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Vampire Love (2) - Blutkuss

Zero Kiryu & Yume (Teil 1 muss zum Verständnis nicht bekannt sein)
von

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Prolog

Prolog
 

Endlich war Yume allein.

Ihr Zimmer lag oben in einem der Spitztürme des Hauses Mond und da sie reinblütig war, hatte sie es zudem für sich allein.

Ihrer Meinung nach war es etwas zu groß, aber sie würde sich schon daran gewöhnen.

Sie legte ihre Schultasche auf einen Stuhl und tauschte ihre weiße Schuluniform gegen ein knielanges spitzenbesetztes Nachtkleid aus schwarzer Seide.

Anschließend öffnete sie eines der Fenster, von denen sie in den bewaldeten Teil des Grundstücks sehen konnte. Dort schwang sie sich dann aufs Fensterbrett und blickte gedankenverloren in die Nacht, während sie ihr hüftlanges Haar zum Schlafen zusammenflocht.

Irgendwann begann sie leise zu summen und bald darauf sang sie ein altes Schlaflied aus ihren Kindertagen, während sie allmählich im Fensterrahmen einschlief.
 

Zero ging ein letztes Mal die Wege um das Haus Mond entlang, ehe er seine Schicht für diese Nacht beendete. Als er an den Westflügel gelangte, drang eine sanfte helle Stimme an sein Ohr und als er sich danach umsah, erkannte er ihren Ursprung schließlich hoch oben in einem der Turmzimmerfenster des Wohnheims.

Er konnte die Person selbst nicht vollständig erkennen, doch das tiefrote Haar, das im Licht des Vollmondes wie dunkle Flammen leuchtete, war unverkennbar.

Nur eine Person besaß eine so auffällige Haarpracht.

Yume, der reinblütige Neuzugang der Night Class.

Mit einem verächtlichen Schnalzen seiner Zunge drehte er sich um und beschloss, dass sein Rundgang hiermit beendet war.

Er verließ das Gelände um das Haus Mond, kehrte zu seinem eigenen Wohnheim zurück und legte sich dort endlich schlafen.

Nächtliche Spaziergänge

Nächtliche Spaziergänge
 

Yume wurde von hellen warmen Sonnenstrahlen geweckt, als die Abendsonne auf ihrer Seite des Hauses Mond auftauchte.

Wieso hatte sie das Tageslicht nicht schon früher geweckt?

Verschlafen blinzelte sie in den noch blauen Himmel und stellte daraufhin fest, dass sie immer noch im Fenster saß.

Rasch ließ sie sich wieder in ihr Zimmer gleiten und warf einen flüchtigen Blick in die Tiefe unterhalb ihres Fensters.

Mit etwas Glück hätte sie einen Sturz vermutlich überlebt, aber nur mit einer Menge Blut und unter starken Schmerzen.

Sie sollte den Direktor fragen, ob sie ein kleines Geländer vor ihrem Fenster anbringen durfte. Zu Hause hatte ihr Vater das ebenfalls getan, weil sie schon als Kind oft dort geschlafen hatte.

Nachdem sie einen Blick auf die große Standuhr ihres Zimmers geworfen hatte, ging sie schnell unter die Dusche, zog ihre Uniform an, band ihr Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, wobei ihr zwei kürzere Strähnen stets zurück ins Gesicht fielen und begab sich anschließend in die Eingangshalle.

Dort erwartete Ihr Halbbruder Misaki sie bereits und schenkte ihr ein breites Grinsen: „Gut geschlafen, Nee-chan?“

„Sehr gut, aber ich muss Direktor Kurosu unbedingt auf ein Geländer ansprechen.“

Der schwarzhaarige Adlige schmunzelte belustigt: „Vor dem Westfenster?“

„Natürlich.“ Yume schenkte ihm eines ihrer seltenen flüchtigen Lächeln und stellte sich dann so, dass sie halb von ihm verdeckt wurde.

Außer Ichijo, Shiki und Rima trat auch keiner der anderen Vampire an sie heran, als sie nach und nach die Halle füllten.

Ichijo war mit Chiyo, Misakis Cousine, zusammen und hatte sich Yumes Vertrauen und Anerkennung verdient, als dieser sie aufopfernd vor seinem Großvater und Senatsoberhaupt Asato Ichijo beschützt hatte. Sein Cousin Shiki und auch Rima waren ihr ebenfalls sehr sympathisch, denn sie waren einfach da, hörten zu, stellten aber keine unnötigen oder nervenden Fragen.

Zudem war sie den dreien auch deshalb zu Dank verpflichtet, weil sie sich seit ihrem ersten Schultag stets in ihrer Nähe aufhielten, wenn sie vom Wohnheim ins Schulgebäude wechselten und sie so zumindest ein wenig vor den Day Class Schülern versteckten.

Als auch Kaname Kuran herunter kam, begaben sie sich zum Tor und, als es sich endlich öffnete, hinüber zum Unterrichtsgebäude.

Doch selbstverständlich warteten bereits die Mädchen der Day Class auf sie und auch ein paar Jungen, die sich für die Mädchen der Night Class interessierten, allerdings schrien diese nicht so sehr herum.

Yume griff nach Misakis Ärmel.

Sie hasste diesen Lärm.

Sie hasste es so viele Personen um sich herum zu haben.

„Hört gefälligst auf zu kreischen und verschwindet in euer Wohnheim!“ Das war Zero Kiryu, der mit einem äußerst bedrohlichen Blick auf die Mädchenmenge zu stapfte und sie dabei anbrüllte.

Erstaunlicherweise wichen die Mädchen tatsächlich vor ihm zurück.

Chiyo, die ebenfalls Vertrauensschülerin war, winkte ihrem geliebten Takuma, Misaki und Yume kurz fröhlich zu, während sie zu Zeros Unterstützung eilte.

Yume hob ebenfalls kurz die Hand und verschwand dann endlich im Schatten des Schulgebäudes.
 

Als sie den Unterricht hinter sich gebracht hatten, traten sie wieder ins Freie und Takuma, der gerade direkt neben Yume stand, wurde beinahe zu Boden gerissen, als Chiyo ihm um den Hals fiel.

„Wir lassen euch dann mal alleine.“ Misaki zwinkerte dem glücklichen Paar frech zu und wandte sich mit Shiki und Rima zum Haus Mond.

„Onii-chan, ich komme nach, wenn ich beim Direktor war.“

Der Schwarzhaarige zögerte kurz, doch er konnte in den Augen seiner Schwester deutlich lesen, dass sie allein gehen wollte.

„Gut. Aber pass auf dich auf.“

„Versprochen.“

Damit drehte sie sich um und ging in die andere Richtung davon.

Mit ruhigen Schritten überquerte sie den Schulhof und betrat das Gebäude erneut. Zielstrebig ging sie direkt zum Büro des Direktors und klopfte dort behutsam an.

„Ja, bitte.“

Die freundliche Stimme des Mannes auf der anderen Seite der Tür ließ Yume kurz lächeln, sie bewunderte seine Bemühungen um den Frieden zwischen ihren Arten.

Sie drückte die Klinke hinunter und trat ein.

„Guten Abend, Direktor Kurosu. Bitte entschuldigen Sie die späte Störung.“ Sie neigte ihren Kopf höflich vor ihm und bemerkte überraschenderweise erst danach, dass Zero ebenfalls im Raum stand.

„Was willst du hier, Vampir?“

Dass er das letzte Wort jedes Mal nahezu ausspuckte, ließ in Yume stets ein kleines Schuldgefühl aufsteigen. Es war immerhin eine reinblütige Vampirin gewesen, die sein grausames Schicksal und seinen damit verbundenen Hass zu verantworten hatte.

„Zero-kun, sei bitte nicht so unhöflich zu Fräulein Yume. Sie hat sicher einen Grund mich aufzusuchen.“ Der sanfte Tadel des Direktors fand bei dem Silberhaarigen allerdings keinerlei Beachtung.

Stattdessen rauschte er mit einem finsteren Blick in ihre Richtung aus dem Büro.

„Nimm es ihm bitte nicht übel, er ist eben so. Also, was kann ich für dich tun?“ Kaien Kurosu sah Yume erwartungsvoll an.

Seine väterliche Art beruhigte Yume ein wenig, sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, was nun wirklich etwas Seltenes war.

„Ich möchte sie um etwas bitten. Ich würde gerne ein Geländer an einem meiner Zimmerfenster anbringen, wenn Sie es gestatten.“

„“Ein Geländer?“, der Direktor blinzelte verwundert, „Sicherlich, darfst du das gerne tun, aber wozu brauchst du es?“

Yume senkte etwas beschämt ihren Blick: „Ich schlafe sehr oft auf der Fensterbank ein und befürchte, dass ich dabei wohl früher oder später aus dem Fenster fallen könnte. Misaki würde mich wohl eigenhändig umbringen, wenn ich es überleben sollte.“

„Wenn das so ist, nur zu. Ich möchte selbstverständlich nicht, dass du dich verletzt.“

„Vielen Dank, Direktor.“ Yume verneigte sich noch einmal und begab sich auf den Weg zurück ins Haus Mond.

Die Nacht war warm und der Himmel sternenklar.

Kurzerhand entschied sie sich einen Umweg durch den Rosengarten zu nehmen und ließ sich dort auf einer Bank nieder.

Sie seufzte leise und legte ihren Kopf so weit in den Nacken, dass sie die Sterne über ihr in ihrer vollen Pracht sehen konnte.

„Wie wunderschön…“ Ihre Stimme war nur ein leiser Hauch, den sie selbst kaum hören konnte.

Nur wenige Meter von ihr entfernt stand Zero und war für einen kurzen Augenblick überrascht, als er Yume so unvorsichtig auf der Bank sitzen sah.

Sie hatte ihren Kopf so weit nach hinten geneigt, dass ihre blasse Kehle vollständig entblößt im Mondlicht schimmerte.

Er konnte beobachten wie ihre Lippen sich bewegten, doch die Worte drangen nicht bis an sein Ohr.

Nur einen winzigen Moment lang huschte der Gedanke durch seinen Kopf, wie wunderschön die junge Reinblüterin aussah und wie sehnsüchtig.

Dieser flüchtige Gedanke reichte aus, um ihn augenblicklich wieder in Wut zu versetzen. Sie war ein Vampir, genauer ein reinblütiger Vampir und damit die Bestie unter den Monstern.

„Hey, du hast hier nichts mehr zu suchen! Der Unterricht ist längst vorbei und ich glaube kaum, dass du die Erlaubnis des Direktors dafür hast, hier herumzulungern.“

Yume wandte ihren Kopf zu Zero um und sah ihn kurz aus ihren geheimnisvollen eisblauen Augen. Sie versuchte in dem undurchdringlichen Violett seiner Augen etwas zu lesen, doch es war unmöglich.

Also erhob sie sich, strich ihre Uniform glatt und wandte sich zum Gehen: „Du hast Recht, entschuldige bitte, Zero. Ich wollte dir keine Umstände bereiten. Ich werde hinein gehen, gute Nacht.“

Zero erwiderte nichts, aber er achtete darauf, dass sie tatsächlich im Haus Mond verschwand.

Es dauerte nicht länger als zehn Minuten, da hörte er dieselbe Stimme wie in der Nacht zuvor und obwohl er doch bereits wusste, dass es Yume war, ging er um das Haus herum und blickte hinauf. Dabei achtete er darauf vom Blattwerk der Bäume und Büsche verdeckt zu werden. Er hatte nicht vor sich die Blöße zu geben, dass jemand davon erfuhr und es zur Unterhaltung der Night Class weitererzählte.

Yume sah ihn jedoch sehr gut.

Ein Stück über ihm, gab es eine Lücke im Geäst und durch die Höhe, in der sie saß, konnte sie dadurch direkt auf Zeros silbernen Haarschopf hinabblicken.

Sie sang etwas lauter, damit er sie besser verstehen konnte, ließ sich aber nicht anmerken, dass sie ihn entdeckt hatte.

Sie flocht ganz gemächlich ihr Haar und schielte nur aus dem Augenwinkel heraus zu ihm hinunter.

Zero lehnte sich kurzzeitig zurück und legte, ähnlich wie zuvor sie selbst, seinen Kopf in den Nacken und lauschte ihr.

Er würde niemals zugeben, jemals hier gestanden zu haben, aber für den Augenblick beruhigte die geschmeidige klare Stimme dieses bezaubernden Raubtiers ihn mehr als alles andere zuvor.

Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zum letzten Mal so entspannt gefühlt hatte. Langsam rutschte an dem dicken Baumstamm hinunter und schlief ein.

Yume hatte nicht beabsichtigt ihn zum Schlafen zu bringen, doch da ihre Kräfte ebenso mit dem Schlaf verknüpft waren, wie die ihrer Mutter, führte es manchmal dazu, dass die Menschen in ihrer Umgebung tatsächlich einschliefen, wenn sie ihnen ein Schlaflied vorsang.

Ganz leise sprang sie mit ihrer Wolldecke zusammen Stockwerk für Stockwerk in die Tiefe, bis sie sanft im weichen Gras landete.

Mit federnden Schritten schlich sie zu Zero hinüber und legte hm vorsichtig die Decke um, damit er nicht fror oder gar krank wurde.

Anschließend kehrte sie an ihren Platz zurück und summte bis zum Morgengrauen ihr Schlaflied für den geheimnisvollen Hunter unter ihr. Sie achtete darauf, dass außer ihr niemand wahrnahm, dass er dort war.

Als die Sonne schließlich aufging, erwachte Zero und nahm als erstes den blumigen Duft wahr, der ihn sanft in der Nase kitzelte.

Er schlug die Augen auf und bemerkte die Decke, die er anhand des Geruches und mit klarer werdendem Verstand als eine von Yume ausmachen konnte.

Zunächst war er überrascht, doch dann auch schnell wieder verärgert. Mit grimmigem Blick sah er nach oben zu ihrem Fenster und stellte fest, dass sie dort noch immer saß.

Mitten im Fensterrahmen!

Schlafend!

Er hasste Vampire, aber er wollte sich auch nicht damit belasten, wenn sie aus dem Fenster fiel. Er besaß immerhin ein Gewissen und war immer noch menschlich.

Also sprang und kletterte er bis zu ihrem Fenster hinauf, was etwas länger dauerte als zuvor bei ihr, und stieg vorsichtig über sie hinweg ins Zimmer.

Dort betrachtete er sie kopfschüttelnd und trug sie ins Bett.

Anschließend verschwand er so schnell wie möglich und ging beim Direktor unter die Dusche. Er wechselte seine Uniform, frühstückte und begab sich dann gähnend zum Unterricht.
 

Yume wurde am Abend von ihrem Bruder geweckt.

„Nee-chan, du kommst zu spät zum Unterricht.“

Die Rothaarige zog sich die Decke über den Kopf: „Ich mag heute nicht zum Unterricht gehen, bitte entschuldige mich bei Kaname.“

Seufzend strich Misaki ihr kurz durchs Haar und ging dann wieder zur Tür: „Aber morgen lasse ich das nicht noch einmal durchgehen.“

Dann war er verschwunden.

Yume verbrachte gut drei Stunden damit die Zimmerdecke über ihrem Bett anzustarren, bis sie sich endlich dazu überwinden konnte dieses zu verlassen. Noch war Unterrichtszeit und sie durfte sich draußen auf dem Schulgelände aufhalten. Vielleicht sollte sie das nutzen?

Ihr Blick fiel noch einmal auf ihr Bett, wie war sie dort hineingekommen?

Sie glaubte sich an starke Arme, eine breite Brust und einen vertrauten Duft zu erinnern. Allerdings konnte sie nichts Genaueres sagen, als dass es nicht Misaki gewesen war, wieso auch immer.

Seufzend zog sie sich um und ging hinaus.

Ihr Weg führte sie zu den Ställen.

Sie liebte Pferde und hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt ihr eigenes herbringen zu lassen. Immerhin war es möglich eine Box zu mieten. Sie vermisste ihren anmutigen vierbeinigen Freund sehr.

Sie betrat den dunklen Stall und schaltete ein schwaches Licht im hinteren Teil an. So war es hell genug, damit sich keines der Tiere vor ihr erschreckte, aber nicht so hell, dass sie sie beim Schlafen störte.

Allerdings schienen ein paar wenige der hübschen Geschöpfe noch wach zu sein.

Sie trat an die Box einer schneeweißen Stute, die neugierig ihren Kopf aus der Box gestreckt hatte.

