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Gaias Lilie

von

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So HALLO zusammen
 

Ich versuch mich jetzt einfach mal an einer Geschichte, die mir schon länger im Kopf rumschwirrt - mal gucken obs was wird und ob ihr sie mögt. Es kann sein, dass solange die Geschichte auf dem PC nicht gänzlich fertig ist, dass es dauern kann mit hochladen. Ändere gerne meine Meinung und schreib dann die Hälfte wieder um. Aber am Anfang mach ich glaub nicht superviel falsch.
 

Über konstruktive Kritiken und Kommentare würde ich mich freuen
 

(achja - ich kenn mich in Tarot nicht besonders aus. Hab halt was rausgepickt, was von der Bedeutung her Sinn machen könnte ^^)
 

____
 

Hitomi stand am Fenster und sah hinaus in den kühlen Nachthimmel, wie sie es so oft in den vergangenen Jahren getan hatte. Soviel war inzwischen geschehen.
 

Eine Zeit lang hatte sie sogar sehr ernsthaft darüber nachgedacht, zu ihm zurückzukehren. Zurück auf den Stern des Krieges. Sie hatte Tod und Zerstörung, Verrat und Leid erlebt. Und sie hatte die große Liebe erfahren. Und er hatte auf sie gewartet – ihr ein Zeichen gesendet. Er empfand es ebenso wie sie. Wie gerne wäre sie zurückgekehrt. Doch verließ sie immer wieder die Kraft ihre Familie, ihre Freunde, ihr bisheriges Leben zu verlassen.
 

Das Band, das sich zwischen ihr und ihrem geliebten König gebildet hatte, war stark – aber es reichte dennoch nicht aus. Die Erkenntnis hatte sehr geschmerzt und sie war eine Zeit lang in eine tiefe Depression gefallen.
 

Und nun: sie blickte lächelnd auf die Karten vor ihr. Die Karten, die sie einst von ihrer Oma geschenkt bekommen hatte. Zusammen mit einem Drachensteinpendel, das ihr das größte Abenteuer ihres Lebens bereitet hatte.

Die Herrscherin, das Gericht, der Stern und auch das Rad des Schicksals, dass sich unerbittlich weiterdrehte. Es war ihr nicht bestimmt, die Königin von Fanelia zu werden. Er hatte endlich eine andere gefunden und eine Familie gründen. Eine würdige Herrscherin. Stark, schön und gut.
 

„Alles Glück dieser und jener Welt, wünsche ich dir - mein Van.“ Drückte sie die weiße Feder auf ihre Brust um sich von ihm zu verabschieden. Es fiel ihr erstaunlich leicht.

Vorsichtig legte sie die Karten und die Feder in eine kleine Holzbox, die sie speziell für diese Schätze hatte anfertigen lassen. Wie bei einer feierlichen Abschluss-Zeremonie verschloss sie das königliche Siegel und stellte das Kästchen andächtig fort.

1

Die Jahre zogen ins Land. Hitomi war zu einer schönen Frau herangereift. Sie führte ein gutes und bescheidenes Leben. Ihre 40 Jahre sah man ihr nicht wirklich an. Oftmals wurde sie jünger geschätzt. Männer fielen ihr in all den Jahren und auch heute noch zu Füßen. Jedoch hatte sie sich nie fest binden können. Sie hatte zu Anfangs versucht eine neue Beziehung zu führen, doch war es ihm gegenüber nicht fair gewesen. War doch immer nur einer in ihrem Herzen. Ganz war sie wohl doch nicht darüber hinweggekommen.
 

Aber alleine war sie dennoch nicht. Yukari und Amano blieben über all die Jahre ihre engsten Vertrauten. Und auch ihre Familie hatte immer eine offene Tür. Und dann war da schließlich auch noch ihre Tochter Sayuri.
 

Sie war Hitomis ganzer Stolz. Als sie geboren wurde und sie sie das erste Mal in den Armen halten durfte, war es für sie das größte Glück auf Erden.
 

Sayuri war inzwischen 18 Jahre, durchschnittlich groß und zierlich gebaut. Vom Gesicht her, war sie ihrer Mutter ein Ebenbild. Sie hatte tiefdunkelgrüne Augen und immer ein Lächeln auf den Lippen. Ihre Haare hingegen waren sehr viel auffallender als die ihrer Mutter, die ihre immer noch gerne bevorzug kurz trug. Sayuris Haare waren hell cremfarben - um nicht zu sagen weiß und fielen wunderschön lang bis über die Schulterblätter. Eine Besonderheit, die gerade in Japan sehr auffällig war. Eine Zeit lang dachte sie sogar einmal daran, sie sich schwarz zu färben und hatte sogar bitterlich geweint, weil sie jeder immer angestarrt hatte. Doch ihre Mutter versicherte dem jungen Mädchen, dass alles in Ordnung sei und sie sich nicht dafür zu schämen bräuchte. Sie wäre einfach nur etwas ganz besonderes und sie solle stolz darauf sein.

Sayuri war ein liebes und hilfsbereites Wesen und unterstützte ihre Mutter, wo sie nur konnte. Sie spendete ihr in dunklen Minuten Kraft und Trost und bereitete ihr viele glückliche und einmalige Momente im Leben.

Sie war Hitomis besonderer Engel.
 

Die Tatsache, dass sie ohne Vater aufwuchs, belastete die junge Frau nicht weiter. Sie fand es nur manchmal etwas schade um ihre Mutter. Sehr gerne hätte sie ihr das Glück mit einem neuen Partner gegönnt.

In ihrer Kindheit hatte Hitomi Sayuri öfters von Gaia erzählt gehabt. Von Prinzessinen, Katzenmenschen und Himmelsrittern. Und natürlich auch von König Van. Als Kind waren diese Geschichten immer sehr spannend gewesen. Als sie allerdings älter wurde, akzeptierte sie es, dass ihre Mutter wohl nicht gerne über das Thema Mann sprechen wollte. Zwar konnte sich Sayuri so ein bisschen was zusammenreimen, dass es damals einen Mann gab und Hitomi sich von ihm warum auch immer getrennt hatte. Aber die genauen Zusammenhänge konnte sie sich nicht erklären. Was immer damals wirklich vorgefallen war, musste sie wohl immer noch schmerzen, wenn ihre Tochter sie darauf ansprach. Also hielt sie Sayuri lieber zurück und gab sich mit der Fremden-Welt-Geschichte zufrieden. Vielleicht würde sie irgendwann die genauen Umstände erfahren. Sie könnte zum Beispiel einfach die langjährigen Freunde ihrer Mutter fragen. Aber ob sie ihr es erzählen würden, war eine andere Sache.
 

___
 

Sie lief durch einen Wald. Etwas verfolgte sie. Doch sie wagte es nicht, sich umzusehen. Ein lautes Brüllen ließ die Bäume erzittern. Sie rannte schneller durch die Büsche. Äste rissen ihr tiefe blutige Katzer in die Haut. Doch sie durfte nicht stehen bleiben. Plötzlich spürte sie, wie sie strauchelte und stürzte. Das Ding kam näher. Doch war sie unfähig sich zu bewegen. Eine riesige Bestie trat zwischen den Bäumen hervor. Sie wollte rufen, doch versagte ihre Stimme. Niemand konnte ihr helfen.Es würde sie töten. Sie war sich sicher, jetzt war es vorbei. Das Tier brüllte und stürzte sich auf sie. Der Boden tat sich unter ihr auf und sie fiel in de Tiefe. Ein Licht funkelte auf.
 

Sie fand sich inmitten alter schneeweißer Ruinen wieder. Alles war so still und friedlich. Von der Bedrohung war weit und breit nichts zu sehen. Sie rappelte sich vorsichtig auf. Irgendwie kam ihr dieser heilige Ort bekannt vor. Doch woher nur. Ein Schatten ließ sie aufsehen.

Über ihr kreisten Engel. War das ihre Heimat?
 

Sie waren so wundervolle Geschöpfe. Eine dieser Engel landete plötzlich neben ihr. Ihre schwarzen langen Haare brachten die weiße schöne Engelsgestalt gut zur Geltung. Sanft streckte sie ihr die Hand entgegen und zeigte ihr das Gebiet, dass hinter ihr im Tal verborgen lag. Sie sah auf ein wunderschönes erblühendes Königreich, dass von schützenden Bergen umgeben war. Eine Melodie drang an ihr Ohr. Eine unbekannte Sehnsucht machte sich in ihr breit. Gebannt hörte sie der Melodie zu bis sie merkte, dass ihr Tränen über das Gesicht liefen. Auf einmal fühlte sie sich so unendlich einsam.
 

Sayuri starrte an die Decke ihres Zimmers. Verwirrt registrierte sie, dass ihre Wangen feucht waren. Was war das nur gewesen?

Ein sanftes Gewicht schlich über die Decke ihren Körper hinauf. Automatisch hob Sayuri die Hand an und sofort schmiegte sich ein zartes kleines weißes Köpfchen daran und begann zu schnurren. Sanft strich sie der kleinen Katze über den Rücken. Ihr morgendliches Ritual. Und in dem Fall – ein sehr beruhigendes. Einige Minuten verbrachte sie damit, die kleine Schnurrmaus zu verwöhnen. Das vibrieren des kleinen Motors tat ihr unheimlich gut. Ihr Atem beruhigte sich und sie kam so langsam wieder in die Realität zurück. Es war schließlich nur ein Traum.

Aber wieso bekam sie diese Melodie nicht mehr aus dem Kopf.
 

Es klopfte an ihrer Türe.
 

„Sayuri. Bist du wach? Das Frühstück ist fertig.“
 

„Ja Mutter. Ich komme gleich.“
 

Langsam erhob sie sich und starrte in die blauen Augen ihrer Zimmergefährtin, die weiterhin quietsch vergnügt vor sich hinschnurrte.
 

„Du bist ein komisches Tierchen.“ Dann schwang sie sich theatralisch mühsam aus dem Bett. Gefolgt von der kleinen Samtpfote. Wirklich ein komisches Tierchen.

2

Hitomi bemerkte, dass ihre Tochter mit ihren Gedanken wohl irgendwie nicht gänzlich anwesend war. Lustlos stocherte Sayuri in ihrem Teller rum und schob das Essen von einer Seite auf die andere.
 

„Ist alles in Ordnung mit dir?“
 

Das Mädchen sah mit leeren Augen auf: „Was?
 

„Bedrückt dich irgendetwas Schatz?“
 

Sayuri schüttelte den Kopf und legte die Gabel zur Seite. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe heute nur schlecht geschlafen.“
 

Hitomi war noch immer etwas skeptisch, gab sich aber vorerst mal mit der Antwort zufrieden. Jeder hatte schließlich mal einen schlechten Tag. Das hatte nichts besonders zu bedeuten. Hoffte sie zumindest.

Mit einem Ruck erhob sich die Achtzehnjährige und murmelte irgendwas von duschen. Hitomi konnte nicht sagen was es war, aber irgendwas beunruhigte sie dennoch ein wenig.

___

Das heiße Wasser tat ihr unheimlich gut. Sie schloss die Augen und reckte ihren Kopf in Richtung des Strahl, sodass die warmen Tropfen ihre Gesicht streicheln konnten. Unbewusst summte sie die Melodie der vergangen Nacht. Eine schöne Melodie. Eine wohlige Wärme ergriff sie und als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich die Umgebung verändert. Das Duschwasser war nun ströhmender Regen, das Badezimmer eine wunderschöne Landschaft mit vielen weiten Grasfeldern um sie herum, Bergen in der Ferne, Wäldern in ihrem Rücken. Sie kam sich schutzlos und nackt vor – doch war da dennoch soetwas wie eine unbeschreibliche Wärme, die sie auf eine Art unheimlich beruhigte. Durchsichtige Geistwesen umflogen sie uns jagten hinauf in den düsten Himmel. Am Rande ihre Verstandes vernahm sie wieder diese Melodie, und bermerkte viel später, dass sie es war, die diese Melodie noch immer summte.

Und dann plötzlich erschien ein wunderschöner weiser Drache direkt vor ihr. Sie wich einen Schritt zurück. Doch weniger aus Angst als mehr vor Ehrfurcht. Er stellte sich majestätisch vor ihr in der Luft auf, ehe er mit einem lauten Brüllen über ihren Kopf hinweg fegte. Erschrocken kauerte sie sich zusammen. Als Sayuri die Augen wieder öffnete, befand sie sich wieder in ihrer Dusche. Warmes Wasser plätscherte munter in den Abfluss.

„Schatz? Ist alles in Ordnung?“ klopfte es von außen gegen die Türe. Sie musste wohl doch überrascht aufgeschrien haben.
 

Verwirrt sah sich das junge Mädchen um, ehe sie antwortete. Kein Gras, kein Regen, kein Drache.
 

„Jaja... alles in Ordnung... es ist....“ sie schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung Mum. Ich bin nur ausgerutscht.“
 

Mit zitternden Fingern drehte sie nun den Wasserstrahl aus und fingerte etwas ungeschickt nach dem Handtuch. Sie schalt sich selbst eine dumme Kuh. Es war doch nur Einbildung. Oder etwa nicht.. Sie wischte den beschlagenen Spiegel frei. Das Mädchen das ihr entgegen sah, war blasser als sonst.
 

Die letzten Wochen waren sehr anstrengend gewesen. Endspurt beim Abschluss der Oberschule. Da hieß es lernen, lernen und nocheinmal lernen. Da blieb keine Zeit um sich einmal zu entspannen. Wahrscheinlich waren diese Visionen eine Nebenwikungen des wenigen Schlafes und der ständigen Anspannung. Und die Geschichten ihrer Mutter,waren wohl auch nicht ganz unschuldig an der Sache.

Das musste es sein. Sie war einfach überarbeitet und erschöpft. Hirngespinnste. Sonst nichts. Es gab kein Gaia.
 

Beruhigt lächelnd kümmerte sie sich darum, ihre Haare und den Rest ihre Körpers wieder in einen trockenen Zustand zu versetzen. Sie hatte sich gerade angezogen und die Haare mit einem Haarband zusammengebunden, als sie nochmal einen prüfenden Blick in den Spiegel warf. Doch es war nicht ihr Zwilling der ihr diesmal entgegen sah. Dunkle harte Augen hielten sie regelrecht gefangen. Ein starkes Kribbeln, aus Angst?“ durchfuhr sie. Mit offenem Mund starrte sie den schwarzhaarigen Jungen vor sich an. Verlor sie jetzt wirklich den Verstand. Sie blinzelte und sah nocheinmal hin; doch zeigte es nur eine hoffnungslos verwirrte junge Frau wieder.
 

Jap. Eindeutig überarbeitet. Woher sollte da auch ein Junge im Spiegel kommen. Langsam und immer noch neben sich stehend tabbste sie in ihr Zimmer zurück. Die Wochen waren wirklich sehr anstrengend gewesen. In wenigen Wochen würde sie dann endlich das Resultat ihrer Bemühungen einsehen und dann... ja dann kam die große Frage, was sie eigentlich weiter machen wollte. Bisher war sie noch zu keinem Ergebnis gekommen. Einige aus ihrer Klasse hatten sich auch einen Studienplatz auf einer Hochschule beworben. Andere wollten direkt danach in die Berufswelt einsteigen. Und was wollte sie?

Reisen. Etwas von der Welt sehen. Aus ihrer kleinen behüteten Welt ausbrechen. Etwas in ihr sagte ihr schon seit langem, dass sie zu mehr berufen war. Selbstverständlich hatte auch sie über ein weiteres Studium nachgedacht. Es wäre das wohl vernünftigste, wenn man es weit bringen wollte. Doch nichts schien sie davon wirklich anzusprechen. Eine innere Stimme drängte sie zu etwas ... Größerem. Sie wusste nicht, was dieses Größere war. Sie konnte es noch nicht bennen. Doch sie würde es suchen. Die Erwachsenen hatten dazu gesagt eine Reise zur Selbstfindung. Warum auch nicht.
 

In ihrem Zimmer erwartete sie ihre kleine Katze, welche sich ganz frech quer über das Bett ausstreckte. Gedankenverloren streichelte sie ihr über das seidenweiche Fell. Den restlichen Tag verfolgten sie keine weiteren Visionen. Hilfsbereit ging sie ihrer Mutter im Haushalt zu Hand, half ein wenig im Garten und kümmerte sich um den Einkauf. Gegen Abend zogen die ersten dunklen Gewitterwolken auf. Hitomi und Sayui bereiteten gerade das Abendessen vor. Yukari und Amano hatten sich auf einen Besuch inklusive Übernachtung angemeldet.
 

Die beiden waren aus beruflichen Gründen vor 2 Jahren in einen anderen Bezirk Japans gezogen und so sah Hitomi ihre Freunde aus Schultagen seitdem eher selten. Daher war die Freude umso größer, dass sie ein paar Tage zusammen verbringen würden.
 

„Sayuri. Würdest du bitte das Bettzeug vom Dachboden herunterholen und herrichten?“
 

Pflichtbewusst befolgte die Tochter die Bitte der Mutter. Wobei ihr nicht ganz wohl war. Ihr war aus welchen Gründen auch immer der Dachboden von klein an suspekt. Immer wieder hatte sie die unschöne Vorstellung durch den knirschenden Holzboden durchzubrechen. Diese Vorstellung hatte sie auch oft in ihren Träumen heimgesucht. Oft war sie irgendwo durchgebrochen und in die Tiefe gefallen. Weinend war sie immer aufgewacht. Ihre Mutter nahm sie dann immer in den Arm und sagte, sie müsse keine Angst haben. Ihr Engel würde sie auffangen und beschützen. Es gab nichts wovor sie Angst haben musste. Danach wurde es besser. Wenn sie fiel erschien ihr tatsächlich eine Gestalt mit schneeweisen Flügeln, welche die Hand nach ihr ausstreckte. Aber hier auf dem Dachboden gab es keinen Engel, der sie fangen würde. Sie würde schmerzhaft auf dem Boden der Tatsachen landen und im besten Fall mit vielen schmerzhaften blauen Flecken und Kratzern davon kommen. Und das war wirklich der allerbeste Fall.
 

Sie öffnete die Luke nach oben und stieg die steilen Stufen der ausziehbaren Leiter nach oben. Das Bettzeug war zum Glück in der Nähe des Aufstiegs gebunkert, sodass sie zum Glück sich nicht lange dort oben aufhalten musste. Als sie Kissen und Decken einfach nach unten geworfen hatte und sich selbst auch wieder an den Abstieg machen wollte, jagte etwas in ihrem Augenwinkel an ihr vorbei.
 

„Na wundervoll.“ Schimpfte sie vor sich hin. Eigentlich hatte sie schon gelernt, dass sie ihre kleine Hausnervensäge nicht unterschätzen sollte – und dennoch tat sie es immer wieder. „Merle – komm her du kleiner Teufel.“
 

Schritt für Schritt arbeitete sie sich auf dem schlecht beleuchteten Dachboden voran. Als die Dielen bedenklich zu knirschen begannen erstarrte sie für einen Moment. Wie sie den Dachboden doch hasste. Und in diesem Moment ihre Katze ebenso. Und der Sturm und das Gewitter machten das ganze auch nicht wirklich angenehmer.
 

Sie schloss für einen Moment die Augen um tief durchzuatmen ehe sie sich weiter zu dem verfluchten Vierbeiner vorarbeitete. Merle hatte sich natürlich im hintersten Winkel in einem Regal verkrochen und räumte gerade ein Kästchen herunter, als Sayuri sie endlich eingeholt hatte.
 

„Prima gemacht.“ Schimpfte sie los und hob die Katze herunter auf den Boden neben sich. Das Kästchen war aufgesprungen und überall waren Karten verteilt. Seuftzend machte sich die junge Frau daran, die Holzschachtel herumzudrehen und den Inhalt wieder einzuräumen. Doch sie hielt inne als sie das Kästchen und die Karten genauer betrachtete. Dieses Symbol. Irgendwie kam es ihr so bekannt vor. Vorsichtig strich sie über das ungewöhnliche Schloss. Unglaublich kunstvoll gemacht. Es musste sicher teuer gewesen sein. Und die Karten. Es waren die Tarotkarten ihrer Mutter. Sie wusste zwar, dass Hitomi welche hatte und sie auch zu benutzen wusste. Doch hatte sie sie noch nie gesehen. Warum sie wohl hier oben in der schönen Truhe verstaubten?
 

Wieder vernahm sie unbewusst diese Melodie.
 

Sie betrachtete die beiden Karten in ihrer Hand. Die eine zeigte die Erde. Die Welt: Ein Zeichen für die Entfaltung der Persönlichkeit. Und die unverwechselbare Karte der Liebenden. Auch wenn man nichts von Tarot verstand – die Karte war nicht misszuverstehen.

„Sayuri? Was tust du denn da oben? Was war das für ein Krach?“
 

„Merle. Sie ist hier hochgekommen und hat hier was runtergeworfen.“ Rief Sayuri ihrer Mutter zurück.
 

„Was?!!“ Damit Hitomi besser verstnad stieg sie selbst ein paar Stufen zum Dachboden hinauf.
 

„Merle!“ deutete Sayuri ihrer Mutter nur.
 

„Achso.“ Hitomi lachte und wollte die restlichen Stufen gerade überwinden um ihrer Tochter zur Hand zu gehen. Sie wusste, dass sie sich hier oben eigentlich nicht wirklich wohl fühlte. Doch dann blieb sie abwesend stehen.
 

„Ich komm zurück.“ Schnell schob Sayuri den Kasten auf seinen Platz zurück und wollte gerade ihre Katze einsammeln, die mit etwas spielte.
 

„Was hast du denn da? Gib mal her Süße. Oh...“ Sayuri hielt eine leuchtende große reinweise Feder in den Händen. Wie gebannt sah sie diese wunderschöne Engelsfeder an, nach der die Katze weiterhin tätzelte. Die Melodie schien von ihr zu kommen. Was hatte das zu bedeuten. Wie gebannt starrte sie auf den Schatz in ihren Händen.
 

„Sayuri...“ rief ihre Mutter noch zu, doch da wurde das Leuchten plötzlich stärker und ein helles Licht hüllte das Mädchen ein. Erschrocken begann die Katze sich auf ihrem Arm zu wehren und kratzte sich ihren Weg vom Arm herunter frei.

„SAYURI!!!“ Der Ruf ihrer Mutter schien so weit weg. Und dann war der Lichtstrahl plötzlich verschwunden und mit ihm auch Sayuri. Zurück blieben nur eine schwer überrumpelte Hitomi und die kleine aufgeplusterte Katze.
 

„Gute Reise mein Kind. Pass auf dich auf.“ betete die ehemals Reisende in die Einsamkeit. „Van....“

3

Als Sayuri endlich wieder zu sich kam, war ihr, als wäre sie schon wieder in einer ihrer Visionen gefangen. Eben war sie noch auf dem Dachboden ihres sicheren Heimes und nun lag sie auf einem kühlen und nassen Erdboden. Der Unterschied zu ihrer frühmorgendlichen Illusion bestand darin, dass sie dieses Mal nicht diese ungeheure Wärme und den Schutz um sich herum spürte. Und ihre Kleidung war auch nicht mehr trocken und sauber. Ihr Tshirt klebte nass an ihr, wo sie gelegen hatte, ihre kurze Leggins hatte ebenfalls Waldbodenoptik. Vorsichtig rappelte sie sich auf und stellte fest, dass es barfuss nicht sehr optimal war. Auf dem Dachboden hatte sie keine gebraucht. Wie oft kam es auch vor, dass man auf den Dachboden ging und im Wald landete.

Wo zur Hölle war sie hier? Was genau war nur passiert?

„Hallo?! IST HIER JEMAND? MUM?!!!“ rief sie laut. Kein Geräusch von Zivilisation war zu hören. Und so gab sie nach einigen Minuten die Hoffnung auf, Antwort zu bekommen.
 

"Wenn das ein Scherz sein soll dann ist es ein sehr schlechter." Schimpfte sie vor sich hin. Es war dämmrig,, und kühl. Sie war dreckig und nass und wollte nur noch weg von hier. Doch wohin sollte sie gehen. Sie beschloss einfach einmal querfeldein immer gerade aus zu gehen. Irgendwann würde sie schon hier raus finden oder wenigstens auf jemanden treffen, der ihr vielleicht erklären könnte, was eben mit ihr passiert war.

Langsam marschierte sie los um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie war gerade ein paar Schritte gegangen, als sie sie bemerkte, wie dumm die Idee eigentlich war. Sie musste sich etwas einfallen lassen, ihre nackten Füße zu schützen. Sie überlegte sich gerade, was sie am besten improvisieren könnte, als sie ein Knacken hinter sich vernahm.

Blitzschnell drehte sie sich zu dem Geräusch um. Hoffnungsvoll versuchte sie abermals jemanden auf sich aufmerksam zu machen. „Hallo? Ist da wer?“ Sie blickte in die Dunkelheit und merkte, wie das Gefühl der Angst größer wurde. Sie spürte wie die Erde unter ihr bebte und als sie entsetzt wieder vom Boden aufsah, ertönte ein tiefes bedrohliches Brüllen. Ehe sie weiter darüber nachdachte sauste sie wie der Wind durch das Gestrübb. Die Äste und Dornen zerrten an ihren Kleidern und Haaren, entrissen ihr ihr Haarband. Sie bemerkte es ebensowenig wie die Schmerzen, die sie in ihren Füßen und ihrem restlichen Körper spüren sollte. Viel zu spät realistiert das Mädchen, dass der Weg, den sie eingeschlagen hatte, nicht mehr weiterging. Sie schrie erschrocken auf, als sie ins Rutschen geriet.
 

Keuchend und hustend lag sie da. Warmes Blut tropfte von ihrem Gesicht. Ihr Körper wollte ihr nicht mehr gehorchen. Bei der kleinsten Bewegung jaulte er auf. Doch sie musste hier weg. An der Stelle wo sie ins Rutschen geraten war, stand etwas großes - echsenartiges. Mit eindeutig viel zu großen Zähnen und totbringenden gelben Augen, die sie mit gnadenloser Gewalt fixierten.

Wieso konnte sie nicht einfach wieder aufwachen?

Der Drache stieß erneut ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, ehe er sich in Bewegung setzte.

„Himmel hilf mir...“ keuchte sie aus und rutschte ein Stück zurück. Sie wusste es hatte keinen Sinn. Er würde sie in der Luft zerfetzen. Sie würde sterben. Hier – wo immer dieses hier auch sein mochte – allein und von niemanden gehört.

Jetzt würde es vorbei sein. Mit großen Augen sah sie dem Tod entgegen. Unfähig sich zu bewegen. Nicht einmal schreien konnte sie mehr.
 

Etwas blitzte in ihrem Augenwinkel auf – ein Geräusch dass an Metall erinnerte. Und dann tauchte wie aus dem Nichts ein Schatten auf. Sie wusste nicht was gerade passiert war, denn es geschah viel zu viel aufeinmal. Aber der Drache hatte offensichtlich einen neuen Gegner gefunden, denn er ließ von ihr ab und drehte sich von ihr fort. Immer noch unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen, verfolgte sie nun den ungleichen Kampf großer Drache gegen kleinen Schatten. Doch der Schatten war zu schnell für das Tier.

Ihr Retter schien das Ungeheuer wütend zu machen, denn das Vieh blähte sich auf und stieß einen Flammenstrahl aus.

„AH!!!!!!!!!!“

Auch wenn die Flammen nicht für sie bestimmt waren, Sayuri spürte die sengende Hitze, die dahinter steckte und warf sich zu Boden. Hoffentlich hatte es den tapferen Schatten nicht erwischt. Zitternd und ein wenig widerwillig drehte sie der Szenerie wieder ihre Blicke zu. Die Echse hatte ganze Arbeit geleistet und eine große Schleuse gebrannt.
 

„Großer Gott.“ Keuchte sie erneut auf. Doch zu ihrer Erleichterung hatte ihr Retter augenscheinlich nichts abbekommen. Ihre Hilfe war flink, sehr geschickt und eindeutig todesmutig. Immer wieder hieb die große Echse nach seinem Gegner. Zweifelsohne würde ein Schlag genügen um dem Kampf ein Ende zu machen. Doch dieser Hieb blieb aus. Blut spritzte. Das Tier war geblendet. Rasend vor Zorn bäumte es sich erneut auf um nocheinmal die tödlichen Flammen zu versprühen. Nur dummerweise dieses Mal in ihre Richtung. Doch soweit kam es nicht.Flink stürzte sich die dunkle Gestalt auf den Drachen und schlitzte ihm die Brust auf. Das Biest schrie auf, ehe es tot in sich zusammenbrach.
 

Sayuri starrte wie in Trance den großen Leichnam an, als er sich nach ein paar Sekunden aufzulösen began. War es nun vorbei? War sie gerettet. Durfte sie nun endlich aufwachen?
 

Schritte kamen auf sie zu. Die dunkle Gestalt trat vor sie .Ein junger Mann. Vermutlich nicht viel älter als sie selbst. An seiner Hüfte war ein Schwert befestigt. In seiner Hand hielt er einen rosarot schimmernden Edelstein, den er in einem kleinen Beutel verstaute. Er beugte sich zu ihr herunter und sie starrte ihn an. Fahles Licht beleutete den Kampfplatz und sie sah in das selbe Gesicht, dass sie heute morgen schon einmal im Spiegel gesehen hatte. Sie war sich sehr sicher,dass es der selbe war. Aber wie war das möglich. Schwarze Haare und dunkle Augen.

Seine Lippen bewegten sich. Doch drangen die Worte nur gedämpft zu ihr durch. Sie sah ihn einfach nur an und begann plötzlich gänzlich unkontrolliert heftig zu zittern an. Er berührte sie an der Schulter und sagte wieder etwas. Noch immer hatte sie Mühe durch den Nebel in ihrem Kopf etwas zu verstehen.

