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Frei sein.

Dein Leben ist mein größter Wert.
von

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Prolog: Die Ware Mensch


 

Prolog: Die Ware Mensch

Es ist ein Markt, und es zählen nur die Preise.

Es ist die Rede von Angebot und Nachfrage, von Profiten, Kostendämpfung und Bedarfsanpassung.

Von Arbeitsteilung, Nachschub und internationalen Verbindungen.

Alles ganz normal, so scheint es, wie Produktion und Handel nun mal in einer überwiegend marktwirtschaftlich organisierten Welt funktionieren.

Nur – es geht nicht um ganz normale Waren, es geht um Menschen.

[Ausschnitt aus einem FOCUS-Artikel]
 

Die Dämmerung wirkte dieserorts dunkler als in der Stadt, die immerzu von Leuchtreklamen und Straßenlaternen erhellt wurde. Während hier die Sonne unterging, versank auch das weite Feld in tiefer Dunkelheit. Einzig der Schotterweg, der zu dem einzigen Gebäude weit und breit führte, wurde von den näherkommenden Autoscheinwerfern erleuchtet. Der Fahrer musste unwahrscheinlich nah an das große Gebäude heranfahren, um beim Aussteigen den Weg dorthin ausmachen zu können. Gemeinsam mit seinem Begleiter wagte er sich heran. Immer näher zum Licht hin, dass zwei kleinen Laternen neben den stabilen Holztüren, entsprang.

Sie betätigten die Türglocke, warteten und hörten Schritte, bevor ihnen geöffnet wurde. Ihnen war der Mann nicht geheuer. Aber verschwiegen waren sie hier. Und Verschwiegenheit war gut. Bei ihrem Vorhaben war sie es allemal.

„Herein, herein.“ Gekünstelt freundlich, ein Funkeln in den gelblichen Augen zuviel und eine bleiche Hand, die die Tür hinter ihnen schloss. „Wir haben Sie schon erwartet.“
 

„Bringen wir die Sache schnell hinter uns, Orochimaru.“ Er hieß wahrscheinlich nicht wirklich so, benutzte diesen Namen – die Schlange – nur als Tarnung, aber dem jungen Mann war es gleich. Einen anderen Namen kannte er nicht.

„Natürlich, Mr. Uchiha. Hier draußen ist die Nacht dunkel und beunruhigend. Aber keine Sorge. Einer meiner Männer wacht natürlich über ihren Wagen. Folgen sie mir.“ Ein kurzer Wink mit beringten Fingern. Sie folgten der Schlange durch die Gänge, vorbei an verschlossenen Türen und Treppen, die hinauf führten. Vor der einzigen, die hinunter führte, machten sie halt. Orochimaru betätigte die vielen Lampen, die ihnen den Weg weisen würden und bedeutete seinen Gästen ihm zu folgen. Die Kellerräume waren groß. Größer als die Fläche des Gebäudes an sich. Sie lagen unter der Erde, über die sie gefahren waren und unter den Feldern, die die Dunkelheit verschluckte. Hinter verschlossenen Türen lagerte die Ware. Die Ware Mensch. Warum tu ich das?, fragte sich der Uchiha in einem Moment der Schwäche.
 

Die Schlange schloss eine der vielen Türen auf, Metall klirrte und das Holz knarrte. Hinter der Tür lag ein kleiner Raum. Graue Wände, dünne Matratzen auf dreckigem Betonboden und drei Jungen, in Lumpen gekleidet, an Fußketten zur Mitte des Raumes gekettet. Das Bild, obwohl der Uchiha wusste, was er tat, erschreckte ihn. Er hatte geglaubt, man würde wenigstens den Schein einer gute Pflege waren. Stattdessen zeigte man ihm die nackte Wahrheit. Er sah den ängstlichen Blick des Blonden nicht. Er mochte keine blonden Jungs, er nahm ihn folglich kaum wahr. Blickte weiter zum zweiten Jungen. Er hatte die Hautfarbe von Milchkaffee, seine dunklen Haare lockten sich auf dem Schädel und die Augen schienen tief, aber der Uchiha wollte ihn nicht. Es war etwas an seiner Art. Die Art wie er da saß; zu… Er konnte es nicht beschreiben, dennoch wusste er, dass der Junge nicht der Richtige für seinen Plan war. Er würde sicherlich nicht kooperieren. Seine Augen wirkten abgeklärt. Wahrscheinlich war es das. Dieser Junge hatte seinen eigenen Willen. Sicherlich nicht auf eine aufsässige Art, denn er benahm sich und hielt den Blick gesenkt und schwieg. Doch der Uchiha konnte nicht anders als in diesem Fall auf seine Menschenkenntnis zu vertrauen, die ihn äußerst selten im Stich lies.
 

Es war die Ähnlichkeit zu seinem Ex-Freund, die ihn dazu brachte, auch den dritten Jungen ausführlich zu mustern. Er sah von alle dreien am jüngsten aus. Die andern beiden waren kaum mehr Jungen, obwohl er sie so titulierte. Auch dieser hier musste schon ein junger Mann sein, aber seine Züge waren weich und sein Körperbau zierlich. Die dunklen Haare waren nicht wirklich kurz, aber sie waren auch nicht zu lang, ließen ihn nicht weibisch erscheinen. Sie kümmerten sich also doch im geringen Maße um die Jungs. Aber das änderte nichts daran, dass die nackten Arme des Dunkelhaarigen und seine blassen Beine dreckig waren und über der Augenbraue prangte eine kleine Wunde. Seine Kleider waren fleckiger und kaputter als die der anderen beiden. Dennoch war es kein Mitleid, das den Uchiha seinen Entschluss fällen ließ. Es war auch nicht so, dass er seinem Ex hinterher trauerte. Alles, bloß das nicht. Nur so kaufte man ihm die ganze Geschichte einfach besser ab. Und darum ging es doch. Das man ihm ohne viele Fragen glaubte. Und wie würde das besser funktionieren, als wenn er sich einen Jungen nahm, der nach außen hin, seinem bevorzugten Typ entsprach.
 

Der Uchiha zeigte schlicht auf den Jungen, wollte sich nicht länger als nötig in diesem Keller aufhalten, der stank und trotz der vielen Lichter düster war. Er sah noch aus dem Augenwinkel, wie die Schlange seinem Auserwählten Handfesseln umlegte, ehe er die Fußkette löste. Er sah auch die aufgeplatze Lippe des jungen Mannes. Aber ob sie vor Trockenheit oder von Schlägen aufgeplatzt war; dass sah er nicht. Die Schlange schloss die Tür wieder hinter sich, zog den Jungen mit hinauf und geleitete den Uchiha und seinen Begleiter in ein großzügig eingerichtetes Büro. Dort kettete er den Jungen in der Ecke an, würdigte ihn keines Blickes mehr und wandte sich den Unterlagen zu. Er schrieb den Namen des Schwarzhaarigen an die richtige Stelle, den festgesetzten Kaufpreis und allerlei Informationen die er von seinem Kunden benötigte. Sie setzten Unterschriften, zahlten Gelder und tauschten Unterlagen und besiegelten somit Verträge. Der Junge – laut Unterlagen war sein Name Sasuke, kein eingetragener Hintername – gehörte nun ihm. Mit dem gereichten Schlüssel löste der Uchiha die Kette vom Ring in der Wand. Sasuke folgte ihm ohne zu bocken, mit gesengtem Blick und schweigend blieb er stehen, als die Schlange und sein neuer Herr und der Begleiter einander verabschiedeten.
 

Die Luft draußen zauberte eine Gänsehaut auf seine nackten Arme. In so kurzer Zeit hatte sich sein Körper an die wärmeren Temperaturen im Erdgeschoss gewöhnt, dass es ihm in der lauen Sommerluft – sie hatten doch Sommer, oder? – kalt war. Dennoch nutzte er die Zeit, die die Männer brauchten, um unbemerkt tief Luft zu holen. Solange war er nicht mehr an der frischen Luft gewesen.

Sie näherten sich dem Wagen und innerlich hoffte er so sehr, sie würden ihn nicht in den Kofferraum steckten. Die Älteren in den Kellern erzählten Gruselgeschichten über die Käufer und davon, wie sie ihre Ware behandelten und transportierten. Erleichtert und beinahe dankbar war er, als der Begleiter seines neuen Herrn die Tür zur Hinterbank öffnete und ihm mit störrischer Miene bedeutete einzusteigen. Sasuke eilte, er wollte sich nicht schon ganz zu Anfang Ärger einhandeln. Zu tief saßen die Schauergeschichten, die sein halbes Leben begleitet hatten.
 

Der erste Teil der Fahrt verlief gänzlich ruhig. Die Männer schwiegen, keine Laute der Umgebung traten ins Innere des Wagens und Sasuke schlang schon bald beide Arme um seinen mageren Leib. Nach einer Stunde, in der er ausschließlich auf seinen Schoss und die nackten Füße gestarrt hat, wagte er hinaus zu blickten. Mit jedem Meter, den sie sich von seinem alten Zuhause entfernten, fiel eine Last von seinen Schultern, doch gleichzeitig baute sich eine neue auf. Es war die Ungewissheit. Er wusste nicht, was ihn erwartete. Und keiner der Männer richtete das Wort an ihn, sie unterhielten sich schlicht in leisem Ton. Es war wirklich, als transportierten sie Ware.

Der Wagen fuhr durch eine beleuchtete Innenstadt. Das erste grelle Licht brachte Sasukes Augen beinahe zum Tränen, so sehr brannte es. Er war nur das Dämmerlicht des Kellers gewohnt. Etwas anderes kannte er kaum mehr. Und diese leuchtenden Schilder schon gar nicht. Sie hielten auf einem Parkplatz und Sasuke wartete gehorsam darauf, dass jemand die Kette nahm, die mit seinen Handfesseln verbunden war. Es war der Begleiter seines neuen Herrn, der dies tat. Sie folgten dem Schwarzhaarigen durch einen Hausflur und eine Treppe hinauf, wieder durch eine Tür und schon standen sie in einem Flur mit hohen Decken, weißen Wänden und Türen, sechs an der Zahl. Sie passierten die Wohnungstür und noch bevor sie ganz ins Schloss fiel, übergab der silberhaarige Begleiter die Kette. Er verschwand hinter einer der Türen. Der dunkelhaarige Herr zog ihn an der Kette ein Stück zu sich und öffnete eine weitere Tür, die in einen Baderaum führte. Sasuke kannte solche Sanitäranlagen nicht. Sie wurden alle paar Wochen mit einem Schlauch abgespritzt und erleichtern durften sie sich zweimal am Tag in ein Plumpsklo im Keller.
 

„Wasch dich. Und brauch nicht zu lange“, hörte er die Stimme seines neuen Herrn. Sie wirkte nicht wirklich freundlich. Aber auch nicht boshaft. Sasuke wollte sein Glück nicht austesten. Sobald der Mann die Tür hinter ihm schloss, drehte er am Wasserhahn des Waschbeckens. Kühles Wasser kam aus dem Rohr und weil er nicht wusste, an welchem Knopf es wärmer wurde, entschied er dass die Temperatur genügte. Es war immer noch wärmer, als das Wasser, das er kannte. Er wusch sich mit den Händen übers Gesicht, weil er keinen Lappen hatte und zog sein ausgeleiertes und viel zu weites Shirt aus, wusch sich den Oberkörper, schrubbte über Arme und Beine und zum Schluss hielt er seine Hände unter den Wasserstrahl, um auch diese zu reinigen. Ein bisschen Blut war an ihnen. Hoffentlich waren die Wunden an Braue und Lippe, die während der Fahrt leichten Schorf gebildet hatten, nicht komplett wieder aufgeplatzt. Er wagte einen Blick in den Spiegel und schaute alsbald wieder fort. Er konnte den Anblick seiner Selbst nicht ertragen. Als er seine Finger danach anschaute, sah er zum ersten Mal seit Jahren keinen Dreck unter den Nägeln. Er hielt seinen Kopf unter den Wasserstrahl. Schon zu lange lief er mit juckender Kopfhaut herum. Wenigstens wusste er, dass er keine Läuse hatte, seine Haare waren einfach nur fettig. So gut wie nur irgendwie möglich rubbelte er sie mit den Händen trocken, bevor er sein Oberteil wieder über zog. Er spürte die kalten Wassertropfen im Nacken, die seinen Rücken hinunterliefen, aber das ignorierte er, ebenso wie das leichte Pochen an Braue und Lippe und die anderen Stellen seines Körpers, die schmerzten. Und genauso wie er seine trockene Kehle ignorierte. Eigentlich hätte er vor ein paar Minuten Wasser bekommen. Zwar altes, abgestandenes und manchmal auch dreckiges, aber wenigstens etwas was seine Kehle nässte und den quälenden Durst löschte.
 

Er öffnete die Tür von innen, trat in den Flur, schloss sie hinter sich und wusste nicht wohin. Er konnte nicht einfach an irgendeine Tür klopfen. Das verbot ihm seine Erziehung. Er kniete sich in eine Ecke und irgendwann – schon bald, wie es ihm schien – sackte sein Körper zur Seite und eingerollt, mit nassen Haaren und müden Gliedern döste er einfach, ohne das selbst seine Erziehung was dagegen tun konnte, weg.
 

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Meine neue Geschichte. Was soll ich groß sagen nach diesem Prolog? Er spricht für sich, denke ich. Ich weiß nicht genau, wie solch ein Menschenhandel wirklich aussieht. Ich kenne die Versionen von K11 und anderen Pseudofernsehsendungen oder in seltenen Fällen auch ernstere, realitätsnähere Reportagen. Ich kenne einige wenige Ausschnitte aus Berichten in Zeitschriften und Online-Magazinen zu diesem Thema. Aber alle diese Beschreibungen sind so vielfältig, wie fast jede Straftat auf dieser Erde vielfältig ist. Es ist nur so, dass ich dieses Thema sehr interessant finde und mir diese Menschen, die das erleiden müssen, unheimlich Leid tun. Dennoch kann ich im Bezug auf diese Story beruhigen: Sie wird zwar ihre heiklen und auch düsteren und sehr ernsten, traurigen Momente haben, aber sie wird ebenso glückliche Stunden für Haupt- und Nebencharakter beinhalten, sowie ich versuche ein bisschen Romantik und Humor einzubauen, um keinen der Leser und auch mich nicht, mit dieser Story zu erdrücken.

Ich hoffe, ihr konntet dem Prolog etwas abgewinnen, was euch gefallen hat, und schreibt mir eine Rückmeldung, wenn ihr Lust habt.

Bis zum nächsten Kapitel

Jessi ;)

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Kapitel 1: Der Zweck des Menschens


 

Kapitel 1: Der Zweck des Menschens

Humanität besteht darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird.

[Albert Schweitzer]
 

Ein lautes Geräusch weckte Sasuke. Er fühlte sich, als wäre es ihm nur wenige Minuten vergönnt gewesen zu schlafen. Dabei war es ihm gar nicht gegönnt gewesen, denn eine Erlaubnis dazu hatte er nicht bekommen. Also würde die Strafe auf dem Fuße folgen. Er erlaubte es sich, sich kurz über die müden Augen zu reiben, doch um nicht noch mehr Ärger auf sich zu ziehen, tat er das, während er wieder in die erlernte, kniende Position rückte. Den Kopf hielt er gesenkt, aber er wusste, dass ein ihm fremder Mann anwesend war und sein neuer Herr, der die Tür geöffnet hatte, denn das laute Geräusch hatte er als das der Türglocke entziffert.

„Du hast es also wirklich getan", hörte er die Stimme des Fremden und spürte den Blick beider Männer auf seinen in Lumpen gehüllten Körper.

„Wie ist sein Name?"

„Keine Ahnung. Hab' ich mir nicht gemerkt."

Das war keine Überraschung für Sasuke. Warum solle sich jemand wie dieser Mann auch den Namen eines Sklaven merken? Das wäre doch genauso, als wenn dieser jemand all seinen Möbeln einen Namen gäbe und sich diese Namen dann auch merkte. Denn mehr Wert als ein solches Möbelstück hatte Sasuke nicht. Kein Sklave hatte das. Dies war eine der ersten Lektionen gewesen, die er nicht nur von den Aufsehen bekommen hatte, sondern auch von den älteren Sklaven.

„Ich bitte dich Itachi", sprach der Fremde entrüstet. „Nicht genug, dass er hier im Flur liegt, du gibst dir nicht mal so viel Mühe, seinen Namen zu behalten."

Sasuke war erschöpft. Er hörte, was der Fremde sagte, aber er verstand es nicht gänzlich. Wenn er es nämlich richtig verstand, dann kritisierte der Fremde an Sasukes neuem Meister herum. Wegen ihm, einem wertlosen Sklaven. Deswegen konnte es gar nicht sein, dass er die Worte richtig verstand. Durch die Erschöpfung, die von seinem Körper Besitz zu ergreifen versuchte, erfasste er die Bedeutung schlicht falsch. Aufgrund dessen konnte er das leichte Zittern, dass ihn heimsuchte, als der Fremde sich zu ihm runter hockte, nicht unterdrücken. Sie würden ihn jetzt ganz sicher strafen, weil er in den Schlaf gesackt war, ohne die Erlaubnis dafür erteilt bekommen zu haben.
 

„Seine Haare sind klatschnass und deine Fließen sind kalt. Er wird sich den Tod holen, wenn er so daliegt. Selbst wenn er hier hocken bleibt, wird er das."

„Bullshit. Ich hab dir gesagt, du sollst nicht mitten in der Nacht kommen, Kakashi."

„Was für ein Bullshit das ist, dass sehe ich." Mit diesen Wort griff Kakashi nach dem Oberarm des jungen Sklaven und zog ihn hoch. Er sah die Erschöpfung des Jungen und wusste instinktiv, dass es momentan nichts brachte, mit ihm zu sprechen. All die Worte würden in seinem jetzigen Zustand einfach an ihm vorbeirauschen. Kakashi hatte keine Ahnung von der Haltung eines Sklaven. Er führte eine Beziehung voller Respekt und Gleichheit mit einem Mann, den er vor vielen Jahren an einem guten Abend kennenlernte und dessen Liebe er sich mit der Zeit verdiente. Aber er hatte eine gewisse Ahnung von Menschen. Er spürte, wann Worte nicht angebracht waren und wann Taten folgen mussten. Und die Misshandlung, die dem jungen Sklaven zuteil geworden war, die sah er sofort, weil ein jeder sie hätte sofort sehen müssen.

Vorsichtig schob er den Jungen durch eine Tür ins Wohnzimmer des Uchihas. Er fegte ein paar Kissen, die auf der Ledercouch lagen, beiseite und platzierte ein anderes als Kopfkissen. Dem jungen Sklaven half er in eine liegende Position und breitete eine Wolldecke, die am Ende der Couch lag, über ihn aus. Schlaf würde ihm gut tun, entschied er. Alles andere konnte bis morgen warten.
 

„Ich glaub, der kann nur auf dem Boden schlafen", merkte Itachi nach einer Weile an. Er hatte sich mit einem Glas Cognac auf einem der Ledersessel niedergelassen.

„Quatsch", meinte Kakashi, beäugte den Jungen aber sorgenvoll. Er haderte mit sich. Würde er dem Sklaven nicht sagen, er solle auf den Boden gehen, um zu schlafen, würde dieser es vielleicht gar nicht tun. Aber wenn er ihn auf den Boden verfrachtete, aber die Schlaflosigkeit des Jungen lag an etwas anderes, dann würde nicht nur er sich unheimlich schlecht fühlen. Nein, es wäre aus destruktiv für das, was Itachi eigentlich mit ihm vorhatte. Kakashi konnte nicht verstehen, dass der Uchiha die Sache so locker anging.

Itachi trank einen Schluck und schaute den Sklaven seinerseits an. Er hatte bisher keinen Ärger gemacht. Das sah er als Vorteil. Eine aufmüpfigen, unkontrollierbaren Jungen konnte er für sein Vorhaben nicht gebrauchen. Er brauchte einen formbaren jungen Mann und das, so hoffte der Uchiha, in diesem Sklaven gefunden zu haben.
 

„Ihr müsst dem befehlen zu pennen, ihr Helden", brummte Hidan, der den Raum betrat und die Tür nicht allzu leise zufallen ließ.

„Du hast ihn wirklich mitgenommen, ich glaub's nicht, Itachi." Der Hatake schüttelte den Kopf. Dass Itachi sich diesen Sklaven besorgt hatte, war schlimm genug. Das war Menschenhandel! Aber das er auch noch Hidan mitgenommen hatte, war beinahe schlimmer als das. Hidan war der gewesen, der Itachi erst auf diese saublöde Idee gebracht hatte. Und das nur, weil er selbst der Besitzer einer Sklavin war, die er innerhalb von einem Jahr nicht nur zur Hochzeit gezwungen, sondern vor nicht allzu langer Zeit auch noch geschwängert hatte. Kakashi lehnte sich vor und schaute den Sklaven an. Die schwarzen Augen wirkten müde. Dieser Junge war nur zu bedauern. Ich hätte es verhindern müssen, schoss es Kakashi durch den Kopf.

„Schlaf, Junge", befahl er mit ruhiger Stimme und nur als hätte der verletzte Mann vor seinen Augen darauf gewartet, glitt er in einen tiefen Schlaf.
 

„Gib mir die Unterlagen, Itachi." Es war eine Bitte, aber gleichzeitig war sie in einem Ton gesprochen, die keine Ausreden zuließ. Der Uchiha zog die Augenbraue hoch, griff dann aber auf den Beistelltisch neben dem Sessel, in dem er saß und reichte dem Hatake die Akte.

Mit ruhigen Fingern öffnete Kakashi diese und las aufmerksam, was über den Sklaven in den Unterlagen stand. Laut diesen hieß er Sasuke und war am 23. Juli. 1991 geboren. Das hieß er würde noch diesen Sommer, noch in diesem Monat, neunzehn Jahre alt werden. Augenblicklich fragte sich der Hatake, ob dieser Sklave das wusste. Denn in den Unterlagen stand auch, dass er seit dem 24. Dezember. 1996, also seit nunmehr dreizehneinhalb Jahren, in Gefangenschaft war.

„Das ist so unmenschlich." Kakashi sah die Unterschrift seines Freundes und fragte sich, wie dieser das hier hatte wirklich durchziehen können. Gekauft am 7. Juli. 2010. Er verstand nicht, wie man Menschen kaufen konnte. Wie Menschen Besitz sein konnten. Nicht mal den kleinen Mops, den sein Lebensgefährte im letzten Jahr aus dem Tierheim geholt hatte, sah Kakashi als seinen Besitz an. Er war, so merkwürdig es sich auch anhören mochte, eine Art Familienmitglied. Man konnte Seelen anderer Wesen nicht besitzen. Das jedenfalls war seine Meinung.

„Hast du das eigentlich mal durchgesehen? Verstehst du, was hier steht?", wollte Kakashi eindringlich wissen. „Verstehst du, dass sie ihn haben, seit er fünf Jahre alt ist?"
 

„Das ist halb so wild", meinte Hidan, der seinerseits mit einem Glas Cognac an einer Kommode lehnte.

„Nicht so wild?" Der Hatake versuchte, die Beherrschung zu behalten, aber die Art mit der Itachi und Hidan, dieses Schwein, an die ganze Sache rangingen, rief in ihm das kalte Kotzen hervor.

„Nee. Die ersten Jahren kümmern sich die Weiber und die Bälger. Die bringen denen bei zu kochen, zu putzen, so'n Kram eben und, unnötigerweise eigentlich, die Grundkenntnisse im Rechnen, Lesen und Schreiben. Erst als Teenager, so mit vierzehn, fünfzehn kommen die in die Keller."

Kakashi fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Er verstand es nicht. Diesem Mann, der verletzt auf dem Sofa seines Kumpels lag, wurde die Kindheit gestohlen. Ganz so, wie sie vielen anderen Kindern auch gestohlen worden war. Dieser junge Mann hatte nicht auf Bäume klettern können, er hatte nicht die Schulbank drücken, nicht Rad fahren lernen, keine Comics lesen und kein Eis im Sommer essen können.
 

„Wie auch immer. Ich bin hundemüde. Streitet euch ums Gästezimmer und die Couch in meinem Büro. Gute Nacht." Damit verschwand Itachi durch die Tür in den Flur. Sein Glas hatte er auf dem Beistelltisch stehen gelassen. Kakashi erinnerte die Leere des Glases, an die Leere in Itachis Herzen, die seit vielen Jahren darin wütete.

Auch Hidan schluckte die Flüssigkeit in einem letzten Zug und verschwand dann mit einem kurzen Gruß nach draußen. Kakashi rechnete mit nichts anderem, als das der sich das Gästezimmer nahm und es war ihm gleich, wo er schlief. Denn er bezweifelte die nötige Erholung finden zu können. Zu sehr war dieser junge Sklave in seinem Kopf, für den er nichts anderes als Leid empfand.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

In den frühen Morgenstunden erwachte Sasuke. Das war in ihm drin. Immer, jeden Morgen um halb sechs in der früh, ging ein ohrenbetäubender Laut durch die Gänge, der durch die schweren Türen drang und alle Männer und Jungen und Frauen und Mädchen in den Kellerräumen weckte. Für manche rief die Arbeit im Haus oder auf den riesigen Feldern um das Anwesen herum. Für andere stand Training an. Viele Arten von Training. Manche Sklaven wurden eigens für einige Herrn ausgebildet. Er hatte Glück gehabt. Seit er mit vierzehn oder fünfzehn Jahren in die Keller gebracht wurde, musste er nur an wenigen solcher Trainings teilnehmen. Er hatte viel im Haus arbeiten dürfen, weil er schneller und gründlicher Kartoffeln und Gemüse schälte als viele Frauen und Mädchen und wenn es dort keine Arbeit für ihn gab, hatte er auf die Felder gedurft. Das genoss er immer sehr. Die Arbeit war zwar hart und alle Knochen schmerzten einem am Abend, aber er liebte die frische, saubere Luft. Seit nunmehr einem Jahr war er jedoch dazu verdonnert gewesen, beinahe ohne Unterbrechungen, im Keller zu verharren. Immer seltener hatte er in dieser Zeit Arbeit bekommen und wenn war es welche gewesen, die im Haus zu verrichten war. Meistens hatte er die Kellerräume säubern müssen. Er fragte sich, was ihn nun hier erwartete und für welchen Zweck er gekauft worden war.
 

Er bemerkte erst jetzt, dass er nicht mehr im Flur auf den kalten Fließen lag, sondern auf einem weichen Sofa. Eine flauschige Decke lag über seinem Körper und er fror nicht. Was hatte das zu bedeuten? Warum war seine Schlafstätte so gemütlich? Er verstand das nicht und zum erstem Mal in seinem Leben, hofft er einen Meister zu sehen, der ihm all das hier erklären konnte, auch auf die Gefahr hin, dass man ihn strafen würde. Er konnte mit dieser Ungewissheit, was seine Aufgabe war - sein Zweck - nicht leben.

Aber keiner kam. Viele Stunden nicht. Immer wieder döste er weg, nur um kurz darauf wieder zu erwachen. Er hörte Vogelgezwitscher und das Rauschen von Blättern im Wind, hin und wieder ein Auto, das mit lauten Reifen über den Asphalt raste. Alles das beruhigte ihn und ließ ihn noch einmal in einen leichten Schlaf fallen, aus dem er erst wieder aufschreckte, als sich die Tür öffnete und der Fremde von gestern Nacht eintrat. Augenblicklich erhob Sasuke sich aus dem improvisierten Bett und sank daneben, beinahe zwischen Couchtisch und Ledercouch eingeklemmt, auf die Knie.
 

„Guten Morgen, Sasuke" Der Fremde sprach mit einer sehr freundlichen Stimme zu ihm. Sasuke war irritiert. Er kannte das nicht. Höhergestellte waren niemals nett. Er versuchte seine Unsicherheit nicht nach außen dringen zu lassen und verharrte still und starr in seiner Position. Er wusste nicht, ob er auf den Gruß reagieren sollte. Man hatte ihnen beigebracht, nur auf Fragen zu antworten, es sei denn, der Herr forderte den Sklaven in sonst irgendeiner Weise zum Reden auf.

„Du hast bestimmt Durst, mh?" Das war eine Frage gewesen. Jetzt durfte er antworten.

„Ja, Sir." Er hatte gelernt, ehrlich zu sein und kurze, knappe, aber ausreichende Antworten zu geben.

Sasuke sah den Fremden aus dem Augenwinkel wieder aus dem Raum gehen. Er hörte, wie die Wohnzimmertür ins Schloss fiel und erlaubte sich, einen Blick durch das Zimmer schweifen zu lassen. Es war ein riesiger Raum mit großer Sitzecke und einem sehr flachen Fernsehgerät, das an einer Wand angebracht war. Zwei Wände waren beige gestrichen und die beiden anderen bildeten eine Fensterfront mit momentan noch runtergelassenen Rollladen. Er hörte näherkommende Schritte und zwang seinen Blick wieder gen Boden. Dieser war mit den gleichen kalten Fliesen gefliest, wie der Flur, in dem er in der Nacht gehockt hatte. Sasuke fror.
 

Es war nicht der Fremde mit den silbergrauen Haaren, der hinein kam, sondern der Mann der ihn, Sasuke, gekauft hatte. Ob er ihn jetzt wohl strafen würde, wo sie alleine waren? Erneut musste er ein Zittern unterdrücken und tat sich schwer daran. Es war das erste Mal, dass er verkauft wurde. Er hatte viele Schauergeschichten von Sklaven gehört, die von einem Käufer wieder kamen und auf einen Nächsten warteten. Auch die Schlange hatte ihnen immerzu Angst gemacht, um ihnen zu beweisen, wie gut sie es bei ihm hatten, obwohl sie bis zur Erschöpfung arbeiten mussten, Schläge kassierten, froren und nicht zu selten hungrig waren.

Sasuke zuckte zusammen, als die Tür zum Wohnzimmer ein weiteres Mal aufging. Er zwang sich, seinen Blick weiterhin komplett gen Boden zu halten, sodass er selbst die näherkommenden Schuhe nicht bemerkte. Erst als ihm eine Tasse so entgegen gehalten wurde, dass sie in seinem Blickfeld war, erkannte er, dass es der Fremde war, der wirklich etwas zu Trinken für ihn besorgt hatte. Aber Sasuke machte keine Anstalten, die Tasse an sich zu nehmen. Das durfte er nicht ohne Erlaubnis und er war sich nicht ganz sicher, ob das Entgegenhalten einer Sache, schon Erlaubnis genug war. Er entschied, dass vorsichtig zu sein in diesem Fall die bessere Lösung war.
 

„Ich hätte es mir denken können", hörte er seinen neuen Herrn seufzen, „Der macht nichts, ohne das man das anordnet."

„Das war doch das, was dich so fasziniert hart, nicht wahr?" Der Fremde hielt Sasuke die Tasse weiterhin entgegen und sagte leise: „Nimm Junge, und trink. Aber sei vorsichtig. Es ist heiß."

Sasuke griff nach der Tasse. Er wärmte sich die kalten Finger an ihr und pustete sehr leise, um seinen Herrn nicht zu nerven. Der schien eh nicht so von ihm begeistert zu sein. Aber warum brachte er ihn dann nicht zurück? Dass taten viele Leute. Sklaven wie Ware, die Zuhause dann doch nicht mehr gefiel, umtauschen.

Es war das Schnauben seines neuen Herrn, dass Sasuke aus seinen Gedanken riss.

„Ich wollte es so leicht wie möglich haben. Und diese Möglichkeit schien mir die einfachste zu sein." Die Stimme seines Herrn war hart und unnachgiebig. Sasuke konnte sich kaum vorstellen, dass er mit einem Freund sprach. Aber das war der Fremde doch, oder nicht?

„Aber guck dir den doch mal an! Mit dem kann ich nichts anfangen."

„Tut mir Leid, das ich dir das sage, Itachi, aber du führst dich wie ein Arschloch auf. Du hast diesen Jungen für deine Zwecke gekauft. In einem Haus, von dem du wusstest, dass es die Menschen zu Sklaven macht."

Sasuke wollte nicht mehr zuhören. Obwohl sie über ihn sprachen, ging ihn das nichts an. Er war Ware. Ob sie ihn zurück brachten oder nicht würde an dieser Tatsache nichts ändern. Er trank einen Schluck. Die warme Flüssigkeit fühlte sich so gut an. Sie beruhigte seinen kratzenden Hals und den Magen, der vor Leere schmerzte.

„In drei Wochen geht der Flug. Du solltest ihn bis dahin so weit haben, dass er mitspielt. Und das gelingt nicht, wenn du kein Wort an ihn richtest."
 

Kakashi warf einen Blick auf den jungen Sklaven. Dieser hielt die Teetasse mit beiden Händen fest und trank einen kleinen Schluck nach dem anderen. Er rief immer noch Mitleid in Kakashi hervor. Er verstand seinen Freund nicht. Verstand weder die Entscheidung wirklich einen Sklaven für diesen Zweck zu holen, noch dessen jetziges Verhalten.

„Ich schätze, wenn du willst, dass dein Plan klappt, solltest du anfangen einen Menschen aus ihm zu machen."

„Tolle Ansprache", brummte der Uchiha. Er ließ sich in seinen Sessel sinken, schnappte sich eine Zigarette aus dem Packung die auf dem Tisch lag und zündete diese an. Itachi konnte es nicht ab, wenn man ihm schon vor seiner ersten Zigarette des Tages auf den Senkel ging. Gerade bei Kakashi konnte er das nicht ab. Kakashi, der schon seit Itachi denken konnte, der beste Freund seines ältesten Bruders war.

„Hey, du", machte Itachi und weil ihm der Name des Sklaven wirklich entfallen war, stupste er ihn mit dem Fuß an. „Wir haben paar Dinge zu klären."
 

Itachi hörte das laute Ausatmen Kakashis. Er blickte zu diesem, der nun, mit verschränkten Armen und kopfschüttelnd, an der Fensterfront lehnte. Doch damit wollte Itachi sich nicht länger aufhalten. Sollte der doch Schnauben wie er wollte. Er hatte den Bengel schließlich gekauft und er würde das schon hinkriegen, dass in drei Wochen keiner merkte, was der wirklich war. Konan hielt man ja auch nicht für eine Sklavin, wenn man das nicht wusste. Sie war einfach Hidans etwas verschüchterte und sehr ruhige, wenig emanzipierte Frau.

„Wie alt bist du?"

„Achtzehn, Sir." Die Stimme des Sklaven war sehr leise. Daran musste man etwas ändern. Mit dem Alter eigentlich auch. So würde ihm doch niemand abkaufen, dass er schon Mitarbeiter in seiner Agentur war.

„Offiziell bist du 21, klar?"

„Ja, Sir."

„Und dein Name?"

„Sasuke, Sir." Allerweltsname, konnte er behalten. Konnte er sich auch weniger verplappern. Itachi konnte ja nicht wissen, ob der Bengel intelligent war und wenn er ehrlich war, glaubte er nicht daran. Der war schließlich ein einfacher Sklave ohne besondere Bildung.

„Hintername?"

„Hat er keinen, Itachi. Ich bitte dich, las den Jungen doch erstmal ankommen, bevor du ihn so überrennst." Das war Kakashi, der sich wieder in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen.
 

Kakashi hasste es, wie Itachi mit diesem Menschen umging. Er maßte sich an, schon nach den ersten Worten, die er mit ihm wechselte, etwas an seinem offiziellen Alter zu ändern. All das musste den Jungen doch völlig verwirren. Schon allein, an der Art, wie verunsichert er die Teetasse hielt und sich nicht traute weiterzutrinken, zeigte es.

Kakashi stieß sich von der Fensterfront ab und hockte sich wieder vor dem jungen Sklaven hinunter und nahm diesem vorsichtig die Teetasse aus der Hand, um sie auf dem Glastisch abzustellen.

„Möchtest du eine Kleinigkeit essen, Sasuke? Bist du hungrig?"

„Ja, Sir." Sasuke hatte gelernt, nicht zu lügen. Deswegen war er ehrlich. Er hatte einen Riesenhunger.

„Na dann, komm mal mit." Kakashi ging vor zur Wohnzimmertür und öffnete diese. Er hielt sie dem Sklaven auf, bedeutete ihm in den Flur zu gehen und führte ihn in die Küche des Uchihas. Dort wollte er den Jungen gerade anweisen, sich auf einen Stuhl zu setzten, als dieser in einer leeren Ecke des Raumes, die der Tür nahe war, auf die Knie ging.

Kakashi entschied ihn so Handeln zu lassen und wandte sich dem Kühlschrank zu. Er holte ein Glas Marmelade heraus und die Butterdose aus Porzellan. Beides schmierte er auf eine Scheibe Körnerbrot, welches er dann in der Mitte durchschnitt um es Sasuke auf einem Teller entgegenzuhalten.

„Nimm und iss, Junge. Wenn du willst, kannst du gleich noch etwas Obst haben."
 

Sasuke hielt den Teller mit aller Vorsicht fest, er wollte nichts kaputt machen. Mit der anderen Hand führte er das Brot zu seinem Mund. Es schmeckte so frisch und ein bisschen süß. Und es stillte den Hunger. Nur an der aufgeplatzten Lippe schmerzte es. Hoffentlich blutete er nicht wieder. Doch als er bei der zweiten Hälfte der Brotscheibe nicht mehr nur die Süße, sondern auch den leicht metallischen Geschmack seines eigenen Blutes schmeckte, wusste er, dass diese Hoffnung umsonst war. Seine Lippe war wieder aufgeplatzt. Er wünschte er könnte um ein Tuch bitten. Stattdessen legte er die angebissene Hälfte Brot wieder zurück auf den Teller, um eine Hand frei zu haben, die er auf die Lippe pressen konnte. Er wollte weder seine Kleidung, noch den Boden oder den weißen Porzellanteller vollzusauen.

Es waren immer solche Momente, in denen er sich wünschte frei zu sein, nach einem Tuch zu greifen und seine Wunden zu versorgen, die er als freier Mann nicht gehabt hätte.
 

Kakashi hatte sich einen Kaffee aufgebrüht und war dabei, auch Itachi und dem im Badezimmer rumhantierenden Hidan eine Tasse einzuschenken, als er vernahm, dass der junge Sklave nicht mehr kaute. Er schnappte nach einem Apfel aus dem Obstkorb und wusch ihn gründlich unter Wasser ab, bevor er sich zu Sasuke umwandte. Doch dieser hatte noch nicht aufgegessen. Stattdessen hielt er den Teller mit einer Hand fest und die andere presste er auf seine Lippe, genau da, wo sie aufgeplatzt war. Darum hatte er sich eh noch kümmern wollen.

Er schmiss den Apfel wieder in den Obstkorb und griff nach etwas Zewa, dass er dem Jungen in die Hand drückte, nachdem er den Teller genommen und fortgestellt hatte.

„Hier, Sasuke. Halt dir das auf die Lippe. Ich besorge Pflaster, warte hier."
 

Eilig ging Kakashi ins Wohnzimmer, wo Itachi immer noch saß und eine zweite, oder dritte, Zigarette des Tages rauchte. Kakashi wusste, dass er den jüngeren Bruder seines besten Freundes sehr aufgeregt hatte, aber zum Schutz des jungen Mannes der in der Küche hockte und blutete, war es das Richtige gewesen und das einzige was er hatte tun können. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er alles für den Schutz des jungen Uchihas getan hätte, doch jetzt war es ein anderer Mensch, der seinen Schutz nötiger brauchte. Gerade bei dem Plan, den Itachi ausgeheckt hatte. Denn Sasuke war ein Mensch, der zu einem Zweck gekauft wurde. Kakashi konnte das nicht richtig finden. Er konnte einfach nicht, egal welche Vergangenheit ihn mit Itachi und dessen Familie verband.

„Wo hast du Pflaster und Jodsalbe?"

„Badezimmerschrank unter dem Waschbecken. Und schick den Bengel wieder her. Ich hab noch genug mit dem zu klären."

Kakashi öffnete dem Mund, doch er war es Leid etwas zu sagen. Itachi verstand ja doch nicht. Er hatte nur seinen Plan im Kopf. Er dachte nicht daran, Sasuke wie einen Menschen zu behandeln oder gar sich um ihn zu kümmern. Kopfschüttelnd verließ Kakashi wieder das Wohnzimmer und klopfte an die Badezimmertür, die Hidan ihm, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, öffnete.

„Gib mir mal die Pflaster und die Jodsalbe aus dem Badezimmerschrank unter dem Waschbecken."

„Ach, versorgen wir die Wunden des Sklaven? Wie niedlich, Hatake." Dennoch schmiss Hidan ihm die gewünschten Sachen zu. Doch das unverschämte Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht. Und es hatte auch eine Zeit gegeben, in der Kakashi Hidan weniger schrecklich gefunden hatte. Der war eben Itachis erster Kumpel in dieser Stadt gewesen. Deswegen hatte Kakashi versucht, mit Hidan klar zu kommen.

„Du bist so ein Arschloch."
 

Kakashi trat wieder in die Küche und hockte sich vor Sasuke hin, nachdem er seine Hände gründlich gewaschen hatte. Er nahm dem Jungen das vollgeblutete Tuch aus der Hand und legte es vorübergehend auf die weißen Fliesen. Ihn störte das Blut da nicht. Das konnte er mit Leichtigkeit wieder wegwischen. Er rieb mit aller Vorsicht etwas von der Salbe auf die Lippe und darüber ein großes Pflaster. Das gleiche wiederholte er bei der Wunde an der Augenbraue, die zwar nicht blutete, aber dennoch auch nicht gut aussah. Der Junge gab sich alle Mühe nicht vor den Schmerzen zusammenzuzucken, aber ganz gelang ihm das nicht.

„Hast du sonst noch irgendwo Wunden, die ein Pflaster gebrauchen könnten, Sasuke?"

„Nein, Sir." Sasuke war wieder ehrlich. Alle anderen Wunden, die er gehabt hatte waren zu Narben geworden und weder diese, noch die blauen Flecke an verschiedenen Stellen seines Körpers bedurften ein Pflaster.

Kakashi blieb noch eine Weile vor Sasuke hocken. Er wusste nicht, was er nun mit dem Jungen anstellen sollte. Es war für ihn selbstverständlich, dass er sich um ihn kümmerte, wenn es kein anderer tat, denn er brauchte jemanden, der sich kümmerte. Die nächsten drei Monate würden für diesen jungen Mann alles andere als einfach werden. Vor allem dann nicht, wenn Itachi seine Einstellung zu der ganzen Sache nicht änderte.
 

„Ey, Hatake." Hidan steckte den Kopf zur Küche herein. „Itachi will den Bengel sehen." Als Kakashi nur unverständlich den Kopf schüttelte, dauerte all das Hidan schon viel zu lange, weswegen er entschied selber Hand anzulegen.

„Komm schon, beweg deinen Arsch. Dein Meister will dich sehen."

Aufgeschreckt von dem rauen Ton erhob sich Sasuke und eilte, ohne Kakashis mitleidigen Blick auf sich zu spüren, hinter Hidan her ins Wohnzimmer, wo er sich sofort vor seinem neuen Herrn auf die Knie fallen ließ. Er wollte dessen Zorn nicht auf sich ziehen. Wollte diesem Mann keinen Grund geben, ihn zu strafen, obwohl da schon genug Gründe für eine solche gewesen waren. Sein Herr war wirklich sehr gütig. Er ließ den anderen Mann ihm was zu essen und etwas zu trinken geben, ließ zu, dass seine Wunden versorgt wurden und hatte ihn nicht für die auf der Couch verbrachte Nacht gestraft.

„Wir waren bei deinem Namen stehengeblieben. Dein Hintername wird Kekkei lauten. Merk dir das. Genauso wie dein Alter. Du bist 21 Jahre alt, wenn dich jemand fragt. Also, wie alt bist du?"

„21 Jahre, Sir."

„Richtig. Wie heißt du?"

„Sasuke Kekkei, Sir."

Itachi nickte. Na, ganz dumm war der kleine Sklave ja doch nicht. Wenigstens behielt er das, was man ihm sagte.

„Wo bist du geboren?"

„Ich weiß nicht, Sir." Das war korrekt. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er die ersten fünf Jahre seines Lebens in einem Waisenhaus verbrachte, von dem aus er zu der Schlange kam. Das Waisenhaus, sowie das Haus des Mannes lagen beide unmittelbar an der tschechischen Grenze.

„Dann bist du in Hannover geboren und dort aufgewachsen. Du bist dort zur Schule gegangen, hast Abitur gemacht und vor vier Monaten in meiner Agentur angefangen. Du bist im kreativen Bereich. Das heißt du bist an der Entwicklung der Konzepte beteiligt. Ich werde dir noch Unterlagen zum Lesen geben. Über meine Agentur, über die Stadt in der wir uns befinden, über die Schule, die du offiziell besucht hast und über einige andere wichtige Punkte. Du bist des Lesens mächtig?"

„Ja, Sir."
 

„Scheiße, Itachi. Das ist so nicht richtig", meinte Kakashi, der quasi direkt nach Sasuke den Wohnraum betreten und sich, ebenso wie Hidan, der das ganze Gespräch sehr lustig zu finden schien, zurückgehalten hatt. Er sah, dass Sasuke sich alle Mühe gab, Itachis Erklärungen zu folgen, aber das war einfach zu viel. Es war einfach zuviel.

„Was haltet ihr davon, wenn wir erstmal seine Ausstattung besorgen?"

„Nein, er soll wissen, warum er hier ist. Vorher werde ich keinen Pfennig mehr für ihn ausgeben."

„Dann erklär es ihm, Itachi. Erklär ihm die Sache, aber spinn ihm nicht ein ganzes Leben zusammen, bevor er nicht weiß, was er hier verloren hat."

„Was auch immer." Kakashis Worte abtuend, wandte der Uchiha sich wieder an den jungen Sklaven. Hidan unterdessen grinste nur in sich hinein. Er fand das alles durchaus sehr amüsant.

„In Ordnung, kommen wir zum Punkt", meinte Itachi und schaute den Sklven direkt an. „Mein ältester Bruder heiratet in fünf Wochen, meine Familie glaubt ich habe einen Lebensgefährten, den ich in Wirklichkeit nicht vorzuweisen habe. Ich habe weder Zeit noch Lust auf eine Beziehung, noch darauf, dass meine Familie mich in den Wochen die ich dort verbringe zu verkuppeln versucht, und der Einfachheit halber habe ich mich entschieden einen Sklaven zu besorgen, der für diese gewisse Zeitspanne meinen festen Freund spielt. Diesen Part wirst du übernehmen."
 

Sasuke hielt seinen Blick, wie er es gelernt hatte, zu Boden gesenkt. Er mochte seine Aufgabe nicht. Er wollte keiner Familie vorspielen, etwas zu sein, was er nicht war. Aber sein Herr, der Mann der ihn gekauft hatte, verlangte das und er würde sich fügen müssen. Sasuke fragte sich, was nach dieser gewissen Zeitspanne aus ihm werden wüde. Wahrscheinlich wüde er verkauft werden. Er bereitete sich innerlich bereits wieder darauf vor, in dem stinkenden, kalten Keller zu hocken. Und er würde eine Ewigkeit warten müssen, bis er wieder da raus kam, denn abgenutzte Ware wurde seltener gewünscht.

„Alles kapiert?", schreckte ihn die Stimme seines neuen Herrn auf. Er zuckte kaum merklich zusammen, aber das Lachen des Mannes, der ihn mit seinem neuen Herrn aus dem Haus der Schlange geholt hatte, das hörte er.

„Ja, Sir", beeilte er sich zu antworten. Er wollte keinen Ärger. Keine Schmerzen einer Strafe.

Sasuke wandte den Kopf ein wenig zur Seite, sodass er die Füße des Mannes sehen konnte, der sich so um ihn gekümmert hatte. Er wünschte dieser Mann hätte ihn gekauft. Aber das Problem bei solchen Menschen war wohl, dass diese es waren, die keine Sklaven kauften. Das taten nur die anderen. Böse Menschen. Das jedenfalls hatten die alten Sklaven ihm so beigebracht.
 

„Na, dann können wir aber mal losfahren oder nicht?", wandte Kakashi sich an Itachi, der nur locker nickte. Er erhob sich und stopfte seine Zigarettenpackung, die auf dem Tisch gelegen hatte, in die Hosentasche.

„Kommt der Bengel mit?", wandte Hidan zögernd ein. „So wie der aussieht?"

„Ja. Es sei denn, Itachi gibt ihm keine Klamotten für die Fahrt." Es war ein auffordernder Blick, den Kakashi dem Uchiha zuwarf. Doch der zuckte nur mit den Schultern und bedeutete ihm, dass er sich an seinem Schrank bedienen sollte. Als dieser hinaus ging, rief Itachi noch hinterher: „Und nimm was von dem billigen Kram. Nichts, was ich noch anzieh, kapiert?!" Wer wusste denn, was der Bengel für Krankheiten und Bakterien hatte. Er jedenfalls, wollte das Risiko, sich anzustecken, nicht eingehen!
 

OO step backward OO
 

Hier war niemals Tag und niemals Nacht. Schon seit vielen Tagen nicht mehr. Unzähligen. Die Sonne hier war nur etwas, was man Glühbirne nannte und der Himmel eine Decke von der es tropfte. Der Boden zu seinen Füßen war Beton. Das Fenster war fest verschlossen und Gitterstäbe trohnten davor. Sie waren so eng; er konnte nicht mal einen Finger durchstrecken und das Glas berühren. Sein Kopf lag auf hartem Grund. Die Wange schmerzte ihn und sein ganzer Körper glühte, weil er sich so fiebrig fühlte. Ein Feuer hatte von seinem Körper Besitz ergriffen. Es forderte seine Energie. Saugte seinen Lebensgeist. Aber es war ihm gleich. Er hatte lange genug gekämpft. Irgendwann war es an der Zeit zu sagen, es sei genug. Er hob die weiße Flagge und kapitulierte. Nun musste er nur noch hier liegen und hoffen das er starb ohne je wirklich gelebt zu haben.
 

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Das nächste Kapitel. Ich hab keinen Schimmer, was ich sagen soll... Gefällt's euch?

So... Ja, ich denke, dass ist die kürzeste AN, die ich je geschrieben hab :D

Trotzdem: Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 2: Zigarettenrauch


 

Kapitel 2: Zigarettenrauch

Ich habe in meinem Leben weit über hunderttausend Zigaretten geraucht. Jede dieser Zigaretten hat mir etwas bedeutet.

[Ausschnitt aus dem Buch Nikotin von Gregor Hens]
 


 

Die Kleider, die er trug, fühlten sich merkwürdig auf seiner Haut an. Er konnte sich nicht erinnern, je zuvor eine Jeanshose getragen zu haben oder solch festes Schuhwerk wie die Turnschuhe, die sein Herr eh hatte wegwerfen wollen. Sie hatten kein einziges Loch. Anders als die Lumpen, die er sofort hatte in den Müll entsorgen sollen. Auch das T-Shirt und die Stoffjacke, die er drüber trug, waren noch so gut erhalten. Gerade deswegen kam es ihm so fremd vor. Warum gab ein Mann, wie sein Herr einer war, ihm solche Kleidung? Er verstand es nicht. Und er verstand nicht, warum sie in die Stadt fuhren. Um seine Ausstattung zu kaufen. Das hatte er schon verstanden. Aber er konnte sich keine Vorstellung davon machen, was seine Ausstattung sein sollte. Er traute sich auf nichts Perverses zu hoffen. Schließlich hatte es keinerlei Andeutungen gegeben, dass sein Herr ihn aus diesem Grund gekauft hatte. Sasuke war sich sicher, er würde seinen Herrn küssen müssen, damit die Menschen glaubten, sie seien zusammen - denn das war der Plan -, aber er hoffte so sehr, dass er ihn nicht zum Sex zwingen würde.
 

„Hier, Junge." Das war Kakashis Stimme. Er saß neben Sasuke auf der Rückbank, während Itachi seinen Wagen fuhr. Hidan hatte den Beifahrersitz genauso beansprucht, wie das Gästezimmer in Itachis Wohnung in der letzten Nacht. Kakashi erinnerte dieses Verhalten immer an das eines Kindes, das immerzu seinen Willen bekam.

Sasuke schielte zur Seite und sah die Hand, die der Kumpel seines Herrn ihm entgegen hielt. In der offenen Fläche lag ein Gerät, dass er nicht kannte. An diesem Gerät waren Kopfhörer befestigt. Selbst die kannte er nur, weil er sie mal im Haus der Schlange beim Putzen gesehen hatte und einen der älteren Sklaven hatte fragen können, was das den für merkwürdige Dinger seien.

„Die Fahrt wird lange dauern. Vielleicht gefällt dir die Musik."

Kakashi wollte dem jungen Sklaven etwas Gutes tun und da Itachi das Radio nicht an hatte, fand er, es sei eine gute Idee, Sasuke etwas Musik über sein Handy hören zu lassen. Das würde diesen vielleicht ein wenig von all dem ablenken, was er hatte erleben müssen. Kakashi wusste, das Musik helfen konnte. Zu einer anderen Zeit hatte sie einem anderen Menschen auf eine bestimmte Weise geholfen, ein Trauma zu bewältigen.

Kakashi schob seine Hand noch ein wenig weiter vorwärts und legte Sasuke sein Handy in den Schoß.

„Du musst den Knopf da drücken. Das ist Play." Der Hatake zeigte auf das Dreieck auf dem Touchscreen und Sasuke drückte, weil der Freund seines Herrn sagte, er müsse.

„Auf den Knöpfen kannst du das nächste oder das vorherige Lied hören." Er zeigte wieder welche Knöpfe und dieses Mal drückte Sasuke nichts, da der Andere es ihm nicht befohlen, sondern schlicht erklärt hatte.

„Jetzt die Kopfhörer, damit du auch was hörst, Sasuke." Unsicher hob Sasuke den ersten Ohrstöpsel hoch und steckte ihn in seine Ohrmuschel. Ruhige Gitarrenklänge und die Stimme eines Mannes vermischten sich in seinem Ohr. Auf diese Weise hatte er noch nie Musik gehört. Überhaupt war er in diesen Genuß nur selten gekommen, zum Beispiel dann, wenn die Musik der Schlange oder die einer der Aufseher durch die Küchentür drang, wenn er Gemüse schälte und es wusch.
 

Sasuke war unsicher. Er wusste nicht, was er nun tun sollte. Wollte der Freund seines Herrn ihm nur kurz zeigen, was er so besaß oder wollte er, dass Sasuke die Fahrt über hörte? Vielleicht hatten die drei Männer etwas zu besprechen, das für seine Ohren nicht bestimmt waren. Aber er wollte einfach keinen Fehler machen. Deswegen blieb er vorsichthalber nur mit einem Ohrstöpsel ruhig sitzten und lauschte der Musik ohne unaufmerksam zu werden. Es verging ein halbes Lied, als Kakashi seine Aufmerksam wieder auf sich lenkte.

„Du kannst auch den anderen Stöpsel benutzten. Beide, meine ich."

Sasuke gehorchte. Dieser Mann war wirklich sehr freundlich zu ihm. Er wollte diese Freundlichkeit nicht durch sein Fehlverhalten in Groll wandeln.
 

Das zweite Lied verklang und Sasuke saß ordentlich mit den Füßen auf der Fußmatte des Wagens, aber mit in den Sitz gelehnten Rücken da und lauschte den Klängen. Im dritten Lied sang eine Frau, die eine wirklich schöne Stimme hatte. Sie machte ihn ein bisschen schläfrig, aber er war eh müde. Es war mitten in der Nacht gewesen, als sie an der Wohnung seines neuen Herrn ankamen und früh am Morgen hatte er mehr vor sich hingedämmert, als das er geschlafen hatte. Aber auch jetzt erlaubte er es sich nicht die Augen zu schließen und in einen Schlaf zu dämmern. Er fürchtete, sein Herr und dessen beide Freude würden wütend werden und ihn strafen. Er konnte sie alle drei noch nicht einschätzen. Aber irgendwann, es war das fünfte Lied, das begann, konnte er die Augen nicht mehr aufhalten und dämmerte, den Kopf ein bisschen seitlich gegen die Rückbank gelehnt, weg. Die Musik in seinen Ohren begleitete ihn in seinen seichten Schlaf.
 

Kakashi wandte seinen Blick zur Seite und sah den schlafenden Jungen an. Er überlegte, ob er ihm die Kopfhörer aus den Ohren lösen sollte, damit er mehr Ruhe hatte, aber er entschied sich dagegen. Er wollte ihn schließlich nicht aufwecken.

„Ich hätte die Zeit gut nutzen können, um ihm wichtige Dinge zu erklären", wandte Itachi ein, um sein Missgefallen kundzutun. Es gefiel ihm nicht, wie Kakashi den Sklaven bemutterte. Er hatte ihn für einen Zweck aus diesem Drecksloch befreit. Er wollte sich nicht auf einer privaten Ebene mit ihm beschäftigen. Das hier war nur ein Geschäft. Nach der Zeit die er bei ihm verbrachte, konnte er eine Persönlichkeit entwickeln, aber eine Persönlichkeit war das mit dem Itachi bei einem Sklaven nicht in Kontakt kommen wollte. Deswegen fand er die Fürsorge seitens Kakashi nicht fördernd. Und auch nicht, dass er den Sklaven Musik hören ließ.

„Sein Körper möchte die Zeit aber lieber nutzen um auszuruhen." Ein Auflachen seitens Hidan ertönte, was Kakashi seufzen ließ. Er verstand nicht, wie wenig wert diesem Mann ein Mensch sein konnte, nur weil er als ein Sklave tituliert wurde. Nur weil er oder sie ein gefangenes Kind war, das erwachsen wurde, um verkauft zu werden.
 

„Für die nächsten Monate bin ich der, der bestimmt, was er tut. Nicht sein Körper." Es rutschte Itachi förmlich raus. Er wollte sowas gar nicht sagen, aber Kakashi machte ihn wütend. Für ihn sollte der Sklave auf seinem Rücksitz kein Mensch werden. Dazu würde er Zeit haben, nachdem alles hier vorbei war und Itachi aus seinem Leben verschwand und er den Sklaven aus seinem Leben verschwinden ließ. Er würde ihn so modelieren, dass er als sein Freund in die Familie passte. Er würde die Wochen bis dahin und die bei seinen Eltern überstehen, ohne das sie Verdacht schöpften oder ihn verkuppeln wollten und dann würde er ihnen einfach, ein paar Wochen später erzählen, er und Sasuke haben sich getrennt. Sie hatten beide nicht in die gleiche Richtung gewollt - oder so ähnlich.

„Oh, Itachi." Kakashi schüttelte den Kopf. Er hatte von Anfang an gewusst, dass es keine gute Idee war, Itachi dorthin fahren zu lassen um einen Menschen zu kaufen. Aber er war machtlos gewesen. Doch niemand konnte ihm einen Vorwurf machen. Auch Obito, sein bester Freund, und Itachis anderer Bruder Shisui wären seitens einer solchen Willenskraft gescheitert.
 

Kakashi sah es kommen. Sie standen an der Ampel und die Straßen waren nicht sehr voll, als Hidan seine Hand ausstreckte und volle Kanne auf die Hupe drückte. Kakashi zuckte nur leicht zusammen, Itachi gab noch nicht mal eine Regung von sich, aber Sasuke, der trotz der Kopfhörer im Ohr, aus denen leise Musik dudelte, das laute Hupen vernommen hatte, schreckte auf. Wie ein verwirrtes, verschrecktes Tier kam Kakashi Sasukes Blick vor und augenblicklich schämte er sich für die beiden Männer vorne im Auto. Hidan der lachte, weil er es geschafft hatte, den Jungen so zu erschrecken und Itachi, der keinerlei Anteil nahm.

„Ihr seid solche Arschlöcher; Ich glaub's nicht."

Er wandte sich Sasuke zu, dem ein Kopfhörer aus dem Ohr gefallen war, als er ruckartig nach vorne geschreckt war. Er schaute wieder zu Boden, auf seine eigenen Füße und traute sich nicht, einen Mucks von sich zu geben. Kakashi war sprachlos einer solchen Situation gegenüber. Er wusste keine Worte, die Sasuke dazu bringen könnten, sich wieder zurückzulehnen und in den Schlaf zu driften, der ihn zuvor so leicht Willkommen geheißen hatte.
 

Sasuke unterdess verstand seine Strafe für's Einschlafen und nahm sie an. Er hielt die müden Augen nun krampfhaft offen und den zweiten Ohrstöpsel steckte er nicht mehr an seine Stelle. Er würde nicht wieder ohne Erlaubnis in den Schlaf fallen. Er wollte gehorchen, dann mussten sie ihn auch nicht mehr strafen.

Er traute sich erst nach vielen Minuten aus dem Fenster zu blicken. Sie fuhren in ein Einkaufsviertel. Es waren eine Menge Menschen dort draußen auf den Straßen, die ihn unsicher machten. Er wollte kein Weichei sein, aber in seinen Status hatte er nunmal nicht viele Möglichkeiten, anders zu sein. Sein Wohl lag immerzu in der Gnade anderer Menschen. Und er konnte von Glück sagen, dass die Strafe nur so mild war, die er zuvor erhalten hatte. Vielleicht war sein Herr nicht so grausam, wie die Herren von denen die alten Sklaven wiederkamen und erzählten.
 

Sie fuhren in ein Parkhaus und verließen das Auto, nachdem Kakashi sein Handy wieder von Sasuke genommen und in seine Hosentasche gesteckt hatte. Gemeinsam gingen sie auf die Einkausstraße. Sasuke hielt den Blick gesenkt und folgte seinem Herrn in einem Schritt Abstand, so wie man es ihm gelehrt hatte.

„Hier gehen wir rein", bestimmte sein Herr und nicht nur er, sondern auch die beiden Männer folgten ihm. Itachi steuerte auf eine Abteilung zu, die lauter Jeanshosen ausstellte. Er suchte ein paar heraus, drückte sie dem Sklaven in die Hand und wies auf die Umkleidekabiene.

„Anprobieren, jede wird gezeigt, verstanden?"

„Ja, Sir", sagte Sasuke leise, um keine Aufmerksamkeit der anderen Leute auf sich zu ziehen. Er trat in die Umkleidekabiene, probierte die erste Hose an, zeigte sie, wartete auf ein Urteil und tat dasselbe bei der zweiten, der dritten, der vierten, der fünften und der sechsten und der siebten Jeans und als er rauskam, drückte Itachi ihm weitere Hosen in die Hand. Noch mehr Jeans, Stoffhosen und Hosen die kürzer waren und nur bis zum Knie gingen oder etwas länger waren. Sie alle probierte Sasuke an und am Ende wusste Itachi genau, welche sie nahmen und welche nicht. Sie legten die auf einen Stuhl und die Freunde seines Herrn kamen mit Oberteilen, die er auch alle anprobieren und zeigen musste. T-Shirt, Langarmshirts, Pullover, Hemden, Stoffjacken und das alles in den verschiedensten Schnitten, den verschiedensten Farben und mit den verschiedensten Mustern und Prints. Auch hier kamen die Sachen, die seinem Herrn gefallen hatten, zu dem Stapel Hosen. Es ging weiter mit Sportsachen, mit Schwimmzeug, mit einer wärmeren Jacke, mit Schlafsachen und auch mit den verschiedensten Schuhen - Turnschuhe, Chucks, Freizeitschuhe und Lederschuhe die man zu Anzügen trug. Die Unterwäche musste Sasuke nicht zeigen, die war seinem Herrn egal, er sollte einfach schauen welche Größe passte, die sagte er dann und Kakashi wurde losgeschickt um Unterwäsche zu besorgen. Hidan unterdess besorgte Socken, Krawatten und Gürtel und brachte sie auch zu dem Kleiderstapel der annähernd riesig war mittlerweile.
 

„Ich schau jetzt mal für Anzüge. Pass auf, dass der nicht wegläuft."

„Geht klar", grinste der und ließ sich neben dem Klamottenstapel auf den Stuhl fallen. Sasuke trug mittlerweile wiede die Kleidung, die seinem Herrn gehörte und stand unsicher in der Kabine. Die Kabinentür war geöffnet und fühlte den Blick des Mannes auf sich.

„Ihr Sklaven habt Glück", sagte der, als alle fremden Leute außer Reichweite waren,„wenn ihr zu Leuten kommt, die euch am Leben teilhaben lassen, anstatt euch in den Keller zu sperren und nur für Arbeit und Sex herauszuholen."

Sasuke wusste nichts zu erwiedern. Dieser Mann machte ihm die meiste Angst. Er wünschte der nette Kumpel seines Herrn wäre wieder hier oder wenigstens sein Herr, obwohl er sich vor ihm auch sehr fürchtete.

„Aber anstatt, dass ihr dankbar seid, lauft ihr immer mit so einer Fresse rum. Als ob eurer Leben die Hölle wäre."

„Lass ihn in Frieden, Hidan", meinte Kakashi, der mit einem Stapel Unterwäsche kam und sie ebenfalls auf dem Kleiderstapel ablegte.
 

Hidan hielt den Mund. Nicht weil er Respekt vor Kakashi hatte, sondern weil er wusste, dass der Mann eh keine Ahnung davon hatte, was es hieß, eine Sklavin oder einen Sklaven zu halten. Die waren einfach nur undankbar. Er kaufte seiner Frau Schmuck und schöne Kleider, damit alle Leute wussten, wie gut er sie behandelte. Jetzt, wo sie schwanger war, musste sie sogar weniger im Haushalt tun, denn er hatte eine Hilfe eingestellt. Sie konnte sich wirklich nicht beklagen. Sie lebte in einer schönen Wohnung, schlief jede Nacht in einem Bett und durfte sich jeden Morgen ohne um Erlaubnis zu fragen, einen Tee aufbrühen. Sogar ein Schwangerschaftsbuch hatte er ihr gekauft und sie durfte ihre Meinung zu den Kindermöbeln, der Kinderkleidung und all den anderen Dingen für das Baby kund tun, ohne bestraft zu werden. Aber immerzu wenn sie in seiner Nähe war, zuckte sie zusammen, zog eine Fresse, wie sieben Tage Regenwetter und nie kam sie von selber um ihn zu küssen oder zu kosen. Sie zeigte einfach keine Dankbarkeit und dann wurde er wütend und er schlug sie, aber sie war es selber Schuld. Denn sie war ihm nicht dankbar.
 

„Hier", machte Itachi, der auch wieder hinzugekommen war und drückte Sasuke die Anzüge in die Hand. Dazu ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte. Sasuke schloss wieder die Kabinentür, zog sich so eilig wie möglich um und zeigte sich dann seinem Herrn, dem von den fünf Anzügen am Ende zwei gefielen. Auch die kamen zum Kleiderstapel und sie riefen einen Verkäufer der ihnen half, die Klamotten zur Kasse zu tragen. Selbst zu viert würden sie es nicht schaffen, so viel war das. Aber Itachi musste seiner Familie glaubhaft machen, dass Sasuke ein freier Mann war. Sein Lebensgefährte. Und deswegen brauchte Sasuke eine Vielzahl an guter Kleidung, so wie es von einem Mann erwartet wurde, der mit Itachi zusammen war.

Itachi bezahlte an der Kasse und ein Verkäufer half ihnen alles in große Tüten zu packen, mit denen beladen, sie zum Auto gingen. Sie luden sie in den großen Kofferraum und weil der noch nicht voll war und sie noch so einiges brauchten, mussten sie nochmal los. Sie brauchten noch Pflegeprodukte, die Sasuke gehörten, damit Itachis Eltern keinen Verdacht schöpften. Außerdem holte Itachi die vielen Sach- und Lehrbücher ab, die er in der Buchhandlung bestellt hatte. Er kaufte noch einen großen Koffer, der so gerade noch in sein Auto passte und dann, es war schon wieder später Nachmittag, fuhren sie zurück zu Itachi. Es war Hidan der sich direkt unten noch verabschiedete. Er hatte seine Frau über Nacht alleine gelassen und noch eine Nacht wollte er das nicht, denn sie war eine Sklavin, genau wie Sasuke einer war. Kakashi kam noch mit hoch. Auch er hatte seinen Freund über Nacht allein gelassen und heute sogar seine Apotheke geschlossen gehalten, damit er Itachi und dem jungen Sklaven helfen konnte, klar zu kommen. Aber selbst jetzt sah es noch nicht so aus, als würden sie das tun.
 

Die Einkaufstaschen und der Koffer standen allesamt im Flur. Es würde die Aufgabe des Sklaven sein, beschloss Itachi, der im Sessel saß, die Sachen dorthin zu räumen, wo er sie hinverlangte. Aber jetzt erstmal kniete Sasuke wieder zu seinen Füßen auf dem Boden und hielt den Blick gesenkt. Kakashi war es gewesen, der sich bereit erklärte, etwas zu Essen beim Lieferservice an der Straßenecke zu besorgen.

Itachi schaute aus dem Fenster. Er hatte heute eine Menge Geld ausgegeben. Aber Geld war kein Problem für ihn. Er kam nicht nur aus einer reichen Familie, er verdiente auch sehr gut und dann war da noch das Geld, das jeden Monat auf ein spezielles Konto floss und das er nicht haben wollte und nie anrührte. Es war mit den Jahren, die ins Land zogen, mittlerweile auf einem Stand von mehreren hunderttausend Euro gewachsen.
 

„Sir", hörte er die leise Stimme des Sklaven zu seinen Füßen. Es war das erste Mal, dass dieser sich an ihn wandte.

„Was ist?" Itachis Stimme war harsch. Er hatte im Moment keine Lust sich mit dem Bengel zu beschäftigen. Morgen würde er anfangen, ihn auf die Zeit vorzubereiten, die der Sklave mit Itachis Familie, als dessen Lebensgefährte zu verbringen hatte. Er würde viel lernen: Allgemeinwissen, Dinge über Itachis Agentur, die Daten ihrer Beziehung und das was seine Eltern vielleicht prüfen würden, was er über ihren Sohn wusste. Außerdem, entschloss Itachi, würde er kochen und putzen lernen und er würde wirklich mit in die Agentur kommen um zu arbeiten. Itachis Eltern und seine Brüder waren kluge Menschen; seine Mutter, die war sogar hochbegabt. Es würde nicht leicht werden, sie alle zu täuschen und dafür musste der Sklave gut ausgebildet sein. Man durfte ihm weder anmerken, dass er ein unfreier Mann war, noch dass er nur so tat, als würden er und Itachi sich lieben und zusammen sein.

„Ich muss auf Toilette, Sir."

„Dann verschwinde, meine Güte, bevor du meinen Teppich vollpinkelst."
 

Das würde er nicht tun. Sasuke hatte sich erschrocken, dass sein Herr glaubte, er wäre so... er fand nicht mal Worte dafür. Er beeilte sich um ins Bad zu kommen und erleichterte sich. Seine Hände wusch er mit ein bisschen Seife aus dem Seifenspender und kaltem Wasser, weil er immer noch nicht wusste, wo es wärmer wurde. Er wollte seinem Herrn beweisen, dass er nicht unrein war und er hoffte er würde dafür nicht bestraft werden und dürfte sich immer nach dem Toilettengang die Hände waschen. Er mochte es rein zu sein oder wenigstens so rein wie möglich.

Sasuke war sehr durstig. Das einzige, was er heute getrunken hatte, war das bisschen Tee am morgen gewesen. Er grübelte stark, ob er es wagen sollte, einen Schluck aus dem Hahn zu nehmen. Er brauchte doch etwas Wasser, dass musste sein Herr doch sehen! Sogar im Haus der Schlange hätte er am heutigen Tage schon zweimal ein Glas Wasser bekommen. Vielleicht, Sasuke hoffte es sehr, würde der nette Freund seines Herrn schon bald wieder kommen und ihm etwas zu Trinken geben. Deswegen verbot Sasuke es sich unerlaubt aus dem Hahn zu trinken und beeilte sich, wieder ins Wohnzimmer zu gehen, wo sein Herr immer noch im Sessel saß. Mittlerweile aber hatte er ein Glas mit einem orangen Saft in der Hand und trank davon.

Sasuke zwang sich nicht zu sehr auf das Getränk zu starren, denn das wäre unhöflich und würde seinen Durst nur weiter anstacheln. Er kniete sich wieder zu den Füßen seines Herrn auf den Boden und verharrte still in der Position.
 

Itachi hörte den Schlüssel im Schloss seiner Haustür. Das musste Kakashi sein, denn dem hatte er zuvor seinen Schlüssel geliehen und sonst besaß kein anderer einen. Es gab einen Zweitschlüssel, aber der lag in der Schublade der Kommode im Flur.

Kakashi betrat das Wohnzimmer und besah sich selbst das Bild, dass sich ihm bot. Itachi der in aller Seelenruhe, von der Kakashi glaubte zu wissen, dass sie gespielt war, ein Glas O-Saft trank und Sasuke der davor hockte und wahrscheinlich auch Durst hatte.

„Wie wär's, wenn du ihm auch was gibst?", wollte Kakashi daher wissen, als er sich daran machte, das Essen aus dem Lieferservice auf den Esstisch im Wohnzimmer zu stellen.

„Er hat keinen Durst", log Itachi, weil er keinen Bock auf eine Diskussion hatte.

„Stimmt das, Sasuke?"

„Ja, Sir." Wenn sein Herr sagte, er hätte keinen Durst, dann kam das einem Befehl gleich. Sasuke wusste, dass er nur das zu sein hatte, was sein Herr von ihm verlangte. Wenn sein Herr keinen durstigen Sklaven haben wollte, dann musste er ihm entweder etwas zu trinken geben, damit er wirklich nicht mehr durstig war oder er musste schlicht sagen, dass er keinen Durst verspürte und Sasuke hatte so zu tun, als entspräche das der Wirklichkeit. So war sein Leben. Und so würde sein Leben immer sein, denn er war ein Sklave und er hatte keinen freien Willen. Er wünschte er hätte einen.
 

„Sasuke, meintest du nicht, du solltest trotzdem etwas trinken, mh?" Kakashi hatte sich zu Sasuke hingehockt, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, auch wenn der Junge zu Boden blickte, anstatt ihn seinerseits auch anzusehen. „Du bist es vielleicht nicht gewöhnt, aber hier wirst du trinken können, wann immer du möchtest, einverstanden?"