„Guten Abend, meine Schöne. Wie heißt du denn?“

Sie sah auf das Namensschild an der Boxentür und lächelte: „Lily, welch hübscher Name. Er steht dir.“

Die Stute stupste sie mit ihren Nüstern an und schnupperte an ihrer Tasche. Aus Gewohnheit hatte Yume sich ein paar Leckerlis in die Jackentasche gesteckt und musste nun ein bischen schmunzeln. „Du weißt wohl, was gut ist. Hier, da hast du.“

Sie gab Lilly nacheinander alle Leckerbissen, die sie bei sich hatte, Stückchen für Stückchen.

So verbrachte sie mindestens zehn Minuten damit, sich einzig und allein auf das weiße Geschöpf und sein weiches Maul zu konzentrieren.

Es gab Momente, in denen war es ihr einfach gleichgültig, ob sie unbedacht handelte und damit ihre Gesundheit riskierte, womöglich sogar ihr Leben.

Darum bemerkte sie auch nicht, dass sie seit geraumer Zeit beobachtet wurde. Nicht heimlich, keineswegs.

Zero stand mitten in der Stalltür und war verblüfft, dass Lily so sanftmütig und ruhig war, während sie der Reinblüterin aus der Hand fraß und sich von ihr Kopf und Hals streicheln ließ.

Sie erlaubte ihr sogar, ihre Stirn an ihre zu legen und so zu verweilen.

„Du bist ein gutes Mädchen, danke, dass du dich einen Moment mit mir beschäftigt hast. Jetzt leg dich aber schlafen, ich komme morgen wieder.“

Yume drückte ihre Lippen flüchtig in das kurze Fell zwischen Lilys Augen und wandte sich von ihr ab.

Kaum hatte sie sich umgedreht, hielt sie auch wieder inne und blickte genau in ein Paar violette Augen.

Regentropfen

Regentropfen
 

„Was hast du hier zu suchen?“ Zeros Stimme war kalt und abwertend wie immer. Doch, wenn Yume sich nicht täuschte, um ein vielfaches angespannter.

Sein ganzer Körper schien unter einer enormen Anspannung zu stehen. Er stand so kerzengerade und unbeweglich vor ihr, dass man meinen konnte, dass er wie ein steifes Brett umfallen würde, wenn sie ihm einen Stoß verpasste.

Doch das hatte sie natürlich nicht vor.

„Ich habe mich nur etwas umgesehen, das ist nicht verboten, Zero.“

„Du hast Unterricht, geh gefälligst ins Gebäude!“ Er wollte heute keine Vampire hier draußen, er war ohnehin kurz davor durchzudrehen. Der Blutdurst quälte ihn schrecklich, doch er weigerte sich, schon wieder von Yuki zu trinken. Er verabscheute sich selbst dafür.

Er hasste sich für seine Schwäche!

Aber vor einem Vampir würde er sich gewiss keine Blöße geben!

Yume sah ihn aus ihren klaren Augen lediglich an und legte den Kopf ein wenig schief. Wie eine Katze stand sie vor ihm und schien herausfinden zu wollen, was er vorhatte.

Sie lauschte seinem unregelmäßigen Herzschlag, dem angestrengten Atem, den er ruhig zu halten versuchte. Sie ahnte, was an ihm nagte.

Ehe Zero verstand, dass sie sich bewegt hatte, stand sie direkt vor ihm und legte ihre grazile Hand an seine Wange.

„Du bist kalt, Zero. Das ist nicht gut. Die Krämpfe werden bestimmt bald folgen. Du solltest etwas trinken.“

Angewidert schlug er ihre Hand fort: „Das geht dich nichts an!“

Yume wollte das nicht tun, aber Misaki hatte ihr alles erzählt, was er über Zero wusste. Schon lange bevor sie auf die Akademie kam, hatte er ihr Interesse an dem jungen Hunter geweckt und sie hatte ihn gebeten, ihr mehr von ihm zu berichten.

Also wählte sie ihre Worte mit Bedacht so, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlen würden.

„Wenn du so gehst, wirst du bis morgen früh so geschwächt sein, dass du mit Krämpfen in einer Ecke deines Zimmers liegst, unfähig noch an viel anderes als deinen Durst zu denken. Yuki wird sich sorgen. Sie wird zu dir kommen und sie wird dir wieder ihr Blut geben. Aber das willst du nicht, oder?“

„Was willst du von mir!?“ Zero griff nach seiner Bloody Rose, doch Yume war schneller.

Sobald er den Mund geöffnet hatte, glitt sie mit ihrem Finger an einem seiner Fänge entlang und Zero erstarrte, als der erste Tropfen ihres Blutes mit seiner Zunge in Berührung kam.

Einen Augenblick lang sahen sie sich schweigend in die Augen und nachdem sich Zeros blutrot gefärbt hatten, ging alles plötzlich sehr schnell.

Seine Zunge fuhr über die kleine Wunde an ihrem Finger, dann riss er sie an sich und versenkte seine Reißzähne in ihrem Handgelenk.

Yume lehnte sich an ihn und schloss ihre Augen. Ihr Kopf ruhte an Zeros Schulter, während dieser einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte und mit der anderen Hand ihren Arm hielt, aus dem er trank.

Mit jedem Schluck spürte er die Kraft in seine Glieder zurückkehren und seine Sinne schärften sich mehr denn je. Nachdem der schlimmste Durst gestillt war, nahm er auch den Geschmack ihres Blutes wahr. Es schwang eine sanfte Süße darin mit, die die darunter verborgene Würze nur schwach dominierte.

„Zero, es ist genug, sonst verliere ich das Bewusstsein.“

Yumes zarte Stimme so dicht an seinem Ohr zu hören, holte Zero aus seiner Trance zurück und er hätte sich beinahe verschluckt.

Er ließ sie so ruckartig los, als hätte er sich an ihr verbrannt und sah sie dabei mit einem Blick an, der Yume das Herz gefrieren ließ.

Aber sie hatte auch nichts anderes erwartet.

Erhofft, aber nicht erwartet.

Sie schloss rasch ihre Wunde, damit sie niemandem auffiel und auch kein Blut an ihre Kleidung gelangte. Dann senkte sie den Blick und begab sich zur Tür.

„Ich verstehe, dass du mich jetzt noch mehr hasst. Aber wenn du Yuki schonen willst, gilt dieses als Angebot, wenn du Blut zu dir nehmen MUSST. Die Schübe werden schwächer ausfallen und du wirst länger ohne eine neue Blutaufnahme auskommen, es ist deine Entscheidung. Gute Nacht, Zero, … verzeih mir bitte.“

Die letzten Worte hauchte sie nur noch in die Nacht, ehe sie in der Dunkelheit verschwand, doch der Silberhaarige verstand sie dennoch und sie verwirrten ihn. War er doch zornig, verzweifelt und fühlte sich verraten.

Im gesamten Stall schwebte der Duft von Mohnblumen in der Luft, ihr Duft, und Zero, der das Gefühl hatte daran zu ersticken, ergriff die Flucht in die kühle Finsternis.
 

Yume war froh, dass der Stall verhinderte, dass der Geruch ihres Blutes bis zum Schulgebäude und dem Haus Mond vordrang. Es gäbe sicherlich gewaltige Probleme, wenn jemand herausfand, dass sie Zero ihr Blut gegeben hatte. Aber sie entschied schon seit jeher, was sie tun wollte und was nicht und sie folgte Kaname Kurans Willen nur begrenzt. Sie respektierte die Akademie als sein Hoheitsgebiet, doch wenn er in ihren persönlichen Kreis eintrat, und der beinhaltete alle Personen, die ihr auf irgendeine Art wichtig waren, dann verteidigte sie diesen mit allen Mitteln.

Die Night Class würde jeden Moment ins Wohnheim zurückkehren, also beeilte sie sich, so schnell wie möglich in ihr Zimmer zu gelangen. Dort streifte sie ihre Uniform ab und ein knöchellanges weißes spitzendbesetztes Nachtkleid über.

Als sie ans Fenster trat, fand sie davor ein kleines Geländer, das ihr bis unter die Schulter reichte, wenn sie sich daneben setzte. Misaki war vermutlich während des Unterrichts hergekommen, um es anzubringen.

Sie würde sich bedanken, sobald sie ihn sah.

Ausnahmsweise entschied sie sich dazu ihr Haar offen zu lassen und blickte nachdenklich in die Sterne. Der Schmerz, den sie in Zeros Augen gesehen hatte, ließ ihr einfach keine Ruhe und sie begann leise und traurig vor sich hin zu singen.
 

Zero traf pünktlich zum Unterrichtsschluss der Vampire wieder mit Yuki zusammen, die natürlich schnell merkte, dass etwas nicht stimmte. Allerdings nahm sie zunächst an, dass Zero wieder an Blutdurst litt.

„Zero, du siehst angeschlagen aus, benötigst du vielleicht wieder…“ Ein Blick von ihrem Partner reichte, um sie augenblicklich verstummen zu lassen.

Sie drehten ihre Runden um das Schulgelände und das Haus Mond bis sie sicher waren, dass sich sämtliche Vampire zurückgezogen hatten und trafen schließlich direkt unter Yumes Fenster wieder zusammen.

Yuki stand bereits dort und sah nach oben, als Zero dazu kam. „Was machst du da, Yuki?“

„Ich habe ein so unglaublich trauriges Lied gehört, das dennoch wunderschön klang. Da bin ich dem auf den Grund gegangen, doch es wurde wieder ruhig, bevor ich den Ursprung gefunden hatte. Aber dann habe ich gerade Yume dort oben gefunden. Bestimmt hat sie so wundervoll gesungen.“

Zero blickte nicht nach oben, er wollte Yume auf keinen Fall sehen.

„Sie schläft, aber sie sieht irgendwie traurig und einsam aus, findest du nicht? Chiyo-chan erzählte mir, sie sei schon lange so. Ein bisschen wie Shiki-senpai, aber doch ganz anders.“

Überrascht von Yukis Aussage, hob Zero nun doch den Kopf und bereute es sofort. Yumes Haar schwebte in einer sanften Brise um ihren blassen Leib und er musste im Stillen gestehen, dass Yukis Beschreibung zutraf.

„Was interessiert es mich, wie die Blutsauger sich fühlen. Sie sind allesamt widerwärtige Ungeheuer.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.

„Komm schon, Yuki! Wir sind fertig für heute!“

„Ja, ich komme.“ Das Mädchen warf noch einen letzten Blick auf die Reinblüterin und eilte ihm dann nach.
 

Zero lag nahezu die ganze Nacht wach und versuchte herauszufinden, wieso Yume ihm ihr Blut gegeben hatte. Normalerweise wurde jeder, egal welchen Ranges, der einen Reinblüter verletzte, und dann auch noch sein Blut zu sich nahm, mit dem Tod bestraft.

Zudem waren reinblütige Vampire das königliche Geblüt ihrer Rasse und die Verkörperung von Arroganz, Egoismus und Kaltherzigkeit.

Yumes Fürsorglichkeit Chiyo gegenüber passte in dieses Bild. Sie zählte zur Familie, ebenso Misaki. Ichijo gehörte zu Chiyo, Shiki und Rima waren adelige Vampire und konnten ihr durchaus einfach sympathisch sein, was aber nichts weiter bedeuten musste.

Was Reinblüter allerdings ebenfalls alle gemeinsam hatten, war, dass sie ihre Umgebung dazu nutzten ihre eigenen Ziele zu erreichen und die Personen entsprechend lenkten. Das war die einzige Erklärung, weshalb Yume ihm ihr Blut gab. Sie bezweckte damit etwas. Kaname Kuran tötete ihn schließlich auch einzig und allein deshalb nicht, weil er als Schutzschild für Yuki diente.

Doch was wollte Yume von ihm?

In den frühen Morgenstunden fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf, in dem ihn die Alpträume seiner Vergangenheit wieder einholten. Doch anstelle von Shizuka Hio stand Yume vor ihm.

So wachte er nach nur zwei Stunden schweißgebadet wieder auf und fuhr sich verzweifelt mit den Händen übers Gesicht.

Schlafen konnte er nicht mehr, also stand er auf und ging duschen. Dann bereitete er sich allmählich auf den Unterricht vor und frühstückte eine Kleinigkeit.

Als es endlich soweit war, begab er sich ins Schulgebäude.
 

Yume erwachte ungefähr zur Mittagszeit und da sie die halbe Nacht geschlafen hatte, beschloss sie auch nicht ins Bett zu gehen.

Nein, sie hatte einen ungewöhnlichen Einfall, für einen Vampir, aber einen, der ihrer Meinung nach ganz fantastisch war.

Sie schwang sich von der Fensterbank, sprang unter die Dusche und schlüpfte schnell in ihre Uniform. Dann ging sie hinaus und direkt in das Büro des Direktors.

„Was kann ich für dich tun, Yume?“

„Ich würde gerne am Reitunterricht der Day Class teilnehmen, wenn Sie es gestatten. Selbstverständlich nur gemeinsam mit Yuki und Zero. Sie sind schließlich die Guardians und Zero würde mich vermutlich erschießen, wenn er auch nur den kleinsten Verdacht hegt, ich würde jemanden anfallen wollen.“

Direktor Kurosu sah sie sehr überrascht an: „Also bislang habe ich noch nie erlebt, dass ein Vampir tagsüber zusammen mit Menschen am Unterricht teilnehmen möchte.“

Yume lächelte: „Aber es würde doch das Ziel der Akademie fördern.“

Kurosu strahlte regelrecht: „Ja das würde es sogar sehr. Du bist schließlich nicht irgendein Vampir. Aber du kannst tatsächlich nur teilnehmen, wenn einer der beiden Guardians ebenfalls dabei ist.“

„Selbstverständlich, Direktor.“

„Dann kannst du gleich zum Stall gehen, wenn du heute schon teilnehmen möchtest. Ich gebe dir eine Nachricht für den Lehrer und Zero mit, er könnte tatsächlich auf dich schießen.“
 

„Kyaaaa!!“

Zero wachte durch Yukis Schrei auf und sah, dass Lily gerade mit ihr durchging.

Schon wieder!

Das passierte wirklich regelmäßig, wenn sie die Stute reiten sollte.

Er wollte ihr gerade zu Hilfe eilen, als sich eine rothaarige Person hinter sie schwang und das Pferd zum Stehen brachte.

„Ruhig, Lily. Du darfst Yuki nicht so behandeln, sie könnte sich sehr wehtun.“

Yuki schnappte aufgeregt nach Luft und sah Yume mit einem unglaublich dankbaren Blick an: „Danke. Ähm, was tust du hier?“

„Ich nehme am Reitunterricht teil.“

„Aber du gehst in die Night Class.“ Das Mädchen war sichtlich verwirrt.

„Der Direktor hat es genehmigt.

Sie reichte das Schreiben direkt an Zero, der inzwischen neben ihnen stand und gerade den Mund öffnete, um sie zurückzuscheuchen.

Er las es mit zunehmend finsterer Miene. „Tzz!“ Er gab es dem Lehrer weiter und würdigte sie keines weiteren Blickes.

Yume hingegen sah ihm traurig nach. Wieso konnte sie ihm nur nicht helfen?

Nachdem der Trubel um Yumes Teilnahme am Unterricht der Day Class sich wieder gelegt hatte und sie die Pferde noch einmal überbürsteten, beobachtete Yuki Yume dabei, wie sie liebevoll durch das Fell der Stute strich.

„Wie stellst du das an? Bei Zero ist sie auch so handzahm, aber mich hasst sie regelrecht, glaube ich.“

Yume lächelte flüchtig: „Das glaube ich nicht, Yuki. Aber das ist genauso wie bei uns. Menschen brauchen jemanden doch manchmal auch nur anzusehen und der andere ist ihnen augenblicklich sympathisch oder sie können ihn nicht ausstehen. Bei Tieren kann es ganz genauso sein. Das muss mit dir selbst gar nichts zu tun haben.“

Yuki sah die Rothaarige verblüfft an: „Danke. Ähm, Yume? Ich will mich nicht aufdrängen, aber stimmt etwas nicht? Du hast Zero vorhin so bedrückt nachgesehen.“

Yume lehnte sich an Lilys Hals und blickte die Vertrauensschülerin nachdenklich an: „Das ist dir aufgefallen?“

„Du bist der einzige Vampir hier, der ihn so ansieht, das fällt natürlich auf.“

„Hm, ich vergesse manchmal, dass ihr Menschen zeitweilen genauso scharfsinnig seid wie wir. In eurer Gegenwart werde ich schnell leichtsinnig. Aber wenn du es schon ansprichst… Ich möchte dich um etwas bitten.“

Yuki grinste fröhlich: „Nur zu.“

Yume sah sie ernst an: „Hör auf ihm dein Blut anzubieten.“

„Was?“ Yuki sah sie entsetzt an.