Plötzlich richtete er seinen Blick zum Himmel und verdüsterte sich. Kurz darauf wurde es auf der kleinen frisch gerodeten Lichtung dunkler und ein etwas großes Weißes landete vor ihnen. Der junge Krieger ließ sofort ab von ihr und stellte sich dem neuen Gegner. Knapp neben dem weißen Ding krachte es abermals und Sayuri erkannte soetwas wie eine übergroße Kampfmaschine. Egal wie gut dieser Junge war – dagegen konnte er es unmöglich aufnehmen.
 

Zu ihrer Überraschung ging bei der Maschine eine Art Cockpit auf und jemand kletterte heraus. Auch von dem weißen Ding näherte sich eine verärgerte kräftige männliche Stimme. Doch konnte sie die Person nicht erkennen, da ihr Retter ihr die Sicht versperrte.
 

„Ryota. Was tust du hier?“ donnerte der unsichtbare Mann los. Anstatt eine Antwort zu geben, langte der Angesprochene in seine Tasche und hielt hielt demonstrativ den Stein hoch. Plötzlich war es ganz still auf der Lichtung. Was immer das auch war, es verschlug allen wohl für einen Moment die Sprache.
 

„Ryota...!“ wetterte der Mann los, als er von dem Blonden, der aus dem Kampfroboter in Sayuris Sicht herausgeklettert war, unterbrochen wurde
 

„König Van.“
 

„Was Allen?“
 

„Seht doch.“
 

„Was?“
 

Der Blonde zeigte auf sie und als ihr Retter nach einem kurzen Blick auf sie zur Seite trat gab er die Sicht für den König frei. Abermals verschlug es ihm wohl die Sprache.

„Aber das ist unmöglich...“ schnell trat der Mann an ihre Seite und beugte sich zu ihr herunter. Auch er hatte schwarze Haare und schöne warm braune Augen. Er schien in ihr etwas zu suchen und auch gefunden zu haben, denn er lächelte.
 

„Hab keine Angst. Du bist in Sicherheit.“Vorsichtig streckte er die Finger nach ihr aus und wischte behutsam eine Strähne von ihr weg. Und dann fühlt sie das, was sie die ganze Zeit vermisst hatte. Ein Gefühl von Wärme und Sicherheit. Die Anspannung fiel von ihr ab und sie hörte auf, so wahnsinng zu zittern.

„Wie heißt du?“ seine Stimme passte zu den freundlichen Augen.
 

„Sayuri.... Sayuri Kanzaki...“
 

„Hallo Sayuri. Ich bin Van. Van Fanel. – Sag mir Sayuri. Bist du vielleicht Hitomis Tochter?“
 

Sayuri nickte bloß zu Bestätigung.
 

„Verstehe. Sag Sayuri; hat dir deine Mutter etwas erzählt. Weißt du, wo du hier bist?“
 

Darauf wusste das junge Mädchen nicht zu reagieren. Es konnte schließlich unmöglich alles wahr sein. Es waren doch alles nur Märchen gewesen. Jeden Moment würde sie sicherlich aufwachen und alles wäre wie immer.

Ihr Blick zog am König vorbei zum nun großzügig freigelegten Himmel. Klar und deutlich sah sie die Erde und den Mond.

Wieder begann sie zu zittern.
 

„Ganz ruhig Sayuri. Ich werde dich jetzt von hier fort bringen. Nach Fanelia. Dort werden wir uns um dich kümmern. Du bist in Sicherheit, verstehst du das?“
 

Abwesend nickte Sayuri abermals. Vorsichtig hob der König das verletzte zitternde Mädchen in die Arme und trug sie zu dem großen weißen Drache, der im Abendlicht erstrahlte. Escaflowne. Schoss ihr durch den Kopf. Und offenbar hatte sie es laut ausgesprochen, denn der König lächelte.

„Ich hoffe, du hast keine Flugangst.“ Als er und Sayuri auf dem Rücken in seinen Armen gesichert hatte wandte er sich den beiden Zurückgebliebenen.
 

„Ryota. Wir sprechen uns nachher noch.“
 

„Wie ihr wünscht Vater.“
 

„Allen – sorge bitte dafür, dass Ryota keine weiteren Ausflüge unternimmt. Wir treffen uns in Fanelia“ damit hob Escaflowne ab.

Ryota ging ohne ein Wort zu sagen an Allen vorbei. „Na wunderbar.“ Seufzte der Ritter des Himmels und setzte dem Prinzen nach. Wieder einmal durfte er das Kindermädchen spielen. Welch ehrenvolle Aufgabe.

4

Als Sayuri mühsam die Augen öffnete, fand sie sich in einem großen und durchaus bequemen Bett

wieder. Ihre erste Erkenntnis; es war nicht ihres. Also hatte sie es wohl doch nicht geträumt, oder

etwa doch?
 

Vorsichtig versuchte sie sich aufzusetzen und bereute es einen Moment später auch schon

wieder. Ihr Kopf brummte und ihr wurde schwindelig. Ein zwei Atemzüge später hatte sie sich

wieder einigermaßen im Griff und sah an sich herab. Sie hatte einige blaue Flecken an den Armen.

Vermutlich zeichneten sich diese zusammen mit den vielen feinen Kratzern am restlichen Körper fort.

Nein - es war definitiv kein Traum gewesen. Es war real. Ihre Mutter hatte ihre Geschichten nicht

erfunden. Sie hatte ihr nur nicht glauben können.
 

Sayuri stellte fest, dass sie jemand umgezogen hatte. Doch war sie so vernebelt, dass sie sich nicht

daran erinnern konnte. Sie ließ ihre Blicke langsam durch das Zimmer wandern. Die Fenster waren

mit schweren Vorhängen teilweise zugezogen, sodass der Lichteinfall für ihren empfindlichen Kopf

genau richtig war. Vermutlich war es schon Mittag, schätze sie einfach mal vorsichtig.
 

Der Raum war edel eingerichtet. Die Möbel waren zwar relativ schlicht gehalten aber von hohem

Material und Qualität. Die Farbauswahl war passend zu dem hellen Holz eher in Rot- und Weißtönen

gehalten worden. Satte große Zimmerpflanzen rundeten das Ganze ab.
 

Sie vernahm ein Geräusch und ein junges Mädchen erschien aus dem angrenzendem Nebenraum,

den sie von ihrer Position nicht einsehen konnte.
 

„Oh. Wie schön. Ihr seid endlich aufgewacht.“ Begrüßte das Mädchen sie herzlich. Der Kleidung

nach zu urteilen wohl ein Dienstmädchen. „Wie geht es euch? Habt ihr Schmerzen oder

Schwindelanfälle?“
 

„Ein bisschen schwindelig noch. Aber es geht schon wieder. Danke.“
 

„Das ist schön zu hören, aber ihr sagt es mir, wenn es schlimmer wird. Darf ich euch vielleicht etwas

bringen?“
 

„Oh äh – naja – gerne etwas zu trinken, wäre gut.“ Etwas überfordert sah verfolgte Sayuri, wie das

Dienstmädchen zu einem kleinen Tisch eilte und ihr etwas Wasser in einen Becher füllte.
 

„Hier bittesehr. Es ist ganz frisch.“
 

„Äh – danke. Darf ich nach deinem Namen fragen?“ nippte Sayuri vorsichtig an ihrem Becher. Das

Wasser war wirklich gut. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie einfach nur sehr lange nichts mehr getrunken hatte, aber sie bildete sich ein, dass es besser war, als das Wasser aus dem heimischen

Hahn.
 

„Mein Name ist Melina.“ Stellte sich das Mädchen vor.
 

„Freut mich dich kennenzulernen Melina. Nenn mich doch bitte Sayuri."
 

Melina lächelte leicht und nickte dann zustimmend und Sayuri, die solch eine zuvorkommende Behandlung irgendwie unangemessen erschien, knurrte laut der Magen
 

„Ich werde jetzt etwas zu Essen organisieren und noch kurz die Heilerin vorbei schicken, dass sie sich nochmal die Wunden ansehen kann. Am Besten einfach im Bett liegen bleiben.“ Huschte das eifrige Mädchen davon.
 

Sayuri war nun wieder alleine. Ein Zustand, der nicht von allzu langer Dauer war, denn eine ältere Frau kam mit beladenen Armen zu ihr. Fachkundig untersuchte die Ärztin Sayuris Verletzungen und wechselte die Verbände an Kopf und den Füßen. Sie ermahnte ihre Patientin, noch keine größeren Spaziergänge durch den Palast zu unternehmen. Und sollte sie irgendwelche Beschwerden haben, sofort bescheid geben lassen. Denn mit ein einer gehirnerschütterung, mochte sie auch noch so leicht sein, war nicht zu Spaßen. Nachdem Sayuri ihr die Verprechen gegeben hatte, schien die Dame zufrieden und zog sich zurück, als schon ein Tablett hereinbalanciert wurde.
 

Jedoch war es nicht Melina, die sie mit köstlicher Suppe hier verwöhnte. Das Mädchen, dass ihr jetzt Gesellschaft leistete, begrüßte sich mit einem freundlich strahlenden Lächeln. Sayuri starrte sie für einen Moment nur an. Sie war schön - wie einem Gemälde entsprungen. Sie hatte lange seidenschwarze Haare, dunkelbraune Augen , blutrote Lippen und eine Haut wie Porzellan. Dazu trug sie ein rot schwarzes Kleid, was ihre helle Haut nur noch besser zur Geltung brachte. Das war mit Sicherheit keine Dienerin – oder etwa doch?
 

„Hallo. Sayuri nicht wahr?“ trat ihre Gegenüber näher ans Bett.
 

„Ja…“ ihre Offenheit verblüffte die Bettlägrige etwas. War Melina doch das genaue Gegenteil gewesen.
 

„Es ist schön dich kennenzulernen. Mein Name ist Amaya. Ich bin König Vans Tochter.“ Stellte sich die junge Prinzessin vor. „Er ist im Moment verhindert, sonst wäre er auch kurz vorbei gekommen um nach dir zu sehen.“
 

„Oh…das ist schon ok.“ Sayuri wusste nicht wirklich was sie eignetlich sagen sollte.
 

Amaya lächelte abermals „Wie fühlst du dich denn? Du sahst gestern ziemlich mitgenommen aus.“
 

Sayuri sah an sich herab. Überall die Flecken und Kratzer. Sie kam sich ein wenig schäbig vor neben Amaya. „Es geht schon, danke. Hab halt noch etwas Kopfschmerzen.“
 

„Das wird auch verheilen. Mara ist eine hervorragende Heilerin. Du bist bei ihr in guten Händen. Versprochen. Und jetzt solltest du was essen, bevor es kalt wird.“
 

Amaya reichte ihr eine Schüssel dampfender Suppe und etwas Brot. Es tat unglaublich gut, etwas in den Magen zu bekommen. Und köstlich zudem. Sie hatte schon fast aufgegessen, als ihr etwas einfiel.
 

„Was ist mit dem Jungen? Weißt du da reinzufällig etwas?“
 

„Welcher Junge?“
 

„Der, der mich im Wald vor diesem Drachen gerettet hat. Ich - mir will sein Name nicht einfallen. Ich glaube sie hatten ihn genannt...tut mir leid. " Sayuri ärgerte sich, weil ihre Erinnerungen sie so im Stich ließen. Sie wollte doch nur wissen, ob es ihm gut ging oder ob er auch etwas abbekommen hatte. nd eigentlich wollte sie sich nur noch bei ihm bedanken. Aber vermutlich wusste Amaya nicht, von wem sie sprach. Wie sollte sie auch. Sie war nicht dabei gewesen. Aber vielleicht könnte sie ja ihren Vater fragen oder vielleicht...
 

Amaya schien für einen Moment ernsthaft nachzudenken. „Sein Name ist Ryota.“ Ihre Augen verloren etwas an Glanz, während Sayuri erleichtert aufblickte. Sie wusste also doch, von wem sie sprach. „Und du musst dir keine Sorgen um ihn machen. Es geht ihm gut.“
 

„Ehrlich?“
 

„Ja. Der Kerl hat nicht mal einen Kratzer. Er hatte echt unverschämtes Glück.“ Dann lächelte sie wieder. „Ihr beide, wenn ich es recht bedenke.“
 

Wieder sah Sayuri abschätzend an sich herab. „Da hast du vermutlich recht.“
 

„Natürlich hab ich das. Das hab ich immer. Und jetzt iss auf, sonst wird sie noch kalt." lächelte die Prinzessin sie tadelnd.

5

Ihren ersten Tag in Fanelia verbrachte Sayuri fast ausschließlich im Bett und das gut und gerne schlafend. So konnte sich der Körper holen, was er nach der Ankunft hier so dringend benötigte. An ihre Träume erinnerte sich das Mädchen ausnahmsweise nicht. Eigentlich ein gutes Zeichen. Zumindest fand sie es so viel beruhigender als diese komischen Vorahnungen, die sie auf der Erde gehabt hatte.

Am nächsten Morgen ging es ihr schon besser. Ihre Beule protestierte zwar noch, aber lang nicht mehr so stark wie am Vortag. Der viele Schlaf, der Kräutertee, den man ihr gebracht hatte, die gute Versorgung hatten ihr wohl gut getan.
 

Vorsichtig schlupfte sie unter der Decke hervor. Vor dem Bett stand ein bequem aussehendes Paar Schuhe, die sie sogleich überzog. Ein wenig erinnerte es sie an diese Saunelatschen, die es im Billigladen um die Ecke gab. Sie hatte sich mal ein paar gekauft. Es war, als würde man darin auf Wolken gehen, so angenehm waren sie. Und es waren genau die richtigen Schuhe für ihre geschundenen Füße. Es war nicht so, dass sie Schmerzen hatte; treffender war die Bezeichung unangenehm. Es juckt und spannte.
 

Vorsichtig schlappte sie zu ihrem privaten Badezimmer hinüber, um sich ein wenig frisch zu machen. Sie schöpfte sich kühles Wasser ins Gesicht. Das prickelnde Nass auf der Haut erfrischte ihre Lebensgeister. Sie griff nach einem weichen Tuch, dass ihr bereit gelegt worden war und betrachtete sich im Spiegel. Unter ihrem Pony lugte ein weißer Verband hervor. Er verdreckte die immer noch leicht pochende Beule auf der Stirn. Ihre Haut blass, die Haare hingen zerstrubbelt und glanzlos an ihr herunter. Es würde bestimmt ein Kampf werden, die ganzen Knoten herauszubürsten. Sie seuftzte und sah sich um, ob sie irgendwo eine Bürste oder einen Kamm würde finden können. Das Badezimmer war, wie ihr angrenzendes Schlaf und Wohngemacht sehr geräumig und mit den feinsten Materialien ausgestattet. Das Herzstück des Bades, befand sich auf einer Anhöhe von 3 Stufen. Eine große quadratische Badewanne war dort eingelassen worden. Sayuri hatte sie bei ihrem ersten Badezimmerbesuch am Tag zuvor beinahe übersehen. Man musste ihr allerdings zu Gute halten, sie war müde, benommen und hatte eigentlich in dem Moment andere Dringlichkeiten zu erledigen, als den Minipool zu bewundern. Ein Versäumnis, dass sie jetzt nachholte. Das Becken war wirklich schön groß. Platz genug um zu entspannen bot sie auf jeden Fall. Am Rand standen verschiedene Fläschchen in verschiedenen Formen und Farben. Sie entkorkte eines davon und roch den lieblichen Duft, der dem Flakon entstöhmte.
 

„Möchtet ihr gerne ein Bad nehmen, Sayuri?“ so ganz konnte Melina ihre Förmlichkeiten wohl noch nicht ablegen.

„Guten Morgen, Melina.“ grüßte Sayuri sie. Sie war sich nicht sicher, was sie antworten wollte. Einerseits wollte sie in der Tat sehr gerne ein frisches und erholsames Bad nehmen. Aber ihre Hemmungen ließen sie nicht sofort antworten. „Nur wenn es keine Umstände bereiten würde.“ Antwortete sie schließlich etwas kleinlaut. Sie wollte wirklich nicht unnötig zur Last fallen.

„Natürlich nicht.“ flötete Melina fröhlich vor sich hin. „Ich werde mich sofort darum kümmern.“

„Danke dir.“
 

Das warme Wasser war wirklich unglaublich entspannend. Ihre Kratzer brannten zwar etwas, doch nichts ging über das schöne Gefühl, sauber zu sein. Melina hatte ihr noch erklärt, was sie in welchen Fläschchen fand und nachdem sie sich versichert hatte, dass Sayuri keine weitere Hilfe brauchte, legte sie ihr ein paar frische Tücher hin und entschwand um etwas zum ankleiden zu besorgen. Zudem brauchte Sayuri nach dem Bad frische Verbände und Salbe.

Sayuri war gerade dabei, ihr Haar zu trocknen und zu kämmen als das die junge Dienerin zurückkehrte. Sie überreichte ihr einem kimonoähnlichen Bademantel und teilte ihr mit, dass die Kleider unterwegs wären. Sie nahm Sayuri die Bürste ab und half ihr, dass helle Haar in Ordnung zu bringen. Dabei bewunderte sie neben der Länge auch die ungewöhnliche Farbe. Das erinnerte Sayuri ein wenig an zu Hause. Kaum hatte Melina die Bürste weggelegt, klopfte es am Türrahmen.
 

„Guten Morgen Sayuri.“ grüßte Amaya sie herzlich. „Melina. Du darfst jetzt gehen. Ich kümmere mich um alles Weitere. Danke dir.“
 

„Wie ihr wünscht Prinzessin.“ Melina verbeugte sich rasch und huschte aus dem Zimmer. Sayuri sah ihr nach.
 

„Wie geht es dir?“ erkundigte sich Amaya.
 

„Danke. Es geht mir besser. Die Kopfschmerzen sind fast weg.“
 

„Das freut mich zu hören.“
 

„Und trotzdem solltet ihr noch vorsichtig sein, Lady Sayuri.“kam die alte Heilerin um die Ecke geschossen. In den Händen hielt sie die frischen Verbände. Sayuri war etwas überrascht. Sie hatte in dem Moment gar nicht mit der Frau gerechnet. Vorsichtig schob sie Sayuri eine Strähne aus dem Gesicht und beäugte kritisch die blutig blaue Beule an der rechten Stirn. Amaya war auch näher getreten und sog scharf die Luft ein, als sie die ungeschönte Wunde sah.
 

Mara schüttete etwas Tinktur auf einen Bausch Watte und drückte sie an die Stirn. Sayuri sollte es kurz darauf halten, bis die Ärztin soweit war. Danach sah sie sich noch die restlichen Schnitte an, damit sie sich auch ja nicht entzündet hatten und legte auch an den Füßen noch mals je einen Verband an.

Als sie endlich zufrieden gestellt schien, verabschiedete sie sich und ermahnte die Mädchen eindringlich, es ja nicht zu übertreiben.
 

„Sie ist wirklich sehr fürsorglich.“ Lächelte die junge Prinzessin ihr hinterher. Sie zuckte mit den Schultern und wirbelte herum. „So – ich habe dir ein paar Kleider mitgebracht. Ich denke ich liege mit meiner Einschätzung richtig, dass wir beide ungefähr die selbe Statur haben sollten. Komm schon.“
 

Langsam tapste Sayuri hinterher und bestaunte die Kleider, die nun auf ihrem Bett lagen.
 

„Sie sind nichts Besonderes – aber für den Anfang sollte es reichen. Wenn du wieder fitter bist, werden wir einen Besuch auf dem Markt und bei der Schneiderin machen. So - Such dir eines raus. Ich helfe dir auch beim ankleiden, wenn du willst. Und danach gehen wir frühstücken.“
 

Sayuri entschied sich für ein langes dunkelgrünes Kleid mit kleinen Puffärmeln. Amaya half ihr noch, die Haare mit einem passenden Band zusammenzubinden und führte sie dann durch den Palast in Richtung Ess-Saal. Sayuri sah sich mit großen Augen um, als sie ihrer hoheitlichen Begleitung durch die vielen Gänge folgte.

Plötzlich vernahm sie einen Radau und starrte auf den Ursprung des Lärms.
 

„Kuro. Lilly.“ rief Amaya streng. Die beiden Kinder sahen auf. Und Sayuri war abermals überrascht. Katzenmenschen. „Ihr sollt doch hier nicht so rumtoben.“
 

„Tut uns leid Amaya.“ Tönte es aus den beiden Mündern gleichzeitig. Doch schon galt die Aufmerksamkeit Sayuri, die die beiden auch mit der wohl gleichen Neugier betrachtete.
 

„Wer bist du denn?“ fragte der Junge.

„Bist du das Mädchen, dass Ryota hergebracht hat?“ setzte Lilly gleich hinterher.
 

„Ryota hat sie nicht hergebracht. „ schnauzte der Junge seine Schwester an. „Das war doch Van.“
 

„Aber Ryota hat sie doch vor dem Drachen gerettet. So wars doch oder?“ Die beiden tigerten um sie herum und studierten sie aufmerksam, während sie weiter am diskutierten, was genau an dem Abend geschehen war.
 

„Das sind Kuro und Lilly. Sie sind Merles Kinder. Beachte sie nicht weiter.“ riet Amaya der überforderten Sayuri. „Sie haben nichts als Flausen im Kopf.“
 

„Hey!“ tönte es von den Zwillingen wieder wie aus einem Munde.
 

„Wollt ihr es denn ernsthaft abstreiten? Was macht ihr eigentlich hier? Ihr solltet och inzwischen auch schon längst beim Frühstück sitzen.“
 

„Ja. Wir wollten aber gucken…“ begann Kuro „… wo du solange bleibst, Amaya.“ ergänzte Lilly.
 

„Achso. Na dann kommt.“
 

___
 

„Guten Morgen zusammen. Entschuldigt bitte – es hat etwas länger gedauert.“ begrüßte Amaya die Wartetenden. König Van stand lächelnd auf und grüßte die beiden Mädchen herzlich.
 

„Sayuri. Schön dich zu sehen. Wie geht es dir inzwischen?“
 

„Besser, danke.“ Antwortete Sayuri noch etwas schüchtern. Sie spürte, wie sie die Blicke auf sich zog.
 

„Das freut mich zu hören. Darf ich kurz vorstellen? Dies ist Ritter Allen Shezar. Kommandant des Crusadors und ein guter Freund.“ Allen verbeugte sich vor ihr und küsste die Hand. Ganz der Chaumeur aus früheren Zeiten. „Und das ist Merle. Meine wohl engeste Vertraute.“
 

„Hallo Sayuri. Schön, dich kennenzulernen.“ Grüßte die Merle sie. Sayuri nickte der schönen Katze mit den langen rosafarbigen Haaren lächelnd zu. Neben ihr saß ein Kater mit weiß schwarzen gestreiften Haaren.
 

„Und das ist ihr Gefährte Shirou. Kuro und Lilly hast du ja bereits auf dem Gang kennengelernt.“ Die Rabauken stritten sich gerade um ein Brötchen. Doch Sayuris Aufmerksamkeit galt der letzten Person im Raum. Ein Junge gänzlich in Schwarz gehüllt. Er schien sich nicht groß um das Geschehen um ihn herum zu kümmern.
 

„Und dieser Grieskram da…“ stürzte sich Amaya auf ihn. „… ist Ryota.“
 

„Lass das Amaya.“ Zischte dieser genervt seine Schwester an, als sie ihn von hinten umarmte und sich an seine Backe drückte. Mit einer knappen Bewegung hatte er sich von ihr befreit und streifte sie kurz mit einem strafenden Blick. Sie zog sich unmerklich ein Stück zurück, als hätte er ihr einen Schlag verpasst. Eigentlich wusste sie ja, wie wenig er das ausstehen konnte und trotzdem...
 

Etwas verblüfft von der heftigen Reaktion starrte Sayuri den schwarzen Prinzen an. Sein Blick wanderte von seiner Schwester nun zu ihr. Amayas Augen strahlte soviel Wärme aus. Doch die ihres Bruders waren so ganz anders. Tiefer, härter, kälter und es lag etwas in ihnen, dass sie nicht verstand. Es war, als könnte sie dort tatsächlich in die Abgründe einer Seele schauen. Sayuri fühlte sich plötzlich sehr unwohl, doch konnte sie ihren Blick nicht von seinem abwenden. Dieses Unbenennbare hielt sie gefangen. Dann wandte er sich jedoch von ihr ab und erhob sich. „Entschuldigt mich bitte.“ Murmelte er und wollte gerade den Saal verlassen.

„Wohin willst du Ryota?“ fuhr ihn sein Vater mit scharfem Unterton an.
 

„Trainieren.“ Antwortete der Prinz einsilbig und verließ den Raum. Jedoch nicht; ohne der Runde noch einmal einen Seitenblick zuzuwerfen. War es Zorn, dass sie aufblitzen sah?

Van sah seinem Sohn nachdenklich hinterher. Für einen Augenblick waren die Gespräche unterbrochen. Amaya seufzte kaum hörbar. Sie sah plötzlich so traurig aus.
 

„Setz dich doch Sayuri.“ brach Merle die unheimliche Stille, die sich über den Raum gesenkt hatte. Ihre Stimme riss alle aus ihrer Trance und sofort wurde dem Mädchen ein Stuhl zurechtgerückt und ein Teller bereitgestellt.
 

Van schien noch abwesend. Schließlich fing er den Blick seiner Freundin auf und nickte ergeben. Und auch Amaya hatte ein Teil ihres Leuchtens eingebüßt.

Sayuri war dies nicht entgangen, entschloss sich aber, besser nicht nachzufragen. Was immer hier auch los war - jetzt war nicht der passende Zeitpunkt neugierig zu sein.

6

Nach dem Essen beschlagnahmte Amaya ihre neue Freundin sofort wieder. Sie wollte ihr ein wenig den Palast zeigen.
 

Van hatte nichts dagegen einzuwenden. Schließlich waren sie hier sicher, falls etwas sein sollte.
 

Lilly und Kuro waren nach dem Essen auch sofort wieder verschwunden und Allen zog es hinaus auf den Trainingsplatz. Wahrscheinlich würde er dort auch Ryota antreffen. Das hieß natürlich, wenn er sich überhaupt noch im Palast aufhielt.
 

Van seufzte schwer. Merle betrachtete ihn mit einem vielsagenden und wissenden Blick. Sie war in den vergangenen Jahren immer an seiner Seite gewesen. War mit ihm durch Höhen und Tiefen gegangen.
 

Es war nicht leicht gewesen, nach all den Geschehnissen der Vergangenheit nach vorne zu sehen und Fanelia neu erblühen zu lassen. Zumal Hitomi ein großes Loch in seinem Herzen hinterlassen hatte. Auch wenn er ungern darüber gesprochen hatte, so wusste Merle doch von seiner Sehnsucht nach ihr. Mehr als einmal hatte sie sich gefragt, warum er sie nicht einfach wieder holen. Doch sie hatte ihr eigenes Leben auf dem Mond der Illusionen. Familie, Freunde.
 

Aber er war wenigstens nicht alleine. Und auch wenn es lange gedauert hatte, so hatte er es akzeptiert. Und dann – lernte er Nozomi kennen. Eine wunderschöne, kluge und starke Frau, die ihn und ein ganzes Königreich eroberte.
 

Sie heirateten und bald darauf wurden Ryota und Amaya geboren. Das Glück schien perfekt und Fanelia wuchs. Und mit ihm die Aufgaben, denen sich Van sich zu stellen hatte. Doch Nozomi hielt ihm immer den Rücken frei. Sie kümmerte sich um die Kinder und gab Van den Ausgleich, den er brauchte. Sie war eine wundervolle Frau und eine würdige Königin. Bis sie starb.

Es war ein schwerer Schlag und ein großer Verlust. Das ganze Reich trauerte. Doch am schlimmsten hatte es wohl Ryota getroffen. Er hatte lange Zeit mich sich zu kämpfen und war seit jenem Tag vollkommen verändert. Er zog sich zurück - verschloss sich vor so ziemlich jedem. Und Van hatte das ungute Gefühl, er würdebald vollkommen abdriften.
 

In der Nacht als Sayuri auf Gaia ankam, war es erneut zu einem Streit zwischen Vater und Sohn gekommen. Und wie die vielen Male davor, war es eskaliert. Mit ziemlicher Sicherheit war dies auch nicht das letzte Mal. Doch es setzte Van sehr zu.

Er sorgte sich doch nur um Ryota und wollte das Beste für den Jungen. Doch er fragte sich immer wieder, ob er wirklich richtig handelte. Wenn er doch nur nicht so unglaublich stur wäre.
 

„Er beruhigt sich schon wieder.“ Erriet Merle seine Gedanken. Aus dem aufgeweckten, chronisch eifersüchtigen Katzenmädchen war inzwischen auch eine verständnisvolle und einfühlsame Mutter geworden. Sie versuchte regelmäßig zwischen den beiden zu vermitteln. Stieß aber selbst immer wieder auf eine Wand.
 

„Merle....“
 

„Komm schon Van. Du warst früher auch ein Hitzkopf, wenn ich dich daran erinnern darf. Er kommt eben nach dir. Was erwartest du?“
 

„Dass er sich an die Regeln hält. “
 

„Als hätte der große Van Fanel sich immer an die Regeln gehalten.“
 

Van warf ihr einen bösen Blick zu, doch es ließ sie kalt. Van konnte sie nicht einschüchtern. Dafür kannte sie ihn schon zu lange.
 

„Er hätte sterben können“
 

Ihrem Blick konnte er nicht standhalten. Er selbst war auch schon mehr als einmal dem Tode geweiht gewesen, wenn nicht Hitomi gewesen wäre.
 

„Was er getan hat, war dumm und gefährlich.“ wetterte der König der Sturköpfe trotzig weiter.
 

