bedrängten nun das kleine Mädchen. Ängstlich wich die Hexe immer weiter zurück, bis sie mit dem Rücken an einem Baum zum Halten kam.

Noriko zog ihr Schwert und stürmte ohne jedwede Furcht auf die drei Angreifer zu. Was tue ich da? Mit dem ersten Schlag überraschte sie die Viecher und trennte einem den Kopf zur hälfte ab und ließ in blutspuckend zu Boden gehen. Der Zweite hob seinen Knüttel und sprang ihr entgegen, wutenbrannt um seinen gefallenen Kamerad zu rächen. Ich kann nicht kämpfen! Doch sie hob ihren Schild und lenkte somit den Angriff ins Leere. Als Antwort trieb sie dem Geschöpf die Klinge durch den Bauch. Doch aber anstatt zu sterben, klammerte sich das Biest an ihrem Arm fest und brüllte und spuckte sie mit seinem Blut an. Scheiße! Während ihr Schwertarm durch den Sterbenden unbrauchbar wurde, nutzte der dritte Wicht seine Chance und prügelte mit seiner kleinen Keule auf ihre Beine ein. Noriko trat dem Angreifer mit einem Fuß ins Gesicht und ließ ihn somit zurücktorkeln. Ein Pfeil, von Argus’ Bogen, beendete das Spektakel und der dritte Angreifer ging mit weit aufgerissenen Augen zu Boden.

Noriko ließ ihr Schwert los und der tote Körper des kleinen Unholds fiel plump zu Boden. Als sie sich nach den anderen vier Kriegern umsah, bemerkte sie, wie auch sie ihre Kampfaktionen einstellten.

Um Jerges lagen verkohlte Leiber, schwarz und dampfend. Der Wind wehte den Geruch von verbranntem Fleisch und versengtem Haar über das Schlachtfeld und für einen kurzen Moment musste Noriko ein Würgen unterdrücken.

Dimme setzte den letzten Fliehenden nach und schlug ihnen Beine oder Arme ab. Die, die noch am leben waren und am Boden weinten und leideten, enthauptete sie alle nacheinander.

Artemis lächelte mild in den klaren Sternenhimmel. Das Mondlicht spiegelte sich auf ihrer blankpolierten Rüstung. Nicht ein Fleck des gegnerischen Blutes hatte sie beschmutzt.

Argus senkte seinen Bogen und ließ die Überlebenden fliehen. Als er damit begann, die noch brauchbaren Pfeile aus den Toten zu ziehen, stampfte ihm Dimme wütend entgegen.

„Was soll das?!”, brüllte die einäugige Füchsin und schwang dabei ihren Zweihänder wie besessen durch die Gegend. „Wieso lässt du sie entkommen? Du hättest die doch noch abschießen können!” Wutenbrannt rammte sie das Schwert druch eine der toten Gestalten in den Erdboden.

„Es liegt keine Ehre darin, einem flüchtenden Feind in den Rücken zu schießen. Selbst wenn es sich um solche Wesen handelt”, sagte Artemis beruhigend, anstelle von Argus. „Wenn du Gnade mit deinem Gegner zeigst, beweist du wahre Stärke. Nicht indem du“, sie deutete mit ihrem Kopf auf Dimmes grauenhaftes Massaker. „Sowas anrichtest.“

Dimme wickelte den Umhang von ihrem Arm und legte sich ihn um die Schultern. Da die Knöpfe abgerissen waren, befestigte sie ihn mit der Brosche, auf dem ihr Familienwappen, der Fuchs, abgebildet war. „Heult mir aber nicht die Ohren voll, wenn die wieder angreifen.“

Pili zog an Norikos Arm. Sie blickte die Soldatin mit verschwommenen Augen an. „Es tut mir leid, Helena“, flüsterte das Mädchen leise.

Noriko ging in die Knie, um mit dem Kind auf gleicher Augenhöhe zu sein. „Mir tut es auch leid.“ Sie umarmte Pili und drückte das Mädchen an sich. „Es tut mir so unendlich leid.“

Sie löste sich aus der Umarmung und auf einmal stand alles still. Das Feuer loderte nicht mehr, Argus verharrte mitten in der Bewegung, als er einen Pfeil aus dem Boden ziehen wollte. Selbst Pili stand noch da, mit geröteten Augen, als würde sie Noriko umarmen.

„Was… Was ist hier los?“

Wie ein lebendiger Schatten wanderte Dunkelheit durch den Wald und tauchte alles, was Noriko sah, in absolutes Schwarz. Kein Ton drang an mehr an ihr Ohr und kein Licht an ihr Auge. Es war, als würde sie in einer dunklen Schwerelosigkeit schweben, in der alle Sinne abgeschaltet wurden. Wieso war sie nur auf einmal hier?

Sie wollte etwas sagen, sich umdrehen und rennen. Aber ihr Körper wurde auf einmal taub und sie überkam eine Müdigkeit, die seit langen nicht mehr gespürt hatte. Langsam schlossen sich ihre Augen und ihr Bewusstsein war fort.