„Aber Zero verträgt die Tabletten nicht! Ich kann doch nicht zusehen wie er leidet. Wenn ein Unfall passieren würde, wäre das für ihn unerträglich.“

Sie sah bedrückt zu Boden. Wieso verlangte Yume nur so etwas von ihr? Sie hatte geglaubt, sie wäre um Zero besorgt.

„Du verletzt Zero damit. Also lass es sein. Ich sage das nicht, weil ich dich nicht mag, Yuki. Bitte denke das nicht. Aber…“

Yume seufzte schwer.

Sie wusste, dass sie es Yuki erklären musste, das war sie ihr schuldig, wenn sie schon verlangte, dass sie Zero zusah, wie dieser sich quälte.

„Wenn ich Zero mein Blut gebe, hält das seine Verwandlung auf und es stärkt ihn weit mehr als das deine. Außerdem hasst er mich doch ohnehin schon für das, was ich bin. Es macht also keinen Unterschied, was das angeht. Aber dafür, muss er sich keine Vorwürfe mehr machen, weil er von deinem Blut trinkt.“

Yuki starrte die junge Reinblüterin überrascht an: „U…und was soll ich tun, wenn er zu mir kommt? Ich kann ihn doch nicht einfach...“

„Nein, dann ist es in Ordnung.“

Aber, dass das niemals geschehen würde, wussten sie beide.

Yume gab Lily ein paar Leckerlis und lehnte sich dabei an sie, während Yuki sie beobachtete. Warum tat sie das alles? Sie sah nicht gerade glücklich aus.

Yume blickte an Lily vorbei durch die offene Tür hinaus in den Regen, der unbemerkt eingesetzt hatte, und erschien Yuki plötzlich wieder so einsam wie nachts zuvor in ihrem Fenster. Sie wirkte verloren, irgendwie falsch an ihrem Platz.

Gerade als die Vertrauensschülerin zum Sprechen ansetzen wollte, blickte Yume sie wieder an und ihre eisblauen Augen schienen auf einmal ganz leer zu sein: „Du solltest dich wieder zum Wohnheim begeben, die anderen sind auch schon weg und der Regen wird sicher noch stärker.“

„Ja.“ Yuki ging verwirrt zur Tür und warf ihr noch einen kurzen Blick zu.

„Bis heute Abend.“

„Mhm.“

Yume schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen, sondern beschäftigte sich damit, Lily immer wieder über die Nüstern zu streichen, also ließ Yuki sie allein.
 

Aufgrund des strömenden Regens verlief der Klassenwechsel an diesem Abend recht ruhig und Zero würdigte Yume nicht eines Blickes.

Sie hatte selbstverständlich auch nicht damit gerechnet, dennoch kostete es sie eiserne Selbstbeherrschung weder zu ihm noch auf den Boden zu sehen.

Im Unterricht blickte sie dann jedoch die meiste Zeit aus dem Fenster und sah dem Regen zu. Sie wurde auch von niemandem zurechtgewiesen, sie war schließlich reinblütig.

Sie konnte tun, was sie wollte.

Nun ja, nicht ganz.

„…me. Yume.“

Yume drehte sich um und sah verwundert in Ichijos Gesicht.

„Der Unterricht ist zu Ende, wir gehen.“

„Oh. Entschuldigung.“

Sie stand auf und ging mit den anderen Vampiren zurück zum Haus Mond. Doch sie schlenderte mit Abstand und gedankenverloren hinter ihnen her und stand plötzlich allein mit Misaki im Regen.

„Lässt du mich etwas allein?“

Misaki sah sie misstrauisch an: „Es regnet, Yume.“

„Ich mag den Regen.“

Misaki seufzte: „Also schön, was ist los?“

„Nichts, ich möchte nur ein wenig nachdenken.“

„Und das kannst du drinnen nicht?“ Er zog skeptisch eine Augenbraue nach oben.

„Nein.“

Kopfschüttelnd ging der Schwarzhaarige zum Mondwohnheim: „Aber wehe du wirst krank, dann musst du sehn, wie du zurechtkommst.“

„Verstanden.“

Sie lächelte schwach, Misaki würde sich immer um sie kümmern, wenn sie krank wurde, das war seit jeher so. Er schimpfte lediglich aus Sorge um sie mit ihr.

Langsam schritt Yume durch den Regen und setzte sich schließlich an den Rand des Springbrunnens. Sie ließ die feinen Tropfen auf ihr Gesicht fallen und genoss das feuchte kühle Gefühl, das sie hinterließen.

„Bist du schon wieder hier?“, knurrte jemand neben ihr.

Sie musste nicht die Augen öffnen, um zu wissen, dass es Zero war.

„Warum bist du so wütend, nur weil ich gerne draußen sein möchte?“

Sie blickte ihn mit kristallklaren Augen an und Regentropfen perlten über ihre blasse Haut und aus ihrem nassen Haar.

Zero musste bei ihrem Anblick unwillkürlich daran denken, was Yuki ihm am früheren Abend erzählt hatte, als sie gemeinsam das Unterrichtsgebäude beobachtet hatten.
 

Yuki sah wie immer stets zu Kaname Kuran hinüber und himmelte ihn heimlich an. Allerdings fiel Zero auf, dass sie auch Yume regelmäßig einen kurzen Blick zuwarf.

„Was schaust du dir da eigentlich an, Yuki?“

Yuki warf ihm einen missmutigen Blick zu: „Sei nicht so mies gelaunt, Zero.“

Er reagierte darauf nicht und sah sie nur abwartend an.

„Ich habe das Gefühl, dass Yume etwas bedrückt. Sie sieht manchmal so verloren aus und ihre Augen blicken immer traurig in die Ferne, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Siehst du? Außerdem ist sie Chiyo doch sehr wichtig.“

Zero schüttelte ungläubig den Kopf: „Du machst dir viel zu viel aus diesen elenden Blutsaugern. Zudem solltest du es ignorieren, wenn Chiyo sich auch keine Gedanken um Yume macht.“

„Als würde sie uns das auf die Nase binden. Ganz besonders dir. Du bist zu ihr ja auch nicht besonders freundlich.“ Yuki warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, den er gekonnt ignorierte.
 

Zero musste gestehen, dass auch er die Traurigkeit in Yumes Augen sehen konnte, auch wenn ihm das nicht gefiel.

Doch viel weniger gefiel ihm die Tatsache, dass ihr verlorener Blick irgendwo tief in seinem Herzen einen Punkt berührte, den er eigentlich fest verschlossen hielt.

„Nenn mir einen Grund, wieso ich dich hier draußen herumlaufen lassen sollte.“ Seine Stimme war nicht so schneidend, wie sie eigentlich hätte sein sollen.

Yume blickte in den Himmel und als Zero schon nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, hörte er ihre leicht zittrige Stimme sagen: „Es ist das einzige Stück Freiheit, das ich habe.“

Dass Yume ihre Schwäche so offen vor ihm zeigte, erschreckte Zero zutiefst.

Ein schwaches Lächeln huschte über ihre blutroten Lippen und sie erhob sich: „Entschuldige, dass ich dich damit belästigt habe. Ich gehe hinein.“

Was war mit diesem Mädchen nur los?

Sie verhielt sich entgegen jedes Musters, das er von Vampiren kannte.

Er hatte gesehen, wie sie Asato Ichijo eiskalt gedroht hatte.

Sie hatte ihn mit einem Trick dazu gebracht, ihr Blut zu trinken.

Sie hatte sich in den Reitunterricht der Day Class hineingeschlichen.

Sie war ein Reinblut, dem ihre Rasse zu Füßen lag und das vermutlich so wohlhabend war, dass es sich niemals um seinen Lebensunterhalt sorgen musste.

Aber dennoch schien ein kurzer Augenblick allein unter dem freien Himmel für sie kostbarer zu sein als aller Reichtum der Welt.

Er verstand allerdings nicht, weshalb sie gerade ihm ihre Schwäche und Verletzlichkeit zeigte. Schließlich jagte er Vampire, um sie zu töten.

Er war ihr Feind.

Und man offenbarte seinem Feind niemals seine Schwachstellen.

„Tzz. Welche Freiheit sollte dir schon fehlen. Du kannst schließlich tun, was du willst und dein Fußvolk verteidigt mit Hingabe jedes Verbrechen, das ihr teurer Reinblüter begeht.“

Yumes Schritte wurden langsamer bis sie schließlich vollkommen still dastand.

Der Regen wurde stärker und prasselte erbarmungslos auf ihre zierliche Gestalt nieder. Das rote Haar hatte sich vom Wasser zu einem dunklen Blutrot verfärbt und als sie ihren Kopf ein Stück zur Seite drehte, sah Zero wie ihre Lippen sich öffneten, doch dann wieder schlossen, ohne einen Ton hervorgebracht zu haben.

Stattdessen konnte er trotz des Regens erkennen, dass ihr Tränen über die Wangen liefen, denn ihre Augen waren ungewöhnlich gerötet.

„Was…?“

Wie erstarrt blickte er ihr nach, während sie sich erneut in Bewegung setzte und die Stufen zum Wohnheim hinaufging.

Für Zero wirkte sie aus der Entfernung plötzlich ziemlich klein vor dem großen Gemäuer, das vor ihr aufragte und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, was Yume mit Freiheit gemeint hatte, als sie die Tür öffnete und wie ein zerbrechlicher Vogel in ihren goldenen Käfig zurückkehrte.

Er ließ seinen Blick über die Außenwände nach oben gleiten und blieb an einem Fenster hängen, durch das ihn ein Paar rotglühender Augen ansah.
 

Misaki hatte Yume nicht aus den Augen gelassen. Von seinem Zimmerfenster aus hatte er beobachtet, wie Zero an sie herangetreten war.

Es war nichts Besonderes.

Doch als er beobachtete, wie verzweifelt sie ins Haus zurückkehrte, wallte Zorn in ihm auf und er fixierte den Silberhaarigen mit einem wütenden Blick.

Keine zwei Minuten später pochte es zaghaft an seine Tür und als er sie öffnete, blickte er auf eine tropfende Yume hinab, die ihn aus tränenverschleierten Augen flehend ansah.

Schweigend zog er sie hinein, wickelte sie in eine Decke und hielt sie fest in seinen Armen.

Yume weinte nun hemmungslos und Misaki strich ihr hilflos übers Haar.

„Was ist passiert, Yume? Was hat er getan?“

Sie schüttelte den Kopf: „Nichts. Er hat gar nichts getan.“

Nach einer Weile beruhigte Yume sich etwas und ihr Bruder schob sie sanft aber bestimmend ins Badezimmer. Dort ließ er Wasser in die Badewanne laufen und suchte ihr sowohl Handtücher als auch eines seiner gemütlicheren T-Shirts heraus.

Das ganze legte er neben das Waschbecken und bedeutete Yume ins Wasser zu steigen, als er das Bad verließ.

Die Reinblüterin tat wie ihr geheißen und nachdem sie ihre nassen Kleider ausgezogen hatte, ging sie vorsichtig in die Badewanne.

Das Wasser wärmte ihren ausgekühlten Körper wieder auf und sie schloss entspannt die Augen. Doch sobald ihre Lider sich gesenkt hatten und die Welt um sie herum in Schwarz tauchten, erschien Zeros Gesicht vor ihr.

Wieso hatte sie das nur getan?

Warum hatte sie ihm den heimlichen Wunsch, den sie so tief in ihrem Herzen verborgen hatte, anvertraut.

Wenn er wollte, war er in der Lage alle Hoffnungen, die sie sich auf eine Erfüllung ihres Traumes machen konnte, zu zerstören.

Es bedurfte nur eines einzigen Wortes an ihren Großvater und sie würde für alle Zeiten hinter den weißen Mauern ihres Anwesens verschwinden. Stets bewacht, niemals allein und nur der Blick aus dem Fenster würde ihr noch bleiben.

Zero konnte sie nun verletzen.

Nein.

Er hatte es schon zuvor gekonnt.

Sie kannte es eigentlich, dass sie mit Blicken taxiert wurde, die bis oben hin gefüllt waren mit Neid, Abscheu, Angst, Ehrfurcht und Hass.

Ja, sie kannte den Hass auf sie, aber Zeros Blicke spürte sie wie Dolche, die ihr im Leib herumgedreht wurden.

Wieso?

Alle anderen Blicke waren ihr doch auch schon immer egal gewesen.

Aber Zero wollte sie helfen. Er wäre nicht der erste Mensch, den sie von der Klippe zum Level E retten würde, doch hatte sie es sich schon einmal so gewünscht wie bei ihm?

Nein.

Zero versuchte nicht ihr zu gefallen, er log sie nicht an, er setzte keine lächelnde Maske auf, um sie zu täuschen.

Im Gegensatz zu allen anderen, zeigte er ihr seinen Hass ehrlich und offen.

War es das?

Sie wusste, er könnte sie zerschmettern und doch störte es sie eigentlich nicht.

Nein, es war sogar so, dass er wohl der einzige war, dem sie erlauben würde, sie zu zerstören, doch wieso?

Außer Misaki, Sakura, Chiyo und ihren zwei Schützlingen Yuri und Taiyo, traute sie eigentlich niemandem. Keiner außer ihnen zeigte sie, was in ihrem Herzen geschah.

Sie fasste langsam Vertrauen zu Ichijo, Shiki und Rima, aber es würde noch einige Zeit vergehen, ehe sie sich ihnen tatsächlich öffnen würde.

Und was war mit Yuki?

Sie mochte das Mädchen. Sie besaß eine unbeschreibliche Güte, eiserne Loyalität und großen Mut.

Als Yume merkte, dass das Wasser kalt wurde, stieg sie seufzend aus der Wanne, trocknete sich ab, zog Misakis Shirt über und trat zu ihm ins Zimmer.

Sie hatte für eine Nacht genug nachgedacht und war müde und erschöpft. Misaki lag bereits auf seinem Bett und hatte alles soweit hergerichtet, dass sie bei ihm schlafen konnte.

Das tat sie schon solange sie denken konnte, wenn sie traurig war oder sich einsam fühlte.

Sie war dann stets zu den Zwillingen ins Bett gekrochen und Misaki und Sakura hatten sie schützend in ihre Mitte genommen. Besonders schlimm war es, als sie ihre Kräfte noch nicht kontrollieren konnte und unbeabsichtigt in die Alpträume anderer hineingefallen war.

Yume legte sich neben ihren großen Bruder, zog die Decke eng um sich und vergrub ihr Gesicht anschließend an seiner Brust.

„Schlaf gut, Onii-chan.“

„Gute Nacht, Nee-chan.“
 

Im Haus Sonne lag Zero derweil, wie nahezu jede Nacht, wach, doch zerbrach er sich heute den Kopf über Yume und nicht über all die anderen Dinge, die ihm sonst Sorgen bereiteten.

Wieso hatte sie ihm diese Seite von sich gezeigt? Was brachte das Mädchen zu so viel Leichtsinn? Es konnte unmöglich Vertrauen sein, denn er gab ihr nun wirklich keinen Grund dafür.

Ihr Verhalten passte einfach nicht mit dem zusammen, was sie war!

Zero hatte das Gefühl, ihm würde der Schädel zerspringen.

Wieso verhielt sich Yume anders, als sie es eigentlich müsste, sogar sollte!?

Er wollte keinen gutherzigen Vampir in seiner Nähe haben, schon gar keinen reinblütigen! Es gab keine guten Vampire!

Sie verfolgte ein Ziel!

Das musste sie einfach, denn sonst würde sein Weltbild einen gewaltigen Riss bekommen!

Ratlos raufte er sich das silberne Haar und setzte sich auf.

Er starrte die Regentropfen an, die an seiner Fensterscheibe hinabglitten und Yumes Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf.

Wie sie ihre Lippen flüchtig bewegte und ihre Augen ihn geradezu angefleht hatten.

Doch um was?

Was wollte sie von ihm?

Konnte ihr Käfig denn wirklich so klein sein, dass sie unbedingt daraus entfliehen wollte?

Oder befand sich vielleicht noch etwas in diesem Käfig und sie wollte davor flüchten?

Zu Yumes abweisender Art würde es passen.

Mann musste immerhin kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie ihre Mitschüler auf Distanz hielt. Sie war beim Klassenwechsel stets so abgeschirmt, dass niemand an sie herantreten konnte und es gingen immer dieselben Personen neben ihr.

Wovor hatte sie Angst?

Und wieso zum Teufel ließ ihm das einfach keine Ruhe?

Es sollte ihm schließlich egal sein!

Sie war verdammt nochmal ein elender Blutsauger!