„Das mag sein. Aber wäre er nicht dort gewesen, dann wäre Hitomis Tochter jetzt Drachenfutter. “
 

Das war das Argument, dass er eigentlich nicht hören wollte. Schließlich hatte sie Recht. Nichtsdestotrotz hatte er gegen die Anweisungen wieder einmal den Palast verlassen. Wie sollte das nur weitergehen. Vor allem jetzt, da er zu allem Überfluss auch noch den Herzstein hatte um seinen eigenen Guymelef zu aktivieren.

„ Na kommt schon Hoheit.“
 

„Wahrscheinlich hast du Recht.“
 

„Das habe ich immer.“ Überlegen leckte Merle ihre Krallen. Doch für diesen Kommentar fing sie sich einen zweifelnden Blick ein, welchen sie mit einem frechen Grinsen beantwortete.
 

Sein Blick wanderte zu dem blauen Planeten, der diese Tage wieder sehr gut zu sehen war und griff an seinen Anhänger. Es war schön zu hören, dass es Hitomi gut ging. Dass sie ihn nicht vergessen hatte. Er schwor sich, dass er gut auf Sayuri achten würde, bis auch sie wieder zurückkehren würde. Und er war sich sicher, dass sie das tun würde.
 

___
 

So - sorry, dass es länger gedauert hat. Ist auch etwas kurz geworden - sollte nur so ein Zwischenkapitel sein. Hatte ein paar PC Probleme und ich muss zugeben, war heute etwas Ideenfaul weiter umzuschreiben. Sonst wäre es sicherlich auch mehr geworden.

7

Shame on me... habs vergessen hier hochzuladen...
 

Kommt sofort :-)
 

____
 

Es war früher Nachmittag und der Markt war gut besucht. Seit ihrer Ankunft waren inzwischen 10 Tage vergangen und Sayuri hatte sich soweit erholt, dass sie die Palastmauern nun auch mal von außen bewundern durfte. Doch hatte Mara sie und Amaya mehrfach ermahnt es nicht zu übertreiben und nicht zu lange weg zu bleiben.
 

Aber es gab soviel zu sehen. Nicht nur die angepriesenen Waren und Düfte beeindruckten die Besucherin. Es waren vor allem die Menschen: War sie im Palast bisher eigentlich nur Zeugin von der Existenz von Katzenmenschen geworden, so staunte sie nun über die Wolfsmenschen, Fischmenschen und Menschen, die Echsen ähnelten. Nicht wenig beeindruckend waren die Tiere, die sie in den Gassen antraf. Verschiedene Arten von Reittieren angefangen von einem kurios aussehendem schlanken Elch ohne Geweih bis hin zu einer sehr interessanten Mischung aus Pferd, Hyäne und Raubkatze. Sie war erschrocken zurückgewichen, als eines dieser Tiere ihren Weg kreuzte und wäre um ein Haar gefallen. Sie waren groß kraftvoll und sehr majestätisch. Diese gefielen ihr besser als die Elche.

Zwischendurch erhaschte sie auch ein vertrautes Geschöpf in Form einer herumstreunenden Katze, die, so schien es ihr zumindest aus der Ferne, normal aussah.

An einem Stand kletterte ein kleiner Lemur herum und klaute sich ein paar sehr süß aussehende Früchte. Die Mädchen konnten sich ein verstohlenes Kichern nicht verkneifen.
 

Ein wenig erinnerte Sayuri das Getümmel an einen Basar auf der Erde. Ein Gefühl von Heimweh kroch ein wenig in ihr hoch. Sie hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen. Doch wusste ihre Mutter doch sicherlich, wo sie war. Und dass sie hier in Sicherheit war. Das war auch der Grund, warum sie auch nicht sofort wieder zurückkehrte. Sehr zur Freude von Amaya. Immer schon hatte sie sich eine Schwester gewünscht. Jemanden mit dem sie sich austauschen, Gedanken und ihre Begeisterung teilen konnte, ohne geneckt zu werden oder damit zu rechnen, dass jemand bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit vor ihr kuschte. Nun schien es so, als hätte sich ihr Wunsch erfüllt.
 

„Der ist schön. Er würde sehr gut zu deinen Augen passen.“ Hielt Amaya Sayuri einen grünen leichten Stoff hin, der im Licht schimmerte. Bewundernd griff die Angesprochene nach dem zarten Tuch. Die Prinzessin hatte recht. Er war wirklich wunderschön. Aber sehr teuer, was Amaya allerdings nicht wirklich davon abhielt zuzuschlagen.
 

„Du wirst super darin aussehen auf dem großen Fest.“ Flötete sie fröhlich.
 

„Welches Fest?“ wurde Sayuri plötzlich aus ihren Gedanken gerissen.
 

"Das Fest zur Feier zum Jahrestag des Wiederaufbaus Fanelias. "
 

„Oh….“ Sayuri war verwirrt und etwas mit dieser Information überfordert.
 

"Keine Sorge. Es wird dir sicherlich gefallen. Es gibt viele Straßenfeste und ein Feuerwerk. Ganz viel leckeres Essen und gute Unterhaltungsshows."
 

"Das klingt toll." Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Obwohl sie nicht bestimmen konnte, woher es kam. Das ganze hatte sicherlich einen großen Haken, der ihr sicherlich nicht so ganz schmecken konnte.
 

"Oh - das ist es auch. Höhepunkt der Veranstaltung wird ein Duell verschiedener Kämpfer mit ihren Guymelefs sein. Und am Abend ist eben das große Fest. Der gesamte Hochadel wird sich bei uns einfinden und essen und mit uns feiern. Es ist super.“
 

Da war er. Der Haken. Sayuri spürte wie ihr Herz nun endgültig in die Hose rutschte. Van hatte ohne zu zögern Türen und Tore zum Palast geöffnet und sie in ein atemberaubendes Zimmer einquartiert. Sie hatte eine persönliche Zofe, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen würde. Sie schlenderte mit der Prinzessin mit einem Kleid ebenjener durch die Straßen Fanelias, auf einem Planeten von dem sie dachte er wäre nur eine Geschichte, als wäre es das normalste von der Welt. Was es für sie einfach nicht war. Sie gehörte nicht hierher. Die Welt war ihr so fremd und sie wollte sich oder ihre Gastgeber auf keinen Fall blamieren vor den anderen Adelshäusern, die sich dort offensichtlich einfinden würden. Ihr wurde auf einmal so anders.
 

„Hey? Ist dir nicht gut?“ Amaya klang nun alarmiert.
 

„Ja – nein… ich weiß nicht. Es ist nur…“ stammelte Sayuri. Sie war plötzlich vollkommen eingeschüchtert. Sie holte tief Luft um einen klaren Verstand zu bekommen. „Es ist nur....das alles hier. Ich meine, ich bin doch nur ein ganz normales Mädchen, das durch einen dummen Zufall hier gelandet ist. Ich habe doch nichts besonders getan und ich habe auch keine besonderen Fähigkeiten wie meine Mutter… ich… Was tu ich hier eigentlich Amaya? Ich weiß von diesem Land doch rein gar nichts. Was ist wenn ich… irgendwas … Dummes tu? Ich will euch nicht blamieren… ich… ich sollte eigentlich gar nicht hier sein. “
 

Amaya legte ihr sanft die Hände auf die Schulter. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie Sayuri wohl doch überfordert hatte. Nach ein paar Minuten hatte Sayuri sich wieder beruhigt. Amaya reichte ihre ein Tuch.
 

„Es tut mir leid Sayuri. Ich wollte dich nicht so überrumpeln. Ich habe mir nur schon so lange eine Schwester wie dich gewünscht und… bitte geh nicht. Es wird dir gefallen. Da bin ich mir ganz sicher.“
 

„Aber was soll ich denn dort? Was soll ich denn da mit jemanden reden?“
 

„Die meisten halten sich sowieso viel zu wichtig – da musst du gar nicht reden. Du musst nicht mal wirklich zuhören. Und bei dem Rest – sei einfach du selbst. Dann wird schon alles gut gehen. Ich meine, du hast genug Gesprächsstoff um nicht zu langweilen. Schließlich bist du seit Jahren die erste Besucherin, die Neuigkeiten vom Mond der Illusionen bringt. Vater und ich haben auch ein Auge auf dich.“ Amaya grinste schelmisch. „Außerdem wirst du sicherlich pflegeleichter sein, als Merles Zwillinge. Du hättest mal das letzte Fest erleben sollen. Ich sag’s dir… mit denen wird es nie langweilig.“
 

„Sie sind auch dabei?“
 

„Aber klar. Sie gehören schließlich irgendwie mit zur Familie.“
 

Nun konnte auch Sayuri wieder lachen. Sie vertraute der jungen Adligen. Es war nur dieser Augenblick in dem sie sich vollkommen überfordert gefühlt hatte. Aber sie waren alle so gut zu ihr. Bestimmte hatte sie recht. Es würde schon schief gehen.
 

„So gefällst du mir schon besser.“ Freute sich Amaya. „So – und jetzt suchen wir uns noch ein bisschen Schmuck für die Festlichkeiten und dann geht’s auf zur Schneiderin.“
 

Der Marktbummel war am Ende doch länger ausgefallen als eigentlich geplant. Doch die Zeit war so schnell vergangen und sie hatten so viel Spaß gehabt. Die Mädchen waren kurz vor den Toren zum Palast, als ein dunkler Schatten über sie hinweg glitt.
 

„Ich glaubs ja nicht. Er hat ihn wirklich aktiviert.“ Staunte Amaya laut.
 

„Was ist los?“
 

„Das ist Ryota. Los komm mit.“ Sayuri verstand zwar nicht, was los war, doch folgte sie ihr ohne weiter zu fragen. Amaya steuerte einen großen Hof an, wo derzeit Allen mit seinem Guymelef standen. Einweiterer setzte gerade zur Landung an. Er war beeindruckend. Die Kampfmaschine war eher in dunklen um nicht zu sagen schwarzen Tönen gehalten. Ein rot glühender Stein auf der Brust war der einzig farbliche Akzent. Die Engelsflügel auf dem Rücken des Guymelefs verwandelten sich zu wehenden Umhang. Sayuris Blick schweifte über den todbringenden Anderthalbhänder und ein Frösteln jagte ihr den Rücken hinunter.
 

„Beeindruckend nicht wahr?“ flüsterte Amaya ihr zu.
 

„Ja. „
 

„Das ist Tenshi. Vater hat ihn extra für Ryota bauen lassen. Wahnsinn, dass sie es wirklich geschafft haben.“ Sie starrten hinüber zu dem schwarzen Riesen. Mit einem Zischen öffnete sich plötzlich die Brust und gab den Blick auf das Cockpit frei, aus dem nun Ryota geklettert kam.
 

„Dann wird er jetzt wohl auch an dem Wettbewerb teilnehmen.“ Murmelte die Prinzessin mehr zu sich selbst ohne den Blick von ihrem Bruder zu nehmen, der gerade etwas mit Allen diskutierte.
 

„Amaya?“
 

„Entschuldige bitte. Ich war gerade in Gedanken.“ Komm – wir bringen den Einkauf jetzt besser mal auf die Zimmer.“
 

Sayuri sah ihrer Freundin nach. Etwas stimmte nicht. Es war ihr schon am ersten Tag aufgefallen. Immer wenn es um Ryota ging, wurde das Thema gewechselt. Etwas beschäftigte die junge Prinzessin. Und nicht nur sie. Alle schienen etwas vorsichtig zu sein, sobald es um den jungen Thronfolger ging. Sie selbst hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu Reden. Seit dem Frühstück vor wenigen Tagen hatte sie den Jungen kaum zu Gesicht bekommen. Doch irgendwas war da. Auch diese harten Augen…

Hatte es etwas mit dem Tod ihrer Mutter zu tun gehabt? Amaya hatte einmal eine Andeutung fallen gelassen, war aber nicht näher darauf eingegangen.
 

Sayuri warf noch einmal einen nachdenklichen Blick zurück. Er schien ihre Blicke zu spüren, denn er drehte seinen Kopf in ihrer Richtung. Sie hielt ihm für einen Moment stand und beeilte sich dann, Amaya zu folgen.
 

____
 

Zu der Beschreibung mit dem Hyäne-Pferd-Raukatzending... ich fand ein Bild einfach so klasse, dass ich versucht habe, dieses "Pferd "zu beschreiben
 

http://keichama.deviantart.com/art/Escape-from-Adon-96430238

8

Mara war nicht begeistert gewesen, dass die Mädchen so lange in der Stadt unterwegs gewesen waren. Sayuri hätte ohne weiteres zusammenbrechen können, machte sie der jungen Prinzessin ein schlechtes Gewissen.

Nachdem Sayuri ihr aber mehrmals versichert hatte, dass es ihr gut ginge, beruhigten sich die Gemüter wieder. Und als sie ihre Ausbeute auf dem Bett verteilten, war Mara schon fast wieder vergessen.
 

Doch achtete Amaya etwas mehr auf ihre Freundin, als sie die darauf folgenden Tage wieder auf dem Markt unterwegs waren.
 

Nebst den regelmäßigen Stadtbummeln lernte Sayuri ein wenig die Gebräuche am Hofe kennen. Prägte sich Namen und Titel ein. Versuchte sich zu merken, mit welcher Gabel man nun den Salat essen durfte und übte die richtige Begrüßung mit entsprechendem Knicks.

Einen Tag lang hatte die Schneiderin sie in Beschlag genommen uns sie von oben bis unten aus allen Winkeln vermessen.

Was nicht einfach war, da die Katzenzwillinge einmal mehr ihrem Ruf als Chaosstifter gerecht wurden.
 

Der Tag des Festes näherte sich. Die ersten Besucher trafen ein; darunter auch Milerna. Nur all zu gern schloss sie sich Amaya und Sayuri an, wenn es darum ging, einkaufen zu gehen.

Inzwischen hatten sich die Straßen verändert. Alles war penibel gefegt und geschmückt worden.

Die Stände erscheinen plötzlich gewachsen zu sein. Immer mehr Menschen drängten durch die Stadttore hinein. Köstliche Düfte führten die Drei von einem Stand an den anderen.
 

Van rümpfte die Nase, als sie mit kleinen Bergen an Naschereien und Süßkram nach Hause kamen. "Wenn ihr so weiter macht, dürft ihr noch ein bisschen mehr Stoff für eure Kleider besorgen." Grinste er schelmisch und erntete von seiner Tochter einen unschönen Stoß in die Rippen.
 

Allen konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. "Erwähne niemals das Gewicht oder das Alter einer Frau. Hast du dass denn immer noch nicht gelernt Van?"
 

"Ach halt den Mund Allen." Rieb sich der König schmerzhaft die Seite. "Wie läuft es bei Ryota? Ich hab ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen."
 

"Der Junge ist verdammt gut. Er und Tenshi sind zu einer perfekten Einheit geworden. Ich muss gestehen; am Anfang als ich ihn gesehen habe, war ich ja etwas skeptisch. Aber inzwischen muss doch gestehen, ich bin ein wenig neidisch auf diesen Guymelef. Er ist ein echtes Meisterwerk Van. Mein Kompliment.“
 

Van nickte gedankenversunken. "Hat er Chancen bei dem Wettkampf?"
 

"Wenn er konzentriert genug ist und sein Temperament nicht wieder mit ihm durchgeht, sehe ich ihn als Sieger. Er hat einen bemerkenswerten Kampfstil, wie ich ihn nur selten erleben durfte. Allerdings ist er wie du damals immer wieder etwas kopflos. Wenn er das noch in den Griff bekommen würde – sehe ich kaum eine Konkurrenz von außen."
 

"Verstehe. Du wirst auch mitmachen, wenn ich Sherazade so sehe..."
 

"Ich denke es würde mit Sicherheit ein Spaß werden. Werde es aber wohl spontan entscheiden.“
 

„Das würde es sicherlich. Was ist mit euch Hoheit?“
 

„Um Gottes Willen. Nein. Ich habe mir geschworen, nicht mehr mit Escaflowne zu kämpfen. Es sei denn, es ist unbedingt notwendig.“
 

„Du vermisst es trotzdem, nicht wahr Van?“
 

„Das kämpfen? Eigentlich nicht. So ist es mir sehr viel lieber. Wobei – wir haben schon sehr lange nicht mehr miteinander duelliert.“ Lachte Van und schweifte ab. Er ging seinen Erinnerungen nach und Allen wusste, woran sein Freund gerade dachte. Es war eine grausame Zeit gewesen. Er hatte das nur denkbar schlimmste durchgemacht. Er hatte seine Eltern und seinen Bruder verloren, sein Reich war bis auf die Grundmauern zerstört. Immer wieder musste er um sein und das Leben seiner Freunde kämpfen.
 

Van war einfach erstaunlich. Wenn er an den aufbrausenden Jungen dachte. Den Krieg, den Tod, den Verrat…. egal wie oft er gefallen ist, immer wieder war er aufgestanden mit der Hilfe seiner Freunde.

Sie haben zusammengehalten, auch wenn es nicht immer danach ausgesehen hatte. Sie konnten in der schweren Zeit immer wieder lachen und sich gegenseitig Mut machen. Und daher war es so gesehen auch eine sehr sehr schöne Erinnerung. Denn zwischen ihnen allen hatte sich dadurch eine tiefe Verbundenheit entwickelt, die sich mit der Zeit immer fester verwurzelt hatte. Eine Freundschaft, die sogar Welten überwand.

Auch wenn die wohl ungewöhnlichste Mitstreiterin nie zurückgekommen war. Doch die Liebe, die sie für sie empfand, war immer noch da. Das zumindest hatte man aus Sayuris Berichten entnehmen können. Und sie beruhte auf Gegenseitigkeit. Nach wie vor und für alle Zeiten.
 

Er riss sich aus seinen Gedanken los. „Ich werde jetzt Serena abholen gehen. Sie wird sicherlich schon warten. Und du weißt ja, wie Frauen reagieren können. Ich will sie besser nicht verärgern“
 

Van, nun auch wieder zurück in der Gegenwart, nickte zerstreut. „Nein. Ok – geh nur. Ich lasse ein Zimmer bereit machen.“
 

„Ich danke euch Hoheit.“ Deutete Allen eine kurze Verbeugung an und verschwandt.

9

Am Tag des Festes war reges Treiben, wo man auch hinsah. Sayuri streckte sich müde. Ihr kam es so vor, als wäre die Nacht viel zu kurz gewesen. Vielleicht lag es ein wenig daran, dass sie mit Amaya wieder kein Ende finden konnte.
 

Melina hatte ihr schon ein Bad einlaufen lassen. Das angenehme Nass half ihr dabei, ein die müden Knochen in Gang zu setzen. Als sie mit dem weichen Schwamm über ihre Haut glitt, stellte sie zufrieden fest, wie gut alles verheilt war. Von den Kratzern war nichts mehr zu sehen und auch die Flecken waren zum größten Teil verblasst. Einzig und allein die Beule an ihrem Kopf war noch immer präsent. Doch durch ihren Pony und den langen Haaren, fiel sie gar nicht auf.
 

Das gemeinsame Frühstück blieb an diesem Tag aus und snackte Sayuri nur eine Kleinigkeit, während Melina ihr die Haare trocknete.
 

Kaum hatte sie den letzten Bissen heruntergeschluckt half ihr Melina auch schon dabei sich das aufwendige Stück Stoff anzuziehen. Das Kleid, dass Amaya hatte für sie schneidern lassen, war ein echter Traum. Es war schlank geschnitten und schulterfrei. Der obere Teil war in einem zarten grün gehalten und fiel asymmetrisch in den weißen Rockteil über.

Sobald Melina sie fertig geschnürt hatte, legte sie ihr ein weiß silbernes Collier um den Hals und band zwei Strähnen zu einem einfachen Zopf im Nacken zusammen.
 

Als Sayuri vor den Spiegel trat stockte ihr der Atem. Sie konnte kaum glauben, dass das Mädchen, das sie nun ansah, ihr zweites Ich wiedergab. Amaya hatte wirklich ein Händchen dafür, das Beste aus ihr herauszuholen.
 

Es klopfte sachte an der Türe und Amaya trat ein. „Bist du fertig? OHHHH!!!!!!!!!!! Sayuri – du siehst unglaublich aus.“
 

„Danke – du aber auch.“
 

Amayas Augen glühten vor Freude. Sie trug ein elegantes Corsagenkleid in schwarz weiß rot. Dazu passenden Schmuck und wie Sayuri auffiel ein schlichtes aber wirkungsvolles Diadem.
 

„Na dann – bist du soweit? Du wirst mit uns zum Festplatz gehen. Die Parade wird dir sicher gefallen. Ich hoffe nur, dass du schwindelfrei bist.“
 

Sayuri sah ihre Freundin fragend an doch diese lächelte nur geheimnisvoll.
 

Sie begaben sich in den unteren Teil des Palastes den Sayuri noch nicht kannte und fanden sich in einer reisengroßen Halle wieder. Van wartete vor Escaflowne auf die beiden und lächelte, als die Schönheiten sich näherten. Auch er hatte sich in Schale geworfen. Staatskleidung mit herrschaftlicher Krone und wehendem Umhang. So hatte sich Sayuri einen echten König immer vorgestellt.
 

„Wo ist Ryota?“
 

„Der ist schon draußen.“ Deutete Van mit seinem Kopf in Richtung Ausgang.
 

„Dann wird er wirklich am Wettbewerb teilnehmen?“
 

„Als hätten wir die Macht es ihm auszureden. Aber ich kann ihn auch irgendwie verstehen. Vielleicht sollte ich doch auch mitmachen.“
 

„Du? Mit Escaflowne? Das wäre ziemlich unfair, meinst du nicht?“ tadelte ihn seine Tochter skeptisch. Schließlich war der weiße Drache der wohl ungewöhnlichste aller Guymelefs. Und Van war ein mehr als würdiger Pilot, mit viel Erfahrung und ungeheurem Talent im Umgang mit dem Schwert. Auch wenn er nicht mehr mit dem Hüter Fanelias sich auf die Gegner stürzte, so hatte er im Laufe der Zeit das Training mit Allen jedoch nicht vernachlässigt und war zu einem ebenbürtigen Konkurrenten geworden. Mit Allen und nach Aussagen zu folge auch mit Ryota haben die Duellanten schon genug Probleme.
 

„Vielleicht ein bisschen. Seit ihr beiden soweit?“
 

Sayuri ließ den Blick über den riesenhaften weißen Guymelef streichen. Als sie ihm im Wald gesehen hatte, war sie viel zu verstört gewesen, um ihn richtig zu begutachten. Aber er entsprach soweit genau den Ausführungen ihrer Mutter.
 

Van lächelte als sie ihre großen Augen sah. Ganz Hitomi – dachte er bei sich und kletterte hinauf. Er gab einen der Soldaten dass er soweit sei und berührte den Herzstein. Dieser fing unter seiner Hand an zu leuchten und gab den Weg ins Cockpit frei.
 

___
 

Sayuri schlug das Herz bis zum Halse. Es war das erste Mal, dass sie bewusst auf Escaflowne flog. Unter ihr die Stadt Fanelia, die ihnen zujubelte. Es war ein großartiges Gefühl. Van erklärte ihr, dass die Kämpfe der Guymelefs außerhalb der Stadt in einer Arena stattfanden. Unter ihnen befand sich eine Prozession anderer Guymelefs aus allen geladenen Reichen. Die Piloten entsendeten Van einen Gruß der majestätisch über sie alle hinweg glitt. Und da plötzlich tauchte ein Schatten im rechten Augenwinkel über ihnen. Die Drei sahen nach oben. Neben ihnen war Tenshi aufgetaucht. Ryota steuerte seinen schwarzen Kampfengel parallel zu Escaflowne. Unter ihnen brach tosender Beifall aus als sie sich dem Schauplatz in dieser beeindruckenden Weise näherten.
 

Die königlichen Guymelefs setzten zeitgleich auf den Boden auf und gaben den Blick auf die Familie und Sayuri frei.

Ein unbeschreibliches Gefühl überkam Sayuri. Die vielen vielen Menschen die ihnen zujubelten, ließen sie für einen Moment erstarren ehe sie sich von der Freude und dem Glücksgefühl übermannt wurde. Amaya und sie winkten fleißig, während Ryota auf dem Guymelef nebenan dem ganzen Spektakel nur knappe Grüße entgegen bringen konnte.
 

Die Kleider hatten einen ganz entscheidenden Nachteil – so schön sie auch waren, sie waren äußerst unpraktisch bei Kletteraktionen. Hätte Van Sayuri nicht die Hand zur Hilfe gereicht, hätte sie Escaflowne äußerst unelegant verlassen. Was vermutlich auch zu weiteren Schmerzen geführt hätte, auf die sie bis auf weiteres eigentlich gut verzichten konnte.
 

Der König Fanelias nahm seinen Platz auf der großen Tribüne ein. Sayuri und Amaya und sogar Ryota an seiner Rechten. Allen, Dryden, Milerna und Merle mit ihrer Familie erschienen an seiner Linken. Ein rein formelles Aufstellen der Kämpfer vergangener Zeit. Einzig und allein Hitomi fehlte. Dafür war aber ihre Tochter anwesend. Und diese war ein bisschen stolz darauf.
 

Nach einer zeremoniellen Ansprache und einer Schweigeminute in Gedenken an die Gefallenen eröffnete Van die Spiele.

Ryota wandte sich dem Gehen zu als Van seinen Sohn kurz an der Schulter zurückhielt.
 

„Viel Glück mein Sohn.“
 

Ryota sah seinem Vater kurz in die Augen und ohne ein Wort der Erwiderung verschwand er auf den Kampfplatz.
 

Das Turnier war nun also eröffnet. Von Anfang an fielen Sherazade und Tenshi durch einen einzigartig außergewöhnlichen Kampfstil auf.

Sayuri fiel außerdem auf, dass Ryota der einzige Kämpfer war, der einen durch und durch schwarzen Guymelef steuerte. Außerdem schien sein Gefährte irgendwie schlanker gebaut zu sein. Was ihn schneller und wendiger machte.
 

Die Spiele unterlagen strengsten Regeln. Keiner der Guymelefs durfte ernsthaft beschädigt und so die Piloten gefährdet werden. Schließlich sollte es eine friedliche Veranstaltung sein und kein Gemetzel. Natürlich gab es immer wieder Verletzte – gänzlich vermeiden ließ es sich nicht.

Doch sollten Reparatur und Verbände im Rahmen bleiben.

Sayuri erfuhr, dass diese Kampfmaschinen sehr teuer waren in Herstellung und Unterhalt. Man sollte sie nicht unbedingt aus purer Willkür einfach so zerstören.
 

Van kommentierte mit einer großen Portion Begeisterung die Begegnungen für Sayuri. Erklärte ihr auch ein bisschen was zu den Piloten, die darin saßen; wer sie waren und woher sie kamen, was das besondere an dem Guymelef war und so weiter.
 

Sayuri folgte dem Spektakel mit großem Interesse. Diese riesigen Kampfroboter fand sie auf ihre bizarre Art und Weise faszinierend.

Allen als auch Ryota zogen beide ins Viertelfinale ein. Dort traf der Junge Prinz nun auf einen Gegner aus Reda. Ein kleines Reich an der Grenze zu Astoria, welches einst ein Verbündeter der Zaibacher gewesen war.

Der Kampf stellte sich als recht spannend heraus. Tenshis Gegner schlug schnell und hart zu.
 

„Wenn er so weitermacht, wird Ryota noch verlieren.“ Murmelte Amaya sorgenvoll.
 

„Noch hat er ein Ass im Ärmel.“ beruhigte Van seine Tochter. Allen, der dem ganzen zusah, wusste, was jetzt kommen würde und spannte sich. Ryota war ein Ausnahmetalent im Umgang mit Waffen. Mehrfach hatte er schlucken müssen, wie gut sein Schüler doch war. Wenn auch manchmal etwas zu hitzköpfig, was ihm dann immer wieder das Genick brach. Doch würde er konzentriert bleiben, war er sehr ein gefährlicher Feind, den man unter keinen Umständen unterschätzen durfte.

Und er wusste außerdem, dass der klassische Schwerkampf, wie er ihn bisher demonstrierte nicht sein eigenetliches Spezialgebiet war.
 

„Na komm schon Junge…“
 

Der Redaner lachte höhnisch, während er Ryota immer weiter zurückdrängte. Mit einem kräftigen Hieb schleuderte er Tenshis Waffe fort.

„Hm – irgendwie bin ich enttäusch von euch, Prinz. Ich hatte euch für stärker gehalten. Aber kein Wunder bei diesem mickerlichen Guymelef, wie ihr ihn habt.“ Damit wollte er zum alles vernichtenden Schlag ausholen.
 

„Du redest zu viel.“ Knurrte Ryota. Er ließ sich nach hinten fallen und rollte elegant ab. Als er wieder auf den Beinen stand hatte sich sein Flügelumhang geteilt und gab sein Geheimnis preis. Auf dem Rücken befanden sich zwei schlanke Schwerter mit denen er den nächsten Schlag nun parieren konnte.
 

Amaya stieß einen begeisterten Schrei aus. Van lächelte und entspannte sich wieder ein wenig. Die Katzenkinder jubelten ihrem Helden zu und Sayuri war einfach nur sprachlos.
 

„Was?....“
 

„Ryota ist ein wahrer Meister im Umgang mit zwei Waffen.“ Erklärte ihr Van, der seine Augen weiterhin auf das Geschehen vor sich richtete. In seinem Gesicht konnte Sayuri sehen, wie etwas in ihm angestrengt arbeitete. Skeptisch oder eher besorgt?
 

Ryota befand sich nun im Vorteil und drängte seinen überrumpelten Gegner mit 2 gezielten Schlägen in die Enge, womit der Kampf auch entschieden war. Ein kurzer und schmerzloser Prozess.