Sasuke hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Absolut keine Ahnung, was sein Herr hören wollte. Natürlich wollte Sasuke etwas trinken. Natürlich wünschte er 'einverstanden' sagen zu können und wann immer er mochte, etwas zum Durst löschen zu bekommen. Aber sein Herr wollte das anscheinend nicht und dessen Kumpel war sich dessen wohl nicht bewusst.

„Ich... weiß nicht, Sir", stammelte Sasuke.

„Du weißt nicht, ob du einverstanden bist?", hakte Kakashi nach und setzte ein freundliches Lächeln auf um Sasuke ein wenig Sicherheit zu geben. Doch der Junge antwortete nicht. Er zuckte zurück, als Kakashi sich erhob, um in die Küche zu gehen.
 

Sasuke war fest davon überzeugt, dass Kakashi ihn hatte schlagen wollen. Er war so hastig aufgestanden und das nachdem er, Sasuke, ihm eine Antwort schuldig geblieben war. Bitte lass ihn keinen Gürtel holen; bat Sasuke im Stillen zu einen Gott, von dem er hoffte, dass es ihn gab; und bitte, bitte nichts Schlimmeres als einen Gürtel.

Sasuke bemerkte nicht, wie er am ganzen Körper zu zittern begann, aber Kakashi, der beladen mit zwei Gläsern und Besteck ins Wohnzimmer kam, sah es sofort. Er legte das Besteck eilig zu den Schachteln des Lieferservices und ein Glas stellte er dazu, während er das andere mit Saft füllte und es Sasuke entgegen hielt. Er wusste sich nicht anders zu helfen. Er hatte keine Ahnung, warum der Junge zitterte wie Espenlaub. Der Sklave reagierte nicht, weswegen Kakashi das Glas neben sich auf den Couchtisch stellte und Itachi anblickte.

„Was hast du getan?", wollte der Hatake leise wissen. Itachi zuckte nur mit den Schultern und erhob sich aus dem Sessel. Er ging zum Esstisch, setzte sich auf einen der Stühle und nahm das Gericht, dass er gewollte hatte. Er schnappte sich eine Gabel, mit der er zu Essen begann.
 

Kakashi wusste nicht, was er tun sollte. Der Junge fing doch nicht ohne Grund so sehr zu zittern an. Aber was sollte Itachi in der kurzen Zeit, die Kakashi in der Küche verbracht hatte, schon getan haben?

„Komm schon, dass Essen wird kalt, Sasuke." Kakashi hoffte, so die Aufmerksamkeit des Jungen zu bekommen, was ihm letztendlich auch begann, denn dieser stand zögerlich auf und trat zum Esstisch, wo er sich neben dem Stuhl seines Herrn wieder auf die Knie sinken ließ. Kakashi schüttelte zu sich selber den Kopf. Sie würden Sasuke nicht in drei Wochen in Ordnung bekommen. Es war schier unmöglich, dass er Itachis Lebensgefährten spielte. Er würde nicht mal einen freien Mann spielen können.

Kakashi setzte sich ebenfalls an den Tisch und stellte das mit Saft gefüllte Glas darauf ab. Er hatte keine Ahnung, wie er Sasuke dazu bekommen sollte, sich auf den Stuhl zu setzten und zu essen und zu trinken, ohne ihm alles haarklein zu befehlen. Und weil er eben keinen anderen Weg wusste, befahl er alles haarklein. Er befahl Sasuke, sich auf den Stuhl zu setzten und Sasuke tat das. Er befahl Sasuke einen Schluck zu trinken und Sasuke tat es. Er befahl ihm die Aluschachteln mit den Nudeln zu nehmen und er tat es. Er befahl ihm zu essen und er tat es. Seinen Blick hielt Sasuke dabei die ganze Zeit gesenkt. In sich zusammengesackt saß er am Tisch, aß folgsam und trank einen Schluck Saft, wann immer Kakashi es befahl.
 

Itachi verließ den Tisch lange bevor Sasuke mit seiner Mahlzeit fertig war. Auch seine Aluschachtel war noch halb voll gewesen, aber ihm verging der Appetit, wenn er hörtet wie Kakashi mit dem Sklaven sprach. Er verschwand in die Küche, stelle sich ans große, geöffnete Fenster und rauchte. Schon seit vielen Jahren beruhigte es ihn und manchmal verdrängte es Erinnerungen, die er nicht haben wollte. Es betäubte auf eine Art, die ihm nicht schadete.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Sasuke mochte keine Zigaretten. Schon den ganzen Abend über hatte er den kratzigen Geruch von Nikotin in der Nase. Weil er vor Itachi kniete, der im Sessel saß und immer wieder eine neue anzündete, blies dieser ihm den Rauch oftmals genau ins Gesicht. Sasuke wusste nicht mal, ob der das aus Versehen tat oder ob es eine Strafe für irgendetwas, was der Sklave getan hatte, darstellen sollte. Deswegen wandte Sasuke den Kopf nicht ab, sondern verharrte still in seiner Position. Er verdrängte das Gefühl husten zu müssen, auch wenn das schwer war. Es verging eine Menge Zeit und ein paar mehr Zigaretten, die Itachi rauchte und die in Sasukes Hals kratzten, weil er praktisch passiv mitrauchte, bis Kakashi, der die ganze Zeit über auf dem Sofa saß, sich an ihn wandte.

„Möchtest du noch etwas Musik hören, Sasuke?"

Noch bevor der Junge zu einer Antwort ansetzten konnte, meinte Itachi harsch: „Nein, möchte er nicht. Er wird jetzt die Kleidung ordentlich in den Schrank im Gästezimmer einräumen. Verstanden, Sklave?"

„Ja, Sir."

„Na dann, verschwinde. Ich schätze, damit wirst du die nächste Stunde gut beschäftigt sein."

Sasuke erhob sich, froh dem Zigarettenrauch zu entkommen, trat aus dem Wohnzimmer in den Flur und schnappte sich ein paar der Tüten, die er in das Zimmer trug, das der andere Freund seines Herrn - der den Kakashi und sein Herr Hidan nannten - am gestrigen Abend bewohnt hatte. Er stellte die Tüten neben das Bett und holte die nächsten herein. Als alle dort standen und beinahe einen kleinen Berg bildeten, nahm Sasuke eine von ihnen und öffnete sie. Die Unterwäsche, die da drin war, räumte er in die leeren Schubladen des großen Schrankes. Er machte weiter mit Oberteilen, die er zusammenlegte und auf drei Fächern verteilte. Bei dem Hemden war er besonders vorsichtig, ebenso wie bei den beiden Anzügen, die er an Bügeln in die Tür des Schrankes hing. Er sortierte auch die Hosen in Fächer. Das Schlafzeug, das Schwimmzeug, sowie Socken, Gürtel und Krawatten verstaute er sorgfältig in weitere Schubladen. Als er fertig war, lagen sieben leere, riesige Tüten auf dem Boden des Zimmers und er glaubte es sei sicherlich mehr als eine Stunde vergangen, denn mit mancher Kleidung hatte er sich schwergetan. Er hatte Packete mit Zähnen und Fingern öffnen müssen, für die man eigentlich eine Schere benötigte und er hatte nicht genau gewusst, wie man manche Dinge zusammenlegte. Sasuke schaute noch einmal in jedes Fach des zuvor leeren Schrankes und hoffte, dass alles zur Zufriedenheit seines Herrn war. Er linste noch kurz zu den zwei kleinen Tüten mit Pflegeprodukten, zu der größeren mit den vielen Schuhen und zu der mit den Büchern. Wohin er das alles packen sollte wusste er nicht und eigentlich hatte sein Herr die Tüten ja auch nicht erwähnt.
 

Deswegen faltete Sasuke eilig die leeren Tüten zusammen und ging mit denen beladen zurück ins Wohnzimmer. Dort saß Itachi immer noch im Sessel und schaute fern. Sasuke wandte den Blick von den digitalen Bildern ab und kniete sich wieder vor seinem Herrn hin. Die Tüten behielt er dabei in der Hand.

„Fertig?"

„Ja, Sir."

„Hast du die Schuhe in den Schuhschrank im Flur geräumt?"

„Nein, Sir."

„Und die Pflegeprodukte ins Bad?"

„Nein, Sir."

„Dann tu das jetzt. Schmeiß danach alle leeren Tüten in den Müll in der Küche und komm mit der mit den Büchern wieder hierhin."

Sasuke erhob sich wieder. Er wandte den Blick kurz zum Fenster, wo der Hatake stand und mit seinem Handy telefonierte. Sasuke hörte nur, wie er: „Heute Nacht bleib ich noch hier. Ich bin dann morgen nach der Arbeit Zuhause. Ja, ich dich auch, Iruka. Schlaf gut. Ja, bis morgen", sagte und fühlte sich schlecht, weil er zugehört hatte. Er beeilte sich die Tüten aus dem Schlafzimmer zu holen. Die Schuhe räumte er eilig, aber ordentlich in den Schuhschrank im Flur und tat dasselbe dann mit den Pflegeprodukten in ein Schränkchen im Badezimmer, in dem noch genug Platz war. Er faltete auch die nun leer gewordenen Tüten und ging mit denen und der mit den Büchern zuerst in die Küche um die leeren zu entsorgen und dann ins Wohnzimmer, wo Itachi immernoch vor dem Fernseher sitzend, auf ihn wartete.

„Hast du alles erledigt?", fragte der.

„Ja, Sir", antwortete Sasuke und hoffte, dass sein Herr damit zufrieden war, wie er die ganzen Sachen verstaut hatte. Er wollte unter allen Umständen Ärger vermeiden.

„Dann räum noch die Bücher in das Regal dort", befahl Itachi, woraufhin Sasuke sofort gehorchte. Den Blick Kakashis der dabei auf ihm lag, spürte er nicht. Er räumte die Bücher sorgfältig in das Regal und als auch das geschafft war und er auf Itachi Befehl hin auch die neue leere Tüte in den Müll entsorgte, spürte er die Müdigkeit, die wieder von seinem Körper Besitz zu ergreifen drohte.
 

„Es ist spät", meinte sein Herr in den Raum hinein, als Sasuke schon wieder ein paar Minuten vor ihm kniete und gehorsam den Mund hielt. Itachi schaltete den Fernseher aus.

„Ich werde jetzt mal zu Bett gehen. Du wirst mich morgen um sieben Uhr wecken", wandte er sich an Sasuke. „Bis dahin hast du schon Kaffee gekocht und bist fertig gewaschen und angezogen. Eine Jeans und ein Langarmshirt samt den Sneackers werden genügen. Gute Nacht, Kakashi."

„Nacht", machte der Hatake schlicht, während Itachi einen reichlich verwirrten und unsicheren Sasuke zurückließ. Er hatte keine Ahnung, wie er Kaffee kochen sollte und welche der Schuhe Sneackers waren. Um seinen Herr rechtzeitig zu wecken und dabei alle Voraussetzungen, die dieser wünschte, zu erfüllen, musste er die ganze Nacht wach bleiben. Er hatte nichts, was ihn sonst rechtzeitig wecken würde, denn hier gab es das laute Geräusch nicht, dass ihn und alle anderen Sklaven immer als Weckruf gedient hatte. Doch wie sollte er es schaffen, die ganze Nacht wach zu bleiben? Das war einfach unmöglich! Er war viel zu müde und er spürte, wie sein Kopf vor eben dieser Müdigkeit und vor all den Sorgen, die er sich machte, zu schmerzen begann. Und die Tränen, die vor Verzweiflung kamen, die konnte er nicht verdrängen.

„Hey, hey", sagte Kakashi, dessen Gegenwart Sasuke sich schon gar nicht mehr bewusst war, mild. „Du musst doch nicht weinen, mh?."

„Nein, Sir", sagte er leise und weil er gelernt hatte, dass es in solchen Situationen half, setzte er eine Entschuldigung hinten an. Die Tränen aber ließen sich nicht so einfach stoppen, obwohl er sich mit den Händen über die Augen fuhr und versuchte nicht mehr zu weinen. Er wollte das ja auch gar nicht. Vor allem nicht vor anderen Menschen. Er wollte kein Weichei sein. Das wollte er wirklich nicht. Aber im Moment konnte er nicht anders. Er war einfach übermüdet.

„Wo liegt denn das Problem?", wollte Kakashi dann wissen. Es war schwer für Sasuke die richtigen Worte zu finden, um auf diese Fragen zu antworten, aber am Ende fand er sie.

„Ich habe Angst nicht rechtzeitig wach zu werden, Sir. Und ich weiß nicht, wie man Kaffee kocht."

„Na, das ist doch kein unlösbares Problem. Ich werde dich einfach rechtzeitig um sechs Uhr wecken und dann zeige ich dir wie du den Kaffee aufbrühst. Ist das so in Ordnung?"

„Ja, Sir", meinte Sasuke. Er wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht und nun schien es als würden auch keine neuen mehr kommen. „Vielen Dank, Sir."

„Kein Problem, aber jetzt geht's ab ins Bett. Sonst sind morgen weder du noch ich fit."
 

Kakashi überließ Sasuke das Bett im Gästezimmer. Er fand das nur richtig, schließlich würde Sasuke dort auch die nächsten drei Wochen verbringen, bis Itachi, Sasuke, Hidan und Konan und er und sein Lebensgefährte Iruka sich auf den Weg Richtung Ostsee machten, wo Itachis Eltern wohnten und sein Bruder heiratete. Kakashi unterdessen nahm mit dem Schlafsofa im Arbeitszimmer Itachis Vorlieb, auf dem er schon die Nacht zuvor verbracht hatte.

Sasuke legte sich in das Bett im Gästezimmer, weil Kakashi ihm sagte, er solle das Bett im Gästezimmer nehmen. Sonst hätte er es sich nicht getraut und hätte sich auf den Boden eingerollt um zu schlafen. Das wäre keine große Sache. Die Matratzen im Keller der Schlange waren auch nicht viel weicher als ein Teppichboden. Doch in solch einem Bett zu liegen war etwas völlig anderes. Er fühlte, wie er sofort in den Schlaf driftete, weil es so gemütlich war und weil er nicht fror, denn er hatte eine Decke, die seinen Körper wärmte.
 

OO step backward OO
 

Er froh erbärmlich. Er konnte nicht mehr denken. Er fühlte nur eisige Nadelstiche auf seinem gesamten Körper. Diese elende Kälte, die Besitz von ihm ergriff. Sie betäubte ihn, seine Glieder und seine Gedanken. Er wünschte sich eine Decke, ein Stück Stoff, einfach irgendetwas, was seinen Körper zu wärmen vermochte. Stattdessen war da nur der kalte Wind der durch irgendwelche Löcher in den Wänden kam, die keiner von ihnen sah. Und er spürte Hände, die nach ihm griffen. Das war schon öfter passiert. Er sollte lernen, ein guter Junge zu sein. Aber das war so schwer: gut zu sein. Und wann immer er es nicht schaffte, hatte er Schmerzen. Aber er war nicht der Einzige. Er sollte nicht jammern. Denn er war ein Junge und er hatte stark zu sein, egal an welchem Ort der Welt er hier war.

Er lag vor einem riesigen Sessel, dessen glänzend braunen Stoff er ganz nah vor seinen dunklen Augen sah. Er war so verängstigt, dass er kaum mehr wusste, wer er war oder wie er einmal, vor langer Zeit, gewesen war. Wo es noch nicht wichtig war, ob er ein guter Junge sein konnte.

Er roch den Nikotin im Rauch der Zigarre, die der böse Mann im Sessel rauchte. Es brachte ihn zum Husten, aber für jedes Husten tat er ihm weh. Seine Augen tränten und sein Hals kratzte, aber immer wieder ergoss sich ein neuer Schwall grauschwarzen Rauch über ihn. Er schwor sich mit dem letzten Rest Leben der noch in ihm war, dass er nie, nienieniemals Rauchen wird.
 

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Und nun haben wir auch schon das 2. Kapitel. Ich würde gerne von euch wissen, ob ihr euch irgendein Nebenpairing wünscht bzw. irgendwelche Wunschcharas habt, die ihr gerne, wenigstens mal kurz, in der Geschichte sehen wollt ;) Wenn ja, nur her damit und ich schau, was sich machen lässt ;) Und Nebencharas wird es auf der Hochzeit ja genug geben können, schließlich wird die ja wohl nicht im kleinen Kreis sein, haha :D

So, jetzt aber Tschüssi :D

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 3: Kaffee und Bier


 

Kapitel 3: Kaffee und Bier

Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.

[Quelle/Autor unbekannt]
 

Kakashi brachte es kaum über sich, den Jungen zu wecken. Es war kurz nach sechs, er war schon frisch geduscht und für den Tag angezogen. Es kam ihm falsch vor, den jungen Mann im Gästebett zu wecken, nur um ihn in einen Tag schreiten zu lassen, den er als Sklave verleben musste. Aber das half nichts. Itachi verlangte es so und zum Schutz Sasukes, war es besser, wenn er wach war und das getan hatte, was Itachi wollte. Er musste einfach nur die nächsten Wochen aushalten, dann war er frei. Jedenfalls hoffte Kakashi, dass Itachi seinen Entschluss, den Sklaven nach seiner Heimkehr vom Ferienhaus der Eltern wieder freizulassen, nicht überdachte und für Humbug befand. Denn nichts konnte der Junge mehr gebrauchen als Freiheit, die ihm seit nunmehr fast vierzehn Jahren verwehrt blieb.

Kakashi musste noch nie einen Menschen in Sasukes Alter aufwecken. Den einzigen Menschen den er zu wecken gewohnt war, war sein Lebensgefährte, der nicht gerne Wecker stellte, weil diese Geräte ihn nicht immer zufällig erwachen ließen. Ein Kuss und ein paar sanfte Worte seines Geliebten aber halfen da Wunder.

Sich bewusst sein, dass Sasuke wohl noch nie wirklich sanft geweckt wurden war, hockte Kakashi sich neben dem Bett hinunter und berührte den Jungen an der Schulter, die oberhalb der Decke hervorlugte. Sofort erwachte Sasuke. Seine Lieder flackerten und ein Ruck schoss durch den mageren Körper, als er sich aufsetzte und beinahe sofort aus dem Bett sprang und neben diesem zu Boden glitt.

Kakashi mochte es nicht sehen, dass Sasuke vor ihm nieder kniete, aber er wusste dem nicht entgegenzuwirken. Dies war eigentlich Itachis Aufgabe.
 

„Wir sollten zuerst den Kaffee aufbrühen", entschied Kakashi und bedeutete dem jungen Mann ihm in die Küche zu folgen. Dort wollte Sasuke wieder auf die Knie gehen, doch Kakashi schüttelte den Kopf und winkte ihn zu sich an die Küchenzeile, auf der die luxuriöse Kaffeemaschine stand. Itachi war sein Kaffee heilig, deswegen die Maschine teuer und mit dem unnützesten Schnickschnack ausgestattet, den selbst Itachi, der Kaffee-King, nicht verwendete. Leidlich aber war das Kaffee kochen mit dieser Maschine fast solch ein Akt wie das Anmelden und Einrichten eines Telefon Anschlusses bei der Telekom. Nervenaufreibend, sich in die Länge ziehend und von dummen Kommentaren begleitet, denn die Maschine besaß einen Bildschirm, der stumme Anleitungen gab. Wahlweise existierte aber auch eine Software mit der die Kaffeemaschine zu sprechen begann, doch da Itachi seine Ruhe fast ebenso sehr zu schätzen wusste wie guten Kaffee erübrigte sich diese Funktion.

Mit ruhigen Worten und Schritt für Schritt erläuterte Kakashi die Bedienung der Kaffeemaschine, sodass sie am Ende leise vor sich her lief und Kakashi Sasuke duschen schicken konnte.
 

Sasuke stand nicht lange unter der Dusche. Er wusste, dass er nicht viel Zeit hatte und außerdem war das Wasser kalt und er war auch hier nicht im Stande den richtigen Knopf zu finden, der das Wasser wärmer werden lies. Eine Anzeige innerhalb der Duschkabine zeigte in Leuchtbuchstaben 18,3 °C an. Er empfand es nicht als eisig, ihm schlotterten nicht die Knie und seine Zähne klapperten nicht, aber angenehm fand er es auch nicht. Mit der Duschseife, die sie am gestrigen Tag besorgt hatten, seifte er seinen gesamten Körper ein, er nutzte Shampoo und Spülung für die Haare, da der Kumpel seines Herrn zuvor meinte, er solle die Sachen benutzen.

Sich in ein Handtuch, dass der Mann für ihn bereit gelegt hatte, wickelnd, wärmte er sich nur eine kurze Zeit lang auf, ehe er sich trocken rubbelte, die Schlafkleidung wieder anzog und mit noch feuchtem Haar aus dem Badezimmer entfernte. Die kalten Wassertropfen auf Rücken und Nacken versuchte er zu ignorieren.

Der Mann, den sein Herr mit Kakashi ansprach, saß in der Küche und bedeutete ihm ausdrücklich durch die offene Küchentür hineinzukommen und sich an den Tisch zu setzten. Sasuke leistete Folge, obwohl er es erneut als ungewohnt empfand auf einem Möbelstück zu sitzen.
 

Noch ehe Sasuke sich an dieses Gefühl gewöhnen konnte, schob sich eine Schüssel in sein Blickfeld. Sasuke linste unsicher hinein. Er erkannte die Haferflocken, die in der Milch schwammen. Und er glaubte Nüsse zu erkennen, aber was die bunten Stückchen in der Schüssel darstellen sollten, dass wusste er nicht.

„Möchtest du Kaffee oder Orangensaft?" Kakashis Stimme war ruhig. Sasuke sah ihn an der Küchenzeile stehen. Er kannte es nicht, selbst entscheiden zu können. Aber er kannte auch den Geschmack von Kaffee nicht und das einzige Mal, dass er Orangensaft kostete, war am gestrigen Tag. Der Geschmack war gut gewesen; so fruchtig und frisch, wie kaum was in all den Jahren geschmeckt hatte.

„Was Euch beliebt, Sir", antwortete Sasuke das, was sie bei solchen Fragen zu Antworten gelernt hatten. Die Regung des Mannes zeigte dennoch sein Missfallen, als er nach einem Glas griff und es mit dem orangefarbenen Saft füllte. Das Gefäß kam neben der Schüssel auf dem Tisch zu stehen und der Mann bedeutete ihm auch hier wieder mit dem Essen und Trinken zu beginnen, während er selbst den Raum verließ.
 

Sasuke tunkte den Löffel in die Milch und schob ihn gefüllt mit dieser und darin vorhandenen Gemisch in den Mund. Die Haferflocken schmeckten nach kaum etwas, aber er wusste, dass sie sättigten. Die Nüsse waren... nun sie waren nussig und die bunten Stückchen waren irgendwie süß und sehr lecker, auch wenn er sich keinen Reim darauf machen konnte, was sie darstellen sollten.

Sasuke trank einen großen Schluck des Saftes, weil der Durst ihn wieder zu plagen begann. Erst dann aß er weiter das Gemisch in der Milch, das anfing wirklich gut zu schmecken.

Ganz in seine Mahlzeit vertieft, zuckte er zusammen, als von hinten etwas seinen Kopf berührte. Er wagte nicht sich zu bewegen. Die Hand mit dem Löffel in der Milch ließ er dort verweilen, während er spürte, wie jemand mit einem Handtuch seine nassen Haare trocken rubbelte.
 

„Im Badezimmer findest du in dem Schrank mit den Pflegeprodukten ein Gerät mit einem langen Kabel. Es hat ein bisschen die Form von einem L, das ist ein Föhn. Du kannst das freie Ende des Kabels in die Steckdose stecken, dann kommt heiße Luft aus dem Föhn, dass deine Haare trocknet. Den kannst du jeden Morgen nach dem Duschen benutzten."

Kakashi bemerkte das leichte Nicken des Jungen, während er dessen Haare weiterhin, so gut wie nur möglich, mit dem Handtuch trocknete. Dabei versuchte er besonders sanft zu sein, denn es erschreckte ihn, wie steif Sasuke nun im Stuhl saß.

Gleichsam fragte er sich, was nur passieren würde, wenn er nicht hier wäre. Allein die Tatsache, dass Sasuke mit nassen, eiskalten Haaren hier hockte, ließ ihn Schlimmes ahnen. Itachi hätte ihm niemals erklärt, wie ein Föhn funktionierte und das er ihn benutzten durfte und Sasuke war nicht in der Position den großen Entdecker zu spielen und für sich, die Funktionen und den Sinn aller möglicher Geräte in dieser Wohnung herauszufinden.

Aber das allein war es ja nicht. Itachi hätte dem Jungen auch niemals einen Wecker besorgt. Auch für das sah Kakashi sich noch verantwortlich, denn sonst würde Sasuke nicht rechtzeitig aufstehen können, wenn er, Kakashi, nicht mehr hier war, um ihn zu wecken und durch den Morgen zu bringen.
 

„Jeden Morgen, wenn du mit deiner Dusche fertig bist und deine Haare geföhnt hast, ziehst du dir die Kleidung für den Tag an. Die kommt Abends in den Wäschekorb neben dem Waschbecken. Jeans und Hosen im allgemeinen kannst du ruhig ein paar Tage lang anziehen, wenn sie nicht dreckig sind. Und auch die warmen Jacken. Wenn du angezogen bist, sollst du dir morgens ein Frühstück machen", erklärte Kakashi und zeigte, an Sasukes Kopf vorbei, auf die Schüssel auf dem Tisch. „Das kann ein Müsli sein, wie das hier. Aber auch ein Brot oder etwas Obst. Und trinken solltest du, vor allem Wasser, auch schon morgens, bevor du Itachi weckst."

Itachi hätte auch nie dafür gesorgt, dass der junge Mann eine Mahlzeit bekommt oder etwas zu trinken am frühen Morgen. Kakashi sah, dass Itachi nicht dazu in der Lage war, mit einem Jungen wie Sasuke zu kommunizieren. Er fragte sich, wie wohl die Tage werden sollte, wenn nicht er selbst sich um Sasuke kümmerte. Aber auch er hatte ein eigenes Leben, dass nicht nur einen Job beinhaltete, sondern auch einen Lebensgefährten, den er sehr liebte und mit dem er Zeit verbringen wollte. Das einzige was er im Bezug dessen tun konnte, war noch einmal mit Itachi zu sprechen und zu versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass Sasuke die Zeit hier nicht überstehen würde, ohne Itachis Erklärungen und ohne ein wenig Fürsorge seitens des Älteren. Außerdem wollte Kakashi, so fern es ihm möglich war, jeden Abend mal reinschauen. Schauen, ob es Sasuke gut ging und Itachi.
 

„Hast du das alles verstanden, Sasuke?", wollte Kakashi wissen. Er nahm das Handtuch fort und hängte es über eine freie Stuhllehne.

„Ja, Sir."

„In Ordnung. Dann solltest du nun Itachi wecken gehen."

Sasuke trank noch einen letzten Schluck Orangensaft, ehe er aufstand. Unsicher trat er in den Flur, drehte sich dann aber noch einmal um. Der Mann stand noch immer am Stuhl, aber er schaute in seine Richtung. Sasuke bemerkte seine Arme, die kraftlos herab hingen. Er hatte einfach keine Ahnung, wie er den Mann wecken sollte. Sollte er klopfen oder einfach das Zimmer betreten? Sprechen oder seinen Herrn berühren? Sollte er gar irgendetwas besonderes tun, von dem er keine Ahnung hatte? Er wusste es nicht und hatte gehofft, Kakashi - er beschloss nun ihn in Gedanken so zu nennen - würde ihm sagen, was genau er zu tun hatte.

„Was ist los, Sasuke?", fragte der aber nun. Sasuke zuckte unsicher mit den Schultern.

„Ich weiß nicht, wie ich ... Master wecken soll."
 

Kakashi vernahm das Stocken in der Stimme des jungen Mannes. Er wusste nicht, ob es daher rührte, dass es dem Schwarzhaarigen widerstrebte einen anderen Menschen als seinen Master zu betiteln, aber gerade das glaubte er nicht aus seinem Verhalten heraus lesen zu können. Viel eher meinte Kakashi, Sasuke habe gestockt, weil er nicht wusste, wie genau er Itachi nennen sollte. Aber auch Kakashi kannte darauf keine Antwort, deswegen ließ er die Titulierung stehen und erklärte dem jungen Mann, wie er Itachi zu wecken hatte. Dabei mochte er sich selbst kaum sprechen hören, denn er fand es falsch einem Menschen zu erklären, wie er Dinge zu tun hatte, die er nicht aus freiem Willen heraus tat, weil er ein unfreier Mensch war.
 

Sasuke klopfte, ganz so wie Kakashi es ihm erklärt hatte, an die Tür zum Schlafzimmer seines Herrn und drückte die Klinke sachte herunter, sodass er beim Öffnen der Tür keinen zusätzlichen Lärm machte. Neben der halbgeöffneten Tür stehenbleibend, sagte er mit gemäßigter Lautstärke: „Sir. Es sind fünf vor sieben. Ihr müsst aufstehen, Sir."

Niemals hätte er von sich aus gesagt, dass sein Herr etwas müsse, aber Kakashi wollte es so, hatte ihm die Worte in den Mund gelegt und deswegen sagte er sie.

Sasuke beobachtete seinen Herrn dabei, wie er sich im Bett aufsetzte, die langen Haare aus dem Gesicht strich und auch dabei, wie er ihn mit seinen eigenen Augen fixierte.

„Verschwinde", brummte der Schwarzhaarige nur und wandte seinen Blick von ihm ab. Sasuke leistete Folge. Was anderes blieb ihm nicht übrig. Er war nur Ware. Ein Objekt, dass zu gehorchen hatte. Wann immer man so mit ihm sprach, ihm Befehle gab, spürte er das aufs Neue. Immer dann schossen diese Worte durch seinen Kopf. Manchmal hielt sich dieser Gedanke fest und blieb eine Zeit lang. Aber das tat besonders weh.
 

Erneut verunsichert stand er im Flur. Die Schlafzimmertür seines Herrn hatte er leise und vorsichtig geschlossen, um dessen Zorn nicht auf sich zu ziehen, aber was er jetzt tun sollte, dass wusste er nicht. Da fiel ihm auf, dass er zwar Kaffee gekocht hatte und geduscht war, aber die gewünschte Kleidung trug er noch nicht. Vielleicht sollte er gerade das jetzt tun? Aber sein Herr hatte sicherlich schon gesehen, dass er diesem Befehl nicht Folge geleistet hatte und könnte dies nun als Vertuschungsversuch deuten. Sasuke wusste nicht, wie er sich entscheiden sollte.

Er blickte zu Kakashi, der seinerseits noch immer in den Flur schaute. Kakashis Augen weiteten sich. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er vergessen hatte, Sasuke die Kleidung zu geben, die er für den Jungen rausgelegt hatte, als dieser duschen war. Er trat in den Flur und von dort aus zum Gästezimmer, in dem der junge Mann schlief. Den Sklaven, den er selbst gedanklich nicht so nennen wollte, winkte er dabei zu sich heran. Er zeigte auf die Kleidung, die ordentlich auf dem gemachten Bett lag und sagte: „Jeden Morgen nach dem Duschen, sollst du dich, wie eben schon gesagt, für den Tag anziehen. Und du solltest daran denken, dass Bett zu machen. Ich bin in der Küche, komm gleich dorthin zurück, wenn du angezogen bist."
 

Mit den Worten verließ Kakashi das Gästezimmer, dessen Bett er heute gemacht hatte, und trat zurück in die Küche. Er hörte das Rauschen der Dusche aus dem Badezimmer, in dem Itachi sich für den Tag fertig machte. Kakashi goss sich selbst einen Becher Kaffee ein und trank ihn ungezuckert und ohne Milch, obwohl er das selten tat. Heute aber brauchte er es. Itachi machte ihn fertig, ohne ihm überhaupt unter die Augen getreten zu sein.

Itachi ließ sich Zeit unter der Dusche. Schon minutenlang saß Sasuke wieder auf dem von Kakashi zugewiesenen Stuhl und trank schlückchenweise an einem Glas Wasser, das der Mann ihm hinstellte. Er fürchtete sich davor, den Tag fernab dieser Wohnung und fernab Kakashi zu verbringen, der ihm wenigstens ein bisschen das Gefühl gab, jemanden zu haben, der ihm half zu verstehen. Während Kakashi die Dinge erklärte, bekam er von seinem Herrn nicht mehr als ein Wort, das zeigte, wie ungewollt er war. Aber man hatte einen Haufen Geld für ihn bezahlt und er verstand nicht, wie wenig sein Herr ihn dann wollen konnte. Er tat doch, was man von ihm verlange. Er gab keine Widerworte. Er benahm sich, wie sich ein guter Sklave zu benehmen hatte.
 

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Die Stille war drückend. So war sie schon in der Küche gewesen, als Itachi diese betrat. Ohne Genuss hatte er seinen Kaffee herunter gekippt und zwei Zigaretten direkt nacheinander angezündet und geraucht. Auch jetzt, nachdem Kakashi sich an der Haustür verabschiedet hatte, wusste Itachi nicht mit seinem Sklaven zu reden. Stumm bedeutete er ihm ins Auto zu steigen und fuhr los, als auch er selber saß. Das Radio blieb aus. Itachi mochte keine Musik im Auto. In den letzten Woche, immer mehr, begann er, Musik aus seinem Leben auszuschließen. Kaum einen Gedanken verschwendete er mehr an das Klavier im Haus seiner Eltern, obwohl er es seinerzeit so sehr liebte.

Itachi beschleunigte, missachtete die Ampel die beinahe schon von gelb auf rot umsprang und nahm die Seitenstraße, in der seine Agentur lag. Er bedeutete Sasuke auszusteigen, schloss sein Auto per Funk ab und ging vor in die Eingangshalle. Die Agentur hatte er selbst aufgebaut. Zwar mit einem Kredit, aber der war schon lange abgezahlt, genau wie seine Wohnung es war und das teure Auto, dass vor dem Gebäude stand. Und wie der junge Mann neben ihm, der versucht war, wieder auf die Knie zu sinken. Doch diese Chance ließ Itachi ihm gar nicht. Er ging schleunigst weiter, durch einen kleinen Flur in sein Büro. Dort störte es ihn nicht, dass Sasuke niederkniete und den Kopf gehorsam senkte. Itachi drehte den Schlüssel im Schloss um und nahm selbst im Sessel hinter seinem Schreibtisch platz.

„Außerhalb dieses Raumes und meiner Wohnung wirst du nicht niederknien." Itachis Stimme war harsch. Er wusste selbst nicht, warum er den jungen Sklaven hier und in seiner Wohnung knien ließ. Vielleicht weil er glaubte, so würde er länger gehorsam bleiben.

„Ebenfalls wirst du mich außerhalb dieses Raumes und außerhalb meiner Wohnung nicht mit >Sir< ansprechen. Du wirst mich Itachi nennen, schließlich bist du offiziell mein Lebensgefährte und so hast du dich auch in der Öffentlichkeit zu benehmen. In der Öffentlichkeit spielst du einen freien Mann, daher wirst du auch Kakashi Kakashi nennen und alle anderen Menschen entweder bei ihrem Vor- oder bei ihrem Nachnamen, je nachdem welche Beziehung sie offiziell zu dir haben."

Nach dieser Ansprache entschied Itachi wäre es ratsam, seine Email nachzuschauen. Das tat er morgens zuallererst, bevor er sich im Aufenthaltsraum einen Kaffee besorgte. In seinem Postfach waren zwei neue Aufträge, deren Auftrageber er noch heute zu einem ersten Gespräch in der nächsten Woche einladen wollte. Er machte sich eine Notiz und las weitere Emails, während Sasuke gehorsam auf seinem Platz knien blieb. Das er nicht störte, gefiel Itachi. So hatte er sich nur mit ihm zu beschäftigen, wenn er glaubte, dass es an der Zeit dazu war.
 

Sasuke fühlte sich verloren. Er wusste nicht genau, was sein Herr von ihm verlangte. Er hatte keine Ahnung, wie man sich als ein Lebensgefährte verhielt und er wusste nicht, nach welchen Kriterien er zu entscheiden hatte, ob er jemanden duzte oder siezte. Vor dieser Entscheidung hatte er noch nie gestanden, aber er glaubte das System war nicht so komplex, wie es zu sein schien. Er war - offiziell, so wie sein Herr es nannte - sein Lebensgefährte, also stand er ihm nah. So duzte er ihn. Und er duzte Kakashi, der ein Freund seines Herrn war. Auch ihm stand er wohl - offiziell natürlich - eher nah, als das sie Fremde waren. Er nahm sich einfach vor, gut achtzugeben und hoffte, die Gegebenheiten dieses Lebens so zu verstehen.
 

„Bleib hier", hörte er den Befehl seines Herrn, der an ihm vorbei schritt und den Raum verließ. Sasuke hörte die Tür ins Schloss fallen. Obwohl er es nicht durfte, begann er seinen Herrn zu hassen. Er sah keinen Sinn darin, dass er gekauft wurde. Und sogar bei der Schlange unten im Keller ging es ihm besser. Er bekam täglich seine zwei Rationen zu trinken, die er hier ohne Kakashi nicht bekommen hätte. Ohne Kakashi wäre er wahrscheinlich verdurstet. Er trug zwar ordentliche Kleidung und schlief in einem vernünftigen Bett, aber innerlich machte sein neuer Herr ihn kaputt. Dieses Leben war zu schwer für ihn, weil er nicht lernen konnte, nicht beobachten konnte, wenn sein Herr ihn nur irgendwo in der Ecke knien ließ. Er würde nicht überzeugend sein können und die Familie seines Herrn würde in Nullkommanichts herausfinden, dass er weder ein freier Mensch noch der Freund ihres Sohnes war. Und sein Herr würde böse werden. Er würde ihm die Schuld geben, obwohl es nicht allein die seinige war. Wie sollte er auch etwas sein, was er nicht kannte?
 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, atmete Itachi tief durch. Er versuchte für einen Augenblick nur zu vergessen, dass ein Sklave, den er eigens gekauft hatte, in seinem Büro hockte und auf seine Rückkehr wartete. Er würde sich nun einfach seinen Kaffee holen und den, entgegen seiner Vorliebe, im Aufenthaltsraum statt in seinem Büro zu sich nehmen. Und er würde ihn genießen, verdammt noch mal. Konnte doch nicht wahr sein, dass dieser dumme Bengel in so aus dem Konzept brachte, nur indem er dort kniete.

Er stieß die Tür zum Aufenthaltsraum auf und grüßte die zwei seiner Mitarbeiter, die an einem der Tische saßen, gedämpft miteinander sprachen und Kaffee tranken. Er hatte den beiden, ebenso wie seine fünf anderen Angestellten lediglich erzählt, dass sie ab jetzt einen neuen Mitarbeiter hätten, der zwar nicht die gleichen Arbeiten machte, sondern erst noch lernte und die Zeit viel mehr in seinem Büro als sonst wo in der Agentur verbrachte, aber gleichzeitig hatte er ihnen klar gemacht, dass wenn man sie fragte, war der junge Mann schon seit Monaten hier angestellt. Vorstellen würde er ihn später.
 

Er ging zur Küchenzeile, die lediglich aus einer Spülmaschine, einem Waschbecken, einer Mikrowelle und seiner heißgeliebten Kaffeemaschine bestand. Die Kaffeemaschine war nicht ganz so Hightech wie die in seiner Wohnung, aber er hatte sicher gestellt, dass sie gut war und modern. Sein Kaffee war ihm heilig!

Mit der dampfenden, wunderschön dunklen Flüssigkeit in einer weißen Tasse, die das Logo seiner Agentur trug, setzte er sich an den zweiten Tisch im Raum. Er spürte den verwunderten Blick seiner beiden Angestellten auf sich. Natürlich fanden diese es merkwürdig, dass er hier seinen Kaffee trank. Er fand das ja selber merkwürdig, aber das war seine Sache und das hier war seine Agentur, also quasi sein Aufenthaltsraum, hieß: Er hatte mehr als alles Recht hier herumzulungern. Auch obwohl er es nur tat, um den Sklaven in seinem Büro nicht sehen zu müssen. Langsam und unwillig kam ihm der Gedanke, dass er an seiner Entscheidung zweifelte, den Bengel gekauft zu haben. Er konnte wirklich nichts von alleine. Er hatte zwar einen unterwürfigen Jungen gewollt, den er sich für die Zeit so formen konnte, wie er es wollte, aber er hatte gleichzeitig einen gewollt, der von sich selbst aus ein Mensch war und so in der Lage zu schauspielern. Einen anderen Mensche zu verkörpern.
 

Hidan hatte ihn auf die Idee gebracht. Es dauerte lange, bis er sich hatte überreden lassen. Überzeugen war wohl das bessere Wort. Er war in der Zeit oft bei Hidan gewesen. Öfter als sonst. Und er hatte Konan, seine Sklavin, kennengelernt. Er sah sie putzen, waschen, bügeln und kochen. Sie benahm sich wie eine vorzügliche Hausfrau. Beinahe, wenn seine Eltern nicht gewusst hätten, dass er durch und durch homosexuell war, hätte er mit dem Gedanken gespielt sich ein Mädchen zuzulegen für diese Wochen. Konan, dass musste er zugeben, spielte perfekt ihre Rolle als Frau an Hidans Seite. Wenn er heim kam, begrüßte sie ihn mit einem Kuss, der gleichzeitig scheu war, aber auch auf eine Art leidenschaftlich. Itachi glaubte nicht, dass Konan Hidan liebte. Sie war schlicht und ergreifend sein ergebenes Eigentum. Nun, vielleicht hatte sie Gefühle für ihn, aber es konnte keine Liebe sein, denn sogar Itachi fand, dass Hidan seine Sklavin zu schlecht behandelte, denn sie gab ihm keinen Grund, sie zu strafen oder böse mit ihr zu sein. Außer ihren Blicken, die zeigten, wie traurig sie war und wie einsam und wie ängstlich. Aber die versuchte Itachi nicht zu sehen. Und er dachte nicht über sie nach.
 

Er ließ keinen Schluck Kaffee in der Tasse, trank langsam und versuchte wirklich ihn zu genießen, aber das schien ihm nicht gelungen zu sein. Dennoch goss er sich eine zweite Tasse auf, die er mit in sein Büro nahm. Es half ja nicht. Irgendwann musste er wieder hin. Er hatte schließlich zu arbeiten.

Itachi stellte seine Kaffeetasse auf dem Schreibtisch ab. Er würdigte Sasuke keines Blickes, sondern machte sich an seinem gut gefüllten Bücherregal zu schaffen. Er hatte schon in den Tagen, bevor er an die Tschechische Grenze gefahren war um einen Sklaven zu erstehen, die Bücher ausgewählt, die dieser Sklave zu lesen hatte um zunächst einmal ein gutes Allgemeinwissen zu erlangen und um seine Firma zu verstehen und das, was sie dort taten. Und er hatte Testbogen ermittelt, die an die verschiedenen Schulfächern anlehnten. Die Themen dieser Testfragen standen in den Büchern. In den nächsten drei Wochen, so hatte Itachi das geplant, würden jeden Abend ein oder zwei Tests anstehen, die Sasuke lösen musste und die im Anschluss von ihm korrigiert wurden. Auch wenn es auf Kakashi so scheinen musste, als hätte er nichts geplant, er hatte es. Und er war sich in diesem Moment sicher, dass er diesen jungen Kerl so abrichten konnte, dass keinem auffiel, dass er eigentlich ein Sklave war.
 

Itachi ließ die Bücher, die für den heutigen Tag geplant waren vor Sasuke auf den Boden gleiten. Der Bengel hatte gesagt, er könne lesen, dann sollten diese Bücher kein Problem für ihn darstellen. Das eine war ein Deutschbuch der achten Klasse, dass er vor einer Woche mit einigen anderen Büchern in einer Buchhandlung erworben hatte. Das andere ein Geschichtsbuch der neunten und zehnten Klasse. Itachi wandte sich zu seinem Schreibtisch um und griff nach einem Zettel. Freitag, 9. Juli. 2010, stand da drauf, deutsch.punkt 4: S. 73 - 80, durchlesen und Aufgaben erarbeiten. Und darunter: Zeitreise 3: S. 76 - 120, durchlesen, angekreuzte Aufgaben bearbeiten, wichtige Aspekte merken

Den Zettel legte er auf die Bücher auf den Boden. Dann blickte er Sasuke an.

„Du hast Zeit bis heute Nachmittag um 4.00 Uhr. Ich rate dir die Aufgaben zu meiner Zufriedenheit zu machen, denn ich werde sie nach Fehlern korrigieren lassen und heute Abend einen Test mit dir durchführen."
 

Obwohl Sasuke genau verstanden hatte, was sein Herr von ihm wollte, bewegte er sich nicht. Es war doch noch keine Aufforderung im Satz gewesen, oder? Sein Herr hatte ihm noch nicht erlaubt, dass er die Bücher nahm. Und er wusste ja auch nicht, wo er lernen sollte. Hier auf dem Boden? Den ganzen Tag lang? Er biss sich auf die Lippe. Das würde er niemals aushalten. Nicht ohne etwas zu trinken, nicht auf den Knien. Irgendwann, dass wusste er, konnte man an nichts anderes mehr denken, als an die wunden Knie. Außerdem hatte er noch gar kein Papier und keinen Stift, mit dem er die Aufgaben lösen konnte.

„Was sitzt du noch nichts tuend hier rum?", hörte er die Stimme seines Herrn, der mit vor der Brust verschränkten Armen an seinem Schreibtisch lehnte.

Sasuke entschied innerhalb kürzester Zeit, was Sinn machte zu erklären und welche Aspekte seinem Herrn mit Sicherheit egal waren. Deswegen fragte er: „Womit soll ich die Aufgaben lösen, Sir?"

Er hörte seinen Herrn Seufzen. Kurz darauf ließ er einen Stapel linierte Blätter zu den Büchern auf den Boden sinken und einen Stift.

„Damit", sagte sein Herr, und dann: „Fang jetzt an und sei leise. Ich muss arbeiten."
 

Sasuke griff nach einem der beiden Bücher und schlug es auf. Seite 73 im Deutschbuch. Er las den kleinen Test und blätterte auf Seite 74, da die vorherige nur eine Kapitelangabe gewesen war. Auf dieser Seite stand ein Text und darunter waren Aufgaben notiert, die er zu diesem Text zu erledigen hatte. Sasuke griff nach dem Stift und nach einem Blatt, dass er samt dem Biologiebuch als Unterlage auf seinem Schoß platzierte. Das Deutschbuch legte er auf den Boden vor sich.

Shit, schon jetzt taten seine Knie weh. Der Boden war hart und kalt und sein Herr hatte sich Zeit gelassen, als er zuvor draußen gewesen war. Sasuke wünschte er könnte sich hinsetzten, aber er wagte nicht zu fragen, da sein Herr wollte, dass er sich leise verhielt und lernte.
 

Itachi konzentrierte sich auf die Arbeit an seinem PC. Er hatte eine Menge Mails zu beantworten und im Anschluss daran musste er die nächsten Wochen planen, vor allem die, die er im Ausland bei seiner Familie verbrachte, denn in seiner Agentur musste das alltägliche Leben weitergehen. Es wäre an einem seiner Angestellte - er hatte Sasori dafür rausgesucht, weil er am längsten da war, unwahrscheinlich zuverlässig war und weil sein Können in diesem Gebiet, vor allem im künstlerischen Aspekt der Arbeit, aber auch im Organisatorischen wirklich überragend war. Itachi wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis Sasori sich eine eigene Agentur aufbaute, denn er wusste, dass der junge Mann sein Geld dafür sparte und er nahm es hin, auch wenn er dann seinen besten Arbeiter verlor und einen Konkurrenten in der Stadt gewann.

Es dauerte Itachi gut einundeinhalb Stunden, bis er mit der Beantwortung der Mails und der Planung der Wochen fertig war und noch einmal über diese drüber schaute. Die Blätter druckte er aus und entnahm sie seinem Drucker. Er trat zum Kopierer in der Ecke seines Büros und kopierte sie für Sasori. Je die Blätter eines Stapels tackerte er zusammen und legte sie auf seinem Schreibtisch ab. Er nahm seine Tasse Kaffee zur Hand und trank einen Schluck, obwohl dieser schon kalt war und nicht mehr schmeckte. Er brauchte einen neuen. Unbedingt.
 

Itachi blickte im Stehen zu dem Bengel auf dem Fußboden. Mit krummen Rücken saß er über dem Deutschbuch gebeugt. Beschriebene Blätter lagen neben ihm. Itachi entschied, dass es an der Zeit war, dem Sklaven eine Pause vom Knien zu gönnen. In der könnte er sich aber dennoch nützlich machen.

„Geh mir einen Kaffee holen.“ Itachi sah, wie der Bengel hoch schaute, das Blatt, samt der Biologiebuchunterlage zur Seite legte und den Deckel des Stiftes schloss. Sich über die Knie reibend, stand er auf und verzog dabei das Gesicht. Itachi war kurz davor, ihn deswegen anzufahren, aber er ließ es, um seine Nerven zu schonen.
 

Sasuke ging unsicher zur Tür des Raumes. Er sollte seinem Herrn einen Kaffee besorgen. Das war ein Befehl. Also hatte er das zu tun, aber er wusste doch nicht, wo die Kaffeemaschine stand.

„Sir...“, wandte er deswegen unsicher ein.

„Was denn noch?“, brummte dieser. Er saß wieder hinter seinem Schreibtisch und fuhrwerkelte an seinem Computer herum. Sasuke fuhr sich durch die Haare. Er hasste das hier. Er hasste es wirklich.

„Wo ist die Kaffeemaschine, Sir?“

„Aufenthaltsraum.“ Ja, toll. Und wo war dieser Aufenthaltsraum?

Sasuke führte seine Hand zur Klinke, öffnete die Tür aber nicht, weil er nicht wusste, wo dieser Aufenthaltsraum war. Er wollte nicht durch die ganze Agentur laufen, wollte keinen Ärger machen, den er fürchtete sich vor einer Strafe.

„Zweite Tür von hier aus. Und jetzt hau ab.“

Sasuke presste die Lippen zusammen und trat in den Flur. Von dort aus ging er in den gewünschten Raum und dann zur Kaffeemaschine. Er war froh, dass keiner ihn bis hierher gesehen hatte und das keiner im Aufenthaltsraum war. Sasuke beschloss, dass er keine fremden Menschen mochte. Denn die ersten Fremden, den er kennenlernte, waren sein Herr und dessen Begleiter. Beide waren sie unfreundlich und harsch und dachten, er sei das allerletzte. Gut, er war ein Sklave. Er war wahrscheinlich nichts wert, aber war er nicht doch ein Mensch? Die gleiche Spezies?
 

Sasuke betätigte die Kaffeemaschine so, wie Kakashi es ihm zuvor an der in der Wohnung seines Herrn demonstrierte und mit einigem Stocken gelang es ihm, einen Kaffee aufzubrühen und samt Tasse zum Büro seines Herrn zu bringen. Er mochte den Geruch von Kaffee. Dampfenden Kaffee, der durch die Tasse hindurch seine Finger wärmte. Er stellte diesen auf dem Schreibtisch ab und kniete vor seinem Herrn nieder, um eventuelle Befehle zu bekommen. Er wusste schließlich nicht, ob er jetzt einfach so weiterlernen sollte oder ob sein Herrn noch etwas anderes von ihm wollte.

„Verschwinde. Mach deine Aufgaben“, fuhr dieser ihn jedoch nur nach wenigen Momenten der Stille an und Saasuke leistete folge. Er erhob sich und kniete wieder zu den Büchern nieder. Nach dem vielen aufstehen und erneuten niederknien schmerzten seine Knie noch mehr, als vorher schon. Und er spürte ein schmerzhaftes Ziehen im Rücken, als er sich in seine vorherige Position zurückbegab und wieder anfing seine Aufgaben zu lösen. Er wollte zurück. Zurück in Haus der Schlange. In den Keller. Dort hatte es wenigstens eine dünne Matratze gegeben, auf der er Tag ein, Tag aus gesessen und auf einen Käufer gewartet hatte. Einen Käufer wie diesen hier, der ihn mitnahm in die freie Welt. Aber jetzt spürte er, dass ihm diese Welt nicht gefiel. Er wollte wieder unter die Erde, in den Keller, aus dem man ihn nur rausholte, damit er kochte und andere Arbeiten erledigte, aber nie hatte er sich so schlecht gefühlt wie jetzt, obwohl er seit so vielen Jahren ein Gefangener war. Es war der Schmerz zerstörter Hoffnungen. Hoffnungen, die aufgekommen waren, als er die frische Luft atmete und in das Auto stieg, anstatt im Kofferraum transportiert zu werden. Hoffnungen, entschied er, waren was für freie Menschen.
 

OO step backward OO
 

Da wo er herkam tranken sie viel Kaffee. Noch hatte er den unvergleichlichen Geruch in der Nase. Aromatisch, würzig, bitter. Jeden Morgen duftete es danach. Jeden, jeden Morgen. Hier trank niemand Kaffee. Er vermisste den Geruch. Er hätte ihn trösten können.

Hier trank man Bier. Viel Bier. Immerzu. Sogar ihm wurde Bier gegeben, denn es belustigte seinen Peiniger. Ihm aber wurde schlecht vom vielen Bier. Er war noch ein Kind. Er durfte kein Bier trinken. Er war doch noch so klein.

„Noch ein Schlückchen", entschied der böse Mann. Immer noch ein Schlückchen. Er öffnete den Mund. Keine andere Wahl. Keine. Nie. Schon so lange nicht mehr.

Bitter floss das Gesöff durch seine Kehle. Ein anderes Bitter. Ein schlechtes. Es tröstete ihn nicht. Nicht wie der Geruch von Kaffee, der auch würzig und aromatisch war und manchmal auch süß.
 

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Das dritte Kapitel. Und: Habt ihr Lust auf Kaffee, haha :D

Es ist sehr spät, bzw. früh um ein Kapitel hochzuladen, aber ich wollte es noch unbedingt vor dem Wochenende tun, bin aber grade erst vom Geburtstag meiner Cousins nach Hause gekommen, deswegen für euch Nachtschwärmer das Kapitel :D

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 4: Sein Recht


 

Kapitel 4: Sein Recht

Zuletzt machte Manitu den Menschen.

Obwohl er der letzte und von allen Wesen das hilfloseste war,

empfing der Mensch die größte Gabe -

die Fähigkeit zu träumen.

[Johnston Manitu]
 

Trotz der späten Stunde war es heiß und stickig in Itachis Büro. Er war auf Gutdünken zur Agentur, anstatt zur Wohnung seines Freundes gefahren. Da er seine Apotheke immer recht früh gegen Nachmittags verließ und den Feierabendbetrieb sozusagen immer einem seiner beiden jungen Angestellten überließ, hatte er vermutet, dass Itachi sich noch in der Agentur befand und hatte Recht behalten. Ohne viel zu fragen hatte Itachis langhaariger, blonder Angestellte ihn durch zum Büro gelassen. Man kannte ihn schon. Kakashi klopfte an die Tür, betrat sie aber ohne vorher herein gebeten zu werden. Das war, jedenfalls im Bezug auf Itachi, eine Angewohnheit seinerseits. Er war damals zu Kindheitstagen schon bei den Uchihas Ein und Aus gegangen. Itachis Mutter hatte immerzu verlangt, dass er, genauso wie ihre drei eigenen Söhne, an den Türen der jeweils anderen klopften, aber das hieß ja nicht, dass man auch warten musste, bis man herein gebeten wurde. So oder so ähnlich war jedenfalls Obitos Erklärung gewesen und sie hatten nie etwas anderes getan als das. Weder bei Itachi noch bei dem mittleren Bruder Shisui und auch nicht beieinander, aber da hatten sie meist nicht einmal geklopft.
 

Itachi schaute deswegen nicht einmal hoch. Er wusste, dass es Kakashi war. Es konnte nur Kakashi sein, denn kein anderer besaß die Frechheit ohne Herein gebeten zu werden, sein Büro zu betreten.

Kakashi hob grüßend die Hand in Itachis Richtung und schaute dann zu dem jungen Mann, der auf dem Boden kniete. Kakashi fürchtete, er verharrte schon den ganzen Tag so. Er lehnte sich ein Stück über die Schulter des Jungen, um einen Blick darauf werfen zu können, was der Junge mit krummen Rücken dort tat. Er schrieb. Schrieb etwas auf ein Blatt Papier, dass auf seinem Schoß lag. Ein Blatt, dass Kakashi arg an die Tests erinnerte, die sein Freund - ein Grundschullehrer - mit nach Hause brachte, um sie zu korrigieren.

Er schüttelte den Kopf. Was für ein Unsinn. Itachi sollte sich mit dem Jungen hinsetzten und mit ihm reden. Er sollte mit ihm rausgehen, ihm die Welt zeigen und ihm erklären, was es mit ihr auf sich hatte. Und nicht ihm irgendwelche Tests in die Hand drücken, um irgendeinen Wissenstandart zu überprüfen. Das war doch lächerlich.
 

Kakashi lies sich auf das Sofa nieder, dass neben einem riesigen Bücherregal an der Wand stand. Er fragte sich, warum Itachi dem Jungen nicht erlaubt hatte, sich dort hinzusetzten oder sich einen Stuhl aus dem Aufenthaltsraum zu besorgen und sich zu ihm an den Schreibtisch zu setzten.

Kakashi wartete. Er hörte das Tippen Itachis Finger auf der Tastatur und den Stift Sasukes, der immer wieder neu ansetzte und mit dem er hin und wieder etwas durchstrich. Er wollte Itachi so gern davon überzeugen, damit aufzuhören, aber um Sasuke wirklich zu helfen, musste er auch genau wissen, was Itachi mit diesem Test vorhatte, deswegen konnte er die Sache gar nicht unterbinden. Eigentlich konnte er hier gar nichts unterbinden oder gar beenden. Er konnte nur versuchen, die Dinge für Sasuke einfacher zu machen. Kakashi massierte sich die Nasenwurzel, während er den Kopf gegen die hohe Lehne des Sofas lehnte und nach oben an die Decke starrte.
 

Als er seinen Blick wieder von der Decke abwandte und aufrechter auf dem Sofa saß, sah er, dass Sasuke nun neben Itachi am Schreibtischstuhl kniete. Hatte Itachi ihn zu sich gewunken? Kakashi hatte es gar nicht wahrgenommen. Doch jetzt erhob er sich und trat zu den beiden. Er schaute über Itachis Schulter auf das Testblatt. Sah, wie der Uchiha Dinge durchstrich, Verbesserungen notierte, hin und wieder mal ein winziges Häkchen machte und immer wieder den Kopf schüttelte.

Kakashi fand, es war solch ein abwertendes Verhalten gegenüber Sasuke. Der Junge musste neben dem Mann knien, der seinen Test korrigierte und der keine anderen Geste, als die der Unzufriedenheit dem Wissenstands des jungen Mannes gegenüber, kannte. Kakashi schaute auf Sasuke. Er gab keinen Mucks von sich, hatte die Hände auf den Beinen liegen und den Kopf gen Boden gesenkt. Doch das, entschied Kakashi, war wahrscheinlich in dieser Situation sogar besser, musste er so nicht sehen, wie Itachi sich verhielt. Dennoch war die ganze Sache so menschenunwürdig, dass Kakashi beinahe selbst nicht mehr hinsehen konnte.
 

Mit einem schweren Seufzen drehte Itachi seinen Bürostuhl um neunzig Grad. Er richtete seinen Blick auf den am Boden knienden Sasuke.

„Tja", sagte er, verschränkte die Arme vor der Brust und hob das Kinn. „Anscheinend bist du selbst zu dumm, um dir die Dinge zu merken, die du wenige Stunden zuvor gelesen und bearbeitet hast. Es wird eine Menge Arbeit und, eigentlich habe ich den Stress nicht gewollt, aber um deine Gehirnzellen anzureizen, wird es für jede falsch beantwortete Frage eine Konsequenz geben. Welche, werde ich mir individuell überlegen."

„Itachi", warf Kakashi kopfschüttelnd ein. Was musste der auch so direkt sein? Gut, vielleicht hatte Sasuke nicht gut abgeschnitten, aber wer wusste denn, wie viel Möglichkeiten der Junge hatte um sich zu bilden. Das bedeutete doch nicht, dass er dumm war. Und wirklich Itachi, dachte Kakashi, wie kannst du nur glauben, dass Konsequenzen - Strafen, denn nicht anderes würde das sein - einen Teenager dazu brachten, besser zu sein?

Itachis Eltern hatten nie so gehandelt, dass wusste Kakashi. Sie hatten gefordert und gefördert, aber schlechte Leistungen nie bestraft. Bei Itachi hatte es die kaum gegeben, bei Shisui auch selten, aber Obito hatte sich immer etwas schwerer getan, als die beiden jüngeren Brüder, doch mit viel Einfühlungsvermögen und mit der Motivation beider Eltern hatte er sich mit dem Lernen arrangiert, hatte sich angestrengt und im Endeffekt ein tolles Abitur hingelegt und ein gutes Studium abgeschlossen. Er war der Sohn, der die Firma des Vaters übernehmen würde, denn er war der älteste und hatte sich bewiesen. Wie konnte Itachi nur all dass, an was seine Eltern im Bezug zur Erziehung eines Kindes immerzu geglaubt hatten so mit Füßen treten, indem er hier von Konsequenzen sprach.
 

„Das ist genug. Hör auf so ein Arschloch zu sein." Kakashi Stimme war nicht provozierend, es lag keinerlei Jux in ihr, nur eine Ernsthaftigkeit, um die Kakashi sich nicht mal zu bemühen brauchte, denn diese Sache hier war ernst. Es ging um einen Menschen, auch wenn Sasuke wohl nicht mal wusste, dass er ihn als einen Menschen sah.

„Was geht dich das eigentlich an? Wenn dir meine Art zu Handeln so zu wieder ist, dann geh. Dort ist die Tür." Mit einer Hand deutete Itachi in einer lockeren Geste auf eben diese und blickte Kakashi herausfordernd an. Seine eigenen Brüder, Obito und Shisui, hatte Itachi seit längerem nicht gesehen und im Grunde wuchs er auf, während Kakashi bei ihnen ein und aus ging. Schließlich war gerade ein Jahr alt gewesen, da kam sein ältester Bruder in die Schule und mit diesem Ereignis bekam Itachi einen dritten großen Bruder, nämlich Kakashi, der heutzutage mehr da war, als seine leiblichen. Noch nie zuvor, oder besser gesagt: schon lange nicht mehr, hatte Itachi sich so gegenüber dem Hatake aufgeführt, ihn mehr oder weniger rausgeschmissen.

Doch wahrscheinlich gerade deswegen blieb Kakashi und verschränkte seinerseits die Arme vor dem Brustkorb.

„Du weißt, dass ich nicht gehe", sagte Kakashi und schaute seitlich zu Boden, dort wo Sasuke kniete. „Neben dir hockt ein Mensch, er kniet vor dir nieder. Und du hast nichts besseres zu tun, als dich so aufzuführen. Zu seinem Schutz bleibe ich. Nur deswegen."

Itachi stopfte die Testblätter in seine Arbeitstasche, hänge sie über die Schulter und verschwand mit einem Gebrummel, dass sich arg nach: „Tu, was du nicht lassen kannst", anhörte, aus dem Büro.
 

Kakashi Blick lag weiterhin auf Sasuke. Er sah, dass der junge Mann nicht ganz teilnahmslos dort kniete. Sasuke hatte den Kopf kaum merklich angehoben, als er dabei zuschaute, wie Itachi das Büro verließ. Schon alleine das wieder, dass Itachi seinen Sklaven zurück lies, machte Kakashi rasend. Für ihn war Sasuke kein Mensch, fürchtete Kakashi. Er fragte sich nur, wie Itachi so herzlos sein konnte. Er wusste, dass Itachi ein Herz besaß, dass auch mitfühlend handeln konnte, aber er hielt es verschlossen, hinter dicken Mauern und riesigen Schlössern.

„Komm, Sasuke", sagte er so sanft wie er mit dem Ärger auf Itachi in seinem Gemüt konnte und wartete darauf, dass Sasuke sich erhob.
 

Sasuke blieb nur einen winzigen Augeblick, kaum zwei Sekunden lang in seiner knienden Haltung. Es war nicht schlimm, doch Kakashi irritierte es, war Sasuke doch sonst immer sofort, ohne zu zögern und mehr als zügig aufgestanden, um niemanden warten zu lassen oder gar zu verärgern. Da Kakashi eben dies wusste, war es leicht für ihn, zu erkennen, wie schwerfällig Sasuke sich erhob, als er es denn tat. Seine Beine zitterten und nur kurz und kaum merklich drückte er den Rücken durch. Armer Junge, dachte Kakashi. Itachi hatte ihn also wirklich den ganzen Tag lang knien und dabei lernen lassen. Wie unmenschlich!

Kakashi entschied, dass er die Rückenschmerzen des Jungen irgendwie behandeln musste. Er sollte wohl mal kurz an seiner Apotheke einen Stopp machen um etwas Salbe zu besorgen. Itachi hatte ja sicherlich keine daheim.

Kakashi wusste, dass Sasuke ihm folgte, deswegen schaute er nicht zurück, als er durch den Flur und die Eingangshalle auf die Straße schritt. Abschließen konnte derjenige von Itachis Angestellten, der den Zweitschlüssel besaß. Er war sicherlich noch hier, ging wahrscheinlich immer als letzter, denn nur allzu selten, dass wusste Kakashi, schloss Itachi die Agentur selbst ab.
 

Itachi war schon fort. Sein Auto stand nicht mehr dort, wo Kakashi es beim Kommen stehen gesehen hatte, deswegen entschied er Sasuke selbst mitzunehmen. Er orderte ihm freundlich an, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, was Sasuke ebenso schwerfällig tat, wie das Aufstehen zuvor, aber Kakashi erwähnte es nicht. Er konnte sich erst in ein paar Minuten darum kümmern. Still schweigend fuhr er durch die Straßen zu seiner Apotheke. Dort hielt er an und öffnete seine Tür ein Stück.

„Ich lass das Radio an. Bin sofort zurück", sagte er freundlich, ehe er ausstieg. Die Apotheke hatte noch geöffnet, sie würde erst um acht, also in einer halben Stunde, schließen. Er öffnete die Tür, hörte das Glöckchen, dass die Besucher ankündigte und grüßte seinen Angestellten, der hinter der Verkaufstheke stand und irgendwelche Papiere ausfüllte.

„Herr Hatake?", fragte dieser verwundert, als er hochblickte.

„Ich hab nur was vergessen. Mach du ruhig weiter."

Kakashi ging durch eine Tür in den hinteren Lagerraum und nahm ein Päckchen Salbe an sich, ehe er sich kurz von seinem Angestellten verabschiedete und ihm zum zweiten Mal an diesem Tag einen guten Feierabend wünschte und die Apotheke wieder verließ.
 

Zurück am Auto legte er das Päckchen zwischen dem Fahrersitz und dem Beifahrersitz auf eine kleine Ablage, die eigentlich für CDs, das Handy oder die Geldbörse gedacht war und startete den Wagen. Sasuke verhielt sich auch den Rest der Fahrt über ruhig, schaute nicht mal aus dem Fenster, sondern nur auf den Boden zu seinen Füßen. Kakashi hoffte, dass Itachi irgendwann den Verstand entwickelte, dem Jungen zu sagen, dass er den Kopf nicht zu senken hatte.

Kakashi hielt hinter Itachis Auto und stieg aus. Er ging um sein Auto herum und öffnete die Beifahrertür, die er Sasuke aufhielt. Weil er dennoch keine Anstalten machte, auszusteigen und weil Kakashi wusste, dass Sasuke nur das tat, was man ihm sagte, sagte er ihm, er solle aussteigen. Kakashi griff noch nach der Salbe und ging dann vor Sasuke her zur Einganstür. Er klingelte, keiner sprach durch die Freisprechanlage, aber der Türöffner surrte, sodass Kakashi, mit Sasuke im Schlepptau, auch durch den Flur zu Itachis Wohnungstür gehen konnte, die offen stand. Kakashi hörte leise jene Klaviertöne, die ihm nur allzu bekannt waren und schloss die Tür hinter dem jungen Mann. Er bedeutete ihm im Flur zu warten, ohne sich hinzuknien, da er nicht wollte, dass er noch mehr Schmerzen im Rücken leiden musste. Einen letzten Blick in das Gesicht des Jungen werfen, öffnete er die angelehnte Wohnzimmertür und trat durch sie hindurch einen Schritt in den Raum hinein.
 

Itachi saß mit der Zigarette in der einen und einem Glas voll Cognac in der anderen im Sessel. Die Töne des Klaviers ertönten aus dem Musikspieler in der Ecke. Eisklänge nannte die Band diese klaren, kristallinen Töne, die gleichzeitig hart und schön und so verletzlich klangen. Es war ein Song mit simplen Akkorden, hatte Itachi gemeint, der selber ein begnadeter Klavierspieler war, doch schon seit Jahren nicht mehr spielte und Klaviertöne eigentlich nicht hören mochte. Doch dieser zwei Minuten und zwanzig Sekunden langer Song war anders. Kakashi wusste um die Bedeutung des Liedes für Itachi. Wann immer er sah, dass der zweiundzwanzigjährige Mann dieses Stück hörte, dass nur aus Klaviertönen und exakt achtundzwanzig Worten Lyrik bestand, wusste er, dass Itachi innerlich sehr litt. In solchen Momenten war Itachi genau wie dieser Song, hart und verletzlich.

Kakashi wusste nicht, warum gerade dieses Stück. Er hatte es nie verstanden, aber er hatte es, genau wie alle anderen Menschen die Itachi kannten - so gut kannten, dass sie um dieses Lied wussten - akzeptiert.
 

Er hatte Itachi zur Rede stellen wollen. Hatte ihn fragen wollen, wie er es nur mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, Sasuke den ganzen Tag, stundenlang, knien zu lassen. Überhaupt, wie er ihn so behandeln konnte, wie er ihn behandelte, doch jetzt, wo diese Klänge den Raum erfüllten, konnte er es nicht. Kakashi schloss einen Moment lang die Augen. Er tat es nicht gern, aber ein letzten Mal, entschloss er, stand Itachi bei ihm an erster Stelle, vor allem anderen in der Welt, dann öffnete er seine Lider wieder und verließ den Raum, um zu Sasuke zu gehen, um den er sich nun zu kümmern hatte.

Sasuke stand noch genau an der Stelle im Flur, wo er ihn zurückgelassen hatte. Wundern tat es ihn nicht, aber es erschreckte ihn jedes Mal, das Sasuke einem einfachen Befehl so Folge leistete, umso mehr. Kakashi mochte nicht glauben, das ein Mensch einfach alles tat, was man von ihm verlange. Er hoffte, dass es bei Sasuke nicht so weit war. Er hoffte, der Junge hatte eine Hemmschwelle. Ohne die, glaubte Kakashi, würde es ihm nicht möglich sein einen freien Mann zu spielen, noch je einer zu sein.

Kakashi mochte es nicht, Sasuke Befehle zu geben, aber noch ging es nicht anders und um den Jungen behandeln zu können, befahl er ihm mit einer Geste und den Worten: „Komm mit, Sasuke. Itachi ist momentan - nun, wie soll ich sagen - nicht wirklich in der Verfassung sich mit uns zu beschäftigen", ins Badezimmer zu gehen, während er ihm die Tür aufhielt. Sasuke schlüpfte hindurch und setzte sich auf eine weitere Anweisung Kakashis auf den heruntergeklappten Toilettendeckel.
 

„Zuerst sollten wir uns wohl noch mal um deine Lippe und die Braue kümmern", meinte Kakashi, nahm die Salbe vom gestrigen Morgen aus dem Schrank und dazu die Pflaster. Mit aller Vorsicht löste er die Pflaster die noch im Gesicht befestigt waren, dennoch musste es Sasuke schmerzen. Die Lippe war beinahe verheilt. Sie war noch ein bisschen geschwollen und blutete aus einer winzigen Ecke, aber was ihm mehr Sorgen machte, war die Augenbraue, die sich in ungesunde blau- und Gelbtöne verfärbt hatte. Außerdem sprang an einigen Stellen der Schorf der sich gebildet hatte sofort wieder auf, als er das Pflaster gelöst hatte.

Mit sanften, aber schnellen, Handgriffen verteilte er die Heilsalbe auf Braue und Lippe, bevor er wieder ein Pflaster drüber tat. Das nächste Mal, entschied er, würde er das Pflaster weglassen, damit mehr Luft an die Wunden kam, doch noch war es besser vorsichtig zu sein und die Wunden nicht offen heilen zu lassen.

Kakashi trat zurück zum Schränkchen um die Sachen fortzupacken und um am Waschbecken seine Hände vom Rest der Salbe zu befreien, ehe er sich wieder Sasuke zuwandte. Der Junge saß unbeweglich auf dem Klodeckel. Kakashi erlaubte sich, denn jungen Mann eine Weile so anzuschauen, wie er zuvor Itachi angeschaut hatte. Und da fiel es ihm auf. Die Hosenbeine waren an den Knien dunkler verfärbt, ganz so als... würde Blut durch die Fasern dringen.

„Sasuke", sagte Kakashi und konnte das Entsetzten nicht gänzlich aus seiner Stimme verbergen.
 

Sasuke blickte auf. Einen winzigen Moment lang streifte sein Blick den des anderen Mannes, doch sofort senkte er sein Gesicht wieder. Er hatte diesem Menschen nicht direkt in die Augen zu sehen. Er hatte das über Jahre gelernt und er hasste es. Er hasste die Tatsache, dass er weniger wert war.

„Sasuke", hörte er erneut seinen Namen und bemerkte, dass Kakashi vor ihm hockte. „Darf ich deine Hosenbeine hochschieben, ja?"

Kakashi war sich bewusst, dass Sasuke es nicht kannte, bei irgendeiner Sache um Erlaubnis gebeten zu werden, aber es kam ihm falsch vor, dies nicht zu tun. Doch der junge Mann reagierte nicht, egal wie sehr Kakashi hoffte, ein Nicken zu bekommen. Dennoch musste er einfach schauen, ob sich seine Befürchtung bestätigte. Er legte seine Hände an das rechte Hosenloch und schob den Stoff bis über das Knie hoch. Der Anblick, der sich ihm bot, erschreckte ihn zutiefst.