Zero erhob sich und riss das Fester auf. Dann streckte er die Hand hinaus und betrachtete die Regentropfen, die auf seine Haut trafen.

Regen.

Ob er ihn nun immer an Yume erinnern würde?

Fieber

Fieber
 

Die nächsten zwei Tage bekam Zero Yume nicht zu Gesicht. Weder auf dem Weg in den Unterricht noch außerhalb des Wohnheims oder in ihrem Fenster.

Doch letztlich war es Yuki, die Chiyo schließlich darauf ansprach.

„Chiyo-chan, wo ist Yume eigentlich? Ich habe sie die letzten zwei Tage nicht gesehen.“

„Sie ist krank.“ Chiyo blickte besorgt zum Haus Mond hinüber: „Sie hat sich erkältet und liegt mit Fieber im Bett, aber es geht ihr schon besser. Sie wird morgen wieder zur Schule kommen, hat sie gesagt.“

Yuki atmete erleichtert auf, nur Zero zeigte wie immer keine Reaktion.

Morgen war ein Schulausflug mit beiden Klassen angesetzt.

Er sollte am frühen Nachmittag beginnen und mit einer Übernachtung bis zum nächsten Morgen andauern, am Abend war ein Feuerwerk geplant.

Zero hatte nicht die geringste Lust darauf, doch es half nichts. Er hoffte einfach, dass die Day Class die strengen Regeln befolgen würde, denn auch wenn der Direktor sie als überflüssig angesehen hatte, so hatten Chiyo und Takuma auf eine Regelliste bestanden, die für beide Klassen einzuhalten war.

Darunter fiel, dass die Mädchen der Day Class die Night Class Schüler nicht bedrängen und auch sonst keinen Aufruhr veranstalten durften. Die Vampire hatten wie immer ein Blutsaugeverbot und sollten die Situation entspannt halten.

Wenn diese Regeln nicht befolgt wurde, würde der Ausflug augenblicklich abgebrochen werden und als einmaliges Ereignis abgeschrieben werden.

Wenn das mal gut ging.

Die Mädchen begannen schließlich jetzt schon wieder zu kreischen, als die Night Class sich auf den Weg zum Schulgebäude machte. Noch schlechter gelaunt als sonst brüllte Zero die Day Class Schülerinnen an und jagte ihnen dabei wohl so große Angst an, dass sie von selbst die Flucht ergriffen und nur von weitem über ihn schimpften und jammerten.

„Meine Güte, Zero ist heute aber wieder besonders mürrisch“, flüsterte Chiyo Yuki ins Ohr, die ihr nur zustimmen konnte.

„Komm, wir zwei gehen heute gemeinsam unseren Rundgang, mit ihm ist bestimmt nicht gut Kirschen essen.“

Chiyo nahm Yukis Hand und zog sie mit sich. Die Dunkelhaarige sah sich noch einmal kurz nach Zero um und rief: „Wir übernehmen das Haus Sonne und das Schulgelände. Wir sind zu zweit. Nimm du das Haus Mond, ja?“

Wundervoll.

Als würde er sich darum reißen, vor dem Wohnheim dieser Mistgeburten herumzulaufen!

Doch er tat wie jede Nacht seine Pflicht und sprang kurzerhand über die Mauer.

Als er bei seinem Rundgang unter Yumes Fenster stehen blieb, sah er instinktiv nach oben.

Das Fenster war leer.

Heimlich schlich sich die Frage in sein Bewusstsein, wie es ihr wohl gehen mochte.

Er schüttelte sie jedoch augenblicklich wieder ab.

Aber die Frage hielt sich hartnäckig in seinem Hinterkopf und als er nach einer halben Stunde wieder an derselben Stelle stand, gab er auf.

Da niemand im Haus sein sollte, ging er durch die Eingangstür hinein und hinauf zu ihrem Zimmer. Er klopfte kurz, doch es kam keine Antwort.

Erleichterung machte sich in ihm breit. Was hätte er auch sagen sollen, wenn sie geantwortet hätte. Er konnte ja schlecht zugeben, dass er sich sorgte, wenn er selbst nicht damit einverstanden war.

Yume schlief vermutlich, doch die Ungewissheit über ihr Befinden wollte sich einfach nicht von ihm lösen, also öffnete er leise die Tür und trat ins Zimmer.

Yume lag tatsächlich in ihrem Bett und schlief.

Zero trat näher an sie heran und beugte sich ein wenig zu ihr hinunter, um in ihr Gesicht sehen zu können.

Sie atmete schwer und Schweiß perlte von ihrer Stirn.

Als Zero ein kalter Luftzug im Nacken berührte, bemerkte er, dass das Fenster geöffnet war. Wer tat denn so etwas? Kein Wunder, dass es ihr so schlecht ging.

Hatte Chiyo nicht gesagt, es wäre besser geworden?

Für ihn sah es eher so aus als stünde das Leben der schönen Yume auf Messers Schneide.

Ohne weiter darüber nachzudenken, dass sie ein Vampir war, ging er ins Bad und holte nasse Waschlappen und Handtücher.

Den Waschlappen legte er vorsichtig auf ihre Stirn und anschließend zog er behutsam die Decke von ihrem Leib. Er wickelte zwei nasse Handtücher um ihre Waden und je ein trockenes darüber, damit das Bett nicht nass wurde. Dann deckte er sie wieder zu.

Während der ganzen Prozedur ignorierte er gekonnt die violette spitzenbesetzte Seide, die sich bis zu den Knien an ihren Körper schmiegte.

Als er sich erheben wollte, um ihr etwas Wasser zum Trinken zu holen, öffnete Yume plötzlich ihre Augen.

Sie waren glasig und nur halb geöffnet, doch sie blickten ihn rot schimmernd an.

„Zero?“ Er las seinen Namen mehr von ihren Lippen ab, als dass er ihn hören konnte. Ihre Stimme war so schwach und kratzig, dass er sie kaum verstand.

Schnell reichte er ihr etwas zu trinken und als sie sich mit Mühe ein Stück aufgerichtet hatte, nahm sie ein paar Schlucke aus dem Glas.

Ihre Hände zitterten und Zero überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Am besten wäre es, wenn sie ihren Schweiß abwaschen und etwas Frisches anziehen konnte, doch es war kein Mädchen greifbar, das ihr helfen könnte und er wagte es nicht, sie in diesem Zustand unbeaufsichtigt zu lassen, um Chiyo zu suchen.

Das Glas rutschte Yume schließlich aus der Hand und Zero fing es gerade noch rechtzeitig auf, ehe es am Boden zerschellen konnte.

Es nützte nichts, er befreite Yume von den inzwischen erwärmten Wadenwickeln und hob sie aus dem Bett. Dann trug er sie ins Bad.

Sie leistete nicht den geringsten Widerstand und Zero setzte sie darum ganz vorsichtig in der Dusche ab. Um selbst nicht vollkommen nass zu werden, entledigte er sich seiner Jacke und seines Hemdes. Die Krawatte band er sich anstandshalber um die Augen, nachdem er alles bereit gelegt hatte.

„Kannst du dein Nachthemd ausziehen, Yume?“

Er hörte zwar keine Antwort von ihr, aber er spürte, dass sie sich bewegte und kurz darauf legte sie ihm ein Stück Stoff in die Hand.

Zero klopfte das Herz bis zum Hals. Wenn Misaki herausfand, was er tat, würde das seinen sicheren Tod bedeuten.

Bemüht nicht daran zu denken, dass er eine vollkommen entblößte Yume vor sich hatte, konzentrierte er sich angestrengt darauf ihr nicht wehzutun, während er sie behutsam mit einem Waschlappen und lauwarmem Wasser wusch.

Anschließend nahm er seine Augenbinde ab, ließ die Augen aber weiterhin geschlossen. Er nahm ein Handtuch, hielt es ihr hin und nachdem sie sich soweit erhoben hatte, dass er es ihr umwickeln konnte, hob er sie wieder aus der Dusche heraus.

Nachdem sie nun verhüllt war, öffnete er seine Augen wieder und trug sie zurück zu ihrem Bett.

Mit einem zweiten Handtuch trocknete er ihre Arme und Beine und schließlich auch ihr langes Haar.

Dann ging er zu ihrem Kleiderschrank und suchte nach einem wärmeren Nachthemd.

Er fand eines, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, aber es war ebenso dünn wie das andere und wurde nur von zwei schmalen Trägern auf den Schultern gehalten.

„Hast du nichts Wärmeres?“

Sie schüttelte den Kopf.

Also nahm Zero sein Hemd und streifte es ihr nach dem langen Nachtkleid ebenfalls über.

Yume schien allerdings immer noch auf etwas zu warten. Sie zeigte mit zittrigem Finger auf eine Schublade und als Zero sie öffnete, stieg ihm augenblicklich eine leichte Röte ins Gesicht.

Natürlich, sie wollte ihre Unterwäsche, daran hatte er nicht gedacht.

Er zog einfach irgendetwas heraus und warf es ihr hin.

Yume kicherte leise hinter ihm, allerdings wurde daraus schnell ein Husten und kaum bedeutete sie ihm, dass sie nun angezogen war, kam er auch sogleich wieder zu ihr.

Yume lag zusammengerollt auf ihrem Bett, kuschelte sich in sein Hemd und zitterte dabei entsetzlich. Zero betrachtete sie kurz eingehend und stellte fest, dass er ihr Haar unmöglich so feucht lassen konnte. Es war zu lang, um an der Luft zu trocknen, wenn sie so krank war.

Also suchte er nach einem Föhn und setzte sich damit neben sie.

Über ihrem Nachtschränkchen befand sich zum Glück eine Steckdose.

Vorsichtig bürstete und föhnte er ihre hüftlangen roten Wellen, während sie sich an seine Brust lehnte. Als er fertig war, gab sie ihm ein Haarband, das sie unter ihrem Kissen hervorzog und deutete auf ein Bild neben ihrem Bett. Darauf waren Chiyo, Misaki und vermutlich dessen Zwillingsschwester Sakura zu sehen. Da die Schwarzhaarige ihre Haare geflochten hatte, nahm er an, dass Yume dasselbe von ihm erwartete.

Also flocht er ihr Haar zu einem lockeren Zopf zusammen, wobei sie ihre Stirn an seine Schulter lehnte.

Sie war tatsächlich kaum in der Lage sich aufrecht zu halten.

Als Zero fertig war, sah er Yume an und erschrak ein wenig, als er feststellte, dass ihre Augen inzwischen blutrot glühten.

Sie brauchte offenbar dringend Blut.

Er griff nach der Tablettenbox auf ihrem Tisch, doch sie wies sie zurück: „Kann nicht. Stoße sie ab…. wenn… ich krank…“ Sie hustete, doch Zero hatte verstanden.

Sie vertrug die Tabletten nicht, wenn sie krank war. Er begriff allerdings nicht wieso.

Doch derzeitig war es wichtiger, dass sie Blut zu sich nahm und obwohl es Zero äußerst widerstrebte, zog er sie an seinen Hals.

„Das ist eine Ausnahme, weil du mir sonst wahrscheinlich einfach wegstirbst. Verstanden?“

Sie nickte schwach und drückte ihre kleinen Reißzähne in seine Haut.

Zero war überrascht, dass er sie kaum spürte.

Doch nachdem sie die ersten zwei drei kleinen Schlucke getrunken hatte, merkte er wie ihm langsam wärmer wurde und ein merkwürdiges Kribbeln durch seinen Körper ging. Kurz darauf folgten heiße Schauer die ihm den Rücken hinabfuhren.

Sein Atem ging schneller und er fragte sich, wieso es solche Auswirkungen auf ihn hatte, dass Yume von ihm trank. Wenn er von Yuki getrunken hatte, war nie etwas passiert.

Yume trank langsam und in kleinen Schlucken, weshalb Zero bereits glaubte den Verstand zu verlieren, als sie ihre Zähne von ihm löste und die Wunde mit ihrer Zunge verschloss.

Zero bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu Zittern und auch keine Schweißausbrüche mehr bekam – im Gegensatz zu ihm.

„Habe ich dir wehgetan?“ Yume sah ihn schuldbewusst aus ihren nun wieder blauen Augen an.

Er schluckte schwer und schüttelte den Kopf: „Nein.“

Seine raue Stimme erschreckte nicht nur ihn, sondern auch sie.

Aber dann lehnte sie sich wieder an ihn und schlang ihre Arme um seine Mitte: „Ich danke dir, Zero. Ich werde meine Schuld irgendwann begleichen, versprochen.“

Zero wusste nicht gleich, was er darauf erwidern sollte, er registrierte erst jetzt wieder, dass er gerade einem Reinblüter sein Blut gegeben hatte.

Doch obwohl er wollte, konnte er sich nicht dazu durchringen, Yume dafür zu verabscheuen. Sie hatte sich so vertrauensvoll wie ein kleines Kätzchen an ihn geschmiegt und schlief friedlich in seinen Armen.

Ein Hunter und ein Reinblut, wenn das keine Ironie des Schicksals war, verspottete ein Teil von Zeros Bewusstsein ihn.

Doch unglücklicherweise, war dieser Teil im Moment weit leiser und kleiner, als der, der das zarte Geschöpf in seinem Schoß schützend enger an sich drückte und bereit war, es mit allen Mitteln zu verteidigen.

Zudem schien Yume auch im Schlaf nicht die Absicht zu hegen, sich wieder von ihm zu lösen und so zog er ihre Bettdecke und zwei weitere Wolldecken über sie und sich und versuchte sie so warm zu halten, wie es ihm möglich war.

Den Kopf konnte er sich morgen darüber zerbrechen.

Er beobachtete Yumes friedliches Gesicht und war überrascht, als sie plötzlich leise seinen Namen murmelte.

„Zero… lieb.“

Er hörte nicht, was sie zwischen diesen beiden Worten sagte, doch allein seinen Namen in Verbindung mit lieb aus ihrem Mund zu hören, brachte ihn noch weit mehr durcheinander, als er es ohnehin schon war.

Während er sie ansah, fiel ihm auch erstmals auf, wie schön sie eigentlich wirklich war. Sie war grazil und anmutig gebaut, dennoch besaß sie äußerst weibliche Konturen. Ihre Haut war so blass, dass sie im Mondlicht aussah wie Schnee, was besonders durch ihr tiefrotes Haar noch hervorgehoben wurde. Eigentlich war es schon fast blutrot, so wie ihre Lippen.

Doch am faszinierendsten waren ihre kristallblauen Augen, die wie zwei Eiskristalle zwischen all den Farben glitzerten, die für ihre Art so passend erschienen.

Zero riss sich selbst aus seinen Gedanken, die nun doch entschieden zu weit zu führen schienen. Dadurch hörte er auch die Night Class Schüler, die ins Wohnheim zurückkehrten.

Vorsichtig aber schnell löste er sich aus Yumes Umarmung, griff seine Jacke und machte sich aus dem Fenster davon, das er von außen natürlich wieder schloss, ehe Misaki ihn dort finden konnte.
 

Besagter Vampir betrat Yumes Zimmer nur wenige Augenblicke später und schloss augenblicklich die Tür hinter sich.

Er roch einen Hauch von Blut, doch woher sollte das kommen?

Er näherte sich Yume, die in viele Decken gekuschelt dalag und ein leichtes Lächeln auf den Lippen trug.

Zero begreift!

Zero begreift!
 

Als Yume erwachte, war es bereits elf Uhr. Sie stieg vorsichtig aus dem Bett und blinzelte bis ihre Augen sich an das Tageslicht gewöhnt hatten.

Erst dann ging sie langsam ins Badezimmer und unter die Dusche. Weil sie heute keine Uniform tragen musste, zog sie sich etwas wärmer an, da es ihr zwar schon um vieles besser ging, sie einen erneuten Rückfall aber nicht riskieren wollte.

Als sie die Handtücher im Badezimmer auf die Heizung legte, fiel ihr Blick auf etwas Rotes. Sie hob es auf und erkannte, dass es Zeros Krawatte war.

Sein Hemd lag auf ihrem Bett und sie legte das rote Stück Stoff dazu.

Allmählich drangen alle Erinnerungen an die letzte Nacht in ihr Bewusstsein durch und sie errötete schlagartig, als sie begriff, was alles geschehen war.

Schnell versteckte sie die Sachen unter ihrem Kissen, um sie Zero später gewaschen und gebügelt zurückzugeben.

Mit rasendem Herzen ging sie nach unten, wo Misaki sie bereits erwartete. Sie fürchtete sich vor dem Moment, in dem sie Zero gegenüberstehen würde.

Wie würde er sie ansehen? Nachdem er nun über alles hatte nachdenken können, würde er sie womöglich noch mehr hassen als zuvor.
 