Amaya jubelte und tanzte mit den Zwillingen. Der Schwarze zog sich zurück um sein Schwert einzusammeln, dass er verloren hatte. Sayuri spürte, wie sie sich selbst an die Lehnen ihres Sitzes geklammert hatte und wie sie nun eine Welle der Erleichterung überkam.
 

Die Guymelefs verließen die Arena unter tosendem Beifall und Amaya ließ es sich nicht nehmen in der kurzen Pause zwischen den Kämpfen nach dem Sieger zu sehen. Sayuri wurde mitgezogen. Die Zwillinge wurden jedoch von ihrer Mutter zurückgehalten. Chaos zwischen den Guymelefs konnte unter Umständen böse Enden. Auch wenn die Racker die Entscheidung nicht so einfach hinnahmen.

Amaya bahnte sich zielsicher ihren Weg und entdeckte Tenshi schnell. Doch folgte der Begeisterung schnell eine harte Ernüchterung als sie endlich bei ihm ankamen. Der siegreiche Duellant saß am Fuße seines Kampfgiganten und ließ sich die Schulter versorgen welche eine unschöne rote Verfärbung aufwies.
 

„Ryo. Was ist passiert?“ stürmte Amaya voran.
 

„Hab mir die Schulter geprellt.“ Zog Ryota scharf die Luft ein, als ein Ersthelfer den Arm bewegte.
 

„Es sieht nicht gut aus. Ich denke, ich kann sie so nicht weiterkämpfen lassen Hoheit. Das Risiko ist zu groß. Es tut mir leid.“
 

„Na ganz klasse.“ Resignierte der Prinz.
 

„Wie ist das denn nur passiert?“
 

„Der Schweinehund hat mir einen ordentlichen Hieb verpasst, das ist passiert.“ Fauchte er zurück.
 

„Tut es denn sehr weh. Lass mal sehen.“
 

„Mensch Amaya – aua…“
 

Sayuri stand etwas abseits und beobachtete wie Amaya jetzt neben dem Pfleger nun auch noch an ihrem Bruder rumfummeln musste.

Als das Mädchen dann auch noch anfing sich mit dem jungen Mann, der sich um die Verletzung kümmern sollte, zu streiten anfing, spürte Sayuri Ryotas Blicke auf sich ruhen.

Als es anfing peinlich zu werden, tauchte Allen neben ihr auf. Der Lehrer hatte bemerkt, dass etwas an Ryota nicht stimmte und wollte nun vor seinem Kampf nach seinem Lehrling sehen.
 

„Alles in Ordnung?“
 

„Jap…“
 

„Sieht unschön aus.“
 

„Jap…“
 

„Wirst du weitermachen können?“
 

„Nein.“
 

„Verstehe.“
 

„Viel Glück.“
 

„Danke.“
 

Dann entfernte sich der Ritter wieder. Ryota seufzte kurz und setzte dem schmerzhaften Gefummel seiner Schwester ein energisches Ende.
 

„Man ist der heute wieder gereizt.“ Jammerte Amaya geknickt als, sie wieder neben ihrer Freundin stand, während die Schulter nun endlich unter einem dicken Verband verschwand.
 

„Hey – ich würde auch nicht begeistert sein, wenn da so ein Trampel an mir rumfingert.“ Meinte Sayuri etwas abwesend vor sich hinstarrend.
 

„Wie bitte? Wie hast du mich genannt?“ Amaya war empört.
 

„Hey – wenn so wie du daran rumgedrückt hast, wundert es mich, dass er nicht handgreiflich geworden ist.“
 

„Wie kannst du es wagen. Schließlich bin ich eine Prinzessin.“ Zog Amaya die Nase in die Luft.
 

„Ach was?“ lachte Sayuri sie nun an Als Antwort bekam sie einen Knuff in den Arm.
 

„Sag ich doch – Trampel.“ Stichelte Sayuri weiter und musste sich nun in Sicherheit vor Amayas Möchtegernzorn bringen. Ryota beobachtete die beiden Hühner und kurz stahl sich ein kleines Grinsen in seine Züge, ehe der unsnfte Drcuk auf seiner Schulter ihn aufjaulen lies

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Ryota saß alleine in seinem Zimmer und starrte die Decke an. Seine Schulter pochte dumpf unter dem Verband. So auszuscheiden war eine bittere Erfahrung gewesen.

Das einzige was ihn Trost spendete, war die Tatsache, dass wenigstens sein Lehrmeister das Tunier gewonnen hatte. Wenn auch nur ein Schwacher.
 

Doch war es nicht das, was ihn im Moment beschäftigte. Es war dieses Mädchen. Er wusste nicht woran es lag, doch sie war so anders als die anderen. Und dann auch wieder nicht. Es war zum verrückt werden.

Er musste raus von hier, seinen Kopf frei bekommen.
 

Es klopfte an der Türe und Kuro streckte den Kopf ins Zimmer.
 

„Ryota?“
 

Der Junge kam ohne eine Antwort abzuwarten einfach hereingesprungen. Dicht gefolgt von Lilly.
 

„Wir sollen dir ausrichten, dass es gleich losgeht.“
 

„Ihr könnt meinem Vater ausrichten, dass ich nicht vorhabe zu kommen.“
 

„Bist du dir da sicher? Das Essen sieht köstlich aus.“
 

„Ich habe keinen Hunger.“
 

„Aber…“
 

„Habt ihr dabei, worum ich euch gebeten habe?“
 

„Ja…“ Kuro zog aus der Tasche ein kleines Kästchen in dem eine Spritze lag. Sie hatten zuvor einen Besuch bei Mara gemacht und während Lilly aufpasste, hatte er das Schmerzmittel geholt.
 

„Wunderbar. Kannst du mir helfen den Verband abzunehmen?“
 

„Ich glaube, dass ist keine so gute Idee Ryo…“ murmelte Lilly.
 

„Lass das mal meine Sorge sein.“ Ohne weiteren Protest kamen sie erneut der Bitte des Prinzen nach. Die Katzenkinder sogen scharf die Luft ein, als der Bluterguss freigelegt war. Ryota nahm die Spritze und stach hinein ohne auch nur eine Miene zu verziehen.

„Wunderbar. Danke euch.“ Er warf ihnen einen Packen zu. „Wie üblich.“
 

Die Beiden nickten zögernd.
 

„Ryota…“
 

„Sagt einfach, ihr hättet mich nicht gefunden.“
 

„Pass auf dich auf.“ Kuschelte sich Lilly kurz an ihn. Er fuhr ihr über die Ohren.
 

„Aber klar doch – mach dir keine Sorgen um mich.“
 

Damit ließ er sie stehen und trat auf den Balkon. Zwei weiße Schwingen brachen aus seinem Rücken hervor. Etwas mürrisch betastete er nocheinmal seine Schulter, schien jedoch soweit zufrieden und schwang sich in die Lüfte.

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"Wo ist Ryota?"
 

"Wir konnten ihn nicht finden."
 

"Was soll das heißen, ihr konntet ihn nicht finden?!"
 

Die beiden Katzen duckten vor Van zusammen.
 

"Van." Kam Merle ihren Kindern zur Hilfe geeilt.
 

"Entschudigt bitte."
 

"Geht zu eurem Vater. Und keine Dummheiten, habt ihr mich verstanden. "

"Ja Mutter." Zwitscherten die beiden. Merle strubbelte ihnen nocheinmal durch ihr Haar und wandte sich an Van, der vor Wut schon wieder am Kochen war.
 

"Wieso tut er das? Merle, wieso tut er das?"
 

"Beruhige dich Van. Er wird schon wieder auftauchen."
 

„Zum Teufel, er ist verletzt. Und trotzdem… wieso?“
 

„Beruhige dich doch bitte Van. Er wird schon wieder auftauchen.“
 

„Er hat hier zu sein. Das wird von ihm erwartet.“
 

„Van. Wenn du meine Kinder anbrüllst macht es das auch nicht besser. Und Ryota wird das mit Sicherheit auch nicht beeindrucken. Du weißt doch, wie er reagiert.“ Merle hatte recht. Und trotzdem ärgerte es ihn. „Außerdem – warst du früher doch auch nicht anders. Du warst auch ein echter Sturkopf.“
 

„Das war etwas anderes. Ich habe mich nicht vor all meinen Pflichten gedrückt.“
 

„Stimmt – du hast deine „Pflichten immer viel zu ernst genommen. Bist blind mit dem Kopf durch die Wand ohne Rücksicht auf Verluste und wärst um ein Haar gestorben Van Fanel. Die Zaibacher hätten bekommen was sie wollten, Fanelia und wir alle wären heute nicht mehr hier. Ein sehr verantwortungsbewusster König warst du mir. Aber du hast Recht – Ryota gehört aufs härteste bestraft.“ Merle wurde sanfter. „Lass dem Jungen doch seinen Kopf. Er wird schon wissen, was er tut. Er ist kein kleines Kinder mehr.“
 

„Und wenn er es nicht weiß?“
 

„Aus Fehlern lernt man. Und keiner weiß das besser als du.“
 

„Wenn ich doch nur wüsste, was ich bei ihm falsch gemacht habe.“
 

„Ich kann dir auch nicht sagen, was in ihm vorgeht. Aber wir können ihn nicht zwingen mit uns zu reden.“
 

„Nozomi würde es wissen.“
 

„Aber sie ist nicht mehr hier Van.“ Eine bittere Wahrheit, die immer wieder von neuem schmerzte.
 

„Ja – ich weiß.“
 

„Er ist ein toller Junge… es wird schon noch zur Vernunft kommen, wenn du ihm die Freiheit lässt. Da bin ich mir sicher.“
 

„Vielleicht hast du Recht. Es ist nur so frustrierend.“
 

„Ja ich weiß.“ Beide starrten in Gedanken versunken zum Fenster hinaus.
 

„So – ich hab jetzt Hunger.“ Ergriff Merle wieder das Wort und löste somit die Trance. Merle zwinkerte ihm nochmals zu und ging in den Speisesaal zu ihrer kleinen Familie. Sie war eine tolle Mutter. Wenn er an die kleine Klette zurückdachte, die ihn früher auf Schritt und Tritt begleitet hatte, musste er schmunzeln. Sie alle hatten sich seit damals doch beträchtlich verändert, ohne dass es ihnen eigentlich bewusst gewesen war. Zum Glück… und er lächelte erneut. Er hoffte wirklich sehr, dass sich die Prophezeihungen von Merle erfüllen würden und Ryota sich irgendwann jemanden öffnen würde.
 

Er sah zu den beiden leeren Plätzen am Kopfteil des Tisches. Einer davon war sein Platz.
 

Amaya sah zu ihm herüber und er schüttelte traurig den Kopf. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie verstanden hatte. Van raffte sich auf um das Buffet zu eröffnen.

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Sayuri war bis zum Platzen gefüllt. Amaya hatte recht behalten. Das Essen war einfach köstlich gewesen. Doch nun war ihr sehr warm und sie hatte das Gefühl ersticken zu müssen. Sie brauchte dringend etwas Frischluft.

Und so löste sie sich mit einer kurzen Entschuldigung von den Feiernden um durch den Palastgarten zu streifen.
 

„Verlauf dich nicht. Der Tanz beginnt bald.“ Rief ihr ihre Freundin noch hinterher.
 

Sie war noch nicht sehr oft im Garten gewesen und wenn, dann nur in Begleitung. Jetzt hatte sie etwas Zeit für sich um alleine den königlichen Privatpark zu erkunden. Es war einfach herrlich und so befreiend. Die Luft war kühl und klar. Jedoch nicht kalt. Der Geruch von Gras und Blumen lag in der Luft. Sie schloss die Augen um den Frieden und die Ruhe , die sie umgaben in sich aufzunehmen. Überall blühte es und hinter einem kleinen Dickicht fand sie einen großen Teich, mit einer kleinen Hütte in der Mitte. Langsam wanderte sie über eine Brücke zu dem kleinen Gartenhaus. Es war verschlossen. Sie umrundete es einmal und beugte sich über das Gelände um in das klare Wasser hinab zu sehen, in dem sich die Sterne wiederspiegelten. Ihre Gedanken schweiften ab. Wie es ihrer Mutter wohl ging. Ob sie es gut hieß, wenn sie wirklich eine Weile hier bleiben würde.
 

Sie überlegte kurz angestrengt. Bestimmt hatte sie nichts dagegen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie zufrieden Hitomis Lächeln immer gewesen war, wenn sie Geschichten von Gaia erzählt hatte. Ihr hätte schon viel früher auffallen müssen, dass es keine Hirngespinste gewesen sein mussten.

Ein Grinsen umspielte nun ihre Lippen. Vermutlich würden ihre Kinder es eines Tages auch nicht glauben.
 

Die Geräusche des Festes drangen aus weiter Ferne durch und sie drehte ihren Kopf zu dem Gebäude hin, aus dem sie kamen. Wieder drängte sich die Frage auf, was mit Ryota war. Der schwarze Kronprinz war nicht zum Essen erschienen. Und als sie Amaya gefragt hatte, war sie ihr nur wieder ausgewichen. Sie konnte nicht so ganz glauben, dass sie rein gar nichts über seinen Verbleib wusste.

Schön, eigentlich ging es sie nichts an. Aber es wollte ihr einfach keine Ruhe lassen.
 

Ein dunkler Schatten fegte über sie hinweg und Sayuri fuhr vor Schreck heftig zusammen.
 

"Was tust du hier?" landete Ryota direkt neben ihr.
 

Sayuri war gar nicht im Stande sofort zu antworten, so sehr hatte sie der Auftritt aus der Fassung gebracht. Das Mondlicht schien auf seine entblößte muskulöse Brust. Doch war es nicht das, worauf sie ihre Augen gerichtet hatte. Aus seinen Schulten waren riesengroße schneeweise Schwingen gewachsen die im blassen Licht schimmerten.
 

"Ich... äh...war spazieren… " presste sie mehr Schlecht als Recht hervor.
 

Ein Wind kam auf und blies die Federn fort. Von einer Minute auf die andere waren die Flügel verschwunden und Ryota wandte sich von ihr ab und betrat die Hütte, das Päckchen lagerte, welches er den Zwillingen anvertraut hatte. Sayuri stand wie angewurzelt da und starrte noch immer auf die Stelle, wo Ryota eben noch gestanden hatte. Sie versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen, doch wollte es ihr nicht gelingen.
 

"Willst du dich als Statue versuchen?" Ryota trat wieder hinaus. Er trug nun ein hochgeknöpftes elegantes schwarzes Oberteil und um eine Schulter einen ebenso schwarzen Umhang, welchen er in dem Moment noch vollends befestigte.
 

"Was?" Sayuris Gedankenwelt war immer noch wirr.
 

"Weil du da immer noch stehst." Er richtete sich noch die Haare zurecht. "Also was machst du hier?"
 

"Ich wollte... nur frische Luft schnappen und bin... ich wollte nicht.. ich..."stammelte sie. Ryota verdrehte die Augen.
 

"Schon gut. Ich wäre dir nur sehr dankbar, wenn du das meinem Vater gegenüber nicht erwähnen würdest. Oder Amaya."
 

"Äh - ja. Ich meine nein… tu ich nicht. Wieso?“
 

„Vater schätzt diese Art von Ausflug nicht besonders.“
 

„Verstehe… wo warst du überhaupt?“
 

„Weg.“
 

„Sie haben sich Sorgen gemacht.“
 

„Ach wirklich?“ Ryota schien sich nicht weiter daran zu stören. „Jetzt bin ich ja da.“
 

Vorsichtig schob er sich an ihr vorbei. „Kommst du, oder willst du hier weiterhin Salzsäule spielen?“
 

Irritiert sah sie ihn an, wie er mit hochgezogener Augenbraue auf eine Reaktion wartete. Sie löste sich aus ihrer Starre und tappte schweigend neben ihm her zurück zum Palast.
 

„Danke!“
 

„Was?“
 

„Danke… dafür, dass du mich gerettet hast. Damals im Wald. Ich wollte es schon früher sagen, aber ich hatte nie Gelegenheit dazu.“
 

„Das war reiner Zufall und ein bisschen Glück. Dafür musst du dich nicht bedanken.“
 

„Trotzdem danke.“
 

„Wenn du meinst. Gern geschehen.“ brummelte er, ehe sich wieder bedrückende Stille über sie ausbreitete.“
 

„Tut das nicht weh?“
 

„Was?“ er sah sie verblüfft an.
 

„Naja – die Flügel …“
 

„Nicht wirklich.“
 

„Und was ist mit deiner Schulter? Die sah ziemlich böse aus.“
 

„Die habe ich im Griff.“
 

„Aber…“
 

„Bist du etwa Ärztin?“ unterbrach er sie etwas barscher als beabsichtigt, denn Sayuri zuckte vor ihm zurück. Er ballte die Hände und schloss die Augen während er versuchte sich wieder in seine Gewalt zu bringen. Er hasste es. Er hasste das alles hier sehr. „Hör zu. Für dich mag das hier ja alles schön und spannend sein. Es ist schön für dich, dass es dir gefällt, wenn dich alle angaffen. Ich habe kein Problem damit, dass du dich in hübsche Kleidchen zwängst, durch die Stadt marschierst und mit Amaya die Händler bereicherst. Erfreue dich daran, solange du willst. Es ist mir egal. Aber misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen. Tu mir den Gefallen und lass mich bitte bitte in Ruhe, ja?“
 

„Wieso bist du nur so?“ Die Worte waren ihr einfach so entsprungen, ohne dass es ihr eigentlich bewusst gewesen war. Der unterdrückte Zorn der trotz allem in seiner Stimme mitschwang, hart und unmissverständlich, gingen über ihre Begreifen hinaus. Es erschütterte sie zutiefst. Fassungslos sah sie ihn mit großen Augen an. Und plötzlich schien sich in ihm was zu verändern. Mit ihrer Frage hatte sie es geschafft ihn jetzt im Gegenzug aus dem Konzept zu bringen. Er sah sie an – direkt in diese fragenden grünen Iriden, die verstehen wollten und es nicht konnten. Woher auch. Sie würden es nicht verstehen. Niemals.
 

„Wir sollten reingehen. Sonst werden sie noch einen Suchtrupp nach dir schicken.“ wandte er sich eilig ab.
 

„Wie du meinst.“ Sayuri ging nun ein paar Schritte hinter ihm. Diesmal versuchte sie nicht, ihn in ein weiteres Gespräch zu verwickeln.

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Van war nervös. Sayuri war verschwunden. Zwar hatte Amaya ihm gesagt, sie wolle nur etwas frische Luft schnappen, doch war jetzt schon eine geraume Zeit vergangen, seit man sie das letzte Mal gesehen hatte. Man konnte es übervorsichtig nennen, aber immerhin war sie Hitomis Tochter. Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihr etwas passieren würde.
 

Er wollte gerade jemanden bitten nach ihr die Augen offen zu halten, als sich die Stimmung im Raum ein wenig änderte.
 

„Oh…“ staunte Milerna und sah in Richtung Türe. Dort war soeben Sayuri zusammen mit Ryota eingetreten.
 

Sayuri war grübelnd hinter ihm her gewesen. Sie versuchte aus seinem Ausbruch schlau zu werden. Ohne darüber nachzudenken, trat sie durch die von Ryota aufgehaltene Türe zurück in den Festsaal und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.

Ein Kribbeln lief ihr den Rücken hinunter als sie in die Runde sah. Die Blicke der Gäste brannten auf ihnen. Ryotas Ausbruch war für einen Augenblick vollkommen vergessen.
 

„Oh…“ stieß sie aus. Es war so, als würden sie jetzt irgendwas von ihr erwarten. Doch was. Was sollte sie tun. Ein kleines Gefühl von Panik überkam sie.
 

„Sind wir im Zirkus oder was?“ Murmelte Ryota dicht an ihrem Ohr gereizt , ohne sie anzusehen. „Aber ja – es ist immer schön nach Hause zu kommen.“
 

Sayuri sah ihn mit offenen Mund an. Sie wusste nur nicht, was oder ob sie überhaupt was darauf erwidern sollte.
 

„Da bist du ja wieder. Wir dachten schon, du wärst uns verloren gegangen.“ Kam Amaya ihnen strahlend entgegen, als wäre nichts und rettete sie vor Peinlichkeiten „Wo hast du denn meinen Bruder aufgegabelt?“
 

„Das würde mich allerdings auch interessieren.“ Stellte sich Van ebenfalls zu ihnen. Seinen Blick auf den verlorenen Sohn gerichtet. „Du bist spät.“
 

Bevor Ryota jedoch zu Wort kam und somit einen neuen Streit riskieren würde, schaltete sich Sayuri schnell dazwischen.
 

„Ich war etwas Luft schnappen und hab mich auf dem Weg zurück irgendwie verlaufen. Bei den Krankenzimmern bin ich dann auf ihn gestoßen. Und da wir beide dasselbe Ziel hatten… naja…“
 

Van zog ungläubig eine Augenbraue nach oben. Doch Sayuri lächelte ununterbrochen wie ein unschuldiger Engel und ließ sich nichts anmerken. Ryota kam nicht umhin zuzugeben, dass sie wirklich eine fantastische Schauspielerin war. Aber wieso log sie für ihn?
 

„Achso. Wie geht’s deiner Schulter?“ fuhr der König nun in weicherem Ton fort.
 

„Hab was gegen die Schmerzen bekommen.“
 

„Oh. Na dann. Es hat noch etwas zu Essen da. Wenn du willst, lasse ich dir noch etwas bringen.“
 

„Nein, danke Vater.“
 

„Wie du willst.“ Damit wandte sich Van wieder ab um seinen Pflichten als Gastgeber nachzugehen.
 

Auch Ryota schob sich augenrollend an den beiden Freundinnen vorbei und steuerte seinen ihm zugedachten Platz an. Die Blicke sämtlicher Mädchen im Raum folgten ihm, was Sayuri nicht entging. Ein klammes Gefühl des Verstehens regte sich in ihr während ihr Blick zwischen Ryota und den Damen hin und herwechselte. Wie sie alle kicherten. Doch er tat so, als würde er es gar nicht bemerken.
 

Auch Amaya bemerkte es "Eigentlich können sie einem Leid tun. Ein jede hofft, dass er sie jetzt dann zum Tanz auffordern wird. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass er das nicht tut. Die letzten Jahre hat er sich auch schon elegant darum gedrückt. Vater hatte das gar nicht gefallen, aber er ist machtlos.“
 

„So?“ Wieder wanderte ihr Blick zu Ryota.
 

Er nickte zum Zeichen, dass alles in Ordnung war Lilly und Kuro zu. Merle, der es nicht entgangen war, bedachte ihre zwei Kätzchen nachdenklich und tat dann so, als hätte sie nichts bemerkt. Sie wusste, dass ihre beiden Racker vorher gelogen hatten. Sie wussten mehr als sie immer preis gaben. Jedoch war es irgendwo doch gut zu wissen, dass der Junge wenigstens jemanden vertrauen konnte. Es war nicht alles verloren. Also würde sie ihre beiden weiterhin decken, wie sie ihn deckten.
 

Allen trat an seinen Schüler heran.
 

„Ich habe gehört, dass du das Turnier gewonnen hast.“ Grüßte er den Ritter.
 

„Hast du etwa daran gezweifelt?“
 

„Glückwunsch.“
 

„Danke. Was macht deine Schulter.“
 

„Die wird schon wieder.“
 

„Schone sie aber.“
 

Ryota verdrehte die Augen. Noch einer. Langsam fand er es doch schon sehr ermüdend, dass er sich nicht mal mehr die Mühe machen wollte, etwas darauf zu erwidern. Doch sein Blick sprach allein schon Bände.
 

„Ich seh schon. Du hast alles im Griff.“ Verabschiedete sich Allen wieder. Und sein Blick glitt ab, zu einer jungen Dame, die sich gerade dem Tisch näherte. „Wir sehen uns dann in zwei Wochen wieder zum Training.“
 

„Ok.“
 

„Gute Besserung, Hoheit. Mylady“ Verneigte er sich noch einmal, ehe er Ryota mit der Unbekannten alleine ließ.
 

„Hallo, schöner Mann. Ich habe gehört ihr seid verletzt.“
 

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Sayuri stand immer noch mit Amaya an der Tür und beobachtete gerade, wie sich eine blonde Schönheit in blauem Kleid Ryota genähert hatte. Sofort änderte sich was an seiner Haltung.
 

„Wer ist das?“
 

„DAS!“ zischte Amaya „ist ein Alptraum. Ihr Name ist Azarni.“
 

„Ich gehe mal davon aus, du magst sie nicht.“
 

„Da gehst du richtig von aus.“ Amayas Augen sprühten Gift hinüber. „Halt dich am Besten fern von ihr.“
 

„Dein Bruder scheint aber sehr angetan von ihr zu sein.“
 

„Natürlich ist er das. Er ist ein Mann. Aber dass er wirklich an einer solchen Geschmacksverirrung leidet, verstehe ich bis heute nicht. Wie konnte er sich nur so auf sie einlassen.“
 

„Einlassen?“
 

Amaya warf ihr einen bedeutungsschweren Blick zu.
 

Sayuri entglitten daraufhin für einen Moment sämtliche Gesichtszüge. „Oh.“
 

„Ich habe damals eigentlich gehofft gehabt, es wäre nur ein Ausrutscher gewesen.“
 

„Du glaubst also, es ist etwas Ernstes zwischen den Beiden?“
 

„Nein. Aber wie ich sie einschätze, wird sie nicht locker lassen, bis sie hat, was sie will. Schließlich bekommt sie das immer.“
 

Amaya drehte der Szenerie den Rücken. Sayuri hingegen weiterhin den Tisch. Die Frau ging ziemlich ran und ihm schien es durchaus zu gefallen. Ein Bild drängte sich ihr auf. Eines, das zu privat war, um weiter darüber nachzudenken.
 

Plötzlich bemerkte Sayuri, dass die Musik, die immer im Hintergrund gespielt hatte, verstummt war. Bestimmt wurde der große Tanz jetzt gleich offiziell eröffnet. Ryota erhob sich und seine Begleitung schien nicht besonders glücklich darüber. Es war wie Amaya bereits prophezeit hatte; er zog sich zurück.
 

„Na das war ja ein kurzer Auftritt.“ Dachte sie laut bei sich, als er an ihr vorbei ging.
 

„Viel Spaß noch.“ War die einzige Antwort, die sie darauf hin bekam. Er warf ihr nochmal einen Blick zu und war dann verschwunden. Bildete sie es sich nur ein, oder klang er resigniert.

14

Sie träumte unruhig in dieser Nacht. Bilder des vergangenen Abends verfolgten sie. Der Engel, der im blassen Mondlicht majestätisch neben ihr gelandet war. Augen so hart und kalt, Menschen die sie anstarrten… und ein Paar – eng umschlungen.

Sayuri spürte, wie sie keine Luft mehr bekam. Panik übermannte sie. Sie versuchte zu schreien, doch es wollte ihr nicht gelingen. Der Boden brach unter ihr auf und sie fuhr in ihrem Bett hoch.
 

Es dauerte einige Augenblicke, bis sie wirklich realisiert hatte, dass sie einfach nur schlecht geträumt hatte. Sie zitterte am ganzen Leib.
 

„Verdammt.“ Schimpfte sie vor sich hin. Schwankend schleifte sie sich ins Bad und spritzte sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Langsam beruhigten sich ihre Nerven wieder. Nach einigen weiteren Minuten im Bad schnappte sie sich ihren Morgenmantel und warf ihn sich über ihr Nachtkleid.

Nach einem kurzen Blick nach draußen, stellte sie fest, dass es eigentlich noch viel zu früh war aufzustehen. Doch Schlafen konnte sie jetzt bei bestem Willen nicht mehr. Und daran war nur er schuld. Zum Teufel noch eins. Wieso träumte sie überhaupt von ihm.
 

Melina würde sicherlich nicht so bald mit ihr rechnen. Doch ihr Magen knurrte laut und so entschloss sie sich, in die Küche zu gehen um sich etwas zu organisieren.
 

Sie ließ kurz den Blick durchs Zimmer schweifen. Irgendwo mussten ihre Hausschlappen rumliegen. Aber bei genauerer Überlegung… der Boden war noch nicht so kalt, dass man nicht auch barfuß gehen konnte.
 

So schlappte sie mit noch leicht verwuschelten Haaren und Morgenmantel ohne Schuhe in Richtung Küche. Außer ihr und ein paar Leute vom Personal schien wirklich noch keiner wach zu sein und die beachteten sie nicht groß. Im Speisesaal war auch noch nicht mal gedeckt worden fürs Frühstück. Wen wundert es. Das Fest ging noch recht lange und sie war sich ziemlich sicher, dass vor Mittag auch kein anderer aufstehen würde.
 

In der Küche waren die Leute etwas erstaunt über ihr frühes auftauchen. Sie boten ihr an, iher etwas zuzubereiten, doch lehnte sie die ab. Sie wollte diesmal selbst was herrichten. Das brauchte sie jetzt einfach. Sie bastelte sich in Ruhe ein paar Sandwiches aus den Resten den Vorabends und beschloss in den Garten zu gehen.

Das Gras war leicht feucht vom Regen der vergangenen Nacht. Doch war es ein tolles Gefühl den durch und durch weichen Teppich unter sich zu spüren.
 

Sie schloss für einen Moment die Augen um einfach nur zu genießen.
 

„Du bist ja ziemlich früh auf.“ Erklang eine Stimme hinter ihr. Sie wirbelte erschrocken herum.
 