Das Knie war nicht nur gerötet und an einigen wenigen Stellen bläulich verfärbt und geschwollen, es wies auch offene Stellen auf. Durch das stundenlange knien hatte Sasuke sich die Haut so aufgescheuert, dass sie all dem einfach nicht mehr Stand halten konnte. Das Blut war teilweise schon festgetrocknet und es hatte sich eine ganz nachgiebige Schicht Kruste gebildet. Kakashi glaubte bei der kleinsten Bewegung könnte diese wieder aufplatzen. Einige kleinere Wunden am Knie bluteten auch immer noch, wahrscheinlich durch die Tatsache, dass Sasuke die Beine bewegt hatte und beim Hinsetzen musste die Haut auch wieder gespannt haben.
 

Kakashi wollte Sasuke fragen, warum er nichts gesagt hatte. Den ganzen Tag über nicht. Auch nicht zu Itachi, aber er konnte es doch verstehen. Doch genau das machte Kakashi wütend. Er konnte den jungen Mann nicht alleine hier lassen. Nicht mit Itachi. Schon gar nicht jetzt. Es tat Kakashi schrecklich Leid, aber er entschloss, dass er seinen Lebensgefährten enttäuschen musste, um auch die nächste und wenn es nötig war, auch weitere Nächte hier zu verbringen. Iruka würde von Sasukes Existenz und von Itachis Lüge erfahren und Kakashi würde die Verantwortung für all dies hier übernehmen, solange Itachi dazu nicht im Stande war.

„Ich werde die Wunde auswaschen müssen“, murmelte Kakashi und erhob sich. Er ging zum Schrank, in dem Itachi die Handtücher lagerte und nahm sich einen kleinen Waschlappen heraus, denn er mit lauwarmen Wasser benässte.

„Das könnte wehtun“, warnte er den Jungen vor, ehe er mit dem Lappen sanft und vorsichtig über die Wunde tupfte. Immer wieder nässte Kakashi den Lappen neu ein und säuberte so Stück für Stück das erste und dann das zweite Knie, dass nicht besser aussah. Am Ende war der Waschlappen rot vor Blut und wahrscheinlich konnte man den nicht mehr retten, sondern nur noch entsorgen, aber das war Kakashi egal.
 

Die ganze Zeit über während Kakashi seine Wunden auswuchs, biss Sasuke die Zähne zusammen. Es schmerzte sehr, aber er wollte nicht mit seinen Lauten, die er unterdrückte, nerven, wenn dieser Mann schon seine Wunden versorgte. Sasuke hasste die Tatsache, dass er das nicht selber tun konnte. Er hasste es so sehr, dass es überhaupt zu solchen Wunden an seinem Körper kommen konnte. Wäre er ein freier Mann, müsste er nicht niederknien und niemand müsste solche Wunden versorgen, weil es sie dann nicht gab.

Sasuke spürte rauen Stoff an seinem Knie und zuckte, ohne diese Regung verhindern zu können, zurück. Es tat einfach weh und er hatte sich zudem noch erschrocken. Doch Kakashi strafte ihn nicht für dieses unbewusste Zurückzucken, stattdessen hörten seine Hände auf sein Knie zu verbinden, sondern verharrten in ihrer Position.

„Entschuldige.“ Ein einziges Wort war es, das der Ältere sprach und es brachte Sasuke dazu, sich zu wünschen Kakashi wäre sein Herr. Er wünschte so sehr, wenn Kakashi später heim fuhr, er würde ihn mitnehmen. Aber er wusste, dass es nichts brachte sich etwas zu wünschen. Es würde nie in Erfüllung gehen. Er musste hier bleiben und die Dinge durchstehen. Egal, wie freundlich und sorgsam Kakashi mit ihm umging, war nicht er sein Besitzer. Der Mann, denn er nun wirklich als seinen Herrn zu sehen hatte, war so rücksichtslos wie die älteren Sklaven es ihm prophezeit hatten, als er noch klein und naiv gewesen war.

Dennoch hatte er es sich in seinen schlimmsten Träumen nicht so ausgemalt. Er hatte gedacht, es würde dennoch anders sein.

Die Sklaven hatten immer erzählt, sie bekämen mehr Wasser und im Grunde auch mehr Nahrung, dort wo sie untergebracht waren und mehr Aufmerksamkeit obendrein, auch wenn diese in den seltensten Fällen positiv war. Doch sein Herr hatte sich kein einziges Mal darum gekümmert, dass er etwas zum Trinken bekam. Das Glas Orangensaft und das Glas Wasser, dass er am Morgen von Kakashi bekommen hatte, war das letzte gewesen, was er am heutigen Tage getrunken hatte und seine Kehle war trocken. Sein Herr interessierte sich kein Stück für ihn, glaubte Sasuke. Kein Stück. Wäre Kakashi nicht gewesen, hätte er in dessen Büro festgesessen, denn sein Herr hatte nicht auf ihn gewartet, nein, Kakashi hatte ihn an den Ort gebracht, an dem sein Herr wohnte und als sie hier angekommen waren, hatte er sich immer noch nicht gekümmert. Kein bisschen.
 

Sasuke biss sich vor Wut und Schmerz auf die Lippen. Kakashi hatte wieder damit angefangen, sein Knie zu verbinden, doch Sasuke wusste, dass er es nur gut mit ihm meinte und war dankbar. So konnte wenigstens kein Schmutz in die Wunden seiner Knie gelangen.

Doch seine Wut schwand nicht. Kakashis Worte von vorher spukten in seinem Kopf herum. Worte, dass sein Herr - Itachi hatte er ihn locker genannt, obwohl er mit ihm sprach, mit einem Sklaven - nicht in der Verfassung war, sich mit ihnen zu befassen.

Sein Herr hatte den ganzen Tag gemütlich in einem Schreibtischstuhl gesessen. Er war derjenige gewesen, der kniete, Stunde um Stunde und versuchte zu lernen, aber irgendwann war da nur noch Schmerz gewesen. Schmerz in seinem Kopf und überall um ihn herum. Deswegen war er so schlecht gewesen. Er hätte gut sein können.

Immer noch schmerzte sein Rücken, seine Knie taten weh und er fürchtete die Konsequenz für die schlechten Antworten des Tests, aber mehr noch war da die Wut, die er nicht spüren durfte und zu unterdrücken versuchte. Aber... er fühlte sich so hilflos seinem Herrn gegenüber und das machte ihn so wütend. Sein Herr konnte ihn verdursten lassen und vielleicht würde er das, weil er einfach keinen Gedanken an ihn verschwendete und all das machte Sasuke wütend. Er war vielleicht Ware - vielleicht war er das - aber er war doch auch irgendwo, ganz, ganz, ganz tief drinnen ein menschliches Wesen und auch wenn sein Herr das nicht sah, musste er doch sehen, dass er ohne Flüssigkeit nicht überleben konnte. Gäbe es Kakashi nicht, hätte er seit er hier ankam, also seit beinahe zwei Tagen keinen Schluck Wasser bekommen. All dass machte ihn so wütend und die Schmerzen samt der Tatsache, dass er in seiner Stellung eigentlich nicht wütend sein durfte, verstärkten dieses Gefühl nur noch.
 

Kakashi befestigte den Verband am zweiten Knie und hockte sich auf seine Fersen zurück. Sasuke wurde wie der letzte Dreck behandelt, obwohl er alles tat, um Itachi nicht zu verärgern. Er gehorchte, er beschwerte sich nicht, er stellte sie so weit unter Itachi, von dem kein Wort des Dankes kam und nie ein überflüssiges Wort, nach einem Befehl. Worte, die nicht überflüssig gewesen wären, würde Itachi ihnen erlauben über seine Lippen zu kommen. Kakashi glaubte immer noch, dass Itachi Sasuke die Welt erklären musste, ihm diese zeigen sollte. Das hatte Sasuke bitter nötig.

Kakashi schaute in Sasukes Gesicht. Nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, wie jung er eigentlich noch war. Es war vielmehr noch das Gesicht eines halben Kindes, als das eines jungen Mannes. Sasukes Gesichtszüge waren sehr fein, feiner noch als Itachis in diesem Alter gewesen waren. Auf diesen feinen Zügen lag ein Schmerz und hinter dem, glaubte Kakashi noch etwas anderes zu sehen. Es war ein Ausdruck der Wut. Und nichts war Kakashi verständlicher als das.

„Es ist dein gutes Recht wütend zu sein." Kakashi wusste nicht, ob er es wirklich hatte sagen wollen, denn Sasuke kannte seine Rechte wahrscheinlich gar nicht, aber er konnte es jetzt nicht mehr zurücknehmen. Gesagte Dinge waren wahr, sie existieren. Ungesagte konnten dessen lügen geschimpft werden. Wenn man es sich lang genug einredete und einreden ließ, existieren sie nicht mehr. Dann waren sie nichts weiter wie der Schatten eines Menschen, während dieser im Schatten etwas viel größerem stand. Immer noch - irgendwie - da, aber nicht sichtbar. Für viele Menschen existierte nur das, was sie sehen konnten. Itachi... war wohl einer dieser Menschen.
 

„Ich hab keine Rechte", hörte Kakashi Sasukes leise Stimme. Und obgleich etwas an ihr anders war, als in den wenigen Malen zuvor, in denen Sasuke gesprochen hatte, vermochte Kakashi es nicht zu benennen. Er wollte Sasuke gerne sagen, dass er sehr wohl Rechte hatte, grübelte aber nur einen kurzen Moment darüber, ob das nicht kontraproduktiv in der Beziehung mit Itachi war und ob er das überhaupt tun konnte, bevor Sasuke nicht ein freier Mann war, doch noch bevor er einen Entschluss fällen konnte, sah er wie Sasuke seine Schultern hochzogen, ein Stück gegen die Wand hinter der Toilette, auf deren geschlossenen Deckel er saß, zurückwich; er sah wie Sasuke seine Augen panisch zusammenkniff und die bloßen Arme abwährend vor sein Gesicht hob. All das löste in Kakashi ein tiefes Bedauern aus. Bedauern um den Mann, der Sasuke sein könnte.

Aber Panik löste es in Kakashi nicht aus.

In Filmen war das immer so, in Büchern war es so; Kakashi hatte schlicht gedacht, wenn ein junger Mann in einer solchen Pose vor ihm saß, müsste er einfach in Panik verfallen, sich selber hassen, rumstammeln oder sonst irgendwas tun, das bewies, dass er mit so einer Situation nicht klar kam, weil Männer mit solchen Situationen nicht klar kommen sollten. Weil die Medien das zeigten; weil Kakashi das irgendwie auch gedacht hatte. Aber er blieb ganz ruhig. Es war ganz natürlich ruhig zu bleiben, genauso wie es wie von selber ganz natürlich war, die Worte zu sagen, die er sagte.

„Ich schlage dich nicht."
 

Es dauerte eine Weile, aber dann ließ Sasuke seine Arme sinken und starrte Kakashi ungläubig an, bevor er auch hier seinen Kopf senkte. Einen dritten Regelverstoß konnte er sich mal gar nicht leisten. Er hatte Kakashi, einen Freund seines Herrn, nicht mit Sir angesprochen, er hatte generell gesprochen ohne die Erlaubnis dazu zu haben und nun starrte er ihn auch noch an. Das musste aufhören. Er sollte sich im Griff haben. Aber die Aussage dieses Mannes hatte ihn verwirrt. Er hatte von seinen Rechten gesprochen. Dabei hatte man Sasuke ein Leben lang beigebracht, dass er keine Rechte hatte. Er hatte nur das gesagt, was man ihn in den Kopf gesetzt hatte. Wieder und wieder und wieder.

Kakashi hatte Sasuke kein aufmunterndes Lächeln geschenkt, schlicht weil Sasukes es eh nicht wahrnehmen würden, so schaute er doch wieder zu Boden.

„Ich möchte mir noch deinen Rücken ansehen, er schmerzt nicht wahr?", sagte Kakashi und bat Sasuke, der nun wieder artig „Ja, Sir" sagte, mit einer Handbewegung, sich von dem Toilettendeckel zu erheben und sein Oberteil auszuziehen.

Mit Schmerzen im Rücken streifte Sasuke das Langarmshirt ab, behielt es aber in der Hand, weil Kakashi nicht anderes angeordnet hatte. Es vergingen ein paar Sekunden, dann spürte Sasuke sanfte, aber dennoch raue, kräftige Hände die eine kühle Salbe auf seinen Schulterblättern verteilten. Von dort aus fuhren die Hände, samt der Kühle seine Wirbelsäule entlang, bis sein gesamter Rücken sich auf angenehme Weise betäubt anfühlte und viel weniger schmerzte als noch vor wenigen Minuten.

Dennoch verteilte Kakashi die Salbe noch ein bisschen mehr, er wusste das es wichtig war und sprach währenddessen mit Sasuke, um dem Jungen, das Gefühl zu geben, wahrgenommen zu werden.

„Der menschliche Rücken reagiert mit Schmerzen, um zu zeigen, dass eine Position die Falsche ist. Damit schützt er sich praktisch selbst. So sind Menschen." Kakashi nahm noch etwas von der Salbe aus der Tube auf seine Finger und verrieb diese auf Sasukes Rücken, der schon glänzte, aber viel Salbe war gut in diesem Falle.

„Deswegen haben wir auch eine Hemmschwelle, die es uns im Normalfall verbietet, uns bewusst selbst zu verletzten."

Kakashi griff nach dem Verbandmaterial und wickelte es um Sasukes Rücken, damit die Salbe an Ort und Stelle blieb und später nicht am Oberteil kleben blieb, während er weiter mit Sasuke sprach.

„Menschen können sich ja auch nicht selbst kitzeln. Das hat keine Wirkung. Hast du das schon mal ausprobiert, dich selbst zu kitzeln?"
 

„Nein, Sir", antwortete Sasuke ehrlich. Eigentlich wusste er gar nicht so richtig, was kitzeln war. Also er wusste schon, was es war, aber ihn hatte, soweit er zurück denken konnte, noch nie jemand gekitzelt. Fakt war, er kannte das Gefühl nicht, auch wenn er um die Bedeutung des Wortes wusste.

Kakashi konnte das Sir nur ignorieren. Er mochte es nicht, so angesprochen zu werden. Das war nicht seine Welt. Kakashi schüttelte den Kopf, war froh, dass Sasuke es nicht saß, ehe er noch mal prüfte, ob der Verband richtig saß. Als er sich dessen sicher war, schmiss er Sasukes Oberteil in den Wäschekorb - er würde ihm gleich Kleidung zum Schlafen rauslegen - und bat Sasuke ihn zu folgen. Das tat der junge Mann, als Kakashi sich auf ins Gästezimmer machte. Dort öffnete er eine Schranktür und zog eine lange Stoffhose und ein langärmliges Oberteil zum Schlafen heraus. Sie hatten einen lausigen Sommer dieses Jahr, heute war das Wetter besonders schlecht, und so war es nachts ziemlich kühl. Sasuke würde also nicht schwitzen. Kakashi drückte ihm die Klamotten, samt einer frischen Boxershorts, die er aus der Schublade gefischt hatte, in die Hände, ehe er ihm eine Hand auf die Schulter legte. Er hätte sie beinahe auf dessen Schopf gelegt, wie man es bei Kindern tat. Irgendwie weckte Sasuke dieses Gefühl in ihm, aber er hatte gerade so noch abstoppen können und die Hand hatte ihren Platz auf Sasukes Schulter gefunden. Obgleich er zusammenzuckte, hoffte Kakashi er könnte ihm ein wenig Mitgefühl entgegen bringen oder die Gewissheit, dass er ihn nicht verletzte. Itachi schien zu diesen Gesten nicht in der Lage zu sein. Kakashi wusste, dass es nicht mehr lange so weitergehen konnte. Itachi musste sein Verhalten ändern, gleichwohl konnte Kakashi ihn nicht direkt zur Rede stellen. Dazu war zuviel vorgefallen. Er konnte es nicht mit vollem Herzen, ganz gleich wie viel Mitleid Sasuke in ihm erweckte.

„Hast du Hunger oder Durst?"

Er lies beabsichtigt die Hand auf Sasukes Schulter, wollte ihm zeigen, dass es keine falschen Antworten gab. Falsche Antworten gab es, seiner Meinung nach, überhaupt nicht. Es gab nur unterschiedliche Meinungen.

„Durst, Sir."

„Ich hole dir was. Zieh du dich in der Zeit um." Kakashi nahm die Hand von Sasukes Schulter und wandte sich zur Tür um ihm in der Küche etwas zu Trinken zu besorgen.
 

Sasuke zog das Langarmshirt umständlich über seinen nackten, bandagierten Oberkörper. Auch wenn seine Rücken durch die leicht betäubende Wirkung der Salbe nicht mehr so sehr schmerzte, waren diese Bewegungen Gift für eben diesen. Die Augen zusammenkneifend bückte er sich um die Schuhe aufzubinden und samt Socken von den Füßen zu streifen, ehe er sich wieder erhob und kurz durchschnaufte. Es war doch zu kotzen, dachte er, dass er sich nicht mal anständig ausziehen konnte, nur weil sein Herr ihn wirklich den ganzen verdammten Tag in dieser gekrümmten Haltung hatte lernen lassen. Sasuke hatte noch immer diese Wut im Bauch, obwohl er sie vertreiben wollte.

Er öffnete die Schnalle des Gürtels, knöpfte die Jeans auf und streifte sie samt Boxershorts ab, ehe er die frische anzog. Nachdem auch die Stoffhose angezogen war, bückte er sich erneut mit zusammengekniffenen Augen und hob die Wäsche vom Boden auf. Er behielt sie in der Hand, während er auf Kakashi wartete. Sasuke war ehrlich gewesen. Obwohl das einzige an Nahrung, was er heute zu sich genommen hatte, die Schüssel mit dem Gemisch in der Milch gewesen war, war er nicht hungrig. Seine trockene Kehle, die Schmerzen und die Müdigkeit vertrieb alle Gefühle des Hungers. Er wollte nur ein Glas Wasser und dann wollte er schlafen. Viele, viele Stunden lang, die Tage verschlafen, dieses Sommer, dieses Leben.
 

Sasuke blickte auf den Boden zu seinen Füßen und sah deswegen nicht, das Kakashi mit einem kleinen Tablett in der Hand in den Raum kam und dieses auf dem Nachttisch abstellte. Er bat Sasuke, nachdem er ihm die Kleidung aus den Händen genommen hatte, sich auf die Bettkante zu setzten und gab ihm die Teetasse in die Hand, die zuvor mit einer Flasche Mineralwasser und einem Glas auf dem Tablett gestanden hatte.

„Trink, Sasuke. Aber vorsichtig. Es ist heiß", wies er ihn an. Er wusste, andernfalls würde Sasuke es nicht tun. Deswegen befahl er Dinge. Weil er noch keine andere Möglichkeit sah.

Kakashi hockte sich vor das Bett, sodass er mit Sasuke auf einer Augenhöhe war. Er wollte versuchen ein wenig mit ihm zu sprechen und er fand es war kontraproduktiv dabei stehen zu bleiben. Er sah, dass Sasuke ganz sachte den Tee pustete. Man sah es kaum, aber genau dies war wahrscheinlich auch die Absicht des Jungen.

„Morgen ist Samstag. Da muss Itachi nicht in die Agentur. Am Wochenende musst du ihn deswegen auch nicht so früh wecken. Das heißt, du kannst auch länger schlafen."

Kakashi war sich bewusst, dass Sasuke ihm aufmerksam zuhörte, irgendwie zeigte das die Art, wie der junge Mann dort saß. Er nahm einen Schluck von dem Tee und hielt die Tasse dann wieder mit beiden Händen, während Kakashi weiter sprach: „Ich hab dir einen Wecker besorgt. Den gebe ich dir morgen, dann stellen wir den und du musst keine Angst haben zu verschlafen, wenn Itachi Montag wieder arbeiten muss. Heute Nacht bleibe ich noch hier, ich wecke dich dann morgen, also keine Sorge; Itachi wird keinen Grund haben böse mit dir zu sein."
 

Kakashi schwieg, weil er vorerst nichts mehr zu sagen wusste. Er schaute Sasuke dabei zu, wie er immer wieder einen Schluck Tee nahm. Als die Tasse beinahe leer sein musste, konnte Kakashi beobachten, wie sich Sasukes Mund zweimal kurz öffnete und sofort wieder schloss. Wollte der Junge etwa etwas sagen? Gespannt wartete Kakashi, konnte förmlich die Anspannung in der Luft spüren und hörte dann schlussendlich die leise Stimme des jungen Sklaven.

„Sir", sagte er, „darf ich eine Frage stellen?"

„Natürlich, Sasuke", antwortete Kakashi eilig.

„Master Itachi - er... wird er mich zurückbringen?" Sasuke wusste, dass man seine Frage falsch verstehen konnte. Er hatte sie ziemlich unglücklich gestellt und augenblicklich sagte er sich, er hätte den Mund halten sollen. Wahrscheinlich glaubte Kakashi nun, er wolle zurück; wolle wissen, wann er wieder zurück konnte. Irgendwie stimmte es ja auch. Er wollte zurück. Auf eine verkorkste Art und Weise hatte er Heimweh.

Aber das war wirklich nicht der Sinn hinter seiner Frage gewesen. Er hatte viel mehr wissen wollen, warum er überhaupt hier war, warum er gekauft worden war, wenn er seinem Herrn nur lästig war.
 

Als Kakashi sich bewegte, wappnete Sasuke sich für den Schlag und die Schmerzen. Er war froh, dass der letzte Rest Tee in der Tasse kaum mehr lauwarm war, sodass er sich wenigstens nicht verbrühen konnte, wenn der Schlag so heftig sein sollte, dass ihm die Tasse wegrutschte.

Doch Kakashi schlug ihn nicht. Kakashi hatte sich schlicht erhoben und nahm ihm sachte die fast leere Tasse aus den Händen, stellte sie auf das Tablett und goss Mineralwasser in das Glas, dass er Sasuke dann gab. Er bedeutete Sasuke wortlos, dass er trinken sollte und ließ seine Hände in den Taschen seiner Hosen verschwinden, ehe er zu einer Antwort auf Sasukes Frage ansetzte. Er hatte einige Momente gebraucht, um sich diese zu überlegen.

„Ich will ehrlich mit dir sein... - Ich weiß es nicht", sagte er, „Aber er braucht dich, wenn er will, dass sein Plan funktioniert."
 

Er wurde benutzt. Ihm schoss zwar nicht mehr als erstes das Wort Ware durch den Kopf, weil er nun nützlich war, aber er war doch nur ... er fand nicht mal ein Wort!

All seine naiven Kindheitsträume wurden damit zerstört, das ihn jemand gekauft hatte. Er hatte immer den Sklaven, die zurückkamen, weil ihre Master sie nicht mehr brauchten, zugehört. Er hatte auf verstanden, was sie erzählten. Aber er hatte die Dinge nie so tief an sich heran gelassen, dass sie seine Träume zerstörten. Als er noch ein Kind war, hatte er immer gehofft, dass irgendwann ein nettes Ehepaar käme, und als er älter wurde, war es ihm egal geworden wer kommen würde, aber die Hoffnung war noch immer präsent, dass jemand kam und ihn nicht kaufte, weil er aus ihm Nutzen zog, weil er ihn benutzte, sondern weil er ihm ein Leben schenken wollte; abseits von all dem.

Sein Herr aber tat alles andere als das. Es war... genau wie alle immer erzählt hatten.
 

Sasuke verabscheute die Realität. Stundenlang hatte er im Keller der Schlange auf der dreckigen Matratze sitzen und sich in fremde Welten flüchten können. Schon vorher, als er noch mit den Frauen in den oberen Etagen gewohnt hatte, hatte er das gekonnt. Sich in Welten flüchten, die wahrscheinlich kaum mit den Fantasien freier Kinder zu vergleichen waren, denn die kannten viel mehr als er, aber in seinen Tagträumen hatte er immerzu wundersame Dinge gesehen, die alles, alles so viel heller hatten erscheinen lassen. Und auch noch jetzt, mit fast neunzehn, besaß Sasuke die sonderbare Gabe, sich in Gedanken dorthin zu flüchten, wo immer er sein wollte; wenn auch seltener länger als für ein paar Minuten.

Dennoch, als seinen Fantasien zum Trotz, war er dankbar, das Kakashi so ehrlich mit ihm war. Er log ihm nichts vor, keine heile Welt und auch sonst nichts. Das linderte den Schmerz. Und es steigerte seine Achtung für Kakashi.

Sasukes Blick fiel auf das Wasserglas in seinen Fingern. Und auch das ließ Kakashi für ihn wie einen Heiligen erscheinen. Das Wasser war so sauber, die Bläschen in ihm - er glaubte er hatte mal gehört, das es Kohlensäure genannt wurde - prickelten auf seiner Zunge und im Rachen. Immer wieder, bis das Glas ganz geleert war, trank er große und minder große Schlücke.
 

Kakashi blickte auf das leere Glas in Sasukes Händen. Die Art wie dieser Junge getrunken hatte, zeigte Kakashi, dass Itachi ihm unmöglich etwas zutrinken gegeben hatte; den ganzen Tag lang nicht.

„Möchtest du noch Wasser?", fragte Kakashi deswegen und wartete gespannt auf eine Antwort. Er musste langsam zurück zu Itachi ins Wohnzimmer. Es war schon mehr als eine halbe Stunde vergangen, seit der mit Sasuke das Haus betreten hatte.

„Nein, Sir." Sasukes Stimme war leise, er ließ sich bereitwillig das Glas aus den Händen nehmen und Kakashi kam nicht auf die Idee, dass Sasuke es nur tat, um nicht gierig zu wirken, obwohl es an dem war. Kakashi stellte das Glas auf das Tablett und bedeutete Sasuke, dass er sich ins Bett legen sollte. Als das geschehen war, und der Junge sich auf seine Anweisung hin auch zugedeckt hatte, zeigte Kakashi auf die Wasserflasche, die noch auf dem Tablett stand.

„Du kannst davon trinken, wann du willst", versicherte er, blieb einen Moment stehen, zog dann die Vorhänge am Fenster zu und trat zur Tür, bei der er noch einmal stehen blieb und über die Schulter zum Bett blickte. Beinahe hätte er es vergessen, aber er erinnerte sich doch noch daran, dass er diesem jungen Mann die Erlaubnis geben musste, zu schlafen.
 

OO step backward OO
 

Sein Körper schmerzte. Von Kopf bis zu den Zehen fühlte er Dinge, die er noch nie zuvor gespürt hatte. Höllische Schmerzen. Seine Haut brannte wie Feuer, er konnte seinen Puls in den Beinen spüren. Wie tausend Nadelstiche fühlten sich die Wunden an, das getrocknete Blut auf seinem winzigen Körper kratzte. Die Pfütze in der lag, kühlte ihn aus. Er hatte es nicht mehr aufhalten können. Seine Unterhose war ganz nass, das juckte.

Und niemand war da. Er war ganz allein. Der böse Mann hatte gesagt, niemand wolle ihn haben. Niemand würde ihn hier raus holen. Niemals, nicht in tausend Jahren. Er erzählte immer Schauermärchen.

Er wimmerte, war zu schwach zum schreien; ihm war so kalt, dennoch war sein Körper nicht taub genug, um die Schmerzen nicht zu spüren. Er wünschte er könnte sich selbst betäuben. Er würde alles tun, um diesen Schmerzen, diese Leben, zu entfliehen.

Sein Lebenswillen, bröselte täglich mehr und mehr. Wenn nicht bald jemand kam, wenn ihn nicht bald jemand dort raus holte, würde er schon nicht mehr da sein. Dann wäre da nur noch der Körper des Jungen, der er einst gewesen war und an den er sich kaum mehr erinnern konnte.
 

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Fertig ist das vierte Kapitel ;) Ich hoffe es gefällt euch.

Eigentlich wollte ich hier noch nicht Stop machen, sondern noch mehr ins Kapitel packen, aber das wäre eine ziemlich lange Szene und das würde den Rahmen des Kapitels sprengen. Daher ist hier Stop und mit dieser langen Szene beginnt dann das nächste Kapitel ;)

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 5: Die verschenkte Leidenschaft


 

Kapitel 5: Die verschenkte Leidenschaft

Nur derjenige, der am empfindlichsten gewesen ist, kann der Kälteste und Härteste werden;

denn er muss sich mit einem harten Panzer umgeben.

[Johann Wolfgang von Goethe]
 

Die Stille im Wohnzimmer war keineswegs eine solche, die Kakashi erdrückte. Er war froh, das dieses Lied nicht mehr lief. Es war nicht so, dass er die Band nicht mochte, es war viel mehr so, dass er es nicht ertragen konnte, wenn Kakashi genau dieses eine Lied hörte. Rauf und runter, stundenlang. Kakashi ertrug es nicht.

Aber glücklicherweise war es still. Itachi aber saß noch immer im Sessel. Er hatte die Arme auf die Knie gestützt und seine Stirn auf die Hände gelegt und erst als Kakashi den Raum betrat und zum Sofa schritt, hob Itachi seinen Blick.

Das leere Cognacglas stand auf dem Glastisch und Kakashi seufzte versucht lautlos als er die vielen Kippen im Aschenbecher sah.

„Du rauchst zuviel", sagte er schlicht, konnte die Besorgnis aus seiner Stimme nicht vertreiben. Itachi schnaubte bloß und lehnte sich im Sessel zurück. Er versuchte den Sicheren zu spielen, Kakashi wusste das. Er hatte das immer getan. Egal was geschehen war, egal wie übel man Itachi mitgespielt hatte, er hatte immer stark sein wollen. Es war praktisch ein Wunder das Itachis beide Brüder und Kakashi doch so nah an ihn und an sein Innerstes herangekommen waren. Das nämlich versuchte Itachi durch seine harte Schale mehr zu schützen, als alles andere.
 

„Wo ist er?" Kakashi wünschte sich so sehr, dieser Satz wäre mit aller Besorgnis gesprochen, die Itachi aufbringen konnte, aber das war er nicht. Itachis Stimme war beinahe gleichgültig, wenn in ihr nicht dieser gewisse Ton mitschwingen würde, den Itachi in den letzten Tagen ständig hatte, wenn er von oder mit Sasuke sprach.

„Er schläft." Itachi schnaubte erneut.

„Geh ihn wecken", sagte er.

„Das ist nicht dein Ernst."

„Ihr bringt meinen Zeitplan durcheinander."

„Das kann nicht dein Ernst sein, Itachi."

„Er ist ein Sklave. Nur ein Sklave." Itachis Augen wirkten so leer, fiel Kakashi auf. Seine Stimme strahlte die selbe Leere, beinahe eine Art Verzweiflung aus, die Kakashi nicht hören mochte.

Kakashi schloss für einen Moment seine Lider. Er hoffte, wenn er sie wieder öffnete, sah er Itachi nicht mehr auf dieselbe Weise, auf die er ihn sah, bevor er sie schloss. Er musste sich beruhigen. Er wollte nicht zulassen, dass Sasuke verletzt wurde. Er konnte Itachi nicht verletzten.

„Itachi, hör mal“, sagte er, bevor er die Augen wieder öffnete. „So eine Aktion wie heute in deinem Büro; das darf nicht mehr passieren.“
 

Itachi schwieg nur einen Moment. Kakashi hoffte so sehr zu ihm durchgedrungen zu sein.

„Ich entscheide, was hier passieren darf und was nicht. Weil ich ihn gekauft hab, verdammt! Zum Teufel, Kakashi, geh ihn wecken!“

Bilder rauschten durch Itachis Kopf. Bilder. Bilder. Bilder. Und keines davon wollte er sehen. Er war nicht dazu bereit, mit Kakashi zu diskutieren. Nicht heute und auch sonst wann nicht; aber auf keinen Fall heute.

„Geh ihn einfach wecken.“

„Nein!“, sagte Kakashi ruhig. Aber unnachgiebig. „Wenn du ihn unbedingt aus dem Schlaf reißen willst, dann tu es gefälligst selbst. Ich mach das nicht.“

Kakashi traf Itachis Blick. Konfus, schoss es ihm durch den Kopf. Hinter der steinernen Maske war Itachi verwundert, dass er es nicht tat, aber Kakashi hatte einen Plan, wenn auch einen sehr unsicheren. Er würde es eher eine Hoffnung als einen Plan nennen. Er hoffte, Itachi, wenn er Sasuke wecken ging, würde von dem Anblick erweicht, der ihn erwartete. Einen bandagierten, erschöpften Sasuke, der hoffentlich schon friedlich schlummerte.
 

Itachi erhob sich mit versteinerter Miene. Würde er den Bengel halt wecken gehen. Seinen Zeitplan ließ er sich nicht durcheinander bringen. Selbst dann nicht, wenn es sich um so etwas profanes wie das Zubereiten des Abendessens ging. Er hatte nicht mal besonders Appetit, aber schon vor einer halben Stunde hätte Sasuke mit dem Kochen beginnen sollen, damit Itachi sich danach um den verhauenen Test kümmern konnte und sie beide zeitig ins Bett gingen. Itachi hatte schließlich keinesfalls vor, den Sklaven morgen früh ausschlafen zu lassen. Sie hatten viel zu tun. Würde der Bengel ihm entgegen kommen, könnte er ihn auch mit mehr Lockerheit behandeln; dann könnte er ihm am Wochenende eine Stunde mehr Schlaf einräumen. Wenn er die Welt besser kapieren würde, müsste Itachi ihm nicht so viel beibringen. Dann wäre alles einfach. Aber dieser Sklave war einfach nur unselbstständig und stur. Itachi konnte solche Menschen nicht leiden.
 

Er öffnete die Tür zu seinem Gästezimmer, spürte Kakashis Präsenz in seinem Rücken, als er den Raum betrat und mit vor der Brust verschränken Armen aufs Bett hinunterblickte.

Was sollte das alles, dieser Humbug?! Er hatte einen verdammten Zeitplan und keinen Bock den völlig über den Haufen zu werfen, nur weil Kakashi dachte, den Bengel um kurz nach acht ins Bett schicken zu müssen. Itachi blickte den Mann, der mehr als jeder andere Nicht-Uchiha bei ihnen Ein und Aus gegangen war, über die Schulter hinweg an und schnalzte mit der Zunge.

Ohne weiter mit der Wimper zu zucken, stieß er Sasuke gegen das zugedeckte Bein, einmal, zweimal, ehe der Bengel die Augen öffnete, wenige Sekunden lang blinzelnd liegen blieb und dann die Decke zurückschlug und mit zusammengepressten Lidern und schmerzhaft verzogenen Lippen neben dem Bett auf die Knie sank.

Kakashi eilte sofort an Sasukes Seite. Ohne den Jungen zu fest anzupacken, half er ihm auf und raunte ihm zu, er solle an seine Verletzungen denken.

Nun neben Sasuke stehend konnte er die rechte Hälfte von Itachis Gesicht ansehen. Die geschwungene Nase, die dunkle Strähne, die ihm ins Gesicht fiel, die markanten Wangenknochen. Itachi war ein hübscher Mann.
 

Itachi sah Sasuke nicht wirklich. Kakashi ging so weit zu sagen, dass Itachi sich nicht erlaubte, den Jungen genau anzusehen. Klar, sein Blick lag schon hin und wieder auf ihm, aber Kakashi meinte eine andere Art des Ansehens. Er meinte die Art, mit der man einen Menschen anschaute, sodass er real wurde. Ein lebendes Wesen, aus Fleisch und Blut, mit einer Geschichte, mit Gefühlen, Träumen und Bedürfnissen. Itachi hatte seinerzeit angefangen, sich eine Geschichte zu erfinden, die er für sein Leben hielt. Die ganze Sache rund um Sasuke war nur ein Teil des großen Ganzen. Deswegen schaute er ihn auch nicht an. Sasuke war die Person, die Itachi aus diesen Illusionen reißen konnte. Nur durch seine Präsenz bröselte die Mauer, die Itachi um sich herum errichtet hatte.

Itachi war kein Gutmensch, aber er war auf seine Weise anständig. Er arbeitete hart, behandelte seine Angestellten mit einer gewissen Distanz, aber er zahlte gut und war kein schlechter Boss. Itachi belastete andere Menschen nicht mit seinen Problemen, er hatte einen Weg gefunden, mit allem klar zu kommen, auch wenn Kakashi glaubte es war der falsche. Es war nicht Itachis Fehler. Es war ihrer aller Fehler.
 

Nur Sasukes Fehler, der war es nicht.

Kakashi schreckte aus seinen Gedanken, als er Itachis Schritte auf dem Parkett vernahm und sah, wie dieser mit verschmähter Miene den Raum verließ. Itachi war wohl nicht mit der Art einverstanden, mit der Kakashi Sasuke behandelte. Aber er konnte nicht zulassen, dass der Junge seine verletzten Knie so beanspruchte. Eigentlich sollte er sich hinlegen und ausruhen. Doch wenn Kakashi ihn nun dazu anhielt, würde Itachi ihn erneut holen und irgendwann, dessen war sich der Hatake bewusst, würde auch Itachis Geduldsfaden reißen und er schmiss Kakashi wirklich raus. Einmal war dies geschehen. Seitdem versuchte Kakashi nicht mehr über die Sache zu sprechen, die vor so vielen Jahren geschehen war. Itachi sprach nie darüber. Gäbe es nicht seine schwachen Momente, wie jener vor nicht mehr als einer Stunde, denen Kakashi beiwohnte, würde er glauben, für Itachi war all das nie geschehen. Aber Kakashi wusste, dass es geschehen war. Er würde es niemals vergessen.
 

Kakashis Blick wanderte zu Sasuke. Völlig verängstigt starrte der auf seine Füße. Sasuke musste davon überzeugt gewesen sein, schlafen zu können. Aber sein Herr hatte ihn geweckt. Wahrscheinlich fürchtete er die Konsequenzen, von denen Itachi in der Agentur gesprochen hatte. Warum hatte er den Jungen auch nicht etwas sanfter wecken können?

Kakashi legte mit aller Vorsicht eine Hand auf Sasukes Rücken, genau zwischen den Schulterblättern und hoffte ihn nicht zu schmerzen mit dieser Geste, die gut gemeint war.

„Hab keine Angst. Komm einfach mit", sagte er und über nur ganz leichten Druck mit der Hand aus um Sasuke zu bedeuten, er solle vorwärts gehen. Kakashi öffnete die Tür, indem er seinen Arm an Sasuke vorbei nach vorne streckte und ließ den Jungen durchgehen. Er schloss sie hinter ihnen beiden wieder. Von hier an, ging er vor, anstatt Sasuke in eine Richtung zu dirigieren. In der Küche stand Itachi neben dem geöffneten Fenster an der Wand gelehnt mit einer Kippe in der Hand.
 

Kakashi konnte nicht fassen, wie eiskalt Itachi jemanden anschauen konnte. Er hatte diesen Blick nie auf sich spüren müssen, egal wie sauer Itachi auf ihn war. Es hatte immer tausend andere Blicke gegeben. Auch jetzt traf er nicht ihn. Itachis Augen lagen auf Sasuke. Das war so falsch. Sasuke hatte nichts Unrechtes getan. Er war verletzt und er brauchte Ruhe. Dankbar hatte er schlicht die angenommen, die Kakashi ihm gönnen wollte.

Der Hatake wandte sein Augenmerk ebenfalls Sasuke zu. Obwohl dieser zu Boden schaute, hatte er die Stimmung im Raum bemerkt. Itachis kalte Wut. Das ängstigte ihn offensichtlich. Doch Kakashi konnte nichts tun, er konnte nur beobachten, wie Itachi seine Zigarette aus dem Fenster schnippte, sich von der Wand abstieß und sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor Sasuke aufbaute. Seine Stimme hatte diesen gleichgültigen Ton angenommen, den Kakashi nicht leiden mochte.

„Mach etwas zu essen", befahl er und als Sasuke nicht sofort spurte, sagte er lauter, noch härter und noch unnachgiebiger: „Sofort!"
 

Sasuke schluckte. Er war mit solch einem Befehl völlig überfordert. Er konnte gar nicht gehorchen. Ohne einen blassen Schimmer, wo irgendwelche Lebensmittel und Kochutensilien waren und ohne eine Ahnung, was sein Herr essen mochte, konnte er doch nicht anfangen zu kochen. Himmel, er wusste ja nicht mal ob er überhaupt kochen sollte oder schlicht ein Brot zubereiten oder etwas aufwärmen.

Wenn er nicht so schrecklich müde wäre, wüsste er vielleicht eine Möglichkeit seinen Herrn zu fragen, was er denn zubereiten sollte. Aber Sasuke war zu erschöpft. Seine ohnehin schon schmerzenden Beine pochten vor Müdigkeit und der Anstrengung seines Standes. Es fühlte sich an, als würde stetig jemand Sasukes Schädel zusammendrücken, so sehr schmerzte sein Kopf.
 

Just in diesem Moment stach das Pochen in seinem Kopf so heftig, dass seine Hand ganz von selber Richtung Schläfe wanderte und dagegen drückte. Verdammt! Er musste den Kopfschmerz beruhigen, musste die Pein abflauen lassen; aber schnell! Er brauchte einen klaren Gedanken um den Befehl seines Herrn Folge zu leisten. Er hatte nicht zu verweigern.

Sasuke hing verzweifelt in seinem Schmerz und der Unsicherheit, dass er die Bewegung seines Herrn nicht kommen sah. Er sah nicht mal die Augen, die vor Wut schimmerten. Sah auch nicht die Ausweglosigkeit in ihnen. Erst als er einen Luftzug spürte, blickte er auf und sah die Hand Kakashis vor sich, die um das Gelenk derer seines Herrn geschlungen war. Er sah Kakashis Fingerknöchel weiß hervorstechen.

Sein Herr hatte ihn schlagen wollen, weil er den Befehl verweigerte, doch Kakashi schütze ihn mit seiner eigenen Hand. Er hielt die seines Herrn eisern im Griff. Warum? Wieso für ihn?

Sasuke verstand die Welt, in die er nun hinein geschmissen wurde, nicht, weil er nie gelernt hatte in ihr zu leben. Doch nun verstand er auch die Welt die er kannte nicht mehr, denn es gab jemanden, der ihn schützte.
 

„Hast du vergessen, wie sehr Ohrfeigen schmerzen können, Itachi?"
 

Itachi ließ die Schmerzen, die der Sklave wegen ihm erlitten hatte, nicht an sich heran. Er wusste nicht, das Kakashi ihn versorgt hatte. Er konnte es nur vermuten. Die Verbände an den Knien des Sklaven und die Pflaster auf seinem Gesicht, sah Itachi durch den Schleier seiner Empfindungen nicht. Solange er die Pein des Sklaven nicht an sich ranließ, würde eben dieser kein Mensch für ihn. Itachis Bestreben war es, genau das zu verhindern. Die Menschlichkeit eines Sklaven zu sehen könnte womöglich die Mauer um ihn herum zum einreißen bringen. Das wollte er nicht verantworten.

Aber er hatte sich vorgenommen den Sklaven, den er zu sich holte nicht aus Wut zu schlagen. Er vermutete er müsste Züchtigungen als Konsequenzen einsetzten, sollte die Ausbildung nicht so klappen, wie er es geplant hatte. Aber die Wut sollte ihn nicht so blind machen, dass er eine Ohrfeige als Ventil benutzte. Auch das würde seinen Plan durcheinander bringen.
 

Itachi wollte Kakashis Spruch nicht an sich heran lassen. Er hatte es nicht vergessen. Dies je zu können stand außer Frage. Er würde vergessen, wenn der Tag seines Todes gekommen war. Vorher nicht. Aber er konnte es von sich abspalten. Der Mensch der er heute war, musste nichts mit dem Kind von damals gemein haben. Sich dessen erneut glauben machend löste er sein Gelenk aus Kakashis Hand. Es war einfach. Kakashi hatte seinen Griff schon gelockert.

Itachi schritt ohne ein weiteres Wort und ohne einen weiteren Blick aus der Küche in den Flur. Die Tür schloss er. Er wollte ins Wohnzimmer zum Esstisch und dort warten, dass der Sklave tat, was er ihm aufgetragen hatte, doch der Spiegel im Flur hielt ihn auf.

Itachi schaute in dunkle Augen. Augen, so erzählte man, erzählten Geschichten. Nein, sagte er sich, ihm erzählten sie nichts. Gleichgültig blickte sein Spiegelbild ihn an.

Gleichgültigkeit; was für eine niedere Eigenschaft. Oh, wie sehr sie schützen konnte. Er hatte vor Ewigkeiten begonnen eine gewisse Ausdruckslosigkeit zu entwickeln. Die Dinge, die um ihn herum geschahen wurden immer mehr zu unbedeutenden Geschehnissen. Sie wurden belanglos, weil er lernte, all das abzutöten, was ihn verletzbar machte. Dass er damit die Fähigkeit verschenkte Leidenschaft zu empfinden - Leidenschaft in Liebe; Leidenschaft in Musik; Leidenschaft in Sex - nahm er in Kauf. Er akzeptierte die Tatsache niemals wieder diesen Rausch zu spüren, der entstand, wenn man etwas tat, was man wirklich... liebte.
 

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In der Küche wog Kakashi die Möglichkeiten ab. Er konnte Sasuke jetzt kochen lassen, aber der Junge war müde. Er war wahrscheinlich müder, als er es selbst je im Leben gewesen war. Kakashi glaubte dies hier war keine Müdigkeit die ihren Ursprung im nicht ausreichendem Schlaf fand. Es war viel mehr eine solche, die daher rührte, dass die Schmerzen Körper und Geist auslaugten. Es wollte es nicht verantworten, dass Sasuke in diesem Zustand mit einem Schneidemesser oder gar einem Herd hantierte.

Am liebsten wäre es Kakashi ihn ins zu Bett schicken. Doch er fürchtete, dass Itachi ihn wieder und wieder wecken würde. Ihm schoss durch den Kopf, dass er Sasuke mitnehmen und ihm auf der Wohnzimmercouch einen Schlafplatz für die Nacht herrichten könnte. Aber was täte Itachi dann? Er konnte Sasuke nicht mithilfe des Staates zurück verlangen, denn Sklavenhaltung war in Deutschland per Gesetz verboten. Vor jedem deutschen Richter und in jedem deutschen Gerichtssaal würde man ihm Recht geben. Und auf Itachi wartete dann eine langjährige Haftstrafe, egal wie viel Geld er in seine Unschuld investierte. Doch genau das war es, warum Kakashi all dies nicht tun konnte. Er wollte Itachi nicht als Gefangenen sehen. Dafür, sagte er sich, musste er akzeptieren, dass Sasuke ein Gefangener war. Kakashi seufzte schwer. Irgendwann brachte ihn diese Geschichte um. Er konnte nicht beide schützen und noch glaubte er nicht, jemals bereit zu sein Sasukes Leben über Itachis zu stellen, aber dass hatte nichts damit zu tun, dass Sasuke ein Sklave war und Itachi nicht. Er würde auch niemals sein Leben über Itachis stellen können.
 

Kakashi rief sich dennoch in Bewusstsein, dass der Junge erst achtzehn Jahre alt war. Er brauchte Schlaf. Es war nur schädlich für Sasuke weiter hier zu stehen und die Schmerzen seines Körpers und die Müdigkeit zu erleiden. Deswegen wandte Kakashi sich dem Jungen zu. Er blickte ihn eine Weile lang an. Die mit Mühe geöffneten, aber zu Boden blickenden Augen. Das Haar, das stumpf und alles andere als gesund wirkte. Sasuke brauchte nicht nur die richtigen Pflegeprodukte, sondern auch die richtige Ernährung um wie ein gesunder, gepflegter, freier Mann zu wirken.

Eine Hand hielt der Junge gegen seine Schläfe gepresst, die andere, Sasukes Schreibhand, hing hinunter und die Finger zuckten immer wieder unkontrolliert. Sie war ohne Zweifel überanstrengt.
 

Der Hatake hob seine Hand ein Stück, um sie Sasuke auf die Schulter zu legen, besann sich aber eines besseren. Er wäre beinahe geschlagen worden. Sicherlich wollte er keinen Körperkontakt.

„Am Besten gehst du wieder schlafen“, sagte Kakashi. Zur Not würde er Itachi halt was kochen. Er verstand nicht, was der sich so anstellte. Er war gewöhnt für sich selbst zu kochen. Warum musste dann der verletzte, müde Sasuke das tun? Wegen eines Zeitplanes; was für ein Bullshit!

Sasuke hielt den Kopf gehorsam gesenkt, machte aber keine Anstalten den Raum zu verlassen, um ins Bett zu gehen. Kakashi wollte gerade zu einem direkteren Befehl ansetzten, als er die leise Stimme des jungen Sklaven vernahm: „Es ist ein Befehl vom... Master. Ich muss das tun.“

Wieder war dieses Stocken vor dem Wort Master vorhanden, aber Kakashi war sich immer noch sicher, dass es nicht aus Widerstreben da war, sondern weil Sasuke schlicht nicht genau wusste, wie er Itachi zu titulieren hatte. Doch mehr als das überraschte Kakashi die Tatsache, dass Sasuke gegen ihn sprach, gegen das, was er ihm aufgetragen hatte.

Doch dann viel es ihm wie Schuppen von den Auge. Er war das kleinere Übel. Er hatte Sasuke geschützt und ihm davor noch gesagt, vorhin im Bad, dass er ihn nicht schlug. Deswegen leistete Sasuke lieber ihm Widerstand als seinem Herrn. Das musste ein Überlebensmechanismus des Jungen sein. Obwohl Kakashi ihn gerne ins Bett schicken wollte, lies er es und respektierte die Entscheidung des Jungen. Auch dies könnte fördernd für die Entwicklung dessen sein.
 

Nickend wandte Kakashi sich ab und schritt zur Küchentheke des Uchiha, öffnete gezielt Schränke und warf einen Blick in diese. In einem fand er ein Paket Reis, dass er auch die Arbeitsfläche abstellte. Im Gemüsefach fand er Paprika, Zwiebeln und Tomaten. Er wusch das Gemüse, das gewaschen werden musste und legte es zum Reispaket, stellte noch ein paar Fläschchen Gewürze dazu und winkte Sasuke zu sich. Sofort kam der Junge angetrottelt. Seine Schmerzen konnte er dabei aber nicht verstecken, weswegen Kakashi ihm eilig die Paprika und die Tomate, samt einem Schneidebrettchen und einem Messer in die Hand drückte und ihn bat, sich an den Tisch zu setzten und vorsichtig das Gemüse zu schneiden. Er selbst erhitzte Wasser in einen Topf und gab zwei Reisbeutel dazu, bevor sich daran machte die Zwiebeln zu schälen und zu schneiden. Als er damit fertig war und sich zu Sasuke umdrehte, sah er, dass auch der Junge mit seiner Arbeit fertig war. Er ging mit einer kleinen Schüssel zu ihm, nahm das Gemüse und tat es darein. Das Gefäß stellte er auf die Arbeitsfläche, bevor er begann Zwiebeln mit ein wenig Öl in der Pfanne anzubraten. Später gab er Paprika und Tomaten dazu, dann den Reis und würzte anständig. Er war erleichtert, dass Sasuke ihn machen ließ, aber anscheinend tat er dies nur, weil er nichts zu tun wusste, solange man ihm keine Befehle gab. Während die Reispfanne vor sich her köchelte schmiss Kakashi den Gemüseabfall in den Bioeimer und räumte die Gewürze wieder weg. Die benutzten Messer und das Schneidebrettchen gab er samt den Topf in die Spülmaschine. Als die Küche wieder auf Vordermann gebracht war, war auch das Essen fertig. Kakashi blickte zu Sasuke und fragte mit ruhiger Stimme: „Hast du doch Hunger?“

„Nein, Sir“, sagte Sasuke und wusste, dass es eine Lüge war. Er hatte schon Hunger, aber noch viel eher war er hundemüde. Er wollte nur noch Schlafen und außerdem: Die Erlaubnis von seinem richtigen Herrn, dass er essen durfte, hatte er auch nicht. Also war es besser hier zu lügen, obwohl ihm auch das verboten war.
 

Kakashi nickte erneut und füllte einen Teller. Er gab Sasuke drei Gläser in die Hand, nahm selbst Besteck und ging dann mit dem Jungen ins Wohnzimmer. Itachi saß am Esstisch und blickte aus dem Fenster. In seiner Hand hatte er wieder eine Zigarette. So viel hatte er noch nie geraucht, fiel Kakashi auf. Er stellte die den Teller vor Itachi auf den Tisch, legte das Besteck dazu, nahm Sasuke die Gläser aus der Hand und richtete sie ebenfalls auf dem Tisch an. Er goss sich selbst und Sasuke ein Glas voll Mineralwasser ein, dass in einer Glasflasche auf dem Tisch stand. Itachi konnte das selbst tun, wenn er Durst hatte. Ein Glas hatte er ihm schließlich mitgebracht.

Kakashi setzte sich seitlich neben Itachi, der am Kopfende des Tisches thronte und schaute Sasuke an, der auf eine hilflose Art und Weise ein Stück weit vom Tisch weg im Zimmer stand.

„Setzt dich hin“, sagte er und klopfte auf den Stuhl zu seiner Linken. Doch bevor Sasuke sich in Bewegung setzten konnte, erhob Itachi seine Stimme.

„Nein“, entschied er und schaute Kakashi an, bevor sein Blick zu Sasuke wanderte. Erneut blickte er durch ihn hindurch. „Du bleibst da stehen und wenn ich gegessen habe, kümmern wir uns um deine Unzulänglichkeiten bei den heutigen Testblättern.“
 

Sasuke schluckte. Er konnte nicht mehr! Sein ganzer Körper schrie nur noch nach Erholung. Er zitterte vor Erschöpfung, seine Hand zuckte. Alles schmerzte. Seine Knie, seine Beine, seine Hand, der Kopf, die Wunden im Gesicht, sein Rücken. Er wollte nur das es vorbei ging. Er wollte nur in einen Schlaf driften, der einer Bewusstlosigkeit glich. So sehr hatte er das noch nie gewollt. Sasuke schloss die Augen. Er konnte kaum das Glas halten, dass Kakashi ihm gegeben hatte.

Warum konnte sein Herr ihn nicht einfach wegschicken? Zurück zur Schlange oder wenigstens, wenigstens in den Flur. Er war so müde, dass ihm nicht mal vor einer Bestrafung graute. So wenig, dass er sich unbeobachtet von seinem Herrn irgendwo hinsetzten und dem Schlaf nachgeben würde. Doch stattdessen musste er hier stehen, er bekam kaum die Augen wieder auf und - Gott, der konnte diese Schmerzen und die Müdigkeit nicht mehr ertragen!

Was bezweckte sein Herr damit ihn bis zur Bewusstlosigkeit wach zu halten? Was bezweckte er damit, ihn zusehen zu lassen, während er selbst aß? Wie konnte er das, wenn er seinem Sklaven noch kein einziges Mal etwas zu essen oder zu trinken gegeben hatte?

Sasuke schaute zu Kakashi. Er hoffte seinen Blick aufzufangen, obwohl er seinen Kopf eigentlich nicht mal heben, geschweige den freien Menschen in die Augen schauen durfte. Aber Kakashis Blick, so hoffte Sasuke, bedeutet Trost. Und das war es, was er nun am dringendsten brauchte.

Trost und Heilung.
 

Wie konnte Itachi das nur tun, fragte sich der Hatake. Er wusste vielleicht nicht mit Sicherheit wie sehr Sasuke unter den Schmerzen und der Erschöpfung litt, die der Tag in ihm ausgelöst hatte. Aber er musste es sich doch denken können. Selbst wenn er Sasuke nicht wirklich ansah, musste sein gesunder Menschenverstand ihm sagen, dass es dem Jungen nicht gut gehen konnte. Kakashi spürte wie Sasuke seinen Blick sucht und lächelte ihm aufmunternd zu. Noch eine kleine Weile, dann würde Itachi seine Mahlzeit aufgegessen haben und hoffentlich, hoffentlich ließ er Sasuke dann schlafen.

Kakashi wurde sich bewusst, dass er einen Weg finden musste, der Itachi dazu brachte, anders mit Sasuke umzugehen. Sonst würde er den Jungen nur noch mehr kaputt machen, als er es eh schon war. Sasukes Willen war beinahe gänzlich gebrochen. Noch ein paar Tage unter dieser Behandlung und auch das letzte Fünkchen Leben in Sasukes Augen würde erloschen sein. Das konnte er doch nicht zulassen! Aber wie sollte er es verhindern, ohne Itachi zu schaden. Mein Güte, dachte Kakashi dann und schaute den Mann an, den er schon gekannt hatte, als jener noch Windeln und Latzhosen trug. Er erinnerte sich noch daran, dass der kleine Zwerg, als den er Itachi kennengelernt hatte, niemals irgendwohin gegangen war, ohne seinen Schnuller im Gepäck zu haben. Meine Güte, dachte er und schaute Sasuke an, den er erst seit wenigen Tagen kannte. Was hatte Itachi sich nur bei dieser Sache gedacht?!
 

„Es wird nun Zeit, dass wir etwas gegen deine Dummheit unternehmen." Itachis Stimme war beherrscht. Aber ein wenig Spott lag in ihm. Itachi war immer, ohne viel Anstrengung gut in der Schule gewesen. Aber das war kein Grund Sasuke so zu verspotten. Kakashi schaut einen Moment lang auf den Esstisch um sich von der aufkommenden Wut abzulenken. Der Teller stand leer vor Itachi, das Glas war unberührt, während der Aschenbecher gefüllt war. Kakashi blickte wieder hoch und sah Itachi mit verschränkten Armen gegen die Rückenlehne des Stuhls lehnen.

Der Hatake wusste, dass Sasuke zusammengezuckt war ohne es zu sehen. Er musste große Angst haben. Kakashi fragte sich, was Itachi geplant hatte. Wie er Sasuke für den Test bestrafen wollte, den der Junge unter den gegebenen Umständen einfach nicht besser hatte beantworten können. Er brauchte jemanden der mit ihm lernte, anstatt ihm Bücher hin zu legen, Aufgaben anzukreuzen und Tests durchzuführen. Für einen Jungen wie Sasuke war dies nämlich die denkbar verkehrteste Methode.
 

Weil der Sklave sich nicht von der Stelle bewegte, befahl der Uchiha mit harscher Stimme: „Beweg gefälligst deinen Arsch hier her.“

Erneut zuckte Sasuke zusammen. Er hoffte, dass es der Müdigkeit halber war; er konnte doch nicht immer zusammenzucken, sobald sein Herr das Wort an ihn richtete. Aber er hatte eine Scheißangst! Er wusste nicht, was sein Herr vorhatte. Sasuke glaubte in seiner jetzigen Verfassung keinen einzigen Schlag aushalten zu können. Weder einen mit dem Gürtel, den sein Herr trug, noch einen mit dessen flachen Hand. Trotzdem ging Sasuke näher. Bewegte seinen Arsch dorthin. Seinen Arsch! Bitte nicht, flehte er innerlich. Lass ihn alles tun, nur das nicht. Sasuke würde sterben, wenn er diese Nacht entjungfert würde - er hatte so viele schrecklich schlimme Geschichten hören müssen. Bitte, bitte, bitte, flehte er auch dann noch als er schon vor seinem Herrn stand. Das beinahe volle Glas hielt er nach wie vor in der Hand. Wo sollte er es auch abstellen? Er wusste ja nicht mal ob er das durfte - das Glas abstellen.
 

„Pass auf“, hörte er die Stimme seines Herrn. Dieses Mal zuckte er nicht zusammen. „Ich wiederhole mich nicht, merk dir das. Du hast jedem meiner Befehle umgehend zu befolgen, ansonsten trägt das Konsequenzen mit sich. So wie die Konsequenzen, die der heutige Test mit sich zieht.“

Sasuke starrte zu Boden. Was würde sein Herr tun? Wie würde er ihn strafen?

„Du hast es nicht mal geschafft, dir den Stoff einzuprägen, denn du heute lernen solltest. Ich verlange, dass dein Allgemeinwissen Top ist. Ich werde dich im Bezug zu diesen Tests nicht schlagen, denn nicht mal ich kann Intelligenz hineinprügeln“, stellte sein Herr klar. Sasuke spürte die Erleichterung durch seinen Körper rasen.

„Stattdessen wirst du zu jeder falsch beantworteten Frage die richtige von einem Lösungsblatt, das ich dir geben werde, notieren. Ich erwarte, dass es morgen früh fertig ist.“ Damit beendete Itachi seine Ansprache, die so untypisch für ihn war. Aber er sah sie als nötig an, deswegen ließ er sich dazu herb so viel mit dem Sklaven zu sprechen. Wenn er einmal verstanden hatte, musste er die Sache keine zehn Mal stückchenweise erklären. Itachi griff zu der Arbeitstasche, die neben seinem Stuhl stand und zog sowohl Papier und Stift, den Bogen mit dem Lösungen des heutigen Tests sowie eben diesen heraus und legte alles auf den Tisch. Danach erhob er sich und schob den Stuhl ein Stück an den Tisch heran.

„Du weißt, was du zu tun hast. Ich werde schlafen gehen“, sagte er währenddessen, wandte sich um und verschwand, ohne Kakashi oder gar Sasuke eine gute Nacht zu wünschen aus dem Raum.
 

Obwohl sein Herr ihm dieses Mal eine klare Ansage gab, was er zu tun hatte, blieb Sasuke ratlos dort stehen, wo er stand. In einem unbeobachteten Moment fuhr er sich über die Augen. Er sollte die Sache hinter sich bringen. Aber was brachte das? Er musste eh die Nacht wach bleiben. Von seinem Herrn hatte er nicht die Erlaubnis zu schlafen und da er nicht wusste, wann sein Herr wach wurde und seine Berichtung kontrollieren wollte, konnte er nicht mal ein wenig dösen. Er fürchtete, sein Herr würde ihn dabei erwischen. Welche Konsequenzen das mit sich ziehen sollte, mochte er gar nicht wissen. Dennoch wusste Sasuke dass es nahezu unmöglich war, die ganze Nacht wach zu bleiben. Er war so müde.

„Setz dich", hörte er Kakashis sanfte Stimme. Er hatte ganz vergessen, dass der Mann noch im Raum war. Seine Schmerzen, seine Erschöpfung und all die Sorgen nahmen ihn ein, packten ihn in eine Kapsel, zu der der andere erst durchdringen konnte, als er ihn berührte. Sachte legte Kakashi seine Hände an Sasukes Oberarme und dirigierte ihn zu dem Stuhl, den Itachi vorher in Anspruch genommen hatte.

Sasuke genoss das weiche Polster unter seinem Hintern und in seinem Rücken. Er konnte sich nicht daran erinnern, je auf so einem gemütlichen Stuhl gesessen zu haben. Am morgen hatte er in der Küche gesessen. Der Stuhl war auch gemütlich gewesen, aber nichts im Vergleich zu diesem hier. Er wünschte, er dürfte seinen Kopf einfach gegen die Lehne fallen lassen und einschlafen. Aber es gab Aufgaben zu erledigen, weswegen er artig sitzen blieb und darauf wartete, was Kakashi von ihm wollte. Würde er ihm einen Platz zuweisen oder dürfte er vielleicht sogar hier sitzen bleiben um die Berichtigung zu schreiben?

Träum nicht Sasuke, sagte er sich dann. Selbst Kakashi würde ihn nicht an diesem Tisch auf diesem Stuhl sitzend die Aufgaben erledigen lassen. Er war nur ein Sklave. Er würde nie etwas anderes sein. Je schneller er diese Tatsache akzeptierte, desto eher würde es einfacher werden.
 

Sasuke hielt seinen Blick zu Boden gesenkt, obwohl er viel lieber schauen wollte, was der andere im Raum tat. Weil er es nicht sehen konnte und weil er nicht wusste, was er tun sollte, fragte er leise:

„Darf ich aufstehen, Sir?"

„Natürlich", hörte er die Antwort, die ihn sehr erleichterte. Er griff nach den Unterlagen und dem Stift auf dem Tisch und ging mit all dem in die nächstbeste Ecke. Er wollte mit den Aufgaben anfangen, wusste nicht wie viel Arbeit es sein würde, die ganzen Lösungen neu zu schreiben und sich diese zu merken. Vor allem das würde in seinem erschöpften Zustand schwer werden. Aber wenn sein Herr ein Top Allgemeinwissen verlangte, musste er es bekommen. Sasuke hatte gelernt, alles zu tun, was sein Herr verlangte.

Gerade als er sich in der Ecke auf dem Boden niederlassen wollte, hörte er wieder Kakashis Stimme.

„Nein nein, setz dich wieder auf den Stuhl."

Sasuke wollte vor Verzweiflung schreien. Aber natürlich tat er es nicht. Er konnte sich nicht erinnern, je im Leben geschrien zu haben. Außer vor Schmerzen. Aber dieses Schreien meinte er nicht. Vielleicht, dachte Sasuke, konnte er das gar nicht.

Warum gab man ihm erst die Erlaubnis sich zu erheben, nur um ihn, sobald er sich in eine stille Ecke niederlassen wollte, wieder zurückzurufen.

Dennoch gehorchte Sasuke. Er ging zurück zum Tisch, setzte sich auf den Stuhl und behielt die Unterlagen und den Stift auf dem Schoß.
 

„Ich möchte nicht, dass du auf dem Boden schreibst", sagte Kakashi und bedeutete Sasuke die Unterlagen auf den Tisch zu legen. Der Junge leistete Folge. Das war es also. Kakashi wollte ihn nicht ärgern, er wollte ihm helfen. Obwohl der Mann in den ganzen Stunden, die sie einander nun kannten, noch nichts anderes getan hatte, wollte diese Tatsache sich noch nicht vollkommen in Sasukes Gedächtnis festigen. Das wäre eine Art Vertrauen. Doch dies aufzubauen war zu viel verlangt für solch eine kurze Zeit. Dennoch begann Sasuke damit sich die erste richtige Lösung zu seiner falsch beantworteten Frage durchzulesen. Es war eine lange Antwort. Er warf einen Blick auf die Lösungsblätter und stellte fest, dass die meisten Antworten lang waren. Er würde Stunden beschäftigt sein. Vor allem da er beinahe kaum eine Frage komplett richtig beantwortet hatte.

Aber all die Gedanken brachten doch nichts. Er sollte einfach anfangen. Vielleicht könnte er dann, wenn er fertig war, doch noch eine Stunde oder zwei schlafen. Vielleicht würde Kakashi ihn auch rechtzeitig wecken. Er hoffte, da würde sich eine Lösung finden. Die ganze Nacht und auch noch den nächsten Morgen nicht schlafen würde er keinesfalls schaffen.

Sasuke öffnete die Kappe des Stiftes und begann die ersten Zeilen ordentlich niederzuschreiben und sie sich gleichzeitig einzuprägen. Er fürchtete, sein Herr würde ihn am nächsten Morgen erneut abfragen. Wenn er dann wieder schlecht war, schlug er ihn vielleicht doch.
 

Kakashi fiel auf, welch eine schöne Handschrift Sasuke hatte. Er schrieb kleine Druckbuchstaben ohne viele Schnörkel. Dafür dass er in seinem Leben nicht allzu viel hatte schreiben können - das vermutete Kakashi jedenfalls - war die Schrift wirklich sehr ordentlich. Es wirkte eindeutig so, als wüsste Sasuke genau, welche Buchstaben er schrieb und nicht so, als würde er nur die Striche und Rundungen nachzeichnen. Dennoch fragte sich Kakashi, wie der Junge es durchhalten sollte, diese vielen, vielen Zeilen zu schreiben, wo er doch schon so müde war. Außerdem hatte der Hatake genau gesehen, wie sehr Sasukes rechte Hand vorhin gezittert hatte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass er mehr als zwei Seiten mit einer sowieso schon überanstrengten Hand schreiben konnte. Zudem war der Junge so erschöpft und hatte Schmerzen. Es musste die Hölle bedeuten, nun dort zu sitzen, diese Aufgabe zu erledigen und dass alles ohne sich beschweren zu können. Sasuke wusste, dass er ein Sklave war. Er wusste auch, dass es ihm als Sklaven nicht zustand, gegen seinen Herrn zu sprechen oder einem Befehl nicht Folge zu leisten. Kakashi fand, dass war eine schreckliche Tatsache, denn der eigene Körper wusste immer noch am besten wann eine Grenze erreicht war. Sasukes Körper schrie. Er versuchte sich zu wehren, indem er zitterte, schmerzte - indem er rebellierte. Aber Sasuke konnte das nicht. Rebellieren. Weil er, anders als sein Körper, glaubte keinen freien Willen zu besitzen. Das war die Schuld von Menschen die wie Hidan waren.
 

Er musste den Jungen dazu bringen auf seine körpereigenen Warnungen zu hören. Sie waren ja nicht ohne Grund vorhanden.

Sasuke sollte einen freien Mann spielen. Freie Menschen achteten zwar auch nicht immer auf das, was ihr Körper ihnen sagte, aber sie hatten wenigstens die Möglichkeit dazu. Sasuke sollte diese Möglichkeiten auch haben.

Schon allein, weil Kakashi nicht immer da sein konnte, um sie für Sasuke wahrzunehmen und auf sie einzugehen. Sasuke musste lernen, die Dinge die er brauchte zu verlangen. Doch das konnte nur funktionieren, wenn Itachi lernte, ihm die Dinge zuzustehen, die er brauchte. Das würde Sasuke auch für mich helfen, sich in dieser Welt zurecht zu finden, als das entwickeln eines guten Allgemeinwissens. Für all das war Zeit, nachdem Sasuke gelernt hatte, ein freier Mensch zu sein.
 

Kakashi hing seinen Gedanken nach. Was sollte er auch sonst tun?

Doch als er nach etlichen Minuten auf das Papier schaute, sah er dass Sasuke schon eine Menge geschrieben hatte. Die Seite war beinahe ganz vollgeschrieben von seinen kleinen, eng aneinander gereihten Buchstaben.

Doch Sasukes Hand zitterte wieder vor Anstrengung und die Schrift war mit den Zeilen ein wenig unsauberer geworden.

Kakashi legte seine Hand auf Sasukes, die den Stift hielt, um ihm beim Schreiben aufzuhalten. Augenblicklich schaute Sasuke erschrocken auf. Er war anscheinend zu erschöpft um sich daran zu erinnern, dass es ihm eigentlich nicht erlaubt war, anderen Menschen - freien Menschen - ins Gesicht zu blicken.

Doch Kakashi schenkte ihm schlicht ein warmes Lächeln und nahm den Stift auf Sasukes Hand. Er tat den Deckel auf die Spitze des Füllers und sagte mit freundlicher Stimme: „Mach doch eine kleine Pause. Du musst sicher mal auf die Toilette und ich hole dir so lange etwas zu trinken.“
 

Sasuke begriff nun, dass er eigentlich nicht in das Gesicht des Älteren zu blicken hatte, aber wo er nun deswegen noch nicht gestraft wurde, nutzte er diesen Moment ein wenig aus und genoss die ihm so freundlich gesonnene Miene, bevor er das Gesagt verinnerlichte.

„Ich darf auf Toilette, Sir?“, fragte er um sich sicher zu sein, nicht ohne Erlaubnis zu gehen. Aber er hoffte, er durfte wirklich. Er musste dringen, hatte sich aber nicht getraut zu fragen.

„Geh schon“, sagte Kakashi und nickte in Richtung Flur.

Als Sasuke dann im Bad verschwunden war, machte Kakashi sich auf in Richtung Küche und füllte ein Glas voll kaltem Wasser. Das würde Sasuke vielleicht ein bisschen wach halten. Das kühle Nass war Erfrischend und viel Flüssigkeit war eines der besten Mittel gegen Müdigkeit. Nachdem er sich selbst eine Tasse Kaffee gemacht hatte, ging er mit beiden Gefäßen in den Händen zurück ins Wohnzimmer. Dort saß Sasuke schon wieder an seiner Aufgabe und schrieb fleißig. Er hatte ein neues Blatt begonnen, doch seine Hand zitterte immer noch und die Schrift wurde auch undeutlicher. Selbst daran würde Itachi wahrscheinlich wieder was auszusetzen haben. Kakashi stellte das Glas vorsichtig neben Sasuke ab und bedeutete dem Jungen zu trinken, was dieser auch tat. Kakashi freute es, dass er direkt einen kräftigen Schluck nahm. Gleichermaßen ließ es ihn auch noch mehr Mitgefühl empfinden, denn das bedeutete nur, dass Sasuke Durst hatte.
 

Kakashi setzte sich auf den Stuhl, der seitlich neben Sasukes stand und trank einen Schluck Kaffee. Selbst er spürte langsam die Müdigkeit in sich hochkommen, schließlich war er schon vor Sasuke war gewesen und hatte heute auch seine Stunden Arbeit hinter sich. Doch Kakashi war ein gesunder Mann, ohne Schmerzen, dem diese langsam aufkeimende Müdigkeit kaum etwas ausmachte. Sie war nichts im Vergleich zu der, die Sasuke fühlen musste. Wahrscheinlich, fürchtete Kakashi, war dieser Junge sogar schon des Lebens müde.

Doch damit konnte er nicht falscher liegen. Sasuke wollte leben. Sasuke war sogar dankbar, leben zu dürfen, auch wenn er sich manchmal fragte, wer entschieden hatte, dass er ein Sklave seins sollte und warum. Wenn nachts in der Zelle alles still gewesen war, weil die andern Jungs geschlafen hatten, hatte er manchmal noch wach gelegen. In manchen Nächten schien der Mond sachte durch das winzige Gitter an der Wand und besonders in diesen Stunden war es Sasuke gewesen, der Gedanken gehabt hatte, die einem Gebet nahekamen. Er wusste nicht, wie man wirklich betete. Aber er wusste, dass es einen Gott gab. Das Menschen existierten, die an einen Gott glaubte. Die Frau, die sich um ihn kümmerte, als er noch jünger war und in den oberen Geschoss der Schlange lebte, glaubte an Gott. So hatte er als er älter war, auf seiner Matratze gelegen und in Gedanken mit Gott gesprochen. Nicht aus Scheinheiligkeit, weil er glaubte, er könne so die Zukunft ändern und dabei das beste Stück des Kuchens für sich rausholen, sondern weil es ihm Trost spendete.