Zero war ausgesprochen griesgrämig, als er auf den Schulhof trat und ihm das viel zu laute aufgeregte Geplapper der Day Class entgegenschlug.

Ihm dröhnte der Kopf, weil er kaum geschlafen hatte und er war noch zu keinem Entschluss gelangt, was er nun bezüglich Yume tun sollte.

Sein Problem löste sich jedoch kurzzeitig, da Chiyo die Day Class Schüler bat, bereits in ihren Bus zu steigen und da sie bei der Night Class mitfahren würde, musste er Yume während der Fahrt nicht begegnen.
 

Als sie auf den Schulhof hinaustraten, stiegen die Day Class Schüler bereits in ihren Bus und darum taten die Vampire es ihnen gleich. Chiyo stieg ebenfalls bei ihnen ein und ließ sich glücklich neben ihrem geliebten Ichijo in den Sitz fallen, der sie auch gleich mit einem liebevollen Lächeln und einem zärtlichen Kuss begrüßte.

Misaki stieß Yume sacht mit der Schulter an: „Hey, ist alles in Ordnung? Du siehst die zwei ja richtig wehleidig an.“

„Nein, es geht mir gut, keine Sorge.“

Chiyo, die Yumes Stimme gehört hatte, kam kurz darauf zu ihnen und umarmte sie liebevoll: „Ich habe mir schreckliche Sorgen um dich gemacht. Wie schön, dass es dir wieder gut geht. Du sahst in deinem Bett aus, als wärst du tot. Ich hatte furchtbare Angst, du könntest nicht wieder gesund werden. Versprich mir, dass du nie wieder so etwas Leichtsinniges tust.“

Yume lächelte zärtlich, aufgrund der großen Freude ihrer kleinen Chiyo: „Versprochen, ich passe von nun an besser auf mich auf.“

„Gut. Und wehe dir nicht, dann lernst du die böse Chiyo kennen.“

Sie kehrte zu Ichijo zurück und wurde von diesem prompt gefragt: „Es gibt eine böse Chiyo?“

„Sicher. Ich liebe dich nur viel zu sehr, um sie dir zu zeigen.“

Yume schmunzelte und freute sich für das Mädchen, doch wünschte sie sich, für sie gäbe es auch jemanden, der sie so lieben könnte wie Ichijo sie liebte.
 

Der Schulausflug führte in eine kleine Ferienanlage mit heißen Quellen, Reitstall, großem Garten und Anbindung an den Strand.

Schon bei der Ankunft begannen die ersten Probleme, denn Day und Night Class sollten gemischt in ihren Zimmern untergebracht werden.

Da die meisten Zimmer für vier oder zwei Personen ausgelegt waren, wurden je ein oder zwei aus jeder Klasse in ein Zimmer gesteckt, natürlich Jungen und Mädchen getrennt.

„Meinen Sie nicht, dass Ihr Vertrauen in die Schüler ein bischen zu groß ist, Rektor?“

Zero sah Direktor Kurosu grimmig an, doch der schien von seiner Idee ganz begeistert zu sein: „Zero, mein Sohn, du siehst das alles mal wieder viel zu negativ. Du musst optimistischer werden!“

„Ich bin nicht Ihr Sohn, Rektor!“

Hinter Zero kicherte es leise und das Geräusch kam ihm aus der letzten Nacht verdächtig bekannt vor.

„Direktor, ärgern Sie Zero nicht. Er hat eine anstrengende und nervenraubende Aufgabe zu bewältigen und Sie haben ihm diese mit ihrem Einfall vermutlich nicht erleichtert.“

Als der Silberhaarige über seine Schulter blickte, sah er Yume neben Misaki stehen und sie schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Sie wirkte weit gesünder als nachts zuvor, aber er konnte bei genauerem Hinsehen, klar erkennen, dass Misaki nicht nur beschützend neben ihr stand, sondern auch stets so, dass er sie zu jedem Zeitpunkt stützen oder auffangen konnte, wenn ihre Kräfte sie wieder verlassen sollten.

Unter ihren Augen konnte man noch einen Rest der dunklen Schatten erkennen, die bis vor kurzem dort gelegen hatten und sie waren auch noch nicht wieder so klar und strahlend wie er sie in Erinnerung hatte.

„Ach, Zero weiß, dass das nur ein Zeichen meiner Liebe zu ihm ist, da er doch der einzige Sohn ist, den ich habe.“ Kurosu wollte Zero gerade fest in die Arme schließen, griff aber nur ins Leere, weil dieser geschickt auswich.

„Zum letzten Mal, ich bin nicht Ihr Sohn, Direktor! Und nun sollten Sie Ihre Schüler ordnen! Das wollen Sie uns jawohl nicht auch noch aufdrücken!“

Niedergeschlagen schlurfte der Direktor zu seinen Schülern, wo er dann wieder vor Freude strahlte und allen verkündete, wer sich mit wem das Zimmer teilen sollte.

Zu Zeros außerordentlichem Glück sollte er ein Doppelzimmer mit Misaki erhalten, während Yume zu ihrer Cousine, Yuki und Sayori gehen durfte.

Nachdem die Zimmer zugewiesen waren, richteten die Schüler sich alle ein und begaben sich danach in einen großen Raum, in dem an mehreren Tischen ihr Abendessen serviert wurde.

Da keine feste Sitzordnung bestand, trennten sich die Night Class Schüler hier wieder von denen der Day Class und häufig saßen eben die Personen zusammen, die auch im Schulalltag beieinander waren. Nur Zero wurde regelrecht gezwungen, sich direkt neben Yume niederzulassen, weil Yuki ihm zwischen ihr und der Reinblüterin einen Platz freigehalten hatte.

Er warf der Braunhaarigen einen mürrischen Blick zu, da er genau wusste, dass sie absichtlich nicht selbst neben Yume saß, und aß dann schweigend.

Misaki saß Yume gegenüber und beobachtete den Vampire Hunter misstrauisch. Ihm entging keine seiner Bewegungen, bis seine Schwester ihm unter dem Tisch ins Bein kniff.

„Au! Verdammt, was soll das denn?“ Er sah Yume vorwurfsvoll an, welche allerdings strikt auf ihren Teller blickte: „Ich möchte gerne in Ruhe essen, ohne befürchten zu müssen, dass ihr zwei euch jeden Augenblick an die Kehle fallen könntet.“

Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zur Seite, wo er auf einen äußerst giftigen von Zero traf. Der hatte nämlich schon angefangen sie und Misaki zu fixieren, als er sich ihrem Tisch näherte. Zudem behielt er eine Hand unter dem Tisch, so platziert, dass er schnellstmöglich nach seiner Bloody Rose greifen konnte, wenn es nötig war.

Yume verdrehte die Augen: „Na wundervoll. Guten Appetit Jungs.“ Sie nahm ihre Stäbchen und aß ohne weiter auf die anderen zu achten.

Zeros Verhalten verletzte sie und das ihres Bruders machte sie wütend. Sie war Misaki dankbar für seine Sorge, seinen Schutz, seine brüderliche Liebe und Wärme, aber er übertrieb es mit der Kontrolle und seinem Beschützerinstinkt, wenn er wusste, dass er nicht jeden Schmerz von ihr fernhalten konnte. Seit dem Tod ihrer Eltern, wusste er wie verletzlich sie war und befürchtete, dass sie irgendwann einfach zerbrechen könnte. Er wusste, dass ihr Großvater sowohl ihn als auch Sakura als Druckmittel benutzte, um das einzige Reinblut der Familie zu kontrollieren und nach seinem Willen zu lenken. Sie fühlten sich schuldig und darum wollten sie jeden weiteren Schmerz für sie abwehren.

Doch das war nicht möglich!

Keiner konnte ihre Seele und ihr Herz beschützen. Es lag inzwischen offen zu Zeros Füßen, er wusste es nur noch nicht. Er entschied ganz allein, ob er es zertreten oder aufheben wollte.

Misaki blieb der betrübte Blick seiner Schwester natürlich nicht verborgen und er beschloss die Zeit zu nutzen, die er mit Zero in einem Zimmer zusammengepfercht wurde, um ihn genauer zu studieren.
 

Das Abendessen zog sich lange hin und anschließend wollte der Direktor, dass jeder einzelne am Karaoke teilnahm und nur wer gesungen hatte, durfte den Raum verlassen.

Chiyo versuchte mehrfach Yume zu ermutigen gleich zu Beginn für alle Anwesenden zu singen, doch sie weigerte sich vehement. Auch Zero trotzte Yukis Bemühungen gekonnt, bis nur noch wenige Schüler anwesend waren. Vor allem Day Class Schülerinnen, weil diese ganz verrückt danach waren ihren jeweiligen Night Class Schwarm singen zu hören.

Misaki bewies, dass er ebenso talentiert wie seine Schwester war und ging sogar so weit, dass er sie gleich als Nächste ankündigte, so dass ihr gar keine andere Wahl blieb, als nach vorn zu gehen. Mit skeptischem Gesichtsausdruck ging sie die Songliste durch und fand ganz unten zu ihrer großen Erleichterung ein ruhiges Liebeslied, das zudem nicht besonders lang war. Sie sang nämlich nicht sehr gerne allzu schnell und laut.

Zero merkte wieder, wie er sich langsam entspannte, träge wurde und plötzlich nichts anderes mehr wahrnahm als Yume und ihre wundervolle Stimme. Er bekam nicht einmal mit, dass Misaki ihn von der Seite anstarrte und nicht wusste ob er entsetzt oder erfreut über das ungewöhnliche Verhalten des Hunters sein sollte.

Yume war nervös, während sie vor ihren Mitschülern sang und suchte nach einem Punkt, den sie fixieren konnte, um sich zu beruhigen. Ihr Blick traf den von Zero und sie verschluckte sich, woraufhin sie heftig zu husten begann. Sie entschuldigte sich und eilte schnell an ihren Tisch zurück.

Zero kam sofort wieder zu sich und begann über sein eigenes Verhalten vor Wut zu kochen. Er war so empfänglich für die Stimme der Reinblüterin wie ein Seemann für den Gesang der Sirenen und Yume war mit Sicherheit ebenso totbringend. Natürlich war sie das! Sie war ein Vampir! Einer der schlimmsten von allen, ein Reinblut!

Aber trotzdem, wenn er sah, wie verzückt die anderen Jungen sie anstarrten, sie mit offenen Mündern begafften und die Blicke über ihren schönen Leib gleiten ließen, wurde noch zorniger und hegte den Wunsch ihnen die Kehlen zu zerfetzen.

Erschrocken über diesen Gedanken sprang er auf und stapfte äußerst verärgert hinaus. Er ignorierte den Einspruch der anderen und des Direktors und eilte die Gänge entlang zu seinem Zimmer.

Die anderen Schüler waren nun bei den heißen Quellen, Yume war fast die letzte gewesen, die noch hatte singen müssen. Also konnte er dort nicht hin. Seine Kehle brannte und er spürte wie sein Körper sich zu verkrampfen begann. Die unglaubliche Wut, zehrte an seinen Kräften und weckte den Blutdurst in ihm. Der Zorn verbrannte das kostbare Blut, das Yume ihm gegeben hatte in Windeseile. Er schloss die glühenden Augen und versuchte sich zu beruhigen, tief zu atmen. Bis Misaki kam, musste er sich wieder unter Kontrolle haben.
 

Yume wurde derweil von Misaki in ihr Zimmer gebracht, damit sie sich von ihrem Hustenanfall erholen konnte. Erst als Chiyo, Yuki und Sayori ebenfalls kamen, verließ er sie und ging auf sein eigenes Zimmer.

Yume hatte sich auf ihrem Bett zusammengerollt und starrte in die Dunkelheit. Die anderen hatten sich schlafen gelegt und auch auf dem Flur wurde es langsam ruhiger. Die anderen Schüler kehrten aus dem Bad oder den heißen Quellen zurück und dann war es vollkommen still.

Das war der Moment, an dem Yume aus dem Bett glitt, hinaus auf den Flur und zu Quellen schlich und dort mit einem tiefen Seufzer ins warme Nass eintauchte.

„Ich hätte vielleicht doch in der Akademie bleiben sollen. Ich bin noch schwächer als ich dachte.“ Sie legte den Kopf zurück in den Nacken und sah in die Sterne. Zeros verzückter Blick, als sie gesungen hatte, war er echt gewesen oder pure Einbildungskraft ihrerseits? Womöglich hatte sie ja den Verstand verloren?

„Was willst du schon wieder? Kannst du dich nicht einmal an die Regeln halten?“

Erschrocken fuhr Yume im Wasser herum und prallte dabei unsanft gegen die Brust eines äußerst schlecht gelaunten Zeros. Er zischte sie bedrohlich an und sie konnte den Durst im Grollen seiner Stimme hören.

„Es ist nicht verboten herzukommen. Dafür gibt es keine Regeln. Wir müssen morgen nur pünktlich beim Frühstück sein.“ Zum Glück hatte sie sich dazu entschlossen, ihr Handtuch nicht abzulegen und unbekleidet ins Wasser zu gehen, dachte Yume und versuchte etwas Abstand zwischen sich und den wütenden Hunter zu bringen.

Dabei stolperte sie allerdings, ganz wie es ihre Art war, über einen Stein, den sie im Wasser nicht erkennen konnte und tauchte rücklings unter, um anschließend nach Luft schnappend wieder aus dem Wasser zu schießen.

Schon wieder hustete sie und eine leichte Brise streifte ihre jetzt nassen Schultern. Zero starrte wie gebannt auf ihre entblößte Halsbeuge, die im Feuerschein der Laternen verführerisch schimmerte. Das blutrote Haar hatte sie hochgesteckt gehabt und nun klebten kleinen Strähnen davon an ihrem Nacken. Zero musste sein Spiegelbild nicht ansehen, um zu wissen, dass seine violetten Augen rot glühten. Er war so wütend und hungrig, dass er erst merkte, was er tat, als er Yume bereits an seine Brust gezogen und seine Zähne in ihren zarten Hals geschlagen hatte.

Wieder strömte ihm ihr betörender Duft in die Nase und er schmeckte die süße ihres Blutes, das warm seine Kehle hinabfloss.

„Zero, bitte, nicht so viel. Ich kann … noch nicht…“ Zero spürte wie Yume zu zittern anfing und langsam tiefer ins Wasser glitt. Es traf ihn wie ein Hammerschlag in Eingeweide, als er begriff, was er dem zerbrechlichen Wesen in seinen Armen gerade angetan hatte.

Noch in der letzten Nacht wäre sie ohne sein Blut gestorben und jetzt nahm einfach das ihre und gefährdete ihr Leben damit erneut. Hastig leckte er das Blut von ihrer Wunde, die daraufhin zu bluten aufhörte und trug sie aus dem Wasser. Er brachte sie in die Umkleide der Jungen, riss einen Bademantel aus einem Schrank und wickelte fest darin ein. Dann zog er das nasse Handtuch darunter heraus und besorgte noch zwei weitere, der viel zu großen Bademäntel um sie vollständig damit zu bedecken, von Kopf bis Fuß. Dann zog er sie an sich und drückte ihre Lippen an seinen Hals: „Es tut mir leid, du musst es zurücknehmen, schnell. Du brichst sonst wieder zusammen.“

Yume hörte weit entfernt Zeros verzweifelte Stimme und befolgte, einfach, was sie ihr sagte, ohne weiter darüber nachzudenken. Wie Zero wurde sie erst wieder Herrin ihrer Sinne, als sein Blut auf ihre Zunge traf, auch wenn es in ihrem Fall die Schwäche war, die ihren Verstand vernebelte.

In ganz kleinen Zügen trank sie sein Blut, doch nicht viel, sie nahm nur, was sie dringend brauchte. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass er erneut einen solch heftigen Blutdurst bekam. Ganz zärtlich verschloss sie die kleine Wunde an seinem Hals, indem sie darüber leckte und lehnte sich dann ruhig atmend an ihn.

Erleichtert drückte Zero sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Warum hatte sie ihn nicht einfach von sich gestoßen, als er seine Zähne in sie geschlagen hatte? Sie wäre dafür stark genug gewesen, bis er sie zur Hälfte ausgesaugt hatte.

Yume merkte wie Zero sich abrupt versteifte, nachdem er für einen so schmerzhaft kurzen Augenblick sanft und liebevoll zu ihr gewesen war.