„Du doch auch.“ Grüßte sie den Prinzen auf die gleiche Weise. Dieser musterte sie mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Willst du heute eine Kariere als Vogelscheuche anstreben?“
 

„Wenn du nichts Besseres auf Lager hast, lass mich einfach in Ruhe. Es ging gestern noch ziemlich lange und ich habe verdammt schlecht geschlafen und ich bin hungrig. Und da kann ich deine dummen Sprüche jetzt wirklich nicht gebrauchen.“ Brummte sie ihm entgegen. Ohne weiter auf ihn zu achten, schlappte sie weiter bis zu einer kleinen Bank, setzte sich und machte sich dran, ihr Frühstück zu essen. Er beobachtete sie schweigend. Sie gab sich nicht große Mühe ihn zu ignorieren und sah ihn über den Rand ihres Brötchens hinweg an. Sie konnte es nicht. Schließlich schnappte sie sich das zweite Sandwich und hielt es ihm hin.
 

„Willst du auch eines?“
 

„Was ist das?“
 

„Geflügel-Sandwich.“
 

„Was?“
 

„ESSEN!“
 

Er zögerte noch einen Moment. Allerdings wollte er sich eigentlich selbst gerade auf den Weg zur Küche machen. Also warum auch nicht.
 

„Danke.“

Er stellte fest – es war wirklich gut. Was ihr ein Lächeln entlockte. Eine Zeit lang saßen sie friedlich kauend neben einander.
 

„Wieso hast du meinen Vater angelogen gestern?“
 

„Was immer du geantwortet hättest, es wäre sicherlich zum Streit gekommen. Meinst du nicht?“ Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. „Vielleicht habe ich wirklich keine Ahnung von all dem hier. Aber dumm bin ich deswegen trotzdem nicht. Ich weiß, dass hier etwas nicht stimmt. Und auch wenn es mich nichts angeht, bin ich der Meinung, dass man es nicht auch noch provozieren muss. Ich denke, du hast deinen Spielraum auch so schon genug ausgereizt.“
 

„Es ist nicht so, dass es vollkommen neu für ihn wäre.“
 

„Deswegen ist es noch lange nicht in Ordnung.“
 

Sie verfielen wieder in Schweigen um die restlichen Brote zu essen. Nachdem er den letzten Bissen heruntergeschluckt hatte, stand er wieder auf.
 

„Es tut mir leid. Ich wollte dich gestern nicht so anfahren.“
 

Sayuri sah verblüfft zu ihm auf. Entschuldigte sich Ryota tatsächlich bei ihr? Er wandte sich ab und lies sie alleine. Sprachlos sah sie ihm hinterher.

15

Es war das letzte Mal, dass sie sich mit ihm die kommenden Tage unterhalten hatte. Wenn sie ihn zu Gesicht bekam, war es nur kurz. Und da war er genauso wortkarg und unnahbar wie eh und je.

Irgendwie war es recht ernüchternd und langsam konnte sie die anderen ein wenig verstehen. #
 

Doch musste sie im Gegenzug auch erkennen, was Ryota angedeutet hatte.
 

Seit sie angekommen war, war sie immer mit Amaya zusammen. Sie redeten miteinander, kicherten und lachten während sie durch den Palast oder die Straßen Fanelias schlenderten. Sie verstanden sich wirklich wahnsinnig gut. Doch irgendwie bemerkte Sayuri, wie ihr etwas fehlte. Es war immer dasselbe. Hier war es egal, ob sie früh aufstand oder nicht denn alles wurde ihr hier abgenommen. Sie musste nicht putzen oder kochen, keine Gartenarbeiten verrichten. So sehr sie das auch genoss, nichts tun zu müssen, zu Recht gemacht zu werden, einzukaufen zu gehen, einfach in den Tag hinein zu leben; ihr fehlte eine Aufgabe. Oder zumindest mal eine Abwechslung und Aktion.
 

Was aber seine abweisende Haltung nicht im Geringsten entschuldigte. Immer und immer wieder blitzte die Erinnerung auf, wie er sie angebellt hatte. Und immer wieder fühlte sie sich dabei so verletzt.
 

„Hey Sayuri. Ist alles in Ordnung mit dir?“ riss die Prinzessin sie aus den Gedanken.
 

„Oh – ja – entschuldige. Ich war gerade in Gedanken.“
 

„Das bist du irgendwie in letzter Zeit öfters. Ist alles in Ordnung mit dir?“ sorge schwang in der Stimme der Schwarzhaarigen mit. „Willst du etwa wieder nach Hause? Gefällt es dir hier nicht mehr?“
 

„Was? Nein. Nein – das ist es nicht.“
 

„Bist du dir sicher?“
 

„Ganz sicher.“ Sie hatte ihrer Freundin nichts von den Zusammenstößen mit Ryota erzählt.
 

„Ist etwas zwischen dir und meinem Bruder auf dem Fest vorgefallen?“ Sayuri lief es kalt über den Rücken.
 

„Wie kommst du denn auf die Idee?“
 

„Naja – du warst lange verschwunden. Dad wollte schon wen losschicken nach dir zu sehen. Nicht dass du dich irgendwie verlaufen hast.“
 

„Naja – so Unrecht hatte er damit auch nicht.“
 

„Irgendwie glaube ich dir das nicht so ganz.“ Amaya blieb stehen. „Ich kenne meinen Bruder. Und ich glaube einfach nicht daran, dass er die ganze Zeit im Krankenzimmer gewesen sein soll und dann so großherzig war, dich zurück zu geleiten. Dafür leben wir schon zu lange zusammen.“
 

Sayuri konnte und wollte ihre Freundin nicht anlügen und so zog sie es vor, zu schweigen. Das reichte Amaya als Bestätigung vollkommen aus.
 

„Hat er irgendwas zu dir gesagt?“
 

„Nicht viel. Nur… „
 

„Du sollst dich nicht in seine Angelegenheiten mischen? Du sollst ihn gefälligst in Ruhe lassen. Ihn nicht bemuttern, nicht sagen, was er zu tun hat?“ ergänzte Amaya. Sayuri nickte
 

„So in der Art…“
 

„Nimms nicht so schwer. Er ist eben so. “ ihre Augen ergänzten das „Leider“. Sayuri hatte es schon oft bemerkt, dass Ryotas Verhalten alle im Palast belastete – doch jetzt sah sie, WIE SEHR es ihrer Freundin zusetzte. „Ich versuche auch immer an ihn ranzukommen.“ Redete Amaya tapfer weiter – ihr Blick starr an die Wand ihres Zimmers gerichtet. „Aber er block einfach immer ab. Da darfst du dir nichts dabei denken…“ Amaya versuchte mit aller Kraft dagegen anzukämpfen, doch das Gefühl, dass sie auf einmal übermannte, war zu stark. Sie stammelte nur noch vor sich hin. Sayuri legte eine Hand auf ihre Schulter.
 

„Amaya?“
 

„Ich will dich nur, dass er irgendwann wieder lachen kann. Verstehst du? Dass er glücklich wird.“ Amaya versuchte die Tränen aufzuhalten doch dann gab sie auf „Ich will doch nur meinen Bruder wieder…“ Sayuri nahm sie in die Arme während sich die Schwarzhaarige vollkommen auflöste.
 

Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Sie wich Sayuris mitleidigen Blicken aus.
 

„Tut mir leid. Ich wollte nicht…“
 

„Es ist doch alles in Ordnung. Du musst dich doch nicht entschuldigen.“
 

„Danke.“
 

„Keine Ursache.“
 

„Es ist nur… Ryota und Vater streiten sich immer so viel Und Ryota zieht sich dabei immer weiter zurück. Und ich kann ihm nicht helfen, weil er redet nicht mit mir. Er redet eigentlich mit gar niemanden. Und… „
 

„Es ist einfach beschissen. Willst du das damit sagen.“
 

„Ja. Genau.“
 

„Kann ich verstehen.“
 

„Wir sind eine tolle Familie – oder?“
 

„Ach – keine Familie ist perfekt. Das wäre auch ziemlich langweilig, meinst du nicht?“
 

„Ja vielleicht. Hey – ich hab noch was übrig von meinem Taschengeld. Und heute kommen die neuen Stoffe. Hast du vielleicht nochmal Lust mit in die Stadt zu gehen?“ Das war wohl nun das Zeichen, dass das Thema Ryota vorerst mal wieder abgeschlossen war. Und Sayuri hatte sogar Verständnis. Sie hatte nun einen kleinen Einblick bekommen, wie Tief das Ganze inzwischen festsaß. Sie wollte ihre Freundin auf keinen Fall weiter quälen.
 

„Sehr gerne.“
 

__
 

Eigentlich hatten sie dieses Mal kein bestimmtes Ziel als sie so durch die Straßen Fanelias schlenderten. Die Stimmung war getrübt und so besuchten sie einige Stände – kauften aber nichts. Nachdenklich musterte Sayuri die Schwarzhaarige an ihrer Seite. Ihre Augen strahlten nicht die Freude aus, die sie sonst an ihr kannte. Das Lachen und die ungezwungene Fröhlichkeit waren nur aufgesetzt.

Nach einer guten Stunde schien die Prinzessin sich selbst und den ganzen Trubel um sich herum auch nicht mehr zu ertragen. Eigentlich fragte sie sich selbst, was zum Teufel sie hier eigentlich tat. Sie nahm Sayuri bei der Hand und führte sie weg von den Marktmassen durch mehrere kleiner Gassen bis sie an den Rand der Stadtmauern kamen. Sie stiegen die Stufen hinauf, vorbei an den Wachposten, die sichtlich vom Auftauchen der jungen Prinzessin überrascht waren.

Doch es störte sie nicht weiter. Sie ließ sich auf der hohen Mauer nieder und starrte in die Ferne.
 

Die Mauer war zwar etwas stabiler als früher, doch stand sie strategisch wertvoll, an derselben Stelle. Von hier aus hatte man einen wundervollen Blick aus den Bergen hinaus auf die unendlich großen Wiesen. Und auf der anderen Seite – einen Blick über die Dächer der Stadt bis zum Palast hin, der sich am anderen Ende erhob mit seinem kleinen privaten Palastgarten . Umgeben von schützendem Gestein, in dem sich einst die Bewohner in Sicherheit gebracht hatten. Man konnte sich kaum vorstellen, dass dies einst mal tatsächlich vollkommen in Trümmern lag.
 

Der Wind der ruhig über die Felder in die Schlucht hinein blies, roch nach frischem Gras. Ein zufriedenes Lächeln umspielte Amayas Lippen. Sayuri schloss ihre Augen für einen Moment und atmete tief ein. Sie konnte das Gras sogar fast schmecken.
 

Der Soldat, der eben Wache schob beobachtete einen Moment die Mädchen und ließ sie dann aber alleine. Er konnte sie verstehen und wollte unter keinen Umständen stören.
 

Sie saßen eine ganze Weile dort, als leises Lachen an ihr Ohr drang. Unter ihnen konnte Sayuri einige Kinder sehen, die am Fuße der Mauer mit einem kleinen Hund spielten. Ihre Augen leuchteten für einen Moment auf. Es war eine sehr schöne und unbekümmerte Szene, die ihr Herz berührte. Auch Amaya verfolgte das Geschehen mit einigem Interesse.
 

„Ich habe mir auch immer einen Hund gewünscht.“ Begann Sayuri auf einmal zu sprechen.
 

„Achja?“
 

„Ja. Am liebsten einen weißen Schäferhund. Die haben mich immer sehr fasziniert.“
 

„Was für einen Hund?“
 

„Einen weißen Schäferhund… ähm… groß weiß… bissl wolfsähnlich…“
 

„Ah ok. Aber?“
 

„Aber was?“
 

„Naja – woran lag es, dass es ein Wunsch blieb.
 

„Meine Mutter wollte nie einen. Wir hatten nie genug Platz und so bin ich eben mit Katzen aufgewachsen.“ Sie starrte wieder hinunter zu den Kindern. „Aber irgendwann, wenn ich mit meinem Mann dann in einem schönen großen Haus wohne, werde ich mir einen kaufen.“
 

„Deinem Mann?“
 

„Ja… das klassische Bestreben einer Frau auf der Erde. Ein Mann, ein Haus mit Zaun, ein Hund und zwei Kinder für die Statistik.“
 

„Ahja…“
 

„Was denn? Lach nicht.“
 

„Tu ich doch gar nicht.“ Versuchte Amaya an sich zu halten. Sayuri versuchte empört dreinzuschauen, konnte aber dabei nicht wirklich ernst bleiben. Die Zwei alberten noch ein wenig rum und plötzlich war Amayas Traurigkeit vollkommen verflogen.
 

Auf dem Heimweg kamen sie an einem Haus vorbei, in dem ein kleines Mädchen wohl gerade ihren Geburtstag feierte. Zumindest dem Gesang nach zu urteilen und da fiel Amaya siedeheiß etwas ein.
 

„Du hast ja auch bald Geburtstag wenn ich mich recht entsinne oder?“
 

Sayuri blieb stehen und sah sie mit großen Augen an. Für einen Moment überlegte sie, woher sie das wusste, bis sie sich entsann, dass sie es ihr irgendwann wohl gesagt hatte, als sie noch das Bett hüten musste. Sie hatte Recht – und sie selbst hatte es vollkommen vergessen.
 

„Du hast recht.“ Sie rechnete kurz nach „Nächste Woche…“
 

„Da müssen wir dir ja noch ein Kleid organisieren.“ Flammte es in den großen braunen Augen auf.
 

„Für was denn?“
 

„Naja – für die Geburtstagsfeier natürlich.“
 

„Aber das muss doch nicht sein.“
 

„Oh doch. Was wäre das denn für ein Geburtstag ohne Kuchen.“ Anscheinend setzte Amaya voraus, dass es Kuchen nur auf Feiern gab.

Sayuri wollte sich gar nicht erst die Mühe machen es ihr auszureden. Sie würde es ja eh nicht schaffen.
 

Im Palast angekommen verabschiedete sich Amaya eilig. Sayuri hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend während sie ihr nachsah.

Doch sie wollte sich nicht weiter darüber den Kopf zerbrechen. Aber eigentlich hatte sie gerade keine Lust, schon alleine auf ihr Zimmer zu gehen. Das Wetter war noch so angenehm lau, dass sie sich entschied, noch ein wenig über das Gelände zu streunern. Es würde noch etwas dauern, bis es Essen gab und so konnte sie die Zeit ein wenig nutzen. Und alleine zu sein, hatte schließlich auch so seine Vorzüge.
 

Sie kam am Trainingsgeländer an und blieb stehen. Allen war noch nicht wieder zurück. Doch schien es Ryota nicht im Geringsten von davon abzuhalten, ohne ihn an seinen Fähigkeiten weiter zu arbeiten. Die Schulter schien soweit schon wieder gut verheilt zu sein. Zumindest ließ er sich nichts mehr anmerken.
 

Sayuri lehnte sich an das Geländer und sah ein wenig zu, wie er die Schwerter durch die Luft wirbeln ließ und auf seinen Trainingspartner eindrosch. Sie fand die Bewegungen sehr eindrucksvoll. Kraftvoll, gezielt und sicher. Und im Gegensatz zu den Kämpfen auf dem Turnier, wo sie alle in diesen riesigen Ungetümen saßen – durch und durch anmutig. Um nicht zu sagen, erotisch.
 

Er war so konzentriert, dass er sie nicht einmal bemerkte. Aber das machte ihr nichts aus. Im Gegenteil; so war er wenigstens ungestört in seinem Element und sie hatte die Gelegenheit ihn auf diese Art ein wenig kennenzulernen.
 

Still hörte sie auf den Rhythmus des aufeinander treffenden Stahls und verfolgte den Tanz der Klingen. Auf eine eigenartige Weise war es unglaublich beruhigend. Nach und nach leerte sie ihr Kopf und alle Grübeleien waren für den Moment vergessen.
 

Nach einer endlos langen Zeit gelang es Ryota einen Schlag zu parieren und seinen Gegner aus einer Drehung heraus mit der einen Klingen zu entwaffnen während er mit der anderen auf seinen Hals zielte. Das ganze ging so schnell, dass Sayuri aufschreckte.
 

Er hatte gewonnen.
 

Ryota ließ die Schwerter sinken und sah sich um. Die ganze Zeit hatte er das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Und sein Blick wanderte über die Tribüne bis hin zu der Stelle, an der sich Sayuri befand.
 

„Mein Prinz?“ die Stimme lies ihn auffahren. „Ist alles in Ordnung mit Euch?“
 

„Ja… ja… alles bestens. Danke.“ Wieder sah er zu der Zuschauerin hinüber. Sein Gesicht verriet nichts darüber, was er gerade dachte. Die Schulter meldete sich mit einem unangenehmen Stechen. Sein Körper war vollkommen ausgelaugt. Er hatte sich sowieso schon viel zu weit an seine Grenzen gebracht. Was man vor allem daran erkannte, dass der letzte Kampf für seine Verhältnisse eigentlich viel zu lange gedauert hatte. „Machen wir Schluss für heute.“
 

„Ganz wie ihr wünscht.“ Der Soldat verbeugte sich und verschwand schnellen Schrittes. Ryota sah erst ihm nach und dann wieder zurück zum Geländer.

Resigniert schüttelte er den Kopf und ließ die Schwerter in die Hüllen gleiten.
 

Sie spürte wie sie nervöser wurde, als er sich ihr näherte. Was würde jetzt passieren. Hoffentlich dachte er nicht, dass sie sich schon wieder in etwas einmischen wollte. Oder ihm gar hinterher spionierte. Vorsichtshalber wappnete sie sich schon gegen einen erneuten Angriff. Sein Blick streifte sie für einen Moment. Doch blieb er nicht stehen. Er sagte auch kein Wort. Ging einfach an ihr vorbei. Verdattert starrte sie ihm nach. NICHTS? Nicht mal die kleineste Regung? Er lies sie einfach so stehen? Kein Wort?
 

Doch ein paar Schritte weiter hielt er dann doch inne. „Was ist?“
 

„Äh – nichts.“
 

„Was willst du hier? Solltest du nicht mit Amaya irgendwo Kleidchen anprobieren oder so was in der Art“
 

Also doch. Eine freundlichere Reaktion hatte sie auch fast nicht von ihm erwartet. Verschlossen und mürrisch – Ryota live und in Farbe.
 

„Sie musste was erledigen. Und weil mir langweilig war, bin ich eben etwas spazieren gelaufen. Ich wollte dir nicht hinterher spionieren oder so was. Nur falls du das denkst. Das war nur ein Zufall und dachte ich schau etwas zu.“ Versuchte sie sich zu rechtfertigen.
 

„Verlauf dich nicht.“ Er sah sie einen Moment lang über die Schulter hinweg an.
 

„Ich geb mir Mühe.“ Sie überlegte kurz unentschlossen ob sie ihn wirklich fragen wollte. „Wie geht es deiner Schulter?“
 

Seine Augen verengten sich. Hastig fügte sie hinzu: „Ich weiß es geht mich nichts an... trotzdem…“ das letzte Wort war fast schon ein Flüstern. Sie wollte irgendwie nicht, dass er einen schlechten Eindruck von ihr hatte.

Einen Moment war sie sich ziemlich sicher, dass er nicht antworten würde.

„Es geht schon. Es gibt bald essen. Du solltest langsam umkehren, wenn du es nicht verpassen willst.“
 

Damit ließ er sie mit rasendem Herzen stehen. Wieso machte der Typ sie nur so nervös.
 

___
 

Ryota war gerade vom Trainingsplatz zurück als es an seinem Zimmer sturmklopfte. Erst überlegte er sich, ob er nicht einfach ignorieren und so tun sollte als wäre er nicht da.
 

„Komm schon Ryota. Bitte. Es ist dringend.“
 

Amaya konnte zu einer wahren Pest werden, wenn sie ihren Willen nicht bekam und so öffnete er entnervt die Türe.
 

„Was willst du?“ begrüßte er sie. Doch sie hielt sich gar nicht erst damit auf und wuselte an ihm vorbei.

Sie wollte gerade loslegen als sie einen Moment stutzte. Sie sah sich im Zimmer um und dann ihren Bruder.
 

„Du müffelst.“
 

„Ich war trainieren, wenns Recht ist. Und wenns dir nicht passt, kannst du wieder gehen.“
 

„Geht’s deiner Schulter denn schon wieder gut?“ schnüffelte sie demonstrativ laut vor sich hin und rümpfte nur erneut die Nase.
 

„Es geht dich zwar nichts an – aber Mara hat ihr ok dafür gegeben. Es war nicht so schlimm, wie es ausgesehen hat. Zufrieden?“
 

Skeptisch verzog sie das Gesicht und er rollte nur die Augen. „Maya… WAS WILLST DU HIER ZUM TEUFEL?“
 

„Achja. Es geht um Sayuri.“ Seine Augenbraue zuckte hoch, gespannt was nun kommen würde. Er rechnete eigentlich schon mit einer Standpauke. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Mädels über ihn und den Abend sprachen. So holte er tief Luft und wappnete sich schon innerlich. Doch die Rede mit der er gerechnet hatte, blieb aus. Stattdessen kam sie mit einer eher ungewöhnlichen Bitte auf ihn zu.
 

„Du willst WAS?“
 

„Bitte Ryota“
 

„Wieso kommst du damit zu mir. Frag wen anders und lass mich mit deinen Plänen in Ruhe.“
 

„Nein; ich frage aber dich. Bitte Ryota.“
 

„Du hast doch Zeit und wolltest doch sowieso hingehen…“
 

„Ja. Aber doch nicht wegen so was.“
 

„Ach komm schon. Bitte bitte. Lass mich nicht betteln.“
 

„Wie stellst du dir das denn vor wie ich das bewerkstelligen soll.“
 

„Wenn’s darum geht, Vater was zu verheimlichen, bist du doch immer sehr kreativ.“
 

Ryota holte tief Luft. Er drohte Kopfschmerzen zu bekommen.

„Amaya. So einfach wie du dir das vorstellst ist das nicht. Und was sagt eigentlich Vater zu deinem Vorschlag? Hast du ihn überhaupt gefragt?“
 

Seine Schwester bekam ganz große Augen.
 

„Ja – das dachte ich mir. Und nachher bin ich wieder schuld an allem.“
 

„Bist du das nicht eh schon gewohnt?“ rutschte es ihr heraus und fing sich einen tödlichen Blick ihres Bruders ein. „Entschuldige. Es ist nur … es ist ihr Geburtstag … und … bitte Ryota.“ Sie setzte einen schuldbewussten Hundeblick auf.
 

Ryota schüttelte nur den Kopf und verschwand wortlos hinter der zuknallenden Tür seines Badezimmers.
 

„Heißt das, du wirst es machen?“
 

„VERSCHWINDE!!“ tönte es von drinnen.
 

„Danke. Danke. Danke… Danke Ryota!“ fröhlich tanzte sie schon fast wieder zur Türe hinaus.
 

Ryota beugte sich geschlagen über die Waschschüssel und knurrte vor sich hin. Ganz super. Was hatte sie ihm da nur wieder eingebrockt.

16

Eilig hetzte Amaya durch die Gänge. Sie hatte verschlafen. Ausgerechnet heute, wo sie wirklich einmal aufzustehen hatte. Und jetzt hoffte sie nur inständig, dass sie das schlimmste noch verhindern konnte. Von ihrer Zofe hatte sie schon gehört, dass ihr Bruder ihrer Bitte in den frühen Morgenstunden wirklich nachgekommen war und wohl inzwischen auch schon zurück im Palast sei. Doch die Tatsache, dass er nicht bei ihr am Zimmer erschienen war, konnte nur eines bedeuten.

Ihr Herz wurde schwer als sich ihre Befürchtungen bewahrheiteten. Sie sah Ryota ihrem Vater gegenüber, in einer ihrer hitzigen Diskussionen. Nur dass ihr Bruder diesmal unschuldig war. Schließlich war es ihre Idee gewesen und sie hatte beschlossen, nichts zu sagen und auf das Beste zu hoffen. Ein Fehler, wie sich jetzt wohl herausstellen würde.

Ryota schien erleichtert zu sein, als sie sich an seine Seite stellte. „Na endlich.“ Grüßte er sie sichtlich gereizt. Um seine Beine kauerte ein kleines weißes Fellbündel und spielte biss immer wieder knurrend in den schwarzen Umhang des Prinzen.

Amayas Herz machte einen Sprung als sie den Welpen sah und hob ihn glücklich hoch. Ein kritischer Blick inspizierte die zappelnde Ware kurz und ihr Gesicht strahlte vor Glück.

„Danke dir Ryota. Der ist perfekt. Na mein Kleiner? Ist es ein Männchen?“

„Jap. Gab diesen Wurf keine Weibchen.“

„Naja – macht ja nichts. Süß ist er ja trotzdem.“ Neben ihr räusperte Van sich streng, der es gerade etwas ignoriert wurde. „Amaya – könntest du mir das hier bitte einmal erklären?“

Sie verzog vorsichtig das Gesicht und reichte Ryota das Plüschtier zurück.

„Es ist Sayuris Geburtstagsgeschenk. Ich habe Ryota gebeten einen zu besorgen.“

„So – hast du das?“

„Ja.“

„Und du hast es vergessen mir zu sagen weil…?“

„Du nein gesagt hättest.“ Ryota sah weg und versuchte nun einen auf unbeteiligt zu machen. Er hatte sich für heute Morgen schon genug anhören müssen.

„Und das aus gutem Grund.“ Vans säuerliche Miene flog kurz über Ryota und flackerte dann zu Amaya. „Was zum Teufel hat dich da nur geritten Maya?“

„Du hättest sie mal sehen sollen. Sie wünscht sich schon so lange einen Hündchen und…“

„Ich wünsche mir auch viel und bekomme es dennoch nicht. Außerdem ist das kein HÜNDCHEN. Das ist ein verdammter Eiswolf.“

„Na und?“

Van holte tief Luft. Doch bevor er platzen konnte unterbrach ihn seine Tochter. „Dad. Sie unterscheiden sich von ihrem Wesen unter guter Haltung nicht von Hunden. Sie sind liebe und treue Gefährten. Sie brauchen vielleicht nur etwas mehr Auslauf.“

„Wo wir beim nächsten Punkt wären. Wer denkst du denn soll sich auf die Dauer um das Tier hier kümmern. Sayuri wird nicht ewig hier bleiben. Sie wird irgendwann nach Hause kehren. Hast du dir das schon einmal überlegt. Ich habe keine Zeit dazu. Und du wirst bestimmt auch die nächsten Jahre das Haus verlassen. Ich bin nicht blind und weiß was da zwischen dir und Millernas Sohnemann läuft. Du wirst vielleicht nicht sofort aber irgendwann auch Kinder bekommen.“ Amaya sah trotzig zu Boden. Ihre Backen glühten.

„Dann kümmere ich mich eben um ihn.“ Schaltete sich Ryota nun wieder in das Gespräch ein. Langsam wurde ihm das ganze Theater hier echt zu dumm. Van und Amaya starrten ihn gleichermaßen entsetzt an.

„Was denn? Ich nehm ihn mit zum Training – dann hat er genug Bewegung. Platz im Zimmer hab ich sowieso. Und ich denke nicht, dass du so schnell vorhast Fanelia Regentschaft niederzulegen. Außerdem willst du doch eh, dass ich mehr Verantwortung übernehme.“ Sein Blick war kühl und emotionslos. Der kleine Wolf biss beherzt auf Ryotas Handschuhen herum, während Van über den Vorschlag nachdachte. „Na schön. Dann trägst du die Verantwortung für ihn. Und wehe euch, wenn nicht.“

Amaya starrte ihren Bruder immer noch fassungslos an. Sie konnte nicht glauben, was eben passiert war. Hatte er sich eben für sie eingesetzt.

„Ah – da seit ihr.“ Kam Merle auf die Drei zu. „Oh – der ist ja süß. Wo kommst du denn her?“

„Geschenk für Sayuri.“ Antwortete Van seiner Freundin. Sein Kopf begann langsam zu schmerzen. „Was gibt es denn Merle?“

„Millerna, Dryden und Haru sind soeben mit dem Crusador eingetroffen.“

„Wir kommen.“ Der König und die Katzenfrau gingen voraus. Amaya hielt ihren Bruder sanft am Arm zurück. „Danke.“

„Ich hab das für den Kleinen gemacht und nicht für dich.“ Brummte er und drückte ihr Das Pelzbündel wieder in die Arme. „Verstanden?“

„Ja – trotzdem danke.“ Sie streichelte ihm kurz über den Kopf dann eilte sie ihren Bruder und Vater hinterher. „Hey Ryota – hättet ihr ihm nicht noch eine Schleife umbinden können.“

„Ich geb dir gleich ne Schleife.“

Als die Fanels den Landeplatz erreichten, warten die Königin Asturias und ihre Familie bereits auf sie.

„Hallo Van.“ Winkte Millerna ihnen freudestrahlend entgegen.
 

„Hallo. Schön dass ihr doch noch Zeit gefunden habt.“
 

„Für so etwas immer. Guten Morgen Ryota. Guten Morgen Amaya… oh – was hast du denn da?“
 

„Sayuris Geschenk. Ist er nicht niedlich?“
 

„In der Tat. Der ist echt schnuckelig. Wo hast du den denn nur her?“
 

„Ryota hat ihn vom Viehmarkt für mich besorgt.“
 

„So?“ sie wuschelte dem kleinen Wolf über den Kopf. „Kannst du mir auch einen holen?“ die Königin war vollkommen verzückt.
 

„Schatz…was willst du denn mit so einem Tier?“ ermahnte sie Dryden.
 

„Jaja – ich weiß ja. Aber süß ist er trotzdem.“
 

„Vor allem wenn du ihm dann ein Schleifchen umbindest und die Krallen lackierst.“ Stichelte ihr Sohn sie. Ryota konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Haru bekam einen Stoß in die Rippen.
 

„Pass besser auf mit wem du da sprichst.“ Lachte Dryden und schloss seine Frau in die Arme.
 