Er wusste nicht, wann das erste mal die Gedanken durch seinen Kopf geschossen waren, dass er dankbar war zu leben. Aber es war ihm richtig entschieden, auch wenn so viel dagegen sprach.
 

Kakashi beobachtete Sasuke dabei, wie er aufgehört hatte zu schreiben. Er schien nachzudenken und nach eine Weile begann er wieder Wort für Wort in seiner schönen, aber ungleichmäßiger werdenden Schrift niederzuschreiben. Kakashi wollte ihn nicht wieder stören, aber als er das leise Bauchgrummeln des Jungen vernahm, hielt er es nicht mehr aus und fragte ihn: „Möchtest du wirklich nichts essen? Ich würde dir gerne was machen.“

Als er sich der Aufmerksamkeit des Jungen sicher war, fügte er an: „Es muss nichts mächtiges sein, hm? Obst oder ein Brot oder etwas Nudelsuppe.“ Er wusste das Itachi im Vorratsschrank immer diese 5 Minuten Terrine von Maggi da hatte, die Kakashi zwar normalerweise nicht frisch gekochten vorziehen würde, aber es war spät und Sasuke sollte etwas in den Magen bekommen und das wäre wenigstens warm, im Gegensatz zu einem Brot oder Obst.

„Hm, was ist, magst du etwas essen? Hast du Hunger“, präzisierte Kakashi seine Frage, weil er glaubte, dass Sasuke so am einfachsten darauf antworten konnte.

„Ja, Sir“, gab Sasuke nun zu. Er hatte außer dem Müsli am Morgen nichts gegessen. Selbst bei der Schlange hätte er mehr bekommen. Er durfte nicht lügen und er hatte schon einmal auf diese Frage gelogen. Zweimal am gleichen Tag wollte er das nicht machen und jetzt stand schließlich auch nicht die Möglichkeit, dass er allzu schnell ins Bett kam. Nicht so wie eben, wo das weglassen des Essens bedeutete, schneller schlafen zu dürfen. Deswegen war er erleichtert und sehr dankbar, als Kakashi aufstand und er ihn in Richtung Küche gehen sah.
 

Sasuke lehnte sich wieder über sein Blatt und schreib weiter Wort für Wort. Er war noch lange nicht fertig, doch nun, als er hier so unbeobachtete sah, wurden seine Lider immer schwerer und bald schon spürte er, wie seine Augen zufielen und sein Kopf auf den Oberarm glitt, der auf dem Tisch lag.

So lag Sasuke dann da, als Kakashi mit der Hühnersuppe aus der 5 Minuten Terrine und einem Stück Graubrot ins Wohnzimmer kam. Er stellte den Teller auf den Tisch ab, legte die Brotscheibe dazu und schaute Sasuke einen Moment an. Mit krummen Rücken saß er da. Sein Kopf auf dem Oberarm gebettet, der auf der Tischplatte lag. Die Augen hatte er geschlossen, er atmete gleichmäßig. Vorsichtig nahm Kakashi ihm den Füller aus der Hand, schloss den Deckel und legte ihn beiseite. Aber er konnte den Jungen trotzdem nicht hier so schlafen lassen. Am morgen würde ihm jeder Knochen schmerzen. Das konnte Kakashi nicht verantworten. Deswegen wagte er den Versuch und berührte Sasuke ganz leicht an der Schulter. Er wollte ihn nicht völlig wecken, wollte ihn im Halbschlaf lassen. Kakashi wusste nicht, ob das funktionierte, denn Sasuke öffnete seine Augen, ließ sich aber ohne Proteste zum Sofa schieben. Er legte sich mit Kakashis Hilfe dort nieder und schloss augenblicklich wieder die Augen, noch ehe Kakashi leise sagen konnte, dass er wieder schlafen sollte. Der Hatake griff nach der kleinen Wolldecke die am Fußende der Couch lag und breitete sie über Sasuke aus. Er hätte ihn gerne bis zum Gästezimmer gebracht, doch er hatte gefürchtete der Junge würde vollends erwachen und sich erst wieder erlauben einzuschlafen, wenn die Aufgabe erledigt war.
 

Kakashi lehnte sich über das beschriebene Blatt Papier. Er war bis zur Lösung der achten Frage gekommen. Noch zehn waren übrig. Kakashi wusste nicht, wie viele er davon noch hatte korrigieren müssen, doch dann sah er, dass Sasuke einfach alle Aufgaben von eins bis acht geschrieben hatte, obwohl Itachi seine Antwort bei Frage zwei als korrekt angekreuzt hatte. Wahrscheinlich wollte der Junge nichts falsch machen. Vielleicht wollte er seinen Herrn auch beeindrucken. Oder, dachte Kakashi dann, er war so müde gewesen und hatte keinen Gedanken daran verschwendet. Der Hatake schob die Blätter - den Text, Sasukes Beschriebene und die gedruckten Lösungsblätter - auf einen Haufen, legte den Füller daneben und brachte den Suppenteller und die Brotscheibe wieder in die Küche. Er ließ sie einfach auf der Anrichte stehen. Darum würde er sich morgen früh kümmern. Er sollte jetzt auch ins Bett kommen. Er ging noch einmal kurz ins Wohnzimmer, löschte das große Licht, betätigte aber das ganz dämmrige, kleine in der Ecke des Raumes, damit Sasuke nicht zu irritiert oder erschrocken war, wenn er erwachte. Erst dann verschwand Kakashi ins Bad, wusch sich eilig und putzte Zähne, bevor er ins das Gästezimmer des Uchihas ging, sich bis auf die Unterhose auszog und auf das Schlafsofa legte. Noch bevor er seinen Handywecker stellen konnte, fielen seinen Augen zu und er schlief ein.
 

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Er erinnerte sich an den ersten Schmerz, den ihm sein Peiniger zugefügte. Eine Ohrfeige. Er wurde nie zuvor geohrfeigt. Schläge mit der flachen Hand durften nicht so schmerzen! Das war, in seinen Augen, ein ungeschriebenes Gesetz. Er hatte nie gedacht, dass etwas so weh tun konnte. Aber seine Wange pochte. Sie schmerzte und er glaubte, sie war dick geschwollen. Noch war sein Wille nicht gebrochen. Er wollte fort von hier. Wäre er nicht so klein und wäre er nicht gefesselt, würde er kämpfen. Aber noch glaubte er, dass da draußen Menschen waren, die ihn hier raus holten. Leute, die seine Wunden heilten und seine Tränen trockneten.

Noch waren seine kleinen Hände zu Fäusten geballt. Noch heulte er, anstatt bloß Tränen zu vergießen. Die Angst war da. Es war eine Panik vor dem was geschehen mochte, weil sich sein so kindliches Köpfchen das böseste ausmalte. Doch damals wusste er nicht, dass alles was ab diesem Tag - dem Tag des ersten Schmerzes - geschah, seine arglose Vorstellungskraft überstieg.
 

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Und auch hier ein schön, langes Kapitel :) Ich hoffe, dass euch das gefällt :)

Ansonsten ist das hier wahrscheinlich das letzte Kapitel das in meinen Sommerferien hochgeladen wird, denn am Mittwoch beginnt für mich wieder die Schule und wahrscheinlich brauche ich dann länger für die Kapitel, schließlich kann ich keine Nächtelang mehr durchschreiben. Leider. Nachts mag ich am liebsten Schreiben :D

Ach noch eine kleine Info zu den Step Backwards: Die sind momentan noch in keiner Reihenfolge. Es sind - sagen wir mal - bruchstückhafte Erinnerungen, die nicht nach Kapitel geordnet sind. Wenn sich diese Tatsache ändern sollte, merke ich das an :)

So, jetzt genug von mir. Ich freue mich auf eure Rückmeldungen :)

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 6: Die verschmähte Sprache


 

Kapitel 6: Die verschmähte Sprache

Worte sind Schwerter;

sie schlagen dich zum Ritter oder töten dich.

[Christof Wittwer]
 


 

Schlaftrunken schlürfte Itachi aus seinem Zimmer auf direkten Weg ins Bad. Anstatt sich eine lauwarme Dusche zu gönnen, drehte er den Hahn auf und warf sich zwei Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. Er blieb mit dem Kopf über dem Waschbecken gebeugt stehen. Sein Blick war auf den weißen Marmor des Beckens gerichtet.

Die vergangene Nacht war schlichtweg beschissen gewesen. Itachi wusste es selbst nicht zu benennen, aber seit langen hatte er keine so unbefriedigende Nacht mehr hinter sich, obwohl er selten gut schlief. Wenigstens träumte er in diesen Nächten nicht. Er träumte nie. Seit diesem einen verpassten Sommer vor mehr als einem Jahrzehnt hatte er mit so vielem anderen auch die Fähigkeit zu träumen aufgegeben. Dachte er zumindest. Doch diese Nacht waren Bildfetzen vor seinem inneren Auge erschienen und ebenso schnell wieder verschwunden. Er konnte sich nicht mal richtig an diese Bildfetzen erinnern und wusste nicht, was ihn mehr aufregte: Dass er überhaupt geträumt hatte oder dass er sich kaum mehr an diesen einen Traum erinnern konnte.

Und auch dass es heute wohl keiner für nötig hielt, ihn zu wecken, nervte ihn. Jetzt lungerte schon ein sogenannter Sklave bei ihm rum und machte sich nicht mal nützlich. Was für eine Geldverschwendung an diesen dreckigen, dummen Bengel. Moment! Itachis Kopf ruckte ganz von selber hoch. Was für'n Scheiß dachte er da? Warum dachte er überhaupt über ihn nach?

Fünf Wochen, rief er sich ins Gedächtnis, dann war das hier alles vorbei und er konnte ihn fort schicken. Fünf verdammte, lange Wochen.
 

Noch einmal schöpfte Itachi etwas kaltes Wasser mit seinen Händen und fuhr sich damit durchs Gesicht. Heute würde ein beschissener Tag werden. Er sollte am besten zu Bett gehen und ihn direkt verschlafen. Aber mit den Gedanken an seinen schlechten Schlaf vergangene Nacht war auch daran nicht zu denken. Außerdem hatte er einen Zeitplan einzuhalten. Hoffentlich würde der Bengel seine Aufgaben zu seiner Zufriedenheit erledigt haben, dachte Itachi dann. Er hatte keinen Nerv dafür wieder eine Strafe zu verhängen. Aber er musste es einfach schaffen, dass seine Eltern und seine Brüder glaubten, er hätte einen Lebenspartner. Sonst standen etliche Dates an. In zwei Wochen konnten seine Eltern ihm etliche Frauen und Männer vorstellen und sein Bruder Shisui würde auch andauernd Weiber für ihn anschleppen. Darauf hatte Itachi schlichtweg keinen Bock. Der Bengel war eine gute Entscheidung gewesen. Nun, vielleicht nicht der Bengel an sich - der war wahrscheinlich ein Fehlkauf. Aber die Idee war gut gewesen. Der Meinung war Itachi auch jetzt noch. Außerdem sollte Bursche sich nicht so anstellen. Nach den fünf Wochen war er ein freier Mann mit einem Konto im Rücken, dessen Geld Itachi nicht haben wollte.
 

Der Uchiha griff nach einem Handtuch, das neben dem Waschbecken auf einem Hacken an der Wand hing und trocknete sich fahrig das Gesicht und die Hände ab. Ohne seine langen Haare zu kämmen, schnappte er nach einem Haargummi und band sie zu einem Zopf im Nacken. Sich über die Stoppeln auf seinem Kinn und den Wangen fahrend, drehte er dem Spiegel über dem Becken den Rücken zu und verschwand aus dem Bad. Nun mehr gehend als schlürfend machte er sich auf den Weg in die Küche, wo er einen Teller voll Suppe auf der Anrichte stehen sah. Daneben lag eine einsame, hart gewordene Brotscheibe. Was sollte denn das? Itachi schüttelte, ein brummiges Seufzend ausstoßend, den Kopf und brühte sich einen Kaffee auf. Es war ja nicht so, als könne er das nicht. Er kam prima alleine zu Recht. Manchmal, dachte Itachi, wäre ein Leben ohne Sprache die beste Lösung. Niemand könnte einem anderen mit Worten schmerzen, niemand könnte heucheln, lügen oder schreien. Kein Mensch war mehr Rechenschaft schuldig und niemand musste Gespräche führen. Dass es dann auch keine Liebeserklärungen, keine Literatur, keine Versprechen und Gelübde, keine Reden dem Friede zugunsten und auch keine gesprochenen und gesungenen Lieder und Gebete mehr gab, würde Itachi in Kauf nehmen. Denn er war gut darin, Dinge aufzugeben, die er vielleicht sogar einst geliebt oder bewundert hatte.
 

Itachi trank einen Schluck des schwarzen, heißen Kaffees und blieb gegen die Küchenzeile gelehnt stehen. Das Fenster stand auf Kipp und kühle Morgenluft erfrischte den Raum. Sie hatten keinen heißen Sommer, aber das war Itachi gleich. Die Sonne schien dennoch hin und wieder und manchmal mochte er selbst die nicht leiden. Er seufzte. Seine Gedanken gefielen ihm nicht. Dass er solchen Stuss dachte, war in den letzten Jahren sehr zurückgegangen. Er hatte gelernt sich unter Kontrolle zu halten.

Sich von der Küchenzeile abstoßend ging er mit der Kaffeetasse in der Hand ins Wohnzimmer. Sein Blick fiel zuerst auf den Esstisch. Dort stand ein leeres Wasserglas. Der Raum war in ein Dämmerlicht getunkt, das einer kleinen Lampe in der Ecke des Raumes entsprang. So sah Itachi auch die weißen Blätter die auf dem Tisch lagen. Der Uchiha ging näher, schob den Stuhl ein Stück zurück und setzte sich. Er griff nach dem obersten Blatt. In kleinen Druckbuchstaben waren die Lösungen abgeschrieben. Itachi überflog sie und runzelte die Stirn, als es nach Aufgabe acht nicht mehr weiterging. Er durchsuchte den kleinen Stapel an Blättern, doch er fand keins mehr, dass den nächsten Teil der Berichtigung enthielt. Und auch dass die Schrift von Aufgabe zu Aufgabe krakeliger geworden war, gefiel Itachi nicht. Er legte Wert auf Ordnung. Nicht nur in der Schrift.

Mit einem leisen, brummigen Seufzen legte Itachi das Papier zurück auf den Tisch und lies seinen Blick durch den Raum schweifen. Am Sofa blieb er hängen. Zuvor hatte er gar nicht realisiert gehabt, dass der Bengel dort lag und schlief. Er dachte schlicht, Kakashi hätte gestern Abend vergessen, das Licht zu löschen.
 

Das konnte nicht wahr sein! Nicht nur dass der Bengel seine Aufgabe nicht erledigt hatte - Nein, er besetzte nun auch noch die Couch. Itachi stellte ihm ein Zimmer zur Verfügung. Es konnte nicht zu viel verlangt sein, die paar Schritte vom Wohnzimmer bis zum Gästezimmer zu gehen. Es war nicht nur so, dass Itachi darauf bestand, dass der Sklave im Gästezimmer schlief, damit er in aller Früh seine Ruhe hatte, wenn er sich durch den Rest der Wohnung bewegte. Das war ein Grund, aber viel wichtiger war die Tatsache, dass der Uchiha glaubte, der Bengel sei dreckig. Wahrscheinlich wusste der nicht mal, wie man sich richtig pflegte. Selbst das musste er ihm wahrscheinlich noch beibringen, wenn seine Lüge vor der Familie bestand haben sollte. Aber Itachi meinte auch noch das andere dreckig. Er meinte die Tatsache, dass er nicht wusste, inwieweit man den Bengel angefasst und für gewisse Zwecke missbraucht hatte. Er wollte es auch nicht wissen. Deswegen hatte er, bevor Hidan und er sich zum Haus der Schlange aufgemacht haben, das Bett frisch überzogen. Und gleichsam würde er, wenn er vom Haus seiner Eltern heimkäme und den Bengel fortgeschickt hatte, die Matratze samt Lacken, Federdecke, Kissen und Überzüge austauschen. Aber sei es drum. Schon allein weil seine Couch aus hochwertigem Leder gefertigt war, mochte Itachi es nicht, wenn jemand auf ihr schlief. Deswegen stellte er die Kaffeetasse beiseite, erhob sich und trat an das Ledersofa ran. Nur kurz lag sein Blick auf dem Sklaven. Er sah das blasse Gesicht und die kleinen Schatten unter den Augen. Die Hand die er ausgestreckt hatte, um den anderen unsanft wachzurütteln, hielt inner. Das war doch unlustig hier. Nur weil der Bengel schlecht im Gesicht aussah - die Blässe, die Schatten und die Pflaster - war er unfähig ihn zu wecken. Mit einem genervten Atemzug ließ Itachi sich nach hinten in den Sessel plumpsen. Seine Unterarme kamen auf den Armlehnen zum liegen, während sein Blick ungewollt an dem Sklaven auf seinem Sofa hängen blieb.
 

Die rechte Hand lag unter dem Kissen, auf dem sein Kopf gebettet war. Die Linke umklammerte die beige Wolldecke, die über seinem Körper ausgebreitet war. Es sah aus, als fürchte er, man würde ihm sie von dort wegreißen. Er lag auf der Seite, ein verbundenes Knie blitze unter der Decke hervor. Itachis Stirn legte sich in Falten. Er hatte das gestern gar nicht sehen können. Der Bengel trug eine lange Stoffhose, die in der Nacht an dem einen Bein bis über das Knie hoch gerutscht war. Verbände an den Beinen waren nicht gut, wenn sie zur Hochzeit flogen. Sie könnten gesehen werden, schließlich war es möglich, dass Sasuke in Spanien - da wo die Uchihas ein Haus hatten - kurze Hosen trug. Die Uchihas und die anderen Gäste würden Fragen stellen. Das wäre alles andere als förderlich für Itachis Plan. Deswegen entschied er, die Knie des Sklaven zu schonen. Er würde ihn nicht unnötig knien lassen, bis die Wunden abgeheilt waren und dann auch keine stundenlang mehr. Er begann zu begreifen, dass für seinen Plan ein Sklave bereit sein musste, der keine Wunden am Körper besaß. Denn nur so konnte niemand Fragen stellen. Das bedeutete aber nicht, dass Itachi von seinem Zeitplan abgehen würde. Er hatte das alles nicht umsonst durchgeplant. Er würde die Sache durchziehen, auch wenn er jetzt schon nicht mehr wusste, ob Hidans Idee wirklich die Beste gewesen war.

Außerdem, und das schwor er sich, würde er keinesfalls damit beginnen den Sklaven als einen Menschen zu sehen. Er würde selbst schauspielern müssen. Er würde so tun als sei der Bengel ein Mensch für ihn - ein sehr bedeutender obendrein, aber das war auch schon alles.

Itachi stieß ein raues Lachen aus. Dennoch - trotz alledem - konnte er den Bengel einfach nicht wecken. Er fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Was war nur los mit ihm?!
 

Als Itachi dann nach einer Weile aufstand, betrat Kakashi den Raum und konnte nicht anders, als den Kopf zu schütteln. Es war nicht so, dass er auch nur eine Sekunde daran gedacht hatte, Itachi könnte seine Einstellung über Nacht geändert haben, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass er Sasuke schon vor Itachi beschützen musste, bevor er sich einen ersten Schluck Kaffee genehmigen konnte. Kakashi seufzte. Es war Samstagmorgen. Unter normalen Umständen würde sein Geliebter nun friedlich in seinen Armen liegen. Sie würden noch eine Stunde dösen oder manchmal auch etwas länger und dann würden sie gemeinsam frühstücken und vielleicht, wenn keiner von ihnen zuviel Arbeit Zuhause zu erledigen hatte, unternahmen sie etwas. Spaziergänge, Bummeln in der Stadt, Kinobesuche, manchmal sogar ein Konzert oder sie gingen abends essen oder mit Freunden in Clubs feiern. Doch die vergangene Nacht hatte er nicht daheim bei seinem Partner verbracht, sondern auf der Couch in Itachis Büro. Er hatte es wegen Sasuke getan und mehr als ein kurzes Gespräch letzten Abend hatte er nicht mit Iruka führen können. Er hoffte gleich Zeit zu finden, für eine Weile heim zu fahren. Er brauchte auch ein paar frische Klamotten, entschied er. Vor allem dann, wenn er noch ein paar Nächte in Itachis Wohnung verbringen wollte.

Doch noch schien es nicht so, als bestehe die Chance, dass er in Ruhe nach Hause fahren konnte, denn Itachi stand vor dem Sofa und war anscheinend kurz davor gewesen den Jungen zu wecken. Er machte zwar jetzt, wo Kakashi im Raum war, keine Anstalten dazu, aber warum sonst sollte er dort stehen?

„Lass ihn schlafen", brummte Kakashi unwillig. Unwillig dazu, sich mit Itachi auseinanderzusetzen. Er verstand nicht, was so schwer daran war, einen unnützen Zeitplan ein wenig umzukrempeln. Kakashi verlangte ja nicht von Itachi, dass dieser ihn ganz über den Haufen warf. Lediglich ein paar Freiheiten in der Einhaltung des selbigen sollte er Sasuke und sich einräumen.

„Ich hatte nichts anderes vor", drang Itachis Stimme an Kakashis Ohr. Verwundert und mit einem Zweifeln beobachtete der Hatake seinen Kumpel dabei, wie er vom Sofa weg schritt und sich am Esstisch niederließ, wo dessen Kaffeetasse stand. Kakashi entschloss sich selbst auch einen Kaffee zu besorgen, jetzt wo Itachi saß und nicht den Anschein machte, den Jungen zu wecken. Er hätte sich von ihm dabei nicht stören lassen, also musste er wohl wirklich der Ansicht sein, dass Sasuke schlafen sollte. So sah Kakashi die Möglichkeit sich in Ruhe einen Kaffee aufzubrühen, bevor er sich mit Itachi auseinandersetzte.
 

In der Küche wartete der Hatake darauf, dass die Hightech-Kaffeemaschine des Uchihas seine Tasse fühlte, ehe er sich mit dieser wieder auf ins Wohnzimmer machte. Itachi saß immer noch an dem Tisch und Sasuke schlummerte friedlich auf dem Sofa. Kakashi hoffte, dass es ihm gut tat.

„So wie es im Moment läuft", sagte der Hatake klar heraus, während er sich ebenfalls auf einem Stuhl niederließ, „werde ich dich und den Jungen nicht allein hier lassen. Ich werde bleiben und nach euch schauen."

„Falls du es noch nicht realisiert hast, Kakashi: Ich bin erwachsen", brummte Itachi mit Unmut in der Stimme.

„Das spielt keine Rolle." Auch wenn Kakashi den Standpunkt seines Freundes durchaus verstand, änderte es nichts an seinem. Er würde bleiben, um nach Sasuke zu sehen, denn Sasuke brauchte jemanden der dies tat. Er brauchte einen Menschen, der sich sorgte und kümmerte. Solange Itachi dazu nicht im Stande war, würde er derjenige sein. Er konnte nicht zulassen, dass es dem Jungen schlecht ging. Das hatte er nicht verdient. Er trug keine Schuld. An nichts von alledem. Kakashi würde deswegen dafür sorgen, dass er auch nicht unter all diesen Dingen zu leiden hatte. Und er würde auch bleiben um auf Itachi achtzugeben.
 

„Ich muss gleich ein paar Sache bei mir besorgen. Ich könnte warten, bis Sasuke wach ist und ihn mitnehmen, aber das ist alles andere als gut für seine jetzige Verfassung. Deswegen wäre es besser, er bleibt hier und ich fahre jetzt. Aber wenn er wach wird, muss ich mir sicher sein können, dass du ihm was zutrinken gibst und ihn nicht knien lässt." Kakashi wünschte er müsse solche Sachen gar nicht sagen, aber er glaubte nicht drum herum zu kommen. Er musste sich sicher sein, dass Itachi Sasuke kein Leid zufügte. Kakashi wollte dem Uchiha nichts Böses. Im Gegenteil: hier ging es nicht nur um Sasuke. Es ging um beide. Für beide fühlte Kakashi sich verpflichtet, obwohl er wusste, dass es in Wirklichkeit in keinem diese Fälle an dem war. Itachi war ein erwachsener Mann, wie er gesagt hatte und keiner war mehr in diesem Sinne für ihn verantwortlich. Und Sasuke existierte vielleicht vor dem Staat gar nicht. Er war einer der Namenlosen. Wahrscheinlich hatte er einst existiert; in einem Waisenhaus und vielleicht gab es sogar ein anonymes Grab für ein Kind dessen Leichnam nie gefunden wurde, weil es keine Leiche gab, denn dieses Kind war in Gefangenschaft groß geworden. Vielleicht aber existierte Sasuke doch und es scherte sich schlicht niemand drum, weil seit Jahren eine Vermisstenanzeige in den Untiefen der Computer der Polizeibehörden verrottete.

Doch ganz egal, ob Itachi vor dem Staat als Erwachsener galt oder nicht und ganz egal, ob Sasuke vor dem Staat existierte oder nicht, Kakashi sah sich in der Pflicht auf beide achtzugeben.
 

„Ich brauche keine Anweisungen von dir", brummte Itachi, trank einen Schluck seines lauwarme Kaffees und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb.

„Vielleicht willst du keine", sagte Kakashi schlicht, „aber momentan, fürchte ich, brauchst du im Umgang mit Sasuke welche."

„Spiel dich nicht so auf, Blödmann", sagte Itachi lapidar, aber mit einem gewissen Unterton in der Stimme, den Kakashi nicht zuordnen konnte. Aber er nahm ihn nicht als etwas negatives wahr. Er war ihm auch nicht böse für diese Bezeichnung als Blödmann. Kakashi erinnerte sich an einen fünf- oder sechsjährigen Itachi, der kein anderes Schimpfwort als Blödmann gekannt hatte und daher seine beiden älteren Brüder und ihn, als solche titulierte. Immer dann, wenn sie ihn gefoppt oder geärgert hatten. Oder, schoss es Kakashi dann durch den Kopf, wenn sie sich aufgespielt hatten, weil sie älter waren. Ohne dass er es wollte, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Damals, erinnerte er sich, hatten Obito, Shisui und er Itachi Knirps genannt.
 

Es war ein raues Husten und das Rascheln einer Wolldecke, die Kakashis Aufmerksamkeit auf Sasuke lenkte. Der Junge war aufgewacht und saß nun aufrecht auf dem Sofa. Die Decke war ihm auf den Schoß gerutscht und sein Blick wirkte unsicher. Er wusste sicherlich nicht, wie er jetzt zu reagieren hatte. Er durfte wahrscheinlich nicht ohne Erlaubnis aufstehen, aber gleichsam war er in dem Glauben aufgewachsen, dass es ihm verboten war, auf Möbelstücken zu sitzen, wenn es nicht der eindeutige Befehl seines Herrn war.

Kakashi brauchte einen Moment für sich, weswegen er entschied, dem Jungen ein Glas Wasser in der Küche zu besorgen. Das würde gegen das raue Husten helfen.
 

Sasuke hörte die Schritte Kakashis auf dem Holzboden des Raumes und sah aus dem Augenwinkel, wie dieser den Raum verließ. Nach dem gestrigen Tag und dem ganzen Handeln des Mannes bisher hatte Sasuke gehofft, er würde ihm sagen, was er nun zu tun hatte. Aber nicht ein Wort hatte er an ihn gerichtet. Deswegen durchfuhr Sasuke augenblicklich die Furcht, etwas falsch gemacht zu haben. Er wagte nicht aufzublicken, um zu schauen, ob auch die Miene seines Herrn Unzufriedenheit widerspiegelte. Sasuke schlug die Decke vorsichtig beiseite und bewegte die Beine so, dass er unter seinen nackten Füßen den kühlen Holzboden spürte. Er erhob sich und sank direkt vor dem Sofa auf die Knie, was einen heißen Schmerz durch diese jagte. Unkontrolliert zuckte er zusammen und krümmte sich ein wenig, ehe er sich wieder fing und mit versucht beherrschter Miene in seiner Position verharrte.

„Du musst nicht knien", drang die Stimme seines Herrn an sein Ohr. Sie wirkte nicht besorgt. Aber auch nicht erbost. Sie wirkte gefasst. „Setz dich hin."

Artig leistete Sasuke Folge und glitt von seiner knienden Haltung in eine sitzende auf dem Boden. Im Rücken spürte er die Couch, gegen die er beinahe lehnte. Er war seinem Herrn sehr dankbar, dass er sitzen durfte. Doch traute er sich nicht, seinen Dank zu äußern.
 

Itachi zuckte nur mit den Schultern. Er hatte eigentlich gewollt, dass der Bengel sich zurück auf das Ledersofa setzte, aber wenn er nicht verstand oder nicht wollte, war es ihm gleich. Sollte er doch auf dem Boden hocken bleiben.

Gerade als Itachi seinen letzten Schluck lauwarmen Kaffee trank, betrat Kakashi wieder das Wohnzimmer. Er hockte sich vor Sasuke nieder und hielt ihm ein Glas gefüllt mit Wasser entgegen.

„Guten Morgen", sagte Kakashi, gab Sasuke das Wasser und bedeutete ihm zu trinken.

„Wie geht es deinem Rücken und den Knien?", fragte er nach einer Weile, in der er Sasuke aus dem Augenwinkel beim Trinken beobachtete hatte. Der Junge führte das halbleere Glas von seinen Lippen weg und antwortete ehrlich: „Besser, Sir. Aber meine Knie schmerzen, wenn ich sie belaste."

„Dann wäre es besser du belastet sie in den nächsten Tagen nicht. Das heißt: kein Knien, verstanden?"

„Ja, Sir." Sasuke trank noch einen Schluck. Er war mit Durst und einer trockenen Kehle wach geworden und das Wasser wirkte gegen beides. Dementsprechend schnell war das Glas gelehrt und Kakashi nahm es ihm wieder aus den Händen.

„Setz dich doch an den Tisch. Ich werde für Frühstück sorgen." Erneut leistete Sasuke artig Folge. Er erhob sich, ohne sich auf den Knien abzustützen oder seinen Rücken schmerzhaft zu krümmen. Das Abwenden von Schmerzen, wann immer es möglich war, war eines der Dinge, die er verinnerlicht hatte. Denn wer mit Schmerzen und bösen Worten groß wurde, lernte sich vor beidem so zu fürchten, dass er sie umgehen wollte, wenn es in seiner Macht stand.
 

Das Erste was Sasuke sah, als er sich scheu an den Tisch gesetzt hatte, waren die Arbeitsblätter des vergangenen Abends. Seine Berichtung! Er hatte sie nicht mehr fertig bekommen gestern, weil ihn die Müdigkeit eingeholt und in die Untiefen des Schlafes gezogen hatte. Shit!, schoss ihm durch den Kopf. Furcht durchzog seinen Körper. Seine Hände begannen zu zittern und er wagte nicht mal um Entschuldigung oder Strafe zu bitten, für sein Versagen. Ja, würde er den Mut finden, würde er um Strafe bitten, weil er es so gelernt hatte. Aber er konnte nicht. Sasuke verabscheute Schmerzen und er verabscheute Strafen jeder Art, denn sie bewiesen, dass er nichts anderes als ein wertloser Sklave war. Er war Nichts. Er hatte zu gehorchen, ansonsten zog es Konsequenzen mit sich. Aber er hatte nicht gehorcht. Sasuke spürte die Schauer die ihm über den Rücken fuhr. Er spannte den Kiefer an, um nicht zu heulen. Er hasste das. Wenn die Verzweiflung Macht über ihn ergriff, begannen seine Augen zu tränen. Er wollte das nicht, aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Doch hier, jetzt, würde er nicht heulen. Er würde da drüber stehen. Sasuke entschloss sich dazu, ein Mann zu sein, wenn er schon kein freier Mensch war. Und als Mann blieb ihm nichts anderes übrig, als still zu bleiben und seinen Kiefer weiterhin anzuspannen um nicht zu heulen.
 

Kakashi kam beladen mit einem Tablett voller Frühstückutensilien ins Wohnzimmer zurück. Er räumte das Tablett ab, verschwand noch mal in die Küche, wo er es wieder fühlte und kam zurück um auch den Rest – Tassen, Gläser, die Kaffeekanne, Saft, Brettchen und Messer – auf den Tisch zu stellen, bevor er sich an einen der drei gedeckten Plätze setzte. Sein Blick lag eine Weile auf Itachi. Er hoffte, dass sie in Frieden frühstücken konnte. Einen Moment später glitt Kakashis Blick weiter zu Sasuke und er erschrak innerlich. Sasuke wirkte verängstigt auf ihn und er wirkte verschlossen. Binnen Minuten schien Sasuke einen Damm um sich errichtet zu haben, der zwar nicht so dick und nicht so stabil war, wie Itachis jahrelang erbaute Mauer, aber sicherlich aus einem ebenso großen Schmerz entstand.

Doch was war es nur, was ihn genau in diesem Moment so reagieren ließ? Kakashi war zuvor keine Art imaginären Schutzwall um den jungen Sklaven herum aufgefallen. Warum jetzt? Er hatte, durch die langen Jahre der sonderbaren Freundschaft zu Itachi, ein Gespür für jegliche Art solcher Mauern entwickelt. Sasuke wäre ihm aufgefallen. Sie fiel ihm nun auf, weil er sie erst gerade errichtet hatte. Sie war noch dünn, beinahe durchsichtig und deswegen konnte Kakashi seine Ängste lesen. Die Ängste die das Material für Sasukes Schutzdamm waren. Kakashis richtete den Blick auf die unvollständige Berichtung, die er auf Seite geräumt hatte, als Sasuke eingeschlafen war. Sie lag genau im Blickfeld Sasukes und Kakashi wusste ganz genau, dass es die Angst vor einer Strafe war, die ihn dazu antrieb, einen Schutz um sich herum aufzubauen. Aber Kakashi würde keine Strafe zulassen. Nicht, nachdem er die Angst Sasukes wahrnahm. Sein Augenmerk richtete sich wieder auf den jungen Mann zu seiner rechten, der vom Stuhl geglitten war und nur einen Moment davor war, vor Itachi auf die Knie zu gehen und um Vergebung zu betteln. Kakashi sah die Szene vor seinem inneren Auge und er wollte sie unbedingt verhindern.

„Hey, stopp okay. Sasuke, es ist schon in Ordnung. Setz dich auf den Stuhl bitte“, sagte er ungeschickte. Er merkte, dass auch er sich halb von seinem Sitzplatz erhoben hatte. Während er sich wieder zurück auf seinen Hintern fallen lies, verharrte Sasuke in seiner Position.
 

Er konnte sich nicht einfach setzten, wo er den Befehl seines Herrn gestern Nacht missachtet hatte. Das würde doch nur noch mehr Strafe mit sich ziehen. Er hoffte, um Vergebung zu bitten würde seinen Herrn in sofern erweichen, dass er erklären konnte, warum er es nicht geschafft hatte, dem Befehl Folge zu leisten. Sasuke wusste, dass seine Hoffnungen beinahe aussichtslos waren. Er hatte schon so oft von den älteren Sklaven gehört, dass Sklaven selten gerecht behandelt wurden und nie die Möglichkeit hatten, ihr Missverhalten zu erklären.

Aber gleichzeitig wusste er, dass Kakashi ihm zuhörte, wenn er seinen Ungehorsam erklären wollte. Deswegen blieb er an seinem Platz stehen, glitt nicht auf die Knie, richtete seinen Blick aber zu Boden und sagte leise: „Sir, bitte erlaubt mir zu knien. Ich möchte um Vergebung bitten.“ Sasuke wusste, dass seine Formulierung unglücklich gewählt war. Ein Sklave hatte nichts zu wollen, selbst dann nicht, wenn er es mit dem höflicheren Wort ‚möchten’ titulierte. Dennoch wagte er einen Seitenblick zu Kakashi um ihm zu bedeuten, dass er gemeint war; dass er ihn um Erlaubnis bat.
 

Kakashi seufzte und schüttelte den Kopf. Beständig sagte er: „Bitte setz dich zurück auf deinen Platz.“ Dieses Mal leistete Sasuke Folge. Kakashi wusste, dass er unfähig war zweimal dem gleiche Befehl zu trotzen.

Kakashi hatte keine Zeit den nun sitzenden Sasuke zu beobachten oder gar ein weiteres Wort an ihn zu richten, denn er sah aus dem Augenwinkel Itachis Hand, die nach der Berichtigung griff und sie unachtsam anhob und festhielt. Doch es dauerte nicht lange – keine zehn Sekunden – bis Itachi seinen Stuhl lautstark zurückschob, aufstand und mit langen Schritten und den Blättern in der rechten Hand, aus dem Wohnzimmer verschwand. Kakashi blickte ihm nach. Er sah ihn durch den Flur gehen, zu seinem Arbeitszimmer, die Tür aufmachen, in dem Raum verschwinden und dann ging die Tür zu und Itachi war fort.

Kakashi atmete einmal tief durch, wandte sich dann aber wieder Sasuke zu. Würde der Junge ihn ansehen, anstatt den Blick zu senken, hätte der Hatake sich überwunden ein Lächeln auf seine müden Lippen zu zaubern, aber das wäre Verschwendung gewesen, denn noch traute der Junge sich nicht in direkt anzusehen. Es war traurig, stellte Kakashi fest. Er saß hier mit einem achtzehnjährigen Jungen am Tisch. Einem Jungen, der nicht hier sein sollte. Er sollte Eltern haben, die sich sorgen und kümmerten, die liebten und mit denen er hin und wieder streiten konnte. Vielleicht Brüder und Schwestern, einen Hund oder Fische im Gartenteich. Er sollte gute Freunde haben und eine Freundin, die er gern hatte. Sollte zur Schule gehen und nächstes Jahr sein Abitur machen, sollte überlegen, ob er studieren wollte, oder mal ins Ausland oder arbeiten. Sasuke sollte einen Hinternamen haben, ein Zimmer, ein Leben voller guter Erinnerungen, ein Handy, eine bestandene Führerscheinprüfung in der Tasche, Facebook, einen alten Teddybären und eine Seele die heil war.
 

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Sasuke folgte Kakashi in einem halben Meter Abstand die Treppe zur Eingangstür hinauf, durch die Haustur des Mehrfamilienhauses und durch die Tür im Flur des Erdgeschosses, die zur Parterrewohnung des Mannes führte. In der Diele gab es neben der Tür, die Kakashi schloss, vier weitere. Zwei davon standen offen. Eine führte in eine geräumige, helle Küche, die andere in ein gemütliches Wohnzimmer mit riesiger Sofalandschaft, Schreibtischen und gigantischen, weißen Bücherregalen. Sasuke erlaubte sich nur einen kurzen Blick, ehe er zurück zu Boden schaute. Er glaubte nicht, dass es gut war, hier zu sein. Kakashi hatte seinem Herrn nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er ihn mitnahm. Er hatte ihn ins Bad geschickt, ihm schlicht Kleidung rausgelegt und ihn dann mitgenommen. Aber Kakashi hatte ihm auch genug erklärt, sodass er sich nicht sorgen musste. Er wurde nicht fortgebracht oder weggeschafft. Er hatte nichts getan, was dazu geführt hätte. Kakashi nahm ihn schlicht mit zu sich nach Hause, weil er einige Dinge holen musste und ihn nicht bei Itachi zurücklassen wollte. Er war wieder ehrlich zu ihm und äußerte seine Sorgen, ohne Sasuke Angst einzujagen. Das war eine Eigenschaft für die Sasuke dankbar war.
 

Sasuke spürte eine Hand an seiner Schulter die ihn in Richtung Wohnzimmer dirigierte. In einem Sessel, den Sasuke vom Flur aus nicht gesehen hatte, saß ein Mann. Er las, aber als Kakashi den Raum betrat, blickte er auf und schaute seinen Lebensgefährten und den Gast an. Mit einem Lächeln auf den Lippen legte er das Buch beiseite, stand auf und ging zu seinem Geliebten. Er küsste ihn kurz auf den Mund, löste sich wieder, aber lächeln tat er immer noch. Sein Blick lag auf Sasuke, aber das bemerkte der zu Boden schauende Junge nicht. Sasuke fühlte sich von einer Sekunde zur anderen nur durch die Anwesenheit des fremden Mannes sehr unsicher. Er war gerade soweit, dass er keine ständige Angst hatte, Kakashi könne ihm wehtun. Nein, es war noch lange keine Form von Vertrauen. Eigentlich vertraute Sasuke nur einem Menschen auf dieser Welt, aber von diesem war er schon eine lange Zeit getrennt. Er wusste nicht mal, ob dieser Mensch noch lebte aber er hoffte es so sehr. Hoffte, dass es irgendwo einen guten Herrn für die Frau gab, die am meisten Familie bedeutete. Sasuke biss sich auf die Innenseite der Wange um mit dem leicht stechenden Schmerz die Gedanke an sie zu verdrängen. Weil er sie vermisste. Und weil genau das so wehtat. Sasuke setzte sich unsicher auf das dunkle Stoffsofa, als Kakashi es ihm befahl. Er konnte nichts dagegen unternehmen, dass er wieder in seine eigene kleine Welt glitt. An manchen Tagen, in manchen Momenten war das eben so. Dann zwang sein Körper ihn dazu, die Welt um ihn herum nicht mehr zu beachten. In dem winzigen Kosmos, das sein Unterbewusstsein sich gebaut hatte, erlebte er als Kind große Abenteuer an der frischen Luft, weil es für Kinder wie ihn – Sklavenkinder – keine wirklichen Abenteuer an der frischen Luft gab. Als Jugendlicher träumte er vom frei sein, aber mehr und mehr schränkte man ihn ein. Wo er vorher oben bei den Frauen gelebt hatte, war er nun in dem riesigen Keller und kam sich mehr und mehr wie ein Sklave vor. Vorher hatte er lernen können und er hatte einen Menschen gehabt, der sich um ihn gesorgt und ihn vielleicht sogar geliebt hatte. Unten im Keller hatte er die Panik kennen gelernt. Vorher gab es Angst und Furcht in seinem Leben, aber als er das erste Mal in seinem Leben mehrere Tage zur Strafe in einer ziemlich düsteren, stickigen und gleichzeitig feuchten Zelle eingesperrt war, ergriff die Panik besitzt von ihm. Mit einem inneren Gefühl von Hilflosigkeit erinnerte er sich daran, wie er sich heulend zu einem Ball zusammengerollt hatte, nur um immer wieder nach Luft japsend aus seiner Position aufzuspringen. Er hatte das Gefühl zu sterben in dieser Zelle. Aber erst als er begonnen hatte zu hyperventilieren hatte man ihn daraus geholt, von den Frauen behandeln und beruhigen lassen und ihn dann in einer normale Zelle gesteckt. Von da an hatte es andere Strafen gegeben, denn sobald er diese eine Zelle wieder sah, löste es die blanke Panik bei ihm aus. Es war eine echt und keine gestellte Panik und die Aufseher wussten, dass eine solche Art der Panik zum Tode führen konnte. Tode Sklaven aber brachten niemandem was. Sie bedeuteten nur einen Kapitalverlust.
 

Kakashi bemerkte nicht, dass Sasuke in seine eigene Welt versunken war, aber er brachte es nicht über sich seinen Lebensgefährten und Sasuke miteinander bekannt zu machen. Deswegen verließ er den Raum und hoffte, dass Iruka ihm folgte, was dieser auch tat. Er folgte ihm bis ins Schlafzimmer und beobachtete seinen Freund dabei, wie er ein paar Klamotten in eine Reisetasche packte.

„Du hättest uns vorstellen können“, warf der dunkelhaarige Lehrer ein.

„Ja.“

„Ich hab kein Problem mit ihm.“

„Das weiß ich.“ Kakashi wusste aber auch, dass Iruka es nicht guthieß, was Itachi getan hatte. Iruka wusste lange Zeit nichts davon, dass Konan eine Sklavin war. Sie hatten es viele Monate vor ihm verschwiegen und sie hätten es noch länger getan, wenn Hidan nicht bei einem gemeinsamen Abend bei Itachi die Nerven verloren und Konan beschimpft und geschlagen hätte. Kakashi hatte den Schock in Irukas Augen gelesen. Während der Hatake damals wünscht, all dies aus dem Gedächtnis seines Geliebten löschen zu können – weil Iruka so was gar nicht in seiner Welt haben sollte – war dieser kurz davor, alles stehen und liegen zu lassen und zur Polizei zu gehen. Kakashi war nicht im Stande gewesen, ihn davon abzuhalten, aber Iruka war nicht gegangen. Er wusste, dass Kakashi, sollte er zur Polizei gehen, nicht ohne eine Anklage davon kommen würde, denn er war von Anfang an Mitwissender. Doch Iruka liebte Kakashi zu sehr. Er hatte es nicht gekonnt und auch nun konnte er es nicht, auch wenn er die Tatsache, dass es Sklaven gab nicht ausstehen konnte. Er war ein Glückskind, mochte man sagen. Ein Mann, der als Kind in den Genuss kommen durfte, in einem guten Elternhaus großzuwerden, mit Freunden, Hobbys und einer ausgezeichneten Schulbildung. Und mit wundervollen Sommerferien. Kakashi seufzte. All das kam ihm in den Sinn, als er packte und Iruka hinter ihm auf dem Bett sitzen wusste.
 

„Hat er ihm wehgetan?“, wollte der junge Lehrer wissen und fixierte seinen Freund. Der fuhr sich durch die Haare. Er konnte weder ja noch nein sagen. Offensichtlich waren die Pflaster im Gesicht des Jungen, doch das war nicht Itachi gewesene. Aber weh getan hatte er ihm trotzdem. Indem er ihn so lange knien ließ, Sasuke nicht den Nöten seines Körpers folgen durfte und indem Itachi ihn so behandelte, wie er es tat. Aber er wollte mit Iruka gar nicht über all das sprechen. Er hatte Sasuke gar nicht mit her nehmen wollen. Iruka sollte ihn nicht so verstört und ängstlich und unsicher sehen. Am liebsten wollte Kakashi sein Leben vor Iruka und alles was damit zusammenhing – sogar Itachi – vollkommen von seinem Leben mit Iruka fernhalten. Aber das ging nicht. Alles was vor ihm war, war dass, was Kakashi ausmachte.

„Es ist schwierig. Ich mag die beiden nicht allein lassen.“

„Das ist okay.“

„Ist es nicht. Aber es geht nicht anders“, sagte Kakashi, zog den Reißverschluss der Reisetasche zu und wandte sich seinem Freund zu. „Tut mir Leid, `Ruka.“
 

Kakashi hockte sich vor seinen Geliebten und legte ihm die Hände auf die Knie. Er blickte nach oben und sah das leichte Lächeln auf Irukas Lippen. Er wusste, dass er seinen Spitznamen mochte.

„Ich mach’s wieder gut. Alles. Ich verspreche dir das.“

Iruka lächelte immer noch und nickte. Er liebte Kakashi. Das machte alles wieder gut. Er war ihm nicht böse, auch wenn er bei Weitem nicht wirklich verstand, was alles hinter Kakashi lag. Er hatte das akzeptiert, was er wusste, weil Kakashi zu erzählen bereit war und gleichsam akzeptierte er alles, was unter der Oberfläche lag. Nur so war diese Beziehung möglich und Iruka liebte Kakashi zu sehr um nicht alles zu versuchen, damit sie zusammen sein konnten.

In einer vertrauten Geste stützte Iruka sich beim Aufstehen auf Kakashis Schulter ab.

„Ich biete ihm was Zutrinken an.“ Kakashi nickte. Nur weil Sasuke war, was er eben war, vergaß Iruka nicht das was seine Eltern ihm als Höflichkeit beigebracht hatten. Biete deinen Gästen etwas Zutrinken an.

Sie verließen ihr gemeinsames Schlafzimmer und während Kakashi ins Bad ging um die restlichen Sachen in die Reisetasche zu packen, ging Iruka ins Wohnzimmer. Sasuke saß mit gesenktem Blick auf der Couch. Er hatte sich nicht zurückgelehnt, sondern beanspruchte nur ein winziges Stück der großen Fläche.

„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Iruka. Für ihn war dieser junge Mann eben genau dies: Ein junger Mann und solche siezte man, wenn man sie gerade erst kennen lernte. Iruka wollte ihm nicht das Gefühl geben, wertlos zu sein. Vielleicht siezte er ihn auch deswegen.

Gleichzeitig sah Iruka aber auch, dass der dunkelhaarige sich nicht angesprochen fühlte. Er blickte nicht mal auf, zuckte lediglich zusammen. Doch ehe Iruka erneut fragen konnte, stand Kakashi mit geschulterter Tasche neben ihm und schüttelte den Kopf.

„Komm, Sasuke. Wir fahren wieder“, sagte er und augenblicklich erhob sich der Junge. Er trat vorsichtig, ohne auch nur ein Möbelstück zu streifen zu Kakashi und blieb einen halben Meter von ihm entfernt stehen.
 

Kakashis Blick legte sich auf das Gesicht seines Lebensgefährten. Er hob die Hand, legte sie an Irukas Wange und fuhr mit dem Daumen fahrig über eben diese, ehe er sich zu ihm rüberbeugte, einen Arm um seine Schulter legte und ihm ins Ohr flüsterte, wie Leid es ihm tat. Er löste sich, küsste ihn zum Abschied und bedeutete Sasuke dann voran in den Hausflur zu gehen. Als Kakashi hinter sich die Wohnungstür zuzog, wusste er, dass Iruka ihm nicht böse war, aber er vermisste ihn jetzt schon. Am liebsten würde er wieder rein gehen und dort bleiben. Aber an seiner Seite stand Sasuke. So Leid es ihm tat, er konnte nicht so tun, als ginge ihn das alles nichts an. Er wünschte er könnte das. Könnte Sasuke zum Jugendamt oder sonst wohin bringen, wo man ihm ein offizielles und rechtes Leben errichtete und er wünschte sogar, er könnte Itachi hinter sich lassen, aber er konnte nicht. Er war gebunden. Für ein ganzes Leben lang. Damals, vor vielen, vielen Jahren, am Ende eines längst vergangenen Sommers hatte er diese Entscheidung binnen Sekunden getroffen. Sie war unwiderruflich.

„Komm schon“, wiederholte er, wobei seine Stimme einen harschen Unterton bekam, und trat auf den Bürgersteig. Er öffnete Sasuke die Beifahrertür, bedeutete ihm einzusteigen und tat es selber auf der anderen Seite. Einen Moment blieb er so sitzen, drehte die Schlüssel nicht im Anlasser, sondern stützte die Ellbogen auf das Lenkrad. Aus dem Augenwinkel blickte er zur Sasuke. Der Junge hatte seine Arme um den Bauch geschlungen, sein Blick war zu Boden gesenkt und die Schultern hingen trostlos herab.

„Was ist los?“, wollte er wissen. Seine Stimme war ruhig, verständnisvoll, aber sie war nicht wirklich sanft, stellte Kakashi fest. Dabei wollte er wirklich für Sasuke da sein. Er wollte ihm wirklich helfen. Wollte nicht so harsch sein, wie zuvor. Er wollte Sasuke nicht das Gefühl geben, etwas falsch gemacht zu haben, wenn es nicht an dem war.

„Ich weiß nicht…“, murmelte Sasuke unsicher und mit einem traurigen Ton in der Stimme. Nun kam es Kakashi ganz so vor als umarme der Junge sich selber. Plötzlich wusste Kakashi genau, was los war und es war doch ganz natürlich, dass Sasuke sich so fühlte. Er war einsam und niemand konnte diese Einsamkeit in diesem Moment vertreiben. Auch er nicht.
 

Aber er konnte es auch nicht an dem belassen. Sasuke tat ihm Leid. Er hatte das nicht verdient. Kakashi schloss die Augen, nur um sie sekundenspäter wieder zu öffnen. Wenn er schon nicht dazu bereit war, Sasuke Leiden zu beenden, indem er Itachi mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontierte, musste er einfach alles tun, um Sasukes Zeit bei diesem so erträglich wie möglich zu gestalten.

„Hör zu, Sasuke“, sagte Kakashi ruhig und blickte ihn aus dem Augenwinkel an. „Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber in unserem Staat gilt man mit achtzehn Jahren als erwachsen. Als ein solcher möchte ich dich behandeln, deswegen bin ich ehrlich zu dir. Ich möchte auch dass du weißt, dass es mir Leid tut, wie ich gerade eben mit dir gesprochen hab. Aber ich will ehrlich mit dir sein. Ich hab erst vor zwei Tagen erfahren, dass Itachi diesen absurden Plan wirklich durchführen will.“

Kakashi schüttelte den Kopf. Er hatte einfach nicht geglaubt, dass der Uchiha das wirklich über sich brachte.

„Ich meine den Plan, einen Sklaven, den er kauft, als seinen Lebenspartner auszugeben. Ich habe nichts gegen dich, Sasuke. Ich glaube trotzdem nicht, dass die ganze Sache klappt, wenn es so weiter geht wie bisher. Aber das ist nicht deine Schuld.“

Kakashis Stirn legte sich in Falten ohne dass er es merkte.

„Es ist meine Schuld, wenn der Plan nicht klappt. Das wird der Beweis sein, dass ich weder in der Lage war Itachi zu schützen noch dich.“
 

Sie schwiegen. Kakashi wusste dem nichts mehr hinzuzufügen. Das waren die Worte, die er Sasuke einfach hatte sagen müssen. Er konnte nicht anders, als zu versuchen sich und sein Handeln zu erklären.

Sasuke traute sich nicht zu sprechen. Kakashi hatte ihm einigen Stoff zum nachdenken gegeben. Schon allein der Fakt, dass er nicht nur Itachi beschützen wollte, sondern auch ihn.

Kakashi war sich im Klaren, dass sie langsam zurück mussten, damit Itachi nicht wieder einen Anfall wegen seinem Zeitplan bekam. Also drehte er den Schlüssel im Anlasser, doch bevor er die Schaltung betätigte, aufs Gaspedal trat und ausparkte, griff er in seine Hosentasche und legte Sasuke sein Handy samt Kopfhörern in den Schoß. Kakashi blickte in den Rückspiegel und als er aus seiner Parklücke war, schaltete er erneut, ehe er gemächlich die Straße entlang fuhr.

„Hör ruhig etwas Musik“, sagte der Hatake. Da das Menü schon auf Ipod stand, musste Sasuke nur auf Kakashis Anweißung hin den Knopf unter dem Bildschirm drücken, dann Play auf dem Touchscreen und sich die Kopfhörer in die Ohren stecken. Aus Vorsicht tat Sasuke aber wieder nur einen Ohrstöpsel ins Ohr. Er wollte nicht unaufmerksam sein.
 

Es vergingen kaum ein paar Minuten, ehe Kakashi an der ersten roten Ampel hielt und einen Seitenblick zu Sasuke warf. Der Junge schaute auf den Bildschirm des Handys und schien ein neues Lied auszusuchen.

„Es ist ziemlich schwer, sich für einen Titel zu entscheiden, wenn man die Sprache nicht versteht.“ Kakashi hatte fast nur englische Lieder auf seinem Handy. Er mochte deutsche Musik nicht gerne.

Sasuke gab keine Reaktion von sich, aber das war schon in Ordnung, schließlich hatte Kakashi nichts gefragt und ihn auch nicht zum sprechen aufgefordert. Dennoch konnte der Hatake nicht aufhören, mit Sasuke zu sprechen, als die Ampel auf Grün schaltete und er wieder losfuhr.

„Du kannst auch einfach auf eines klicken, hören und wenn es dir nicht gefällt, klickst du weiter.“

Kakashi achtete eine Weile auf die Straße. Dabei blieben seine Gedanken aber bei Sasuke. Wie wollte Itachi seinen Eltern nur erklären, dass der Junge, der Abitur oder mindestens ein Fachabitur über ein medienorientiertes Berufskolleg haben musste um in seiner Firma angestellt zu sein, kein Englisch sprach. Und so wie Itachi es in den Unterlagen stehen hatte, die er über Hidans Bekannte für Sasuke fälschen ließ, hatte der Junge ein Abitur mit einem ziemlich guten Schnitt. Also musste der Junge mindestens eine weitere Fremdsprache sprechen. Doch das tat Sasuke nicht. Dieser ganze Plan war zum Haare raufen!
 

Kakashi wandte seinem Blick hin und wieder dem Jungen zu. Er konnte beobachten, wie dieser hin und wieder die Lieder wechselte, dann ein paar Sekunden hörte, manchmal länger und wieder wechselte, ehe er bei einem mehrere Minuten blieb und es sogar ein zweites Mal zu hören begang. Es war ein recht altes Lied von einer Lieblingsband Kakashis.

„Home heißt übersetzt Heimat oder Zuhause“, warf der Hatake erklären ein, weil er dachte, es würde Sasuke vielleicht interessieren. Doch Sasukes Gesichtsausdruck blieb gleich. Er war kein schlechter Gesichtsausdruck, es war nur so, dass der Junge nicht wirklich reagierte, was Kakashi ein wenig enttäuschte.

„Interessiert dich nicht wirklich, mh?“, hörte Kakashi sich selber fragen. Er wollte Sasuke kein schlechtes Gefühl geben, aber er konnte nicht aufhören mit ihm sprechen zu wollen.

„Doch, Sir“, sagte Sasuke, weil ihm dieses Mal eine Frage gestellt wurde.

„Was ist es dann?“

„Ich spreche Englisch, Sir“, sagte Sasuke leise und ohne jeden Funken Stolz in der Stimme. Kakashi war dennoch verwundert. Er hatte nicht geglaubt, dass Sasuke andere Sprachen beherrschte. Wobei das natürlich gut war. Es nahm Kakashi eine Sorge, auch wenn es eine der Kleineren war.
 

Augenblicklich kam Kakashi aber in den Sinn, wie viel Wissen der Junge noch vor ihnen versteckte. Wissen ist Macht, sagte einst ein englischer Philosoph, dessen Namen Kakashi nicht mehr in den Sinn kam – er hatte in der Schule mal ein Referat über ihn halten müssen, dass wusste er noch. Aber auf eine Art und Weise stimmte das. Wissen war Macht. Wie viele Visionäre bauten ihre Visionen aus Wissen, weil sie sonst nur Illusionen wären?

Hier, in Sasukes Fall, war es nur das beherrschen einer Sprache, aber waren Sprachen nicht auch Macht? Oder vielleicht war Macht sogar in beiden Fällen das falsche Wort, aber Kakashi fiel kein Besseres ein, obwohl es vielleicht eines der Schlechtesten war, denn Macht war selten gut.

Einen Moment lang, als er an einer roten Ampel hielt, schloss Kakashi seine Lider und versuchte die Welt mit Sasukes Augen zu sehen. Nur einem Moment, zu mehr war er sowieso nicht im Stande. Es war unvorstellbar, die Welt überhaupt für ein paar Sekunden mit Sasukes Augen zu sehen, aber irgendwie schien es, als würde es ihm trotz allem gelingen.

Sprache war nichts anderes als Worte. Und Worte waren gleichsam wunderschön und unberechenbar. Worte waren so vielfältig. Man konnte eine Sache mit tausenden Worten umschreiben. Worte waren heilig.

Kakashi öffnete seine Augen. Und Worte – die Sprachen dieser Welt – bedeuteten Freiheit. Denn nur wer sich zu sprechen traute, konnte die Welt verändern, Mauern zu Fall bringen, Schlösser brechen, Brücken bauen, …
 

OO step backward OO
 

Er hatte gern über seine Träume gesprochen. Über die Bilder, die er in der Nacht vor seinen geschlossenen Augen sah. Und über seine Wünsche für die Zukunft. Es war gar nicht so lange her, da wollte er Arzt werden. Wollte Menschen gesund machen; Leben retten. Aber nun wusste er, dass all das vergeblich war. Er würde hier nie rauskommen. Immerzu sagten sie ihm das. Es war nutzlos zu hoffen. Er sollte nachgeben. Aufgeben. Seine Träume aufgeben. Das sagten sie nichts. Denn sie wussten nicht von seinen Träumen. Er sprach nicht mehr über sie. Aber er wusste, dass wenn er nachgab, dann gab er seine Träume auf und mit ihnen vielleicht alles was ihn ausmachte. So weit konnten Kinder denken. Oh, Kinder dachten in viel mehr Facetten als Erwachsene es taten. Das wusste er nicht. Aber jedes Kind spürte das. Und irgendwann vergaß es diese Tatsache, weil es erwachsen wurde.

Hier waren Kinder keine Kinder und Kinder wurden auch nicht zu Erwachsenen, selbst wenn sie so lange überlebten, dass sie das richtige Alter erreichten. Hier, an solchen Orten, zu solchen Gegebenheiten waren sie Verlorene, Zurückgelassene, manchmal Vermisste. Sie blieben Menschen, obwohl sie in vielerlei Hinsicht Dinge verloren, die sie ausmachten.

In solchen Situationen, an Orten wie diesem hier, passierte das. Doch all das wusste er nicht.

Er lag hier, weinte und wollte fort, aber niemand kam um ihn zu holen, egal wie oft er von Menschen träumte, die genau das taten. Die kamen, ihn packten und fort brachten. An einen Ort, der sicher und warm und voller Liebe war.
 

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Leute, es tut mir so Leid. Ich hab annähernd ewig gebraucht mit dem neuen Kapitel, aber die Schule hat wieder angefangen und ich fürchte schon allein das Wissen jetzt auf dem Gymi und nicht mehr auf der Realschule zu sein, macht alles viel härter :D Dann hab ich jetzt auch länger Schule und mehr Hausaufgaben.

Und, Schande über mich, hat mich Navy CIS L.A in seinen Bann gezogen und mich zusätzlich vom Schreiben abgehalten. Dann wollte ich mich letztes Wochenende an das Kapitel setzten und was ist, kurz nachdem ich meinen Laptop anmache? Ich hab einen Virus drauf… Super, sag ich euch… aber jetzt hab ich meinen Laptop zurück und endlich gibt es ein neues Kapitel.

Für die, die es interessiert: Ich versuche auch mit dem Catch-Kapitel mir nicht mehr zu viel Zeit zu lassen, aber insgesamt wird die Zeitspanne zwischen dem Hochladen jetzt länger werden.

Liebe Grüße

Jessi :)

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Kapitel 7: Superhelden


 

Kapitel 7: Superhelden

Angst haben wir alle.

Der Unterschied liegt in der Frage wovor.

[Frank Thiess]
 


 

Itachi stand im Flur und steckte das Haustelefon zurück auf die Basis, als Kakashi und Sasuke die Wohnung betraten. Der Hatake hatte die Reisetasche geschultert. Er setzte sie im Flur neben der Kommode ab, ehe er den zuvor von Itachi geliehenen Haustürschlüssel darauf ablegte. Itachi hatte ihn sowieso nicht gebraucht und wenn doch, wusste Kakashi, lag ein Ersatzschlüssel in einer der Schubladen eben dieser Kommode. Der Hatake warf einen Seitenblick zu Sasuke. Dieser stand mit gesenktem Kopf neben ihm. Äußerlich hoffte Sasuke ruhig zu erscheinen, obwohl in ihm ein kleiner Sturm tobte. Er hatte die Aufgaben nicht zur Zufriedenheit seines Herrn erledigt und er konnte sich nicht vorstellen, dass darauf keine Strafe folgte. Sasuke war sich der Strenge seines Herrn bewusst und er fürchtete sie. Er war unwissend, was sein Herr nun plante. Sie standen in dem recht großen Flur der Wohnung, dennoch wusste Sasuke, er konnte nicht ausweichen, wenn sein Herr entschied ihn zu schlagen. Er konnte nicht weiter als einen Schritt zurücktreten, dann kam die Haustür und er hatte keine andere Möglichkeit mehr seinen Körper zu schützen, als die Hände zu erheben und vor sich zu halten. Zurückweichen und die Hände schützend vor sich halten war ihnen als Sklaven verboten, aber Sasuke hatte es nie verhindern können, dass sein Körper so reagierte. Er hatte den Menschen in sich noch nicht sterben lassen können. Und Selbstschutz war ein Instinkt der Lebenden.
 

Kakashi stütze eine Hand lässig auf der Kommode ab.

„Wer war dran?“, fragte er. Itachi schwieg zunächst. Er verschränkte die Arme und lehnte sich seinerseits mit dem Hintern gegen das hüfthohe Schränkchen.

„Ich wüsste nicht, was es dich interessiere sollte“, setzte Itachi an, machte eine Pause, schnaubte kurz und leise, sagte dann aber in einer relativ freundlichen Stimmfarbe: „Hidan. Er kommt gleich vorbei.“

„Alleine?“

„Nein. Er bringt sie mit.“

Kakashi spürte Sasuke neben sich zusammenzucken, aber er schob es darauf, dass Sasuke Angst vor Hidan hatte. Doch das konnte Kakashi nun nicht groß ändern. Er würde Sasuke einfach heute Abend schützen müssen. Den Besuch konnte er nicht ändern. Das hier war Itachis Wohnung und er hatte das Recht einzuladen, wen er einladen wollte.

Kakashi schenkte Sasuke dennoch ein aufmunterndes Lächeln, bevor er dem Jungen bedeutete, ihm und Itachi ins Wohnzimmer zu folgen. Seine Reisetasche ließ er erst mal stehen, wo sie stand.
 

Im Wohnzimmer konnte Kakashi den Uchiha dabei beobachten, wie er sich auf die Kante des Sofas setzte, um sich über die Unterlagen auf dem niedrigen Couchtisch beugen zu können. In diesem Moment, fand Kakashi, wirkte Itachi ein wenig anders als in den Tagen zuvor. Kakashi wagte nicht zu sagen, dass es dem Uchiha von jetzt auf gleich besser ging oder dass er plötzlich wieder der Mensch von ganz damals war. Der würde er niemals mehr werden, denn so spielte das Leben nicht.

Kakashi setzte sich auf einen Stuhl an den Esstisch, ohne den Blick von Itachi abzuwenden. Irgendetwas, was er nicht genau definieren konnte, gefiel ihm an diesem Bild. Es war als sei ein Stück Lebendigkeit zurückgekehrt. Nein, keinesfalls eine Art Lebendigkeit die vielleicht Kinder ausstrahlen, wenn sie mit voller Wucht auf einen zugelaufen kommen, nur um einmal im Kreis gewirbelt zu werden. Nein, wahrscheinlich nicht mal die Art Lebendigkeit, die ein Mensch spürt, der die Sonne liebt und sie nach einem endlos kalten Winter mit breitem Lächeln begrüßt. Es ist eher wie einer der Pinselstriche die manchmal in einem Gemälde fehlten, um diesem Leben einzuhauchen. Ja, so würde Kakashi es am ehesten beschreiben.
 

Kakashi hatte nicht die Augen von Itachi abgewandte, während er seinen eigenen Gedanken nachhing. So blieb ihm auch nicht verborgen, wie sich Itachis Blick zur Tür wandte, die vom Wohnzimmer in den Flur führte. Kakashi folgte dem Blick und sah Sasuke dort stehen. Der Junge stand vollkommen still seitlich neben dem Türrahmen, mit auf dem Rücken verschränkten Armen, zu Boden gesenktem Kopf und Haare, die ihm in die Stirn fielen. Sie musste mal geschnitten werden. Kakashi konnte nicht bestimmen, ob Itachis Blick genauso kühl war wie in den letzten Tagen, Wochen, Monaten… Jahren… - und er konnte auch nicht sagen, ob sich in Itachis Stimme etwas verändert hatte, aber momentan fühlte Kakashi nicht dieses auswegslose Gefühl, dass er sonst gespürt hatte, wenn Itachi das Wort an Sasuke richtete. Es war vielleicht unsinnig, aber momentan fühlte Kakashi so was wie einen Funken Hoffnung, dass es am Ende all dessen keines der Szenarien eintreten musste, die ihm so grauten.
 

„Komm her“, sagte Itachi schließlich. Und Sasuke gehorchte. Schritt für Schritt trat er durch den Raum näher an Itachi heran und wollte gerade vor ihm niederknien, als Itachi ihm bedeutete stehen zu bleiben. Das war vernünftig befand Kakashi. Sasukes Knie waren genug in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Hatake stützte einen Ellbogen auf dem Esstisch ab und blickte an Itachi und Sasuke vorbei an die Wand. Nur einen Moment lang – und er sah den Blick, den Sasuke ihm auf halben Weg durch seine Ponyfransen zugeworfen hatte. Kakashi wusste, der kurze Augenkontakt zwischen ihnen beiden war von Sasuke unbeabsichtigt geschehen. So schnell wie Sasuke seinen Blick wieder zu Boden gerichtet hatte, hatte es nicht beabsichtigt gewesen sein können. Außerdem, und das wusste Kakashi mittlerweile, schaute Sasuke nicht absichtlich Menschen in die Augen. Sasuke hatte Angst vor Strafen. Auch das wusste Kakashi mittlerweile. Und er hatte es sich von Anfang an denken können.

Dennoch – unbeabsichtigt oder nicht – der kurze Blickkontakt berührte Kakashi, denn er hatte Dinge in Sasukes Augen gesehen, auf die er zuvor keinen Blick hatte erhaschen können. Kakashi mochte es nicht wirklich Vertrauen nennen, was er gesehen hatte, denn das wäre sicherlich zu weit hergeholt, aber ein winziger Funken etwas ähnlichem war da gewesen. Vielleicht, dachte Kakashi, war es so, dass Sasuke anfing daran zu glauben, dass Kakashi nicht zuließ, dass Itachi ihm schadete. Da Kakashi nichts auf den Blick hin und auch nichts vor dem Blick gesagt hatte, hoffte Sasuke wahrscheinlich er würde keine Schmerzen erleiden, bei dem wofür Itachi ihn hergerufen hatte. Kakashi wandte seinen Blick wieder von der Wand den beiden schwarzhaarigen jungen Männern zu. Wenn Sasuke vielleicht wirklich genau das glaubte, was Kakashi dachte, dann wollte Kakashi diesen winzigen Funken Sicherheit nicht zerstören lassen, auch wenn er sich nicht sicher war, Sasuke wirklich schützen zu können.
 

Itachi gab dem Sklaven Blätter und einen Füller in die Hände, eher er zu dem ersten Buch vom Couchtisch griff. Es war ein Englischbuch der fünften Klasse, wenn Kakashi das von seinem Platz aus richtig lesen konnte. Auch das gab Itachi an Sasuke weiter.

„Diesen deutschen Text“, sagte Itachi und gab Sasuke ein beidseitig bedrucktes Blatt, „wirst du ins Englische übersetzten.“

Itachi stand auf, ging zu dem Bücherregal im Wohnzimmer, zog ein dickes Wörterbuch heraus und ging zurück zu Sasuke, dem er den Wälzer ebenfalls in die Hände gab.

„Übersetzungen sind hier drin, Regeln zum Satzbau in dem anderen Buch. Wenn der Text fertig ist, wirst du Mathematik üben.“ Ein weiteres Buch fand den Weg auf Sasuke überladene Arme, sowie einen Bleistift, ein Radiergummi, ein Geodreieck und eine Normalparabel. Kakashi fragte sich wo der Taschenrechner blieb, während Itachi Sasuke die Seitenzahlen im Mathematikbuch nannte. Erwartete er etwa dass der Junge sich die merkte? Warum markierte er sie nicht mit Postets. Das wäre viel sinnvoller befand der Hatake – und es kam nicht so rüber, als wolle Itachi Sasuke nur ärgern mit völlig unnötigen, winzigen Gegebenheiten. Das war lächerlich, fand Kakashi. Dennoch merkte er sich die Seitenzahlen für Sasuke.
 

Der Junge entfernte sich auf Itachis Wink hin vom Sofa. Er ließ sich neben dem Stuhl, auf dem Kakashi saß, auf dem Boden nieder. Weil man ihm am Morgen von beiden Seiten gesagt hatte, er solle nicht knien, unterließ er es und setzte sich in einem halben Schneidersitz dort hin. Die Bücher und anderen Sachen ließ er noch eine Weile in seinem Schoß ruhen. Er war dankbar, dass er sitzen durfte. Noch immer schmerzten seine Kniegelenke. Zudem wollte er sich konzentrieren können, wenn er die Aufgaben löste. Unter Schmerzen konnte er sich nicht konzentrieren und seine Arbeiten wurden mit jeder Minute schlechter und fahriger, weil nichts mehr außer stechender Schmerz da war, der sein Hirn ausfüllte. Aber er wollte keine schlechten Arbeiten abliefern. Für sein eigenes Wohl wollte er das nicht.

Deswegen entschied Sasuke sich nicht noch weiter zu erlauben untätig herumzusitzen. Er legte den Duden und das Englischbuch vor sich, obwohl er die Seiten noch nicht aufschlug. Das Mathebuch benutzte er als Unterlage für die linierten Blätter. Sasuke las die ersten Sätze des deutschen Textes und begann sauber und mit vollster Konzentration erste englische Sätze aufs Papier zu bringen. Nachdem drei Zeilen voll seinen kleinen Buchstaben standen, las er die nächsten Sätze und übersetzte auch die. Das machte er, bis der ganze deutsche, zweiseitig mit Computer geschriebene Text auf vier Seiten Handschrift stand. Sasuke hatte zwei, drei Wörter im Duden nachschlagen müssen, weil sie ihm entfallen waren, aber an sich war der Text nicht besonders schwierig gewesen. Sasuke sprach, verstand und schrieb beinahe so gut Englisch wie Deutsch. Die Aufgabe hatte somit kaum ein größeres Problem für ihn dargestellt, aber er fürchtete sich vor Mathematik. Schon im Haus der Schlange war er nie der Beste im Rechnen gewesen, wenn die Frauen die anderen Kinder und ihn lehrten.
 

Sasuke legte die Englischblätter beiseite und zog das Mathebuch, das er zuvor auf den Boden vor sich gelegt hatte, ein Stück heran. Er wusste nicht mehr genau welche Seiten Itachi ihm genannt hatte. Doch das war nicht das größte Übel. Nun, wo er nicht mehr tief in seiner Übersetzterarbeit vertieft war, kam die Furcht zurück, die dafür sorgte, dass er so nah an dem Hatake saß.