„Wieso lässt du mich so einfach von dir trinken? Bist du so wild darauf, dass ich dich töte? Du provozierst es ständig! Ob nun, dass ich dich erschieße, oder einfach bis zum letzten Tropfen aussauge, du legst es einfach darauf an!“

Zero sah die reinblütige Vampirin verärgert an, doch als er sie zwang ihn anzusehen, bereute er seine harten Worten sofort. Er verstand aber einfach nicht wieso. Er hasste sie verdammt noch einmal! Er hasste alles, was sie war und darstellte!

Warum zog es ihm also das Herz in der Brust zusammen, wenn er die Tränen auf ihrem Gesicht sah, die nun unaufhaltsam ihre Wangen hinabrollten?

Yume ertrug es nicht länger. Ohne es zu wollen, hatte sie sich ausgerechnet in den Mann verliebt, der niemals etwas anderes für empfinden würde als Hass. Sie hatte am Anfang gehofft, dass er begreifen würde, dass sie anders war, dass er sie nicht immer als Monster betrachten würde. Sie hatte so gehofft, dass er ihr gestatten würde ihn zu retten. Doch Zero schien nur das Blut wieder aus seinem Körper loswerden zu wollen, das er zuvor aus ihrem getrunken hatte.

„Wieso? Wieso lässt du mich dir denn nicht helfen, du großer dummer Idiot!? Was habe ich dir denn angetan!?“ Verzweifelt schlug Yume gegen Zeros Brust, doch sie war so schwach, dass er es kaum spürte.

„Seit über einem Jahr, habe ich mir nichts mehr gewünscht, als dich kennenlernen zu können! Immer bitte ich Misaki, mir etwas von dir zu erzählen. Und wenn ich dann endlich zur Akademie kommen darf und die Chance habe dich zu retten, dann lässt du mich nicht! Warum!?“

Alles brach aus ihr heraus, Wut, Schmerz, Traurigkeit, Sehnsucht.

Zero hingegen sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Wovon sprach sie? Was meinte sie damit, dass sie ihn retten wollte? Doch vor allem, wieso fragte sie Misaki nach ihm?

„Ich verstehe nicht…“

Yume sah ihm direkt in die Augen: „Misaki hat mir vor langer Zeit von dir erzählt. Von dem, was sie dir angetan hat, Shizuka Hio. Von deinem Hass auf alle Vampire. Natürlich hasst du uns, du bist ein Vampire Hunter, wie könntest du nicht? Aber… ich… ich dachte… ich hatte gehofft…“

Yumes Finger krallten sich in Zeros bloße Schultern und endlich begriff er, dass Yume nicht mit ihm spielte, ihn nicht zu täuschen versuchte. Sie war gar nicht in der Lage dazu. Sie konnte nicht unehrlich sein. Wenn sie kühl und unnahbar wirkte, dann war sie es auch. Doch wenn sie es war, dann nur Personen gegenüber die ihr egal waren. Ihm gegenüber war sie so offen und leidenschaftlich wie sie vermutlich nur sein konnte. Er konnte den Sturm vieler Emotionen in ihren Augen sehen und zum ersten Mal hörte er bewusst und gewollt auf seinen Instinkt.

Er presste sie erneut an sich, fuhr mit einer Hand in ihr Haar und flüsterte ganz leise an ihrem Ohr: „Verzeih mir, Yume. Ich glaube ich habe dich jetzt verstanden. Du bist anders.“

Eine Überraschung für Yume

Eine Überraschung für Yume
 

Nach ihrem emotionalen Zusammenbruch hatte Yume sich so fest in Zeros Schultern gekrallt, dass er Kratzspuren davongetragen hatte, die am nächsten Morgen noch deutlich zu sehen waren, als er sich umzog.

Misaki entgingen sie natürlich nicht, gewiss auch nicht, dass immer noch ein leichter Hauch von Yumes Duft an ihm haftete. Doch Zero ignorierte den stechenden Blick des Schwarzhaarigen und überprüfte stattdessen demonstrativ seine Bloody Rose. Er hatte keine Lust sich mit dem Adelsvampir anzulegen und er wollte sich schon gar nicht die Blöße geben, dass seine Einstellung zu der jungen Reinblüterin sich gerade extrem veränderte. Er konnte es sich schließlich selbst noch nicht ganz eingestehen.

Misaki beobachte den Hunter aufmerksam aus dem Augenwinkel heraus, bis er das Zimmer verließ. Er hatte ihn nicht ein einziges Mal angesehen, geschweige denn ein Wort gesagt, seit er aufgestanden war.

Als der Dunkelhaarige nachts ins Zimmer gekommen war, hatte er Zero dort zunächst nicht vorgefunden, aber als dieser später zurückkam, waren seine Haare feucht gewesen und er trug Yumes Geruch geradezu wie eine Fahne vor sich her. Zumindest für ihn selbst war der Duft seiner Schwester sehr leicht zu erkennen. Die Schwache Note, die nun noch übrig war, würden die übrigen Vampire vermutlich gar nicht wahrnehmen. Ihre Nasen waren nicht darauf geschult selbst die kleinste Spur dieser Note zu erkennen und sie hielten sich für gewöhnlich von Zero fern.
 

Als Zero den Speisesaal betrat, fand er eine ähnliche Situation vor, wie abends zuvor. Yuki hatte ihm erneut einen Platz zwischen ihr und der Rothaarigen freigehalten. Doch Yume wirkte diesmal sehr klein und zerbrechlich. Sie saß ganz still da und schaute mit leicht gesenktem Kopf und etwas vorgezogenen Schultern auf ihren Teller. Es war als wollte sie verbergen, dass sie überhaupt anwesend war.

Zero missfiel ihr Anblick. Während er die aristokratische Ausstrahlung der Vampire, besonders die Kaname Kurans, für gewöhnlich verabscheute, faszinierte Yumes kühle Anmut und Eleganz ihn, denn sie strahlte im Gegensatz zu ihren Artgenossen keine Arroganz aus.

Er nahm also zwischen den jungen Frauen Platz und als er sich sicher war, dass es niemand mitbekam, drückte er Yume zwei Finger ins Kreuz, die sie augenblicklich in eine aufrechte Position beförderten und scheinbar auch aus ihren Gedanken rissen, denn sie war plötzlich wieder hellwach und so aufmerksam wie ein Reh, das ein Raubtier witterte.

Als sie dann begriff, was Zero gerade getan hatte, schoss ihr augenblicklich die Röte in die Wangen und sie murmelte leise: „Guten Morgen.“

Zero warf ihr nur einen flüchtigen Blick aus dem Augenwinkel zu und tat ansonsten so, als würde er sie ignorieren, doch sie verstand das kleine Zeichen.

Dennoch verwunderte es sie weiterhin, dass er sie aus freien Stücken und in Anwesenheit anderer berührt hatte. Und er hatte es nicht einfach nur so getan, nein, er hatte dafür gesorgt, dass sie keine Schwäche offenbarte. Er hatte sie geschützt. Oder irrte sie sich da?
 

Misaki hatte den Speisesaal gerade in dem Moment betreten, als Zero verstohlen den Raum sondierte und die Schwester des Adeligen in eine aufrechte Position drückte. Der Schwarzhaarige wäre darum fast über seine eigenen Füße gestolpert, fing sich aber elegant, ehe jemand etwas mitbekam, und durchquerte den Raum mit großen Schritten. Auf Yumes anderer Seite war der Platz noch frei und als sie ihn bemerkte, lächelte sie ihn auch schon strahlend an. Zero hingegen ignorierte ihn auch weiterhin und beeilte sich stattdessen mit seinem Frühstück, um gleich darauf wieder zu verschwinden.

Misaki beugte sich zu seiner Schwester hinunter und fragte: „Will ich es wissen?“

Yume versteifte sich und stocherte in ihrem Essen rum ohne ihn anzusehen, während sie murmelte: „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Alles klar.“

Misaki machte sich breit grinsend über sein Frühstück her, sagte ihm Yumes errötetes Gesicht doch alles, was er wissen musste.
 

Nach dem Frühstück packten die Schüler wieder ihre Taschen und stiegen in ihre Busse ein. Zero wollte gerade ebenfalls einsteigen, da tauchte der Direktor mit strahlendem Gesicht neben ihm auf und verkündete, dass er an Zeros Stelle mit der Day Class fahren würden, da er auf der Hinfahrt bereits im Bus der Night Class gesessen hatte und keine Klasse bevorzugen dürfte.

Zeros Laune stürzte also abrupt noch tiefer als sie nach einem Morgen mit kreischenden Mädchen ohnehin schon war und betrat den zweiten Bus mit einem Gesichtsausdruck, der hätte töten können.

Der einzig freie Platz befand sich neben Ruka, die so aussah, als würde sie Zero die Kehle herausreißen, wenn er sich tatsächlich neben sie setzen sollte. Sein Blick zuckte zu Yume rüber, ein stilles Zeichen gab aufzustehen.

Ihr Bruder ließ sie aus der Sitzbank treten und weiter nach hinten gehen, wo sie sich neben Ruka niederließ, damit der Hunter neben ihrem Bruder Platz nehmen konnte.

Natürlich durfte sie ihm nicht einfach erlauben neben ihr zu sitzen, denn zum einen würde es Zero bloßstellen, da jeder wusste, dass es nicht gab, das er mehr hasste als Reinblüter, und zum anderen durfte sie selbst auch niemandem offenbaren, dass sie einen Level E Vampir neben sich duldete, ohne ihm das Herz herauszureißen.

Keiner von ihnen durfte diese Schwäche zeigen.

Die gesamte Fahrt über war es im Bus der Night Class totenstill und als sie endlich wieder an der Cross Akademie ankamen, stieg Zero als letzter aus und achtete darauf, dass jeder Vampir ohne Umwege ins sein Wohnheim verschwand.

Der restliche Tag war den Schülern freigestellt worden, darum gab es diesmal keinen Schichtwechsel, der betreut werden musste und Zero ging in den Stall, um in Lilys Box etwas schlaf nachzuholen, damit er zur Nachschicht nicht zu müde war.

Als er Lily erreichte, blieb er jedoch abrupt stehen und starrte in die Box neben der weißen Stute, denn im Gegensatz zum Vortag war sie jetzt nicht mehr leer.
 

Im Haus Mond erwartete Yume und Misaki derweil ebenfalls eine Überraschung, denn als die Vampire das Wohnheim betraten, wurden sie dort von einer schwarzhaarigen Schönheit

empfangen, die das weibliche Spiegelbild des jungen Mannes war.

„Willkommen zurück.“

Sie fiel den beiden prompt um den Hals und Misaki fragte etwas verwirrt: „Was tust du hier, Sakura?“

„Vater und Mutter haben mir gestattet ebenfalls auf die Akademie zu gehen, da nun schließlich Yume und Chiyo hier sind. Außerdem ist es zu Hause so langweilig, wenn man alleine ist. Der Direktor hat allem längst zugestimmt und ein Zimmer habe ebenfalls schon bekommen. Es ist alles geklärt.“

Misaki seufzte und Yume stellte ihre Schwester Kaname Kuran und den übrigen Schülern der Night Class vor.

Als der Trubel sich schließlich wieder gelegt hatte und Sakura ihre Geschwister über die Zeit ausgequetscht hatte, von der sie noch nichts wusste, drehte sie sich auf Yumes großem Bett zu der Rothaarigen um und grinste breit: „Ich habe übrigens jemanden mitgebracht, als ich hergekommen bin.“

Yume legte fragend den Kopf zur Seite und sah sie an.

„Er ist groß, stark, anmutig und hat ein Fell so schwarz wie die Nacht.“

Augenblicklich sprang Yume auf und rannte aus dem Zimmer, nur um dann noch einmal zurückzukommen und ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange zu drücken und sie so fest zu umarmen, dass diese befürchtete, dass ihr die Knochen brechen könnten.

Dann war die Reinblüterin wieder verschwunden.

Misaki sah seine Zwillingsschwester schmunzelnd an: „Du hast Akuma mitgebracht?“

Sakura nickte und ihr Grinsen wurde noch breiter als zuvor.
 

Zero bewunderte derweil das schwarze Tier, das neben Lily stand und suchte die Boxentür nach einem Namen ab. Er entdeckte das Schild recht schnell und neben dem Namen des Pferdes stand auch der seiner Besitzerin.

„Akuma!“

Zero fuhr herum und zog gewohnheitsmäßig seine Bloody Rose, die die hereinstürmende Yume erschrocken innehalten ließ. Sofort wieherte Akuma laut, um seine Herrin zu begrüßen und schnappte anschließend nach dem Hunter, welcher zu seinem Glück außerhalb der Reichweite des Hengstes stand.

Langsam ließ Zero seine Waffe wieder sinken und räusperte sich: „Du hast mich erschrocken.“

Yume interpretierte Zeros schuldbewussten Blick als Entschuldigung und eilte lächelnd zu ihm und Akuma, um ihrem vierbeinigen Liebling die Arme um den Hals zu schlingen.

„Akuma, ich habe dich so vermisst, mein Großer.“

Sie überhäufte den Kopf des Hengstes mit Küssen und zog dann einen Beutel mit Äpfeln, Karotten sowie kleinen Leckerlis hervor.

Leise erzählte sie dem Pferd von ihrem Leben in der AKademie, während Zero fasziniert beobachtete wie sie ihm einen Leckerbissen nach dem anderen zwischen die samtigen Lippen schob. Es dauerte nicht lange, da machte Lily sich ebenfalls bemerkbar und reckte ihren Hals, um Yume sanft in die Schulter zu zwicken.

„Entschuldige Lily, du bekommst natürlich auch etwas.“ Rasch hielt sie der Stute eine Möhre hin, welche daraufhin sofort im Magen der Stute verschwand.

„Lily, das hier ist Akuma, er ist mein bester Freund und ihr versteht euch bestimmt prächtig. Und Akuma, Lily ist eine Lady, also behandle sie anständig, verstanden?“

Der Hengst schnaubte kurz und warf den Kopf nach hinten.

Yume seufzte und schien dahin zu schmelzen wie ein Teenager, der seinen Lieblingsstar betrachtete.

Zero irritierte diese aufgedrehte Seite der Reinblüterin ein wenig, aber als sie dann den Kopf schräg nach hinten drehte und ihm ein Lächeln schenkte, mit dem sie die Sterne vom Himmel holen könnte, war es als setze sein Herzschlag aus. Sie schien wahrlich glücklich zu sein.

Zero bemühte sich nicht wieder in seine gewohnten Denkmuster zu fallen und wütend über seine eigenen Reaktionen auf die Rothaarige zu werden, doch es fiel ihm noch schwer. Es war nicht einfach sich daran zu gewöhnen, dass sie wirklich so anders war und er ertappte sich immer wieder dabei, dass er darüber nachdachte, ob er sich da denn wirklich so sicher war.

„Der Rektor hat gar nicht erwähnt, dass einer von euch sein Pferd herholen würde. Misaki war bislang der einzige, der hier sein eigenes Tier reitet.“

Yume summte glücklich vor sich hin und war dabei Akuma aus der Box zu lassen, als sie Zero anschaute und erklärte: „Ich habe ihn auch nicht herbringen lassen. Also ich wollte schon, in nächster Zeit, aber meine Schwester hat ihn mir als Überraschung mitgebracht. Sie geht ab heute auch auf die Akademie. Wir waren ganz überrascht, als wir das Wohnheim betreten haben und sie dort auf uns wartete.“

Zero versteifte sich. Noch ein Blutsauger? Wollte denn ihre ganze Familie hier einziehen?

„Hast du noch mehr Verwandte, die es hierher verschlagen könnte?“

Yume schüttelte den Kopf und öffnete die Boxentür vollständig, allerdings ohne dem schwarzen Hengst zuvor sein Zaumzeug überzustreifen.

„Hey, was…?“

Zero war sofort darauf gefasst das Tier womöglich einzufangen, ehe es zur Tür hinaus konnte, doch Akuma schritt ganz gemächlich auf den Gang und ließ sich dort von seiner Herrin putzen.

Plötzlich drückte Yume ihm Lilys Putzbox in die Hand: „Die hübsche würde sich sicher freuen und die beiden können sich dabei auch gleich anfreunden.“

Zero seufzte kurz, aber eigentlich fand er ihre Idee gar nicht so schlecht. Bei der Stute konnte er sich immer entspannen und das würde ihm sicher helfen Yumes Reinblütigkeit besser zu ignorieren.

So verbrachten sie fast zwei Stunden im Stall, ohne dabei jedoch noch viel zu reden. Erst striegelten sie ausgiebig die Pferde und pflegten ihre Hufe, Mähne und Schweif und danach misteten sie gemeinsam Lilys Box aus und legten sie komplett mit neuem Stroh aus. In Akumas Box war das aufgrund seines erst heute stattgefundenen Einzugs nicht nötig.