Epilog

Der Visor-Helm wurde Noriko abgenommen und ihr langes, schwarzes Haar klebte ihr an der schweißnassen Stirn. Die Lehne der Liege brachte sie in eine aufrecht sitzende Position. Ihre Hände umfassten noch ein wenig verkrampft die zwei Joysticks, mit denen sie ihr virtuelles Ich durch die Gegend gesteuert hatte.

„Und, Sakamoto-San, wie gefällt es Ihnen?“ Der Mann, der ihr den Helm abgenommen hatte, wies einen ordentlichen Haarschnitt, eine kleine Nase und eine dicke Brille auf.

Noriko blickte ihn an und legte den Kopf schief. „Es ist wirklich nicht schlecht.“ Nachdem sie abgeschnallt wurde, half man ihr auf. „Sogar ziemlich gut.“ Ihr Blick wanderte zu der Uhr, die an der Wand hing. „Aber die Demo kam mir länger als nur eine Stunde vor.“

„Ganz recht“, sagte der Bebrillte grinsend und begann damit, mit einem Reinigungstuch die Innenseite des Helmes auszuwischen. „Konnten Sie sich während des Spiels an etwas aus dem echten Leben erinnern?“

Noriko drehte den Kopf und überlegte. „Ja, ein wenig. Mir war aufgefallen, dass mein Charakter, also ich, blondes Haar hatte, obwohl ich doch schwarzhaarig bin.“

Ein wenig betrübt sah der Mann sie an. „Na ja, die Technik ist noch nicht völlig ausgereift. Wir müssen ja auch darauf achten, dass wir dem Spieler nicht ausversehen das Gedächtnis unwiderruflich löschen.“

„Schon richtig. Sitzen euch diese Protestanten wegen dem Memento-System noch immer so im Nacken?“

„Leider ja“, seufzte der Brillenträger und warf das benutzte Tuch in den Müll. „Sie meinen, wird würden zu weit gehen, wenn wir den Spielern während des Geschehens die Erinnerung löschen würden. Dabei löschen wir keine Erinnerungen. Sondern hindern durch gezielte Stromstöße das Gehirn daran, darauf zuzugreifen.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und trotzdem habt ihr soviele Sponsoren, die darin eine gute Einnahmequelle sehen.“

Der Mann nickte. „Ganz recht.“ Er legte plötzlich ein breites Lächeln auf. „Aber jetzt mal ganz ehrlich, wie fandest du es?“

Noriko legte die Stirn in Falten und ließ das Spielgeschehen Revue passieren. „Der Bär am Anfang ist wirklich stark. Soll man eigentlich gegen ihn verlieren?“

„Nein, nein. Es ist ein alternativer Weg. Ursprünglich sollte man den Bären besiegen können. Na ja, bis Tsutomu-san sagte, dass sowas den Spieler mehr ansprechen würde.“ Er durchblätterte seine Unterlagen. „Ebenso ist der Rivale im Spiel mit der am Anfang gewählten Klasse auch immer unterschiedlich.“

„Dimme?“

„Genau. Die Einäugige bekommt man, wenn man das Spiel als Soldat beginnt. Asakku, aus dem Haus des Rotwilds, wird einem als Streicher zugeteilt. Und Nerigal, der Rabe, wenn man sich zu Beginn für den Magier entscheidet.“ Er blickte sie über die Papiere an. „Und, wie war sie so?“

„Ziemlich tough und ein wenig arrogant.“ Noriko grinste. „Einfach perfekt.“

Der Mann lachte.

Noriko setzte sich auf einen Stuhl und lehnte sich zurück. „Die Charaktere haben eigentlich alle recht interessant angefangen. Aber in nur einer Stunde kann man natürlich nicht ihre ganze Lebensgeschichte erfahren.“ Sie gähnte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund. „Von dem Bösewicht hätte ich auch gerne etwas gesehen.“

„Ja, das verstehe ich.“ Der Brillenträger ging zum Fenster und öffnete es, damit frische Luft in den Raum strömen konnte. „Aber darin liegt ja auch eigentlich der Sinn einer Demo. Die große Mehrzahl an Spielern wird neugierig werden. Sie werden herausfinden wollen, weswegen Belphegor böse ist und was seine Ziele sind. Was der Antrieb der drei Reisenden ist und natürlich auch die Vergangenheit des Rivalen.“

„Welche Rolle spielten die drei überhaupt?“

Der Mann nahm gegenüber von ihr Platz. „Sie sind sozusagen die Ausbilder des Spielers. Wer welche Klasse ausbildet, werde ich dir wohl kaum noch sagen müssen.“ Er lächelte mild.