Sasuke hatte viele Geschichten gehört, denn er hatte schon mit vielen Männern die Zellen geteilt. Jeder dieser Männer, dieser Zurückkehrenden, hatte eine Geschichte zu erzählen. Sie handelten von Resignation, Kapitulation und Schmerz. Viele wurden misshandelt. Sie wurden an ihre körperlichen Grenzen gebracht, wurden sexuell missbraucht oder, und das war schon schlimm genug, schlicht vernachlässig und irgendwann, das hatten sie alle gemein diese Zurückkehrer, wurden sie wieder ins das Haus der Schlange gebracht, weil keiner sonst sie mehr haben wollte.

Sasuke glaubte nicht, dass sein Herr ihn sexuell missbrauchen würde, denn er schien selbst absolut kein Interesse daran zu haben, sexuell mit ihm aktiv zu werden. Das erleichterte Sasuke, der sich grundsätzlich durch alle Erzählungen, denen er in den Zellen gelauscht hatte, vor dieser Art Misshandlung mehr fürchtete, als vor anderen Gewalteingriffen. Er wurde Geschlagen, Getreten und auch Bespuckt im Haus der Schlange, aber niemand war in ihn eingedrungen, hatte ihn entjungfert. Er war bis zu einem gewissen Grad auch auf ein solches Aufgabengebiet hin trainiert wurden, aber es hatte nie soweit geführt, wie es in vielen Erzählungen dieser Heimkehrer an der Tagensordnung war. Somit waren sexuelle Übergriffe eine Unbekannte für ihn. Das war es vielleicht, was ihn daran so sehr ängstigte.

Außerdem konnte Sasuke nicht ausschließen, dass sein Herr diesen Hidan herrief, damit dieser ihn in einer solchen Art und Weise strafte. Und Sasuke hatte eine schreckliche Angst davor.
 

Unbewusst rutschte Sasuke noch ein Stück näher an den Stuhl heran. Er vertraute Kakashi nicht, aber er hegte die Hoffnung, dass dieser Mann ihn davor bewahren konnte solch eine Strafe ertragen zu müssen. Vielleicht konnte Kakashi die beiden Männer, seinen Herrn und diesen Hidan, davon abhalten, Sasuke auf dieser Art wehzutun. Er hatte ihn schließlich auch mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt, er ließ ihn Musik hören und er versorgte seine Wunden.

Ein wenig von diesem Gedanken beruhigt, versuchte Sasuke sich wieder daran zu erinnern, welche Seitenzahlen er im Mathebuch zu bearbeiten hatte, als er ein Klingelgeräusch hörte. Erschrocken zuckte er zusammen, ehe er realisierte das es das Mobiltelefon von Kakashi war, denn der Mann hob ab, sprach ein paar Worte, lauschte und ging in den Flur um ungestört telefonieren zu können.
 

Voller Furcht zuckte Sasukes linke Hand. Er mochte nicht mit seinem Herrn allein in einem Raum sein. Momentan stand eine Strafe aus und Sasuke fürchtete den Gedanken, sein Herr wartete nur auf einen ungestörten Moment in dem er ihn strafen konnte. Die Hoffnung, dass Kakashi ihn davor bewarte blieb und Sasuke klammerte sich daran. Das holte diese große Furcht hervor, als Kakashi in den Flur ging und ihn mit seinem Herrn alleine lies.

Daumen, Ring- und Zeigefinger der rechten Hand umfassten den Füllfederhalter fester. Auch seine Schreibhand begann zu zucken. Sasuke kannte dieses Gefühl in den Händen. Sie zuckten, wenn er sich seiner Furcht schämte. Sasuke schämte sich oft. Er wollte keine Angst haben, wollte nie weinen. Er wollte stark sein und alles in Würde ertragen. Aber die Umstände erlaubten ihm dieses Verhalten nicht. Dann schämte er sich. Diese Scham war es, die die Furcht ein bisschen verdrängte. Sie war es, die ihn dazu brachte, ein wenig rationaler zu denken. Aber dann stand er in einem Zwiespalt. Er wusste nicht ob er der Furcht nachgeben sollte oder sich so stark auf die Scham konzentrieren, dass die Angst ganz verschwand. Deswegen zuckte sein Körper um sich der Anspannung zu entledigen, die dieser Zwiespalt auslöste.

Sasuke verstand seinen Körper und dessen Eigenheiten. Er befand sich zwar nicht in einem gewohnten Umfeld, aber es war eine gewohnte Situation. Schon häufig hatte er sich seiner Furcht geschämt und das Zucken seiner Hände kannte er zu genüge.
 

Itachi hatte während der Sklave in seiner Übersetzung vertieft gewesen war, etwas Wasser aus einer neben dem Couchtisch stehenden Mineralwasserfalsche in sein Glas geschüttet und trank einen letzten Schluck, bevor er das Glas beiseite schob. Er hatte selbst ein bisschen Schreibarbeit zu erledigen. Die heute eingereichten Urlaubspläne für die nächsten 12 Monate mussten in einen einheitlichen Plan eingebettet werden und damit hatte er begonnen. Er selbst nahm dieses Jahr seinen ersten mehrwöchigen Urlaub, seit er die Agentur besaß. Er mochte keine freien Tage, wenn sie nicht unbedingt nötig waren. Seine Arbeit hatte nichts mit Leidenschaft zu tun oder damit, dass sie ihn mit irgendwas erfüllte, nach dem er sich sehnte. Sie lenkte ihn ab von all den anderen Dingen, an die er denken würde, wenn er zu viel freie Zeit hätte.

Aber er hatte die ganze letzte Stunde keinen so klaren Gedanken fassen können, dass er sich mit voller Konzentration an die Pläne machen konnte. Immer wieder war sein Blick zu dem Sklaven geruckt, der nicht von Kakashis Seite wich. Es stört Itachi nicht. Es war ihm egal, wo der Bengel hockte, solange er seine Arbeit tat und Itachis Zeitplan nicht durcheinander brachte. Aber er konnte den Ausdruck im Gesicht des Sklaven nicht leiden, als Kakashi den Raum verlies. Itachi hatte ihm keinerlei Schaden zugefügt – das war seine feste Überzeugung. Er hatte ihn weder geschlagen, noch hatte er es geahndet, dass der Bengel die Strafe, die er lieber als eine Konsequenz bezeichnete, nicht zu seiner vollen Zufriedenheit ausführte. Itachi war sich keiner Schuld bewusst. Es waren ein paar Wochen die der Sklave überstehen musste und dann war er ein freier Mann, mit einem Konto im Rücken, dessen Geld viele Menschen gerne besäßen. Damit ließ es sich einige Jahre gut leben und jeden Monat wuchs es, weil Itachi noch nie einen Cent von dort abgehoben hatte. Seit mehr als zehn Jahren lag es still, bis auf die Einzahlungen am ersten jedes neuen Monats.
 

Deswegen – weil der Sklave nicht für umsonst in seinem Dienst stand und nachher mehr hatte, als er zuvor hatte von träumen können, nämlich Geld und Freiheit – konnte Itachi es nicht leiden, wenn Kakashi ihn wie einen Unmenschen darstellte, nur weil er versuchte, den einfachsten aller möglichen Wege einzuschlagen.

Itachi stieß die Luft durch die Nase aus – einer seiner menschlichsten Züge, die er sich ohne schlechtem Gewissens vor anderen Menschen erlaubte und sagte, ohne groß über seine Worte nachzudenken:

„Guck nicht so! Ich kill dich schon nicht, nur weil er den Raum verlassen hat.“

Sasuke zuckte zusammen. Beinahe fiel ihm der Füller aus der Hand, doch er bemühte sich ihn festzuhalten. Er klammerte sich an ihn, während seine Furcht wuchs. Sein Herr sagte ihm zwar gerade, er würde ihn nicht töten, dennoch gab es genug andere Dinge, vor denen sich Sasuke ängstigte. Dinge, die sein Herr ohne Zweifel mit ihm tun könnte. Gleichsam kam ihm ins Bewusstsein, dass sein Herr ihn sehr wohl töten könnte, wenn er das wollte. Vielleicht tat er es sogar, wenn er ihn nicht mehr brauchte. Vor dem Staat existierte Sasuke nicht. Niemand würde nach ihm suchen, niemand ihn vermissen und Sasuke kannte die Welt nicht genug, um zu wissen, dass er trotzdem wichtig war und Itachi, sollte er ihn irgendwann töten und sollte es rauskommen, die gleiche Strafe bekam, wie jemand, der einen freien Mann umbrachte.
 

Itachis Augen ruhten auf dem Sklaven, dessen Körper heftiger zitterte als zuvor. Er wusste nicht, warum er das Wort an ihn gerichtet hatte. Er wollte keine Furcht vertreiben, noch wollte er den Sklaven noch mehr ängstigen. Itachi war der Auffassung, dass der Sklave ihm schlichtweg egal war und an dieser Meinung hielt er fest. In einem Sekundenbruchteil löste er den Blick, griff nach seinen Unterlagen und verschwand dann in sein Arbeitszimmer. Die altbekannte Flucht, derer er sich nicht bewusst wurde. Die Angst des Sklaven hatte er zuvor gespürt, obwohl er sie nicht spüren wollte. Seine eigene Angst, die ihn zu dieser Flucht veranlasste, die spürte er schon lange nicht mehr, weil er sie nicht an sich ranließ. Er wusste nicht von ihrer Existenz, hatte sie schlicht vergessen, da er sich nicht erlaubte, diese Art von Angst wirklich zu spüren. Wenn es nach ihm ging – und die meiste Zeit ging es nach ihm, denn sein Körper gehorchte ihm in einem hohen Maße – dann spürte er keine Art von Angst mehr, weil Angst einen Menschen schwach machte. Dabei vergaß Itachi, dass er die größte Angst sein ganzes Leben lang besaß und wie einen Sack voll Steine mit sich schleppte - es war die Angst davor ängstlich zu sein.
 

Den Sklaven würdigte er keines Blickes mehr. Er brauchte seine Ruhe, bis Hidan am Abend mit seiner Sklavin zu Besuch kam. Sein eigener Sklave war noch eine Weile mit den Aufgaben beschäftigt und bis zum Abend stand sowieso nichts mehr auf seinem Zeitplan. Die heutigen Unterrichtseinheiten benötigten keinen Test, denn der Sklave musste nichts auswendig lernen, sondern schon mit Verstand bei dem Lösen der Aufgabe sein. Korrigieren konnte der Uchiha sie am nächsten Tag.

Itachi legte die Unterlagen auf dem großen Holzschreibtisch ab und zog die Tür hinter sich zu.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Als Kakashi das Wohnzimmer betrat, saß Sasuke stumm neben dem nun leeren Stuhl auf dem Boden. Wo er eben noch fleißig geschrieben hatte, lag nun das Mathebuch auf der richtigen Seite geöffnet vor ihm, während er mit dem Füller in der Hand dasaß. Itachi war nicht mehr in dem Raum, was Kakashi gleichsam wütend machte, aber auch erleichterte. Er konnte Sasuke in Ruhe bei den Matheaufgaben helfen und auch über die Übersetzung drüber gucken, sodass er keine Konsequenzen zu befürchten hatte, dieses Mal. Wütend war er aber, weil Itachi den Jungen erneut alleine irgendwo hocken lies. Er hatte ihn gekauft und war, Kakashis Meinung nach, damit eine Verpflichtung eingegangen für das Wohl dieses Menschen zu sorgen. Dann konnte er ihn nicht einfach hier sitzen lassen, ohne etwas zu trinken und ohne irgendwelche Hilfe bei den gegebenen Aufgaben. Itachi Gleichgültigkeit war etwas, was Kakashi nicht akzeptieren wollte. Dennoch war er nicht in der Lage sie durch etwas zu ersetzten, was vielleicht stattdessen mal in seinem Charakter existiert hatte.
 

Kakashi schüttelte den Kopf. Mit ruhigen Schritten ging er näher zu Sasuke und hockte sich vor ihm hin.

„Brauchst du Hilfe?“, fragte er leise und in seiner Hocke verharrend. Er wartete die Sekunden ab, die vergingen, bis Sasuke überhaupt leicht den Kopf hob und zu einem demütigen, verschämten Nicken ansetzte.

„Ja, Sir“, sagte er leise, weil er etwas gefragt wurde und mündlich zu antworten hatte. Seine Stimme war verschüchtert und ein gewisses Misstrauen lag in ihr. Er kannte keine uneigennützige Hilfe. Er wusste auch nicht ob er sie überhaupt annehmen durfte, wenn es um die von seinem Herrn gestellten Aufgaben ging, aber er hatte Angst vor weiteren Konsequenzen, die folgten, wenn er seine Aufgaben nicht richtig löste. Und er war schlecht in Mathe. Schon im Haus der Schlange hatte er immer wieder versagt, wenn es um Zahlen ging und da waren die Aufgaben weitaus einfacher als diese im Buch. Klar, er konnte die normalen Rechenarten im Kopf lösen, er konnte auch Mengen umrechnen, aber viel mehr hatte er nicht gelernt. Er wusste nicht was Parabeln und Geraden und Ganzrationale Funktionen waren und er hatte keinen Schimmer, wofür man das überhaupt brauchte.

Deswegen sah Kakashis Hilfe bei der Mathematik im Grunde so aus, dass er sich schon bald neben den jungen Sklaven auf dem Boden nieder lies und die Aufgaben mehr oder weniger für ihn löste und Sasuke nichts anderes zu tun hatte, als zu schreiben. Kakashi tat es Leid, dass er sich, trotz all der guten Vorsätze, nicht die Zeit nahm, Sasuke alles ganz genau zu erklären, aber er spürte früh dass es momentan keinen Sinn hatte, Mathematik in so kurzer Zeit in Sasukes Schädel zu quetschen. Um das hier zu verstehen, hatten Jugendliche normalerweise jahrelang im Unterricht Zeit. Sasuke würde Monate voller Unterrichteinheiten brauchen um es wirklich zu verstehen. Das konnte nicht auf die Schnelle gelernt werden, deswegen tat Kakashi schlicht das, was er tun musste, um Sasuke vor einer Strafe zu bewahren.
 

Dementsprechend dauerte es noch immer knapp zwei Stunden bis Hidan mit seiner Frau kommen würde, als sie die Aufgaben fertig hatten und auf den Esstisch legten. Kakashi deutete Sasuke, sich auf die Couch zu setzten, während er selbst in den Flur ging und an der Tür zu Itachis Arbeitszimmer klopfte. Er wartete nicht darauf, hinein gebeten zu werden, sondern betrat den Raum nach nur wenigen Sekunden. Es war eine Seltenheit, dass er überhaupt klopfte.

Itachi blickte von seinen Unterlagen hoch. Ein paar Strähnen waren ihm aus dem streng nach hinten gebundenen Zopf gerutscht, die er harsch hinter die Ohren schob. Er würde sich nicht die Blöse geben, den Zopf vor ihm neu zu richten. Das, so wusste Kakashi, würde er tun, wenn er den Raum wieder verlassen hatte. Für Itachi hatte sogar so was in manchen Momenten etwas mit Stolz und Würde zu tun.

„Was willst du?“

„Weswegen kommen Hidan und Konan?“ Itachi schnaufte.

„Was geht dich das an, Kakashi?“

„Itachi, bitte. Ich habe nur gefragt“, verteidigte Kakashi sich. Er wusste ganz genau, dass Itachi wusste, warum er fragte. Würde Hidan kommen um Sasuke an Konan zu präsentieren, wie ein Sklave richtig gestraft wurde oder sonst ein Blödsinn, würde er Sasuke aus dem Feld nehmen. Er würde ihn für die Zeit zu sich nach Hause schaffen. So viel Rückgrad musste er als erwachsener Mann besitzen.

„Konan soll dem Bengel beibringen, wie man kocht und Hausarbeit erledigt. Oder willst du das tun?“ Für Itachi war mit dieser rhetorischen Frage das Gespräch beendet. Deswegen senkte er den Kopf wieder gen seine Unterlagen.

„Es gab jemanden, der ihm einen Namen gegeben hat.“

Itachi sagte nicht mal, dass es ihn einen Dreck interessierte, obwohl Kakashi spürte dass es so war. Dass Itachi es auch ganz genauso und nicht anders wollte.
 

Kakashi fuhr sich durch die Haare und schüttelte erneut den Kopf. Was gab er sich solche Mühe Itachis Einstellung ändern zu wollen? Manchmal wünschte der Hatake, er könnte einfach gehen, dass alles vergessen. Nichts davon mehr an sich ran lassen. Nichts sehen, nichts hören und auch nichts mehr dazu sagen. Wie die drei Affen. Aber er konnte nicht. Itachi kümmerte ihn zu sehr und nun kümmerte ihn auch Sasuke. Kakashi seufzte. Er hatte einen Hang zu solchen Menschen. Den traurigen, obwohl er das gar nicht wollte. Mehr als alles andere, wollte er von den glücklichen angezogen werden, denn sie brachten am wenigsten Leid mit sich. Wie bei Iruka. Wenn sie zusammen waren, schien die Sonne heller und alles war okay. Dennoch gab es da Itachi und mit Itachi war es immer als würde er in der dunkelsten Nacht leben und im stärksten Sturm kämpfen. Aber er konnte nicht einfach fortgehen. Er hatte sich zu früh dagegen entschieden und nun war es ein Versprechen auf Lebenszeit auch wenn er derjenige war, der am härteste mit sich ins Gericht gehen würde, würde er das Versprechen nicht einlösen.

„Ich werde mit Sasuke einkaufen gehen, damit Konan ihm das kochen anständig beibringen kann. Steht auf deinem Plan auch, was die beiden kochen müssen oder lässt du uns dabei ein wenig Freiheit?“, fragte Kakashi und konnte den Spott in der Stimme nicht ganz verbannen. Doch Itachi reagierte darauf gar nicht. Er war mit zwei großen Brüdern und ihm in der Nachbarschaft aufgewachsen. Diese Art von Spott erreichte ihn gar nicht erst.

„Verschwinde“, sagte er schlicht und Kakashi wusste alles, was er wissen musste.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Kakashi sorgte dafür, dass Sasuke eine dünne Jacke anzog, denn obwohl es Frühsommer war und die Sonne noch schien, war der Wind frisch. Kakashi achtete auch darauf, dass Sasuke sich anschnallte, denn ihm war aufgefallen, dass er das er dem letztes Mal keine Beachtung geschenkt hatte und von selbst konnte der junge Sklave das schließlich nicht wissen. Und Kakashi ließ Sasuke die Fahrt über wieder Musik hören.

Als sie am Supermarkt ankamen, besorgte Kakashi vorsichtshalber einen Einkaufswagen, den er durch die Gänge schob, während Sasuke still neben ihm her ging.

Noch bevor die beiden losgefahren waren, hatte Kakashi eine kleine Liste mit den Dingen angefertigt, die sie besorgen mussten. Itachi hatte zwar keine Vorgaben gegeben, was er gekocht haben wollte, aber Kakashi wusste, was der Uchiha gerne aß und hatte danach die Liste erstellt. Er glaubte, es wäre ganz gut für Sasuke, wenn er Itachi etwas kochte, das dieser mochte. Vielleicht würde es Itachi milde stimmen.

Kakashi legte Gang für Gang die Lebensmittel in den Wagen, die auf seiner Liste standen. Da Sasuke artig neben ihm her ging und nicht verschreckt wirkte, konzentrierte Kakashi sich eine Zeit lang mehr für den Einkauf als für den Jungen, ehe er an der Fleischtheke auf seine Bestellung wartend einen Blick zu ihm warf und feststellte, dass Sasuke nicht gänzlich, wie Kakashi es erwartete, zu Boden starrte. Der Hatake sah, dass Sasuke den Kopf leicht geneigt hielt und aus dem Augenwinkel seine Umgebung betrachtete. Eine Weile lang beobachtete Kakashi ihn dabei, doch irgendwann musste Sasuke seinen Blick bemerkt haben, denn er schaute ertappt zu Boden. Sein Körper spannte sich an und er wagte nicht noch einmal einen Seitenblick zu riskieren. Kakashi nahm das eingepackte Fleisch von der Metzgerin entgegen und legte es in den Wagen. Er schob ihn langsamer als zuvor vor sich her, um Sasuke die Möglichkeit zu geben, von selbst wieder damit zu beginnen, sich umzuschauen. Doch das tat er nicht. Das Kakashi ihn beobachtete, machte ihn wohl unsicher, denn eigentlich war es ihm nicht erlaubt den Blick zu heben oder sich umzusehen. Kakashi sah keinen Sinn darin, warum ein Sklave das nicht tun sollte. Aber er sah in so vielem keinen Sinn, was den Handel und die Haltung von Sklaven betraf. Und eigentlich… beruhigte ihn die Tatsache sogar.
 

Doch das half Sasuke nicht. Kakashi hielt mit dem Einkaufswagen vor einer Regalreihe mit Puddingtütchen, Backmischungen und anderen Artikel für die Zubereitung eines mittelklassigen Desserts. Er griff nach zwei Tütchen Puddingpulver, die er in den Wagen schmiss. Dann wandte er sich Sasuke zu.

„Du musst nicht zu Boden gucken“, sagte er leise. Kein anderer war in diesem Gang. Die nächste Kundin stand vor dem Brotregal und schien angestrengt zu überlegen, was sie besorgen musste, während ihre Zwillinge um sie herum wuselten.

„Itachi will, dass du seinen Lebenspartner spielst. Dafür musst du die Welt verstehen, in der er lebt. Niemand wird dir deine Rolle abkaufen, wenn du nicht mal weißt, wie ein Supermarkt aussieht.“

Kakashi sah Sasuke nicken, obwohl er keine Frage gestellt hatte. Es war nur ein leichtes, mehrmaliges Heben und Herabsenken des Kopfes und dennoch schlich sich ein verschämter Ausdruck in Sasukes Gesicht. Er gab sich die Schuld für sein Unwissen und er schämte sich dessen.

„Es ist nicht deine Schuld, dass du vieles noch nicht verstehst“, fuhr er leise fort. „Es ist die Schuld derer, die dich weggesperrt haben. Was ich damit sagen wollte… schau dich ruhig um – vielleicht hilft dir das zu verstehen.“
 

Sasuke war versucht, Kakashi zu danken, aber er war nicht mutig genug. Dennoch traute er sich langsam, als sie weitergingen, wieder nach rechts und links zuschauen. Den Kopf hielt er dabei weitestgehend gesenkt, aber er versuchte immer wieder einen kurzen Seitenblick auf die Dinge zu erhaschen, an denen sie vorbei gingen. Viele der Lebensmittel kannte er nicht, obwohl er oft hatte kochen oder die Speisen im Haus der Schlange anderweitig zubereiten müssen. Viele der Pakete, Tüten und all der anderen Verpackungen waren bunt. Das Obst und Gemüse, an dem sie vorbei gingen war allesamt frisch, doch viele Dinge waren ihm unbekannt. Da lagen runde dunkelrote, pelzig aussehende Früchte in verschiedenen Größen nebeneinander. Knapp daneben lagen violette, fast blaue, noch kleinere Früchte. Pflaumen las er auf der Beschriftung darunter.

Etwas weiter lag eine Sorte größeres Obst. Es war orangegelb an der Schale und hatte oberhalb lange grüne, spitz zulaufende Blätter. Sasuke wusste nicht, dass es so was gab und er fragte sich, wie es wohl schmeckte. Während Kakashi Äpfel, Bananen und einiges anderes aus der Obst- und Gemüseabteilung in den Wagen räumte, trat Sasuke einen Schritt näher an das merkwürdig geformte, fast kegelfarbige Obst heran. Er hoffte lesen zu können, wie es hieß. Doch da spürte er schon Kakashis Blick auf sich und senkte seinen eigenen wieder komplett zu Boden. Man hatte ihm zwar erlaubt sich umzusehen, aber das hieß nicht, dass er neugierig sein und die Schilder lesen durfte. Er erfand es schon als sehr freundlich, dass Kakashi ihn überhaupt mit ihn den Laden nahm, damit er sich umschauen konnte, anstatt ihn im abgeschlossenen Auto sitzen zu lassen, womit er gerechnet hatte, als Kakashi meinte, sie führen einkaufen.
 

Sasuke hörte wenige Schritte auf dem Linoleum-Boden in Fliesenoptik der im gesamten Supermarkt ausgelegt war. Er spürte Kakashis Präsenz in seinem Rücken und zuckte zusammen, als er aus dem Augenwinkel sah, wie der Mann seine Hand hob. Sasukes Reaktion war keine Absicht. Er konnte schlicht nicht anders. Selbst wenn Kakashi ihm versichert hatte, er würde ihn nicht schlagen, blieb die Angst, dass es doch geschah in seinem Unterbewusstsein. Außerdem verdiente ein Sklave in der Welt, in der er lebte, für diese Art von Neugier eine Strafe. Er glaubte nicht dass es gut war – vielleicht war es nicht mal richtig -, aber er kannte es nicht anders. Wann immer er als Kind diese typisch naive, kindliche Neugier zeigte und ein Aufseher es mitbekam, rieselte es Schläge. Warum sollte es jetzt anders sein?

Neugierige Sklaven hatten schon immer die Gefahr dargestellt, eine gewisse Intelligenz zu entwickeln, die über dessen hinweg ging, was man den Frauen zu lehren und den Kindern zu lernen erlaubte. Neugierige Sklaven waren in der Lage eine gewisse Intelligenz, die über das hinweg ging was gewollt war, zu entwickeln. Sie entwickelten eine eigene Art zu denken und somit wurden sie menschlicher, als sie eh schon waren.
 

„Isst du gerne Ananas?“, hörte er die Stimme des anderen, dessen Hand in einer lockeren Geste auf die Frucht zeigte. Sasuke überlegte was er sagen sollte. Er kannte bis vor wenigen Sekunden nicht mal den Namen derer und er hatte keine Ahnung wie sie schmeckte und noch weniger, was Kakashi mit dieser Frage bezwecken wollte.

Sasuke war sich bewusst, dass er nicht lügen durfte. Aber er schämt sich noch nie ein Stück Ananas probiert zu haben, einfach weil er sich schämte ein Sklave zu sein und die Tatsache, dass er diese Frucht noch nicht probieren konnte, darauf beruhte, dass er war, was er war. Aufgrund dieser Scham und der Unsicherheit, die er spürte, schaute er das Obst in den Regalen an, während er leise sagte: „Ich weiß nicht, Sir. Ich hab noch nie eine gegessen.“

Dann aber erinnerte er sich an eine Regel seines neuen Herrn, gegen die er soeben verstoßen hatte. Die Regel lautete, dass er in der Öffentlichkeit niemanden mit Sir anzureden hatte, sondern mit dessen Vor- oder Hinternamen.

Sasuke wollte sich auf der Stelle entschuldigen, auch aus Angst vor einer Strafe. Aber er hatte keine Ahnung, wie er das tun sollte, deswegen hielt er den Mund. Doch spürte er schon bald die Hand Kakashis auf seiner Schulter. Beinahe wäre er aus Instinkt zur Seite gewichen, aber er konnte sich in letzter Sekunde selbst davon abhalten. Das hätte die Situation nur schlimmer gemacht. Er benahm sich falsch und er wusste das, aber er konnte daran nicht viel ändern, weil ihn vieles überforderte, was für andere Menschen normal war. Auch das hier.
 

Während Sasuke so in Gedanken versunken war, hatte Kakashi sich nur auf seiner Schulter abgestützt um besser an eine Ananas ran zu kommen, die er in den Wagen legte, noch bevor er die Schulter des Jungen wieder losließ. Er lächelte Sasuke nicht zu, schaute ihn nicht mal ganz – nur locker aus dem Augenwinkel – an, als er sagte: „Dann probierst du sie gleich.“

Er wollte hier im Laden keine große Sache draus machen, obwohl es ihn erschreckte, dass Sasuke noch nie hatte Ananas probieren können und er fragte sich, was der Junge denn bisher alles noch nicht hatte essen können. Erneut stellte er sich auch die Frage, was Itachi sich nur bei der ganzen Sache gedacht hatte. Zwar war der Junge nicht dumm – er sprach zwei Sprachen, konnte schreiben und lesen, war brav und sehr höflich – aber er… kannte diese Welt nicht, die außerhalb des Hauses lag, in dem er groß geworden war.
 

Während des weiteren Einkaufs, schaute Sasuke sich weniger um. Ihn interessierte zwar immer noch alles, was es hier gab, weil ihm alles unbekannt und somit total spannend vorkam. Er konnte sich daran erinnern, dass er bevor er zum Haus der Schlange gekommen war, in einem Waisenhaus ganz in der Nähe gelebt hatte. Aber auch dort war er wohl nie mit zum Einkaufen genommen wurden und viel Auswahl an Gemüse, Obst oder gar Süßigkeiten, die es hier im Laden zuhauf gab, hatte es dort nicht gegeben.

Doch Sasuke wollte Kakashis Aufmerksamkeit nicht erneut auf sich ziehen. Deswegen ging er artig einen Schritt hinter ihm her, schaute nur dann und wann mal nach rechts oder links ohne den Blick zu sehr zu heben. Bis sie an der Kasse standen, wandte Kakashi sich somit auch kaum an ihn. Sasuke war dankbar dafür. Solange er nicht angesprochen wurde oder man ihm sonst irgendwie Aufmerksamkeit schenkte, konnte er nichts falsch gemacht haben. Sasuke hasste sich für diese Gedanken, die so unterwürfig klangen, aber er hatte keine Wahl. Solche Gedanken retteten sein Leben. Das hatte er früh gelernt.
 

OO step backward OO
 

Er fluchte die rauen Finger, die sein Kinn hielten. Er durfte nicht fluchen. Dort wo er herkam, mochten die Erwachsenen das nicht. Hier fluchten auch die großen Menschen. Aber ein Teil der großen Menschen hier trank auch zu viel und stank immer nach Alkohol. Er kannte den Geruch vom Alkohol nicht von dem Ort, den er sein Zuhause nannte. Klar, auch da gab es hin und wieder alkoholische Getränke, auch mal hochprozentiges; aber die Menschen, denen er vertraute, hatten noch nie nach Alkohol gestunken.

Und sie hielten sein Kinn nicht so fest um ihn zu zwingen, sie anzuschauen.

Und sie schmissen ihm kein Essen hin, das auf dem dreckigen Boden vor ihm landete. Zermatschte Sandwichs. Kalte Hamburger. Pappige Kartoffelchips und abgestandene Coca Cola.

Aber er aß. Denn noch wollte er stark sein. Es war noch nicht lange her, da landete er hier und noch kämpfte er. Er trat und schlug, biss und kratzte nicht mehr, aber noch war er am Leben. Nicht nur sein Körper, sondern auch alles in ihm drin. Er wusste, dass es eine Chance gab hier raus zu kommen. Das sagten sie ihm, bevor sie ihn fest mit rauen Fingern packten und bevor sie ihn schlugen. Sie sagten, dass es nur darauf ankam, ob es jemanden genug kümmerte. Er glaubte zu wissen, wen sie mit diesem jemanden meinten und er wusste, wusstewusstewusste dass es sie genug kümmerte und dass sie ihn hier raus holen würden, weil sie ihn liebten. Weil es ganz natürlich war, dass sie die Welt für ihm um die eigene Achse drehten. Denn er wusste Papa und Mama waren Superhelden wenn es darum ging seine beiden Brüder und ihn zu schützen.
 

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Hallo,

und wieder hat es ewig gedauert, bis ich ein neues Kapitel hochlade. Es hat mehr als zwei Monate lang gedauert und es tut mir schrecklich Leid. Ich versuche es wirklich regelmäßiger zu machen, aber das ist momentan alles andere als einfach. Ich hab neben der Schule noch einen Nebenjob und schreibe dazu noch ehrenamtlich für eine Zeitung bei mir im Ort. Dementsprechend hab ich relativ wenig Zeit zum Schreiben momentan, aber ich denke dass sich das auch irgendwann mal ändern wird und ich wieder mehr Zeit ins Schreiben investieren kann. Bzw. hoffe ich das sehr, denn an Frei sein und auch an meiner anderen Fanfiction liegt mir eine Menge. Dementsprechend hoffe ich, dass ihr Frei sein noch nicht aufgegeben habt und euch über ein neues Kapitel freut.

Übrigens: Bei mir hat es gerade geschneit ;) Darüber freue ich mich riesig und weil ich vor Weihnachten und Neujahr wahrscheinlich nichts mehr hochladen werde, wünsche ich euch allen ein besinnliches, wunderschönes Fest mit euren Familien und einen guten Rutsch in ein (hoffentlich) geniales Jahr 2012.

Wir hören voneinander, denn dann geht’s im nächsten Jahr ganz sicher mit Frei sein und Stay weiter ;)

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 8: Ding


 

Kapitel 8: Ding

Menschen sind gemacht um geliebt zu werden, und Dinge um benutzt zu werden.

Der Grund warum unsere Welt im Ungleichgewicht ist, ist weil wir Dinge lieben und

Menschen benutzten.

[Autor unbekannt, eigenständig aus dem englischen übersetzt]
 


 

Itachi erhob sich aus dem Sessel, als er die das Geräusch der Türglocke hörte. Er ging langsam, aber mit langen Schritten, zur Haustür und öffnete, während er den Summer neben dem Türrahmen drückte. Er hörte die Schritte seiner Gäste auf den Treppenstufen, ehe sie das Stockwerk erreicht hatten und dort im Flur standen. Mit Hidan wechselte er einen Handschlag, während er Konan keines Blickes würdigte. Hidan, den er hinein bat, sorgte dafür, dass sie ihm folgte. Dazu genügte nur eine kleine Bewegung seiner Hand. Er hatte sie gut erzogen. Sie kannte jedes einzelne seiner kleinen Zeichen, hatte sie verinnerlicht und übte sie folgsam aus. Dazu hatte Hidan nicht lange gebraucht. Drei Wochen nach ihrem Kauf hatte er sie präsentiert und es hatte schon damals kaum mehr einen Fehler in ihrem Verhalten gegeben. Das war ein Argument Hidans gewesen, das ihn überzeugt hatte, einen Sklaven zu kaufen. Auch binnen kurzer Zeit konnte man sie so programmieren, dass sie funktionierten. Dass der Bengel in seinem Wohnzimmer ein Fehlkauf sein konnte, hatte sie nicht einkalkuliert. Sie hatten nicht in Erwägung gezogen, dass es auch Sklaven geben musste, die unprogrammierbar waren, weil es eben Menschen und keine Maschinen waren.
 

Itachi ging, gefolgt von seinen Gästen, zurück in das Wohnzimmer. Dort ließ er sich wieder in den Sessel sinken. Hidan nahm mit dem Sofa vorlieb. Zwischen ihm und der Lehne ließ sich Konan nieder, die zwar in vielerlei Hinsicht von Hidan wie eine Sklavin behandelt wurde, der aber niederzuknien bis auf wenige Ausnahmen verboten war. Itachi lehnte sich vor, goss Rum in zwei Degustationsgläser, die auf dem Tisch standen. Kakashi füllte für sich ein Glas mit Wasser, eines für Konan, das er vor sie schob und eines für Sasuke. Der junge Mann machte natürlich keine Anstalten es vom Tisch zu nehmen, wie Konan es tat, als Hidan es ihr mit einer kleinen Geste erlaubte. Deswegen hob Kakashi es an und gab es Sasuke in die Hand, wodurch dieser aufblickte, doch sofort wieder seinen Kopf senkte. Kakashi glaubte, er würde die Gäste gerne anschauen. Abschätzen ob die zweite Person, die ihm unbekannt war, ihm genauso gefährlich werden konnte, wie Hidan. Aber er war zu verängstigt vor seinem Herrn und eben diesem Mann, der auf den Namen Hidan hörte, gegen jegliche Regel zu verstoßen. Deswegen hielt er, obwohl er auf dem Boden saß, anstatt zu Knien, von nun an den Kopf gesenkt, während Itachi und Hidan gemächlich ihr Glas Rum genossen und in eine seichte Konversation verfallen waren, der Kakashi nicht beiwohnen wollte, weswegen er still blieb.
 

Itachi goss ihnen beiden nach einer Weile nach. Die Gläser waren nicht voll gewesen, denn die beiden Männer wollten sich nicht betrinken. Aber ihre Abende begonnen häufig mit etwas Hochprozentigem. Später noch konnten sie zu Wein und Mineralwasser übergehen.

„Meinetwegen können die langsam anfangen. Ich schätze in der Küche steht alles bereit, Itachi?“

„Klar“, machte der Uchiha nur und reichte seinem Gast das Degustationsglas.

Während es wieder nur eine Handbewegung Hidans benötigte, dass Konan aufstand und bis zur Türschwelle in Richtung Flur ging, brauchte Sasuke einen klaren Befehl seitens Itachi um aufzustehen und ohne aufzusehen in ebendiese Richtung ging. Kakashi folgte den beiden Sklaven, weil er es eindeutig vorzog in dessen Gesellschaft zu sein, als in der der beiden Männer.
 

Alle Zutaten die sie für das heutige Abendessen benötigten, hatte Kakashi zuvor bereit gelegt. Bis auf wenige Lebensmittel die in den Kühlschrank gehörten, lag alles auf einer der Ablageflächen. Der Hatake holte auch noch die restlichen Dinge aus den Kühlfächern, ehe er bemerkte, dass zwar Konan in die Küche getreten war, Sasuke aber immer noch mit gesenktem Kopf nahe dem Türahmen stand. Kakashi hielt in seiner Tätigkeit inner, schloss den Kühlschrank und sagte sanft: „Du darfst hochblicken, Sasuke.“

Als der junge Mann dies tat und sein Blick Konans begegnete, bemerkte Kakashi, dass auch ihrer auf ihm lag. Ihr dunkles Haar versteckte ihre Miene vor ihm, da es wie ein Schleier in ihr Gesicht fiel, aber Sasuke musste genau auf es blicken. Urplötzlich trat Kakashi einen Schritt zurück um diesen beiden Menschen mehr Raum zu geben. Er spürte instinktiv, dass sie diesen Raum brauchten. Und in seinen Augen verdienten sie ihn. Dennoch, obwohl er sich zwingen wollte dieser Szene seine Privatsphäre nicht zu stehlen, konnte er nicht anders, als geradewegs hinzuschauen.
 

Sie war schwanger. Mein Gott, dachte Sasuke, sie war schwanger! Und sie war hier. Was tat sie hier?

Er wusste, dass sie nicht mehr im Haus der Schlange war. Sie war Monate vor ihm verkauft wurden. Wann genau, dass wusste er nicht, denn schon weit über ein Jahr hatte er sie nicht mehr gesehen.

Aber Sasuke hatte gehofft, dass sie an einem Ort war, der besser war, als alle die, die er kannte. Vielleicht irgendwo als Hausmädchen, wo sie zwar arbeiten musste, aber ihre eigene Kammer hatte und vielleicht irgendwann die Möglichkeit eine freie Frau zu sein.

In seinen kühnsten Träumen hatte er sie gesehen, wie sie mit einem Mann war, der sie liebte und der sich um sie sorgte. Der sie zu den Sternen erhob und sie frei machte. Er hatte wirklich geglaubt, sie hätte einen Menschen treffen können, der gut war. Er hatte sich all das für sie gewünscht, von dem auch er geträumt hatte.

Aber anscheinend gingen Wünsche und Träume von Sklaven in den seltensten Fällen in Erfüllung. Er war hier bei einem Mann, der ihn als ein lästiges Möbelstück wahrnahm. Als ein Ding, dass zwar gebraucht wurde, aber im Weg rum stand.

Und sie… gehörte einem anderen Mann, der nicht gut war, von dem sie aber ein Kind erwartete.
 

Sasuke atmete tief ein und aus, während er einfach nur da stand und sie ansah. Ihre Haare waren länger, doch sie waren ordentlich geschnitten. Glatt fielen sie über ihre Schultern. Im Haus der Schlange waren sie noch viel kürzer und stumpfer gewesen.

Sie war geschminkt. Er hatte sie noch nie geschminkt gesehen. Hatte sie noch nie in so guten Kleidern gesehen. Sie war so hübsch!

Aber all das erfüllte ihn mit Traurigkeit. Dieser Mann, dem sie gehörte, hatte sie nicht verdient. Eine solche reine Schönheit verdiente ein Mensch wie dieser nicht.

Das Konan eine Sklavin war, musste ein Witz des Himmels sein. Sasuke war wirklich gläubig. Er war es durch sie, aber bei Gott, wer dachte sich nur so was aus?

Sasuke biss sich auf die Lippe, weil er es nicht ertrug sie zu sehen, weil er es aber nicht lassen konnte.

Er liebte sie. Nicht wie ein Mann eine Frau liebte. In diesem Moment liebte er sie, wie jemand der etwas unvorstellbar Schönes erblickt hatte. Und so viele Momente zuvor hatte er sie geliebt wie er glaubte, könne ein Kind seine Mutter lieben, obwohl sie nur knapp zehn Jahre älter war als er.
 

Konan hatte Sasuke erkannt, als sie das Wohnzimmer betreten hatte. Sie würde ihn überall wieder erkennen. Nebst dem Kind, das sie in ihrem Leibe trug, war er das Wesen, das sie am meisten auf dieser Welt liebte. Er bedeutete Familie, war mehr noch ein Sohn als ein kleiner Bruder für sie, denn jahrelang war es ihre Aufgabe gewesen, sich um ihn zu kümmern. Sie war fünfzehn gewesen und er fünf als man sie einander zugeteilt hatte. Beinahe zehn Jahre lang hatte sie sich um ihn gekümmert, bis zum Tag, als man ihn nach unten in die Keller brachte, wo die erwachsenen männlichen Sklaven und die Frauen, die nicht brauchbar für die Erziehung der Kinder waren, lebten. Sie hatte sich kaum zwingen können, nicht zu heulen, schreien und zu toben, als man ihn ihr fortnahm. Aber wie eine gute Mutter, die nur um die Sicherheit ihres Kindes besorgt war, hatte sie sich gezwungen – denn für ihr Versagen hätte sie ihn gestraft.

Fortan hatte sie ihn nur selten sehen können. Bei der Küchenarbeit oder beim Hausputz, doch dann hatte es immer mehr böse Zwischenfälle mit männlichen Sklaven gegeben, die im Haus putzen und kochten. Bei einem war ein Wächter zu Tode gekommen und zwei weitere wurden verletzt. Das hatte die Ermordung von fünf Sklaven, die diesen Aufstand geplant hatten, zur Folge und die Tatsache, dass männliche Sklaven nur in den seltensten Fällen zu den Arbeiten im Haus hinzugezogen wurden. Seitdem hatte sie ihn gar nicht mehr gesehen und bald schon wurde sie selbst verkauft. Das war jetzt mehr als ein Jahr her und sie hatte sich riesige Sorgen um Sasuke gemacht. Sein Wohl war immer ihre oberste Priorität gewesen. Obwohl auch andere Kinder zeitweise unter ihre Obhut gewesen waren, hatte keines von ihnen je ihr Herz so berührt, wie dieser Junge es tat.
 

Vorher hatte sie seine Wunden nicht gesehen, weil er seinen Kopf gesenkt gehalten hatte und die Haare ihm dann ins Gesicht fielen. Doch jetzt sah sie sie und wollte am liebsten, dass nicht er sie trug, sondern sie. Für ihn hätte sie jede Art von Schmerz auf sich genommen. Wenn sie könnte, würde sie jede einzelne seiner Narben an sich nehmen. Denn seine Haut hielt sie als die weichste in Erinnerung, die sie je berührt hatte.
 

In Kakashis Blick lag beinahe dieselbe Weiche, wie die, wenn seine Augen auf Iruka gerichtet waren. Nur machte das Mitleid und die Ratlosigkeit in ihnen sie nun gleichzeitig härter. Kakashi konnte, so sehr er auch spürte dass dort etwas vor sich ging, dass seine Präsens ausschloss und über den Dingen stand die hier vor sich gingen, nichts sagen, dass den beiden Menschen helfen würde, aufeinander zuzugehen. Obwohl Kakashi spürte, dass es genau das war, was die beiden wollte, aber nicht konnten, sah er es nicht in seiner Macht ihnen seine Erlaubnis zu geben.

Und er konnte auch nicht zulassen, dass sie sich weiterhin so anschauten. Im Raum nebenan saßen zwei Männer, die Konan und Sasuke sehr wehtun konnten, wenn sie nicht gehorchten. Sie mussten es in der verlangten Zeit schaffen zu kochen. Deswegen war Konan hier – und für nichts anderes. So sehr Kakashi diesen Fakt hasste, weil er sah, dass etwas zwischen diesen Sklaven war, dass sich als Außenstehender fasst wie Liebe anfühlte, musste er dafür sorgen, dass sie nun kochten und somit taten, was die Besitzer der Beiden verlangten.
 

Kakashi trat einen Schritt vor, lächelte gezwungen und meinte freundlich zu der dunkelhaarigen Sklavin: „Möchtest du dann anfangen?“

Er wusste, dass sie es nicht als Frage, sondern als freundliche Aufforderung verstand, denn so hatte Hidan sie erzogen. Nicht jede als Frage formulierte Aussage bedurfte eine Antwort. Das hatte sie abzuschätzen, sonst – und auch das wusste Kakashi – bestrafte er sie gerne mal.

Kakashi sah wie Konan dennoch vorsichtig nickte. Auch sie musste durch den Wind sein, nach dem, was Kakashi gerade gesehen hatte. Welcher Szene er Zeuge geworden war. Dementsprechend dauerte es einen Moment, bis Konan sich auf dem Weg zum Tisch machte, auf dem die Lebensmittel lagen.

Währenddessen lag Kakashis Blick auf Sasuke, der bei seinen Worten zusammengezuckt war, dennoch aber weiterhin Konan anschaute, als wäre sie alles, an dass er sich hier klammern konnte.
 

Sasuke fragte sich, womit Konan anfangen sollte. Er war immer noch in dem Glauben, dass der Freund seines Herrn und seine Sklavin da waren um bei seiner Bestrafung zu helfen. Aber Konan würde ihm niemals wehtun, oder? Und eigentlich sprach auch alles dagegen, dass dies hier als eine Strafe für ihn gedacht war. Es sah viel mehr so aus als würden sie… einfach nur kochen…?

Sasuke folgte Konan mit seinem Blick, als sie zu dem Tisch ging, auf dem alle Lebensmittel bereit lagen. Sie schenkte Kakashi einen Blick und erhob mit unterwürfigem Ton ihre Stimme: „Ich bitte um die Erlaubnis eine Frage stellen zu dürfen, Master Hatake.“

Kakashi schluckte.

„Natürlich.“ Mehr konnte er nicht sagen. Es erstürzte ihn immer wieder, wenn er diese Frau sprechen hörte. Im Gegensatz zu Sasuke, der schon so gebrochen schien, war an ihr nichts mehr Unschuldiges dran, obwohl er diesen Gedanken gehasste, denn Hidan war es wohl, der ihr all ihre Unschuld genommen hatte. Nicht nur im sexuellen Sinne. Ganz einfach die Unschuld ihre Seele. Sie sprach mehr wie eine Maschine, weil man ihr antrainiert hatte so zu sprechen. Gerade, angesichts der Tatsache, mit welchem Blick sie Sasuke gemustert hatte, war es der Moment größer Menschlichkeit gewesen, den Kakashi je an Konan hatte sehen dürfen.

„Welche Gerichte sollen zubereitet werden, Master Hatake?“

„Ich hab Rezepte ausgedruckt. Sie liegen auf dem Tisch dort“, sagte Kakashi, woraufhin Konan sofort demütig den Kopf neigte und sich in aller Form entschuldigte, bevor sie nach den Zetteln griff. Aufmerksam las sie die Rezepte. Dann bat sie um Erlaubnis sich frei bewegen zu dürfen, die Kakashi mit belegter Stimme gewährte, sodass sie die ersten Dinge beisammen suchte und zur Küchenzeile trug. Sie öffnete Schubladen und Schranktüren um alle Gerätschaften raus zu stellen, die sie brauchte. Dabei richtete sie keinesfalls ein Chaos an. Alles war nach übertriebener Sorgfalt hingestellt.
 

„Ich bitte um Erlaubnis frei sprechen zu dürfen, Master Hatake“, sagte Konan erneut mit leiser Stimme und gesenktem Kopf. Sie hob ihn erst wieder, als Kakashi auch diese Erlaubnis gewährte. Dass er dabei einen Schritt zurück tat, nahm sie wahr. Sie sah es aber nicht in ihrer Macht sich darum zu kümmern, warum dieser Mensch das tat. Nebst ihrer Tätigkeit zu der sie verordnet war, galten all ihre Gedanken Sasuke. Sie hatten die meiste Zeit ihres Sklavenlebens ihm gegolten. Umso härter war es nun die Worte an ihn zu richten, die von ihr verlangt wurden. Denn es gab soviel anderes, was sie gerne zu ihm gesagt hätte.

Sie zwang sich innerlich die Ruhe zu bewahren und bat ihn mit einer anderen Stimmfarbe als die, die sie bei einem Höhergestellten nutzte, zu ihr zu kommen. Als er neben ihr stand, sagte sie leise, dass er gut zusehen sollte.

„Es könnte sein, dass du es in den nächsten Tagen alleine tun sollst“, fügte sie hinzu. „Deswegen.“ Es war fast ein Flüstern. Doch sie schaute ihn nicht an.

Stattdessen füllte sie Sahne in einen Topf und gab Zucker hinzu, was sie langsam erhitzte. Sie hatte entschlossen mit dem Dessert anzufangen, da es lange im Kühlschrank kühlen musste bevor es genießbar war. In der Zwischenzeit konnten sie sich dann zuerst um die Hauptspeise kümmern und während die im Ofen war, dann um die Vorspeise, denn die war kaum aufwändig und Zeitintensiv.

Konan nahm ein spitzes Messer zur Hand, schlitzte die Vanille-Schote auf, kratzte das Mark heraus und gab es mit der Schote in die Sahne. Zehn Minuten musste dies nun sanft köcheln, sagte das Rezept. Solange konnte sie die Gelatine im kalten Wasser einweichen. Sasuke schaute die ganze Zeit aufmerksam zu, auch wenn sie manchmal glaubte und fürchtete, dass sein Blick mehr auf ihr lag, als auf ihren Handgriffen. Sie versuchte sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, nahm den Topf vom Herd, ließ es etwas abkühlen, holte die Vanille-Schote heraus, die sie Sasuke zum wegschmeißen gab, während sie die Gelatine in die Sahne gab.

Die fertige Mischung füllte sie in kleine Förmchen, die sie dann in den Kühlschrank stellte. Das Obst als Beilage und die Fertigsoße aus der Tube die auf dem Tisch standen, brauchten sie erst ganz zum Schluss.
 

Konan griff nach den Auberginen und gab sie Sasuke, mit der Aufforderung sie in fingerdicke Scheiben zu schneiden. Weil sie unterdessen nichts zutun hatte, als ihm zuzuschauen, tat sie eben dies. Ihr Blick war auf seine Finger gerichtet, die ihrer Meinung nach noch immer Kinderhände waren. Obwohl auch dort feine Narben zu sehen waren, konnte sie ihren Blick nicht von ihnen lösen. Sie hatte sich immer gefragt, wie sie trotz der harten Arbeit auf den Feldern, zu denen Sasuke des Öfteren eingeteilt gewesen war, und trotz des Putzens mit den nicht immer ganz sanften Putzmitteln, so weich sein konnten. Ihre waren damals rau und kratzig und ganz hatten sie sich nie erholt, auch wenn Hidan darauf achtete, dass sie sie eincremte. Er wollte nicht mit rauen, kratzigen Fingern angefasst werden. Männerhände, hatte er sie abschätzig genannt und ihr in den ersten Wochen verboten ihn mit ihnen zu berühren. Wie dankbar sie für dieses Verbot gewesen war.
 

Konan versuchte sich von diesen Gedanken zu lösen und nahm die fertigen Auberginenschreiben an sich um sie zu salzen und dann in Mehl zu wälzen. Sie erhitzte Öl in einer Pfanne und frittierte das Gemüse darin, bevor sie es mit einem Küchentuch abtupfte.

Sasuke unterdessen hatte sie eine Salsa nach dem Rezept machen lassen, sodass sie nun eine Backofenform mit etwas Olivenöl ausstreichen konnte, etwas Knoblauch fein hinein schnitt. Nun gab sie Auberginen und die Salsa die Backofenform, bevor sie diese mit Mozarellascheiben belegte und Parmesan bestreute. Dies schichtete sie zweimal und schob es in den vorgeheizten Backofen, indem sie zuvor das Ciabatta fast komplett kross gebacken hatte und dass sie nun rausholte. Während das Brot wieder abkühlte schnitt sie Tomaten klein, gab dazu eine Mischung klein gehackten Knoblauch und Zwiebeln in eine Schüssel. Sie würzte mit Salz und Pfeffer, gab ein paar Tropfen Olivenöl und Knoblauch auf das Brot, das sie noch einmal kurz in den Ofen schob, damit es sein Aroma zog.

Nachdem sie es herausgeholt und in Scheiben geschnitten hatte, hackte sie Basilikum klein und belegte die Brotscheiben mit diesem und der Mischung aus der Schüssel. Sie nahm drei Teller aus dem Schrank, belegte sie mit je zwei Ciabattascheiben, träufelte etwas Basilikumöl auf die Teller und gab ein paar Pinienkerne hinzu. Erst dann erlaubte sie sich etwas Ruhe, denn jeder Handgriff war routiniert und dennoch mit allerhöchster Konzentration ausgefühlt worden. Nun aber waren sie beinahe fertig. Der Auberginenauflauf im Ofen brauchte noch eine Weile und auch das Dessert stand sicher im Kühlschrank. Sie konnten nun die Vorspeise an den Tisch bringen.
 

Kakashi hatte sich schon bald, als die beiden zu kochen begangen hatten, an den Tisch gesetzt, nur um eine Weile später wieder aufzustehen und im Flur mit seinem Lebensgefährten telefonieren zu gehen. Er vermisste ihn, aber momentan konnte er Itachi und Sasuke nicht allein lassen, aber Iruka hierher holen wollte er auch nicht. Aber seine Stimme zu hören, machte Kakashi ruhiger und ausgeglichener. Iruka tat ihm gut. Das war ein Grund ihn zu lieben, denn es gab nicht so viele Menschen mehr auf dieser Welt, die Kakashi gut taten.

Sie hatten eine viertel Stunde telefoniert, dann war Kakashi wieder in die Küche gegangen und seitdem hatte er zwei Tassen Kaffee vernichtet. In der Zwischenzeit waren Konan und Sasuke mit dem gröbsten fertig geworden und die Vorspeise stand bereit um zum Tisch gebracht zu werden.

Kakashi sah die drei angerichteten Teller. Sein Blick wurde wieder mitleidig. Dennoch sagte er: „Richtet euch auch Teller an, bitte.“

Konan tat sofort was der Mann von ihr verlangte, auch wenn sie aufgrund seines ‚Bitte’ verwundert war. Sie war es nicht gewöhnt von jemandem, der wusste, dass sie eine Sklavin war, höflich angesprochen zu werden.

Als alle Teller angerichtet waren, nahm Konan drei, Sasuke zwei und Kakashi nahm Gläser und eine Flasche Mineralwasser. Gemeinsam gingen sie durch den Flur ins Wohnzimmer, wo sie alles auf den Esstisch anrichteten. Kakashi setzte sich auf einen Stuhl und schon bald kamen auch Hidan und Itachi von der Sofaecke rüber. Sie setzten sich ebenfalls an den Tisch, doch da fiel Hidans Blick auf die beiden übrigen Teller.

„Erwarten wir noch Gäste, Konan?“, fragte er scharf.

„Nein, Master“, antwortete sie ehrlich und demütig. Sie spürte Sasukes Präsens in ihrem Rücken.

„Warum hast du dann fünf Teller angerichtet?“ Hidans Stimme war unnachgiebig. Und seine Frau fand keine Antwort, die ihn zufrieden stellen würde. Sie hatte gegen seinen Willen gehandelt. Sie hätte es besser wissen müssen. Denn er hatte sie erzogen, ohne genaue Anweisungen seinerseits zu wissen, was er wollte. Heute Morgen hatte sie sich ein sehr nährstoffreiches Frühstück herrichten dürfen und zudem eine Suppe mit warmen Brot zum Mittagsessen. Sie hätte die Botschaft verstehen müssen, dass es kein Abendessen für sie gab.
 

„Weil ich es gesagt habe.“ Kakashis Miene hatte sich verhärtet. Wie konnte man nur seine Partnerin so behandeln?

„Du hast ihr gar nichts zu befehlen“, sagte Hidan. „Sie gehört mir.“

„Lässt du dein Haus auch verkommen? Rammst du gern aus Spaß dein geliebtes Auto gegen einen Poller?“ Kakashis Stimme triefte vor Sarkasmus. Er hasste die Tatsache, dass hier Menschen standen, die wie Dinge behandelt wurden. Schlechte als das.

„Bastard“, knurrte der Jashin.

„Was hast du gesagt?“, fragte Kakashi mit kalter Stimme.

„Du hast mich schon verstanden, Dreckskerl.“

„Der Dreckskerl bist wenn du. Ich halte mir keinen Menschen, den ich wie Dreck behandele.“

„Nein. Du hast ja deinen – wie nennst du ihn? – Lebenspartner. Besorgt die kleine Hure es dir im Bett? Wenn so was nicht zu eurer Lebenspartnerschaft gehört, könnte ich dir einen hübschen Sklavenjungen nur empfehlen.“

Kakashi lachte rau und ungläubig auf, während er kopfschüttelnd aufstand. Den Stuhl schob er dabei mit einem Ruck nach hinten.

„Sag das noch mal, und ich schwöre bei Gott…“, setzte Kakashi an. Er war so wütend. Doch wie würde Iruka es finden, wenn er einem Menschen - egal was für ein Drecksack es auch war – Mord androhen würde? Kakashi schüttelte den Kopf, doch seine Wut wich nicht. Er war kurz davor Hidan die Fresse zu polieren. Er hatte sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr geprügelt. Er war erwachsen, verdammte scheiße!
 

„Es reicht jetzt“, schritt Itachi ein. In seiner Wohnung wollte er so was nicht haben. Er würde beide rausschmeißen, wenn sie nicht die Klappe hielten.

„Es reicht nicht“, sagte Kakashi da und zeigte auf Sasuke: „Du behandelst ihn doch auch wie Dreck.“

„Es ist meine Wohnung“, merkte Itachi an und erhob sich ebenfalls, jedoch mit Vorsicht seinen Stuhl zurück schiebend. „Außerdem habe ich deinen Lebensgefährten nicht beleidigt und letztlich ist es Hidans Entscheidung, ob und wann seine Sklavin Nahrung zu sich nimmt.“

„Da hast du es, Hatake“, brummte der Jashin und griff in alle Seelenruhe nach seiner Vorspeise.
 

Sasuke zitterte vor unterdrückter Wut. Sein Blick lag auf der, ebenfalls, zitternden Konan. Doch ihr Körper bebte nicht vor Wut. Er bebte vor Angst. Wie oft war sie schon geschlagen wurden? Wie oft von Hidan? Und wie oft mit dem Baby im Bauch? Sasuke sah es vor sich. Wie Hidan sie schlug und sie versuchte ihren Bauch zu schützen. Es machte Sasuke rasend.

Er war ein Sklave und er wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab sie und ihr ungeborenes Baby zu schützen.

„Sie ist schwanger“, sagte er daher laut. Er lies seine Stimme extra aufmüpfig klingen, er hoffte dass es ankam. Man sollte ihn strafen, denn er wollte nichts anderes, als die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Konan war ihm ein guter Lehrer gewesen, denn auch sie hatte ihn immer so geschützt. Wenn er einen Fehler begangen hatte, hatte sie es auf sich genommen oder die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt.

„Außerdem habe ich die Teller angerichtet. Nicht sie. Sie trifft keine Schuld.“
 

Itachi schüttelte den Kopf. Das war wirklich unglaublich. Dieser Bengel, der in Itachis Augen zwar ein Fehlkauf war, aber die ganze Zeit über brav und folgsam und ohne ein Widerwort agiert hatte, riss jetzt die Klappe auf. Er hatte keine Zeit und keine Nerven ihn zu bestrafen, obwohl auf solch ein Fehlverhalten ohne Zweifel eine Strafe folgen musste.

Von dieser Tatsache angenervt, bemerkte der Uchiha die wachsende Wut seines Gastes erst, als Hidan sich erhob und dabei den Stuhl so heftig nach hinten schob, dass er kippelte. Meine Güte, dachte Itachi. Er sah das aggressive Funkeln in Hidans Blick, bevor er sich zu Sasuke wandte und sich in voller Größe vor ihm aufbaute. Dennoch blickte der Bengel Hidan geradewegs in die Augen. Ganz dumme Idee, dachte der Uchiha, das würde Hidan nur noch mehr provozieren.

Damit sollte Itachi recht behalten, denn binnen weniger Sekunden zog Itachis Gast den Jungen am Kragen zu sich ran und schlug ihm seitlich ins Gesicht, bevor er ihn nach hinten gegen die freie Wand des Wohnzimmers stieß. Dabei verlor Sasuke das Gleichgewicht, fiel rückwärts, knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand und blieb benommen am Boden. In einer halb liegenden, halb sitzenden Haltung lehnte er gegen die weiße Wand.
 

Der Uchiha konnte nur noch zusehen, wie Hidans Sklavin sich die Hand vor den Mund schlug und einen Schritt auf Sasuke zuging, bevor ihr der Weg von Kakashi abgeschnitten wurde, der sofort auf Hidan zustürzte. Statt ihn zu schlagen, packte er ihn an der Schulter, stieß ihn in Richtung Flur. Dabei blieb Hidan natürlich nicht still. Er fluchte und schrie nach seiner Sklavin, die gefälligst mitzukommen hatte, wenn er schon rausgeworfen wurde. Irgendwann wurden die Stimmen leiser, Itachi hörte das Zuknallen seiner Wohnungstür und war allein im Wohnzimmer. Alleine mit… ihm.
 

Erneut knirschten Itachis Zähne. Seine Hände ballten sich beinahe zu Fäusten, ehe sie sich wieder öffneten. Sein Blick war starr auf ihn gerichtet. Aber all das bemerkte Itachi nicht. Seine Füße bewegten sich wie von selbst auf ihn zu.

Seine Wange war sofort angeschwollen und die Wunde an der Lippe war wieder aufgeplatzt. Das Pflaster hatte sich gelöst und lag auf seinem Oberkörper. Hinter ihm an der Wand konnte Itachi Blutspritzer erspähen die nur von einer Platzwunde am Hinterkopf stammen konnten.

Itachi ging seitlich neben dem Verwundeten in die Hocke, doch noch ehe er eine Hand an ihn legen konnte, begann er zu wimmern.

„Bitte“, hörte Itachi den Sklaven schwach betteln. „Uh… bitte, Sir.“

Nach einem gescheiterten Versuch seine Beine zum Schutz an den Körper zu ziehen, sah Itachi wie der Sklave sich ein Stück weiter zu Boden sinken lies und ihm gleichzeitig den Rücken zuwandte, ehe er sich in eine schützende Haltung rollte. Dabei hatte er den Kopf in die Arme gebettet, während sein Körper unkontrolliert zitterte. Itachi sah die kleine Platzwunde am Hinterkopf, aber er selbst wich noch während er sich erhob zurück. Dabei fand seine Hand fast automatisch den Weg zu seiner Stirn. Es war vielleicht eine der verzweifelten Gesten, die Itachi sich seit langem erlaubt hatte, auch auf die Gefahr hin, dass Kakashi, der jede Minute dem Raum betreten konnte, es sehen würde. Er konnte einfach nicht anders. Am liebsten wollte er selbst aus dem Zimmer verschwinden. Aber das konnte er nicht. Wenn Kakashi doch nicht sofort zurückkam…
 

Als Kakashi den Raum betrat galt – so schrecklich es war – sein erster Blick Itachi. Es dauerte zwar nur wenige Sekunden bis er seine Augen von eben diesem löste und zu dem am Boden liegenden Sasuke eilte, doch diese Sekunden zeigten ihm wieder einmal, was auch er für ein schlechter Mensch war. Noch immer, und wahrscheinlich ein Leben lang, zog er Itachi jeden anderen Menschen vor.

Kakashi kniete sich zu Sasuke auf den Boden und legte ihm so sanft wie er nur konnte, eine Hand auf den Rücken. Er gab einen beruhigenden Laut von sich. Das fiel ihm nicht schwer. Sobald sein Blick auf Sasuke gefallen war, war seine Wut verrauscht. Ihr war Sorge gewichen.

„Steh da nicht so rum“, sagte er streng zu Itachi. „Besorg was, mit dem ich ihn verarzten kann.“

Als der Mann sich auch nach einigen Sekunden nicht von der Stelle bewegte, erhob Kakashi sich selbst, verschwand eilig ins Bad, wo er sich mehrere, kleine, saubere Handtücher schnappte, Mullbinden, Pflaster und die Salbe aus seiner Apotheke und damit zurück in Wohnzimmer eilte.

Dort kniete er sich erneut hin und legte alles neben sich auf den sauberen Boden. Sofort drückte er vorsichtig eines der Tücher gegen die Platzwunde am Hinterkopf, die obwohl sie klein war, vergleichsweise stark blutete.

„Hol eine Schüssel lauwarmes Wasser“, orderte er Itachi an. Dabei war seine Stimme hart und unnachgiebig, sodass der Mann dieses Mal aus dem Raum ging. Schon bald hörte Kakashi, der weiterhin versuchte die Blutung zu stoppen, Wasser rauschen. Es dauerte knapp eine Minute, bis Itachi wieder da war, die Schüssel neben dem Hatake abstellte, sich selbst aber wieder zur anderen Seite des Raumes zurückzog.
 

Kakashi hatte keine Zeit weiter darauf zu achten. Er musste Sasuke in eine andere Position bringen, sodass er die Wunde am Kopf verbinden konnte.

„Kannst du dich hinsetzten, Sasuke?“, fragte er, obwohl er wusste, dass es viel effektiver gewesen wäre, es zu befehlen. Aber momentan sollte Sasuke weniger denn je, wie ein Sklave behandelt werden. Momentan ging es um nichts anderes als sein Wohl. Und auch wenn Kakashi es nicht als Befehl formuliert hatte, schaffte er es Sasuke mit seiner Hilfe in eine sitzende Position zu bringen. Zuerst stützte er mit seinem Arm noch den Oberkörper des Jungen und drückte mit der anderen Hand weiterhin das Handtuch gegen die Wunde. Doch um einen guten Druckverband anlegen zu können, musste er beide Hände freihaben.

„Bleib sitzen, hörst du?“, sagte er deswegen und hoffte dass der Junge es schaffte eigenständig in dieser Position zu verweilen. Von Itachi hatten sie momentan keine weitere Hilfe zu erwarten. Das wusste Kakashi ohne den Blick zu ihm zu wenden.
 

Kakashi griff mit der nun freien Hand nach den Mullbinden und setzte sich an Sasukes Schläfe an. In einer gleitenden Bewegung nahm er das Handtuch fort und wickelte den Verband fest um Sasukes Kopf. Immer noch zitterte der Junge unkontrolliert und als Kakashi mit dem Kopfverband fertig war und sich auf die Fersen zurücksetzte bemerkte er das Zusammenzucken Sasukes. Kakashi glaubte er hielt die Verarztung nun für abgeschlossen, denn es schien, als wappnete er sich innerlich auf eine Strafe. Ohne das Kakashi wusste, was es an Sasukes Miene war, dass es verriet, war es sich beinahe sicher, dass es so war. Deswegen sprach er mit Sasuke, während er ihn vorsichtig gegen die Wand lehnte.

„Ich verarzte noch deinen Mund, in Ordnung?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, tunkte er ein sauberes Tuch in das lauwarme Wasser. Mit diesen wusch er vorsichtig Sasukes wieder aufgeplatzte Wunde aus. Dann griff er nach der Salbe, von der er etwas auf der Wunde verteilte, bevor er sie wieder mit einem Pflaster abdeckte. Das alte, das mittlerweile zu Boden gefallen war, schmiss er zu den beiden blutigen Handtüchern. Sie gehörten auf den Müll.
 

Kakashi richtete seinen Blick wieder auf Sasuke. Er betrachtete ihn eine Weile. Wollte sichergehen, ob er auch wirklich keine Verletzung übersehen hatte. Er musste, glücklicherweise wie er zugab, feststellen, dass er alles nötige versorgt hatte. Das einzige was blieb, war später ein Kühlkissen für die Schwellung an der Wange zu besorgen, damit diese nicht noch schlimmer wurde. Aber das musste noch einen Moment Zeit haben. Kakashi legte Sasuke eine Hand auf den Unterarm, damit der Junge ihn anschaute, auch wenn er es nur aus dem ersten Schrecken heraus tat.

„Schau mich an“, sagte Kakashi kurz darauf. „Ist dir schlecht oder schwindelig? Es ist wichtig, dass du ehrlich antwortest, Sasuke.“

Kakashi konnte nur Angst in den Augen des anderen sehen, ehe er das leichte Kopfschütteln wahrnahm und Sasuke seinen Blick wieder senkte.

Der Hatake seufzte. Wenigstens konnte er momentan davon ausgehen, dass Sasuke keine Gehirnerschütterung erlitten hatte, dennoch musste er vorsichtig sein. Denn er durfte sich nicht zu sicher sein. Das würde nur Sasukes Sicherheit noch weiter gefährden. Doch momentan konnte Kakashi in die Richtung einfach nicht mehr tun. Ihm blieb nur, das Kühlkissen für die Wange zu besorgen. Er nahm die Hand wieder von Sasukes Arm und erhob sich. Doch ehe er sich gänzlich umdrehen konnte, hörte er Sasukes Stimme. Leise und schwach wiederholte Sasuke gänzlich Konans vorherigen Satz.

„Ich bitte um die Erlaubnis eine Frage stellen zu dürfen, Master Hatake.“

„Was möchtest du fragen?“ Kakashis Stimme war sanft.

„Welche Strafe wird mich erwarten, Master Hatake?“

„Keine“, sagte der Mann schlicht und dachte, dass Hidans Schlag und die jetzige Angst mehr als genug Strafe darstellten. Er wurde für Dinge bestraft die er nicht getan hatte. Kakashi würde nicht zulassen, dass Itachi ihn nun auch noch strafte für etwas, wofür er nur Bewunderung verdiente. Denn er wusste, dass nicht Sasuke, sondern Konan die fünf Teller gefüllt hatte. Und das auf seine, Kakashis, Anweisung.
 

Der verängstigte Ausdruck in Sasukes Augen wich nur minimal. Er konnte diese Antwort nicht ganz glauben. Er war sich fast sicher gewesen, dass Kakashi ihn nicht strafte, aber er glaubte einfach nicht, dass auch sein Herr ihn so einfach davon kommen lies. Er hatte ohne Erlaubnis gesprochen. Er hatte einen Höhergestellten beleidigt, indem er ihn nicht mit der passenden Anrede ansprach. Er hatte ihm widersprochen. Und ihm in die Augen gesehen. Das alles musste in Sasukes Welt einfach eine Strafe nach sich ziehen. Er hatte mit einer Strafe gerechnet, noch bevor die Worte seinen Mund verlassen hatten. Er hatte nicht gedacht, dass Konans Herr so auf ihn losgehen würde, hatte er mit einer taktischen Form der Bestrafung gerechnet, durch die Konan aus dem Schneider war. Das war sein Fehler, dachte Sasuke dann. Er hätte damit rechnen müssen, dass nicht alle Menschen gleich waren. So wie sein Herr ihn wahrscheinlich taktisch bestrafen würde, war Konans Herr gänzlich anders. Er prügelte drauflos. Daran konnte er nichts ändern. Konnte Konan nicht beschützen, wie sie ihn ein halbes Leben lang geschützt hatte. Und das tat mehr weh, als die Wunden an seinem Körper.
 

Sasuke warf einen Blick zu dem Mann, der ihn gekauft hatte. Er traute sich nicht, auch ihn zu fragen, welche Strafe ihn erwartete, aber er konnte sich selbst auch nicht zwingen, ihn nicht anzusehen. Momentan hatte er sich einfach nicht so im Griff, wie sich ein guter, gehorsamer Sklave im Griff zu haben hatte. Doch er sah seinen Herrn behutsam nicken. Nun, es war nicht mal ein vollwertiges Nicken, dachte Sasuke dann, als er seinen Blick wieder senkte. Es war vielmehr ein einmaliges Auf- und Abbewegen des Kopfes gewesen. Aber es genügte um Sasuke Erleichterung zu verschaffen. Scheinbar, aus welchem Grund auch immer, hatte er wirklich keine Strafe zu erwarten.
 

Die Anspannung die sich aus Angst vor einer Strafe in Sasukes Körper gesammelt hatte löste sich allmählich. Er schloss die Augen, lehnte sich vorsichtig gegen die Wand zurück, ohne dass sein Hinterkopf sie berührte. Sasuke konzentrierte sich darauf ruhig zu atmen, was ihm nur mäßig gelang. Seine Atemgeräusche waren mal lauter und schwerer und mal leiser. Durch die Anspannung seines Körpers hatte er die Schmerzen nicht sonderlich wahrgenommen. Dadurch dass er nun ruhiger wurde, kamen die Schmerzen zurück. Die Wunde am Hinterkopf pochte unangenehm und seine Lippe brannte. Er wusste, dass er noch einen langen Tag vor sich hatte. Es war zwar schon abends, aber er musste den Ofen ausstellen, sonst verkohlte das Essen und er musste noch zwei Gänge anrichten. Danach musste er Spülen und die Küche in Ordnung bringen. Deswegen musste er sich nun zusammenreißen und sich bald dazu aufrappeln wieder aufzustehen. Sonst würde vielleicht doch noch eine Strafe folgen. Ganz sicher konnte er sich da schließlich nie sein.

Sasuke atmete tief durch um sich völlig zu beruhigen und das Pochen und Brennen ein Stück weit auszublenden.
 