Die Pferde trotteten derweil durch den Stall, zupften etwas Heu aus den Ballen und lernten sich vorsichtig, aber neugierig, besser kennen. Am Ende des Tages schienen sie sich jedenfalls sehr gern zu haben und nachdem Zero und Yume sie wieder in ihren Boxen geführt hatten, machten auch sie sich auf den Weg zurück zu ihren Wohnheimen.

Schweigend, aber sehr entspannt und zufrieden.

Vor dem Tor zum Haus Mond trennten sie sich dann und Yume wünschte ihm eine gute Nacht.

Erkenntnis

Erkenntnis
 

Als Yume das Tor zum Mondwohnheim hinter sich schloss, wurde sie dort bereits von ihrer Schwester erwartet, die neugierig einen Blick durch den Türspalt geworfen hatte, um einen Blick auf den Hunter zu erhaschen, der ihrer Schwester fortlaufend im Kopf herumspukte.

„Also ein bischen kann ich dich sogar verstehen. Davon abgesehen, dass er wirklich unfreundlich aussieht, macht zumindest der Body von dem Kerl ganz schön was her.“

Yume sah Sakura entsetzt an, woraufhin diese sie schnell wieder beruhigte: „Keine Sorge, ich habe viel mehr Spaß dabei, einem gewissen Reinbblüter hier, die Zähne zu stutzen.“

Yume verzog das Gesicht. War das etwa ihr Ernst? „Du hast dich in Kuran verguckt? Bitte sag, dass das nicht dein Ernst ist. Ich würde ihm gerne die Kehle rausreißen, weil er Zero behandelt wie Dreck!“

Sakura schmunzelte etwas: „Keine Sorge, das werde ich ihm auch noch austreiben. Außerdem macht er das, weil er Yuki schützen will. Er ist kein bloßer Mistkerl.“

Yume schnaubte: „Das habe ich auch nicht behauptet. Aber erwarte nicht, dass ich deinem Herzblatt gegenüber die Freundliche spiele, solange er sein Verhalten nicht ändert und sich nicht ehrlich bei Zero entschuldigt hat.“

Sakuras Lippen umspielte ein gefährliches Lächeln: „Oh er wird noch viel mehr tun, wenn ich mit ihm fertig bin. Weißt du, ich bin ihm früher mal auf einem Ball begegnet, als wir noch Kinder waren. Damals habe ich mich in ihn verliebt. Da war er aber auch noch freundlicher und weniger skrupellos und ich habe vor, ihn daran zu erinnern, wer er eigentlich ist. Du bist nicht die Einzige, die ihrer Liebe wegen hier ist, Yume.“

„Oh, Nee-san, das hast du mir nie erzählt.“ Yume umarmte ihre große Schwester fest und flüsterte: „Ich stehe absolut hinter dir. Wenn ich dir helfen kann, zögere nicht zu fragen, versprochen?“

Sakura nickte. Yume fühlte sich jedes Mal eigenartig, wenn sie ihrer großen Schwester Hilfe anbot, denn es wirkte irgendwie verdreht. Müsste es nicht anders herum sein? Eigentlich sollte doch die ältere von ihnen, diejenige mit mehr Einfluss sein.

Sakura war definitiv erfahrener im Leben und konnte viel besser mit anderen Leuten umgehen. Sie war gesellig und hatte Freude daran, sich zwischen vielen Menschen zu bewegen.

Sie selbst war hingegen lieber allein oder nur mit den wenigen zusammen, die ihr am nächsten standen. Von ihrer Familie abgesehen waren das allerdings nur drei Personen. Ichijo, Shiki und Rima mochte sie zwar auch und besonders den Blonden versuchte sie Chiyo zuliebe auch stetig näher kennenzulernen, doch vollständig fallen lassen, konnte sie sich bei ihnen nicht. Sie kannte sie einfach zu wenig, um sich bei ihnen absolut sicher zu fühlen und ihnen bedingungslos zu vertrauen.

Gemeinsam gingen Yume und Sakura wieder ins Wohnheim zurück und setzten sich dort zu ihrem Bruder auf eine Couch. Yume klaute ihm sogar das Glas mit Bluttabletten und schmiss zwei weitere hinein. Sie wollte sicher gehen, dass sie künftig stets so gut versorgt war, dass es kein Problem für sie selbst darstellen würde, wenn Zero plötzlich über ihren Hals herfiel. Denn sie wusste, dass es nicht allzu lange dauern konnte, bis den Hunter wieder Krämpfe plagten. Erst hatte er ihr viel Blut überlassen, als er sie während ihrer Krankheit gerettet hatte und dann hatte sie ihm den größten Teil des Blutes, das er ihr in der Quelle ausgesaugt hatte, ebenfalls wieder abgenommen. Es hatte sich also alles wieder ziemlich relativiert und sie hoffte, dass Zero nicht warten würde, bis er sich vor Krämpfen auf dem Boden wand oder Yuki anfiel, wenn sie bei ihm war.

Yume musste allerdings gestehen, dass sie dabei nicht mehr nur an Zeros Seelenfrieden dachte sondern auch an sich selbst. Der Gedanke an Zero, wie er dem anderen Mädchen die Zähne in den Hals schlug und Yuki dabei so nahe war, wie zuvor auch ihr, zog ihr das Herz in der Brust zusammen.

„Ich ziehe mich auf mein Zimmer zurück. Es ist spät, wenn man bedenkt, dass wir zwei Tage wach waren und nicht nachts. Ich sollte mich hinlegen, sonst habe ich nächste Nacht Probleme dem Unterricht zu folgen.“

Sie drückte ihre Geschwister kurz und winkte ihren Freunden zu, die ihr auch der Treppe begegneten. Dann lief sie den Flur entlang zu ihrem Zimmer und ließ sich dort ein heißes Bad ein. Sie gab ein Badeöl hinzu, das nach Mohnblumen und Vanille roch und zündete viele kleine Teelichter an, um es sich richtig gemütlich zu machen. Aus ihrem Zimmer holte sie sich noch ein Buch und eine riesige Tafel Schokolade und dann verschwand sie mit einem wohligen Seufzer im dampfenden Wasser.
 

Zero hingegen hatte bereits während des Ausmistens das erste Ziehen des Blutdurstes in seinem Magen gespürt, es aber für sich behalten. Er weigerte sich auch jetzt, fast vier Stunden nachdem er sich von Yume getrennt hatte, deshalb zu ihr zu gehen.

Er war fest entschlossen, ohne ihr Blut auszukommen und versuchte sich abzulenken. Er lernte, las ein Buch, reinigte in Präzisionsarbeit seine Bloody Rose und setzte sie wieder zusammen und er hatte sogar das Abendessen gekocht, ehe er sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte.

Doch es half alles nichts. Das Ziehen wurde stetig schlimmer und er ging duschen, um seine Muskeln durch heißes Wasser zu entspannen. Bluttabletten würden es nur verschlimmern, das wusste er, denn er würde sie wieder erbrechen.

Als er wieder in seinem Zimmer saß und bereits nach Luft schnappte und ihm der kalte Schweiß ausbrach, klopfte plötzlich Yuki an der Tür und fragte: „Zero, ist alles ok bei dir? Ich habe dich heute fast noch gar nicht zu Gesicht bekommen.“

„Alles bestens, ich will schlafen.“ Es tat ihm leid, sie einfach so abzufertigen, aber er konnte nicht riskieren, dass sie ihn so sah und ihm wieder ihr Blut gab. Er musste etwas tun, das wusste er, denn ansonsten käme er gar nicht mehr soweit, vor Yuki und ihrer Bereitschaft, ihm ihr Blut zu geben, davonzulaufen.

Die Vorstellung hilflos auf Yumes Blut angewiesen zu sein, gefiel ihm aber auch nicht im Geringsten. Er hasste den Gedanken und er konnte auch nach wie vor nicht so einfach über seinen Schatten springen. Sie war und blieb ein Reinblut und es würde vermutlich noch etwas dauern, bis er die Erkenntnis, dass sie anders war, als die Vampire, die er bislang kennengelernt hatte, wirklich verinnerlicht hatte. Er brauchte immer wieder Beweise dafür, bis er diesem Wissen vertrauen konnte. Das sorgte wiederum dafür, dass er ein schlechtes Gewissen hatte, seit er Yume verzweifelt und aufgelöst in seinen Armen gehalten hatte.

Er wartete noch etwa eine Stunde, dann gab er auf und beschloss vernünftig zu sein und zum Mond Wohnheim hinüberzugehen, anstatt die Menschen in seiner Umgebung weiterhin dem Risiko auszusetzen, dass er überschnappte und endgültig zum Level E degenerierte.

Sobald er seinen Stolz über die Vernunft stellte, wäre er schließlich wirklich keinen Deut besser als die Vampire am anderen Ende des Schulgeländes.

Er überquerte den Schulhof, ging durchs Tor zum Mond Wohnheim und überlegte dann, welchen Weg er nehmen sollte. Doch vermutlich war es am besten übers Fenster in Yumes Zimmer zu klettern, denn er war nicht sicher, ob er den anderen seinen Zustand verheimlichen konnte.
 

Yume war derweil aus der Badewanne gestiegen und stand vor ihrer Kommode. Sie überlegte, welche Dessous sie anziehen sollte und entschied sich schließlich für ein schwarzes mit Spitze überzogenes Paar, dessen BH in der Mitte mit einem tropfenförmigen Rubin geziert wurde.

Sie hatte sich die Unterwäsche gerade angezogen, da hörte sie, wie jemand durch das offene Fenster hereinkam und wirbelte erschrocken herum.

Aber nicht nur sie schien offensichtlich überrascht zu sein. Zero stand mit großen Augen vor dem Fenster und regte sich nicht. Yume glaubte sogar, dass er zu atmen aufgehört hatte, während ihr langsam die Röte in die Wangen schoss.

„Zero, was…?“, doch sie kam nicht weiter, denn der Hunter stand plötzlich mit rot leuchtenden Augen vor ihr und knurrte leicht, als er sie mit einer Hand an der Taille griff und zu sich zog und mit der zweiten das Haar von ihrem Hals strich.

Er wollte ihr Blut und als sie das Zittern seiner starken Schultern unter ihren Händen spürte, wehrte sie sich nicht und ließ ihn gewähren. Er drückte die Fänge in ihr Fleisch und trank. Diesmal mit großen, aber langsamen Schlucken.

Obwohl er ihr Blut stahl und sie äußerst fest und besitzergreifend an sich presste, fühlte Yume sich sicher und geborgen in seinen Armen. Sie hatte sogar den Eindruck, er würde jeden Schluck genießen. Sie mochte gar nicht daran denken, wie schockiert er in wenigen Augenblicken wieder über sich selbst sein würde. Er war es bislang immer gewesen, wieso jetzt also nicht, wo alles noch viel intensiver war als zuvor?

Sie hörte ihn zufrieden seufzen, als er langsam die Zähne aus ihrem Fleisch zog und mit der Zunge zärtlich über die Wunde strich, bis sie verschlossen war. Dann wurde auch seine Umarmung sanfter und er ließ die Stirn auf ihre Schulter sinken, während er mit ihr zu Boden sank.

Dort saßen sie schweigend und sie strich ihm mit der Hand behutsam über den Kopf. Still wartete sie darauf, dass Zero etwas sagte, oder sich rührte.
 

Zero hingegen wurde von einer Erkenntnis überrollt, die ihn wie ein Hammerschlag traf. Erstens: er hatte Yume soeben geradezu überfallen und ausgeplündert, während sie überrascht und nur mit aufreizenden Dessous bekleidet vor ihm stand. Und zweitens: Sie hatte es zugelassen und sich einfach nur in seine Schultern verkrallt und festgehalten. Dabei hatte er sie so fest an sich gedrückt, dass es für sie schon fast schmerzhaft gewesen sein musste.

Doch am erschreckendsten war die Einsicht, dass er es genossen hatte. Er liebte ihren Geschmack auf seiner Zunge und ihren Duft, der ihn einlullte wie ein Beruhigungsmittel. Aber er fühlte sich geradezu in einen Traum versetzt, als er fühlte wie weich und nachgiebig ihr Körper in seinen Armen war.

Yume wirkte wie eine Droge auf ihn und seine Hemmungen, sie sich zu nehmen, wenn er sie brauchte, sanken, seit er wusste, wie sie für ihn empfand, mit jeder Stunde weiter. Nicht mehr lange und sie wären vollständig verschwunden und er wusste nicht, was er dagegen tun sollte.

„Yume…“, er raunte ihren Namen leise neben ihrem Ohr und strich mit der Nase ihren Hals entlang. Ihre Haut war so warm und zart und darunter konnte er ihren Puls heftig schlagen spüren.

"Yume, bitte verzeih…, ich…“, weiter kam er nicht. Sie drückte ihm einen Finger auf die Lippen, flüsterte: „Schon gut“, und entzog sich ihm dann. Er regte sich nicht, während sie zum Bett ging und er hören konnte, wie sie sich ihr Nachtkleid überstreifte.

Er wagte es nicht sich umzudrehen oder aufzustehen und war überrascht, als sie sich plötzlich hinter ihm niedersinken ließ und die Arme um seine Brust schlang. Wenn er hinunter sah, blickte er auf ihre grazilen Hände, die auf dem schlichten weißen Langarmoberteil lagen, das er so gern trug. Eigenartigerweise gefiel ihm der Anblick und er zog nachdenklich die Stirn kraus. Wieso gefiel es ihm?

Doch dann bewegte Yume sich erneut. Er spürte ihre Brüste höher im Rücken und dann, ohne Vorwarnung, ihre heißen Lippen auf seinem Nacken. Es war nur ein ganz flüchtiger Kuss, doch es fühlte sich für ihn an, als hätte sie ihm ihr Zeichen eingebrannt.

Er fuhr herum und drückte sie mit festem Griff um ihre Oberarme von sich.

„Nicht! Hör auf!“

Zero atmete schwer und sah sie aus verzweifelten Augen an. Er konnte den Schmerz in ihrem Blick fast spüren, als sie ihn mit Tränen in den Augen anstarrte.

„Bitte, bleib dort. Ich kann sonst nicht denken. Ich… ich würde dir womöglich noch mehr antun, wenn du mir zu nahe kommst.“

Er verstand nicht, woher es kam. Am Nachmittag war alles so leicht und unbeschwert gewesen. Ruhig, entspannt und so natürlich wie atmen. Doch jetzt, wo er sie das erste Mal weder krank, noch wütend, schlafend oder aber in Schuluniform sah, sondern stattdessen in aufreizenden Dessous und einem, seiner Meinung nach, schon sündhaften Nachtkleid aus schwarzer Seide und Spitze, war die Luft zwischen ihnen mit einer Spannung gefüllt, die er kaum ertragen konnte.
 

Yumes Augen wurden vor Erstaunen immer größer und sie hatte Mühe, ihre Sprache wiederzufinden.

„Du hast mir nichts angetan, Zero. Ich habe dir gestattet mein Blut zu nehmen.“ Sie errötete und wandte ihren Blick ein wenig beschämt zu Boden: „Ich habe sogar vorgesorgt und mehr Tabletten genommen als sonst, damit nicht noch einmal das gleiche passiert wie in den Quellen.“

Nun war es Zero, der sie verblüfft anstarrte und nicht wusste, was er sagen sollte. Darum fuhr sie fort: „Ich habe nachgerechnet. Du hast letzte Nacht Blut gebraucht, weil du mir davor welches gegeben hast, um mich zu retten. Naja und dann habe ich dir das, welches du getrunken hast gleich wieder fast vollständig weggenommen. Da war es naheliegend, dass du heute oder morgen Probleme bekommen könntest und damit du dir keine Vorwürfe machen musst, weil du mir zu viel nehmen könntest dachte ich…“

Erneut ließ Zero sie nicht aussprechen. Er riss sie mit einem Ruck zurück an seine Brust und drückte seine Lippen auf ihre.
 