Amaya war ganz still geworden. „Hallo mein Schönheit. Lange nicht mehr gesehen.“ Verneigte sich der Neuankömmling vor ihr.
 

„Hallo Haru.“ Sie spürte wie ihre Ohren zu glühen begannen.
 

„Wir sollten jetzt am besten alle hineingehen, bevor unser Geburtstagskind aufsteht.“ Die ganze Gemeinschaft nickte und folgte Van ins Innere. Ryota blieb zurück.
 

„Kommst du nicht mit?“ wandte sich der Blondhaarige um. Haru hatte in etwa dieselbe durchtrainierte Statur wie Ryota, doch war er ein Stückchen größer. Seine blaubraunen Augen musterten den schwarzen Prinzen geduldig.

Dieser überlegte noch einen Augenblick, ehe er sich seufzend geschlagen gab. Es gab keinen Grund sich diesmal herauszureden. Außerdem hatte er vor seinem Aufbruch nichts gegessen gehabt. Wortlos schloss er zu dem Älteren auf.
 

„Wie geht’s der Schulter. Hab gehört, du hast da ziemlich was abbekommen.“
 

„Dich hätte ich auch mit einer Schulter geschlagen du Drückeberger.“
 

„Hey – ich lag krank im Bett.“
 

„Jaja – hätte ich an deiner Stelle auch behauptet.“
 

___
 

„Alles Gute zum Geburtstag!“ grölten die Zwillinge, als Sayuri den Speisesaal betrat und rissen die noch etwas Schlaftrunkene beinahe aus den Schuhen.
 

Das Mädchen sah sich überrascht um. Außer den üblichen Verdächtigen saßen Allen, Millerna, Dryden und ein junger Mann um den es sich wohl um deren Sohn Haru handeln musste mit am Tisch und glückwünschten ihr fröhlich zu. Naja – sagen wir fast alle. An ihrem Platz hatte sich ein kleiner Geschenkeberg angehäuft und als sie sich setzen wollte, stellte sie fest, dass etwas kleines Pelziges um ihre Füße strich. Vor Schreck hätte sie beinahe laut aufgeschrien, da sie im Moment nicht damit gerechnet hatte. Mit großen Augen hob sie ihr Hündchen hoch.
 

„Ich wusste nicht, was ich dir besseres hätte schenken sollen.“ Lachte ihre Freundin ihr zu, ehe sie sie fest in die Arme schloss.
 

„Los mach die anderen Geschenke auf.“ Drängelten die Katzenjungen…
 

„Ich würde sagen, das machen wir am besten nach dem Frühstück. Ich weiß ja nicht wies euch geht, aber ich habe Hunger und das alles auszupacken wird Stunden dauern.“ Witzelte Van streng.
 

Vorsichtig wurden somit die Pakete erstmal zur Seite gestellt und das Essen aufgetragen. Der kleine Wolf beschäftigte sich derzeit damit, das kleine Schleifchen, dass Amaya ihm noch schnell umgebunden hatte, aufzulösen.
 

„Hat er schon einen Namen?“ erkundigte sich die frischgebackene Hundehalterin.
 

„Nö. Das ist doch deiner.“
 

Sayuri lächelte wieder glücklich in seine Richtung und überlegte für einen Moment. „Seijitsu.“ Der Kleine stelle die Ohren auf und sah in ihre Richtung.
 

„Seijitsu… ein schöner Name.“ Stimmte Haru ihrem Vorschlag zu.
 

„Ja? Meinst du wirklich?“
 

„Ja… „ bekräftigte auch Amaya. Sayuri sah immer noch in die Richtung ihres neuen Gefährten.
 

„Du Amaya. Sag mal; ich… ähm… wie alt wird denn so ein äh …. Eiswolf?“
 

„Öh – 20 – 25 Jahre meines Wissens nach. Wieso?“
 

„So alt?“ ihr Blick wurde getrübt. „Naja… ich überlege nur gerade… ich meine… ich äh…“
 

Amaya schien die Gedanken ihrer Freundin zu lesen. „Mach dir keine Sorgen um ihn. Er wird’s bei dir gut haben. Und wenn du ihn nicht mitnehmen kannst, werden wir schon für ihn Sogen. Ist überhaupt kein Problem. Alles schon bedacht und abgeklärt.“ Das ganze kam so selbstverständlich und unbekümmert rüber, dass Van überrascht die Augenbraue hochzog als wolle er sagen: Achja? Amaya ignorierte dies aber elegant.
 

Doch Ryotas Reaktion war um einiges deutlicher. Er hatte sich verschluckt und hustete ziemlich laut. Hatte er sich da eben verhört? Erst hatte er sich dazu überreden lassen, das Tier zu holen. Dann hatte er sich erneut bei seinem Vater beliebt gemacht, als er seiner Schwester helfen wollte. Und jetzt das. Das war zuviel. Besorgt klopfte Merle ihm auf die Schulter und reichte ihm ein Glas Wasser.
 

„Entschuldigt mich bitte.“ Erhob er sich dann immer noch hustend vom Tisch; jedoch nicht ohne Amaya noch einen strafenden Blick zuzuwerfen, den sie beschämt und trotzig erwiderte.
 

„Ähm. Was war denn das eben?“ wunderte sich Sayuri nachdem die Türe hinter ihm zugefallen war.
 

„Ach – Ryota… du kennst ihn ja.“ Lächelte Amaya tapfer und ignorierte weiterhin munter Vans strafende Blicke. Doch sagte er nichts dazu. Es würde ohnehin nichts bringen. Der Wolf war da und Ryota war sogar für das Ter eingestanden. Also was solls.
 

___
 

Sayuri sah sich in ihrem Zimmer um. Neue Schuhe, einen neuen Kimono, Schmuck, beste Körperöle und sonstiger Schnickschnack hatten sich nun in ihrem Zimmer angehäuft. Ihr neuer Zimmergefährte turnte ihr um die Beine.
 

Ryota hatte sie seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. Aus welchem Grund auch immer, war sie ein wenig enttäuscht deswegen. Vermutlich hatte es wieder Ärger mit Van gegeben? Oder hatte sie selbst etwas Falsches gesagt oder getan. Aber wenn ja – was?

Eine Feuchte Nase stupste sie am Bein.
 

„Na mein Kleiner. Zeit ins Bett zu gehen. Meinst du nicht auch?“
 

Sayuri verschwand ins Bad um sich für die Nacht umzuziehen. Sie stellte fest, dass die Feier doch ganz schön anstrengend gewesen war. Außerdem schien es ihr so, als habe sie zuviel angestoßen. Das Bett würde eine Wohltat sein. Seijitsu folgte ihr auf Schritt und Tritt. Doch plötzlich stellte er die Ohren auf und schlich zurück ins Hauptzimmer.

„Was ist denn los?“ Ein kühler Windhauch ließ sie frösteln. Hatte sie vergessen die Balkontüre zu schließen? Die Gardinen bewegen sich leicht in der hereinziehenden kühlen Nachtluft. Von irgendwo kam ein leises Bellen.
 

„Seijitsu?“
 

Dann fiel ihr Blick auf etwas, das auf ihrem Bett lag. Und ihre Augen wurden groß. Auf ihrem Kissen lag eine makellose weiße Blume; eine Lilie. Sie wusste, sie war nicht aus dem Garten. Dort blühten sie nicht. Das wäre ihr nämlich mit Sicherheit aufgefallen.

Doch es war nicht das einzige Geschenk, dass dort lag. Unter ihrer namensgebenden Blume lag noch ein Band. Makellos weiß und perfekt. Ein Haarband. Ihr Haarband. Das Band, das ihr am Tag ihrer Reise nach Gaia verloren gegangen war, als der Drache sie verfolgt hatte.

Sie vernahm ein Geräusch von draußen. Der Wind blähte die Vorhänge der offenen Türe weit auf. Sayuris Herz schlug bis zum Hals, als sie hinaus in die kühle Nachtluft zu Seijitsu trat. Dieser saß da und starrte nach oben. Ihr Kopf brummte. Der Alkohol war wirklich etwas zuviel gewesen, stellte sie missmutig fest. Sayuri folgte dem Blick ihres Gefährten.
 

„Ryota...“ entfuhr ihr der Atem. Mit einem Schlag schien sie plötzlich wieder vollkommen nüchtern zu sein.
 

Sie konnte nur einen kurzen Blick auf den jungen Engel erhaschen, wie er gerade von seinem heimlichen Ausflug wieder bei seinem Zimmer zur Landung ansetzte. Wieder diese weißen Schwingen. Sie waren unglaublich schön, fand sie. Und im Mondlicht ganz besonders.
 

Federn wurden zu ihr herübergetragen, als er kurz zu ihr hinübersah. Sie spürte wie es ihr heiß und kalt den Rücken hinunterlief.

War das ein Hauch eines Lächelns? Ehe sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, war er auch schon wieder verschwunden und alles war irgendwie so schnell gegangen, dass sie sich nicht mal sicher war, dass das eben wirklich passiert ist.
 

Seijitsu versuchte sich an der Brüstung groß zu machen und bellte weiter vergnügt in die Nacht.

Ein weiterer Windstoß setzte der Grübelei ein Ende. Ihr war kalt und sie war müde.
 

„Na komm – Seijitsu… komm…“ Schwanzwedelnd folgte er seinem Frauchen zurück ins Zimmer. Sorgfältig verschloss sie die Fenster und machte sich daran, die Blume in eine kleine improvisierte Vase zu stellen, bevor sie und ihr kleiner Troll ins Reich der Träume abtauchten.
 

___
 

Ich fand - Amaya braucht auch wen... Namensfindung... ja ist nicht so mein Ding - ich hoffe ihr könnt damit leben.

Kommt auch noch ein wenig mehr dazu...
 

Aber dachte - Wenn Millerna und Dryden schon zusammen bleiben, dann können die ruhig auch ein Kindelein haben. Allen ging halt eben leer aus. So ist das eben. Öh - ja... ich hoffe es ist nicht zuviel an den Haaren herbei gezogen ^^
 

Eiswolf - dürft ihr euch ein wenig wie den Polarwolf vorstellen - weiß und kuschelig... und in dem Fall sehr lieb und zutraulich. Und er bekommt blaue Augen - einfach weil ich persönlich eine schwäche für blaue Augen habe... eigentlich sollte Ryota ja auch welche haben, wenns nach mir ginge... aber braun übertrumpft blau eben immer... also... dunkelbraun.... jo... genug sinnloser Kommentar für heute - ist schon wieder sehr spät.
 

(PS: Fehler werden bei mir nur von Word aufgedeckt - und von mir nur wochenlang später, wenn ich es durchlese und denke - was solln der Käse... hoffe es hält sich trotzdem in Grenzen.)

17

In der Nacht hatte es geregnet; entsprechend kühl war es in der Früh, als Sayuri mit dem aufgedrehten Seijitsu über den Hof lief. Dem Kleinen schien das ganze nichts auszumachen, jedoch hatte Sayuri sich nur ein einfaches Kleidchen übergeworfen und fror entsprechend, wenn der Wind sie einholte. Sie würde Amaya nach einer Jacke oder Mantel fragen müssen. Bisher hatte sie keinen gebraucht, doch wenn sie jetzt immer so bald aufstehen musste, wäre es sicher nicht verkehrt. Außerdem neigte sich der Sommer bald dem Ende zu. In ein paar Wochen würde es zu herbsten beginnen. Spätestens dann brauchte sie einen.
 

Seltsam wie schnell die Zeit doch verging. Seijitsu spitzte auf einmal die Ohren und sprang mit wedelndem Schwanz davon. „Hey halt – warte.“ Schoss Sayuri ihm hinterher und stand auf einmal vor Ryota mit dem Wolf auf dem Arm. „Oh! Guten Morgen.“
 

„Morgen. Glaube das gehört dir.“
 

„Ja. Danke. Er ist auf einmal davon gesprungen…“
 

„Leine…“
 

„Ja – ich hab noch keine. Steht auf der Besorgungsliste.“ Er setzte das zappelnde Tier wieder ab und musterte etwas skeptisch die leicht zitternde Sayuri. Verlor aber kein Wort darüber und dachte sich seinen Teil lieber.
 

„Danke… für … naja… für gestern… das Haarband…“ presste sie hervor. Sie wusste dass er zwar nicht viel wert darauf legte, doch war es ihr dennoch ein Bedürfnis sich zu bedanken.
 

„Ist doch deins oder?“
 

„Ja schon…“
 

„Also…“
 

„Trotzdem danke. Ich dachte ich hätte es verloren…und auch danke für die Lilie. … sie ist wunderschön.“

Darauf hin erwiderte er nichts und blickte an ihr vorbei.
 

„Du gehst schon wieder weg?“ versuchte sie das Gespräch irgendwie in Gang zu halten. Ryota war zwar immer so kühl und abweisend, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, da war mehr.
 

„Sieht wohl so aus, oder?“
 

„Wohin?“
 

Seine Augen verengten sich und er rang einen Moment mit sich, ob er wirklich antworten wollte. „Viehmarkt.“
 

„Darf ich mit?“
 

Er sah sie an wie ein Mondkalb. Hatte sie das gerade wirklich gefragt.
 

„Was?“
 

„Ich hab gefragt ob ich mir darf. Ich war noch nie auf einem Viehmarkt.“
 

„SO? Du machst wohl Witze.“ Sie hatte es tatsächlich geschafft ihn vollkommen aus der Bahn zu werfen.
 

„Ich kann mir ja schnell was überziehen.“
 

„Und was bitte? Ich denke nicht, dass irgendetwas in deinem Schrank reittauglich ist.“ Beschämt sah sie an sich herab. Er hatte recht. „Und was ist mit dem Kleinen? Den kannst du auch nicht alleine lassen.“
 

Ryota fluchte in sich hinein. Warum wurde er immer mit solchen Mädchen gestraft. War Amaya nicht genug?
 

„Los; komm mit.“ Gab er sich knurrend geschlagen. Überrascht sah sie ihm hinterher. „Was ist? Ich hab nicht ewig Zeit.“
 

„Komm Seijitsu.“ Eilte sie ihm in die Stallungen hinterher. Der schwere Geruch von Heu und Tier hing in der Luft. Aber immerhin war es hier angenehm warm. Ryota sprach mit einem älteren Mann im hinteren Teil des Stalles.
 

„Komm mal her Mädchen.“ Winkte er sie zu sich rüber. Etwas schüchtern kam sie seiner Bitte nach. Er begutachtete sie mit wissendem Blick. „Hm… da ist ja kaum was dran an dir.“ Ryota konnte sich ein Grinsen gerade noch unterdrücken. „Aber ich denke ich hätte was, was dir passen könnte. Kommt mit.“
 

„Achja – und ein Mantel wäre vielleicht auch nicht schlecht.“ Brummelte Ryota ihm noch hinterher.
 

Sayuri hatte zwar ein leicht mulmiges Gefühl in der Magengegend. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen. Trotzdem folgte sie dem Alten - Seijitsu ihr dicht auf den Fersen.
 

Einige Minuten später präsentierte der Stallmeister dem Prinzen sein Werk. Sie trug eine schwarze Stiefel und eine ebenso schwarze legginsartige Hose. Das weiße Hemd war ihr zwar etwas zu groß, doch mit dem Gürtel um die Hüften, fiel das gar nicht wirklich auf. Ihr Haar hatte sie mit ihrem geliebten Band zu einem Zopf geflochten. Meister Dratze überreichte ihr noch einen langen wallenden schwarzen Umhang mit Gugel. Doch bevor sie ihn umlegen konnte hier ihr Ryota noch eine große Umhängetasche hin. Verständnislos sah sie ihn an.
 

„Glaubst der Kurze hier, kann mit den Pferden mithalten?“ Sayuri zögerte noch einen Moment.

„Festhalten und ihn rausgucken lassen. Dann ist er ganz brav.“
 

„Ok?“ die Skepsis war nun der Verwunderung gewichen. Ryota seufzte resigniert. „Er ist nicht hergeflogen.“ Antwortete Ryota nüchtern und machte sich nun auf den Weg zu den Pferden, die draußen schon auf ihn warteten.
 

Sayuri packte eifrig ihr Packet in die Tasche und warf sich den Umhang um die Schultern. Noch ein schnelles danke, dann flitzte auch sie hinaus.

Zwar hatte sie die Tiere schon in der Stadt gesehen – aber jetzt selbst auf einem zu sitzen, ließ sie doch an ihrer Entscheidung zweifeln, ob das so eine Gute Idee gewesen ist.
 

„Ich nehme einfach mal an, du bist noch nicht geritten.“
 

„Mama hat mir mal ein paar Reitstunden finanziert. Aber von Können… würde ich jetzt nicht sprechen.“ Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass die Tiere genau gleich reagierten wie die Pferde auf der Erde. Fast rechnete sie damit, dass Ryota sie nun doch nicht mitnehmen würde. Er sah so genervt aus.
 

„Du sitzt bei mir mit auf.“ Schwang er sich in den Sattel und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Kaum hatte sie sich auf dem Rücken richtig platziert und die Tasche mit der wertvollen Ware unter ihrem Umhang so gesichert, dass nichts passieren konnte, wies Ryota sie an sich gut festzuhalten und nach Möglichkeit nicht herunterzufallen.
 

Zaghaft legte sie ihre Hände um seine Taille. Er sah kurz an sich hinab auf die dünnen Finger und gab das Zeichen zum Abmarsch.

Auch wenn Sayuri darauf eigentlich gefasst war, so klammerte sie sich trotzdem bei dem rasanten Start an den Prinzen, da sie sonst doch noch das Gleichgewicht verloren hätte. Mit weniger angenehmen Folgen.
 

„Alles in Ordnung da hinten?“ drehte ihr Vordermann sein Gesicht zur Seite.
 

„Ja – ja – ich war nur gerade etwas… ist ungewohnt…“
 

Die Aussage schien ihm zu reichen. Nach ein paar Metern wurde sie auch endlich entspannter und überprüfte kurz, dass mit Seijitsu auch alles in Ordnung war. Hoffentlich hatte sie ihn nicht zerquetscht. Doch der kleine Eiswolf streckte seinen Kopf zur Seite hinaus und verhielt sich sonst angenehm ruhig während des Ritts. Als wäre es das natürlichste von der Welt.
 

Die Straßen Fanelias waren noch wie ausgestorben, sodass sie rasch vorankamen. Der Wind pfiff ihr dabei um die Ohren. Sie war Ryota dankbar, dass er noch zusätzlich um einen Mantel gebeten hatte.
 

Doch dann drosselte der Reiter die Geschwindigkeit und lenkte in eine Gasse ein. Plötzlich wuselte es überall von Leuten und verschiedenstem Getier. Doch hatten sie keinerlei Probleme durch die Menge zu kommen. Jeder, der den Thronfolger Fanelias erkannte, machte ihm sofort Platz. Sayuri war beeindruckt und richtete sich nun vollends auf. Ihr kleiner Freund in der Tasche schnupperte in die Luft.
 

Es war anders, als wenn sie sonst mit Amaya immer auf den Markt ging um Stoffe, Gewürze, Schmuck und sonstige Kleinigkeiten ansehen ging. Es war da zwar eindeutiger mehr los, da sie auch nicht so früh unterwegs waren. Doch ging es hier viel rauer zu. Eindeutig ein von Männern beherrschter Markt.

Ihre Augen wanderten zu einem Stand mit Pelzen hin und ihr Herz und finger krampften sich zusammen, als sie erkannte, was es war.
 

Ryota bewegte sich um die krallende Hand zu lockern. „Es sind eigentlich Wildtiere und keine knautschigen Schoßhunde. Du solltest daher gut auf den Kleinen hier achtgeben, wenn du nicht willst, dass er bei seinen Brüdern landet.“ Sie nickte nur tonlos und strich mit einer Hand einmal vorsichtig über den Kopf des Schicksalsentkommenen.
 

Ryota hielt an: „Ah – guten Morgen, Hoheit. Da seit ihr ja.“ Grüßte sie ein junger Mann plötzlich von der Seite.
 

„Hallo Amann – ist er schon soweit fertig?“
 

„Ja. Ich habe bereits alles vorbereitet. Darf ich fragen wer die schöne Dame in eurer Begleitung ist?“
 

„Eine Freundin des Palastes.“ antwortete Ryota knapp. „Sayuri?“ Es war weniger eine Frage als eine Aufforderung zum Absteigen. Sie schien zunächst etwas überfordert.
 

„Soll ich euch die Tasche abnehmen, Miss?“
 

Sie lächelte dem Händler, den Ryota Amann genannt hatte, dankbar entgegen und reichte ihm Seijitsu. Dieser knurrte bedrohlich, wovon sich der Amann allerdings nicht beeindrucken ließ.
 

„Ah – dann war er also für euch bestimmt.“ Lächelte der Mann unbeirrt weiter. „Ihr könnt mich Amann nennen.“ Stellte er sich eben selber vor und übergab Seijitsu wieder seiner Besitzerin.
 

„Freut mich. Ich bin Sayuri.“
 

„Freut mich euch kennenzulernen, Lady Sayuri.“ Verbeugte er sich und küsste ihre Hand. Verlegen errötete Sayuri leicht. Ryota schwang sich nun geübt aus dem Sattel.
 

„Darf ich ihn sehen?“ überging er alle weiteren Höflichkeiten.
 

„Selbstverständlich. Wenn ihr mir folgen wollt.“ Die beiden Begleiter aus dem Palast, die auf einem weiteren Pferd mitgekommen waren, übernahmen die Zügel von Ryota, sodass dieser Amann folgen konnte. Und Sayuri entschied sich ihm zu folgen. Sie gingen an einer Reihe Pferchen vorbei bis sie vor einem schwarzen Riesen mit weißer Zeichnung stehen blieben. Temperamentvoll begrüßte er seinen neuen Besitzer, der den Handschuh auszog um ihn über die weichen Nüstern zu streicheln. Sofort wurde er ruhiger.
 

„wow…“ stieß Sayuri atemlos aus.
 

„Ja – er ist wirklich ein Prachtexemplar, wie auch ich nur selten anbieten kann.“
 

„Er ist perfekt.“ Bekräftigte Ryota die Meinung. „Die Papiere?“
 

„Unter meinem Stand. Ihr müsst nur noch unterzeichnen und ihr könnt ihn mitnehmen.“
 

„Gut.“ Sayuri blieb alleine bei dem Hengst zurück. Er beugte sich zu ihr herab und beschnupperte sie mit sanften Augen. Seijitsu hopste aus der Tasche und setzte sich frech unter den Hengst und bettelte auch um Aufmerksamkeit. Glücklicherweise ließ das Ungetüm sich nicht von dem Kleinen aus der Ruhe bringen. Vorsichtig strich auch sie ihm nun über die Nüstern und Stirn.

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich über ihr Gesicht aus und ihr Vertrauen in diese ungewöhnlichen Reittiere wuchs.
 

„Ok. Wir sind fertig.“ Kam Ryota mit einem Sattel und Zaumzeug an. Einer seiner Helfer kam herbei.
 

„Ich mach das schon selbst. Sayuri. Magst du noch mit, oder sollen sie dich heimbringen?“
 

„Äh – wohin denn?“
 

„Raus aus der Stadt. Ich würde ihn gerne ein wenig ausprobieren.“
 

„Ähm… wenn du nichts dagegen hast…“
 

„Würde sonst nicht fragen.“ Nun wandte er sich wieder an den eifrigen Palast-Stallburschen. „Ok. Ihr habt es gehört. Lasst meinem Vater bitte ausrichten, dass wir noch ein wenig unterwegs sein werden. Ihr könnt dann gehen.“
 

„Jawohl.“ Der Bursche verneigte sich und schwang sich auf die Stute, auf der sie und Ryota her geritten waren. Dieser hingegen sattelte nun seine neuste Errungenschaft, während Seijitsu ein wenig um Sayuris Füße herumtollte und versuchte einen Fussel zu fangen.
 

„Ok – komm…“ Ryota hatte sich auf den breiten Rücken geschwungen und reichte ihr abermals die Hand zum aufsteigen. Sayuri griff zunächst nach dem Energiebündel unter sich und verstaute ihn wieder sicher in seinem Hängebeutelchen unter dem Mantel. Dann griff sie diesmal ohne zu zögern nach seiner Hand und ließ sich hochhelfen und schlang ihre Hände wieder um ihn. Sie wunderte sich noch einen Moment.
 

„Wow. Hoch…“
 

„Ohja. Das ist mal ein anderes Kaliber. Ok – es geht los.“
 

Diesmal war sie besser vorbereitet und verlor nicht sofort wieder das Gleichgewicht. Ryota lenkte sie aus der Stadt hinaus über Wiesen und Felder in Richtung Wald. Nach einem schier endlosen Ritt hielt Ryota ihn endlich an einem Bach an. Gönnte dem Tier etwas Wasser und Erholung und Seijitsu Bewegung.

Sayuri war noch etwas zittrig auf den Beinen. Denn kaum waren sie aus der Stadt draußen, hatte der Hengst so aufgedreht, dass sie alle Mühe hatte sich an Ryota zu krallen. Der schien das gar nicht mitzubekommen und genoss einfach das bisschen Freiheit, dass ihm vergönnt war. Und wenn sie ehrlich war - sie auch. Auch wenn es ihr bisher nicht so extrem bewusst gewesen war, aber die Palastmauern hatten sie doch schon eingeengt.
 

„Geht’s denn?“ erkundigte sich Ryota und hielt ihr ein Sandwich hin, das die Küche ihm für seinen Ausflug mitgegeben hatte. Es war kein Geheimnis, dass Ryota nicht wie ein anständiger Prinz nach kleineren Ausflügen in die Stadt unverzüglich nach Hause zurückkehrte um seinen Pflichten nachzugehen.

Daher hatten sie das Rezept von Sayuri übernommen, da es wirklich einfach und effektiv war. Und allen Anschein Anklang bei dem Jungen fand.

Jedoch wurde nicht damit gerechnet, dass ihn eventuell jemand begleiten würde, da er doch als zurückgezogener Einzelgänger bekannt war. Dennoch reichte es aus, um ihren Magen, der heute außer Tee noch nichts zu sich genommen hatte, für eine Weile zu beruhigen.
 

„Ja. Danke. Kommst du denn öfters hier her?“
 

„Wenn es die Umstände erlauben.“
 

„Es ist wirklich schön hier. So ruhig…“
 

„Ja.“ Er wirkte richtig ruhig. „Und keiner der einen dauernd überwacht.“
 

„Ist es wirklich so schlimm für dich?“ fasste sie sich ein Herz.
 

Ryota starrte zu den Tieren. „Die einzigen Möglichkeiten die du hast, um deine Ruhe zu haben ist entweder die, dass du dich in deinem Zimmer einsperrst oder dass du dich gänzlich aus dem Palast zurückziehst. Wobei das Zimmer auf Dauer ziemlich öde werden kann. So wie alles in diesem Palast mit der Zeit ermüdend wird. Und erzähl mir nicht, dass es nicht stimmen würde. Sonst wärst du jetzt kaum hier und würdest immer noch frierend über den Hof stolpern.“
 

„Kann schon sein.“
 

„Es ist so. Um dich dort unsichtbar zu machen, musst du schon tief in die Trickkiste greifen oder die Zwillinge bestechen dass sie es für dich tun. Und wenn die richtig aufdrehen, guckt keiner was du gerade tust. “ er stockte kurz und fügte noch hinzu. „Oder du wartest bis es zu dunkel ist, als das dich irgendwer groß sehen kann.“
 

„Du bestichst die Zwillinge?“
 

Er zuckte mit den Schultern. „Und?“
 

„Hast du kein schlechtes Gewissen?“
 

„Wieso sollte ich das haben?“
 

„Naja – es sind schließlich Kinder… und … ich weiß nicht. Ich finde es irgendwie nicht richtig. Sie könnten Ärger bekommen. Und das nur weil sie dich schützen. Und was ist, wenn dir einmal was passiert und keiner weiß wo du bist.“
 

„Dann ist es eben so.“
 

„Das kann dir doch unmöglich so egal sein.“ Sie konnte einfach nicht glauben, was er da von sich gab.
 

Er spürte wie der Ärger wieder in ihm aufkochte. „Sayuri….“
 

„Ich weiß schon. Es ist deine Sache und ich soll mich nicht einmischen. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.“ Unterbrach sie ihn sofort. Sie hatte die drohende Gefahr gespürt – sie wollte nicht mit ihm streiten. Schon gar nicht jetzt. Der Ort war zu friedlich. Der Morgen zu schön. Doch es machte sie irgendwie traurig, weil sie ihn verstehen wollte.
 

Ein tiefer Seufzer kam über seine Lippen. „Nein. So war das nicht gemeint. Es ist mir nicht egal. Aber es ist eben so. Ich erwarte nicht, dass du es verstehst.“ Er sah tief in ihre Augen. Und diesmal erkannte Sayuri, was sie damals schon gesehen hatte und nicht benennen konnte. Schmerz. Tief sitzender Schmerz.
 

„Dann erkläre es mir.“ hielt sie seinem Blick weiter stand.
 

„Nein.“
 

„Na schön.“ Seijitsu kam angetrabt und stupste sie mit feuchter Nase an. Sie schloss ihn in die Arme und strich ihm über den Kopf. „Wie willst du ihn eigentlich nennen?“ deutete sie mit dem Kopf in Richtung des Reittieres, welches immer noch ruhig am Gras zupfte.
 

„Weiß nicht. Hab ich mir eigentlich noch keine Gedanken darüber gemacht.“
 

„Dann wird es aber Zeit.“
 

„Du bist doch so gut im Namen aussuchen.“
 

„Gut?“ sie zweifelte ein wenig an seiner Aussage, nahm die Herausforderung gerne an. Sie analysierte die Eigenschaften und ein wenig das Wesen und wog die Möglichkeiten ab.
 