Itachi hatte seine Hand schon vor einer Weile von seiner Stirn genommen und sie sinken gelassen. Er hatte schon vorher den Raum verlassen wollen. Sich für den Moment aus jeder Verantwortung ziehend, wandte er sich ab. Er ging in den Flur, wo er einen Seitenblick in den Spiegel wandte, ehe er sein Schlafzimmer betrat. Er würde es nicht zugeben, aber zuvor – vor seinem Nicken – hatte er direkten Blickkontakt mit seinem Sklaven gehabt. Es war sicherlich nicht mal eine Sekunde gewesen, die sie einander direkt in die Augen geschaut hatten, aber es war der Moment, der Itachi zur Flucht veranlasst hatte.

Egal was auch geschah, er durfte und er wollte den Sklaven nicht als einen Menschen sehen.

Weil er kein Mensch war, redete Itachi sich stumm ein und setzte sich aufs Fußende seines Doppelbettes. Denn Menschen waren aus Fleisch und Blut. Sie liebten, sie hassten, sie erzählten Geschichten. Menschen lachten, sie weinten. Sie konnten Mörder sein oder Schaffer und auch alles Mögliche dazwischen.

Itachi legte sich zurück auf die Matratze, ohne seine Füße vom Boden zu nehmen. Mit der Hand griff er nach einem der Kissen von Kopfende, mit dem er sein Gesicht bedeckte.

„Du bist nur ein Ding“, flüsterte Itachi und schloss die Augen.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Sich an der Wand abstützend, erhob sich Sasuke langsam. Er hielt sich noch eine Weile fest, als er stand. Seine Beine fühlten sich wackelig an, doch nach ein paar Momenten fühlte er sich sicher genug, die Wand loszulassen und ein paar Schritte zu gehen. Es zog ihn in den Flur und von da aus in die Küche, wo er sich an der Küchentheke abstützte, während er den Ofen abstellte. Selbst wenn heute niemand mehr was davon essen wollte, konnte es möglich sein, dass sein Herr es am morgigen Tag anschauen wollte. Wenn es verbrannt wäre, konnte Sasuke vergessen nicht bestraft zu werden, denn auch bei dem Uchiha folgten Konsequenzen bei Versagen. Das hatte Sasuke in den letzten Tagen gelernt.
 

Kakashi hatte die schmutzigen Handtücher und das alte Pflaster im Bad in den Müll geschmissen, die Schüssel dort gelehrt und die Salbe zurück in den Schrank gelegt. Mit nun wieder leeren Händen wollte er in die Küche, um dort ein Kühlkissen für Sasukes Wange zu besorgen, doch als er den Jungen dort an der Küchentheke stehen sah, schüttelte er den Kopf. Er hatte ihm zwar nicht gesagt, er solle im Wohnzimmer bleiben, aber er hatte auch nicht damit gerechnet, dass Sasuke auf eigene Faust durch die Wohnung lief.

Aber als er beim Näher kommen sah, was Sasuke dort tat, wurde ihm klar, dass es ganz natürlich für einen Sklaven war, in solch einem Fall eigenhändig zu handeln. Denn das was Sasuke tat, gehörte im Grunde noch zu seiner vorherigen Aufgabe. Er hatte Abendessen machen sollen. Und danach war es selbstverständlich dass man die Küche wieder auf Vordermann brachte. Kakashi hätte dieses Mal nicht mal etwas dagegen gesagt, wenn nicht Hidan Sasuke so verletzt hätte. Doch nun war es alles andere als selbstverständlich. Alles andere als gut für Sasukes Körper.
 

Deswegen machte Kakashi sich mit einem Räuspern bemerkbar, ehe er näher ging und neben Sasuke stehend die Kühltruhe öffnete, um ein Kühlkissen raus zu nehmen.

„Geh wieder ins Wohnzimmer und setz dich auf die Couch, ja? Da kannst du dich etwas ausruhen. Ich mache die Küche sauber.“

Mit den Worten drückte Kakashi Sasuke das Kühlkissen in die Hand und machte sich selbst daran die Töpfe, Pfannen, Messer und Kochlöffel abzuspülen, die die beiden Sklaven zum Kochen genutzt hatten.
 

Sasuke ging artig ins Wohnzimmer setzte sich auf die Couch. Er lehnte sich nicht an, das verbot ihm seine Erziehung. Aber er saß auch nicht auf der äußersten Ecke, das verbot ihm seine Erschöpfung. Vorsichtig hob Sasuke die Hand mit dem Kühlkissen hielt es gegen seine angeschwollene Wange. Sasuke hatte immer geglaubt, dass Wärme gut war und Kälte schlecht. Nun, wo seine Lippe vor Schmerz brannte und die Kälte seine gereizte Wange heilte, war er sich da nicht mehr ganz sicher. Ein frierender Körper in den Kellern der Schlange kann besser Schwarz und Weiß und keine Nuance dazwischen sehen. Hier war das schwieriger. Er begann nicht nur an ein paar Dingen zu zweifeln, an die er immer geglaubt hatte, wie eben das Kälte böse war und Wärme gut. Das stimmte vielleicht bei den Menschen überein, aber nicht auf den einfachen Zustand eines Dings. Bei Dingen war es egal, ob sie kalt oder warm waren. Ungeachtet dessen konnten sie gut sein oder schlecht.

Menschen, die Wärme ausstrahlten, von den Tiefen ihrer Seele – wie Konan – die waren meistens gut. Sie liebten und heilten. Sasuke bedauerte Konan und er bedauerte ihr noch ungeborenes Baby. Er wünschte er könnte sie retten.

Menschen, die Kälte ausstrahlten, von den Tiefen ihrer Seele – wie Hidan – die waren meistens schlecht. Sie hassten und schlugen. Sasuke begann Hidan zu verabscheuen, ohne dass er in Worte fassen konnte, warum. Er konnte nur sagen, dass es nicht an den Wunden lag, die er ihm zugefügt hatte. Es ging mehr um Ungerechtigkeit im Allgemeinen und momentan war Hidan Sasukes Ventil an dem er innerlich all seine Wut auslassen konnte. Und er war schrecklich wütend.
 

Sasuke blickte an die gegenüberliegende Wand, als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte und nicht mehr vor Wut bebte. Er sah das Blut an der Wand und schloss die Augen. Dafür würde er sicherlich bestraft werden. Dennoch konnte er deswegen keine Wut auf seinen Herrn empfinden. Vielleicht, weil all die Wut an Hidan verschwendet war, vielleicht aber, weil er seinen Herrn menschlicher sah, als gut für ihn war.

Es war nicht so, als das sein Herr ihm gegenüber sehr menschlich war, aber zum ersten Mal war Sasuke heute bewusst geworden, dass hinter der Hülle, die für ihn Angst, Schmerz und Gefangenschaft bedeutete, mehr lag. Aber seine Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, was er in seinem Herrn gesehen hatte.
 

OO step backward OO
 

Itachi war alleine. Sie hatten ihn erst ein paar mal alleine gelassen. Die Frau mit den kupferfaarbenen Haaren war fast nie da. Der Mann, der gleichermaßen kindisch und grausam war, hockte meistens neben der Tür oder er redete mit ihm, piesackte ihn oder schlug ihn. Jetzt hockte er nicht da.

Aber das erleichterte Itachi nicht mehr. Er wusste nicht, wie lange er schon hier war. Er wollte es gar nicht mehr wissen.

Nichts, hatte die Frau zu ihm gesagt, als sie bei ihrem dritten Besuch sein Kinn gegriffen hatte, würde mehr von Bedeutung sein, wenn er tot war.

Es gab keinen Weg sich selbst zu töten. Nicht hier drin. Denn sie ließen ihn nicht sterben. Sie brauchten ihn. Sie benutzten ihn, wie man etwas benutzte, das man brauchte, aber nicht besonders mochte.

Deswegen beschloss Itachi einfach, dass auch jetzt nichts mehr von Bedeutung war, obwohl er lebte. Er überlebte das hier. Also konnte er auch selbst entscheiden, was von Bedeutung war und was nicht. Wenn ihn das hier nicht umbrachte, machte es ihn stark. Und starke Menschen konnten so etwas selbst entscheiden.

Itachi rollte sich zusammen und vergrub seinen Kopf in den Armen.

„Du bist nur ein Ding“, flüsterte er mit kratziger Stimme. Denn er war noch nicht stark. Doch dass musste er gar nicht sein, entschloss er dann, denn nur für Menschen konnte etwas von Bedeutung sein. Wenn er beschloss ein Ding zu sein, dann war auch nichts mehr von Bedeutung.
 

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Hallo,

Jetzt ist es raus: Der Junge im step backward ist Itachi. Viele von euch haben es ja schon geahnt. Was genau es damit aber auf sich hat, wird noch im Laufe der FF aufgedeckt. In nächster Zeit wird es auch step backward zu anderen Charaktern geben. Diese werden nicht in einer bestimmten Reihenfolge vorkommen. Das heißt, wenn zum Beispiel im nächsten Kapitel ein step backward von Konan kommt, heißt das nicht, das Konan in der Vergangenheit irgendwas mit Itachi zu tun hatte oder das dieser step backward nach denen von Itachi spielt, schließlich sind Itachis step backwards auch nicht in der richtigen Reihenfolge.

Ich hoffe das war jetzt nicht zu verwirrend :D

Jedenfalls wünsche ich euch viel Spaß mit dem Kapitel.

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 9: Familie


 

Kapitel 9: Familie

Nenn es Sippe, nenn es 'network',

nenn es Stamm, nenn es Familie.

Wie auch immer du es nennst; wer auch immer du bist; du brauchst eine.

[Jane Howard, eigenständig aus dem englischen übersetzt]
 


 

„Wie geht es dir, Itachi? Wir haben schon so lange nicht von dir gehört.“

„Es waren nicht mal drei Wochen, Mutter“, brummte der Uchiha. Kakashi war es, der den Hörer im Flur abgenommen und in sein Schlafzimmer gebracht hatte, wo Itachi gegen die Kopfschütze seines Bettes gelehnt saß.

„Ich weiß“, klang die Stimme seiner Mutter sanft durch den Hörer, den er sich ans Ohr hielt. „Aber du kennst mich. Ich muss dich von Zeit zu Zeit einfach sprechen.“

Itachi unterdrückte ein Seufzen. Die meist im Abstand von zwei Wochen stattfindenden Anrufe seiner Mutter nervten ihn. Wenn er Glück hatte, konnte er sie, nachdem er beteuerte, dass es ihm wirklich gut ging, nach wenigen Minuten abwimmeln. Wenn das Glück nicht auf seiner Seite war, reichte sie ihn an seinen Vater weiter, oder an Shisui, den mittleren Bruder, der auf dem Grundstück ihrer Eltern wohnte, weiter.

„Ich weiß, du telefonierst nicht gerne. Ich will dich auch nicht lange stören. Kakashi ist da. Ich freu mich schon euch alle wieder zu sehen.“

Itachi brummte zustimmend. Für seine Mutter war Kakashi ein vierter Sohn. Iruka war schon zweimal mit Kakashi und ihm in Spanien bei Itachis Eltern gewesen. Vom ersten Moment an, hatte Mikoto ihn gemocht und auch bei ihren Besuchen in Hannover hatten sie sich immer gut verstanden. Er war, wie Rin, ein Teil ihrer Familie, weil er einen ihrer Söhne – ob leiblichen oder nicht – liebte. Sie freute sich aber auch Konan wieder zu sehen, die sie Ostern kennen gelernt hatte, als sie, ihr Mann, Itachis Brüder und Rin in Hannover gewesen waren. Itachi erinnerte sich daran, dass die Situation beinahe eskaliert wäre, als seine Mutter das Gespräch mit Konan gesucht hatte. Nur weil er Hidan beiseite genommen hatte, glaubte jeder Teil seiner Familie noch daran, dass Hidan und Konan ein normales Ehepaar waren. Seine Eltern und seine Brüder mussten nichts von diesem Sklavending wissen.
 

„Und ich freue mich, deinen Freund kennen zu lernen. Du hast ihn beim letzten Telefonat nur kurz erwähnt. Wie war sein Name noch mal?“

Er hatte ihr den Namen noch nicht gesagt; hatte ihn vor drei Wochen nicht mal gewusst. Denn derjenige der seinen Freund spielen sollte, war dies nicht. Er war ein Sklave.

„Sasuke“, sagte er deswegen. „Sasuke Kekkei.“ Weil er sich denken konnte, dass seine Mutter den Namen nicht nur aus Interesse haben wollte, sondern auch für Tischkärtchen und allem möglichen anderen Kram der mit der Hochzeit zu tun hatte. Wahrscheinlich würde er noch eine extra Einladung nachgereicht bekommen, obwohl alle schon seit über Monaten verschickt waren.

„Ist er auch gerade da?“, konnte seine Mutter ihre Neugier nicht im Zaum halten. Am Telefon wirkte es für sie kein bisschen schwer mit ihm zu sprechen.

„Nein, er ist in der Uni.“

„Jetzt noch?“

„Ja, er wollte nach der Vorlesung noch in der Bibliothek lernen.“

Er wusste, dass es eine dumme Lüge war. Aber es war die beste, die ihm auf die Schnelle eingefallen war, schließlich hatte Itachi schon geplant, dass eine von ihren Lügen sein sollte, dass Sasuke neben seiner Arbeit in der Agentur auch studieren sollte. Hätte er gesagt, Sasuke sei bei sich Zuhause, hätte seine Mutter wissen wollen warum sie nicht zusammen waren, und ob auch wirklich alles okay war. Dabei war genau das eine der Fragen, die er am allermeisten aus ihrem Mund hasste.
 

Dennoch schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht als er seinen zwei Jahre älteren Bruder Shisui durch das Telefon jammern hörte: „Komm schon, Mutti. Ich muss gleich los. Vorher will ich auch noch mit dem Dreckssack sprechen.“

Seine Mutter lachte. Itachis Grinsen schwand. Aber das hatte nichts mit ihr zu tun. Es hatte mit nichts etwas zu tun.

„Ich gebe dich an deinen Bruder weiter, ja? Pass auf dich auf, Itachi. Ich freu mich auf euch.“

„Tschüss“, sagte Itachi nur, woraufhin seine Mutter den Hörer weitergab. Es dauerte nur wenige Sekunden bis sein Bruder ihn freudig begrüßte.

„Na, Alter. Was geht, Itachi?“

Der jüngere Bruder stieß Luft durch die Nase aus. Er sagte nichts. Shisui würde eh bald weiter sprechen.

„Es steht also fest. Unser Itachi ist vergeben. Was eine Schande. Ich hätte so viele hübsche Mädchen für dich. Oder Jungs. Mein Gott, die sind schon ganz heiß auf dich, Junge. Dabei hast du nicht mal das gleiche gute Aussehen geerbt wie ich!“

„Du hast nicht wieder Fotos von mir in deiner Bar verteilt, Spasti?!“

„Ich hab’s damals nur gut gemeint mit dem Plakat und das weißt du! Kann ja nicht wissen, dass du so eine Pussy bist und keinen einzigen von den Weibern anrufst. Diesmal hab ich explizit auf den Flugzetteln notiert, dass du bevorzugt Kerle willst.“

„Du bist ein Schwachkopf!“

„Deine Beleidigungen waren auch schon mal origineller, Brüderchen.“
 

Typisch Shiusi, dachte Itachi leise seufzend. Beide seiner älteren Brüder waren Kerle die gerne frotzelnd und Witze reizend durch die Gegend gingen. Der Älteste von ihnen, Obito, war schon immer sehr unbekümmert gewesen und einen Teil dieser Art hatte er sich ein Leben lang bis heute beibehalten. Er konnte Witze erzählen wie kein Zweiter, riss Scherze ohne Ende ohne sich dabei etwas aus den Menschen zu machen, die ihn dafür nicht leiden konnten.

Shisui war kaum anders, nur dass in seinen Scherzen immerzu dieses bissige lag, was ihn härter und weniger unschuldig rüberkommen ließ. Beide aber hatten sie dieses typische Grinsen, das er immer mit seinen beiden leiblichen Brüdern verbunden hatte.

Itachi wusste nicht, ob er sie je wirklich darum beneidet hatte. Er nahm es als gegeben. Itachi schnalzte mit der Zunge bevor er die Aufmerksamkeit wieder auf seinen Bruder lenkte.

„Aber mal unter uns, wie sieht dein Lover eigentlich aus? Du hast noch rein gar nichts erzählt. Vertrau dich deinem großen Bruder an.“ Itachi hörte das Schmunzeln in Shisuis Stimme und er konnte nicht anders als nicht aufzulegen. Shisui war einer der wenigen Menschen in Itachis Umgebung mit denen er längere Gespräche führen konnte ohne wirklich das Verlangen zu besitzen aufzulegen oder fort zu gehen, solange Shisui in seiner bissigen, witzigen Art fragte. Sobald Shisui anfing ernst zu sein und Fragen zu stellen, die ihn betrafen, empfand Itachi in seiner Gegenwart beinahe dasselbe Gefühl wie in der Gegenwart Kakashis oder eines ernsten Obitos. Was nur noch mehr bewies wie sehr Kakashi auch einer seiner Brüder war.

„Als wenn ich mir irgendeine Vogelscheuche suche.“

„Das hab ich doch gar nicht behauptet, du Sack. Erzähl schon. Ich schwärm dir dann auch gleich von meiner neuen Braut vor.“

„Schon wieder ´ne Neue? Alter, beherrsch deinen Schwanz doch mal.“
 

Shisui lachte.

„Wer kann, der kann“, sagte er und stoppte einen Moment, in dem er seine Aussage im Raum stehen ließ um sie zu untermauern. Dann plapperte er weiter: „Sie heißt Tayuya und Junge, du weißt ich steh so was von auf rothaarige Weiber!“

„Du stehst auf alles was Titten hast“, warf Itachi ein. Sein Bruder überhörte dies gekonnt, obwohl er sicher gewusst hatte, dass es nur der Wahrheit entsprach.

„Jedenfalls“, schwärmte er, „hat sie diese Lippen. Und diese Hüften. Einfach göttlich!“

Itachi verdrehte die Augen. Sein Bruder und die Frauenwelt. Eine unendliche Geschichte.

„Sie ist Model und Spanierin und ihr Hintern, Itachi!“

Der jüngere Bruder war geneigt aufzulegen. Bei beinahe jedem ihrer Telefonate war es ein neues Mädchen, das so dumm war auf seinen Bruder reinzufallen. Shisui war das genaue Gegenteil von Obito, der nie eine andere Freundin gehabt hatte als Rin, die er kennen lernte, als sie beide noch Windeln trugen.

An seine beiden Brüder denkend, kam Itachi nicht in den Sinn sein eigenes Sexual- und Liebesleben in Frage zu stellen, dass quasi kaum existierte.
 

Itachi war in seiner späten Jugend mit drei Mädchen zusammen gewesen und danach mit zwei jungen Männern. Seine ersten vier Beziehungen waren nicht von langer Dauer gewesen. Die ersten beiden waren nicht mal so lang existent, als dass sie weiter als bis zu einem geöffneten BH gekommen waren. Die dritte Beziehung war eindeutig unter die Gürtellinie gegangen, aber in ihr hatte auch nicht mehr gelegen. Wann immer sie sich getroffen hatten, hatten sie Sex gehabt. Heute wusste Itachi nicht mal mehr ihren Nachnamen. Seine erste Beziehung zu einem Mann hatte drei Wochen gedauert und sie waren ein paar Mal im Bett gewesen. So recht wusste Itachi gar nicht mehr, woran es gescheitert war.

Seine erste und einzige längere Beziehung war die mit Sai gewesen. Itachi dachte eine Weile lang, ihn und Sai verbünde etwas. Und wenn es zu die Unfähigkeit oder der Unwille war, Gefühle nach außen zu lassen. Nachdem Itachi hatte feststellen müssen, dass Sai dies sehr wohl konnte - vorrangig im Bett oder beim Eisessen mit seiner widerlichen Affäre - hatte Itachi nicht bloß ihre Beziehung aufgegeben, sondern auch die Lust darauf sich mit anderen zu treffen. Keiner seiner bisherigen Beziehungen - weder die mit Frauen noch die mit Männern - konnte ihm das geben, wonach er suchte. Warum sollte er also Zeit damit verschwenden nach neuen Menschen zu suchen um neue Beziehungen aufzubauen?

Gleichsam machte es keinen Sinn über seine gescheiterten Beziehungsversuche zu grübeln. Deswegen wandte er seinem Bruder wieder seine Aufmerksamkeit zu. Er hatte die ganze Zeit über nur mit einem Ohr zugehört, was Shisui über seine neue Flamme schwärmte.

„Ich muss jetzt auch los, Brüderchen. Tayuya und ich treffen uns gleich zum Essen im El Sol. Ich weiß, das macht dich neidisch. Aber wenn du mich ganz lieb drum bittest, werde ich dir demnächst alle Einzelheiten schildern.“
 

Noch bevor Itachi anmerken konnte, dass es ihn keinen Deut interessierte, wie der Abend mit einer von Shisuis Wochenendbeziehungen – denn viele hielten nicht länger – lief, hatte der ältere Bruder schon aufgelegt. Und Itachi seufzte, warf den Telefonhörer auf das unbenutzte Kissen rechts von ihm. Eine Betthälfte die noch nie benutzt wurde. Itachi lehnte sich gegen das Kissen am Kopfende des Bettes und verdeckte sein Gesicht mit dem Unterarm. Er hatte das Bett nach seiner gescheiterten Beziehung mit Sai ausgetauscht und seitdem hatte er keinen mehr in sein Bett gelassen. Wohl war er in ein paar fremde Betten hübscher junger Männer und aufreizenden Mädchen gestiegen, aber beides war nur zur körperlichen Erlösung gewesen.

Manche Menschen hielten sich für so wenig liebeswert, dass sie, aus Angst nicht zurück geliebt zu werden, die Fähigkeit verloren, selbst Liebe zu empfinden. Itachi glaubte Kakashi dachte so von ihm. Aber es war unwahr. Itachi wurde mit Liebe überschüttet und das wusste er, auch wenn man ihm nicht recht glauben mochte, dass er dafür Dankbarkeit empfand.

Seine Eltern, seine Brüder – Kakashi eingeschlossen – und auch Rin, die ihn genauso lange kannte wie eben jene zuvor genannten, liebten ihn mit einer Inbrunst, die kaum einen Vergleich kannte.

Somit wusste Itachi, dass er geliebt wurde. Er konnte es gar nicht leugnen.

Aber was an dieser Liebe so einfach war, war die Tatsache, dass keiner von ihnen wirklich eine Wahl gehabt hatte, den jeweils anderen zu leben. Itachi kannte diese Menschen von Geburt an. Seine Eltern waren im Kreissaal, seine Brüder hatten ihn Zuhause Willkommen geheißen und Kakashi und Rin waren noch am selben Abend rübergestürmt um das neue, kaum ein paar Tage alte Baby anzuschauen.

Nein, keine von ihnen hatte je wirklich eine Wahl gehabt. Und Itachi hatte begonnen diese Menschen zu lieben, in einem Alter, in dem ihm das alles noch gar nicht schwer erschienen war. Aber heute war er außerstande einen neuen Menschen in sein kaltes, kaltes Herz zu lassen und allein der Versuch brachte unheimliche Schmerzen mit sich.

Itachi verzog das Gesicht. Er hätte es einfach nicht ertragen, wenn seine Eltern und seine Brüder ihm Männer und Frauen vorstellten, mit der Hoffnung, dass er einen von ihnen je lieben konnte. Deswegen die Sache mit dem Sklaven. Nur deswegen. Um sich Schmerzen zu ersparen. Schmerzen, die er hatte einfach nicht mehr ertragen können. Lieben war nicht einfach. Lieben tat weh. Dauerhaft. Und Itachi wollte dass alles leer und unbedeutend wurde… egal, was er dafür aufgeben musste.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Als Kakashi das Wohnzimmer wieder betrat, saß Sasuke zusammengesunken auf dem Sofa. Den Kopf in den, auf den Knien gestützten, Armen gebettet war er eingenickt. Kakashi mochte ihn nicht wecken, jetzt wo er schlief, schließlich würde Sasuke nur wieder Angst haben für das unerlaubte Einschlafen bestraft zu werden. Dennoch konnte er ihn hier nicht so sitzen lassen. Er würde am nächsten Morgen vor Rückenschmerzen nicht laufen können. Da der Junge schon genug Schmerzen hatte, wollte Kakashi ihm diese nicht auch noch zumuten. Er hockte sich neben dem Sofa auf den Boden und berührte Sasuke an der Schulter. Sofort ruckte der Oberkörper des Jungen hoch und nur mit einem schnellen Zurückziehen seines Kopfes konnte Kakashi verhindern, dass sie mit den Stirnen aneinander prallten.

„Ganz ruhig“, machte Kakashi, hob sachte seine Hand in einer Weise, die selbst für Sasuke keinen Zweifel lies, dass sie ihm kein Leid antun würde. Er hielt die Hand schlicht mit leichtem Druck gegen Sasukes Oberbauch, um ihn davor zu bewahren wieder in sich zusammenzusacken.
 

„Wenn du müde bist, ist okay. Du kannst ruhig schlafen. Aber nicht so. Am besten legst du dich einfach hier auf’s Sofa.”

Kakashi griff nach den großen Couchkissen und warf alle bis auf eines, dass er an einem Ende der Couch platzierte, auf einen der beiden Ledersessel.

Er bedeutete Sasuke sich hinzulegen, bevor er die Wolldecke, die immer auf dem Sofa lag, über ihm ausbreitete. Kakashi wusste, dass Itachi dem ungen ein Zimmer zugewiesen hatte, aber er wollte ihn für heute Nacht gerne im Auge behalten. Noch konnte er nicht ausschließen, dass Sasuke eine Gehirnerschütterung hatte und er wollte lieber auf Nummer sich gehen. Dabei auch ein wenig an sich selbst denkend, war es besser, wenn Sasuke im Wohnzimmer schlief. Zum einen war es einfach gemütlicher für Kakashi in einem Sessel auf den Jungen Acht zu geben, als es Stehend oder auf dem Boden sitzend im Gästezimmer zu tun oder jede Stunde vom Arbeitszimmer, wo er schlafen sollte, zum Gästezimmer zu gehen, um nach Sasuke zu schauen.

Zum anderen würde Sasuke es dann nicht mit dem ihm normalerweise zugewiesenen Bett verbinden, wenn Kakashi ihn hier auf der Couch, an diesem Abend ein paar Mal wecken musste, um gänzlich auszuschließen, dass der Junge durch eine Gehirnerschütterung, die Kakashi nicht festgestellt hatte, in eine Bewusstlosigkeit fiel. Kakashi hatte schon viel gesehen. Er war einfach lieber vorsichtig.
 

Der Hatake hob die Wasserflasche und beide Gläser, die er aus der Küche mitgebracht hatte, vom Boden auf den Tisch. Danach zog er den Sessel etwas näher heran und lies sich hinein sinken. Sein Blick lag auf Sasuke, der mit geöffneten Augen auf der Seite lag.

„Du darfst schlafen“, wiederholte Kakashi, einen Ticken unbeholfen. Als ihm in den Sinn kam, dass der schweigende Sklavenjunge vielleicht gar nicht schlafen wollte. Deswegen schob er hinterher: „Du musst nicht.“

Sasuke erwiderte nichts, natürlich nicht. Er war ein Sklave. Er hatte nicht zu sprechen. War froh überhaupt auf diesem Sofa liegen zu dürfen, während sein Mund und sein Kopf dort schmerzten, wo die Wunden waren.
 

„Möchtest du was trinken?“, fragte Kakashi nach einer Weile, die sie beide still im Wohnzimmer verbracht hatten.

„Wenn es euch beliebt, Sir“, gab Sasuke die Antwort die er zu geben gelernt hatte. Es war ein Unterschied ob man ihn fragte, ob er durstig war oder ob er etwas trinken mochte. Ein Sklave hatte nichts zu wollen. Und obwohl er ehrlich zu sein hatte, war eine solche Frage eine, die er mit der gegebenen Antwort zu erwidern hatte.

Mit ebendieser Antwort nichts anfangen könnend, goss er einfach beide Gläser voll Wasser, gab in eines einen Strohhalm, den er für Sasuke aus der Küche mitgebracht hatte, und schob es in seine Reichweite.

„Trink, wenn du Durst bekommst.“

Weil dies ein Befehl - oder mehr eine Erlaubnis - war, den Sasuke verstand, setzte er sich ein bisschen auf, um nach dem Glas zu greifen. Noch ehe er es zum Mund führen konnte, stoppte Kakashi ihn, bedeutete ihm durch den Strohhalm zu trinken.

„Das ist besser für deinen Mund, glaub mir“, sagte der Hatake, während er auf die Stelle seines Mundes zeigte, an der Sasuke eine Wunde trug.

Also trank Sasuke durch den Strohhalm, ehe er sich zurück auf das Sofa legte.
 

Wieder schwiegen der Junge und der Hatake. Dieser beobachtete wie Sasuke hin und wieder für ein paar Minuten die Augen schloss, ohne zu schlafen.

„Bist du nicht müde?“

„Nein, Sir.“ Sasuke war wirklich nicht müde. Vorhin war er es gewesen, aber jetzt nicht mehr.

"Möchtest du trotzdem liegen bleiben?", fragte Kakashi dann, nur um wieder die Antwort zu bekommen, dass Sasuke genau das mochte, wenn es ihm den beliebte. Doch dieses Mal glaubte Kakashi an Sasukes Gesicht sehen zu können, dass er lieber liegen bleiben wollte. Deswegen lies Kakashi ihn liegen und schwieg wieder eine Weile lang. Er überlegte ob er den TV für Sasuke einschalten sollte, entschied sich jedoch dagegen. Es war vielleicht noch zu früh ihn mit Fernsehen zu konfrontieren. Musik war in Ordnung. Er könnte das Radio anmachen. Aber auch das verwarf Kakashi. Vielleicht störte es den Jungen, wenn er doch schlafen wollte. Es war so schwer Entscheidungen zu treffen, wenn Sasuke ihm nicht sagte oder wenigstens zeigte, was er wollte.
 

Kakashi stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände. Er würde gerne mit Sasuke sprechen, aber er wusste nicht recht wie.

„Wie lange kennst du Konan?“, versuchte er es dann. Sasuke zuckte zusammen. Wirkte ertappt.

Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, aber er konnte sich davon abhalten, zu fragen, woher Kakashi wusste, dass sie sich kannten. War es so offensichtlich gewesen?

Sasuke zwang sich gehorsam und ehrlich zu antworten.

„Seit über dreizehn Jahren, Sir.“

„Das ist eine lange Zeit“, merkte Kakashi an. Aber so was Ähnliches hatte er sich schon gedacht. Sasuke und Konan schienen, obwohl sie es mit aller Macht hatten verbergen wollen, eine sehr innige Beziehung zu haben. Doch war Kakashi sich nicht gänzlich sicher, welche Gefühle sie füreinander hegten. Fühlten sie füreinander wie Bruder und Schwester, wie enge Freunde oder gar wie Geliebte?

„Was ist sie für dich?“, wollte der Hatake wissen.

Sasuke konnte nicht direkt antworten, obwohl ihm das seine Erziehung vorschrieb. Er hoffte Kakashi hatte Verständnis, denn es war eine schwere Frage, von der er nicht wusste, wie er sie zu beantworten hatte.

„Sie war mir zugewiesen, Sir“, versuchte er so formal wie möglich zu beantworten. Zu groß die Gefahr, dass Kakashi gar nicht wissen wollte, dass sie das Naheste einer Mutter war, was er je gehabt hatte. Noch größer die Gefahr, Konan könnte wegen seines losen Mundwerks Leid angetan werden.

„Für was zugewiesen?“

Noch ehe Kakashis Frage beantwortet werden konnte, ertönte die Türklingel. Verwundert wer dies sein könnte, erhob Kakashi sich, trat in den Flur und hob den Hörer des Haustelefons ab.

„Bitte?“, sagte er durch.

„Ich bin’s, Kakashi. Mach die Tür auf.“

„Was…?”, wollte der Hatake fragen, doch erneut drang die Stimme durch den Hörer, der ihn bat, endlich die Tür zu öffnen. Also betätigte er den Summer, öffnete die Haustür und wartete auf seinen Freund, der die Treppe hochkam. An der Leine hielt er den Mops, den sie vor einem Jahr aus dem Tierheim geholt hatten.
 

Kakashi umarmte seinen Lebensgefährten, küsste seinen Mundwinkel, ehe er sich zurückzog, runter beugte, um den Hund hinter den Ohren zu kraulen. Noch in der Hocke, schaute er hoch und fragte: „Was tust du hier?“

„Kurz nachdem du heute weg warst, hat nichts mehr funktioniert. Kein Strom, kein Wasser. Irgendwas an der Elektronik im Haus, keine Ahnung. Ich wollte dir Pakkun vorbeibringen. Kann ihn ja schlecht mit ins Hotel nehmen.“

„Warum hast du mich nicht angerufen? Früher, meine ich“, sagte Kakashi und fügte an: „Wo warst du denn die ganze Zeit seitdem?“

„Ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich hab den Vermieter sofort angerufen, ich hab auf den gewartet, wir haben uns das angeguckt. Er hat heute schon mit einer Firma gesprochen und morgen sollte wieder alles im Lot sein.“ Iruka lächelte zuversichtlich. „Pakkun hab ich dann einen schönen, langen Spaziergang gegönnt, wir haben bei meinen Eltern Halt gemacht, hab mit paar Hotels telefoniert, aber kein einziges würde einen Hund zulassen. Nicht mal einen kleinen Mops für eine einzige Nacht.” Jetzt grinste Iruka, drückte Kakashi die Leine in die Hand, küsste ihn flüchtig und wollte sich umwenden. Er wusste, dass es für seinen Freund nicht einfach war, ihn gehen zu sehen, deswegen wollte er es schnell und locker machen. Aber Kakashi hielt ihn am Handgelenk zurück.

„Du musst nicht gehen, `Ruka. Die Couch in Itachis Arbeitszimmer ist groß.“ Das war sie wirklich, wenn man sie auszog.

„Und er wird nichts dagegen haben, wenn ich es ihm erkläre.“

„Frag erst.“

„In Ordnung. Komm rein.” Kakashi schloss hinter seinem Freund die Tür, löste Pakkuns Leine, bedeutete Iruka mit dem Hund im Flur zu warten und betrat nach einem Klopfen Itachis Schlafzimmer.
 

Itachi lag halb sitzend gegen die Wand hinter seinem Bett da, mit dem Laptop auf dem Schoß und schien zu arbeiten.

„Iruka ist hier“, sagte Kakashi und erklärte kurz die Situation.

„Er will ausdrücklich dass ich dich frage, ob es auch wirklich okay ist, wenn er heute Nacht hier bleib.“

„Ist es“, brummte Itachi, aber dann freundlicher: „Reicht die Couch für euch beide?“

„Wird schon gehen“, sagte Kakashi und fügte ein: „Danke“, an, bevor er das Zimmer verließ. Obwohl Itachi ein Arschloch sein konnte, half er in solchen Situationen immer. Iruka und er hatten schon mal ein paar Nächte bei dem Uchiha verbracht, als im Winter die Heizungen in ihrer alten Wohnung ausgefallen waren. Einen weiteren Winter hatten sie sich dort nicht angetan und waren in ihre jetzige Wohnung gezogen mit der sie im vergangenen Jahr, dass sie nun da wohnten, kein einziges Problem gehabt.
 

Mit Iruka und dem Hund im Schlepptau betrat Kakashi wieder das Wohnzimmer. Er bedeutete Iruka sich in den Sessel zu setzten, ehe er eilig in die Küche ging und einen alten Suppenteller mit Wasser füllte, den er dem Hund im Flur hinstellte. Dann ging er wieder ins Wohnzimmer. Iruka hatte einen mitleidigen Blick auf Sasuke geworfen, während Pakkun neben dem Sofa saß und schnupperte. Nicht nur der Geruch der Wohnung war neu, sondern auch Sasuke.

Kakashi wusste, dass Iruka am liebsten fragen wollte, was mit Sasuke geschehen war, aber er war zu höflich um es vor ihm zu tun.

„Möchtest du was trinken?“, fragte er Iruka um die Stille zu durchbrechen. Als sein Freund bejahrte, goss er Wasser in das Glas, was eigentlich für ihn hätte sein sollen. Dann ließ er sich auf der Seitenlehne des Sessels nieder, weil der andere voller Kissen lag.

„Mein Lebensgefährte wird heute Nacht hier schlafen, da die Elektronik in unserer Wohnung defekt ist“, erklärte er Sasuke, um dem Jungen die offensichtliche Angst zu nehmen. Die Decke hatte dieser versucht unbemerkt, halb über sein Gesicht gezogen und seine ganze Haltung war starr, seit Iruka den Raum betreten hatte.

„Für dich“, setzte Kakashi an, „wird sich deswegen nichts ändern. Du darfst trotzdem einschlafen und trinken, wann immer du möchtest.“

Sasuke erwiderte nichts, da der Hatake keine Frage gestellt hatte, aber seine Haltung entspannte sich ein wenig. Es war wieder still im Wohnzimmer, Iruka hatte eine Hand auf Kakashis Oberschenkel gelegt und der Hund war zwischendurch saufen gegangen, bevor er es sich wieder auf dem Boden neben der Couch bequem gemacht hatte.
 

„Ich bitte um die Erlaubnis eine Frage stellen zu dürfen, Master Hatake“, wandte Sasuke sich so formal wie nur möglich an Kakashi.

„Natürlich“, sagte dieser und hoffte, dass es irgendwann auch völlig normal und natürlich für Sasuke war, eine Frage an einen anderen Menschen zu richten.

„Ich bitte um Erlaubnis, die Toilette aufsuchen zu dürfen.“

„Darfst du.“ Kakashi sah, wie erschrocken Iruka war, weswegen er ihm beruhigend über die Wange fuhr. Er warf Sasuke, der versucht unbemerkt einen weiten Bogen um den Hund machte, einen Blick nach. Als er aus dem Raum war, wandte er Iruka sein Gesicht zu, küsste seinen Mundwinkel erneut und hauchte: „Tut mir Leid, `Ruka.“

„Nein, er tut mir Leid“, wisperte der Umino zurück.

Kakashi sprach leise, während er mit der Hand über Irukas Rücken fuhr: „In nicht ganz zwei Monaten ist das vorbei. Dann ist er ein freier Mann.“

„Aber all die Jahre…“, flüsterte Iruka und Kakashi nickte.

„Die wird ihm niemand wieder gut machen können.“
 

Sie warteten auf Sasuke und als der Junge wieder lag, lächelte Kakashi ihm sachte zu.

„Wir sind im Arbeitszimmer. Wenn etwas ist, kannst du jederzeit klopfen kommen. Wenn du müde bist schlaf, ich komme später kurz nach dir gucken und werde dich wecken müssen, um sicher zu sein, dass du keine Gehirnerschütterung hast“, erklärte der Hatake, bevor er den Hund nahm und das Licht im Wohnzimmer löschte. Kakashi ließ das Licht im Flur an, die Tür zum Wohnzimmer einen Spalt weit auf – damit Licht hinein fiel – und die Tür zum Arbeitszimmer, in das er und Iruka gingen, blieb auch einen Spalt offen, damit der Hund, den sie im Flur ließen, rein schlüpfen konnte.

Sie schlüpften aus ihren Schuhen und setzten sich auf das ausgezogene Schlafsofa.

Kakashi stellte einen Wecker für in zwei Stunden, legte sich, angezogen wie er war, auf den Rücken. Er schob einen Arm unter den Kopf und den anderen legte er um Irukas Oberkörper. Der Mann hatte seinen Kopf auf Kakashis Schulter gebettet, mit der Hand sein Shirt hochgeschoben und fuhr sachte die weichen Konturen seiner Bauchmuskeln nach.

„Ich verstehe Itachi nicht“, murmelte er. „Er ist ein feiner Kerl, und dann tut er so was durch und durch Böses.“

Kakashi atmete ein und aus, schwieg eine Weile und auch Iruka sagte nicht.

„Wie sehr wir es uns wünschen; wie gerne wir daran glauben wollen, die Welt ist nicht schwarz und weiß. Es gibt nur Schattierungen von grau, flegte mein Truppführer zu sagen“, erwiderte Kakashi nach einer Weile des Nachdenkens. Jener Truppführer war ein Mann gewesen, zu dem er aufgeschaut hatte. Er war nach dem Abitur mit Achtzehn Jahren eingezogen wurden. Nach Fünfzehn Monaten Wehrpflicht hatte er sich für zwölf Jahre verpflichten lassen. Im gleichen Jahr hatte er sein Pharmaziestudium beim Bund begonnen, dass er dreieinhalb Jahre später erfolgreich abschloss. Er hatte eine Weile lang bei den Sanitätern gedient, bevor er vor sechs Jahren in die Truppe eben jenes Truppführers gewechselt war, der ihn als Sanitäter zwar nicht mit offenen Armen aufgenommen hatte, aber ihn früh als vollwertiges Mitglied seiner kleinen Einheit akzeptierte, denn Kakashi hatte sich den Respekt der Männer verdient. Mit ihnen war er 2005 nach Afghanistan geflogen. In einem Einsatz dem Frieden zum Willen wurde Kakashi nach nur zwei Monaten schwer durch eine am Straßenrand versteckte Sprengstofffalle verletzt. Durch den damaligen Aufprall war seine Wirbelsäule bis heute so verformt, dass er es sich im täglichen Leben nur dann und wann in Rückenschmerzen bemerkbar machte, es ihm aber unmöglich war in seine alte Truppe zurückzukehren. Einer Musterung hätte er so nie standgehalten, weswegen die Bundeswehr ihn von den übrigen sechs Jahren, die er sich verpflichtet hatte, freistellte. Er musste kein Studiengeld zurückzahlen, bekam ein halbes Jahr lang Krankengelder, aber eine Rente wurde ihm unter beidseitiger Zustimmung abgesprochen.
 

„Bevor wir in den Flieger gestiegen sind, damals, sagte er, dass nur das Ende wichtig sei. Wenn am Ende alles gut ist, ist es egal was davor geschehen ist. Die Bedeutung, denen wir den Dingen zumessen, ist völlig unwichtig.“

„Das ist ein schrecklicher Blick auf die Welt, Kakashi“, merkte Iruka bitter an.
 

„Ja, ist es“, räumte Kakashi ein, „aber in dieser Welt ist es die einzige, die einem am Leben hält.“

Iruka wusste genau, was Kakashi mit dieser Welt meinte. Diese Welt, in der Kakashi zwangsläufig hin und wieder eintauchte. Jene, in der es Sklaven gab und Menschen die andere als Gefangene hielten. Iruka schloss die Augen. Das einzig Tröstliche in diesem Moment war, dass er nicht in dieser Welt lebte, auch wenn er seine Hand manchmal in den Ozean steckte um Kakashi raus zu ziehen, wenn er zu tief in diese Welt getaucht war.
 

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Zwei Stunden später klingelte der Wecker, denn Kakashi gestellt hatte. Er griff neben sich, entriegelte die Tastensperre des Handys und schaltete die Lärmquelle aus. Dann erst öffnete er die Augen gänzlich und warf seinem Lebensgefährten einen Blick zu. Iruka wachte nie durch den Wecker auf, also zog Kakashi vorsichtig seinen Arm unter ihm hervor und verließ Bett und Zimmer. Durch den beleuchteten Flur ging er ins Wohnzimmer. Die Tür ließ er offen, sodass es hell genug war, im Zimmer. Sofort sah er, dass Sasuke zwar immer noch auf dem Sofa lag, aber die Augen geöffnet und fest auf dem Hund, der vor dem Sofa lag, gerichtet waren.

Kakashi begriff seinen Fehler. Er hatte die Tür einen Spalt offen gelassen, damit es nicht vollkommen düster im Raum war. Dabei hatte er vergessen, welch weiten Bogen Sasuke um den Mops gemacht hatte. Wohlmöglich war dies das erste Mal seit mehr als einem Jahrzehnt, dass ein Hund Sasuke so nah kam. Vielleicht wusste er auch nur noch in der Theorie, was ein Hund war. Vielleicht wusste er nicht mal dies.

„Oh je“, machte Kakashi und trat näher; hockte sich neben dem Mops auf den Boden.

„Hast du etwa Angst vor meinem Hund?“

Sasuke antwortete nicht sofort, aber die Furcht in seinem Blick schwand nicht, steigerte sich noch eher.

„Ja, Sir.“

„Warum bist du dann nicht gekommen und hast mir Bescheid gesagt?“, wollte Kakashi wissen. Zudem hoffte er, dass ein Gespräch Sasuke von der Furcht ablenkte.
 

Während Kakashi auf eine Antwort wartet, beobachtete er den Hund, der sobald sein Herrchen sich neben ihn gehockt hatte wach geworden war und ihn fest im Blick behielt.

„Ich wollte nicht stören, Sir“, antwortete der Sklave ehrlich. Außerdem hatte er sich nicht getraut. Wer war er schon, dass er einen freien Mann bitten konnte, seinen Hund aus dem Zimmer zu entfernen. Außerdem war er sich nicht gänzlich sicher gewesen ob der Hund nicht irgendeine Art Strafe darstellen sollte. Vielleicht hätte er ihn angesprungen und gebissen, sobald er aufgestanden wäre, weil man es ihm so beigebracht hat. Sasuke hatte einfach Angst gehabt.

Kakashi machte einen verständnisvollen Laut, ehe sich seine Aufmerksamkeit wieder auf Pakkun richtete, der ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Ein sanftes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

„Weißt du, Sasuke, oft legen Hunde sich nicht vor deinen Schlafplatz um die Angst einzujagen, sondern um dich zu schützen während du schläfst“, sagte der Hatake und als Sasuke einen verwunderten Ausdruck nicht verstecken konnte, zeigte der Ältere auf den Mops.

„Schau wie er mich die ganze Zeit im Auge behält.“

Sasuke schaute, ehe er bemerkte wie eine Hand Kakashis näher kam. Noch bevor sie auf der Decke zu liegen kam passierten zwei Dinge. Sasuke zuckte zusammen und zog den Kopf ein, aus Furcht etwas falsch gemacht zu haben. Der Mops sprang auf und warf sich auf sein sonst so geliebtes Herrchen. Instinktiv hatte das Tier Sasukes Furcht gespürt und versucht ihn vor seinem Herrchen zu schützen. Kakashi griff nach dem Hund und sprach beruhigend auf ihn ein: "Ist ja gut, alter Junge. Beruhig dich. Ich tu schon keinem was." Er fuhr dem Hund über Kopf und Flanke, bevor er sich wieder an Sasuke wandte.

„Siehst du, er wollte dich nur schützen.“
 

Erst da wich Sasukes Furcht vor Mensch und Hund ein Stück weit und er nickte ohne, dass ihm eine Frage gestellt wurden war. Aber er wollte irgendwie zeigen, dass er es verstanden hatte.

„Na“, machte Kakashi dann zustimmend. Den Mops streichelnd, fragte er nach Sasukes Befinden bezüglich der Wunde am Kopf. Doch da Sasuke angab er fühle sich noch immer nicht schwummrig, schloss der Hatake auch weiterhin eine Gehirnerschütterung aus.

Mit müden Knochen erhob sich der Hatake dann, nahm den Hund dabei auf den Arm, ehe er sich noch einmal an Sasuke wandte.

„Dann versuch nun zu schlafen. Soll ich ihn mitnehmen?“

Kakashi zeigte auf den braunen Mops, der nur zu gerne wieder auf den Boden wollte.

„Wie euch beliebt, Sir“, gab Sasuke seine nur zu typische Antwort. Aber was sollte er auch sonst tun? Genauso wie ein Sklave nichts zu wollen hatte, hatte er auch nichts zu verlangen.

„Hm, sei ehrlich: Hast du immer noch Angst vor ihm?“

„Nein, Sir“, antwortete Sasuke wahrheitsgemäß.

„Dann kann ich ihn ruhig hier lassen?“

„Ja?, Sir“, gab Sasuke zurück, unsicher und fragend mit seiner Antwort. Dennoch ließ Kakashi den Mops zurück auf den Boden.

„In Ordnung. Ich wecke dich morgen. Aber keine Sorge, es wird nicht zu früh. Itachi wird deswegen nicht böse mit dir sein.“

Mit diesen Worten ging Kakashi zur Tür. Dort wandte Er sich noch mal um, schmunzelte als sein Hund auf die Couch kletterte und es sich auf der Decke neben Sasukes Füßen gemütlich machte. Sasukes Furcht schien soweit verschwunden zu sein; dass merkte auch der Hund. Nun gab es keinen Grund mehr, auf dem harten Boden zu wachen.

„Er heißt übrigens Pakkun“, sagte Kakashi grinsend, bevor er die Tür hinter sich bis auf einen Schlitz schloss.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Kakashi hatte in der Nacht noch zweimal nach Sasuke gesehen. Aber beide Male hatte er schlicht gleichmäßig und ruhig geatmet und friedlich geschlafen. Dennoch stand Kakashi schon um neun Uhr am nächsten Morgen auf. Er wollte vor Itachi wach sein, um den Jungen vor jeglicher Missstimmung des Uchihas zu schützen. Mit ihm war auch Iruka erwacht. Zwar nicht von irgendeinem Weckton, aber von Kakashis Bewegungen. Sie hatten noch eine Weile gesprochen, über dies und jenes und dann über Wichtiges. Dann waren sie zusammen in die Küche gegangen, hatten den Hund mit dem Futter, dass Iruka mitgebracht hatte, gefüttert, hatten einen Kaffee getrunken und als sie Itachi im Bad rumwurschteln hörten, begangen sie Frühstück zu machen, denn Sasuke wollten sie heute davor bewahren. Sie brachten Brötchen, Brot, Besteck, Aufschnitt und alles was sie sonst noch passendes im Kühlschrank gefunden hatten ins Wohnzimmer, noch ehe Itachi es betrat. Dieser setzte sich, als er dann kam, an den Tisch und goss sich eine Tasse Kaffee ein.

Kakashi bedeutete seinem Lebensgefährten sich ebenfalls zu setzten, während er sich vor dem Sofa auf den Boden hockte und vorsichtig Sasuke weckte. Der Junge zuckte im Schlaf, dann flogen seine Lider auf und er blickte zu Kakashi. Erschrocken senkte er den Kopf. Er hatte keinem freien Menschen in die Augen zu sehen und er wollte dafür auch nicht bestraft werden. Es war ein Versehen gewesen. Er hatte seinen Körper noch nicht vollkommen unter Kontrolle, wenn er erwachte.

„Hast du Schmerzen?“, fragte Kakashi nach einer Weile.

„Nein, Sir.“ Sasukes Stimme war leise, aber es war keine Lüge. Momentan schmerzte ihn nichts. Nicht sein Rücken, nicht die Wunden im Gesicht, nicht seine Knie und auch sein Kopf nicht. Vielleicht kämen die Schmerzen im Laufe des Tages zurück, aber momentan war es in Ordnung.

„Dann kannst du aufstehen?“

„Ja, Sir.“

„Gut, dann komm mit zum Tisch und setz dich.“

Auf den Befehl hin, setzte Sasuke sich auf, schlug die Decke zurück und erhob sich vom Sofa um Kakashi zum Esstisch zu folgen. Weil ihm befohlen wurde, sich hinzusetzten tat dies. Mit gesenktem Haupt hörte der Tassen klirren, Messer über Brot schmieren, Kaugeräusche. Irgendwann schlang er unter dem Tisch einen Arm um den Bauch, hoffte, dass der Hunger in ihm seinen Magen nicht grummeln ließ. Er hatte seit knapp einem Tag nichts mehr gegessen und davor war es auch immer nur wenig gewesen, wenn auch besseres Essen als das, was er im Haus der Schlange bekommen hatte.

Aber er wollte nicht undankbar oder gierig erscheinen und das würde er unweigerlich mit knurrendem Magen. So sehr er es auch versuchte, er schaffte es dennoch nicht, das Grummeln zu verhindern. Er hoffte schlicht, sein Herr würde es überhören und ihn nicht strafen.
 

Itachi spürte Irukas Blick auf sich, aber er ignorierte es. Er hatte keine Lust sich mit dem Bengel rum zu schlagen. Sollte er Essen oder nicht, momentan war es ihm gleich. Es war wieder eine grässliche Nacht gewesen. Er hatte lange wach gelegen. Gedanken über seine Familie und über vieles andere hatten ihn nicht schlafen lassen. Und als es dann endlich doch gelungen war, war es unruhig und wenig ausruhend gewesen. Er fühlte sich wie gerädert und hatte kein Verlangen danach sich mit dem Sklaven an seinem Tisch auseinander zu setzten. Sonst sorgte doch auch Kakashi dafür, dass der Bengel aß.

Deswegen konzentrierte er sich auch weiterhin auf sein eigenes Frühstück. Er musste sich im Laufe des Tages schließlich noch genug mit dem Bengel rumschlagen.
 

Kakashi schüttelte den Kopf. Er hatte einen Moment gewartet. Hatte gehofft, Itachi würde dafür sorgen, dass Sasuke aß. Aber an dem war es nicht gewesen, deswegen griff er nach einem Brötchen, halbierte es und legte es auf dem Teller, der vor Sasukes Platz stand. Erst dann wandte er sich an dem Jungen und erlaubte ihm, sich etwas auszusuchen, was er gerne auf dem Brötchen essen mochte und dies dann auch zu tun.

Sasuke schien unsicher, griff dann aber nach der Marmelade, die Kakashi ihm schon am ersten Morgen auf das Brot getan hatte. Er hoffte damit keinen Fehler zu machen. Vorsichtig verteile er die Marmelade mit dem Messer auf beide Hälften, bevor er es beiseite legte.

Als Kakashi ihm dann noch erlaubte zu essen, griff Sasuke nach der ersten Brötchenhälfte und biss ab. Er war so dankbar, dass er essen durfte. Er hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet und sich darauf eingestellt, nachdem sein Herr und dessen beiden Gäste ihr Mahl verzehrt hatte, um ein bisschen zutrinken zu betteln, damit wenigstens irgendwas in seinem leeren Magen war. Nun hoffte er schlicht, dass die Großzügigkeit Kakashis, ihm ein Brötchen mit Marmelade zu gewähren, nicht irgendwelche Konsequenzen nach sich zog. Sasuke hatte von Sklaven gehört, die für jede Mahlzeit Dinge tun mussten. Dinge die schmerzhaft waren und beschämend. Dinge, vor denen er sich fürchtete. Sasuke blickte aus dem Augenwinkel zum Fenster. Die Jalousie war irgendwann hochgezogen wurden, so sah man nun den blauen Himmel und die Bäume der Allee hinter dem Haus. Sasuke wollte so sehr frei sein. Die Freiheit zu besitzen, dorthin zu gehen, wohin er gehen wollte, war ein unerreichbarer aber so sehnlicher Wunsch Sasukes, der jedes Mal dringlicher wurde, sobald er den Himmel sah, der so weit und unendlich schien.

„Hast du Durst, Sasuke?“, riss ihn Kakashis Stimme aus seinen Gedanken.

„Ja, Sir“, antwortete Sasuke ehrlich, woraufhin der Hatake ihm ganz selbstverständlich etwas eingoss und ihm erlaubte zu trinken. Das tat Sasuke. Er trank und er aß die zweite Brötchenhälfte und am Ende dessen fühlte er sich gesättigt. Artig hielt er seinen Blick auf seinen Schoß gesenkt.
 

Kakashi, Iruka und Itachi hatten ihr Frühstück beendet, als der Hatake sich erneut an den jungen Sklaven wandte.

„Ich möchte, dass du duschen gehst. Wasch deine Haare bitte nicht, wegen der Wunde, aber benutz Duschgel, putze deine Zähne. Trockne dich anschließend ab und nimm dir eine Jeans, Unterwäsche, ein Shirt und Socken aus dem Schrank im Gästezimmer und zieh das an. Danach kommst du wieder hierher.“

Kakashi hasste es solche Befehle geben zu müssen, aber nur so konnte er sich sicher sein, dass Sasuke auch all dies tat.

Als der Junge schließlich den Raum verlassen hatte und sie das Rauschen der Dusche hörten, lehnte der Hatake sich im Stuhl zurück.

„Itachi“, sagte er, um dessen Aufmerksamkeit zu bekommen. Er zögerte eine Weile, bevor er fortfuhr. „Dir geht’s nicht gut. Und ihm auch nicht. Wenn ihr so weiter macht wie bisher, wird das alles nichts. Niemand wird euch abkaufen, dass ihr ein gleichwertiges Paar seid. Aber ich möchte nicht, dass du ihn zurückbringst und es, im schlimmsten Fall, mit einem neuen Jungen versuchst. Er hat besseres verdient als das.“

Itachi erwiderte nichts. Er hasste solche Vorträge. Wie es ihm und wie es dem Sklaven ging, sollte Kakashi egal sein. Es war nicht sein Ding.

„Gib mir eine Woche mit ihm. Vielleicht ein paar Tage länger. Ich werde versuchen ihn dazu zu bringen, wie ein freier Mann zu handeln. Nur dann besteht die Möglichkeit, dass deine Eltern und deine Brüder dir abkaufen, dass er dein Lebensgefährte ist.“

Kakashi entschied das nicht aus dem Bauch heraus. Er hatte vorher im Bett mit Iruka gesprochen, der zwar besorgt aber durchaus damit einverstanden war. Kakashi selbst musste sich dann zwar ein paar freie Tage genehmigen, aber er hatte fleißige und vertrauenswürdige Angestellte, die die Apotheke eine Woche schmeißen konnten. Außerdem hatten Iruka und er ein Zimmer, dass sowohl Gästezimmer, als auch Arbeitszimmer war, sodass Sasuke auch bei ihm einen Platz zum Schlafen hatte.

„Ich habe einen Zeitplan“, warf Itachi halbherzig ein. Im Wirklichkeit war er froh, dass Kakashi ihm diese Bürde abnehmen wollte. Er konnte sich nicht mehr mit dem Bengel auseinandersetzten. Er gab für sich selber zu, dass es eine schlechte Idee gewesen war, ihn zu kaufen. Und ja, er hätte es wahrscheinlich nicht länger als ein paar Stunden ausgehalten. Insgeheim hatte er vergangene Nacht darüber nachgedacht ihn zurückzubringen. Aber Kakashis Idee war eine Möglichkeit. Es war einen Versuch wert, entschied Itachi.
 

Deswegen schüttelte er in einer Manier der Gelassenheit den Kopf und zuckte mit den Schultern.

„Meinetwegen“, sagte er dann und lehnte sich im Stuhl zurück.

„Gut. Leihst du ihm eine Reisetasche?”

„Hol sie dir aus meinem Schlafzimmer.”

Dankend grinste Kakashi, bevor er die Reisetasche holen ging und mit dieser in das Gästezimmer, in dem Sasuke zur Zeit schlief. Er öffnete den Schrank, zog ein paar Jeans und zwei, drei kürzere Hosen heraus, dazu ein paar T-Shirts und Unterwäsche. All das verstaute er in der Tasche, bevor sich dir Tür öffnete und Sasuke herein kam. Erschrocken blieb er daneben stehen und schaute auf Kakashi, ehe er den Blick senkte.

„Keine Sorge. Du hast nichts falsch gemacht“, sagte der Hatake, zog ein paar Klamotten aus dem Schrank und gab sie Sasuke.

„Geh dich im Bad umziehen und warte dann im Wohnzimmer. Aber setz dich ruhig an den Tisch.“

Damit verließ Sasuke wieder das Zimmer, Kakashi packte einen Rest Klamotten für die nächste Woche ein, ging danach ins Bad, aus dem Sasuke wieder raus war, und packte Pflegeartikel dazu. Nachdem er sichergestellt hatte, dass alles gepackt war, was er zu brauchen gedachte, machte er sich auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Dort saßen die drei Männer am Tisch. Iruka hatte in der Zwischenzeit den Hund angeleint und Kakashi Reisetasche geholt. So verabschiedeten sich Iruka und Kakashi von dem Uchiha und verließen seine Wohnung, um zum Auto zu gehen. Sasuke, der ihnen auf eine Anordnung Kakashis gefolgt war, blieb vor dem Auto stehen. Kakashi verstaute die Taschen in den Kofferraum seines Wagens, während Iruka den Hund auf der Rückbank festmachte. Sich selbst öffnete er die Beifahrertür, um dort Platz zu nehmen. Kakashi, der ums Auto rum zu Sasuke ging, legte diesem vorsichtig die Hand auf die Schulter.

„Hast du Angst?”, fragte er. Sasuke zögerte, dann nickte er und sagte: „Ja, Sir.”

„Das ist in Ordnung. Aber dir wird nichts passieren. Wir werden dich nicht zurück bringen. Du wirst die nächste Woche bei uns wohnen. Aber alles Weitere erkläre ich dir dort.“

Sasuke, der nun erleichterter wirkte, stieg auf Kakashis Anweisung hin, ein, wodurch sie nur eine knappe Minute später losfahren konnte.

Kakashi war Iruka dankbar, dass er ihm erlaubte, Sasuke eine Woche zu sich zu holen, denn der Hatake wusste, es konnte einfach nicht gut gehen, wenn Sasuke weiterhin so bei Itachi verweilte. Niemals konnte man Sasuke für einen freien Mann halten, weil Itachi ihn nicht wie einen solchen behandelte, sondern wie eine formbare Maschine. Er selber wollte Sasuke zeigen, wie es sein konnte frei zu sein. Nur so konnte Itachi vielleicht von Sasukes wert überzeugt werden. Auch dies konnte schlussendlich ein wichtiger Schritt dahin sein, dass Itachi und Sasuke überzeugend ein Liebespaar spielen konnten. Und das war es schließlich, was Itachi wollte.
 

OO step backward OO Konan OO
 

Sie war selbst noch ein Kind. War zwar schon lange hier, wusste aber noch ihren Geburtstag und wusste genau, wie alt sie war. Nächsten Februar würde sie fünfzehn werden und trotzdem sollte sie es sein, die eines der neuen Kinder aus dem Heim zugewiesen bekam. Das war schon gut so, wie sie mitbekommen hatten, denn die Sklavinnen, die zu Erzieherinnen wurden, hatten Vorteile den anderen Frauen gegenüber. Sie waren es, die sich geistig betätigen konnten, indem sie den Kindern lesen und rechnen und schreiben beibrachten. Sie waren es, die teilweise besseres Essen bekamen, da auch die Kinder noch besseres Essen zu bekommen hatten, da sie noch wachsen mussten. Und, das Wichtigste, wie ihr die anderen Erzieherinnen erzählt hatten, war die Nähe die sie zu dem Kind aufbauten. Nähe, die ihnen Seelenfrieden und Wärme brachte. Viele der Frauen schliefen nachts mit ihrem Schützling im Arm ein und nur wenige verschmähten den Ihrigen.

Konan aber war sich nicht sicher, ob sie einen Schützling haben wollte. Doch als sie das Kind sah… - dieses Kind, das noch so viel kleiner und hilfloser war, als sie selbst, die sich noch als Kind titulierte. Als sie es sah, war es um sie geschehen. Der kleine Mann hatte sie von der ersten Minute an bezaubert und sie hatte ihn an die Hand genommen und zu ihrem Schlafplatz gebracht. Er hatte geweint, weil er früh gemerkt hatte, dass hier keine neue, liebe Familie auf ihn wartete. Deswegen hatte sie ihn in den Arm genommen und eine ganze Nacht so mit ihm dagelegen. Sie hatten nicht schlafen können, ehe die Erschöpfung ihn übermannt hatte. Sie hatte seine Stirn geküsst und sein Köpfchen gestreichelt, ihm die ganze Decke überlassen.

Urplötzlich befiel sie ein Muttergefühl. Sie begann ihn zu lieben. Weil wenn ihn hier schon kein sicheres Heim und eine neue, liebende Familie erwartete, wollte sie wenigstens ein Mensch sein, der ihn liebte. Und wenn sie die Einzige war, sie würde es mit einer Inbrunst tun, die er verdiente. Erneut küsste sie seine Stirn und dann seine zarte Kinderwange.
 

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Hallo,

Ich habe mir Zeit gelassen, aber ich hatte auch viel zu tun in letzter Zeit. Ich bin umgezogen, die Schule wurde ein wenig stressiger, da in dieser Woche drei Klausuren und zuvor etliche Hausaufgaben und Referate anstanden. Zudem bin ich eben mitten im Führerschein und deswegen zusätzlich im Stress. Dennoch ist das Kapitel schön lang.

Eine kleine Info nebenher: Im step backward sind ab nun, wie im letzten Kapitel erwähnt, verschiedene Personen thematisiert und ich werde das ab jetzt auch immer mit Namen kennzeichnen. Zudem, nur falls ihr es vergessen habt, noch zur Info: Im step backward gibt es keine zeitliche oder sinnhafte Ordnung. Es sind einfach Schritte einzelner Personen zurück in die Vergangenheit, die teilweise nachher zu einer Geschichte werden, teilweise mit dieser einen Geschichte aber auch nichts zu tun haben.

Und obwohl sie vielleicht überflüssig ist, möchte ich kurz etwas zur Überschrift sagen. Ich weiß nicht ob sie allen passend erscheint, aber ich fand es so, da ja nicht nur ein Anruf Itachis mit seiner Mutter und seinem Bruder thematisiert wird, sondern auch Iruka vorkommt, der schließlich Kakashis Familie ist und im step backward wurde eine weitere Art Familie gezeigt, nämlich Konan und Sasuke. Demnach fand ich es durchaus passend, das Kapitel so zu nennen ;)

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 10: Erstaunen


 

Kapitel 10: Erstaunen

Wenn man über jemanden die Wahrheit erfahren will,

ist dieser jemand meiner Erfahrung nach der letzte, den ich fragen würde.

[Hugh Laurie als Dr. Gregory House]
 


 

Das erste, was Kakashi tat, nachdem er die Wohnungstür geöffnet hatte, war die Elektronik zu testen. Der Vermieter hatte anscheinend Wort gehalten, denn das Licht im Flur funktionierte. Dort ließ er auch die beiden Reisetaschen, während Iruka den Hund ableinte und in der Küche verschwand, um ihm Futter und Wasser zu geben.

Kakashi unterdessen sorgte dafür, dass Sasuke ihm ins Wohnzimmer folgte. Dort setzte er sich in den Sessel und deutete Sasuke zu ihm zu kommen. Auf eine weitere Anweisung hin ließ Sasuke sich dort nieder. Die Hände hielt er im Schoß verschränkt und den Kopf gesenkt. Sein ganzer Körper war auf Spannung. Er fürchtete die neue Situation.

"Für die nächste Woche, die du hier verbringst, gelten andere Regeln", begann Kakashi seine Ansprache und Sasuke zuckte zusammen. Dabei war es sinnlos. Kakashi war ihm gegenüber bisher gerecht gewesen. Er hatte ihn mit Nahrung versorgt und seine Wunden behandelt. Dennoch schwand der Argwohn nicht. Zu lange hatte Sasuke dafür als Sklave gelebt. Ein Misstrauen freien Menschen gegenüber - besonders solchen die Gewalt über ihn hatten - war nur zu natürlich. Zu viele Schmerzen und Ungerechtigkeiten hatte er unter Orochimaru erlitten.
 

"Womit fange ich an?", fragte Kakashi in den Raum hinein, fing sich aber schnell, als er Sasukes wachsende Furcht bemerkte und begann einfach irgendwo. Es gab viele so genannte 'neue Regeln'. Und alle hatten sie nur den einen Sinn: Sasuke an das Leben und Handeln eines freien Menschens anzunähern.

"Fangen wir mit dem Grundsätzlichsten an. Rechts vom Wohnzimmer ist das Bad. Wann immer nicht abgeschlossen ist, steht es dir frei dich zu erleichtern. Genauso darfst du Hände waschen, Zähne putzen, den Föhn nehmen und die Dusche nutzen, wann immer du möchtest. Du wirst merken, dass Iruka und ich einen gewissen Rhythmus dabei entwickelt haben. Das haben die meisten. Mach aber einfach so wie du dich wohl fühlst, der Rest kommt dann ganz von selbst."

Kakashi stoppte, beobachtete Sasuke dabei aufmerksam. Er wollte ihn nicht überfordern, aber er wollte ihm so früh wie möglich mit den ersten Grundrechten eines freien Menschens bekannt machen. Dabei von Wohlfühlen zu sprechen war vielleicht ein wenig weit gegriffen, aber er hoffte, das Sasuke verstand was er ihm damit sagen wollte. Er konnte ihm kein Patentrezept geben, wann er sich duschen sollte und wie oft am Tag er seine Zähne zu putzen hatte. So unterschiedlich wie die Menschen waren, waren auch die Gewohnheiten im Bezug zur Körperpflege. Er selbst putze zweimal pro Tag die Zähne, morgens und abends, jeweils nach dem Duschen. Zweimal am Tag zu duschen hatte Iruka ihm schon ein paar Mal ausreden wollen, besonders im Winter, wenn seine Haut stellenweise rau und rissig war, aber er hatte es gelassen, nachdem Kakashi ihm klar gemacht hatte, dass er sich so einfach wohler fühlte und die raue Haut in Kauf nahm. Iruka selbst blieb bei seiner Dusche jeden Morgen, aber die Zähne putze er häufig öfter als zweimal pro Tag. Er hatte auch keinen Rhythmus dafür, putzte sie, wann immer er sich danach fühlte. Und Kakashi mochte den typisch minzigen Geschmack, wenn er Iruka küsste.

Trotz allen bewies dies nur, dass es wahrscheinlich kein Patentrezept für so etwas gab, deswegen hoffte er Sasuke würde sich ausprobieren, wenn man ihm erlaubte frei zu entscheiden, wann er sich wie pflegen wollte. Vielleicht kam er von selbst auf eine gesunde Routine, die Itachis Eltern und seinen Brüdern, mit denen er schließlich einige Wochen unter demselben Dach leben sollte, normal erschien. Wenn nicht mussten Itachi und er ihn da einfach in die richtige Richtung führen, ohne ihm eine vorher gegebene Freiheit wieder zu nehmen.
 

„Auf dem Esstisch drüben wird ab heute immer eine Flasche Wasser stehen. Du kannst dir aus dem Schrank in der Küche ein Glas nehmen und davon trinken, wann immer du Durst hast. Wenn die Flasche leer ist, sagst du mir oder Iruka Bescheid und wir stellen eine neue hin oder du nimmst einfach eine neue aus dem Schrank unter der Spüle. Dort und im Kühlschrank sind auch andere Getränke, von denen du dir nehmen darfst. Das gleiche gilt für Kaffee oder Tee. Meistens ist Kaffee aufgebrüht und du musst dir nur welchen in eine Tasse schütten. Du kannst, wenn die Kanne leer ist, auch frischen aufbrühen. Wenn du Tee möchtest kochst du einfach Leitungswasser im Wasserkocher und nimmst dir einen Teebeutel aus dem Schrank über der Arbeitsfläche.“

Erneut stoppte Kakashi. Er wollte Sasuke die Zeit geben, alles Gehörte zu verarbeiten. Für einen Sklaven, vermutete der Hatake, mussten solche Dinge irritierend sein, denn es waren, mochten sie noch so klein sein, Schritte in Richtung Freiheit. Er wartete eine Weile und bemerkte, dass Sasukes Miene weniger furchtsam war als noch vor ein paar Minuten. Viel mehr war sie jetzt konzentriert. Dennoch glaubte Kakashi, diese Konzentration kam aus jener Angst heraus, er könnte die neuen Regeln falsch oder nur teilweise verstehen. Und genau das erklärte sich mit seiner vorherigen Vermutung.
 

„All die Dinge, die ich dir jetzt zugestehe, mögen dir groß erscheinen, doch für einen freien Menschen sind sie das nicht. Aber ich weiß, dass du schon lange kein freier Mensch mehr gewesen ... bist.“ Das letzte Wort fiel Kakashi schwer, konnte er dem jungen Mann schließlich noch nicht sagen, dass er frei war. Denn er war es nicht. Nicht in der Welt, in der Sasuke als Sklave aufgewachsen war. Dass dies nicht in dem Rechtsstaat in dem sie lebten - und in auch keinem einem anderen dieser Erde - galt, wusste Sasuke nicht.

Und das Itachi ihn nach alle dem hier gehen lassen wollte, wusste er auch nicht. Selbst wenn der Uchiha der Meinung wäre, er dürfte es schon wissen, wollte Kakashi nicht derjenige sein, der es ihm sagte. Zu groß war die Sorge, Itachi könnte seine Meinung ändern. Er wollte nicht derjenige sein, der dem Jungen falsche Hoffnungen machte. Das hatte er sicherlich nicht verdient.

„Ich möchte dich nicht überfordern“, sagte Kakashi in dem Moment, in dem Iruka das Wohnzimmer betrat. Und während der Mann mit dem braunen Pferdeschwanz sich auf den zweiten Sessel gegenüber dem jungen Sklaven nieder ließ, sprach der Hatake weiter.

„Aber ich möchte, dass solche grundlegenden Dinge dir selbstverständlicher erscheinen, denn nur so besteht die Chance, dass Itachis Familie und all die anderen Gäste dich für Itachis Partner halten.“

Und er wollte dies auch für Sasuke selbst, aber das sagte er nicht. Es würde den Jungen nur noch mehr verwirren, fürchtete Kakashi. Deswegen schwieg er erneut, begann dann aber wieder damit Sasuke die neuen Regeln zu erklären.
 

„Morgens frühstücken Iruka und ich gerne zusammen, wenn Zeit dafür ist. Das ist meistens leider nur am Wochenende der Fall, oder wenn wir beide frei haben. Solange du hier bist, können wir gerne zusammen frühstücken.“ Kakashi entschied dazu nicht zu viel zu erklären. Morgen früh würde der Junge schon sehen, wie das ablief und er hatte ja auch schon heute Morgen mit am Frühstückstisch bei Itachi gesessen.

„Mittags essen wir nie zusammen. In der Woche sind wir dann normalerweise arbeiten und am Wochenende stehen wir für gewöhnlich zu spät auf und unser Frühstück ist unser Mittagessen. Aber wenn du mittags Hunger hast, können wir was kochen. Abends kochen wir aber sowieso und essen auch zusammen. Jeden Tag. Du kannst dich dazu setzten und mitessen, wenn du Hunger hast. Das wäre an sich ziemlich gut, da es auch gemeinsamer Diner bei Itachis Eltern gibt.“

Wieder stoppte Kakashi um Sasuke die Zeit zu geben, das Gesagte zu verinnerlichen. Doch dieses Mal begann Iruka zu sprechen, als die Stille sich im Raum ausbreitete.