Noriko hob die Hand. „Ich weiß.“ Ihr Blick wanderte durch das geöffnete Fenster nach draußen in die Ferne. „Und der Maskierte?“

„Wer?“

„Der Maskierte. Der Kerl mit den schwarzen Klamotten und dieser unheimlichen Maske.“

Nun setzte der Bebrillte einen verwirrten Blick auf. „Ich habe keine Ahnung, wovon du da redest“, gestand er. „Solch eine Person haben wir nicht einmal geplant. Vielleicht erinnerst du dich ja nur falsch.“ Er überlegte hin und her. „Vielleicht haben sie ihn auch einfach mit einprogrammiert.“

„Ohne das du davon weißt?“

„Ich werde einfach mal rumfragen.“ Sein Blick fiel auf die Uhr. „Die anderen kommen gleich wieder, das heißt, dass ich wieder zurück ans Zeichenbrett muss.“

Noriko nickte ihm zu. „Danke für die Demo. Ich bin echt glücklich, dass du mich das Spiel insgeheim testen gelassen hast“ Sie zwinkerte ihm zu.

„Verrat das nur keinem. Das könnte mich meinen Job kosten.

Sie vollzog die Geste, mit der man Schweigen symbolisierte. „Keine Sorge. Meine Lippen sind versiegelt.“

Der Brillenträger nickte ihr zu und schloss die Tür hinter ihr.

Noriko ging den Flur der Firma entlang. An vielen Wänden priesen Poster das größte Spiel der Geschichte an. Es versprach ein völlig neues Spielerlebnis und eine Story, die mit jeder Tat des Spielers sich verändern sollte. Unter den japanischen Schriftzeichen war der Name des Spiels in großen Lettern abgedruckt - Great Canon. Darunter in Englisch: Coming soon.
 

Die kleine Spinne hockte in ihrem Netz in einer Ecke, an der Noriko gedankenverloren vorbei schlenderte. Sie war kaum zu sehen, denn ihr schwarzer Körper verschwand fast gänzlich in dem Schatten einer großen Zimmerpflanze. Sie krabbelte auf den Schreibtisch, auf dem ein befestigter Monitor stand, an dem Besucher allgemeine Informationen von der Firma abrufen konnten. Ihre acht kleinen Beine trugen sie über den Bildschirm, in dessen Mitte sie verharrte. Auf ihrem dicken Hinterleib war ein kleines, ausdrucksloses Gesicht abgebildet.

Aus den internen Lautsprechern des Monitors flüsterte es leise: „Helena…“



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2014-09-29T18:20:25+00:00 29.09.2014 20:20
Guten Abend.

Vor langer, langer Zeit, bekam ich mal den Link zu dieser Geschichte zugeschickt. Und da ich jetzt endlich wieder in kommentierlaune bin, schaue ich mal rein.
Es ist ein wenig schade, dass deine Kurzbeschreibung nichts zu dem Inhalt verrät - das macht Originale noch ein bisschen sympathischer (wie so ein Buchrückentext).

Unter Schmerzen drängten sich Tränen hervor,[...]
Das klingt hier so, als ob die Tränen schmerzen hätten. Vielleicht kann da eine kleine Änderung Abhilfe schaffen. Hm, wie zum Beispiel: "Unter ihren Lidern drängten sich schmerzhaft Tränen hervor...". Das würde mir jetzt spontan einfallen, aber vielleicht weißt du ja was Besseres? ;)

Hoch oben wiegten sich die blätterreichen Wipfel in der sanften Sommerbrise und ließen ein wahres Konzert an Rauschen, Rascheln und Geknister entstehen.
Diese Beschreibung mag ich sehr. Wenn man der Umgebung Farbe und Geräusche gibt, sie lebendig macht.

Er führte einen Zeigefinger an die Stelle seiner Maske, wo dahinter sein Mund sich verbarg,[...]
Ich bin mir nicht sicher, aber "wo dahinter... sich verbarg" klingt ziemlich holprig. Vielleicht täte es in diesem Fall: "wo sich sein Mund verbarg", aber, wie gesagt, sicher bin ich mir da nicht.

„Wehe du sagst mir jetzt, dass du in einem Wald bist.“ Der vermummte Mann seufzte und ließ sich auf den mit Gras bewachsenen Boden in den Schneidersitz fallen.
Und schon mag ich den Kerl. Das ist eine tolle Stelle!

Ein toller Prolog. Ich finde das Ende dieses Anfangs sehr gelungen. Es macht neugierig auf mehr. Auch deine Orthographie ist super, angenehmer Schreibstil, flüssig zu lesen.
Viel kann man zu der Geschichte natürlich noch nicht sagen, ist ja auch erst ein Prolog. Aber der ist, finde ich, sehr schön.
Warum hat Noriko ihre Erinnerung verloren? Wo ist sie? Was ist der unbekannte Fremde für ein Wesen? Was hat es mit den Kriegern auf sich?
Alles Fragen, die sich der Leser hier stellt - und auf deren Antwort er hofft, und dann weiterliest.
Also hast du da eindeutig was richtig gemacht.

Liebe Schreibziehergrüße,
abgemeldet
Antwort von:  Caliburn
02.10.2014 18:05
Danke für dein Kommentar. :D
Das mit der Kurzbeschreibung habe ich noch gar nicht so gesehen. Aber es ist wohl vermutlich an der Zeit, dass das mal geändert wird. Hehe.
Es freut mich, dass dir der Anfang schon einmal so gut gefallen hat. Sowas liest man doch wirklich gerne. ;D


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