„Tezuyoi.“
 

„Ryota zog eine Augenbraue hoch und überlegte einen Moment. „Hm… warum auch nicht. Dann hätten wir das auch geklärt.“
 

„Ja? Cool…“
 

„Cool?????“
 

„Ja ähm… wir sagen es manchmal bei uns, wenn wir etwas toll finden. Weit verbreitet bei Jugendlichen vor allem.“
 

„Ahja…“
 

Sie grinste nur. Ihr war gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie solche Wörter hier auf Gaia gar nicht kannten.
 

„Sag mal, kannst du es mir beibringen?“
 

„Was bei beibringen?“
 

„Das Reiten.“
 

Ryotas Blick war wieder so beunruhigend undeutsam. „Wieso sollte ich?“
 

„Du kannst es doch.“
 

„Na und?“
 

„Bitte.“
 

„Vater wird das sicher nicht gerne sehen.“
 

„Na und?“ grinste sie frech. „Lass das mein Problem sein.“
 

Wieder schoss Ryotas Augenbraue zweifelnd hoch. Irgendwie kam ihm das gerade sehr bekannt vor. Und nachher hatte er wieder die Arschkarte.
 

„Nur unter der Bedingung, dass du es ihm sagst. Ich halt mich dabei raus.“
 

„Ja?“
 

„Ja…“
 

„Danke.“
 

Mädchen. Sie waren irgendwie doch alle gleich, vor allem wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatten.

18

Van versuchte sich vergeblich zu konzentrieren. Schließlich gab er auf und rieb sich die Schläfen. Er hatte schon wieder einen Migräneanfall. Und wie sollte es anders sein, war sein Sohn der Grund.
 

Beim Frühstück hatte er sich noch gewundert, warum Sayuri nicht anwesend war. Der Zeit nach, musste sie eigentlich schon wach sein. Aber vielleicht war sie auch mit ihrem „Hündchen“ irgendwo im Garten oder Hof unterwegs.

Hündchen… er hatte die Aktion seiner Kinder vom Vortag immer noch nicht ganz verdaut.

Er war sich nicht sicher, ob er wirklich sauer sein sollte, weil sie ihn so überrumpelt hatten oder ob er sich freuen sollte, weil Ryota sich endlich mal für etwas eingesetzt hatte. So sehr es ihn auch ärgerte, er so war er doch ein wenig Stolz auf seinen Sohn.

Aber Sayuri hatte sich schließlich auch sehr darüber gefreut, hatte sie doch in den letzten Tagen einen leicht verlorenen Eindruck gemacht. Und zugegeben, der Wolf war wirklich zu süß um als Pelz herzuhalten – was das ganze noch einfacher machte, all dem zu verzeihen.
 

Sein Lächeln hielt allerdings nur solange an, bis einer der Bediensteten an ihn herangetreten war, um ihm eine Nachricht von seinem Eigenbrötler zu überbringen. Er war mit Sayuri im Schlepptau auf den Viehmarkt und anschließend mit unbekanntem Ziel aus der Stadt geritten.
 

Und die beiden waren noch immer nicht wieder zurückgekehrt. Van hasste diese Einzelgänge. Er hasste es sehr, wenn sein Sohn einfach verschwand und keiner wusste, wohin eigentlich. Und jetzt hatte er auch noch Hitomis Tochter dabei. Hoffentlich war ihnen nichts passiert.
 

Merle setzte sich an seine Seite und schnurrte ihn an. „Ich habe hier ein Wasser für dich.“
 

„Danke dir Merle.“
 

„Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen Van. Er wird schon auf sie aufpassen.“
 

„Der Junge kann nicht mal auf sich selbst aufpassen.“
 

„Meinst du nicht, dass du ihm da jetzt Unrecht tust. Bisher ist er immer an einem Stück zurück gekommen. Und Sayuri ist auch nicht auf den Mund gefallen.“
 

„Trotzdem gefällt mir die Sache nicht. Er sollte hier bleiben. Er sollte endlich Verantwortung übernehmen. Seine Pflichten etwas ernster nehmen. Und nicht mit Sayuri …. “ er ließ den Satz unvollendet. Sein Kopf brummte fürchterlich. „Warum zum Teufel hat er sie überhaupt mitgenommen?“
 

Merle betrachtete ihren König prüfend. „Ich weiß es nicht.“ Seufzte sie.
 

„Ich schwöre dir, wenn er ihr etwas antut…“
 

„Van!“ mahnte die Katzenfrau herrisch.
 

„Entschuldige. Aber er ist nur so….“
 

„Ich weiß.“
 

Van stand von seinem Patz hinter dem Schreibtisch auf. Er brauchte ein wenig frische Luft. Die Papiere würden schon nicht davon laufen.

In dem Moment klopfte es an der Türe und eine der Wachen trat ein. „Majestät. Euer Sohn und Lady Sayuri sind soeben zurückgekehrt.“
 

Die Katzenfrau folgte ihrem König hinaus auf dem Hof, wo sich auch schon Amaya befand und Tezuyoi bewunderte.
 

„Wow. Geschmack hat der Junge. Das musst du ihm echt lassen.“
 

„Ohja.“ bestätigte Van beeindruckt. „Ein wirklich schönes Tier.“
 

„Du bist erleichtert.“ Stellte sie fest.
 

„Ja.“
 

Merle zwinkerte ihm zu. „Ein bisschen mehr Vertrauen.“
 

Van seufzte. Es war nicht so, dass er Ryota überhaupt nicht vertraute. Aber er war, wie er selbst, so ein Hitzkopf. Mehrfach hatte ihn damals diese Eigenschaft in brennzliche Situationen gebracht. Und nicht nur ihn.

Doch nicht nur das. Der Anblick Ryota – Sayuri wollte ihm an sich einfach nicht gefallen. Sayuri war so ein liebevolles und zartes Wesen. Auch wenn sie nicht die Tochter seiner ersten großen Liebe gewesen wäre, so hätte Van sie auf jeden Fall in sein Herz geschlossen. Ryota hingegen war immer so grob zu allen. Er hatte großes Talent, Menschen vor den Kopf zu stoßen und zu verletzen. Am liebsten wäre ihm ja, er würde sich gänzlich von ihr fern halten.

Aber vermutlich würde er das von sich aus schon tun und das heute war eine Ausnahme. Was auch ihn immer da geritten haben mochte…
 

„Na – wo wart ihr denn?“ trat Van auf die Gruppe zu.
 

„Auf dem Viehmarkt“ Antwortete Sayuri. Ryota zog das Schweigen vor.
 

„Das ist nicht zu übersehen.“
 

„Und danach sind wir noch ein wenig in den Wald um Tezuyoi noch etwas zu bewegen.“
 

„Tezuyoi ja?“ Er ließ das große dunkle Tier an seiner Hand riechen ehe er ihm über den muskulösen Hals strich.
 

Sayuris Tasche bewegte sich und ihr kleiner Gefährte lugte daraus hervor und protestierte laut. Der Hengst beugte seinen Kopf zu ihm runter um den Nervenbolzen zu beschnuppern.
 

„Der scheint wohl keine Angst vor ihm zu haben. Schau mal wie frech er ist. Scheint sich wohl eine echte Männerfreundschaft zu entwickeln.“ Lächelte Amaya.
 

„Ja zum Glück.“ meinte Sayuri ein wenig erleichtert, als sie Seijitsu auf den Boden gesetzt hatte. „Wäre sonst etwas schwierig mit dem Reitunterricht.“ Sie löste ihr Band aus dem Haar, und schüttelte es einmal kurz durch, als hätte sie gerade nichts Besonderes gesagt.
 

„Was für ein Reitunterricht?“ Van reagierte alarmiert.
 

„Ryota hat mir versprochen, dass er mir das Reiten beibringen wird.“
 

„So – hat er das?“
 

Amaya trat einen Schritt zurück und wartete gespannt mit Merle ab. Das konnte jetzt interessant werden. Ryota verdrehte nur die Augen. Das war vielleicht nicht die beste Methode gewesen die Bombe platzen zu lassen.
 

„Ja.“
 

„Wieso?“
 

„Weil ich ihn darum gebeten habe.“
 

„Wieso?“
 

„Weil ich reiten lernen will.“
 

„Ich bring ihn mal in die Box. Klärt das bitte ohne mich.“ Zog sich der junge Lehrer in Spe aus der Diskussion zurück. Er ahnte eh schon, was für einen Verlauf das Ganze hier nehmen würde.
 

Van rieb sich die Schläfen. Hatte er sich eben noch eingeredet, dass Ryota sich sicherlich nicht groß mit ihr abgeben würde?
 

„Verstehe…“
 

„Darf ich?“ Sayuri sah ihn erwartungsvoll an. Van hingegen blickte von ihr hinüber zu Ryota, der das Tier zusammen mit dem Stallmeister versorgte.
 

„Ryota? Ich könnte dir auch gerne einen anderen Lehrer zur Seite stellen.“
 

„Ich hab ihn nun jetzt aber schon gefragt.“
 

„Na schön. Wenn er das mal wirklich tut…“
 

„Danke.“ Ihr Magen knurrte.
 

„Ich nehme an, ihr habt noch nicht viel gegessen heute.“ Lächelte Merle sanft. Auch Amaya grinste. Sayuri errötete leicht und schnappte sich ihren Mini um ihre beiden Mägen zu füllen.
 

Van sah den Mädels hinterher ehe er sich Ryota zuwandte.
 

„Dürfte ich meinen Sohn kurz alleine sprechen?“
 

„Selbstverständlich Hoheit.“ Der Stallmeister zog sich zurück.
 

„Was ist?“ eröffnete Ryota das Gespräch mit scharf gereizter Stimme.
 

„Kannst du mir sagen wo ihr beiden wart?“
 

„Sagte sie doch schon. Viehmarkt und danach noch im Wald. Hast du nicht zugehört?“
 

„Wieso hast du sie mitgenommen?“
 

„Weil sie gefragt hat.“
 

„Euch hätte etwas passieren können. Und keiner hätte gewusst wo ihr beiden seit.“
 

„Erstens habe ich jemanden geschickt um dir ausrichten zu lassen, dass wir unterwegs sind. Und selbst wenn nicht, hat dir bestimmt einer deiner Speichellecker gesagt, dass wir unterwegs sind. Und bei Nachfragen hätten sie dir bestimmt auch gesagt in welche Richtung. Oder etwa nicht? Schließlich ist man hier doch kaum eine Sekunde unbeobachtet.“
 

Sayuri hielt plötzlich inne. Sie hatte ihr Haarband auf die Seite gelegt gehabt und nicht mehr daran gedacht. Schließlich war es schon lange her, dass sie es das letzte Mal angehabt hatte.
 

„Ich komm gleich wieder. Hab was vergessen.“ Eilte sie schnell zurück. Das Band hing lag immer noch unberührt an der selben Stelle, wo sie es abgelegt hatte. Sie wollte gerade wieder verschwinden, als sie die Stimmen von Van und Ryota vernahm Ein wenig neugierig schlich sie ein wenig näher heran um zu verstehen, worüber die beiden gerade so stritten.
 

„Was soll das mit dem Reitunterricht. Was hast du vor mit ihr? Was willst du von ihr? Wenn du vorhast sie in dein Bett zu holen…“
 

„Ich habe gar nichts mit ihr vor. Dafür ist viel zu wenig an ihr dran. Außerdem ist das Ganze ist auf ihren Mist gewachsen und sicher nicht auf meinen. Sie hat genervt. Verstehst du?“
 

„Hättest du sie nicht mitgenommen, wäre sie vielleichtgar nicht erst auf die Idee gekommen.“
 

„Selbstverständlich ist es ja wieder meine Schuld. Du hörst nicht mal zu. SIE WOLLTE UNBEDINGT MIT! Aber weißt du was? Mir ist das hier echt zu dumm – sperr sie hier doch ein. Sie wird sich, ebenso wie Amaya, sicherlich fügen. Dann hast du zwei Püppchen hier. Das wird ihr ganz bestimmt gefallen. Los – geh zu ihr und sags ihr. Ich habe nicht darum gebettelt sie an der Backe hängen zu haben. Würdest mir damit sogar noch einen Gefallen tun. Hab ich sie schon weniger zu tun und eine Nervensäge weniger am Hals hängen. Es wundert mich überhaupt, dass du zugestimmt hast. Eigentlich hatte ich von dir das Gegenteil erwartet. Leb jetzt damit oder lass es bleiben. Aber lass mich endlich zufrieden. ES WAR NICHT MEINE IDEE!“
 

Er wollte gerade gehen, als Van ihn am Arm packte. „Ryota. Ich schwöre dir, wenn ihr irgendetwas zustößt, oder wenn du ihr sonst irgendwie weh tust…“
 

„Dann was?“ Ryota sah seinen Vater herausfordernd an.

Kapitel 19

Stur starrte Ryota in die Sterne über ihm. In seinem Zimmer hatte er es nicht mehr ausgehalten und war aufs Dach geflüchtet. Die kühle Nachtluft störte ihn nicht weiter.
 

Er dachte über den Tag nach und darüber, wie er ihn gekonnt in den Sand gesetzt hatte. Im Normalfall würde er kaum einen Gedanken daran verschwenden. Doch bei ihr war`s nicht normal. Es war anders.

Sie war nett. Ein wenig komisch und albern zwar - aber nichts an ihr war aufgesetzt.
 

Er hatte sich eingestehen müssen, dass es angenehm gewesen war, Sayuri mitgenommen zu haben.

Wie sie so ihrem kleinen Wolf hinterher geeilt war. In dieser Kälte ohne Umhang in dem dünnen Kleidchen. Auch wenn es im Laufe des Tages wärmer geworden war, doch war es doch noch frisch am Morgen. Der Sommer neigte sich schließlich dem Ende entgegen. So ein dummes Mädchen.
 

Er hatte es nicht bereut. Auch wenn es eigentlich vorprogrammiert gewesen war, dass es Ärger geben würde. Es gab ihn immer. Aber damit lebte er schließlich schon lange genug um ihn zu ignorieren. Eigentlich war er ja darauf gefasst gewesen. So wie er auch gewusst hatte, dass der Wolf Ärger geben würde.

Mädchen und ihre tollen Einfälle bedeuteten immer Ärger. Und dennoch konnte man ihnen kaum einen Wunsch abschlagen. Erst recht nicht, wenn es sich doch so richtig anfühlte.

Und dennoch waren ihm alle Sicherungen durchgeknallt. Es war nichts passiert. Er hatte auf sie aufgepasst. Er hatte sogar ausrichten lassen, dass Sayuri bei ihm war. Er hatte keine Hintergedanken gehabt. Es war nichts passiert, was sie nicht auch zugelassen hätte. Es war sogar noch sie gewesen, die überhaupt auf die Idee gekommen war. Er hatte sie weder belästigt, noch entführt oder gar verführt. Er hatte seinem Vater eigentlich keine große Fläche für einen Angriff überlassen. Konnte er sich denn nicht einmal mit ihm zufrieden geben. Nicht einmal sagen, dass er etwas gut gemacht hatte.

Und eben weil er sich keiner Schuld bewusst gewesen war, war der Anpfiff seines Vaters umso schlimmer. Es war wie ein Schalter, der plötzlich umgelegt wurde. Er wurde plötzlich so wahnsinnig sauer. Nicht nur auf seinen Vater, sondern auch auf das dumme Mädchen auf das er blöderweise gehört hatte. Dem er nachgegeben hatte.
 

Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn in dem Moment nicht Sayuri rein gestürmt wäre und nach ihrem dummen Haarband gesucht hätte. Das sie schon wieder verloren hatte. Schon wieder. Zwar tat sie so, als wäre nichts gewesen. Als habe sie nicht gehört. Tapfer hatte sie die Beiden angelächelt. Aber er wusste es besser. Sie hatte es gehört. . Alles. Er hatte es ihr an ihrem Lächeln angesehen, dass die Augen nicht erreicht hatte. Sie waren zu traurig gewesen. Und dann war sie schon wieder geflüchtet. Seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.

Nicht dass dies ungewöhnlich wäre, doch ließ es ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Selbst als er zum Abendbrot kurz erschienen war, war sie nicht da. Amaya meinte nur, sie habe sich wohl was eingefangen und fühle sich gerade nicht besonders gut.

Ryota konnte es nicht so recht glauben. Sie hatte es gehört – und es hatte sie verletzt. Und deswegen wollte sie nicht essen. Sie wollte sie nicht sehen. Ihn nicht sehen.

Aber vielleicht war es besser so. Sollte sie sich von ihm fern halten. Kein falsches Mitleid heucheln und dem Irrglauben erliegen, sie würde ihn verstehen. Denn das konnte sie nicht. Niemand hier konnte das. Und sein Vater…
 

„GNA!!! Er setzte sich auf. Ihre aufgerissenen grünen Augen wollten ihm einfach keine Ruhe lassen. Zum Teufel mit seinem Vater und dem Palast. Zum Teufel dem Nerven-Weib. Sie sollten ihn einfach alle in Ruhe lassen. Er streckte sich ausgiebig und wollte sich gerade auf den Rückweg in sein Zimmer machen, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte.
 

Er war nicht der Einzige, der noch nicht zu Bett gegangen war. In einem Zimmer brannte noch Licht.

Sayuri saß unweit von ihm auf dem kleinen Balkongelände und streichelte ihrem schlafenden Seijitsu über das kleine Köpfchen. Sie schien in Gedanken zu sein. Und sie sah so blass aus. Hatte sie etwa geweint?
 

Ryota musterte sie mit undeutbarer Miene. Je länger er da so stand und sie beobachtete, desto mehr bereute er seine Worte. Er versuchte sich zu rechtfertigen. Hätte sein Vater doch nur einmal die Klappe gehalten. Ihn einfach in Ruhe gelassen. Und hätte die dumme Kuh nicht gelauscht. Wenn – Dann… Es half nichts. Er fühlte sich immer unwohler.
 

„Hast du jetzt genug gespannt?“ hob sie plötzlich den Kopf in seine Richtung. Aufgrund der Tatsache, dass es inzwischen Mitternacht sein musste und alles ruhig lag, musste sie nicht mal besonders schreien, damit er sie verstand.
 

„So viel gibt’s da nicht zu sehen.“
 

„Red nicht so mit mir. Oder über mich, wenn du denkst ich höre es nicht. Dazu hast du kein Recht.“ Sagte sie scharf. „Nie wieder. Oder ich scheuer dir eine. Hast du mich verstanden?“

Ihre Augen funkelten gefährlich auf vor Zorn über diese menschliche Enttäuschung.
 

Er erwiderte nichts darauf.
 

„Du bist ein Arsch; weißt du das?“
 

„Brüll hier nicht so rum.“ Schwang er sich in die Lüfte.
 

„Ich brülle hier rum, soviel ich will. Hast du verstanden?“ Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Du bist so ein Arsch.“ Kuschelte sie sich in Seijitsus Fell. Die kleine weiße Fellkugel, öffnete verschlafen die Augen und leckte ihr einmal über die Hand.
 

„Es tut mir leid Sayuri.“ Seine Miene war weiterhin emotionslos. Doch an seiner Stimme konnte man erkennen, dass es ihm ernst war.
 

Sie reagierte nicht.
 

„Es tut mir ehrlich leid. Ich habe nicht nachgedacht. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“
 

„Bitte lass mich alleine.“ Ihre Stimme klang heißer. „Bitte.“
 

Ryota verharrte noch einen Moment, ehe er ihrer Bitte wirklich nachkam. In seinem Zimmer ließ er sich frustriert auf sein Bett fallen. Doch der Schlaf wollte ihn noch lange nicht einholen.
 

____
 

So - hat doch etwas länger gedauert, als beabsichtigt. Wollte nämlich ursprünglich was anderes schreiben... und ich war so unzufrieden damit... bis mir eben das eingefallen ist und ich das doch eigentlich so besser finde...
 

Betaleserin fand das dann auch.

Kapitel 20

Sayuri hatte schlecht geschlafen und sah daher blasser aus als sonst beim Frühstück. Amaya sorgte sich ein wenig um sie.

„Geht’s dir denn nicht besser? Möchtest du dich wieder hinlegen. Dann lassen wir dir was bringen.“
 

„Nein nein. Geht schon.“ Lächelte die Blasse tapfer. Doch die Wahrheit war, dass sie liebend gerne zurück ins Bett wollte. Die Nacht war viel zu schnell wieder um gewesen. Sie war spät ins Bett gegangen, doch Seijitsu musste bewegt werden, wenn sie keine unliebsamen Überraschungsgeschenke in ihrem Bett vorfinden wollte. Sie hatte ihm diesmal eine improvisierte Leine umgelegt. Schließlich hatte sie ja erlebt, dass sie kaum Chancen hatte, wenn er ihr entwischte. Und auf eine erneute Verfolgungsjagd hatte sie um ehrlich zu sein keine Lust. Nun lümmelte er neben ihrem Stuhl und schlang gierig sein Futter hinunter, während Sayuri lustlos in ihrem Tee herumrührte.
 

Ein aufmerksames gelbes Augenpaar beobachtete sie dabei.
 

„Ich glaube ich lege mich doch noch einmal ein bisschen hin.“
 

„Brauchst du etwas?“ wollte sie Amaya schon begleiten.
 

„Neinnein… schon alles in Ordnung. Ich hatte heute Nacht einfach nur schlecht geträumt. Und Sei hat mich etwas zu früh geweckt.“
 

„Ich schau nachher trotzdem mal rein, wenn das in Ordnung für dich ist.“
 

„Natürlich. Bis nachher.“ Langsam tappste Sayuri zurück in Richtung Zimmer. Ihre Gedanken kreisten noch immer um Ryota. Es ließ ihr einfach keine Ruhe, sosehr sie sich auch anstrengte. Einerseits sagte ihr eine Stimme, lass es – er ist ein Idiot. Aber andererseits wollte sie unbedingt verstehen, was mit ihm nur los war. Es musste etwas mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Zumindest ließen das die wenigen Gerüchte so vermuten. Amaya sprach fast gar nicht darüber. Sie versuchte das alles wegzulächeln und hoffte, dass es sich schon wieder einrenken würde. Und mit wem anderen konnte sie auch nicht darüber sprechen. Der Prinz war einfach ein Tabuthema. Und wenn sie selbst mit ihm sprach? Die kalten Augen blitzen vor ihr auf und sie zuckte zusammen. Nein – er würde sie nur wieder zurückweisen im besten Falle. Im Schlimmsten….
 

„Verdammt.“ Fluchte sie leise vor sich hin.
 

„Nana – hübsche Mädchen sollte nicht fluchen.“ Sayuri fuhr erschrocken herum. Shirou stand plötzlich neben ihr.
 

„Oh. Ich habe dich gar nicht gehört.“
 

„Warst wohl sehr in Gedanken?“
 

„Ja…“
 

„Darf ich raten?“ grinste der Kater wissend. „Ryota?“
 

„Woher?...“
 

„Wenn jemand so ein Gesicht macht ist es immer Ryota.“ Das hatte sie doch schon mal von jemanden gehört.
 

„Ja – du hast recht. Ich versuche ihn zu verstehen und kann es nicht.“
 

„Das kann hier irgendwie keiner so recht.“
 

„Aber… er war gestern so anders. Als wir unterwegs waren. Und dann später im Stall….“ Sie biss sich auf die Lippe. Sollte sie wirklich etwas davon sagen. „ Ich habe mitbekommen wie er und Van sich fürchterlich gestritten haben. Und er war so… ausgewechselt. So vollkommen anders. Richtig verletzend.“
 

„Verstehe.“ Die gelben Augen blitzten auf. „Komm. Lass uns mal ein paar Schritte gehen. Ich würde dir gerne ein wenig was erzählen.“
 

Sayuri horchte auf und folgte ihm aber schweigend.
 

„Ich kenne ihn nun schon sehr lang. Ich kannte ihn auch schon zu der Zeit, als seine Mutter noch lebte. Damals waren Merle und ich gerade zusammengekommen. Ryota war schon immer in sich verschlossen gewesen. Er war noch nie gut darin, Menschen in sein Leben zu lassen und sich und seine Gefühle einfach so mitzuteilen. Die Einzige, die es wirklich geschafft hatte zu ihm durchzudringen und zu verstehen war seine Mutter. Sie war eine sehr wichtige Person in seinem Leben. Bis heute wohl die Wichtigste. Ähm - Ryota hat von klein auf schon immer großes Talent gehabt in allem was er tat. Das und die Tatsache, dass auch Van schon sehr früh erwachsen sein musste führten dazu, dass Van sehr hohe Erwartungen in seinen Sohn setzte. Zu hoch teilweise, wie sich herausstellte. Schließlich war er noch ein Kind und wollte auch eines sein. Doch einfach so draußen im Dreck spielen wie andere Kinder, ging eben nicht. Vom Königshaus wird eben viel erwartet. Was die Beziehung zwischen Vater und Sohn nicht gerade dienlich war, wie du vielleicht nachvollziehen kannst. Damals schon. Zwei Sturköpfe, wenn man das so sagen kann. Doch Nozomi war die gute Seele der Familie. Sie war ihre Vermittlerin.Sie erinnerte Van regelmäßig daran, dass es auch noch etwas anderes gab als die Pflichten. Und verschaffte den Beiden Rückhalt und Ryota und auch Amaya ihren kindlichen Freiraum. “ Sayuri verstand, was er damit sagen wollte. Shirou blieb stehen. „Weißt du eigentlich, wie sie gestorben ist?“
 

Sayuri schüttelte den Kopf. „Nur, dass es ein Unfall war.“
 

„Ja. Ein Zugtier muss wohl durchgegangen sein und hatte sie erfasst. Ich kann dir allerdings nicht genau sagen, was in allen Einzelheiten passiert war, da ich selbst nicht zugegen war. Doch Ryota war dabei.“
 

Nun horchte Sayuri auf. Das war nun wirklich etwas Neues für sie.
 

„Wir wussten nichts von der Tragödie, bis Ryota zurückgebracht wurde. Zwar war er, wie ich schon erwähnte, noch nie gut gewesen, Gefühle zu zeigen - aber ein Blick in das Gesicht des Jungen und man wusste, sofort, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Van kam ein wenig später nach.“
 

„Ryota kam alleine zurück?“
 

„Ja. Das ganze musste ziemlich übel gewesen sein. Nichts was man seinem Kind zumuten möchte, wie du dir denken kannst.“
 

„Ja – kann ich verstehen.“
 

„Nunja. Auf jeden Fall – wir waren alle sehr bestürzt. So wie der Junge aussah brachten wir ihn erst einmal in das Krankenzimmer. Er war so blass und sprach kein einziges Wort. Wir waren sehr beunruhigt. Und als Van dann später zu ihm kam – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll - in dem Moment hat sich Ryota verändert. Er stieß seinen Vater von sich weg, die Tränen versiegten und seine Augen wurden hart. Richtig hart, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine.“
 

Natürlich wusste Sayuri wovon er sprach. Diese tiefdunklen Augen, die sie bis ins Mark hatten erzittern lassen. Wie er sie damals gepackt hatte… nie könnte sie das jemals vergessen.
 

„Er sprach immer noch kein Wort… und dann wandte er sich einfach von Van ab. Er versuchte noch mit ihm zu reden. Ryota schlug seine Hand regelrecht von sich fort. Ab da war dann alles anders.“
 

Beide schwiegen für eine Weile. „Weißt du – davor war er wenigstens noch einigermaßen zugänglich gewesen. Und selbst nach der Beerdigung konnte man Ryota noch einigermaßen unter Kontrolle halten. Da hatten wir noch die Hoffnung, dass es sich schon wieder legen würde. Dass es einfach der Schock ist. Aber wurde älter und ließ sich immer weniger sagen. Wie gesagt, war er schon immer irgendwie ein Eigenbrödler, aber noch nicht einmal annähernd so schlimm wie es jetzt ist. Er tut was er will und Van ist inzwischen machtlos dagegen.“

„Was ist eigentlich mit Amaya. Wo war sie denn als das passiert ist?“
 

„Maya lag mit Pocken zu der Zeit krank im Bett. Sie hatte so furchtbar geweint, dass sie nicht mit in die Stadt durfte. Sie mussten ihr versprechen ein Geschenk mitzubringen.“ Shirou lächelte bei der Erinnerung daran.
 

„Verstehe…“
 

„Ja – unser kleiner Sonnenschein. Sie hat es auch nicht einfach gehabt. Aber ich bewundere sie sehr, wie sie mit all dem hier umgeht. Sie ist auch noch eine der wenigen, mit der Ryota noch auskommt. Für die er etwas tut. Wahrscheinlich ist sie auch einer der wenigen Gründe, warum er überhaupt noch hier ist.
 

„Wie meinst du das – noch hier ist?“ Sayuri erschien ein wenig alamiert.
 

„Ich kann mir vorstellen, wie der Streit zwischen Van Ryota gestern wohl abgelaufen sein muss. Wir erleben das hier bei Gott nicht das erste Mal. Es stand schon mehr als einmal kurz vor der Eskalation. Versteh mich nicht falsch. Ich bin durchaus der Meinung, dass Ryota seinen Vater liebt – aber wie ich schon sagte, wird es immer schlimmer zwischen Van und ihm. Und die Stricke die den Jungen hier im Palast halten, scheinen immer weniger zu werden.“ Shirou hielt an. „Van kann nicht mehr soviel schlucken. Merle versucht zwar was sie kann, um ihn auch ruhig zu halten Aber Ryota treibt es auch immer wieder zum Äußersten. Und ich befürchte, irgendwann wird der große Knall kommen. Und ich befürchte, dass die Familienbande dann vollends zerstört sein werden. Und dann ist Ryota weg.