„Wir haben auf dem Esstisch immer eine Schüssel mit Obst stehen. Im Kühlschrank sind Lebensmittel, genauso wie im Brotschrank und einigen der anderen Küchenschränken und wir haben auch eine Schublade mit Süßigkeiten hier drüben.“ Iruka wies auf einen kleinen Wohnzimmerschrank und sagte: „Davon können Sie sich nehmen, wann Sie möchten.“

Iruke bemerkte Kakashis Kopfschütteln und stockte. Was sollte das? Wollte Kakashi ihm nicht die Freiheit geben sich selbst zu bedienen?
 

„Duz ihn“, sagte der Hatake dann aber leiser und wandte sich selbst wieder an den jungen Sklaven: „Wie Iruka gesagt hat, von allem Essbaren in der Wohnung kannst du nehmen, wann immer du möchtest.“

Kakashi hatte wissentlich noch mal wiederholt, was sein Lebensgefährte gesagt hatte, einfach um sicher zu gehen, dass Sasuke verstand, dass das was Iruka gesagt hatte, galt, obwohl er ihn gesiezt hatte. Dennoch wollte Kakashi jetzt nicht länger auf die Sache mit der Ansprache rumhacken. Irgendwie… fand er es ja auch schön von Iruka, dass er Sasuke bis vorhin siezte. Das hatte was mit Respekt zutun.

„Du darfst in jeden Raum dieser Wohnung, auch wenn keiner von uns beiden drinnen ist. Ausnahme ist da unser Schlafzimmer. Da klopfst du einfach vorher und wenn wir dich rein bitten, kannst du auch gerne rein kommen. Das hat nichts damit zu tun, dass du ein Sklave bist und wir… nicht. So handhaben das die meisten Menschen mit ihren Schlafzimmern.

Ansonsten darfst du dich hier aber völlig frei bewegen. Das heißt, du musst nicht irgendwo am Türrahmen stehen bleiben, deinen Blick gesenkt halten oder dich irgendwo nieder knien. Du sitzt jetzt auf der Couch und du kannst dich auch sonst wo überall hinsetzten. Du kannst im Bad, wie gesagt, alles benutzen, kannst die Küche nutzen und die Bücher in den Regalen hier und aus dem Arbeitszimmer lesen, wenn du möchtest. Ich kann dir zeigen, wie ein Fernseher funktioniert, das Radio und die Stereoanlage.“

Wieder stoppte Kakashi einen Moment – dieses Mal um zu überlegen, was er Sasuke noch alles erlauben musste, damit dieser wenigstens in das Leben eines freien Mann hineinschnuppern konnte.

„Wenn du dir bei irgendetwas unsicher bist, kannst du uns aber auch immer fragen. Wenn du also nicht weiß, ob du irgendwas in der Wohnung benutzen oder anfassen darfst oder wenn du einfach nicht weißt, wie es funktioniert, oder was es ist, dann fragst du einfach“, sagte Iruka dazwischen. Er wollte Kakashi nicht alleine im Regen stehen lassen und augenscheinlich war er mit der Situation überfordert, was Iruka verstehen konnte. Es war hart einem Menschen zu erklären, was er durfte, wenn es so grundsätzliche Dinge waren.
 

„Genau“, meinte der Hatake dann. Er lehnte sich im Sessel zurück.

„Damit kommen wir auch schon zu einer der wichtigsten Dinge. Du darfst sprechen, wann du möchtest. Du musst nicht darauf warten, dass dir jemand eine Frage stellt oder dir die Erlaubnis gibt, irgendwas zu sagen. Wenn du was sagen möchtest, sagst du es. Und dir ist erlaubt, alles zu sagen, was du sagen möchtest ohne eine Strafe zu fürchten. Bei uns wird es keine Strafen geben. Für nichts. Nicht für falsche Wörter, nicht für zerbrochene Gläser und für nichts anderes. Hast du das Verstanden?“

„Ja, Sir“, sagte Sasuke. Er hatte zugehört, hatte versucht sich die Dinge zu merken, aber er war voller Angst eine der neuen Regeln missverstanden zu haben. Kakashi sagte zwar jetzt, es würde für nichts eine Strafe geben und er gab ihm, wenn er all das, was Kakashi gesagt hatte, recht verstand, so viele Freiheiten, wie er nie zuvor gehabt hatte – aber er war immer noch ein Sklave und da änderte keine einzige dieser Freiheiten etwas dran. Sein Master besaß einen Vertrag, der ihn zu einem solchen machte. Demnach konnte Kakashi, wann immer er wollte, seine Meinung ändern, ihm diese Freiheiten nehmen und ihn strafen. Und auch sein Master konnte dies.
 

„Du kennst unsere Namen und wir erlauben dir zu sprechen und dich frei zu bewegen. Wir werden dich nicht wie einen Sklaven behandeln, also musst du uns auch nicht als höhergestellt betrachten. Duz uns einfach und lass das ‚Sir’ weg.“

Das würde, schätzte Sasuke, die größte Schwierigkeit sein. Er hatte schon seit Ewigkeiten – seit er ein kleiner Junge war – alle ihm Höhergestellten mit Wörtern wie ‚Sir’, ‚Herr’, ‚Master’, ‚Madam’ oder ‚Herrin’ angesprochen. Es war ihm gar nicht anders erlaubt gewesen und nun sollte er von ein auf den anderen Moment damit aufhören. Das war hart.

Egal was diese beiden Männer sagen mochten, es änderte nichts an der Tatsache, dass er ein Sklave war und diese Männer ihm höher gestellt. Es änderte rein gar nichts.

Zudem hatte ihm die geregelte Ansprache immer Sicherheit gegeben. Sie war ihm eingeprügelt wurden, denn für jedes Vergessen dieser Wörter hatte es Strafen gegeben. Sasuke hatte früh gelernt, dass es am besten war, den Schmerzen zu entgehen. Deswegen hatte er diese Wörter schnell in seinen Wortschatz aufgenommen. Wahrscheinlich war ‚Sir’ dass Wort, was er in seinem ganzen Leben am häufigsten gesagt hatte. Und seitdem er diese Wörter benutzte, konnte er nur noch halb soviel beim Sprechen falsch machen. Natürlich konnten ihn die Herrn für das strafen, was er sagte, aber selten für die Art, wie er es sagte, denn er hatte sich angewöhnt höchst respektvoll und demütig zu sein, sobald er den Mund aufmachte.

Dass eben dies jetzt nicht von ihm gewünscht war, damit die Familie seines Herrn glaubte, dass er frei war, machte ihm Angst. Diese Angst wiederum machte ihn noch verletzbarer, als er ohnehin schon war.
 

„Das war es dann auch erstmal“, sagte Kakashi und setzte ermutigend an: „Alles Weitere erkläre ich dir zwischendurch, im Laufe der Zeit. Aber keine Sorge. Das wird schon alles werden.“

Sasuke, der es noch drin hatte, nur zu antworten, wenn er gefragt oder dazu aufgefordert wurde, blieb still. Als die beiden Männer ihm gegenüber eine Weile lang ebenfalls nichts sagten, senkte er seinen Kopf wieder vollständig. Kakashi hatte ihn heute schon duschen geschickt und er hatte ihm erlaubt zu essen und zu trinken. Sasuke war nicht müde und außer seinen Schmerzen und der immerzu präsenten Unsicherheit, die einher damit ging, gekauft wurden zu sein, war er okay.

Niemand sagte etwas anderes, deswegen blieb er auf dem Sofa sitzen, während er auf eine Anweisung wartete. Bestimmt hatte sein Herr Kakashi Aufgaben mitgegeben, die Sasuke zu erledigen hatte, wie die Aufgaben aus den Lehrbüchern. Vielleicht konnte er diese dann auch mal zur Zufriedenheit seines Herrn erledigen, denn Kakashi ließ ihn bestimmt an einem Tisch oder wenigstens auf dem Teppichboden sitzen, um sie zu erledigen. Vielleicht half er ihm ja auch ein wenig und sein Herr wäre wirklich mal zufrieden mit dem was sein Sklave tat.

Sasuke fürchtete, nicht gut genug sein zu können. Nicht überzeugend genug einen freien Mann darzustellen; nicht klug genug zu sein, um wie ein solcher zu wirken. Er fürchtete schlicht seinen Herrn bei vor dessen Familie zu enttäuschen und Schuld daran zu sein, dass raus kam, was er wirklich war. Ein wertloser Sklave.

Er war nur für diesen einen Zweck gekauft wurden – die Familie seinen Herrn zu täuschen. Würde er diesen Zweck nicht gerecht werden, gab es keinen Gebrauch mehr für ihn. Dann wäre er schlicht nutzlos und sicherlich würde sein Herr ihn dann zurückbringen. Zurückgebrachte Ware… Die war immer weniger begehrt und überhaupt – man wusste nie, was einem im nächsten Ort erwartete. Als sklave hatte man keinen Funken Kontrolle darüber. Man konnte nur hoffen, dass es nicht schrecklich ein mochte. Und natürlich konnte es sein, dass ihn jemand Gutes holte, der auf sein Wohl bedacht war und ihn fair behandelte. Jemand, der war wie Kakashi. Aber es konnte eben auch sein, dass ihn jemand kaufte, der wie Hidan war oder schlimmer. Man konnte nie wissen…

Aber hier konnte er wenigstens vorspielen ein freier Mann zu sein. Etwas, wovon Sasuke glaubte, dass es, wenn es nicht so schwer wäre plötzlich nicht mehr wie ein Sklave zu denken, vielleicht ein Privileg sein konnte.
 

Kakashi warf Iruka einen Blick zu. Für sie beide war es hart, dass Sasuke weder hoch schaute, noch sprach, noch sich verdammt noch mal einfach durch den Raum bewegte. Aber er war eben ein Sklave. Er dachte wie einer – wie auch immer ein Sklave denken mochte.

Kakashi hoffte, dass Sasuke irgendwann im Laufe des Tages begann eine oder zwei der Freiheiten zu nutzen, die Kakashi und Iruka ihm einräumten. Aber vorerst konnte der Hatake sich darum nicht kümmern.

„Ich muss kurz zur Apotheke, ´Ruka“, sagte er während er sich aus dem Sessel erhob. Er musste sich darum kümmern, dass er sich die nächste Woche frei nehmen konnte oder wenigstens seine Stundenzahl soweit runter schrauben konnte, dass es irgendwie lief. Dafür musste er aber mit seinen Angestellten sprechen und das machte er, in einem solchen Fall, lieber persönlich und nicht am Telefon. Praktisch dabei war, dass es seine Apotheke war, die heute Dienst hatte. Das hatte sie jeden zweiten Sonntag im Monat.

„Kein Problem“, meinte Iruka, obwohl es vielleicht doch ein Problem werden konnte, mit Sasuke alleine zu bleiben.

Iruka drückte sich ein Stück im Sessel hoch, als Kakashi sich runterbeugte um ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken. Erst dann wandte Kakashi sich an Sasuke.

„Alles okay?“, fragte er, um sicherzugehen, dass es dem Jungen wirklich gut ging, aber auch um ihm zu zeigen, dass er ihn nicht einfach überging.

„Ja, Sir.“ Als Sasuke nur Sekunden nachdem er es ausgesprochen hatte, bemerkte, dass er Kakashi mit ‚Sir’ tituliert hatte, obwohl dieser das nicht wollte – obwohl dieser das zuvor als eine neue Regel festgesetzt hatte, dass Sasuke diese Wörter nicht zu benutzen hatte. Dennoch wusste der junge Sklave nicht, wie er sich dafür entschuldigen sollte. Er senkte schlicht den Kopf noch ein Stückchen weiter und hoffte nicht zu hart dafür bestraft zu werden. Kakashi hatte zwar gesagt, es würde keine Strafen geben, aber darauf verließ Sasuke sich nicht. Wie sollten sie ihn sonst schelten, wenn er Fehler beging oder Regeln missachtete?
 

Doch Kakashi überging Sasukes Ansprache dieses Mal. Noch war es nicht an der Zeit ihn dafür zurechtzuweisen. Er würde einfach eine Weile warten. Vielleicht titulierte Sasuke ihn beim nächsten Mal schon nicht mehr so und es war nur ein Versehen gewesen. Wenn nicht, konnte Kakashi das immer noch zur Sprache bringen.

„In Ordnung. Dann bis später, ihr Beiden. Ich beeil mich“, sagte Kakashi, lächelte Iruka und Sasuke zu, ehe er das Wohnzimmer und daraufhin die Wohnung verlies.

Als Kakashi die Wohnung verlassen hatte, öffnete Iruka den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Es war denkbar ungünstig Sasuke danach zu fragen, ob Itachi nett zu ihm war, schalt Iruka sich selbst. Sasuke schien nicht sonderlich selbstbewusst, sondern überaus unterwürfig. Wahrscheinlich würde er eh nichts Böses über Itachi, den er als seinen Herrn ansah, sagen. Konan sagte in Kakashis und seiner Gegenwart auch nichts Böses über Hidan.

Außerdem hatte Iruka heute Morgen selbst gesehen, wie wenig sich Itachi um den Jüngeren zu scheren schien. Und da waren Sasukes Verletzungen, von denen Iruka nicht wusste, woher sie kamen. Sie konnten von Itachi stammen. Das war nicht abwegig. Auch Konan hatte oft Verletzungen von Hidan. Selbst jetzt noch, wo sie mit seinem Kind schwanger war.

Aber es brachte ja doch nichts darüber nachzudenken. Helfen konnte er ihr eh nicht. Aber vielleicht konnte er Kakashi helfen diesem Jungen beizustehen.
 

Iruka wandte sich ihm zu und hoffte, dass er was sagte. Irgendetwas – und wenn es nur irgendeine Frage war. Der Umino mochte solch eine Stille nicht. Er war es gewohnt wenigstens den halben Tag von Trubel umgeben zu sein, denn in seiner dritten Klasse war es selten still. Und eine solche Stille herrschte nie. Das lag nicht an der Durchsetzungsfähigkeit des Grundschullehrers, sondern daran das dies eine erdrückende Stille war, in der Iruka Mitleid für Sasuke empfand, der vielleicht nur nicht sprach, weil er nicht frei war.

Aber wie, fragte Iruka sich erneut im Stillen, sollte dieser junge Mann einen freien Menschen spielen? Wie sollte er sein jetzigen Verhalten ablegen und sich ein komplett neues in so wenigen Wochen zulegen?

„Möchtest du Fernsehen?“, fragte Iruka unvermittelt. Es war vielleicht unhöflich einem Gast, anstatt mit ihm zu sprechen, den TV anzubieten, aber hier konnte Iruka nicht in seinen Dimensionen denken. Zwar sah er Sasuke weiterhin als einen Gast an und auch nicht als jemanden der weniger wert war als er, aber er verstand allmählich, dass er Sasuke dennoch anders handhaben musste als alle anderen Gäste, die er je zuvor gehabt hatte. Weil Sasuke anders was. Weil er nicht so aufgewachsen war wie er und weil er deswegen auch jetzt keinen einfachen Smalltalk mit ihm halten konnte.
 

Sasuke wollte zu der Antwort ansetzten, die man ihnen in einem solchen Fall beigebracht hatte. Er wollte sagen, dass er Fernsehen wollte, sofern sein Herr verlange, dass er die Lust dazu verspürte. Denn er selbst, als Sklave, hatte keinen eigenen Willen, außerhalb dem seines Herrn - oder in diesem Falle eines anderen ihm Höhergestellten – zu haben.

Aber jetzt verlangte man nicht von ihm ein Sklave zu sein. Man verlangte, dass er lernte, wie ein freier Mensch zu denken. Das war es, was Sasuke unter Kakashis neuen Regeln verstand. Deswegen versuchte er um das Angelernte herum zu denken. Er sollte einen freien Mann spielen. Freie Leute schauten im Normalfall seit ihrer Kindheit fernsehen, dass wusste Sasuke. Man hatte ihnen davon erzählt, hatte die ihnen zugewiesenen Frauen von solchen Dingen erzählen lassen, weil kaum ein Herr einen Sklaven wünschte, der so unwissend war, dass er kaum etwas aus der Welt der freien Menschen kannte. Die Herren mochten es meist nur nicht, dass die Sklaven mit all diesen Dingen wie Fernsehern rumexperimentiert hatten, so erzählte man ihnen davon, aber hielt sie ansonsten fern. Deswegen wusste Sasuke in der Theorie, was ein Fernseher war, was man damit tun konnte und warum Menschen versehen schauten, aber er kannte keine Sendungen, hatte keine Lieblingsfilme. Er sollte sich ein wenig dieses Wissens aneignen, damit er überzeugender auf Itachis Familie wirken konnte. Vielleicht wäre es deswegen nicht schlecht eine Weile lang fernzusehen.

Deswegen sagte er: „Ja“, zwang sich das ‚Sir’ wegzulassen und hoffte für keines dieser beiden Dinge – der Meinungsäußerung und dem Weglassen des Honorativum – gestraft zu werden.
 

Iruka unterdessen bemerkte nichts von dieser Furcht, als er zur Fernbedienung griff. Wie auch – nie zuvor hatte sich jemand gefürchtet von ihm gestraft zu werden. Deswegen sorgte der Umino dafür, dass der Fernseher lief, ehe er Sasuke die Bedienung entgegen hielt. Als der junge Mann keine Anstalten machte, sie an sich zu nehmen, lächelte Iruka ermutigend und sagte mit einem Nicken Richtung der Bedienung: „Na, nimm schon.“

Da tat Sasuke dass auch; vorsichtig, nicht Irukas Fingerspitzen zu berühren, griff er nach dem ihm entgegen gehaltenen Ende des länglichen, schwarzen Geräts. Es in der Hand haltend schaute er es sich genauer an. Man hatte ihnen von diesen Teilen erzählt, hatte gesagt, wofür sie gut waren, aber man war nicht soweit gegangen ihnen zu erklären wofür welcher Knopf gut war. Wozu auch – die meisten Sklaven bekamen nie in ihrem Leben die Möglichkeit selbst ein Programm auszuwählen.

Sasuke, der ganz beeindruckt von den vielen Knöpfen war, verbrachte eine Weile damit, diese einfach nur anzuschauen. Vom obersten roten Knopf hielt er sich fern. Rot war eine Warnfarbe, Rot bedeutete in vielen Fällen ein Verbot. Über diesem stand zudem noch ‚Power’. Wahrscheinlich würde das Gerät ausgehen, wenn er diesen Knopf drückte. Darunter waren die Ziffern von eins bis neun und die Null. Über der drei stand zusätzlich ein ebenso grauer Knopf mit den Buchstaben AV unter denen Sasuke sich nichts vorstellen konnte. Konnte er genauso wenig unter den meisten dieser grauen und bunten, verschiedenförmigen Dingern. Da waren zig Abkürzungen. Ein P mit einem Pfeil nach oben und einem nach unten, daneben ein komisches Dreieck mit denselben Pfeilen, irgendwo unten stand auf einem Knopf TTX, auf einem anderen ein großes M und irgendwo in der Mitte gab es unter anderem welche mit FAV.CH und CH LIST, was Sasuke nichts sagte weil er nicht wusste was dieses CH bedeuten sollte.
 

Sasuke hob vorsichtig den Blick. Er hatte nicht nur gelernt nie einem ihm höhergestellten Menschen direkt anzuschauen, sondern den Blick generell gesenkt zu halten, sollte ihm nichts anderes angeordnet sein. Doch nun durfte er sich frei bewegen. Kakashi hatte das gesagt. Er hatte auch gesagt, er musste seinen Blick nicht mehr gesenkt halten. Und auch wenn Sasuke das alles noch nicht ganz glauben konnte, riskierte er es dieses eine Mal. Er schaute ja nicht mal einem Menschen ins Gesicht. Er schaute nur auf den Fernseher.

Was er sah erschreckte ihn zutiefst. Lauter unecht aussehender Menschen in komischen Stühlen mit einem Bildschirm vor dem Gesicht. Lauter unheimlich fetter Menschen in engen roten Anzügen, mit Getränkebechern in den Händen.

Im Hintergrund ein Ton zusammengemischt aus vielen schwatzenden Stimmen und Elektronikgesurre. Wenn das Fernsehen war, dann mochte er es nicht.

Den Blick wieder zur Fernbedienung wendet, schaute er sich erneut die Knöpfe an. Er wusste, dass es verschiedene Programme gab und somit einen Knopf – oder mehrere – mit denen man dieses wählen konnte. Diese Knöpfe mit den Pfeilen – einen nach unten, den anderen nach oben - die machten Sinn, glaubte er nach einer Weile. Aber von denen gab es zwei Stück. Einen mit dem großen P, das andere mit dem merkwürdigen Dreieck. Sasuke erlaubte sich noch einen Blick auf den Bildschirm, auf dem immer noch dieselben Menschen zusehen waren, im Hintergrund immer noch derselbe Ton. Deswegen traute Sasuke sich einen der beiden Knöpfe nach oben zu drücken. Weil sich nichts tat, hielt er ihn gedrückt, wenige Sekunden lang. Vielleicht war das die Lösung.
 

Aber die war es nicht. Ganz plötzlich wurden das Geschwatze und Gesurre im Hintergrund lauter und lauter, bis Sasuke erschrocken den Knopf losließ. Er hatte was falsch gemacht. Ganz sicher! Vielleicht war Iruka jetzt böse… aber er traute sich nicht nachzusehen. Und dieser Ton! – Er machte ihn schier verrückt. Sasukes Griff um die Fernbedienung festigte sich, bevor sein Kopf hoch ruckte, als es augenblicklich leiser wurde.

Zu sehen waren keine fetten, merkwürdigen, künstlichen Menschen mehr, sondern eine kleine Maschine – Sasuke suchte das richtige Wort – ein kleiner Roboter.

Mit seinen großen Augen guckte es neugierig, während es einem anderen, anders aussehenden Roboter folgte.

„Du musst leiser machen“, hörte er dann Irukas Stimme und zuckte zusammen. „Gleich kommt bestimmt wieder Ton.“
 

Sasuke, der es gewohnt war Befehlen zu folgen, fühlte sich augenblicklich sicherer. Er musste leiser machen. Wenn es mit dem Pfeil nach oben laut geworden war, wurde es mit dem Pfeil nach unten sicherlich leiser. Deswegen drückte er ihn zufällig genau in dem Moment, in dem das Geschwatze und Gesurre wieder einsetzte und konnte verfolgen wie es, sobald er den Knopf gedrückte hielt, leiser wurde. Er machte den Ton nicht ganz aus, obwohl er ihn nicht sonderlich mochte. Ohne Ton machte Fernsehen nur halb so viel Sinn. Wenn er überzeugend einen freien Mann spielen wollte, musste er sich daran eben gewöhnen.

Deswegen zwang er sich auf den Bildschirm zu schauen, als Iruka nichts anderes anordnete. Wahrscheinlich war es in Ordnung, was er tat. So blieb er dabei.

Währenddessen fiel Irukas Blick auf den jungen Mann. Es war nicht verkehrt ihn in Ruhe fernschauen zu lassen. Vielleicht konnte er dabei für eine Weile vergessen, wie hart das Leben war. Und WALL-E war kein schlechter Film, auch wenn die erste Szene, die Sasuke davon hatte sehen müssen, nicht die friedlichste war. Vielleicht, hoffte Iruka, fand er trotzdem Gefallen daran oder traute sich umzuschalten, wenn er den Film nicht mochte.
 

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Itachi saß in der Küche und aß die letzten Bissen des Essens, dass er sich vom Chinesen hatte bringen lassen. Er hatte weder Lust gehabt sich etwas zu kochen oder vom dem zu essen, dass die Sklaven am Abend zuvor zubereitet hatten. An sich war er froh, dass er seine Ruhe hatte. Mittlerweile wusste er, dass Hidans Idee schlecht gewesen war und er selbst nicht aus so etwas wie einer Laune heraus hatte zustimmen sollen. Er war eine gute Stange Geld für den Bengel losgeworden, die er nicht wert gewesen war. Aber jetzt konnte Itachi nicht mehr zurück. Seine Familie glaubte, er bringe seinen Freund mit. Würde er jetzt sagen, er habe sich getrennt, würden sie zwar nicht unbedingt direkt mit neuen potentiellen Partnern ankommen, aber sie würden ihn mit ihrem Mitleid überschütten. Und vielleicht bekam Kakashi es ja hin, dass der Bengel wenigstens halbwegs glaubhaft rüber kam, wenn er ihn nach Spanien mitnahm.

Sei es drum, dachte Itachi. Irgendwie würde das schon laufen. Solange seine Familie nicht raus fand, was der Bengel wirklich war, würde alles irgendwie funktionieren. Sie mussten ihn ja nicht mögen. Danach hatte Itachi nie verlangt.
 

Itachi seufzte. Wenn er das gestern zubereitete Essen schon nicht aß, konnte er es auch gleich wegwerfen. Sein Vater hätte ihn dafür sicherlich gescholten. Er war ein toleranter Mann, und immer gut auf seine Söhne gewesen, aber wenn er eines nicht haben konnte, war es Verschwendung. Nur weil sie Geld hatten und sich somit in diese Richtung nie sorgen mussten, mussten sie Überproduktion in dieser Wegwerfgesellschaft nicht noch zusätzlich fördern.

Sei es drum, dachte Itachi, erhob sich und warf die Verpackung der China-Nudeln in den Mülleimer und den Inhalt der Auflaufform und der kleinen Dessertschüsseln in einen anderen. Selbige tat er samt Besteck seines heutigen Essens und einem Glas in die Spülmaschine, bevor er die Küche verlies. Im Wohnzimmer war der Sessel noch immer bis oben hin mit Couchkissen zugestapelt. Itachi konnte sich ein erneutes Seufzen nicht verkneifen und machte sich daran, die Wolldecke auf der Couch zusammenzulegen und über die Lehne, an ihren Platz – zu hängen. Dann nahm er die Kissen und stellte sie so, wie sie immer standen. Der Uchiha strich den Stoff des Sofas glatt und doch war es nicht so wie es immer gewesen war. Denn Itachi wusste, dass der Sklave zwei Nächte auf der Couch geschlafen hatte und der Gedanke gefiel ihm nicht. In seinen Augen war und blieb der Bengel dreckig. Aber er sollte diesen Gedanken verdrängen, sonst könnte er sich selbst nicht darauf einstellen, vor seiner Familie zu tun zu müssen, als würde er ihn lieben. Sich überwindend ließ er sich auf das Sofa sinken. Es war nur eine Frage der Zeit bis wieder alles normal war. Dann konnte auch er wieder zur Ruhe kommen. Itachi lehnte sich zurück und schloss einen Moment lang die Augen. Wenigstens wusste der Bengel, wie man sich wusch. So hatte er, außer an dem Tag, an dem Itachi ihn gekauft hatte, nicht im geringsten gemüffelt. Er hatte sogar die Hände nach dem Toilettengang gewaschen; das hatte der Uchiha an den Wassertropfen im Waschbecken gesehen. Und vielleicht war er gar nicht angefasst wurden… jedenfalls nicht so. Itachi wusste, er konnte das in den Papieren nachlesen, die die Schlange ihm, wie jedem anderen Kunden auch, mitgegeben hatte. Vielleicht würde er das gleich tun. Dann käme er wenigstens umhin, das Sofa binnen der nächsten Tage auszutauschen und den Bengel grün und blau zu schlagen, sollte er es wagen noch einmal darauf zu pennen.
 

Der Uchiha öffnete wieder die Augen und starrte an die weiße Wand gegenüber.

Er sah den Blutfleck, den er zuvor noch nicht wahrgenommen hatte, der aber auch nicht so riesig war, dass man ihn sofort erkannte. Aber natürlich wusste er woher er stammte. Der Sklavenjunge war gegen dieses Stück Wand geknallt, als Hidan ihn gestern…

Itachi massierte sich die Nasenwurzel und nach einer Weile kräuselte sich eben jene Stelle in Verwunderung. Itachi war über sich selbst erstaunt, dass er keine Wut auf den Bengel empfand. Da war etwas anderes. Ein Gefühl, dass er nicht recht entziffern oder entwirren konnte. Etwas, dass sich wie Mitleid anfühlte. Aber Itachi wollte kein Mitleid mit dem Bengel haben. Und wenn er kein Mitleid haben wollte, hatte er schlicht keins. So einfach war das. Itachi ließ keine Gefühle zu, die er nicht haben wollte. Er hatte gelernt, sie auszuschalten. Das jedenfalls war es, was er sich seit Jahren glauben machte. Dass ihn jetzt ein Funken eines unbekannten Gefühls ergriff, schob er schlicht und ergreifend auf eine Müdigkeit, die sich in seinem Körper breit machte.
 

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Die Wohnungstür hinter sich schließend, schob Kakashi die Schuhe von seinen Füßen und schob sie mit eben diesen in die Ecke, wo auch die anderen Schuhe standen. Während er aus der dünnen Jacke schlüpfte, bemerkte er dass die Wohnzimmertür geöffnet war und er freien Blick auf die Essecke darin hatte. Den Blick nicht davon abwendend hängte er seine Jacke an den Haken und beobachtete gespannt, wie Sasuke den Tisch decke. Kakashi war sich sicher, dass Iruka ihm das nicht befohlen hatte. Wahrscheinlich hatte er gefragt, ob Sasuke das für ihn tun konnte und im schlechtesten Fall hatte Sasuke es als einen Befehl wahrgenommen. Vielleicht verstand Sasuke aber auch das das Tisch decken nichts mit dem Sklave sein zu tun hatte. Es war ganz normal, wenn man nicht alleine wohnte, sich die Aufgaben im Haushalt zu teilen. Iruka und er taten das selbstverständlich auch. Meistens kochte der Jüngere, weil Kakashi länger auf der Arbeit war, dafür war der Abwasch dann immer seine Aufgabe. So wie Iruka lieber Wäsche wusch und Kakashi bügelte. Es war einfach normal für sie geworden sich das so einzuteilen. Routine. Und in diese konnten sie Sasuke ruhig ein bisschen mit einbeziehen, solange er hier wohnte. Auch das konnte ihm helfen, wie ein freier Mann zu denken. Denn auch freie Menschen mussten ihre Wäsche waschen und das Klo putzen.
 

Kakashi fuhr sich durch die Haare. Noch hatte Sasuke ihn nicht bemerkt und er würde den Teufel tun und sich bemerkbar machen; sah er doch, dass der Junge immer noch unsicher in den Dingen, die er tat, war. Auch jetzt wieder als er den dritten Teller, ein drittes Paar Besteck und ein drittes Glas auf den Tisch drapierte. Versucht leise, ging er ein paar Schritte nach vorne und stützte sich an der Kommode ab. Kakashi wollte Sasuke unbedingt zeigen, was es hieß ein freier Mann zu sein, aber wie sollte er das anstellen, wenn diese Kleinigkeiten wie für sich selbst mit zudecken ihn schon so verunsicherten. Vielleicht würde sich all dies in der Woche, die er bei ihm und Iruka verbrachte ändern, aber wie sollte es bei Itachi weitergehen? Dieser, davon war Kakashi überzeugt, würde ihn wieder nur verunsichern und im schlimmsten Fall wie ein Ding behandeln. Kakashi schüttelte den Kopf. Darum musste er sich auch noch kümmern. Zum Glück hatte das mit der Arbeit geklappt und er musste die Woche nur hin und wieder mal nach dem Rechten schauen gehen.

Vielleicht, überlegte Kakashi, konnte er Itachi, obwohl Sasuke die Woche bei Iruka und ihm verbrachte, doch irgendwie mit einbeziehen. Darüber musste er noch nachdenken. Aber jetzt wollte er erstmal seinen Freund begrüßen und sich für die Verspätung entschuldigen. Deswegen wandte er sich ab und ging in die Küche, wo Iruka am Herd stand und in einem Kochtopf rührte. Auf leisen Sohlen trat legte seine Hände von hinten um den Bauch des jungen Mannes, genau in dem Moment, in dem dieser ihm sein Gesicht zuwandte. Kakashi lachte leise und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen.
 

„Sorry“, wisperte der Hatake, sich ein Stück zurückziehend, seinen Freund aber nicht loslassend. „Ich musste noch paar Medikamente herstellen für die nächsten Tage damit die da klar kommen. Ich wollte dich nicht solange mit ihm alleine lassen. Tut mir Leid, `Ruka.“

„Shhshht“, machte Iruka, stahl sich einen zweiten Kuss und sagte schmunzelnd: „Ich arbeite den ganzen Tag mit kleinen, frechen Zwergen. Traust du mir jetzt nicht mal zu mich einen Nachmittag um einen fast erwachsenen Jungen zu kümmern?“

„So war das nicht gemeint“, entgegnete Kakashi und hauchte einen entschuldigenden Kuss seitlich auf Irukas Hals. Er hatte nicht besorgt sein müssen, diesen Mann mit Sasuke allein zu lassen. Iruka war wundervoll. Er war der einzige Mensch dieser Erde, mit dem Kakashi es sich vorstellen konnte, eine Familie zu gründen. Ja, er wollte Iruka in naher Zukunft bitten sein Mann zu werden. Außerdem schloss Kakashi es nicht aus, dass er mit Iruka über Kinder sprechen wollte. Sie waren noch jung, aber eine Adoption war langwierig und schwierig, weswegen sie nicht mehr zu lange mit den Gesprächen warten sollten. Bis dahin hoffte Kakashi schlicht, dass sich die dazu gültige Rechtsprechung änderte, dass bei eingetragenen Lebenspartnerschaften – anders als in der herkömmlichen Ehe – nur einer das Kind adoptieren durfte.
 

Auch wenn es keinen Zweifel daran gab, dass dies genau das war, was Iruka in den nächsten Jahren wollen würde, galten seine Gedanken dem momentan nicht.

Iruka drehte an den Knöpfen des Herdes und schob den Topf auf eine Herdplatte, die nicht heiß war, ehe er sich in Kakashi Umarmung umwandte und seine Hände auf die Schultern des Älteren legte. Er übte leichten Druck aus, bis er merkte, dass Kakashi sich entspannte und machte noch ein bisschen weiter.

„Ich weiß, dass du gestresst bist“, sagte er zwischendurch. „Aber du musst mir vertrauen, Kakashi. Ich hätte nie zugestimmt, dass wir ihn für eine Woche zu uns nehmen, wenn ich der Meinung wäre, es keine paar Stunden mit ihm alleine aushalten zu können.“ Iruka nahm seine Hände von Kakashis Schultern und lies sie zu seinen Seiten wandern. Seinen Kopf lehnte er auf die Schulter des älteren und etwas größeren Mannes.

„Er ist ein guter Junge“, flüsterte er gegen Kakashis Ohr und küsste eine Stelle seines Kiefers, die er erreichte, ohne seinen Kopf zu bewegen.

„Ja“, sagte Kakashi nur, abgelenkt von Irukas Küssen, die er begann zu erwidern, als der Umino von der Haut über seinem Kiefer abließ und dessen Mund frei für ihn war. Spielerisch leckte Kakashi über die Lippen des Anderen, ehe dieser sie öffnete und begann mit seiner Zunge Kakashis Mundhöhle zu erkunden. Dass sie aneinander immer noch Dinge zu erkunden hatten, sollte Kakashi wundern, aber das tat es nicht. Auch er wurde nie überdrüssig Irukas Körper aufs Neue zu entdecken. Er liebte diesen Mann.
 

Iruka spürte Kakashis Hände an seinen Hüften und lies seine eigenen, gedankenlos, ein stück unter das Shirt des Älteren wanden. Sanft fuhr er mit seinen Fingern über dessen Bauchdecke, hörte währenddessen nicht auf, Kakashi erneut und erneut zu küssen. Er spürte die Hitze in seinem Körper und er wusste, dass sie es nicht tun sollten – hier miteinander rummachen, während Sasuke im Nebenraum war. Und Iruka wusste auch, dass Kakashi sicherlich genauso dachte, aber aufhören konnten sie beide nicht. Zu groß war die Leidenschaft des Momentes, die wie aus dem nichts gekommen war und ihre Körper einnahm.

Kakashi spürte Irukas Finger über seine Bauchdecke hinauf zu Brust wandern und wieder hinunter. Währenddessen wanderten auch dessen Lippen. Von seine Wange, zu seinem Kiefer bis hin zu einer Stelle am Hals, an der Iruka verweilte. Dort küsste er ihn, fuhr mit der Zunge über die weiche Haut und saugte wenige Sekunden lang, ehe er sie wieder federleicht küsste, dann von ihr abließ, seine Lippen hitzig gegen Kakashis drückte. Ohne dieses Mal ihre Zungen mit ins Spiel zu bringen, wanderten seine Hände an der Brust seines Liebsten hinunter. Sie verweilten kurz, um über die aufgestellten Brustwarzen zu streicheln. Iruka bemerkte, wie Kakashi schluckte um sich jeglichen Laut zu verkneifen. Zu Anfang ihrer Beziehung hatte er das oft versucht, auch wenn im Nebenraum niemand war, der sie hätte hören können. Doch Iruka wollte Kakashi hören, konnte momentan keinen weiteren Gedanken an Sasuke verschwenden, also löste er eine seiner Hände von Kakashis Brust und fuhr beherzt über die wachsende Erektion des Älteren, die man vielleicht noch nicht unbedingt sah, die man aber dafür umso besser fühlte. Dabei konnte Kakashi ein Aufstöhnen gegen Irukas Lippen nicht mehr verhindern.
 

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Sasuke warf einen Blick auf den gedeckten Tisch. Schaute ganz genau auf die Teller aus weißem Porzellan, stellte sicher dass er keines seiner Haare darauf hinterlassen hatte. Er schaute auf die Gläser, kontrollierte auf Fingerspuren, dabei war es sinnlos. Wären welche drauf, könnte er es nicht ändern und natürlich waren keine auf dem Glas, weil er sich nie trauen würde den Tisch mit dreckigen oder fettigen Fingern zu decken.

Dennoch wanderte Sasukes Blick auch noch zu den Löffeln, die er neben die Suppenteller gelegt hatte, kontrollierte ob sie auch alle auf der richtigen Seite lagen, im richtigen Abstand. Er hatte schon in Kindertagen gelernt, dass es fatal war Fehler zu machen. Aber das hatte ihn nie davon abgehalten, sie zu begehen. Er war ein Mensch, keine Maschine. Menschen machten Fehler. Er hatte da nie etwas für gekonnt. Doch hier konnte er, wie immer in seinem Leben zuvor, mit allem was in seiner Macht stand, versuchen Fehler zu umgehen. Deswegen war es wichtig, dass die Teller in der Mitte des Platzdeckchens standen und selbiges nicht in Falten lag.

So viele Dinge würden ab heute am Tisch wichtig sein! Kakashi hatte gesagt, es wäre gut, wenn er hier schon dem Abendessen beiwohnte, weil sie auch in Itachis Familie gemeinsam dinieren würde. Da hatte er sich zu verhalten wie ein freier Mann um diese Menschen nicht ahnen zu lassen, was er wirklich war. Von ihm würde erwartet werden, dass er sich bewegte wie ein freier Mensch, dass er sprach und aß wie ein freier Mensch…

Er hatte Manieren, so war es nicht, aber er wusste nicht ob sie genügten. Die Frauen hatten ihnen schon früh beibringen müssen, wie man anständig mit Messer und Gabel aß, er wusste in vielen Fällen wofür welchen Glas und wofür welches Besteck war, einfach weil sie es, um ihren Herrn gut dienen zu können, wissen mussten. Er konnte gerade sitzen und trotzdem den Kopf gesenkt halten, er konnte essen ohne zu kleckern, wusste, dass man nicht rülpste oder sonst irgendwas Abstoßendes oder Unpassendes am Esstisch von sich gab.

Er würde dennoch lernen müssen, wie sich freie Menschen zu Tisch verhielten. Sasuke fuhr sich durch die Haare. Und er würde höllisch aufpassen müssen, keinen Fehler zu machen.
 

Tief durchatmend wandte Sasuke sich von dem Tisch ab. Iruka hatte gesagt, wenn er fertig wäre, könne er ruhig zurück in die Küche kommen und Sasuke war schon einige Minuten lang fertig. Auf Socken ging er durch den Flur und blieb in dem Türrahmen der geöffneten Küchentür stehen. Erschrocken wich Sasuke einen Schritt zurück in den Flur. Alte Erinnerungen stiegen in ihm auf, als er Kakashi und Iruka so an der Küchentheke stehen sah.

In jenen Erinnerungen war er noch klein, noch kein Teenager, aber schon Jahre im Haus der Schlange. So lange, dass er wusste, wie es da lief. Aber noch nicht lange genug, um weg von den Frauen – weg von Konan – zu sein. Doch war er schon alt genug um von den Frauen in der Küche, denen er beim Essenmachen half, geschickt zu werden, den Müll auf den Komposthaufen zu werfen. Die Last vom Müllsack losgeworden, war er auf dem Weg zurück in die Küche gewesen, schon vorbei an zwei Paaren Wärtern, die es überall im Haus, im Keller, auf den Feldern, auf dem ganzen Gelände gab. Auf dem Weg zur Küche wurden die Gänge dunkler und öfter gab es Abzweigungen. Da eine Treppe, die in den Keller führte, da einen Gang zu einer Tür, hinter der Waschräume waren, ein weiterer Gang, der zu mehreren Krankenzimmern führte. Hier standen auch immer Wärter, damit auch kein Sklave wagte sich irgendwo zu verstecken oder Wege zu gehen, die er nicht zu gehen hatte, aber schon als er die Küche beladen mit dem schweren Müllsack verlassen hatte, waren hier keine Wärter gewesen.

Sasuke ging weiter mit zu Boden gesenktem Blick, bis er ein Stöhnen hörte. Da war er aufgeschreckt, hatte hochgesehen und zuerst nach links in einen leeren, dunklen Gang, zu dem er nicht wusste, wohin er führte, gesehen und dann nach rechts. Auch dort war einer der düsteren Gänge, doch in diesem konnte er zwei Menschen ausmachen. Wärter, weil sie keine Klamotten trugen, die die Sklaven am Leib hatten. Und wegen den Schlagstöcken an ihren Gürteln. Aber sie taten nicht das, was Sasuke von Wärtern gewohnt war. Stattdessen stand er da, der Große mit den dunklen Stoppelhaaren und presste den Blonden gegen die Wand. Diese hatte seine Beine um die Hüften des Hünen geschlungen. Und beide küssten sie sich mit einer Inbrunst, während ihre Hände auf Wanderschaft gingen. Sie hatten Sex, schoss es Sasuke durch den Kopf. Hier erfuhr man früh was Sex war, aber es war das erste Mal, dass Sasuke zwei realen Personen dabei zusah.
 

Nur einen Moment lang starrte Sasuke geschockt auf die beiden Männer, aber das genügte, damit der Hüne seinen Kopf drehen konnte und ihn dort stehen sah. Sofort hielt er in seinen Bewegungen inne, löste die Beine des Blonden um seine Hüften und bedeutete ihm in Richtung des Jungen zu blicken. Dann hatten sie einen Moment gebraucht, hatten einen Blick gewechselt und waren auf ihn zugekommen. Sasuke war die ganze Zeit unfähig gewesen sich zu bewegen.

„Wen haben wir denn da?“, spottete der Blonde. Ein breites Grinsen zog sich durch sein Gesicht. Heute wusste Sasuke, dass er Spaß an der Situation gehabt hatte.

„Ein kleiner Spanner, würde ich sagen“, erwiderte der Hüne trocken. Sein amerikanischer Akzent war unverkennbar. Aber das hatte Sasuke damals nicht bemerkt.

„Aww, aber das können wir doch so nicht durchgehen lassen. Was meinst du, Big Boy?“

Deswegen hatte er auch nicht verstanden, warum der Blonde seinen Partner ‚Big Boy’ nannte. Und sowieso wusste er nicht, warum Wärter miteinander Sex machten. Ein Kind… verstand so was nicht.

„Auf keinen Fall“, entschied der Hüne und ließ die Hand zu seinem Schlagstock gleiten.
 

„Sasuke“, hörte er seinen Namen und riss sich los aus der Erinnerung, an die er sowieso nicht denken wollte. Zu präsent waren die Schmerzen die er gehabt hatte. Sie hatten solange auf ihn eingeschlagen, bis ein paar Frauen aus der Küche gekommen waren und erst dann hatten sie aufgehört, aber er hatte über eine Woche auf den Krankenstationen verbracht.

Zurück in der Gegenwart, stand Kakashi vor ihm und sagte erneut seinen Namen. Auch Iruka war nicht weit weg, aber die besorgte Miene übersah Sasuke. Verängstigt trat er noch einen Schritt zurück. Seine Arme zuckten. Er wollte sie zum Schutz heben, aber er besann sich eines Besseren. Vielleicht würden Kakashi und Iruka dann noch wütender werden. Er hätte den Blick gesenkt halten sollen und klopfen, obwohl die Tür offen gewesen war. Er hätte es, verdammt noch Mal, besser wissen müssen!

„Hey, Sasuke.“ Wieder Kakashis Stimme. Aber Sasuke hörte nicht, dass er nicht erbost klang. Die Furcht seiner Kindheit steckte ihm in den Knochen.

„Sir, es tut mir Leid. Ich… ich wollte nicht schauen… ich hab nichts gesehen, Sir.“ Vergessen, die neuen Regeln. Vergessen aber auch, dass ein Sklave nicht ohne Erlaubnis zu sprechen hatte.
 

Kakashi warf einen hilflosen Blick rüber zu Iruka, doch auch der wusste nicht, was zu tun und konnte nicht anders als ebenso hilflos den Kopf zu schütteln.

Also atmete Kakashi tief durch, versuchte sich selbst zu beruhigen. Seine Erregung hatte sich genau in dem Moment in Luft aufgelöst, als er Sasuke so verängstigt im Türrahmen hatte stehen sehen. Aber beruhigen musste er sich trotzdem; war er solche Situationen nicht gewohnt.

„Es ist alles in Ordnung, Sasuke“, fing er an und zwang sich den Jungen aufmerksam zu beobachten. Es war wichtig, dass er die Kontrolle behielt, ohne Sasuke dabei noch mehr zu verängstigen. Doch noch zitterte der Junge und schien sich zwingen zu müssen, nicht weiter zurückzuweichen oder die Arme zum Schutz heben.

„Hörst du Sasuke? Was auch immer du glaubst, falsch gemacht zu haben, war nicht falsch. Du… hast nicht wissen können, dass…“, da verlor Kakashi den Faden, obwohl er Sasuke nur weiter hatte beruhigen wollen. Aber was sollte er auch sagen? Es war sein Fehler und der von Iruka. Sie hatten nicht so unbedacht mitten in der Küche miteinander rummachen dürfen. Wer wusste schon, was der Junge in seiner Kindheit und Jugend alles gesehen oder was man alles mit ihm angestellt hatte. Sie hatten einfach nicht so fahrlässig sein dürfen.

„Es war unser Fehler, Sasuke“, warf Iruka unterschützend ein. Auch er schien die gleichen Gedanken wie Kakashi zu hegen. Sie waren Erwachsene. Sie hatten nachzudenken, bevor sie handelten. Das war das Mindeste. Gerade wenn er sah, wie verängstigt der junge Mann dort stand. Aber sein zittern schien sich zu mindern. Vielleicht drangen sie zu ihm durch.

„Genau.“ Kakashis Stimme war ruhig, als er Irukas Aussage bekräftigte. Er wollte Sasuke nicht aufwühlen. „Ich habe eben gesagt, dass es für nichts Strafen geben wird. Und mein Wort steht. Du brauchst keine Angst zu haben.“

Den Blick weiterhin fest auf Sasuke gerichtet, konnte Kakashi beobachten wie er den Kopf ein kleines Stück hob. Er schaute weder dem Hatake noch dessen Freund in die Augen, aber er schaute auch nicht mehr starr zu Boden. Langsam, bemerkten die beiden Männer, ließ auch Sasukes Zittern weiter nach, bis es gänzlich aufhörte. Sie sahen, dass Sasuke sich zur Ruhe zwang. Aber das war schon in Ordnung so. Es war verständlich, dass Sasuke sich nicht von ein auf den anderen Moment entspannen konnte, aber solange er sich selber unter Kontrolle hatte, war die Situation nicht mehr bodenlos.

„Ihr… werdet mich nicht schlagen, Sir?“, fragte Sasuke. Obwohl er keinen der beiden Männer gesondert ansah, wusste Kakashi, dass er gemeint war.

„Nein. Wir werden dich nicht schlagen“, bekräftigte Kakashi.
 

Dass Sasuke eine Frage stellte, ohne vorher um Erlaubnis gebeten zu haben, zeigte Kakashi gleichermaßen, dass der Junge noch nicht komplett wieder in Ordnung war, wie es der Fakt tat, dass er ihn dennoch so förmlich ansprach. Er hielt sich weder an die alten Regeln, die man ihm vor mehr als zehn Jahren im Haus der Schlange beigebracht hatte, noch hielt er sich an die neuen Regeln, die Kakashi und Iruka ihm nur wenige Stunden zuvor nahe gelegt hatten. Aber dass er gegen Regeln verstieß und nicht gleich wieder verängstigt zurück zuckte oder begann um Vergebung zu betteln sah Kakashi als einen Fortschritt.

Weil er darauf aber nicht weiter rumhacken wollte, und Sasuke wieder aufnahmefähig erschien, bedeutete er dem Jungen ihm ins Wohnzimmer zu folgen. Dort sorgte er dafür, dass Sasuke sich an den Esstisch setzte und ging zurück in die Küche um Iruka dabei zu helfen, den Topf, ein Holzbrettchen, eine Flasche Wasser und das frische Brot aus dem Ofen ins Wohnzimmer zu tragen. Als alles auf dem Tisch stand, gab Kakashi zuerst dem Jungen etwas von dem Chili auf den Suppenteller, dann sich, bevor er den Schöpflöffel an Iruka reichte.

Die Erwachsenen wünschten sich und dem Jungen einen guten Appetit, bevor sie ruhig begangen zu essen. Sie hatten sich scheinbar schweigend darauf geeinigt, Sasuke nicht durch irgendwelche Gespräche weiter zu verunsichern. Doch als sie nach etlichen Minuten bemerkten, dass Sasuke nicht begonnen hatte zu essen, kam Kakashi nicht umher, die Aufmerksamkeit auf ihn zu richten.

„Du kannst ruhig essen“, sagte er. „Dafür brauchst du keine Erlaubnis mehr.“

Dennoch griff Sasuke nicht nach dem Löffel, sondern starrte weiterhin schweigend auf seinen Schoss. Nun hatte er die Erlaubnis, aber er tat es trotzdem nicht und Kakashi wusste nicht, ob er es gut fand, wenn Sasuke – aus welchen Gründen auch immer – nicht aß. Klar, auch dies einzuschätzen – ob man essen wollte oder nicht – gehörte dazu, eine eigene Meinung zu entwickeln. Aber der Junge war so mager! Er musste ein bisschen was auf die Rippen bekommen. Und vielleicht aß Sasuke auch nur nicht, weil er sich nicht traute, oder weil er nicht wusste, was sie ihm vorsetzten.

„Das ist Chili con Carne“, erklärte Kakashi. „Aber wir machen das nie besonders scharf.“ Er nahm einen Löffel, um Sasuke zu zeigen, dass das Essen wirklich okay war. Dann schnitt er zwei Scheiben von dem warmen Brot ab, gab eine an Sasuke, nahm eine an sich selbst.

„Wenn du das Chili nicht probieren möchtest, dann kannst du auch einfach etwas Brot essen“, bot Kakashi an und spürte Irukas Blick auf sich selbst.
 

Sasuke riss eine kleine Ecke des Brotes ab. Die behielt er eine Weile lang in den Fingern und versuchte sich dazu zu bringen, zu essen. Aber momentan konnte er einfach nicht. Es war nicht so, dass er keinen Hunger hatte – den Hunger war seit Jahren ein ständiger Begleiter – aber gerade deswegen störte es ihn momentan nicht. Er hatte schließlich am Morgen noch ein ganzes Brötchen mit Marmelade gegessen. Die Erinnerungen von damals, die ihm eben unfreiwillig durch den Kopf gegangen waren, waren noch zu präsent als dass er einfach so essen könnte, als wäre nichts gewesen. Er wusste, dass er einfach nichts runter bekommen würde, ohne sich sofort übergeben zu müssen und das wollte er nicht. Denn irgendwann würde auch Kakashi die Geduld mit ihm verlieren.

„Möchtest du etwas anderes? Wir haben genügend da – Obst, ein Toast…?“

Sasuke wusste, dass er essen musste, sonst würde Kakashi nie aufhören. Aber warum kümmerte es ihn so? Er war nur ein Sklave – es war doch egal, ob er aß oder nicht, solange er einsatzbereit blieb. Sasuke starrte auf das Stück Brot in seiner Hand und versuchte sich zu überwinden, als er Irukas Stimme hörte: „Lass ihn, Kakashi. Du kannst ihn doch nicht zum Essen zwingen.“

„Aber…“, drang nun die Stimme des älteren Mannes an Sasukes Ohr, während der Junge schlicht dankbar war, nicht essen zu müssen. Vorsichtig legte er die Brotscheibe und das Stück, dass er abgerissen hatte, auf das Platzdeckchen, auf dem auch der mit dem Chili gefüllte Teller stand.
 

Sasuke sah Kakashi aus dem Augenwinkel nicken und entspannte sich ein Stück weit. Er machte nichts falsch, wenn er nicht aß. Kakashi und Iruka waren ihm deswegen nicht böse. Das beruhigte ihn, denn es versicherte ihm, dass er wenigstens für den Moment wirklich keine Strafe zu fürchten hatte.

„Wenn du möchtest, kannst du auch schon schlafen gehen“, bot Iruka ihm an und auch dafür war Sasuke dankbar. Schlafen gehen bedeutete, das er für sich war, in Ruhe nachdenken konnte und versuchen mit allem klar zu kommen. Deswegen schob er den Stuhl vorsichtig zurück und erhob sich. Dennoch blieb er für den Moment an der Stelle stehen. Kakashi hatte zwar eben gesagt, er dürfe sich frei bewegen, aber er wusste dennoch nicht, ob er wirklich einfach gehen durfte. Sasuke war schlicht und einfach unsicher.

„Du kannst ruhig gehen, Sasuke“, hörte er Kakashi sagen. „Du musst auf keine Erlaubnis mehr warten, einen Raum zu verlassen. In Ordnung?“

„Ja“, antwortete Sasuke artig und zwang sich kein ‚Sir’ anzuhängen. Er wollte nicht wieder den Eindruck vermitteln, als hätte er alle von Kakashi und Iruka aufgestellten Regeln vergessen.

Dann ging er in Richtung der Tür, die zum Flur führte und kurz bevor er sich öffnete, hörte er, dass die beiden Männer ihm eine gute Nacht wünschten. Weil er nicht darauf zu erwidern wusste und das vielleicht gar nicht von ihm verlangt wurde, nutzte er die Möglichkeit den Raum zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen. Im Flur blieb er stehen und schaute sich eine Weile lang um. Kakashi hatte gesagt, er bräuchte keine Erlaubnis mehr den Raum zu verlassen und vorher hatte er auch gesagt, er dürfe sich frei bewegen, dennoch traute Sasuke sich nicht in einfach irgendeine Tür zu öffnen, um einen Platz zum schlafen zu suchen. Außerdem war im Flur ein heller Teppichboden ausgelegt; er würde also nicht zu kalt sein. Und auf einem harten Untergrund hatte Sasuke schon oft schlafen müssen. Sasuke schaute zu dem kleinen Mops der ruhig in seinem Körbchen neben dem Schuhschrank schlief. Irgendwie war Sasuke dennoch traurig. Er hatte zu hoffen gewagt, dass Kakashi und Iruka ihn nicht irgendwo auf dem Boden schliefen ließen oder ihm wenigstens eine Decke geben würden. Aber beschweren würde er sich nie. Er machte den beiden sicherlich schon genug Ärger. Deswegen suchte er sich eine Ecke, in der er keinem im Weg war und setzte sich dort auf den Boden.
 

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Ohne den Tisch abgeräumt zu haben, hatten die beiden Männer sich faul auf die Couch gelümmelt um eine Weile lang gemeinsam fernzusehen. Sie genossen es, abends manchmal eine Stunde oder zwei auf dem breiten Teil der Couch nebeneinander zu liegen und ohne viel nachzudenken eine Show oder einen Film anzusehen. Doch heute lief der Fernseher mehr oder weniger nebenher. Kakashi hatte hin und wieder auf den Bildschirm gesehen, aber die meiste Zeit über hatte sein Blick auf Iruka gelegen, während er dessen Arm und dessen Seiten gestreichelt hatte, ohne ihn sexuell zu erregen. Das war gar nicht seine Absicht gewesen. Iruka glaubte, vielleicht wollte Kakashi mit seinen Berührungen Entschuldigung dafür sagen, dass er Sasuke mit her gebracht hatte und Iruka in die ganze Sache mit rein zog, aber dafür musste er sich nicht schuldig fühlen. Iruka war okay damit, dass Sasuke bei ihnen war. Er war, wie er Stunden zuvor zu Kakashi gesagt hatte, ein guter Junge. Dennoch brachte es nicht darüber mit Kakashi zu diskutieren. Er würde sich trotzdem noch schuldig fühlen, denn er zog Iruka mit in eine Welt, in der er ihn eigentlich gar nicht haben wollte, weil – und genauso dachte Kakashi – Iruka viel zu gut dafür war.
 

Doch irgendwann hatte Kakashi aufgehört ihn zu streicheln und sie hatten entschieden, langsam mal zu Bett zu gehen. Morgen würde wieder ein harter Tag für sie beide werden, denn Iruka musste früh zur Arbeit und Kakashi wollte sich um Sasuke kümmern und dem Jungen vielleicht ein bisschen die Stadt zeigen.

Sie nahmen das schmutzige Geschirr und den fast leeren Topf vom Tisch und wollten damit durch den Flur, um es in der Küche abzustellen, damit Kakashi es morgen abspülen konnte, doch soweit kamen sie nicht. Im Flur sahen sie Sasuke, der sich in der Ecke neben der Eingangstür zum Schlafen zusammengerollt hatte. Kakashi gab Iruka, der im ersten Moment wirklich sehr geschockt aussah, die beiden Teller und das Besteck dass er in der Hand hielt und nickte in Richtung Küche. Dort konnte er sich beruhigen. Es war sicherlich nicht leicht für seinen Lebensgefährten zu verstehen, dass ein Junge so wenig von sich selbst hielt, dass er es nicht wagte sich beschweren, wenn er glaubte auf dem Boden schlafen zu müssen, sondern es einfach hinnahm.

„Ich kümmere mich um ihn“, sagte er noch leise, um den schlafenden Jungen nicht zu erschrecken, aber seinen Lebensgefährten dazu zu bewegen in die Küche zu gehen. Denn auch dies war sein Fehler, dass Sasuke nun hier schlief, anstatt friedlich auf dem gemütlichen Schlafsofa im Gästezimmer zu liegen. Er hatte nicht davon ausgehen dürfen, dass Iruka Sasuke irgendwann im Laufe des Tages gezeigt hatte, wo er schlafen könnte. Iruka hatte sicherlich auch gedacht, Kakashi habe Sasuke dies schon gesagt, als er ihm auch die anderen Regeln mitgeteilt hatte. Aber der Hatake war seinem Freund nicht böse. Er war ja erst später dazu gekommen und hatte es nicht besser wissen können. Außerdem war Iruka nicht verantwortlich für Sasuke, auch wenn Kakashi ihm auf eine verkorkste Art und Weise dankbar war, dass er ihm so half.
 

Kakashi ging neben Sasuke in die Hocke und schaute einen Moment auf das schlafende Gesicht des Jungen. Es war entspannt, obwohl er ohne Decke oder Kissen auf dem Boden lag. Doch das stimmte Kakashi traurig. Er warf einen Blick hoch zu Iruka, der gegen den Rahmen der geöffneten Küchentür lehnte und ebenfalls auf Sasukes zusammengerollten Körper blickte. Kakashi sah, wie Leid der Junge seinem Lebensgefährten tat.

Deswegen – und noch vielmehr, weil Sasuke ihm auch Leid tat und er nicht auf dem Boden schlafen sollte – legte Kakashi mit aller Vorsicht, die er aufbringen konnte, eine Hand auf Sasukes Schulter und sagte leise seinen Namen.

Allein von dieser sachten Berührung wurde der Junge wach und öffnete seine dunklen Augen. Kakashi weckte ihn – also war sicherlich schon der nächste Morgen angebrochen. Sasuke unterdrückte ein Gähnen. Er war müde. Er wollte noch nicht, dass es morgens war.

„Weißt du, du musst nicht auf dem Boden schlafen, Sasuke“, sagte Kakashi ruhig, als er die Hand von Sasukes Schulter genommen hatte und sich sicher war, dass der Junge wach genug war, um ihm zuzuhören. Der Junge fuhr sich mit der Hand über die Augen, was in Kakashis Augen nur bewies, dass Sasuke doch noch ziemlich müde sein musste. Deswegen erhob er sich. Der Junge brauchte seinen Schlaf. Kakashi konnte beobachten wie Sasuke Anstalten machte sich hinzusetzten und nickte ihm zu.

„Komm mit“, sagte er ruhig und deutete auf eine Tür die zu einem Zimmer führte, dass Kakashi und Iruka gleichermaßen als Gäste- und Arbeitszimmer nutzten. Der Hatake öffnete sie öffnete sie und betrat den Raum. Er hockte sich vor der Couch auf den Boden und zog sie mit geübten Handschritten aus.

Nur wenige Sekunden später kam Iruka mit einer frisch bezogenen Bettdecke und einem passenden Kissen aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und legte beides auf das Sofa, bevor er den Raum wieder verlies und stattdessen Sasuke, der knapp neben der geöffneten Tür gewartet hatte, in den Raum zu gehen.

„Du kannst dich hinlegen“, sagte Kakashi und fügte an: „Wenn du morgen früh wach wirst, musst du nicht in dem Raum hier bleiben. Aber ich werde eh Zuhause sein, also kannst du dann ruhig zu mir kommen und wir frühstücken, wenn du möchtest. Und wenn du über Nacht auf Toilette musst, kannst du das tun, okay?“ Dieses Mal wollte er sicherstellen, dass Sasuke nicht darunter litt, dass er sich nicht klar genug ausdrückte oder vergaß ihm irgendwas zu erlauben. Das hatte er nicht verdient.
 

„Ja“, antwortete Sasuke artig und setzte sich auf das Sofa. Von dort aus konnte er unbemerkt von Kakashi und Iruka einen Blick auf die Digitaluhr werfen, die gegenüber auf dem Schreibtisch stand. Er war froh, dass es Mitten in der Nacht war. So konnte er noch schlafen und musste sich nicht sorgen irgendwann im Laufe des Tages schlapp zu machen und so die Wut Kakashis oder Irukas auf sich zu ziehen. Beide Männer waren bisher so nett zu ihm gewesen und hoffte so sehr dies noch eine Weile lang genießen zu können. Außer Konan und wenigen anderen Sklaven, war selten jemand wirklich nett zu ihm gewesen.

„Schlaf gut“, hörte er Kakashis Stimme und konnte nicht anders als seinen Kopf ein kleines Stück weit zu heben. Er sah das zuversichtliche Lächeln in Irukas Gesicht, als auch dieser ihm eine gute Nacht wünschte. Diese beiden Männer erstaunten Sasuke Stunde um Stunde mehr. Und als die beiden das Licht löschten und den Raum verließen, legte Sasuke sich hin, rollte sich ein bisschen ein und zog die Decke über sich. Er wünschte er sich, er könne hier bleiben.
 

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Mit einer Zigarette zwischen den Fingern und dem Aschenbecher auf der Fensterbank, stand er an der breiten Fensterfront seines Wohnzimmers und schaute in die Nacht hinaus. Er hatte nicht schlafen können und schob es auf das chinesische Essen, das ihm sonst immer so leicht bekam.

Aber das machte nichts. Er genoss es, alleine zu sein. Er brauchte keine anderen Menschen um sich herum. Ein paar akzeptierte er in seiner Nähe, weil er mit dem Gefühl groß geworden war, dass sie Familie waren und dass er sie liebte. Aber er brauchte sie nicht.

Gedankenverloren wandte er seinen Blick vom Fenster ab und schaute auf den Bilderrahmen neben dem Aschenbecher, in dem er seine Zigarette ausdrückte.

Mit der nun freien Hand fuhr er, ohne zu realisieren, was er im Begriff zu tun war, über das Foto hinter dem Glas. Vor drei Jahren an Weihnachten war es entstanden. Seine ganze Familie. Nicht nur der Teil, mit dem er durch Blut verwandt war. Itachi verbrachte eine Weile damit die Menschen auf dem Polaroid anzusehen. Seine Eltern, seine Brüder und Kakashi mit Rin und Iruka. Seine Paten mit ihrem Sohn Naruto, Rins Eltern und ihre kleine Schwester Sakura. Auch wenn er Großeltern, Tanten und Onkel hatte und seine Brüder auch Paten waren diese Menschen auf dem Bild jene, die für seine Eltern und seine Brüder als engste Familie galten.

Aber er brauchte sie alle nicht. Itachi wandte sich von dem Bild ab und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer.

Oh, wie gerne er sich selbst glauben würde…
 

OO step backward OO Kakashi OO
 

Kakashi warf einen Blick zu Mann rechts von sich, zwei Barhocker weiter. Der junge Kerl war mit einer Gruppe Männern und Frauen gekommen, die sich zum Tanzen verzogen hatten. Und Kakashi war mit zwei alten Kumpeln vom Bund da, die ihn hier hatten sitzen lassen, um auf der Tanzfläche ein paar Mädchen aufzureißen. Anders als er, waren sie erst vor einer Woche zum Heimurlaub nach Deutschland zurückgekommen und in dem Drecksloch in dem er noch vor ein paar Monaten mit ihnen stationiert gewesen war, waren Frauen eine Rarität.

Dennoch hatte Kakashi es irgendwie gemocht, dort zu sein; etwas Nützliches zu tun, auch wenn es viele Menschen – Pazifisten voran – als einen Akt des Bösen ansahen, was die USA mit Hilfe Soldaten aus dem eigenen Land, aber auch ausländischen Soldaten wie er einer war im Nahen und Mittleren Osten trieben. Dass sie ihnen damit vielleicht den Arsch retteten, checkten viele von denen nicht. Das jedenfalls war die Meinung, die Kakashi sich angeeignet hatte. Aber er sah sich nicht als Helden. Soweit ging er nicht.

Kakashi beobachtete, wie der junge Kerl einen Gin Tonic bestellte und schaute in sein fast geleertes Wasserglas. Alkohol war für ihn tabu. Noch immer nahm er leichte Schmerzmittel und betrunken wollte er sowieso nicht sein. Zu lange hatte er dafür in den letzten Monaten keine richtige Kontrolle über seinen Körper gehabt. Er war froh, dass es bergauf ging. Es hätte ihn noch viel schlimmer treffen können. Kakashi wollte gar nicht an Rollstühle oder Prothesen denken.

Sich davon ablenken wollend, fand Kakashi keine andere Lösung als erneut den jungen Braunhaarigen anzusehen, der seinen Freunden nicht auf die Tanzfläche gefolgt war, sondern nur hin und wieder mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu denen rüberschaute. Kakashi konnte seinen Blick dennoch nichts abwenden. Oder gerade deswegen – weil er sich in dieser vollen Bar so unbeobachtet fühlte. Bis auch der andere Mann seinen Kopf drehte und ihm geradewegs in die Augen blickte.
 

„Hey“, sagte Kakashi dümmlich. Das waren die Schmerzmittel – ganz sicher, redete der ehemalige Soldat sich selbst ein.

„Hey“, machte der Jüngere zurück. Kakashi mochte das Schmunzeln um seine Lippen. „Wie geht’s?“

Der Hatake konnte nur nicken – ihm ging’s gut - , schluckte und fragte zurück: „Dir?“

„Auch.“ Die Mundwinkel des Jüngeren zogen sich noch ein Stück weit in die Höhe, ehe er zu Kakashi aufrückte.

„Ich bin Iruka Umino“, sagte er und reichte seine recht Hand. Kakashi drehte seinen Barhocker ein Stück, griff die angebotene Hand und kam nicht umher, auch zu grinsen.

„Kakashi Hatake“, sagte er und lockerte seinen Griff ein paar wenige Sekunden später als es die Etikette eigentlich vorschrieb. Eine Weile lang grinsten sie sich schweigend an, doch Kakashi wollte mit dem Mann sprechen, auch wenn ihm alles was er bisher von sich gegeben hatte, eher dümmlich vorkam.

Er nickte zur Tanzfläche rüber und fragte, warum Iruka nicht mit seinen Freunden dorthin gegangen war.

„Ach“, tat der junge Kerl das ab, „Ich bin nicht so für Tanzen. Ich kann’s nicht.“ Er schwieg eine Weile, trank einen Schluck, aber sein Grinsen ebbte nicht ab.

„Und warum hast du deine Kumpels ohne dich ziehen lassen?“, fragte er dann und Kakashi musste sich zwingen nicht verwundert zu schauen. Er hatte nicht geglaubt, dass Iruka sich schon vorher für das interessiert hatte, was neben seiner Gruppe Freunde abging.

„Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder laufen kann. Da will ich es nicht mit Tanzen übertreiben“, antwortete er ehrlich.

„Oh“, machte Iruka. Sein Grinsen verschwand. „Sorry… ich wollte nicht…“, stotterte er rum, aber Kakashi tat das mit einem Handschlag ab.

„Kein Grund sich zu entschuldigen.“

„Yeah, aber…“, find der Jüngere wieder an, wobei Kakashi auffiel, dass Iruka vielleicht doch nicht so viel jünger war als er selbst. Vielleicht drei, höchstens fünf, sechs Jahre – oder er vertat sich gehörig.
 

„Magst du noch was trinken?“, versuchte der Hatake die Gedankengänge des Jüngeren auf was anderes zu lenken.

„Ja, gern“, sagte der.

„Was darf ich dir bestellen?“

„Ich nehme das, was du nimmst.“

„Okay, du wolltest es so.“ Kakashi grinste und wandte sich an den Barkeeper. „Zwei mal Cola, bitte.“

Er erntete einen erstaunten Blick seitens Iruka und musste lachen. Was er in dem Moment nicht gewusst hatte, war, dass er schon in dem Moment in Irukas Augen der interessanteste Mann gewesen war, der ihm je begegnet war. Als Iruka es ihm Jahre später erzählt hatte, glaubte Kakashi voller prickelnder Glücksgefühle, wenigstens diese eine Sache in seinem Leben komplett richtig gemacht zu haben.
 

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Hallo,

Es hat also doch wieder einen ganzen Monat gedauert, aber das Kapitel hat ungeahnte Maße angenommen. In Word hat es über 11.000 Wörter, was mein persönlicher Kapitelrekord ist.

Umso mehr hoffe ich, dass euch dieses Monster-Umfang-Kapitel gefällt und auch mal die sonst eher stillen Leser ihre Meinung abgeben. Ich jedenfalls würde mich riesig darüber freuen ;)

Kleine Info noch, für die, denen es nicht klar geworden ist, welchen Film Sasuke geschaut hat. Es war der Animationsfilm WALL-E, denn ich wirklich toll finde.

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Kapitel 11: Mauern und Masken


 

Kapitel 11: Mauern und Masken

du die gesehen?

Ich find die toll diese Masken.

Die sind total interessant;

weil wir alle irgendwann mal eine tragen.

[Eric Christian Olsen als Marty Deeks]
 


 

Kakashi stand mit Iruka um halb Sieben auf, sie tranken gemeinsam den Kaffee, den Kakashi gekocht hatte, als Iruka duschen war. Danach verabschiedete der Hatake seinen Lebensgefährten mit einem Kuss und als dieser fort war, legte er sich noch einmal ins Bett. Er schlief eine Stunde, döste noch eine Weile länger und ging duschen. Mit feuchtem, in ein Handtuch gewickeltem, Haar kochte er den Kaffee erneut auf und trank eine zweite halbe Tasse mit Zucker. Er fragte sich nicht wie viele Tassen Itachi heute Morgen wohl schon getrunken hatte, aber an vielen Tagen tat er dies. Heute galten seine Gedanken dem jungen Mann im Nebenzimmer und wie er ihm den Tag so angenehm wie möglich gestalten konnte, ohne ihn die ganze Zeit in Ruhe zu lassen, außer in den Momenten in denen er ihn bemutterte. Das war nicht Sinn und Zweck dessen, dass er ihn mit zu sich genommen hatte. Kakashi wollte sowohl seine Seele ein Stück weit heilen – auch wenn er es nicht so benennen würde – wie auch dafür sorgen, dass man Sasuke für einen freien, selbst bestimmenden Mann hielt, dessen Wege sich mit Itachis gekreuzt hatten und der aus einem freien Willen heraus entschieden hatte, ihn eine Weile lang zu begleiten. Aber dieses Bild gab Sasuke noch lange nicht her. Noch war er wie ein scheues Tier, das zurückzuckte, sobald man es berührte oder nur ansah. Aber er hatte – das hoffte Kakashi – einen Funken Vertrauen zu ihm gefasst, sodass es nicht mehr vollkommen unmöglich war, Sasuke mit viel Einfühlungsvermögen und einer Menge Hilfe in ein oder zwei Wochen dahin zu bringen, dass man nicht bemerkte, dass Sasuke sich selbst nicht als freien Menschen betrachtete. Doch das musste Schritt für Schritt passieren, ohne Sasuke zu überfordern. Aber sie durften sich nicht zu lange Zeit lassen.
 

Kakashi trank einen letzten Schluck Kaffee und linste auf die Uhr. 9.30 Uhr – etwa – stellte er fest und schob den Stuhl zurück. Er klopfte nicht an die Tür des Arbeitszimmers, weil Sasuke darauf noch keinen Wert legte und weil er ihn womöglich nur mehr erschrecken würde, als sein Selbstwertgefühl zu stärken. All dies tat er nicht intuitiv, er dachte darüber nach, bemühte sich.

Leise trat er näher an die Schlafcouch und bückte sich runter. Er glaubte es könnte förderlich sein, wenn er nicht über Sasuke lehnte oder wie eine Statue vor ihm aufragte. Sich auf eine Höhe mit dem Liegenden zu begeben würde ihm vielleicht Sicherheit schenken.

Kakashi streckte eine Hand aus und noch eher er den jungen Sklaven vollständig an der Schulter berühren konnte, öffneten sich dessen Lider und er zuckte zurück wie jenes verschreckte Tier, mit dem der Hatake ihn zuvor verglichen hatte.

„Ruhig, ruhig“, machte Kakashi und zog seine Hand zurück, nur um in der Hocke zu verweilen. Sasuke senkte seinen Blick auf das Laken, seine Schultern spannten sich an und trotzdem zitterte die Hand, die unter der Decke hervorlugte. Eine Weile wartete Kakashi, das Zittern der Hand ließ nach, doch den Blick hielt der Junge weiterhin gesenkt und sein Körper blieb unter Spannung. Kakashi bemerkte, dass er, so wie er dort auf dem Boden hockte, dem jungen Sklaven die Möglichkeit nahm aufzustehen. Vielleicht glaubte Sasuke nicht liegen bleiben zu dürfen, nachdem man ihn weckte. Deswegen erhob sich Kakashi, trat aber mit gleichem Schritt zurück, um Sasuke nicht weiter zu ängstigen. Just in dem Moment, in dem Platz auf dem Boden vor der Couch war, schob sich der Junge von jener um sich auf den Boden zu knien. Ein winziger Laut des Schmerzens kam über seine Lippen, den Kakashi sofort dazu veranlasste, sich zu ihm nieder zuhocken und ihm zu sagen, er müsse nicht knien. Solle nicht knien.
 

Sasuke konnte dem Befehl nicht sofort nachgehen. Noch erinnerte er sich nicht an all die neuen Regeln die der Hatake und dessen Lebenspartner am Tag zuvor aufgestellt hatten und er wusste nicht, was Kakashi nun von ihm erwartete. Sollte er aufstehen, sich auf den Boden setzten oder sich gar zurück ins Bett legen? Aber er musste eine Entscheidung treffen. Auch wenn es für Sklaven ungewöhnlich war, selber zu entscheiden, brachte man es ihnen für solche Situationen bei. Sie hatten schlicht andere Kriterien als freie Menschen. Sklaven entschieden nicht nach persönlichen Empfindungen oder danach wie sie etwas gerne hätten, sondern danach was ihr Master wohl von ihnen erwartete oder wünschte. Da Kakashi zurückgetreten war, war es unwahrscheinlich, dass er erwartete, dass Sasuke sich zurück ins Bett begab. Gleichzeitig blieb der Mann aber nun in einer Hocke, was eigentlich klar machte, dass Sasuke nicht aufzustehen hatte. Ein Sklave hatte nie über einem Höhergestellten zu verweilen. Deswegen war ihr Platz auf dem Boden auf den Knien oder wenn der Herr ebenfalls kniete, soweit nach vorne gebeugt, dass die Nase den Fußboden berührte. Doch selbst dann wäre Sasuke noch auf den Knien und das wollte der Hatake nicht, weswegen Sasuke sich dafür entschied, sich auf den Hintern zurück zusetzten.

„Gut gemacht“, lobte Kakashi und fragte: „Erinnerst du dich noch an die Dinge die ich dir gestern gesagt habe? An… deine neuen Regeln?“

Sasuke zuckte, erstarrte für ein paar Sekunden, aber dann kamen die Erinnerungen zurück und er nickte. Ja, er erinnerte sich. Er durfte sich frei bewegen, er durfte frei sprechen, es würde keine Strafen geben.

„Ja“, sagte er, verschluckte das Sir, war aber immer noch der Auffassung die ganze Sache war zu gut, um wahr zu sein. Irgendwo gab es vielleicht doch eine Falle und man wartete nur darauf, dass er in sie tappte, um ihn nur härter zu bestrafen. Aber bis dahin gab es eben keine andere Möglichkeit als so gut wie möglich zu versuchen, den Anforderungen Kakashis zu genügen – und hoffen, dass all das keine Falle war, konnte er währenddessen ja doch.
 

„Gut“, entschied Kakashi und erhob sich. „Ich hatte geplant, dir gleich ein bisschen die Stadt zu zeigen. Du kannst duschen gehen, wenn du möchtest; aber du musst nicht. Ich lass dich jetzt in Ruhe und wenn du im Bad fertig bist, kannst du dir etwas aus der Reisetasche zum Anziehen raussuchen und zu mir in die Küche kommen. Einverstanden, Sasuke?“

Was sollte er darauf schon antworten? Er würde nicht widersprechen.

„Ja“, sagte er deswegen schlicht, bemerkte, dass Kakashi daraufhin zu der Reisetasche ging und eine kleinere Tasche aus jener zog, die er ihm gab. Dann ging er gefolgt von Sasuke in den Flur. Der Junge sah ihn in die Küche verschwinden, bevor dieser ins Badezimmer ging. Sasuke linste zur Dusche. Er fühlte sich nicht dreckig und er hatte kein Verlangen nach einer kalten Dusche. Zum einen befürchtete er, dass Kakashi eine ebenso komplizierte Dusche hatte wie sein Herr, zum anderen wusste er gar nicht, ob er überhaupt etwas anderes durfte als kalt duschen. Deswegen wusch er sich mit den Händen das Gesicht und unter den Achseln imd trocknete sich mit seinem Shirt, weil er sich nicht traute ein Handtuch zu benutzten. Er putzte Zähne mit der Zahnbürste aus der Tasche, die Kakashi ihm in die Hände gedrückte hatte und spülte sie anschließend ordentlich aus. Schließlich erleichterte er sich, wusch seine Hände mit ein bisschen Seife, stellte sicher, dass er alles sauber und ordentlich hinterließ und begab sich zurück in das Zimmer, in dem er hatte schlafen dürfen. Dort hockte er sich zu der Tasche hinab, verstaute die kleinere und zog eine Jeans und ein T-Shirt mit langen Ärmeln sowie Unterhose und Socken heraus, die er gegen die Sachen tauschte, die er zum Schlafen angehabt hatte. Nicht wissend, was er mit diesen anfangen sollte, behielt er sie bei sich, als er sich zu Kakashi in die Küche begab.
 

Dieser musste bei Sasukes Anblick schmunzeln, obwohl es ihm Leid tat. Der Junge konnte nichts dafür, dass er unsicher da stand, mit Klamotten in den Händen und einem fragenden Blick, den er nicht verstecken konnte. Natürlich wusste der Junge weder, was er mit den Klamotten tun sollte, noch in welche Position er sich nun zu begeben hatte oder was von ihm verlangt wurde. Kakashi hatte nicht mal zu hoffen gewagt, dass Sasuke so was schon am ersten Morgen selber bestimmte. Deswegen nahm der Hatake ihm die Klamotten aus der Hand, warf sie eilig in einen Wäschekorb im Bad und kam zurück in die Küche. Sasuke hatte sich an Ort und Stelle auf dem Boden niedergelassen. Wenigstens kniete er nicht, stellte Kakashi fest, bedeutete ihm aber dennoch, doch lieber auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Kakashi schob ein Glas Mineralwasser auf den Tisch, bedeutete Sasuke zu trinken, bevor er ihn fragte, ob er frühstücken wollte.

Sasuke schluckte. Er hatte sein Leben lang gelernt, dass er nichts zu wollen hatte und wenn man ihn nach seinen Wünschen gefragt hatte, waren es Fallen gewesen. Aber Kakashi stellte ihm keine Falle. Er versuchte ihm dabei zu helfen, seinem neuen Herrn zu genügen. Doch dafür musste er mitarbeiten. Dafür musste er was tun. Er hatte wenigstens zu versuchen eine Entscheidung zu treffen. Selbst wenn er dafür bestraft werden sollte, hatte er es eben auch hinzunehmen. Eine andere Option sah Sasuke nicht. Und Hunger hatte er sowieso.

Deswegen sagte er leise ja, obwohl er es selbst Schuld war, dass er hungrig war und wusste, dass es anmaßend war zu bejahen, nachdem er das Abendessen gestern verschmäht hatte.

„Super. Ich bin auch am Verhungern“, sagte Kakashi stattdessen mit einem schmunzelnden Unterton und begann Brot zu toasten und Eier zu kochen. Käse, Wurst und Gurkenscheiben stellte er auf den Esstisch und als alles fertig war, setzte er sich zu Sasuke.

„Greif zu“, bot er an und wies auf die Lebensmittel. Scheu streckte Sasuke die Hand aus. Es war eine Art Befehl, oder nicht? Er hatte nichts zu befürchten. Richtig?
 

Das Toast legte er auf das Brettchen, das Kakashi vor ihm auf den Tisch gelegt hatte. Er linste auf die anderen Lebensmittel. Er würde Wochen bei den Eltern seines neuen Herrn verbringen und diese mussten glauben, dass er ein freier Mann war. Freie Menschen scheuten sich nicht ihr Toast mit Käse zu belegen. Aber sollte er das jetzt schon so handhaben? Sollte er wirklich einfach nach einer Scheibe Käse greifen? Sasuke zwang sich nicht tief durchzuatmen um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und griff vorsichtig nach dem Käse. Eine Scheibe legte er sich auf das Toast, doch bevor er abbiss, wartete er ab. Noch wäre sein Vergehen nur, dass er etwas berührt hatte, was er nicht zu berühren hatte. Würde er davon jetzt essen, wäre es ein weiterer Verstoß gegen die Regeln, die sein halbes Leben lang gegolten hatten.

Als er nicht von Kakashi hörte, außer dessen eigenen Kaugeräusche, wagte Sasuke es, den Blick ein Stück weit zu heben. Er schaute Kakashi nicht in die Augen, aber er bat stumm um Erlaubnis, essen zu dürfen, weil er sich beinahe denken konnte, dass Kakashi eine solche Frage nicht hören wollte, sich aber eh nicht getraut hätte zu fragen. Sein Glück war es, dass Kakashi seine stumme Frage verstand und nicht ungehalten reagierte, sondern ihm ebenfalls stumm bedeutete zu essen. Also tat Sasuke das und auf Kakashis Anmerkung aß er eine zweite Scheibe mit Käse und löffelte das Ei aus dem Eierbecher neben dem Brettchen und als alles aufgegessen war, war er das allererste Mal seit langer langer Zeit wirklich satt. Mit vollem Magen saß er auf dem Stuhl und hatte sich sogar ein bisschen in die Rückenlehne gelehnt und obwohl er den Blick gesenkt hielt, sah Kakashi das er – für den Moment jedenfalls – zufrieden war.

Und diese Zufriedenheit mochte der Hatake. Sie war eine Art Belohnung und ein Beweis, dass er irgendetwas richtig machen musste im Umgang mit Sasuke.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Itachi war spät aufgestanden und duschen gegangen, um den Schlaf aus seinen Augen zu vertreiben, der letzte Nacht auch erst spät zu ihm gekommen war. Lange hatte er wach gelegen und gegrübelt – über Dinge, die nichtig waren und über die er schon lange nicht mehr nachgedacht hatte. Aber auch über Dinge, die er nie vergessen würde, die er aber immerzu verdrängte und über jene er glaubte schon längst hinweg zu sein. Was er vergaß war, dass das menschliche Hirn kein Computer war. Es hatte keine löschen-Taste. Ein gesundes Gehirn vergaß so was nicht. Es verdrängte, um den Körper zu schützen, in dem es innewohnte und um der Seele, von der alle immerzu redeten, die Möglichkeit zum heilen zu geben. Itachi Seele war geheilt, ein Stück weit. Das ließ sich nicht vermeiden in all den Jahren. Und es war ihm nur recht. Keine wollte mit einer kaputten Seele rumlaufen.

Aber viel hatte auch nicht heilen können, weil Itachi sich des Redens verweigert hatte. Seine Eltern hatten alles getan, was sie hatten tun können. Sie waren nicht Schuld, dass er war, wie er nun mal war. Aber solange niemand seine äußerste Hülle durchbrach, war er okay. Er war kein Kind mehr. Nicht mehr das Kind von damals. Und selbst wenn ihn solche Nächte hin und wieder fast um den Verstand brachten, kam er schnell wieder in Ordnung. Oft brauchte es nur eine gute Dusche, einen starken Kaffee und ein bisschen Ablenkung.

Deswegen entschied sich Itachi Hidan zu besuchen, zu dem er eh in den nächsten Tagen hin gemusst hätte. Hidan hatte schon für seine Frau, die auch seine Sklavin war, gefälschte Papiere besorgen lassen. Sie brauchte schließlich einen Pass, eine Krankenversicherung und andere Unterlagen, die dazu beitrugen, dass niemand dahinter kam, wer sie wirklich war, wenn Hidan das nicht wollte. Er hatte eine gute Summe Geld bezahlt, dass Konan nicht nur die Papiere bekam, sondern auch in allen Behörden in den Computern auftauchte. Er hatte ihr ein Leben gekauft. Und genau das hatte Itachi auch für Sasuke getan. Er musste es nur noch abholen.
 

OO OO OO OO OO OO OO OO
 

Kakashi wies auf den Gurt, woraufhin Sasuke danach griff und sich anschnallte.

„Gut, tu das immer, sobald du in einem Auto bist. Auch wenn niemand dir das sagt. Es kann dein Leben retten.“ Kakashi meinte es ernst. Obitos Frau, Rin, hatte vor vielen, vielen Jahren einen Autounfall, bei der ihr der Gurt ohne Zweifel das Leben gerettet hatte. Und damit hatte er auch Obito und ihm das Leben gerettet, denn Kakashi konnte nicht behaupten, dass einer von ihnen beiden zu dem Zeitpunkt hätte ohne sie weiterleben können. Dafür war die Sache damals noch zu frisch gewesen – die andere Sache, bei der sie fast Itachi verloren hatten.

Kakashi riss sich von diesen Gedanken los und bedeutete Sasuke ihn aufmerksam anzusehen.

„Wir werden ein bisschen durch die Gegend fahren und du kannst ruhig aus dem Fenster schauen, so viel du möchtest, aber es wäre auch gut, wenn du wirklich etwas darauf achtest, wie ich das mache mit dem Auto.“ Itachi hatte ihn vorhin angerufen und gesagt, wenn er Sasuke schon mit zu sich geschleppt hatte, solle er ihm wenigstens das Autofahren beibringen – das hätte auch in seinem Zeitplan gestanden.

Schlecht fand Kakashi das nicht. Autofahren konnte etwas sein, woran Sasuke Spaß hatte es zu lernen. Und wenn er es dann erst mal konnte und Kakashi ihn ohne Anweisung fahren ließ, musste er manchmal in sekundenschnelle eigene Entscheidungen treffen, was – so hoffte der Hatake – ihm etwas

Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen geben konnte. Autofahren konnte vielleicht eine Sache sein, die Sasuke ein Stück weit frei machte. Kakashi wusste das. Itachi vielleicht auch. Sonst würde er nicht wollen, dass Sasuke, dessen Aufgabe es war, einen freien Mann darzustellen, es lernte. Und Sasuke würde es hoffentlich früh genug raus finden, denn das Gefühl ein bisschen frei zu sein, würde ihm gut tun.

Kakashi bewegte seinen Audi aus der Parklücke und steuerte die Straße entlang. Er wollte Sasuke zunächst die Innenstadt zeigen, in der auch die Agentur Itachis und seine Apotheke ihre Räumlichkeiten hatten. Kakashi warf einen Blick zu Sasuke und bemerkte dessen zweifelnde Miene. Er hielt an der Ampel und lächelte aufmunternd.

„Das ging etwas schnell, huh?“ fragte er und bekam ein zögerliches Nicken, gefolgt von einem leisen: „Ja“, und einer ebenso leisen Entschuldigung zu hören.

“Keine Sorge“, beschwichtigte Kakashi, fuhr bei Grün weiter und sagte: „Wenn du fährst, erklär ich dir alles ganz langsam und Schritt für Schritt. Und vergiss nicht, es wird unter gar keinen Umständen Strafen geben.“
 

Sasukes Augen weiteten sich, aber das sah Kakashi nicht, weil der Junge das Gesicht vor ihm versteckte, indem er seinen Kopf gesenkt hatte. Sasuke hatte geglaubt es würde wieder einen Test geben, so wie den vor zwei Tagen, bei dem er seine Antworten auf ein Blatt schreiben musste. Aber er sollte Autofahren... das war hirnrissig! Seit wann brachte man Sklaven das Autofahren bei? Sasuke schluckte. Er wollte das nicht. Autofahren sah so kompliziert aus. Es war sicherlich leichter etwas kaputt zu machen, als überhaupt den Wagen zu starten. Sasuke wusste doch gar nichts übers Autofahren. Und selbst wenn Kakashi sagte, es würde unter keinen Umständen Strafen geben, konnte Sasuke das nicht glauben. Wenn er mit dem Wagen in einen anderen rein knallte oder wenn er ihn versehentlich irgendwo gegen fuhr und ihn verkratzte oder zerbeulte erwartete ihn sicherlich eine Strafe. Sasuke wusste es nicht sicher, aber er konnte sich vorstellen, dass ein Auto mehr kostete als er gekostet hatte. Sasuke wusste nicht wie viel Geld die Schlange für ihn verlangt hatte. Er wusste aber von den älteren, schon mehrmals verkauften Sklaven, dass Käufer für einen der ihren, wenn sie dessen erste Besitzer waren, bis zu 50.000 Euro zahlten. Ab dem zweiten Verkauf sanken die Preise, die die Schlange für einen Sklaven bekam. Dann waren es je nach Zustand der Ware noch 75% bis 65% des Originalpreises, beim Dritten etwa die Hälfte und ab dem Vierten sicherlich nur noch einen Bruchteil des ersten Preises. Was Sasuke nicht wusste, war dass selbst dieser Bruchteil, der meist noch um die 12.000 Euro betrug, fast ein zehnfaches dessen war, was es die Schlange kostete einen Sklaven 20 Jahre lang so zu versorgen, wie er versorgt worden war.

Und was er auch nicht wusste war, dass Itachi für ihn wirklich einen Betrag von fast 50.000 gegeben hatte und noch mal knapp die Hälfte für die Papiere, die er in jenem Momente abholte.
 

„Was ist los, Sasuke?“, wollte Kakashi wissen. Er hatte damit gerechnet, dass Sasuke sich über die Erlaubnis hinauszuschauen freute. Stattdessen starrte er gebannt auf den Boden, seit Kakashi erwähnt hatte, dass er auch mal fahren sollte.

„Ich hab Angst, Sir“, brach es aus Sasuke raus, ehe er nachdenken konnte. Aber als er nachdachte, verstummte er erschrocken. Das war so unangebracht gewesen. Shit, bei der Schlange hätte es dafür ohne Zweifel ein paar mit dem Stock gegeben, um ihn daran zu erinnern, dass solche unbedachten Äußerungen nicht aus seinem Munde zu kommen hatten. Sasuke biss sich auf die Unterlippe. Sollte Kakashi ihn schlagen, konnte so kein Schmerzenslaut zu hören sein. Das war gut. Die meisten mochten es nicht, wenn der Sklave solche Laute von sich gab. Und oft wurden die Strafen ein wenig milder, wenn der Sklave tat, was der Herr mochte. Also wollte Sasuke artig sein. Er mochte keine Schmerzen, aber er wusste, dass er eine Strafe verdient hatte. Er hätte eben nicht so offen reden dürfen.

Trotzdem hoffte er so sehr, dass die Strafe keine sein würde, die ihm Schmerzen brachte und als sie weiterfuhren, ohne das Kakashi ausholte, um ihn zu prügeln, glaubte Sasuke fast er könnte vielleicht einer solch schmerzhaften Strafe entgehen. Er versuchte sogar positiv zu denken, versuchte zu glauben seine Strafe könnte etwas sein, wie der Entzug einiger Mahlzeiten oder die Tatsache, dass er für ein paar Nächte statt auf der Schlafcouch auf dem Boden schlafen müsste. Es würde ihn hungrig und von der Nacht steif zurücklassen, und vielleicht wäre er auch traurig, aber alles war besser als Prügel.
 

Als Kakashi in eine Parkbucht fuhr und dort hielt, kam all die Angst zurück. Seine Hoffnungen waren umsonst gewesen. Sasuke hatte eben gesagt, er habe Angst und es war nicht gelogen gewesen, aber jetzt... Sasuke drängte die Tränen zurück, die zu fließen drohten.

Ich hab Angst. Ich hab so Angst, war das einzige, an das Sasuke noch denken konnte.
 

Den Motor ließ Kakashi laufen, aber er schaltete in den Leerlauf und zog die Handbremse an, wobei er Sasukes heftiger werdendes Zittern bemerkte. Kakashi sah, wie der Junge sich in den Sitz drückte und wie sich sein Gesicht verhärtete. Er fürchtete sich. Das war nicht Kakashis Absicht gewesen.

„Du weißt, dass ich dich nicht schlage, stimmt’s?“, fragte der Hatake, verschränkte die Arme und blickte Sasuke ins Gesicht. Als der Junge stumm blieb, schüttelte Kakashi den Kopf.

„Ich erwarte eine Antwort“, sagte er ernst. „Solange du mir nicht antwortest, geht das hier nicht weiter.“

Sasuke überwand sich nicht sofort zu antworten, obwohl Kakashis Worte einem Befehl nahe kamen. Der Junge zupfte an dem Saum seines Shirts, ohne es kaputt zu machen, während er langsam zu einer ehrlichen Antwort ansetzte, zu der er sich eigentlich nie getraut hätte: „Ich weiß, dass … du das gesagt hast, gestern und heute wieder, aber ich … kann mich darauf nicht verlassen.“

Sasuke wurde ein Leben lang beigebracht, dass er so nicht zu sprechen hatte. Er duzte Kakashi, der ihm so viel höher gestellt war und er gab zu, dass er dessen Worten keinen Glauben schenkte, obwohl ein Sklave darüber gar kein Urteil zu fällen hatte. Aber hier erwartete man von ihm nicht, dass er sprach wie ein Sklave. Hier sollte er einen freien Mann darstellen und vielleicht kamen seine Worte annähernd an das heran, was jemand sagen würde, der frei war. Außerdem tat es gut, so zu reden, auch wenn er sich immer noch sehr ängstigte vor dem, was Kakashi ihm antun konnte. Es war ihm als stieße er Luft aus, die er ein Jahrzehnt lang oder länger in sich behalten hatte, indem er Worte sagte, die unter anderen Umständen – mit einem anderen Mann an seiner Seite – nie seinen Mund hätten verlassen dürfen.
 

„Das verstehe ich“, räumte Kakashi ein. „Ich bin dir ein Fremder und ich kann mir vorstellen, dass es in deinem Leben bisher nicht sonderlich jemanden gegeben hat, auf dessen Wort zu dich verlassen konntest, aber ich kann nicht mehr tun als dir wieder und wieder mein Wort zu geben, darauf, dass es keine Strafe und keine Schläge geben wird. Nicht von mir, nicht von Iruka und soweit ich es verhindern kann, auch nicht von Itachi oder von sonst irgendwem.“ Kakashi stoppte und wiederholte: „Ich bin dir ein Fremder und ich werde dir vielleicht auch immer ein Fremder bleiben, aber es wäre mir eine Freude, wenn ich dir helfen könnte. Ich kann nicht verlangen, dass du mir auch nur ein bisschen vertraust, aber ich kann dich darum bitten.“

Sasuke hatte sich beruhigt, während der Hatake gesprochen hatte und er würde ihm so gerne glauben. Das was Kakashi sagte, klang so schön. Es würde keine Schmerzen mehr geben und er würde jemanden haben, dem er vertrauen konnte, aber es war so schwer zu glauben. So schwer zu vertrauen, wenn man so wie er aufgewachsen war.

Nach einer Weile, warf Kakashi einen Blick zu und lächelte.

„Können wir weiter?“, fragte er und fragte eigentlich, ob Sasuke wieder okay war. Sasuke nickte. Er war zwar nicht okay, aber er war besser, und sie konnten weiter.

„Ja“, sagte er deswegen und weil er es gewohnt war, immer wenn er etwas gefragt wurde, mit möglichst wenigen Worten zu antworten.

„Gut. Dann gehen wir das jetzt ganz locker an, hm? Wenn du möchtest, schaust du ein bisschen darauf wie ich das mache mit dem Auto, wir schauen uns die Innenstadt an und später gibt’s dann Eiscreme. Kennst du Eiscreme?“

„Nein.“ Sasuke wusste was Eis war. Im Winter fror das Wasser an den Feldern hinter dem Haus der Schlange manchmal und ihm hatte man gesagt, das wäre Eis. Gefrorenes Wasser. Aber er wusste nicht was Eiscreme sein sollte. Und wenn er ehrlich war, wollte er es auch nicht wirklich wissen, denn wenn das Wasser gefroren war, war es immer eisig in den Räumen, in denen er sein Leben verbracht hatte.

Kakashi sah das Unbehagen in Sasukes Gesicht.

„Ich schätze, es wird dir schmecken. Es eine Eisdiele nicht weit von hier, die wirklich gut ist und ziemlich viele verschiedene Sorten hat.“

Das war was zu Essen? Ehrlich?! Sasuke runzelte, ohne es zu merken, die Stirn. Er hätte nicht gedacht, dass Eiscreme etwas war, was man aß. Aber jetzt konnte er sich nur noch weniger was darunter vorstellen. War es trotzdem was Gefrorenes?

Kakashi hielt wieder an einer Ampel, lächelte Sasuke zu, woraufhin dieser sich ein bisschen entspannte, sich aber auch daran erinnerte, dass er lieber schauen sollte, wie Kakashi fuhr, anstatt sich über Eiscreme den Kopf zu zerbrechen.
 

Also schaute Sasuke nun, wie Kakashi lenkte, wie er schaltete und wie er auf die Straße achtete. Er lauschte den Geräuschen des Autos und schaute auch auf die Straße. Das mit den Ampeln verstand er. Wenn eine Grün leuchtete durfte man Fahren, leuchtete sie Rot hielt Kakashi. Es gab Schilder mit Pfeilen, mit Bildern oder mit Wörtern und sie alle schienen Kakashi irgendwas zu sagen, denn an manchen Stellen fuhr er anders als an anderen und das konnte nur an den Schildern liegen, oder? Schließlich fuhren auch die anderen Autos langsamer, wenn am Straßenrand ein Schild angebracht war auf dem die große 30 stand.

„Du bist sehr aufmerksam, Sasuke“, lobte Kakashi, dem nicht entging, wie sehr sich Sasuke auf das Fahren und die Schilder konzentrierte. „Aber wenn du Fragen hast, dann frag mich ruhig. Du musst nicht auf alles selber eine Lösung finden.“

Das mochte Sasuke. Er lernte gerne, aber es war hart auf eigene Lösungen zu kommen, wenn es um Dinge ging, die er kaum kannte. Er wusste, dass es ihn Überwindung kosten würde zu fragen. Aber ging es nicht darum? Wenn er einen freien Mann spielen sollte, musste er sich überwinden. Dann musste er über seinen eigenen Schatten springen. Und er wollte das nicht nur für diese Sache, er wollte das auch für sich, stellte er plötzlich fest. Er hatte immer davon geträumt irgendwann einmal – und wenn es nur für eine Weile war – wirklich zu leben. Vielleicht konnte das die Chance sein, auf die er so gehofft und gewartet hatte.

Sasuke, mit einem Funken neuen Mutes, schaute wieder hinaus und war aufmerksam. Er achtete auf das Auto in dem er saß und auf die anderen, die neben und vor ihnen auf den Straßen fuhren. Er schaute auch in den Außenspiegel, beobachtete die Autos hinter ihnen und ließ zu, dass sein Kopf begann eigene Ideen zu entwickeln, wie das funktionieren mochte mit dem Autofahren und den Regeln, die wohl alle auf den Straßen befolgten.
 

Kakashi hielt an einer Kreuzung ohne Ampel, weil ein Fahrzeug von Rechts kam. Er spürte Sasukes fragenden Blick, aber erklärte nichts. Noch wollte er dem Jungen Zeit geben zu fragen. Und zu seiner großen Überraschung tat Sasuke das; leise und unsicher, aber er fragte: „Warum hast du da angehalten?“

„Du hast sicher schon die Ampeln und Schilder bemerkt oder?“, stellte Kakashi die Gegenfrage.

„Ja.“

„Die Ampeln und ein paar der Schilder regeln die Vorfahrt. Das heißt, sie regeln, welches Auto aus welcher Richtung zuerst fahren darf, damit keine Unfälle passieren. Wenn es keine Vorfahrtregelnden Schilder und keine Ampeln gibt, gilt die Regel rechts vor links. Vorfahrt hat der, der aus der Straße Rechts von mir kommt. Deswegen hab ich gehalten.“

„Oh“, verließ es Sasukes Mund, ohne dass er es verhindern konnte. Das war schon echt kompliziert. Aber er würde sich das merken. Ampeln und einige Schilder regeln die Vorfahrt. Vielleicht eines von denen mit den Pfeilen, fragte er sich, und beschloss darauf zu achten. Und Rechts vor Links, das würde er sich merken.

„Es klingt alles komplizierter, als es ist, glaub mir“, beschwichtigte Kakashi, dem selber aufgefallen war, dass es eine ganz schön komplexe Antwort auf eine solch schlichte Frage gewesen war. Er wollte Sasuke nicht überfordern, aber er glaubte sie seien auf dem richtigen Weg. Denn obwohl Sasuke eben einer dieser Momente gehabt hatte, von denen sicherlich noch mehr kämen, eben weil er so groß geworden war, wie er war, glaubte Kakashi er könne den Jungen dahin bringen, dass er sich ein Stück weit frei und mutig fühlte und dass er das auch vor Itachis Familie ausstrahlen konnte.
 

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Hidan fuhr, mit Itachi auf dem Beifahrersitz, über Landstraßen und später durch ein Stadtgebiet, bis er an dem Hinterhof ankam, an dem er auch schon vor einem Jahr sein Auto geparkt hatte. Für ihn war es kein Unding gewesen, damals, jemanden zu finden, der ihm Papiere fälschte. Sein eigener Vater hatte immer Menschen besessen und schon dessen Eltern hatten ihr Hauspersonal mehr wie Sklaven, als wie Angestellte behandelt, weswegen er es nie anders gekannt hatte, nie Skrupel empfand, wie er mit seiner Frau umging und nie einen Gedanken daran verschwendet, wie ungewöhnlich es doch war, jemanden zu kennen, der einem solche Papiere fälschte. Er fand es auch nicht Unrecht, was Itachi tat, hatte er ihn ja selbst auf diese Idee gebracht. Deswegen war es eine Selbstverständlichkeit – ein Freundschaftsdienst – dass er ihn begleitete.

Der Mann der die Papiere fälschte war italienischer Abstammung und zum Schein betrieb er einen Laden für venezianische Masken, in dessen Hinterzimmer er Gelder annahm und Leben verkaufte.

Itachi betrat hinter Hidan den Laden und während dieser sie und ihr Anliegen zu erkennen gab, blieb der Uchiha bei einem der Regalen mit den Masken stehen und schaute sie an. Ein paar von ihnen, so wusste er von Hidan waren vollkommen ohne Wert. Schlechte Duplikate, einige nur aus Pappmasche. Andere waren einen Haufen Geld wert, aber die lagerte der geldgeile Dreckskerl, wie Hidan den Fälscher nannte nicht hier vorne. Sie hingen im Hinterzimmer als Deko an den Wänden, stellte Itachi fest, als sie den Raum betraten. Der Italiener ließ sich hinter einem Schreibtisch nieder und öffnete eine Schublade. Er musste seine Gäste nicht im Auge behalten, um sicher zu gehen, in keiner Gefahr zu schweben. Dafür sorgte der Schrank von einem Mann, der neben der schweren Tür an der Wand lehnte. Itachi ließ sich dadurch jedoch nicht davon abbringen auch die teuren Masken so anzusehen, wie er die billigen Kopien geschaut hatte. Er sah den Unterschied, obwohl er kein Kunstkenner war. Aber die edlen Stoffe, die glänzenden Steine, die filigrane Arbeit zeigte den Wert dieser Masken, zu denen er sich so seltsam hingezogen fühlte. Er gab sich nicht die Schwäche seine Hand zu heben und mit den Fingern über eine besonders schöne zu fahren, aber er besah sie intensiver. Sie war aus weißgoldenem Grundmaterial, an dessen Rand dunkelblaue Seide angebracht war. Die Maske würde die obere Gesichtshälfte bedecken und durch die schwarzen Federn die rundherum dicht angebracht waren auch die untere und die Haare. Itachi kannte den Karneval von Venedig aus seiner Kindheit. Seine Eltern waren zu der Zeit gerne in die Lagunenstadt gereist, weil seine Mutter sie geliebt hatte. Obwohl er das letzte Mal vor fast fünfzehn Jahren da gewesen war, sah er die Männer und Frauen, eingewickelt in dicke Stoffmäntel und pompöse Kostüme, mit ihren bedeckten Gesichtern vor seinem inneren Auge. Er wusste nicht mehr ob er die Maskenmenschen damals gruselig oder schön gefunden hatte. Wahrscheinlich beides.

Heute fand er den Gedanken interessant, sich unter einem dunklen, dicken Seidenmantel und hinter einer solchen Maske zu verstecken. In solch einem Aufzug konnte man sich nicht schwach fühlen, richtig? Auch nicht, wenn man gerade ein Leben kaufe.
 

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Kakashi hatte Sasuke durch die Straßen der Innenstadt geführt, nachdem er das Auto in einer Tiefgarage in der Nähe seiner Apotheke geparkt hatte. Von dort aus waren sie bis zu Itachis Agentur gelaufen und Kakashi hatte ihm allerhand erklärt. Er hatte die Ampeln erklärt, als sie an einer wartet, ohne zu wissen, dass Sasuke die schon verstanden hatte, als sie mit dem Auto an ihnen gehalten hatten. Kakashi erklärte ihm, was eine Apotheke überhaupt war, als er feststellte, dass Sasuke das gar nicht so genau wusste. Er erzählte auch, was Itachi beruflich machte und war überrascht, dass Sasuke es zu verstehen schien, nachdem er auch erklärt hatte, was Werbung überhaupt war. In der Stadt gab es schließlich genügend Beispiele. Die Plakate an den Hauswänden, die in den Schaufenstern und auch die im Internetbrowser seines Smartphones, die er ihm zeigte.

Kakashi erklärte, was eine Pizzeria war und was eine Bäckerei und viele andere Geschäfte und Läden an denen sie vorbeigingen, die erklärte er auch. Es war ein bisschen viel für Sasuke, aber er versuchte sich zu merken, was welcher Laden verkaufte und hoffte vor Itachis Familie niemals durcheinander zu bringen das man Brötchen beim Bäcker und Shampoo in der Drogerie bekam. Gleichzeitig stellte er fest, dass solche Kleinigkeiten alles kaputt machen konnten. Er musste höllisch vorsichtig sein und er musste sich Mühe geben. Ein Fehler vor Itachis Eltern und es war sicherlich vorbei mit dem Ich-Spiele-Einen-Freien-Mann-Spiel, dass Sasuke gar nicht mehr so schrecklich fand. Denn er ging durch die Straßen auf einer Höhe mit Kakashi, er schlief auf einem Sofa, er bekam so gutes Essen und er durfte sprechen und fragen und sich ein Stück weit selbst entdecken. So merkwürdig und unsicher er sich dabei noch immer fühlte, so großartig und überwältigend war es auch. Er wollte nicht das es vorbei war, bevor er sich entscheiden konnte, ob es gut oder schlecht war, was er hier erlebte. Wenn er wieder zurück im Haus der Schlange war und auf seinen nächsten Käufer wartete, wollte er wenigstens diese eine Sache wissen.
 

Kakashi nahm ihn mit in die Bücherei und ließ ihn sich umschauen. Er behielt ihn im Auge, besorgte zwar die Bücher, die er für Iruka besorgen musste, stellte aber sicher, dass er Sasuke nicht wie ein Hündchen an einer imaginären Leine mit sich zog. Es war okay, wenn Sasuke sich zwei Regale weiter die Buchrücken anschaute, solange er in seinem Blickfeld blieb. Kakashi stellte sicher, ihm Platz zu geben und erlaubte ihm im Vorbeigehen zu einem anderen Regal, dass er die Bücher auch herausziehen und aufschlagen dürfe, wenn sie ihn interessierten. Er selber gab sich als Beispiel, zog recht wahllos ein Sachbuch über Schiffbau raus und blätterte darin herum, während er Sasuke weiterhin im Blick behielt. Der Junge las eine Weile lang weiter nur die Titel der Buchrücken, ehe er sich traute, über den ersten mit seinen Fingern zu fahren. Er machte dabei ein Gesicht, als tue sich ihm eine völlig neue Welt auf und vielleicht war es auch so. Die Freiheit zu entscheiden, welche Bücher er berührte und welche nicht zeigte ihm vielleicht etwas, was er nie zuvor gesehen hatte. Sasuke konnte mit Kakashis vorheriger Erlaubnis nun entscheiden, in welches Buch er reinschauen wollte und somit konnte er auch entscheiden, welche Sätze er las und was er lernte. Ihm blieben vielleicht nur Minuten dies zu tun, aber es war etwas, dass ihn frei machte. Sasuke zog die Ärmel seines Shirts runter, die hoch gerutscht waren, als er über den Buchrücken gefahren war. Er mochte es, den Stoff auf seinen kompletten Armen zu spüren, auch wenn es warm war und die meisten Menschen um ihn herum kurzärmlige Sachen trugen.

Sasuke fuhr über eine Reihe Bücher, als würde er darauf warten, dass sich eines so anfühlte, als wolle es von ihm herausgezogen werden. Denn er war noch nicht bereit selber zu entscheiden. Deswegen nahm er die Hand runter und blickte zu Boden. Er war hier fertig. Er war einfach noch nicht bereit.

„Du kannst noch weiterschauen, wenn du möchtest“, bot Kakashi an. „Wir haben Zeit.“
 

Sasuke hob seine Hand nicht wieder, aber er sagte auch nichts. Es war keine direkte Frage gewesen, er musste also nicht antworten, und obwohl er jetzt trotzdem antworten durfte, tat er es nicht. Was hätte er auch sagen sollen?

„In Ordnung. Dann gehen wir zur Kasse und bezahlen. Wenn du diese Woche noch mal herkommen möchtest, kannst du mir das sagen und wir fahren noch mal her, einverstanden?“

„Ja“, sagte Sasuke, weil es das Höflichste war. Er glaube jedoch nicht, dass er Kakashi darum bitten konnte, selbst wenn er es wollte.

Er folgte Kakashi zur Kasse und zupfte erneut das dunkle Shirt zu Recht. Er fühlte sich sicherer, wenn die Ärmel auch seine Handrücken bedeckten.

„Du magst das Shirt, hm?“, fragte Kakashi, als sie in der Warteschlange an der Kasse standen.

„Ja.“ Sasuke meinte es ernst. Er würde es noch lieber mögen, wenn die Arme noch ein Stück länger wären und er nicht an ihnen ziehen müsste, damit sie seine Fingerknöchel bedeckten. Aber das würde er niemals sagen. So was hatte er gar nicht zu denken. Er sollte froh sein, dass Kakashi ihm erlaubte Kleidung zu tragen.

Kakashi, der von dieser Art Oberteil nur eines eingepackt hatte, schlug vor: „Wir können dir davon noch ein oder zwei holen, wenn du die magst, mit den langen Armen.“ Er hatte zwar auch einen dicken Pullover und eine Stoffjacke eingepackt, aber die waren zu warm für dieses Wetter. Die dünnen, langarmigen Oberteile, wie das was der Junge trug, mussten gerade noch okay für diese Temperatur sein und Sasuke schien es wirklich zu mögen. Solche Shirts waren auch nicht wirklich teuer, weswegen es kein Problem war, ihm noch welche davon zu besorgen.

Deswegen bezahlte Kakashi die Bücher für Iruka und ging mit Sasuke in ein Bekleidungsgeschäft einen Block weiter. Auch hier erlaubte er Sasuke wieder sich umzuschauen, aber der Junge war scheuer und blieb näher an seiner Seite, was vielleicht an den Menschen lag, die sich hier in größerer Anzahl tummelten als vorher in der Buchhandlung.

Der Hatake machte halt an einem Verkaufsregal, das voller langarmiger Shirts in den verschiedensten Farben war. Er erlaubte Sasuke sich eine Farbe auszusuchen, die er gerne mochte. Der Junge zeigte auf ein dunkelgrünes und zog es auf Kakashis Anweisung hin heraus. Kakashi der sah, dass das Oberteil recht groß für Sasukes mageren Körper war, wollte es ihm dennoch nicht wieder wegnehmen. Schließlich hatte der Junge es selbst ausgesucht und Kakashi wollte ihm nicht die Möglichkeit nehmen, es wenigstens anzuprobieren. Ob er es nicht doch zu groß fand, konnte er ihn dann immer noch fragen. Also schickte er Sasuke in die Umkleide und wartete in einem der Sessel davor, bis der Junge in dem weiten, dunkelgrünen Shirt heraustrat. Die Ärmel fielen locker über die Handrücken und die ersten Fingerknöchel. Das Shirt war wirklich ziemlich weit und auch ein Stück zu lang, aber Sasuke schien sich wohl zufühlen. Das war es, was es Kakashi einfach nicht möglich machte zu fragen ob er nicht eines in einer oder zwei Nummern kleiner nehmen wollte. Wie wichtig war es denn ob ein Oberteil genau passte, wenn es Sasuke glücklich machte.

„Möchtest du es haben?“, konnte er daher nur noch fragen. Als Sasuke begann auf seiner Unterlippe herumzukauen und über den Stoff des Shirts zufahren, als würde er etwas unheimlich Kostbares berühren, war sich Kakashi nicht gänzlich sicher ob sein vorher so zuversichtliches Lächeln nicht eine Spur mitleidiger wurde. Er sah, dass Sasuke es haben wollte, aber er verstand auch, dass er auf die Frage nicht einfach mit Ja antworten konnte. Weil er ein Sklave war und die meiste Zeit über immer noch wie einer dachte. Und Sklaven hatten nichts zu wollen, dass prügelte man ihnen ein, seit sie klein waren.

„Na komm. Zieh dich wieder um und dann gehen wir zur Kasse.“ Der Hatake hoffte, dass Sasuke wusste, was eine Kasse war und dass er verstand, dass Kakashi ihm das Shirt nicht wieder wegnehmen wollte. Deswegen winkte er ab, als Sasuke ihm mit trauriger Miene das Oberteil zurückgeben wollte. Er hatte also doch nicht komplett verstanden. Aus diesem Grund bedeutete er Sasuke mit zur Kasse zu kommen und das Shirt auf den Tresen zu legen. Nachdem die Kassiererin das Oberteil gescannt und in eine Tüte gepackt hatte, zahlte Kakashi und reichte Sasuke die Tragetüte um ihm zu zeigen, dass das Shirt jetzt wirklich seins war.
 

Sasuke wusste wie das mit dem Kaufen und Verkaufen bei freien Menschen funktionierte. Er wusste, dass man sich in den verschiedensten Läden das nahm oder vom Verkäufer geben lies, was man haben wollte und dann einen bestimmten Betrag zahlte, um es zu besitzen. Sasuke wusste das so genau, weil er schließlich ähnlich verkauft und gekauft wurde wie das Oberteil in der Tüte, die er trug. Sein Herr hatte ihn ausgewählt, so wie er nun dieses Shirt ausgewählt hatte. Der Unterschied bestand schlicht in der Menge des Geldes und, aber so hatte Sasuke nie denken dürfen, in dem eigentlichen Wert. Denn jeder Menschenrechtler würde ihm nun einen eindringlichen Vortrag darüber halten können, wie viel mehr Wert Sasuke, als ein lebendes Wesen, besaß, im Vergleich zu einem einfaches Stück Stoff. Aber Sasuke wollte nicht mehr daran denken; er mochte das Shirt.

Er folgte Kakashi aus dem Geschäft bis auf die Einkaufsstraße, wo der Hatake ihm zulächelte.

„Jetzt holen wir uns erstmal ein Eis“, beschloss Kakashi und wies Sasuke den Weg zu der Eisdiele, von der er stundenlang schwärmen konnte. Der Ältere bestimmte die Richtung und Sasuke folgte ihm ohne komplett zu ihm aufzuschließen. Er hatte gelernt nie auf gleicher Höhe mit einem Master zu gehen oder gar ihm oder andern freien Menschen im Weg zu stehen. Kakashi sah er für die Zeit, die er bei ihm verbrachte als seinen Master an. Deswegen blieb er einen halben Schritt hinter ihm zurück. Keinen ganzen, weil es durch den Autolärm der Hauptstraße laut war und aus Angst Kakashi konnte denken, er bliebe so weit zurück um unbemerkt zu fliehen.
 

An der Eisdiele angekommen, wies Kakashi auf die Eistheke und fragte Sasuke ob er schon wüsste, welche Sorte er mochte.

„Nein“, antwortete dieser und zwang sich nicht zu sagen er nehme das, was Kakashi ihm zu geben bereit war.

„In Ordnung, dann setzten wir uns rein. Wir haben Zeit.“

Der Hatake glaubte, dass Sasuke sich vielleicht besser entscheiden konnte, wenn er die Eisbecher als Bild in der Karte sah, als wenn er nur die Farben des Speiseeises in der Eistheke sehen konnte.

Deswegen suchte Kakashi einen Platz in einer schönen Ecke der Eisdiele und reichte Sasuke die Karte. Hier konnten nicht zu viele Menschen ihnen zusehen und zuhören, sodass sich Kakashi nicht darum sorgen musste, dass Sasuke etwas sagte, dass für andere, für freie Menschen befremdlich klang. Er konnte hier ganz er selber sein. Konnte ehrlich sein und sich einen Eisbecher aussuchen oder zugeben, wenn er sich nicht entscheiden konnte. Auch dafür fänden sie eine Lösung.

Sasuke blätterte durch die Karte, nachdem Kakashi es ihm erlaubte, aber er konnte sich für keinen Eisbecher entscheiden. Von vielen Dingen, die er las, wusste er zwar, was es war, aber nicht wie es schmeckte. Aber er wollte Kakashi nicht enttäuschen, weswegen er die Karte noch einmal rückwärts durchschaute. Ihm war bewusst, dass er auch beim zweiten Durchsehen nichts finden würde, was er wirklich kannte. Wie auch, wenn er sein halbes Leben nicht viel anderes gegessen hatte als Haferbrei und Vitamintabletten.

„Haben Sie schon gewählt?“, hörte Sasuke eine Frau sagen, die an ihrem Tisch stand. Sie trommelte mit einem Bleistift leise auf dem Block in ihrer Hand und lächelte ihnen beiden zu.

„Ich nehme einen Nussbecher, den habe ich schon ewig nicht mehr gegessen“, meinte Kakashi, beäugte Sasuke kurz, aber als der Junge nicht sagte, wollte der Hatake daraus keine Szene machen, sondern orderte stattdessen für ihn: „Und für ihn hätten wir gerne einfach ein paar ganz winzige Kugeln verschiedener Sorten wenn das geht? Er kann sich, verständlicherweise, nicht entscheiden, nachdem ich ihm von den verschiedensten Eissorten vorgeschwärmt hab, die Sie hier verkaufen.“

„Natürlich. Das können wir machen, schätze ich“, sagte die Dame, lächelte weiter und fühlte sich geschmeichelt, schließlich half sie auch manchmal bei der Produktion des Eises mit. Das Kokoseis, das eines der hier meist gewählten Sorten war, war ihre Spezialität in der Herstellung.
 

Nach einigen stillen Minuten kam die Bedienung zurück. Sie stellte zuerst den Nussbecher vor Kakashi und dann einen Dessertteller mit sechs verschiedenen Kügelchen, die in etwa gemeinsam die Menge von zwei normalen Kugeln ergaben. Sasuke schaute das Eis eine Weile lang an, nachdem die Bedienung gegangen war, doch Kakashi bemerkte es und riet ihm, dass Eis zu probieren bevor es schmolz. Also griff Sasuke nach dem Löffel und wählte eine Sorte aus, die er zuerst probieren wollte. Die Eiskugel war samtrosa in der Farbe und schmeckte süß. Sasuke mochte das und schmeckte beim zweiten Bissen auch etwas anderes raus als die Süße. Es war irgendwie ein bisschen... wie konnte er das nennen? Fruchtig. Ja, fruchtig. Er hatte zwar noch nie diese Frucht probiert, glaubte er, aber manchmal konnten sie in den Feldern etwas von dem Obst nehmen, dass an den Bäumen und Sträuchern wuchs, und das essen anstatt des Haferbreis, wenn sie mit ihren Aufsehern zu weit vom Haus entfernt gewesen waren.

„Das ist Erdbeereis“, sagte Kakashi leise, der in diese Eisdiele fast jede Sorte nur vom Sehen alleine zuordnen konnte. Sasuke nahm den letzten Löffel dieser Kugel, genoss den Geschmack einen Moment, bevor er sich das zweite Kügelchen aussuchte. Dieses Mal war es sehr weiß und sauer und Sasuke glaubte recht genau zu wissen, dass es Zitrone war, weil Zitronen sollten sauer sein, hatte er gehört.

Kakashi der Sasuke das Gesicht verziehen sah, lachte und meinte: „Das ist Zitroneneis. Ich mag’s eigentlich ganz gerne hier, weil es wirklich nach Zitrone schmeckt, aber wenn es dir zu sauer ist, musst du das nicht essen.“

Sasuke genoss es die Wahl zu haben. Er mochte diesen stark saueren Geschmack nicht und lies die Reste des Zitroneneis auf dem Teller zurück, um die dritte Sorte zu probieren. Diese sah recht ähnlich aus wie das Zitroneneis, nur etwas dunkler, mehr gelb, weswegen er das schlimmste befürchtete, aber sehr erleichtert war, als der Löffel nicht sauer schmeckte, sondern süß und komplett anders, als beide Sorten zuvor, weswegen Sasuke glaubte, dass das was er probiert hatte kein Fruchteis war.

„Das ist Vanille“, sagte Kakashi leise und fragte dann: „Weißt du was Vanille ist?“

„Ja, Vanille ist ein Gewürz, das ursprünglich aus Mittelamerika kommt und heute mehr auf den Inseln des ähm… indischen Ozeans angebaut wird“, sagte Sasuke wie einstudiert. Kakashi fand es traurig. Er hatte gehofft, Sasuke würde sagen, er kenne Vanille. Kenne es, weil er es schon gegessen habe, als Pudding oder als Gewürz in der Milch. Kakashi erinnerte sich einen Moment lang an seine Mutter, die starb, als er neun gewesen war. Noch heute hatte er manchmal den Geschmack ihrer selbst gemachten Vanillemilch auf der Zunge, die sie ihm mit einem Lächeln auf den Lippen eingegossen hatte.

Dass Sasuke nie eine solche Mutter gehabt hatte, war ein Desaster. Eine die ihm Vanillemilch eingoss, ihm Gutenachtgeschichten erzählte und mit ihm an den Strand fuhr, um Muscheln zu suchen und nasse Füße zu bekommen. All das hatte Kakashi gehabt, wenn auch nicht für eine Lebenszeit, sondern nur für ein paar Jahre. Aber für Sasuke hatte es das nicht gegeben. Er hatte nicht die Möglichkeit von ein paar Jahren ein ganzes Leben zu zehren. Das stimmte Kakashi traurig.
 

Das nächste Eis, was Sasuke probierte war hellgrün und schmeckte nussig, aber nicht wie die Nüsse, die er das ein oder andere Mal mit dem Obst auf den Feldern gegessen hatte. Es schmeckte nicht so herb, aber Sasuke wusste nicht ob das daran lag das die Nüsse von damals dreckig und manchmal nicht mehr ganz so frisch gewesen waren.

„Das ist Pistazie“, sagte Kakashi, fragte dieses Mal aber nicht ob der Junge das kannte. Er wollte nicht wieder solch eine traurige Geschichte hören. Aber nach einer Weile sah er, dass Sasuke das Eis zwar sehr gut schmeckte, er aber immer noch nicht genau zu wissen schien, was Pistazien waren.

Sasuke fand immer noch dass das Eis nussig schmeckte, aber er wusste nicht ob Pistazien Nüsse waren. Er glaubte das Wort schon mal gehört zu haben, da war er sich eigentlich ganz sicher, aber momentan wusste er nicht, wozu man Pistazien zählte. Dabei wusste er in der Theorie eigentlich recht gut, was welche Lebensmittel waren, da er seiner Zeit zum Kochen ausgebildet wurde und ihm somit, wie einigen anderen Sklaven, von den Frauen viel über die Herkunft und die Zubereitung von bestimmten Lebensmitteln beigebracht werden sollte. Nur probieren hatten sie die meisten Dinge davon nie dürfen.

„Weißt du nicht, was Pistazien sind?“, fragte Kakashi, der dann doch ein schlechtes Gewissen hatte, solche Dinge nicht zur Sprache zu bringen. Selbst das Wissen was Pistazien waren, konnten Sasuke schließlich helfen, ein freier Mann zu sein.

„Nicht ganz“, antwortete Sasuke unbeholfen aber ehrlich: „Ich bin mir nur nicht mehr sicher ob Pistazien Nüsse sind.“

„Oh… ich denke schon, ja. Wobei ich das auch nicht genau weiß“, musste Kakashi zugeben. Nun, Pistazien standen im Supermarkt immer bei den Nüssen, richtig? Aber waren sie welche? Das war schließlich manchmal nicht Offensichtlich, denn auch Erdbeeren waren eigentlich Nüsse.
 

Sasuke mochte es, dass Kakashi ihm Dinge erklärte. Er hatte immer schon gerne gelernt und das hier war Lernen auf eine angenehme Art und Weise, denn momentan verspürte Sasuke nicht die Sorge gestraft zu werden. Jedenfalls nicht vordergründig. Er genoss es die verschiedenen Eissorten zu probieren und gerade das Pistazienbällchen, von dem er gerade den letzten Löffel gegessen hatte, schmeckte ihm sehr gut. Das nächste Eisbällchen war wieder weiß und wieder befürchtete Sasuke, es schmecke wie Zitrone, aber als er probierte stellte er erstaunt fest, dass es erneut ein komplett anderer Geschmack war. Es war der mildeste Geschmack bis her, sehr erfrischend und … fein irgendwie, aber gerade deswegen hatte Sasuke keine Ahnung was es für eine Sorte war. Als Kakashi ihm sagte, dass es Kokosnusseis war, dass er probierte, war es nicht so, als wüsste Sasuke nicht was eine Kokosnuss war, er wusste nur nicht wie sie schmeckte.

Nachdem er den letzten Rest vom Kokoseis gegessen hatte, legte er den Löffel beiseite. Auf dem Teller lag neben dem Rest Zitroneneis noch eines der winzigen Bällchen, aber das sah wie Schokoladeneis aus und deswegen würde Sasuke es nicht anrühren. Er traute Kakashi zwar, dass es keine Falle war, aber die Kellnerin hatte nicht wissen können, dass wenn ihnen eines verboten war zu essen im Haus der Schlange, dann war es Schokolade in allen Variationen. Sasuke schauderte. Wie oft hatten sie einen von ihnen und auch schon oft ihn selbst mit diesem so süß und stark riechenden Lebensmittel gelockt und dann doch gestraft. Nein, Sasuke würde es nicht essen, auch nicht wenn Kakashi es ihm erlaubte. Er würde nie in seinem Leben Schokolade essen, einfach weil die Schläge zu tief steckten.

„Magst du nicht mehr?“, fragte Kakashi und fand es eigentlich schade, weil gerade das Schokoladeneis es war, was die größte Faszination auf Kinder bewirkte. In so vielen Dingen war Sasuke noch ein Kind. Einfach weil er schon als Kind ins Haus der Schlange gekommen war und aus allen Möglichen Quellen und aus gesundem Menschenverstand konnte Kakashi sagen, dass Kinder die in solchen oder ähnlichen Verhältnissen aufgewachsen waren, oft in einigen Punkten nicht wuchsen. Auch Sasuke steckte mit Sicherheit in einigen Aspekten noch in den Kinderschuhen und in anderen in den Ängsten seiner Kindheit, aber das war in Anbetracht der Verhältnisse völlig normal und Kakashi machte ihn dafür nicht verantwortlich. Himmel, in Afghanistan hatte er junge Männer gesehen die im Krieg aufgewachsen waren, aber mit Stofftieren in ihrem Betten lagen, während die Hütte nebenan von einer Bombe getroffen wurde und er hatte Männer aus seiner Einheit gekannt, die Nachts geheult hatten und sich nichts sehnlicher wünschten als ihre Mutter bei sich zu haben, die ihnen über den Kopf strich und ihnen sagte, dass sie gute Jungen waren. Als Kakashi von der Sprengfalle am Straßenrand getroffen wurde und er nach einem Moment der Ohnmacht das Bewusstsein wiedererlangt hatte, hatte er nichts lieber gewollt, als wieder in den Armen seiner Mutter zu liegen und von keinen Sorgen der Welt etwas zu wissen.

Deswegen war es für ihn keine Frage, dass Sasuke in so vielen Dingen noch ein Kind war, denn er selber der gut aufgewachsen war, behütet und geliebt, hatte solche Momente erlebt. Sasuke war nicht aufgewachsen wie ein normales Kind in der westlichen Welt. Er hatte nicht mit Spielzeug spielen und keine Schokolade probieren dürfen, er hatte keine Fehler zu machen und wenn er doch welche gemacht hatte, war es ihm nicht erlaubt gewesen aus ihnen zu lernen. Er wurde bestraft auf eine der schmerzhaftesten Arten. Er hatte nicht selbst lernen können zwischen richtig und falsch zu unterscheiden, da ihm immer gesagt worden war, was sie zu tun hatten. Keinen Kindern kann man auch sagen, was sie tun sollen und im besten Fall tun sie das dann auch. Weil Mama oder weil Papa das sagte und Kinder bis zu einem gewissen Alter lebten von dem Urvertrauen in diese beiden Personen. Aber normale Kinder lernten eben auch in einem gewissen Alter selber zu entscheiden, was sie tun wollten und sie lernten gleichzeitig mit den Konsequenzen zu leben, dass hatte Kakashi am eigenen Leib erfahren. Aber Sasuke, in der Art wie er aufgewachsen war, war nie über den Zeitpunkt hinaus gekommen, in dem ihm genau gesagt wurde, was er zu tun und zu lassen hatte und danach lebte er, auch wenn er mittlerweile ein erwachsener Mann war. Kakashi wollte mit all dem, was er dachte keinesfalls sagen, dass Sasuke dumm war. Er war weitaus klüger, als Kakashi im ersten Moment vermutet hatte und Kakashi war der festen Überzeugung, dass Sasuke auch irgendwann für sch selber Entscheidungen treffen und auch zu ihnen stehen konnte, aber noch war er nicht so weit. Noch war Sasuke in vielen Punkten viel mehr ein Kind als andere Achtzehnjährige.
 

„Es ist den Sklaven im Haus der Schlange nicht erlaubt, Schokolade zu essen“, sagte Sasuke leise und förmlich.

„Nun, du bist nicht mehr da. Du … kannst es also ruhig probieren“, meinte Kakashi unbeholfen. Es wunderte ihn. Warum war Schokolade so ein großes Ding? Alles andere was in den Eissorten verarbeitet war, schien Sasuke vorher auch noch nicht probiert zu haben, aber das hatte er probiert. Nur die Schokolade nicht und die ganz bewusst nicht.

„Was ist der Unterschied?“, fragte Kakashi. „Zwischen der Schokolade und allem anderen, meine ich.“

„Das andere gab es einfach nicht, außer wenn wir kochten, aber da wussten wir, dass wir es nicht essen dürfen. Schokolade war anders.“

„Warum?“, hackte Kakashi nach und sah Sasuke zusammenzucken. Dieses Mal hatte der Junge mehr wie ein freier Mensch gesprochen und nicht genau eine Antwort auf die Frage gegeben und unter anderen Umständen wäre Kakashi mächtig stolz gewesen, aber jetzt wollte er nur wissen was so anders an Schokolade war im Haus der Schlange.

„Ich weiß nicht“, gab Sasuke resigniert zu. Normalerweise wurden sie gestraft, wenn sie Dinge nicht wussten, die sie wissen sollten. „Schokolade war etwas, womit die Aufseher und lockten und wenn wir sie nehmen wollten oder davon probieren, dann schlugen sie uns. Vielleicht war es Training. Ich weiß nicht genau, Sir. Entschuldigt bitte…“, brabbelte Sasuke leise und ängstlich. Er wollte nicht bestraft werden und gerade fühlte er sich wieder so sehr wie ein Sklave, obwohl ihm vor wenigen Momenten der Gedanke für eine Weile frei zu sein, gar nicht mehr so weit weg gewesen schien.

Kakashi hingegen sah nun auch die erwachsene Seite in Sasuke, denn auch in so vielen Punkten war Sasuke viel erwachsener als andere Jungen in seinem Alter. Er hatte so viel erleben und durchstehen müssen. So viel mehr und so viel härtere Dinge als Andere mit achtzehn Jahren. Selbst das was Itachi passiert war und was Kakashi in seiner Jugend getan hatte, war damit nicht zu vergleichen.

„Ich zwinge dich nicht, Schokolade zu essen, aber ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand weh tut, weil du sie probierst.“ Sasuke machte dennoch keine Anstalten das Eis zu löffeln, weswegen Kakashi nickte. Er wartete einen Moment und bedauerte, dass er nicht die richtigen Worte kannte, um Sasuke davon zu überzeugen, dass es völlig in Ordnung war, Schokolade zu essen.

„Hör zu“, musste er dann aber noch leise und eindringlich sagen: „Ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass dir jemand aufgrund von Essen weh tut. Essen ist, was es ist. Wir werden dem nicht mehr und nicht weniger Wichtigkeit zusprechen, als es hat. Wenn du Hunger hast, kannst du essen. Wenn du etwas nicht magst, lässt du es stehen. Wenn dir etwas besonders gut schmeckt, dann sag es ruhig. Alles ist okay, verstanden? Essen ist Essen und kein Grund oder Mittel dich zu strafen.“

Sasuke nickte. Das hörte sich schön an und eigentlich hatte Kakashi den Wahrhaltsgehalt dessen ja schon bewiesen. Aber auch wenn Sasuke Kakashi wirklich gerne glauben wollte, das Schokoladeneis konnte er einfach nicht essen. Vielleicht irgendwann, wenn er schon eine Weile lang einen freien Mann gespielt hatte und die Schrecken seiner Kindheit für einen Moment vergessen könnte, würde er auch Schokolade essen. Aber noch war er einfach nicht so weit.
 

Was Sasuke dabei nicht wusste, war die Tatsache, dass er, indem er auf sich und seinen Körper hörte und auch tat was gut für ihn war, ein großer Teil der ersten Mauer bröckelte. Einer der Mauern die ihn gefangen hielten. Fallen würde sie bald, die erste Mauer. Noch eher als Itachis Maske, denn Sasuke wollte frei sein, wenn auch nur für eine Weile, weil er sich auf mehr Freiheit zu hoffen nicht traute.

Itachi war noch weit davon entfernt wirklich frei zu sein. Weil er anders als Sasuke nicht mal realisierte, dass er gefangen war, in den Geistern seiner Vergangenheit und überhaupt. Wenn er einmal verstand was ihn wirklich so tief unten und weit hinten hielt konnte er schnell, viel schneller als Sasuke, frei sein. Weil man ihm fast schon sein ganzes Leben lang zeigte, dass er geliebt wurde. Und weil er nur eine Maske trug und nicht von unzähligen Mauern umschlossen war, die es zu durchbrechen und zu erklimmen galt.
 

OO step backward OO Itachi OO
 

Sie waren wieder in Italien. Einen ganzen Sommer lang, dabei waren sie seit Jahren nicht mehr hier gewesen und seine Eltern hatten sich quasi verliebt in ein Land auf der anderen Seite des Mittelmeers. In den vergangenen vier Jahren waren sie jeden Sommer in einem anderen Teil Spaniens gewesen. Sie waren sechs Wochen lang von einer kanarischen Insel zur anderen gereist und hatten die Schönheit und Vielfältigkeit der Kanaren genossen. Die Ferien im Jahr darauf hatten sie aufgeteilt. Drei Wochen lang Luxus, Sternehotels, weiße Strände und große Städte und drei andere Natur, alte Bauernhäuser, süßlicher Rotwein in den Mündern seiner Eltern und gemütliche Herbergen am Füße der Pyrenäen. Einen Jahr später hatten sie einen Sommer lang in Andalusien Pferde gesehen, auf Fischerbooten gesessen und Fußballstadions besucht. Und im letzten Jahr waren sie auf den Balearen gewesen und seine Eltern hatten wie hypnotisiert die hübschen Villen in Gènova bewundert. Damals hatten sie schon ein Haus in Italien gehabt, dass mehr eine Hütte an einer einsamen Stelle des Gardasees war. Das Haus hatte Mikoto noch vor seiner Geburt in einem Moment der Rührung gekauft. Itachi vermutete, dass es sie so an die Hütten ihrer Heimat im Allgäu erinnerte. Aber sie waren nie in diesem Haus gewesen um Urlaub zu machen. Sie hatten jemanden der alle paar Wochen danach schaute. Wenn sie an den Gardasee fuhren, wie in diesem Sommer, mieteten sie einen hübschen, großzügigen Bungalow und nur selten besuchten Fugaku und Mikoto das Haus mit ihren Söhnen.

Heute war keiner solcher Tage. Itachi saß unter dem Schatten eines Baumes und schaute seiner Familie beim Urlaubmachen zu. Obito und Rin planschten im See. Ihr Lachen trug der Wind zu ihm.

Shisui turtelte mit Mädels. Er war letzten Sommer volljährig geworden und liebte sie alle, die Mädchen. Und sie schienen es ihm nicht übel zu nehmen.

Sein Vater war in eine deutsche Zeitung vertieft. Auch im Urlaub musste er genau wissen, was in der Welt und besonders in seiner Heimat vor sich ging. Aber bald würde er die Zeitung beiseite legen und seine Frau massieren. Das tat er manchmal im Urlaub. Im Süden war er viel mehr ein Gentleman.
 

Itachi war im Süden nicht anders, als sonst wo in dieser kalten, trostlosen Welt. Er planschte nicht im Meer. Schon seit der Sache vor fünf Sommern nicht mehr. Er flirtete nicht mit Mädchen und feierte nicht mit seinen Brüdern. Er saß am Wasser und starrte soweit er konnte. Sie ließen ihn. Sie alle ließen ihn.

Weil er das ganze Jahr über funktionierte. Er ging zur Schule, er traf Leute aus seiner Klasse, er machte Sport und saß nie am Ufer der Ostsee, nur um zu schauen. Im Sommer ließen sie ihn. Sie wussten – und hofften hofften hofften – dass es mit den Jahren besser werden würde und er ganz von selber auch im Sommer in Ordnung sein konnte. Sie hatten schließlich alles in ihrer Macht stehende getan und taten es noch immer, um sicherzustellen, dass die Sache von damals nicht sein ganzes Leben bestimmte. Alle paar Wochen gingen sie mit Itachi zum Psychologen und selbst der sagte, dass sie bald nicht mehr kommen mussten. Denn es war schon Jahre her und Itachi machte riesige Fortschritte. Er war ein starker Junge, schon immer, und genauso war es immer nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er alles verarbeitet hatte. Sie alle wussten nicht, was ein guter Schauspieler Itachi war. Sie wussten nicht, dass er nur echt war, wenn er weit, weit weg in die Ferne blickte. Dann ließ er seine Maske sinken, die er sich das ganze Jahr über so mühsam aufbaute, und in den ersten Tagen des Sommers hoffte er, es würde jemand kommen, der nicht Familie war, und ihn verdammt noch mal hochziehen. Aber die Tage vergingen und vergingen, ganz plötzlich war es schon Mitte des Sommers und er saß immer noch da und starrte.
 

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Hallo,

es hat wieder so lange gedauert, bis ein neues Kapitel online ist, aber es ist auch wieder ein langes Kapitel. Ich hoffe, dass das die Wartezeit ein bisschen wieder gut macht und ich hoffe auch, dass ihr auf das nächste Kapitel nicht wieder so lange warten müsst, schließlich fangen nächste Woche die Sommerferien in meinem Bundesland an.

Das Zitat am Anfang des Kapitels ist aus der dritten Staffel von NCIS L.A, es müsste die 11. oder 12. Episode gewesen sein und als ich Deeks das hab sagen hören, musste ich direkt an Itachi denken :) Außerdem bin ich ein absoluter NCIS L.A- Freak und muss einfach ein Zitat davon in meiner Fanfiction haben :D

Liebe Grüße

Jessi ;)

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Von:  Wunder95
2018-03-07T18:57:14+00:00 07.03.2018 19:57
Wannnnn gehts weiterrrrr~
Ich warte schon so lange darauf...das es weiter geht....:(
Bitte schreib gaaanz schnell weiter


Will mehr von Ita und Sasu lesen...VIEL mehr♡
Lg Sky
Von:  Arya-Gendry
2014-04-27T20:20:29+00:00 27.04.2014 22:20
Hi^^
Habe deine FFs gelesen und sie ist echt gut. Nur schade das solang kein Kapitel mehr gekommen ist geht die FFs denn noch weiter? Es wer schade wenn nicht.
Lg
Von:  Arya-Gendry
2013-03-14T18:17:59+00:00 14.03.2013 19:17
Hi ^^
Hab gerade deine Story frei sein gelassen.
Und ich finde sie echt gut ob Itachi mal netter zu Sasuke wird? ;)
Nur schade das du solang nicht daran weiter geschreiben hast,aber na ja ich denk das du bald weiter schreibst. ;)
Lg
Von:  Takui
2012-07-31T11:05:35+00:00 31.07.2012 13:05
Sasuke macht ja schon enorme Fortschritte. Vielleicht wirds ja doch noch etwas mit dem überzeugenden Spiel vor Itachis Familie. Zu dem Itachi aber nach wie vor auch beitragen müsste. Das muss er doch auch mal einsehen. Hoffe, es wird auch bald soweit sein.
L.G.
Takui
Von:  wieprei
2012-07-08T18:10:07+00:00 08.07.2012 20:10
Ein sehr schönes Kapitel, schön lang :-).
Ich hoffe, für Sasuke geht alles gut aus.

Lg. Ines
Von: Rizumu
2012-07-04T21:01:57+00:00 04.07.2012 23:01
„Gut, tu das immer, sobald du in einem Auto bist. Auch wenn niemand dir das sagt. Es kann dein Leben retten.“

Ich mag Kakashi, der ist so niedlich ;_; Von mir aus kann Sasuke bei ihm bleiben, dann können er und Iruka ihn als Sohn adoptieren <3

Dafür war die Sache damals noch zu frisch gewesen – die andere Sache, bei der sie fast Itachi verloren hatten.

Ich bin mir sicher, da ist iwas tiefsitzendes und ich will es wissen! (Vielleicht heilt ja Sasuke ihn?)

Aber er sollte Autofahren... das war hirnrissig!

Genau das denke ich mir auch.

Das war was zu Essen? Ehrlich?!

OMG! Nein wie süß *3*



Ich wollte die erste Sein. Aber so kommt das wenn man nebenbei noch so vieles machen muss.

Ich muss sagen, das Kapitel hat sich iwie mehr gezogen wie das andere aber es ging, vielleicht bin ich einfach nur ne pussy die sich anstellt.

Ehrlich, du hast mich nun neugierig gemacht. Lass Sasuke weg. Ich will wissen was mit Itachi ist ....


(Ich brauch übrigens keine ENS wenn ein neues Kapitel erscheint.)
Von:  Levisto
2012-07-04T12:22:13+00:00 04.07.2012 14:22
Ja es hat zwar lange gedauert, aber dafür hat sich das Kapitel auch absolut gelohnt! Tolle Story, ich find es immer wieder beeindruckend, wie du die Sicht von Sasuke schreibst. Als "freier Mensch" ist es denke ich gar nicht so leicht, umzudenken und aufzuschreiben. Und natürlich auch ein großes Lob an das riesige! Kapitel.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächsten und warte gespannt ab :)
Ganz liebe Grüße
Levisto
Von: Rizumu
2012-07-03T11:07:26+00:00 03.07.2012 13:07
>So wie Iruka lieber Wäsche wusch und Kakashi bügelte
Ich finde diesen Satz so süß.
Liebe <3

>Ja, er wollte Iruka in naher Zukunft bitten sein Mann zu werden.
Ich hoffe doch das dies noch in der FF passiert Q3Q

Ich fand das Kapitel lang ... xDDD
Ich habe gefühlte Ewigkeiten gebraucht um durch zu kommen.
Von 8 Uhr morgends bis jetzt, weil nebenbei einkaufen und Hund.

Wirklich ein gut gelungenes Kapitel.
Ich hatte ja beführchtet das es zu viel wird, aber nicht im Geringsten <3
Von:  Takui
2012-04-30T09:02:22+00:00 30.04.2012 11:02
das wird noch ein hartes Stück Arbeit für Kakashi glaub ich. Aber Sasuke kann ja auch nicht von heute auf morgen lernen was es heißt frei zu sein. Itachi hätte das so vermutlich gerne, aber das funktioniert halt nicht. Ich frag mich echt, wann er das endlich mal einsieht. Bislang zeigt er, trotz allem was passiert ist, noch keinerlei ernsthafte Veränderung in seinem Verhalten oder auch seinen Gefühlen. Langsam muss doch mal was kommen.
Ich bin gespannt. ; )
L.G.
Takui
Von:  Silverdarshan
2012-04-21T19:53:02+00:00 21.04.2012 21:53
herrje, dass sasuke auf dem boden im flur schläft, hat mir allein bei der vorstellung, fast das herz gebrochen ;__;
ich frage mich, wie kakashi itachi in seine umerziehung einplanen möchte. auch wenn es sinn macht, frage ich mich doch ernsthaft, wie er dem jungen die angst vor itachi nehmen will.
ein schönes und angenehm langes kapitel! ich hoffe, es geht rasch weiter :)

LG Silverdarshan


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