Kapitel 21

Ryota hatte Kopfschmerzen. Er hatte in der vergangen Nacht lange nicht einschlafen können und am Morgen hatte er deswegen sogar das Frühstück verpasst. Beim Training waren seine Muskeln wie Blei und so handelte er sich unfreiwillig einen dicken blauen Fleck ein, der ebenfalls munter vor sich her pochte.

Nach einer Weile brach er sein Programm frühzeitig ab. So hatte das heute keinen Sinn. So zog er sich zurück und hoffte auf ein entspannendes heißes Bad und ein wenig Ruhe. Auf dem Weg in sein Zimmer traf er kurz auf seine Schwester, die eigentlich nach Sayuri sehen wollte.
 

„Was ist denn mit dir los?“ sie klang besorgt. Das konnte er jetzt am allerwenigsten gebrachen. Maya die ihn bemutterte.
 

„Nichts. Schlecht geschlafen.“ Grummelte er sie an. Sie zog fragen ihre Augenbraue nach oben.
 

„Brauchst du irgendwas?“
 

„Ja. Meine Ruhe.“
 

„Ryo…!“
 

„Maya bitte. Ich bin einfach nur müde und mir tut der Kopf weh. Lass mich einfach nur in Ruhe.“
 

„Du wirst mir nicht doch auch noch krank?“
 

Ryota warf ihr einen warnenden Blick zu, den sie mal wieder gekonnt ignorierte. Sie spielte offensichtlich für ihr Leben gerne mit der Gefahr.
 

„Sayuri gings heute Morgen auch nicht gut. Nicht dass ihr euch bei eurem Ausflug was eingefangen habt.“
 

„Maya. Hör auf zu nerven. Ich bin nicht krank und werde es auch nicht. Ich hab nur schlecht geschlafen. Verstehst du das nicht?“
 

„Hast du schon wieder mit Vater gestritten?“
 

Knurrend ließ Ryota seine Schwester im Gang stehen. Er hatte sowas von keine Lust mit ihr zu reden. Oder mit sonst jemanden. Es ging sie nichts an. Niemanden ging hier überhaupt irgendetwas an. In sehr regelmäßigen Abständen bildeten sie sich reihum ein ihn zu verstehen. Zu fühlen was er, ihrer Meinung nach, zu fühlen hatte.

Es gab Tage da konnte er es ignorieren. Er zog sich dann einfach zurück: Training, sein Zimmer oder eben seine geheimen Rückzugsorte außerhalb des Palastes.

Seine Schwester war immer für ihn da gewesen. Der kleine ständig plappernde Wirbelwind mit den großen Augen zu dem man einfach nicht nein sagen konnte. Doch trotz ihrem warmen und offenen Wesens, gibt es Momente, wo ihre Präsenz einfach unpassend ist. Die Augenblicke wo er es einfach nicht mehr ertragen kann, Menschen um sich zu haben. Und sie es einfach nicht merken, was ihn dann immer wieder wütend macht, weil sie sich dann in irgendwas verrennen und einfach blind sind für das für ihn doch so offensichtliche.

Seine Mutter hätte es gemerkt. Sie hat es immer gemerkt, wenn es ihm schlecht ging. Sie spürte es genau, wann es besser war ihn in Ruhe zu lassen, ihm nur zuzuhören oder ihm einen Rat zu geben. Mütterlicher Instinkt hatte sie ihm einst erklärt. Aber das stimmte so nicht ganz. Sie war einfach so gänzlich anders als die anderen im Palast. Sie war nicht unter großem Wohlstand groß geworden. Sie kam aus einfachen Verhältnissen aus einem kleinen Dorf. Dort war der Zusammenhalt gänzlich anders. Sie schauten mehr aufeinander und achteten mehr auf die kleinen Dinge im Leben, welche aber dafür umso mehr Bedeutung hatten. Der Krieg stärkte diese Eigenschaft an ihr nur noch mehr. Sie ließ sich niemals von den großen Empfängen einlullen. Immer war ihr Blick auf die Lebewesen um sie herum gerichtet und deren Wohlbefinden. Sie hatte ein einmaliges Gespür dafür. Eines das ihm so bisher so nicht mehr begegnet war. Ihr Tod war für ihn… er konnte es selbst jetzt nicht einmal in Worte fassen. In manchen Momenten suchten die Geschehnisse von damals ihn heim. Und er fühlte sich dann wieder so ohnmächtig, hilflos und zugleich wütend. Wütend darauf, weil es seiner Meinung nach hätte verhindert werden können. Und all diese Heuchelei.
 

Er musste dringend seinen Kopf frei bekommen – und das warme Wasser half ihm dabei. Er spürte wie sich seine Muskeln nach und nach entspannten und auch die Kopfschmerzen langsam zurückgingen. Auch der Zorn, der in ihm hochgekommen war verebbte und zurück blieb nur ein Gefühl der Wehmut begleitet von Sayuris Augen.

Warum sie ihm ausgerechnet jetzt schon wieder in den Sinn kam - er konnte sich nicht helfen. Er war auch nicht gerade der feinfühligste Mensch. Das wusste er schon lange. Doch seine Mutter hatte dies immer zu kompensieren gewusst. Aber dieser verletzte Ausdruck von ihr.. Ihre Worte die sie ihm entgegenschleuderte. Und dann hallte da auch noch Amayas Satz: „Sayuri ging`s heute Morgen auch nicht gut.“
 

Was wenn sie wirklich krank war. Sie hatte sich seine Worte sehr zu Herzen genommen. Er wusste es. Er hatte es gesehen. Und schon wieder fluchte er; als hätte er das letzte Nacht nicht schon genug getan. Er blickte zu einem Bild und fragte sich, was er denn nur tun sollte.

Sayuri konnte nichts dafür, dass sein Vater ... wenn er das nicht schon X-mal durchgegangen wäre. Die Nachmittagssonne spendete seinem Zimmer warmes Licht. Sanfter Geruch von Gras wehte durch die Stadt bis an den Palast hinauf. Es würde in wenigen Monaten Winter sein. Das diesjährige Heu musste noch getrocknet werden.
 

„Ach zum Teufel.“ Missmutig zog er sich seine Sachen über und trottete in Richtung des Gästezimmers, in dem Sayuri sich befand. Er hoffte inständig, dass seine Schwester nicht vor Ort sein würde. Weil dann würde er vielleicht seinen eben gefassten Plan wieder über den Haufen werfen.

Vorsichtig klopfte er an. Kurz darauf hörte er ein kratzen und ungeduldiges Winseln an der Türe. Sofort musste er schmunzeln. Er hatte den weißen Flohpelz vergessen.
 

„DU?“ war die mehr als freundliche Begrüßung von der Zimmerbewohnerin. „Was tust du denn hier?“ Amaya war nicht bei ihr. Eine kleine Erleichterung machte sich ihn ihm breit.
 

„Wollte wissen wies dir geht.“
 

Einen Moment überlegt Sayuri was sie ihm antworten sollte. „Besser.“
 

„Hör zu. Das was ich gesagt habe tut mir wirklich leid. Es war nicht so gemeint.“
 

Sie blickte zu Boden. Hin und her gerissen was sie sagen sollte. „Ok. Und jetzt?“
 

„Wenn du noch Lust und gerade Zeit hast – ich sollte noch Tezuyoi bewegen. Wollt ihre Beide mit?“
 

Sayuri sah ihn mit großen und skeptischen Augen an. „Wieso?“ Die Frage klang sogar in ihren Ohren dämlich. Aber das kam einfach sehr überraschend.
 

„Wieso nicht?“
 

Sayuri war zu überrascht um noch ordentlich reagieren zu können und nickte daher nur. „ok…“
 

„Dann zieh dir was an. Ich warte.“

22

Ryota lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und wartete, bis Sayuri sich fertig umgezogen hatte. Er stellte sich auf eine lange Wartezeit ein. Schließlich war sie ein Mädchen. Und die brauchten erfahrungsgemäß immer länger. Selbst wenn Amaya noch so eilig hatte, alles musste immer in ihren Augen perfekt aussehen. Nichts war in dem Moment wichtiger als welcher Schuh passt zu welchem Kleid, sitzt das Makeup, sind die Haare auch nicht verrutscht. Ryota machte sich nicht mehr die Mühe, darüber nachzudenken woher das kam. Selbst wenn sie den Mist im Stall wegräumen müsste würde sich die benötigte Zeit nehmen. Vielleicht tat er ihr da auch etwas unrecht. Schließlich konnte sie, wenn es darauf ankam, schnell sein. Dennoch musste alles zusammenpassen und halbwegs gut sitzen.
 

Man könnte jetzt sagen – sie wäre eine Ausnahme. Aber Ryotas Erfahrungen sprachen für sich. Er hatte bisher immer auf egal welches Mädchen warten müssen. Und teilweise waren sie bei dem Zeitaufwand nicht einmal annähernd so erfolgreich wie seine kleine Schwester, dass man wenigstens sagen könnte, es habe sich gelohnt zu warten.

Hässlich waren sie zwar auch nicht… aber…
 

Er seufzte schwer.
 

Sie dauerten einfach zu lang. Umso überraschter war er, dass Sayuri plötzlich vor ihm stand. Fertig angezogen, die Haare zu einem lockeren Pferdeschanz schnell und einfach zusammengebunden. Es schien sie dabei nicht zu stören, dass sie dabei einige Strähnen nicht erwischt hatte und lose herum hingen.
 

Kleidung wie schon beim letzten Ausritt – einfach und zweckmäßig. Trotzdem musste er zugeben – die Sachen standen ihr erstaunlich gut. Sie hantierte noch ein wenig mit der Fibel ihres Umhanges herum, die einfach nicht richtig zu gehen wollte.
 

„Halt mal.“ Hielt sie ihm die Tasche für den kleinen Knöchelbeißer hin. Der Kleine saß ungewöhnlich gehorsam schwanzwedelnd auf dem Boden und schaute erwartungsvoll nach oben.
 

„Ok – bin fertig.“
 

Plötzlich zauberte sie irgendwo ein kleines Stückchen getrocknetes Fleisch herbei und gab es der Nervensäge.
 

„Tiere sind doch alle gleich verfressen. Das macht sie ziemlich bestechlich.“ Grinste sie zu Ryota rüber, der sie fragend angesehen hatte.
 

„Gar nicht mal so dumm.“
 


 

„Ja gell – hättest du mir jetzt nicht zugetraut.“
 

Diesen Seitenhieb hatte er wohl verdient. Doch entschied sich einfach mal, das ganze überhört zu haben.
 

„Na los. Gehen wir.“
 

Unten im Stall angekommen, wartete ein temperamentvoller Tezuyoi bereits auf seinen Herrn. Einer der Angestellten hatte ihn bereits gesattelt. Was wohl nicht einfach gewesen sein musste, so dankbar wie der arme Junge schaute, als Ryo ihm das Tier abnahm. Seiner Stärke bewusst warf der Schwarze seinen Kopf zurück und tänzelte nervös. Er wollte endlich Dampf ablassen. Und so versuchte er sich aufzubäumen
 

„Bist du schon wieder bockig heute.“
 

Doch der Prinz hatte genug Erfahrung um ihn nicht einfach ausbrechen zu lassen. Ruhig sprach er auf ihn ein.
 

„Der Kleine da hat ganz schön Feuer.“ Gesellte sich der alte Stallmeister zu Sayuri.
 

„Ohja.“ Stimmte Ryota ihm mit ruhiger Stimme zu.
 

„Der spielt sich doch nur auf. In Wirklichkeit bist du doch ein ganz lieber, oder mein Hübscher?“ Trat nun auch Sayuri an den ruhiger werdenden Hengst und legte sanft ihre Hand auf seinen Hals. Das Tier sah ihm einen Moment direkt in die Augen und schnaubte dann eingeschnappt und senkte seinen Kopf um Seijitsu zu begrüßen. Sie nahm es als ein Zeichen der Zustimmung. Dann endlich war er soweit ruhig genug dass sie sich auf seinen Rücken schwingen konnten. Sayuri packte den Wolf in ihre Tasche, ehe sie nach Ryotas Hand griff.
 

„Sollte mein Vater fragen. Wir sind auf den Feldern heute unterwegs.“ Sein Ton schien leicht entnervt, doch nur einen Augenblick. Eine überflüssige Pflichtauskunft die nicht mal erwähnenswert wäre, seiner Meinung nach. Was tat man nicht alles für den Frieden…Frieden… was auch immer das auch bedeuten mochte. Sein Vater würde ja doch wieder etwas finden, was er zu kritisieren hatte. Er war es einfach nur noch leid. Doch er war zu sehr Sturkopf um sich den Regeln gänzlich zu beugen und … „Gut festhalten.“ Gab er das Zeichen zum Start.
 

Kaum, dass sie aus der Stadt draußen waren, preschten sie in hoher Geschwindigkeit über die Felder. Es schien ewig zu dauern, ehe Ryota Tezuyoi endlich langsamer werden ließ. Sayuri hatte sich erneut an ihren Vordermann gekrallt. Das ungewohnte Holpern unter ihr gepaart mit der Kraft der Geschwindigkeit verlangte einiges von ihr ab. Und so schnaufte sie etwas erleichtert aus, als es endlich ruhiger wurde.
 

„Geht’s denn noch?“ fragte Ryo.
 

„Ja. Alles noch dran.“
 

Sie trabten noch ein wenig weiter, ehe sie eine kleine Rast einlegten. Beide saßen schweigend im hohen Gras und beobachteten die Bauern bei der Arbeit. Der Platz an dem sie sich befanden war etwas höher gelegen, so dass sie eine gute Sicht über einen Teil der Felder hatten. Seijitsu tobte ein wenig herum, ehe auch er sich neben seinem Frauchen nieder ließ und etwas Gras zupfte. Sanft strich sie ihm über den Kopf und steckte ihm noch ein Leckerchen zu.
 

„Erstaunlich wie gut das funktioniert.“
 

„Nur solange ich noch etwas habe. Muss wirklich zusehen, dass ich noch irgendwo ein Halsband und Leine auftreiben kann.“
 

„Brauchst du wahrscheinlich gar nicht mehr wirklich. Diese Wölfe sind dafür bekannt, sich schnell auf jemanden zu prägen. Dann ist es eher schwer sie wieder los zu werden.“
 

„Achja?“
 

„Wenn er einmal auf dich hört ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er wieder tut. Sie lernen schon fast unheimlich schnell. Hinzu kommt, dass du ihn aus der Hand fütterst, er in deinem Bett liegt und du ihn auch sonst überall hin mit nimmst. Wart ihr denn schon einmal getrennt seit du ihn hast?“
 

Sie überlegte kurz.“Glaub nicht. Aber das war ja erst vorgestern.“
 

„Das ist egal. Die sind sehr sehr zutraulich. Auch wenn man es ihnen nicht ansieht. Vor allem wenn sie ausgewachsen sind.“
 

„Wie groß werden sie denn?“
 

„Ziemlich groß. Männliche Tiere sogar einen Kopf größer als die Weibchen. Und bei den Pfoten die er hat – ich schätze der Kopf wird locker an deine Hüfte gehen.“
 

„Wow. Groß.“
 

„Jap. Und wenn er dann mal wen anknurrt, sieht man schon, was für Waffen er mit sich herumträgt. Da wird man sich sicherlich zweimal überlegen was man tut.“
 

„Dann wirst du ja mal ein richtiges Monster mein Süßer.“
 

„Du sagst es.“
 

„Die Rasse wird bestimmt gerne als Wachhund dann eingesetzt oder. Ich meine. Groß, bös aussehend und trotzdem treu.“
 

„Eigentlich sind sie sehr unbeliebt und dienen vorrangig zur Pelzgewinnung.“ Nun sah Sayuri geschockt aus.

„Sie sind nicht ganz unproblematisch in der Haltung. Sie brauchen sehr viel Platz und Bewegung. Und die fressen auch sehr sehr viel und da sie auch recht alt werden, kannst du dir ausmalen, was das Tier so ein Leben lang in gesundem Zustand kostet. Auch ist die Anschaffung nicht gänzlich günstig, da sie nur sehr wenig Nachwuchs haben, was sie zu einen der seltenen Tiere hier macht. In freier Natur bekommst du sie praktisch gar nicht zu Gesicht. Wie du siehst, lauter Gründe, die eine Haltung erschweren. Sie haben zu wenig Zeit, Platz und Geld für diese Tiere. Da ist es profitabler sie für die Pelzgewinnung zu züchten. Er ist sehr schön, selten und bringt daher gut Geld ein.“
 

„Das ist grausam.“
 

„Ja – aber so ist es eben.“
 

„Was wird mit ihm passieren, wenn ich fort gehe? Wird er …?
 

„Du hast Amaya doch gehört. Ihm wird es bei uns an nichts fehlen. Ich kümmere mich dann um den Stinker. Hab ja genug Zeit und wenn er ein wenig größer ist, kann er mit auf den Ausritt.“
 

„Du?“
 

„Was dagegen?“
 

„Nein…“
 

„Soll ich dir jetzt das Reiten beibringen?“
 

„JETZT? HIER? Und worauf?“ Sayuri schien nun vollkommen aus allen Wolken zu fallen.
 

Ryota deutete einfach nur auf Tez.
 

„Bist du verrückt?“
 

„Sieh es doch mal so; wenn du auf seinem Rücken bleibst, dann auch auf allen anderen. Und hier finde ich es eigentlich gar nicht mal so übel – wenn du fällst, hats hier genug Grashaufen auf denen du weich landen kannst.“
 

„Aber die sollen doch trocknen.“
 

„Das könne sie auch mit dir. Also was ist jetzt?“

Sayuri sah Ryota zweifelnd an. Tezuyoi hatte vorhin ja eigentlich schon einen Teil seiner Kraftreserven raushauen können. Er schien ihr für den Moment ruhig genug. Es dauerte einige Augenblicke bis sie alle Fürs und Widers abgewogen und beschlossen hatte, dem Prinzen zu vertrauen.
 

„Wehe du machst irgendwelche Dummheiten mit mir. Denk dran, dass Seijitsu größer wird, und dann kann ich ihn auf dich hetzen.“
 

„Deine Meinung von mir muss ja echt hoch sein.“
 

„Woher DAS nur kommt.“ Blitzten ihre Augen herausfordernd und Ryota zog es vor nicht weiter darauf einzugehen. Er würde verlieren, sollte er es darauf ankommen lassen.
 

„Ich versprech dir; keine Dummheiten.“ Ryota schwang sich auf die Beine und hielt ihr die Hand hin. Sie mit einem prüfenden Blick in seine Augen griff sie danach. Er meinte es ernst.
 

„Dann erst mal rauf auf den Rücken.“ Sayuri rief ihre spärlichen Reitkenntnisse ab und versuchte mit einem Fuß im Steigbügel sich nach oben zu schwingen. Doch fehlten ihr der Schwung und die Kraft sich mit den Händen hochzuziehen. Ryota musste ein wenig nachhelfen, wofür er einen abschätzenden Blick einfing.
 

„Was?“ seine Stimme war gespielt empört.
 

„Nichts.“
 

Seijitsu lag unruhig im Gras – unschlüssig ob er aufspringen oder doch besser liegen bleiben sollte. Er entschied sich für letzteres um die ganze Situation zu beobachten.

Ryota passte die Steigbügel noch etwas der neuen Reiterin an, um ihr den bestmöglichen Halt zu gewähren. Er versicherte sich, dass das Tier auch wirklich ruhig genug war und strich ihm nochmal sanft über den Nasenrücken.
 

„Ok. So. Je lockerer der Zügel, desto schneller wird er. Füße kannst du relativ locker lassen. Zum anlaufen reicht ein kleiner Druck. Den Kopf nach links wenden, wenn du nach links willst, rechts genau das Selbe. Verstanden?“ er machte sich noch lang und korrigierte ihre Haltung der Zügel. „Ein bisschen strammer anziehen. Und keine Angst – wenn du fliegst, landest du weich. Kanns losgehen?“
 

„Und wenn er durchbrennt...“ Sayuri sah sich hilflos davonreiten ohne dass Ryota schnell genug war ihr zur Hilfe zu kommen.
 

„Dann darf ich mich im Palast nicht mehr blicken lassen.“
 

„Soll mich das denn jetzt beruhigen?“
 

„Vertrau mir einfach. Und vertrau ihm. Hast du nicht vorhin noch gesagt, er hätte nur ne harte Schale…“
 

Sie atmete noch einmal kräftig durch und drückte sanft ihre Schenkel an den warmen Körper.

Mit einem Ruck setzte sich Tezuyoi in Bewegung. Sie spürte wie sie verkrampfte und ihre Hände feucht wurden.
 

„Bleib locker.“ wies ihr Lehrer sie an, doch das war einfacher gesagt als getan. So schloss sie kurz die Augen um kurz durchzuatmen und entspannte sich tatsächlich.
 

„So ists gut. Lass ihm etwas mehr Zügel.“
 

Je länger sie trainierte, desto mutiger wurde sie. Doch bevor sie zu übermütig werden konnte, stoppte Ryota die Trainingsstunde. "Gar nicht mal so übel. Wir sollten nur langsam zurück. Es wird bald dunkel und Vater ist da etwas … empfindlich.“

Vor allem was Sayuri betraf; doch er konnte sich verkneifen, den Zusatz laut auszusprechen.

Kapitel 23

„Na – wie wars?“ starrte Amaya sie mit großen neugierigen Augen an.
 

„War schön. Hatte meine erste Reitstunde. “ kaute Sayuri auf ihrem Brot herum.

„Wirklich?“ Amaya grinste zu ihrem Bruder hinüber, der aber wie üblich nicht reagierte.
 

„Und – ein komisches Gefühl, oder? Konntest du dich denn im Sattel halten?“
 

„Ja…“
 

„Oh – schön – ist gar nicht so einfach.“
 

„Wenn man sich auch so anstellt wie du…“ ließ sich der Prinz nun doch dazu hinreißen sich mit ins Gespräch einzuschalten.
 

„Was soll das denn bitteschön heißen? Das tier auf das du mich drauf gesetzt hast, war gemeingefährlich.“ Ryota verschluckte sich fast.
 

„Das war das älteste, zahmste und geduldigste Tier im ganzen Stall.“
 

„Gar nicht wahr.“
 

Alle im Raum mussten schmunzeln. Sogar König Van konnte es sich einfach nicht verkneifen.
 

„Maya. Ganz ehrlich. Wenn Sayuri behauptet sie sitzt auf einer sie hat Pfeffer unterm Sattel, dann würde ich ihr sogar zustimmen und ihr auf Wunsch ein anderes Tier raussuchen.. Aber bei dir …? Ich bitte dich. Sayra war wirklich lieb.“
 

„Ja – ich habs gemerkt.“ Schnaubte Amaya empört
 

„Wie würde es dir denn gehen, wenn jemand wie irre am Zügel reißt und ihr deine ganzen Lippen dabei wund scheuert. Du hättest da sicherlich auch irgendwann die Nase voll davon.“
 

„Wenn du es mir auch nicht richtig zeigst.“ Bockte Amaya weiter. „ Du bist ein schlechter Lehrer.“
 

„Sayuri?“
 

„Ich kann mich nicht beschweren.“ Hob die Angesprochen wie aus der Pistole geschossen die Hände. Sie wollte sich nicht direkt einmischen, weil sie nicht wusste, um was es eigentlich genau ging. Fand die Diskussion aber dennoch spannend.
 

„Na siehst du. Also muss es doch an dir liegen.“
 

„Bei ihr gibst du dir auch viel mehr Mühe als bei mir.“
 

„Maya. Das ist nicht wahr.“
 

„Natürlich nicht. Sie ist weiblich und hübsch und zu haben.“
 

„Amaya.“ Sayuris Ohren wurden plötzlich hochrot. Abrupt stoppte die Prinzessin ihre weiteren Ausführungen als sie selbst bemerkte, wie sehr sie sich doch jetzt verplappert hatte.
 

„Weißt du was Maya. Denk doch was du willst. Aber du bist einfach unfähig. Das ist nun mal Tatsache.“ Damit erhob sich Ryota vom Platz und zog sich in sein Zimmer zurück um sich den Schlaf zu holen, der ihm die vergangene Nacht versagt geblieben war.“
 

Amaya sah ihm schuldbewusst hinterher. „Tut mir leid Sayuri…. Ich wollte nicht…“
 

„Schon gut. Ich versteh schon.“
 

„Es ist mir wirklich einfach so rausgerutscht. Ich hab das so wirklich nicht gemeint. Es ist nur so … so… und er ist so….“
 

„Was ist denn damals passiert?“ versuchte Sayuri ein wenig abzulenken.
 

Amaya druckste herum und wollte nicht so wirklich mit der Sprache rausrücken, da es ihr schon sehr peinlich war.
 

„Maya hat solange an Sayras Zügel rumgerissen, bis sie am Ende abgeworfen und direkt in den Kotäpfeln gelandet ist. Das war so lustig.“ Schüttelte sich Kuro vor Lachen.

Auch Lilly lachte laut. Eigentlich war Amaya die Einzige, die das gar nicht so lustig fand und folglich die einzige war, die nun still im Raum saß.
 

„Jaja.“
 

„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu Sorgen.“ Versuchte Van seine Tochter etwas zu trösten und knuffte sie gegen die Schulter.
 

„Ich weiß.“ Sie seufzte schwer. Sie stand auf.
 

„Wohin willst du jetzt?“ Van schien verwirrt.
 

„Ich sollte mich auch bei Ryota entschuldigen.“ Entschwand sie schnell. Nachdenklich sah Van seiner Tochter hinterher. Eigentlich konnte er sehr stolz auf sie sein. Seinen kleinen süßen Sonnenschein. . Gleichzeitig machte es ihn ein wenig wehmütig. Sie glaubte an ihren Bruder. Er selbst jedoch hatte nicht die Kraft gehabt sich bei seinem Sohn zu entschuldigen. Denn erst gestern hatte er ihm mehr oder weniger dasselbe unterstellt und es so stehen lassen.
 

Wenn Sayuri in diesem Moment nicht in den Stall gestürmt wäre um ihr Band zu holen… was wäre nur passiert?

Er beobachtete Sayuri, die sich von den Zwillingen jede Einzelheit von Mayas Reitstunde berichten ließ und Tränen lachte. Er fragte sich, ob sie nicht doch etwas gehört hatte. Sie hatte sich zwar nichts anmerken lassen. Aber es beschlich ihn nun ein ungutes Gefühl.

Aber wenn dem so wäre, wäre sie es wirklich gehört hätte, wäre sie dann am heutigen Tage mit Ryota ausgeritten. Schließlich hätte sie dann auch hören müssen, was Ryota gesagt hatte. Und wenn sie das gehört hätte, wäre sie mit Sicherheit sehr enttäuscht von ihm und zutiefst verletzt gewesen. Oder etwa nicht?



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Die_BMF
2019-11-03T01:08:24+00:00 03.11.2019 02:08
?Geht es noch weiter???
Wann kommt das nächste Kapitel?
Antwort von:  Tairitsu
03.11.2019 19:52
Ich habe die Geschichte vor einiger Zeit abgebrochen mit hochladen
Kamen so gut wie keine Rückmeldung und ich wollte es mal überarbeiten und komm nie dazu...
Von:  Minatoast
2014-12-21T20:59:36+00:00 21.12.2014 21:59
Haha lustig wie die Geschwister sich immer necken :) stelle mir bildlich vor wie amaya in die Kotäpfel gefallen ist, echt gut ;)
Super Kapitel freu mich auf das nächste 😊 weiter so
Von:  Minatoast
2014-12-17T22:06:36+00:00 17.12.2014 23:06
Hey deine ff ist richtig gut ;) ich hoffe das du sie fertig stellst!!!!! Man kann sich sehr gut in die Charakteren rein versetzten, z.b. Van der sehr schnell ausflippt weil er einfach überfordert ist ( da könnte man Hitomi gut mit einsetzten ;) was ich natürlich hoffe das sie nach Gaja wieder zurück kehrt! Und Ryota der über den tod seiner Mutter nicht klar kommt und sich erst keinem öffnen kann! Mach weiter auch wenn es schon eine Zeit her ist seit dem letzten Kapitel :)
Von:  Tairitsu
2011-07-26T18:55:35+00:00 26.07.2011 20:55
Hey - freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt.
JA - die Kapitel sind noch kurz - dafür werdens wahrscheinlich auch recht viele... und wer weiß was für Romane noch kommen werden.

(naja - eigentlich weiß ich es ja - aber egal)

Updates der Geschichte können evtl ein wenig länger dauern. weil ich manchmal wieder einen Einfall habe und dann alles umwurschtele. ^^

(wobei die Geschichte eigentlich in den Grundfesten schon fertig geschrieben ist... aber manche Ideen waren noch nicht so ausgereift und klang dann doof und war holprig zu lesen... und jetzt mach ich das eben jetzt so immer nebenher - das überarbeiten)

Ich hoffe aber, dass du gerne weiterliest. Wenn du auch ne Idee hast - bin immer für Vorschläge offen, falls ich mal nicht weiter weiß ^^
Antwort von:  CatariaNigra
29.07.2013 02:08
Ich habe gerade die ersten 3 Kapitel gelesen und lese den Rest mal, wenn ich mehr Zeit habe. Die 3 Kapitel waren aber schön zu lesen und ich hoffe, dass es auch für Van und Hitomi ein Happy End gibt^^
Von: abgemeldet
2011-07-21T20:32:17+00:00 21.07.2011 22:32
hey. bis jetzt gefällt mir deine story ziemlich gut.
auch wenn die kapitel noch kurz sind, aber das ändert sich bestimmt mit der zeit.
bin wirklich gespannt wie es weiter geht. hab eigentlich erwartet, dass hitomi mit geht aber mal sehen. mal sehen was van ihr alles erzählt und sein sohn erst. bin gespannt :)
mach weiter soo,
yesilli


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