Es war ein langer und inniger Kuss, nach dem beide heftig nach Atem rangen. Zero umfasste ihr Gesicht und legte seine Stirn an ihre: „Ich gebe auf. Es hat keinen Sinn, so sehr ich mich auch wehre, am Ende lande ich doch jedes Mal wieder bei dir. Ob nun in Gedanken oder wirklich. Es hat einfach keinen Sinn. Wieso kannst du nicht so einfach zu durchschauen sein, wie all die anderen Blutsauger? Wieso gibst du mir das Gefühl, nicht das Monster zu sein, das ich bin, nicht verdammt zu sein? Ich hatte die Hoffnung doch längst aufgegeben. Mich damit abgefunden, mich selbst zu hassen. Ich verachte Vampire, Yume. Sie haben meine Familie ermordet! Wie kann ich akzeptieren, dass ich selbst einer bin? Noch dazu von der schlimmsten Sorte. Aber umso besser ich dich kennen lerne, umso näher du mir kommst, umso weniger stört es mich. Wenn das so weiter geht, ist mir irgendwann noch vollkommen egal, was dieses Monster aus mir gemacht hat!“

Er war ihr hilflos ausgeliefert, das wusste er. Für ein Zurück war es viel zu spät. Doch, was würde dann aus ihm werden? Aus seinem Schwur, jeden Vampir zur Strecke zu bringen, der ihm einen legalen Grund dazu gab? Er würde nicht aufhören sie zu hassen und zu jagen, nur weil er sie akzeptierte. Das konnte er nicht.

Er hob den Kopf und sah Yume in die Augen, die so zart und verletzlich wirkte und ihn mit so viel Gefühl anschaute.

Ihre noch leicht geschwollenen Lippen öffneten sich einen Spalt und dann hauchte sie ganz leise und mit einer Träne auf der Wange: „Ich liebe dich, Zero.“

Ein neuer Blick

Ein neuer Blick
 

Ihre Worte schlugen bei Zero ein wie der Blitz.

Unfähig sich zu rühren oder etwas zu sagen, sanken seine Hände von Yumes Schultern und er starrte sie ungläubig an.

Ich liebe dich.

Die drei Worte hallten in seinem Kopf wieder als würden sie in einer Endlosschleife abgespielt werden.

Es dauerte fast fünf Minuten, bis der Hunter den Schock abschüttelte und begriff, was Yume ihm soeben offenbart hatte. Er setzte wiederholt zum Sprechen an, doch er wusste einfach nicht, was er sagen sollte.

Eigentlich konnte er nicht einmal glauben, was er gehört hatte und wenn sie ihn nicht mit einem Lächeln angesehen hätte, das im gleichen Moment von Liebe und Verzweiflung erfüllt war, während ihr nun immer mehr Tränen von den Wangen tropften, wäre er womöglich sofort in alte Verhaltensmuster zurückgefallen und hätte sie beschuldigt, ihn zu belügen.

Doch obwohl er inzwischen mehr über die Reinblüterin wusste als er je für denkbar gehalten hätte, konnte wer sich einfach nicht erklären, weshalb sie sich ausgerechnet in ihn verliebt haben sollte. Er war ein zum Monster mutierender Hunter. Eine Mischung aus niederstem Vampir, der nur noch von seinem Blutdurst beherrscht wurde und einem Jäger, der ihresgleichen tötete.

„Ich… du…“, Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und raufte sich das Haar, ehe er nach hinten gegen einen Sessel sackte.

Yume war klar, dass sie ihn vollkommen überrumpelt hatte und sie war eigentlich unheimlich froh darüber, dass er überhaupt noch da war. Sie hatte nicht vorgehabt, ihm ihre Gefühle zu gestehen und hatte gleich darauf befürchtet, dass er sie wieder mit Abscheu und Unverständnis anblicken würde.

Seine tatsächliche Reaktion ließ sie dann aber plötzlich kichern und sie wischte sich ihre Tränen fort, während die Verzweiflung aus ihrem Blick wich und nur noch Zärtlichkeit übrigblieb.

Zero sah so hilflos aus, dass sie gar nicht anders konnte, denn niemals hätte sie gedacht, dass sie den mürrischen Vampirjäger einmal als süß bezeichnen würde.

Zero hingegen war nur noch verwirrter und blickte sie an als hätte sie nun doch noch den Verstand verloren, bis sie ihn aufklärte.

„Dass du überrascht bist, verstehe ich ja noch, aber musst du unbedingt so aussehen als hätte ich gerade die Naturgesetze aufgehoben? Auch Reinblüter verlieben sich.“

„Aber nicht in mich.“ Zeros Stimme klang monoton und belegt und hätte Yume nicht das feine Gehör eines Vampirs gehabt, hätte sie ihn womöglich nicht einmal verstanden.

Yumes Blick wurde plötzlich noch weicher und Zero war ehrlich überrascht, nicht den kleinsten Funken Mitleid darin zu sehen. Für gewöhnlich war es genau das, was er in den Blicken derer las, die ihn nicht mit Abscheu betrachteten.

Es waren die Art von Blicken, die seine Hunterkollegen ihm zuwarfen und noch schlimmer waren als die Abscheu und der Hass, mit denen die Vampire ihn betrachteten.

Hatte er Yume eigentlich jemals richtig in die Augen gesehen, wenn sie ihn angeblickt hatte?

Sah sie ihn immer so an wie jetzt?

Er erblickte genau das, was er sich eigentlich aus tiefstem Herzen wünschte – jemanden, der ihn mit Liebe und Wärme im Blick betrachtete und ihm das Gefühl gab, dass es egal war, ob er zu einem Monster wurde. Jemanden, der den Mann sah, der sich hinter Blutdurst, Fangzähnen und roten Augen verbarg und bereit war, sein Leben für diejenigen zu geben, die er liebte.

Yume kroch wieder dichter an ihn heran und kniete nun direkt zwischen seinen Beinen, dann legte sie sanft ihre Hände um sein Gesicht, zog ihn ein Stück zu sich hinunter und küsste ihn zärtlich auf die Stirn.

„Du solltest gehen, bevor meine Geschwister den Blutgeruch bemerken.“

Und weil sie nicht wollte, dass er sich gezwungen fühlte, ihr zu antworten. Sie wollte nicht hören, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte, denn das wusste sie. Aber noch viel weniger wollte sie hören, für wen sein Herz wirklich schlug, denn auch das war ihr bekannt.

Sie glaubte, das war etwas, was jeder Vampir der Cross Akademie wusste.

Nachdem sie gerade noch glücklich und erleichtert darüber gewesen war, dass Zero nicht fluchend und mit Drohungen um sich werfend davongerannt war, wuchs nun der Kloß in ihrem Hals.

Zero musste gehen – sofort!

Sie hatte nicht vor, wie ein Häufchen Elend vor ihm zu sitzen, während ihr die Realität das Herz brach und ihm damit ein schlechtes Gewissen zu machen.

Niemals!

Denn ganz gleich wie gut sie anderen gegenüber die Eisprinzessin spielen konnte, Zero würde sie niemals etwas vormachen können und das wollte sie auch nicht.

Da Zero ohnehin nicht in der Lage war zu benennen, was gerade zwischen ihnen passierte, hielt er ihren Vorschlag für das Beste und rappelte sich auf.

Er ging zum Fenster zurück und kletterte hinaus, doch ehe er verschwand, drehte er sich noch einmal zu ihr um.

Yume wirkte plötzlich ganz klein und verlassen, wie sie dort noch immer auf dem Boden kniete und ihm mit einem wehmütigen Blick nachsah.

„Gute Nacht“, er hielt noch einen Moment inne, dann sprang er auf den nächsten Balkon unter ihrem Fenster und von dort immer weiter bis zum Boden.

Er tat seine Pflicht als Guardian, wobei er besonders die Westseite des Mond Wohnheimes häufiger ablief als sonst.

Doch Yumes Fenster war leer.

Es blieb nicht nur diese Nacht leer, sondern auch die nächsten beiden und da Wochenende war, bekam Zero sie auch sonst nicht zu Gesicht.

Dabei hatte er seit ihrem Geständnis kaum noch an etwas anderes denken können als an die Vampirin.

Er hatte von ihr geträumt, sie gerochen, obwohl sie gar nicht bei ihm war und ganz gleich wohin er ging und ob er schlief oder wachte, immer wieder dachte er darüber nach, wie es möglich war, dass Yume ihn liebte. War es wirklich so? Wenn ja, weshalb und was war es, dass ihn zu dem Mann machte, für den sich ihr Herz entschieden hatte?

Er hatte sie wahrlich nicht gerade gut behandelt.

Sollte es jedoch wahr sein, dann gab dies zumindest eine Antwort darauf, weshalb sie ihm so bereitwillig ihr Blut überließ.

„Zero, geht es dir nicht gut? Du bist seit Tagen so abwesend und wirst mit jedem Tag mürrischer. Wenn es der Durst ist, dann…“

Yuki meinte es nur gut, dass wusste Zero, doch es war mittlerweile Sonntagnacht und er sorgte sich um eine zarte rothaarige Vampirin, die er nicht mehr gesehen hatte, seit sie ihm unter Tränen ihre Liebe gestanden hatte, nachdem er ihr die Zähne in den Hals geschlagen hatte.

Es fühlte sich falsch an, sie jetzt nicht mehr zu sehen und der Gedanke an Yukis Blut stieß ihn mit einer Heftigkeit ab, die ihm bislang noch nicht bekannt gewesen war.

Da er sich eigentlich unentwegt selbstverurteilte und zutiefst dafür hasste, dass er von Yukis Blut getrunken hatte, obwohl es ihn abstieß einen Menschen zu verletzen und seiner vampirischen Natur nachzugeben, hatte es wahrlich enormes Gewicht, wenn die Abscheu noch größer war als sonst.

Zero sah die Braunhaarige eine Weile mit gerunzelter Stirn an. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Er wollte sie nach wie vor beschützen und seine Meinung über sie im Allgemeinen hatte sich nicht geändert, doch es fehlte etwas, das ihn zuvor für lange Zeit begleitet hatte. Doch es war hm noch nicht möglich es zu benennen.

So viele Rätsel, so viele verwirrende Gefühle und Gedanken und Zero mittendrin.

Wie war es nur so weit gekommen?

„Yuki, bitte höre auf, mir immerzu dein Blut anzubieten. Ich will es nicht.“

Sein Ton war etwas forscher als beabsichtigt und er wandte sich dem Wohnheim der Vampire zu. Nach ein paar Schritten sah er noch einmal über seine Schulter, als Yuki gerade etwas erwidern wollte, allerdings von ihm unterbrochen wurde, indem er hinzufügte: „Ich brauche es nicht.“

Seine Freundin sah ihn überrascht an: „Dann trinkst du freiwillig von Yume?“

„Woher weißt du…!?“, er starrte sie entsetzt an.

Yuki senkte den Blick, das hätte ihr nicht herausrutschen dürfen.

Zero ließ nun nicht mehr locker und trat wieder dicht vor sie: „Woher, Yuki?“

„Sei nicht wütend, Zero. Yume meinte es nur gut, weil sie sich um dich sorgt.“

„Was hat sie getan, Yuki?“, er presste die Kiefer aufeinander. Hatte Yume doch etwas getan, womit sie ihn hinterging? Hatte sie Yuki bedroht? Er wollte es nicht glauben und eben deshalb wusste er auch nicht, was ihn mehr erschreckte, dass Yume etwas hinter seinem Rücken getan hatte oder die Tatsache, dass es ihn nicht im Geringsten freute, dass sein altes Weltbild dann wieder ganz wäre.

„Yume hat mich gebeten, dir mein Blut nicht mehr anzubieten. Sie war sehr direkt und sagte, ich würde dir damit wehtun. Aber sie hat nicht darauf bestanden, dass ich es dir verweigere. Sie wollte dich damit nicht in eine Falle locken, Zero. Ich sollte es dir nur dann geben, wenn du selbst danach fragst, das war alles. Sie glaubt bestimmt, dass es für dich einfacher wäre, von einem Vampir zu trinken, damit du dich nicht so schlecht dabei fühlen musst.“

Yuki befürchtete, Zero würde gleich das Wohnheim stürmen, um Yume an die Kehle zu springen, weshalb sie versuchte den Hunter zu beruhigen, doch er überraschte sie.

Zero warf den Kopf in den Nacken und lachte verbittert, ehe er gegen einen Baum sackte und einen Arm über seine Augen legte.

Es war wahnwitzig.

Schon seit ihrer Ankunft drehten sich Yumes Handlungen um ihn herum und er hatte es nicht bemerkt. Er hatte ihre flüchtigen Blicke in seine Richtung zwar wahrgenommen, aber sie nicht weiter beachtet und dabei hätte er vielleicht viel eher bemerkt, was eigentlich los war, wenn er es getan hätte.

Die zahlreichen Puzzleteile fügten sich langsam zu einem Bild zusammen und er hatte plötzlich keinen Zweifel mehr an der Aufrichtigkeit der Gefühle, die Yume ihm entgegenbrachte.

Sie kannte ihn und das war verdammt beunruhigend, wenn er bedachte, dass er ihr kaum etwas erzählt hatte. Yumes Auffassungsgabe schien ausgesprochen gut zu sein und sie hatte schnell gelernt, sich in ihn hineinzuversetzen.

„Ist alles in Ordnung, Zero?“, Yuki klang äußerst besorgt.

„Ja, ich werde schlafen gehen. Du solltest das auch tun.“
 

Der nächste Tag war sonnig und angenehm warm. Der Frühling schien nun endlich ganz Einzug gehalten zu haben und auch die Day Class Schülerinnen, welche während des Winters nicht in der Kälte warteten, um ihren Schwarm zu sehen, waren nun wieder zurück auf dem Hof, als sich die Tore zum Klassenwechsel öffneten.

Die Abendsonne tauchte alles in ein tieforanges Licht und zum ersten Mal, konzentrierte Zero sich mehr auf Yume als auf Kaname Kuran, dessen Unterhaltungen mit Yuki er für gewöhnlich zu unterbinden wusste.

Die Rothaarige machte wie immer einen unnahbaren und stolzen Eindruck, abgeschirmt von den anderen und nun an beiden Seiten von ihren Geschwistern flankiert.

Doch für jemanden wie Zero, der inzwischen so viele Seiten ihres Gesichtes gesehen hatte, war es deutlich zu erkennen, dass sie eigentlich grauenhaft aussah.

Ihr Blick war müde, ihr Gang zu steif und sie war eindeutig selbst für einen Vampir zu blass.

Misaki und Sakura warfen ihm beide einen stechenden Blick zu, doch der junge Vampir stutzte etwas, als er dem Blick des Hunters folgte.

Er schielte immer wieder zu seiner Schwester hinüber und dabei lag ihm nichts mehr von der üblichen Kälte im Blick.

Es vergingen noch zwei weitere Tage, in denen Zero Yume nur beim Klassenwechsel antraf, doch am dritten, kam sie wieder zum Reitunterricht der Day Class.

Als sie den Stall betrat, wirkte sie erneut wie ausgewechselt.

Sie war ruhig und wirkte absolut friedlich. Ihre Wangen schimmerten rosig, ihre Augen leuchteten und es schien als hätte es die vorangegangenen Tage gar nicht gegeben,

„Guten Tag, Zero.“

Zero zurrte Lilys Sattelgurt fest und sah sie dann an.

„Guten Tag ,Yume.“

Sie öffnete Akumas Boxentür, wobei sie von den restlichen Schülern neugierig beobachtet wurde, ehe alle wieder in reges Treiben und wildes Getuschel ausbrachen.

Sie ließ den Hengst heraustreten, begrüßte ihn und strich auch der Stufte kurz über ihre weichen Nüstern. Als sie dann damit begann das schwarze Tier zu striegeln, nahm Zero sich eine Bürste und stellte sich neben sie.

„Wo warst du?“

Yume starrte geradeaus auf den Bauch des Tieres und murmelte in ähnlich leisem Ton wie er: „Im Haus Mond.“

Er zog die Stirn kraus: „Du weißt, was ich meine. Ich habe dich nicht einmal gesehen seit… seit du…“

Yume senkte den Kopf ein Stück: „Ich hielt es für vernünftiger das Fenster noch etwas zu meiden, um nicht erneut krank zu werden und habe Zeit mit Misaki und Sakura verbracht.“

Dass sie nahezu das gesamte Wochenende damit verbracht hatte, sich mit den beiden in einem Bett zu verkriechen und dort die Kissen mit Tränen zu tränken, behielt sie für sich.

Doch Zero war nicht einfältig und griff nach ihrer Hand: „Es tut mir leid, Yume, ich kann nicht einfach…“, er brach ab. Was wollte er ihr sagen? Gab es überhaupt etwas zu sagen?

Yume starrte derweil ungläubig auf die Finger, welche ihre eigenen bedeckten. Sie liebte Zero und daran würde sich nichts ändern. Sie hatte sich ihrem Schmerz für eine kurze Zeit hingegeben und nun konnte sie wieder lächeln und es akzeptieren, auch wenn ihre Gefühle nicht erwidert wurden. Sie war dennoch glücklich, bei ihm zu sein.

„ Es ist alles in Ordnung, Zero. Es ist alles, wie es sein sollte.“

Sie schenkte ihm ein sanftes und tatsächlich zufrieden wirkendes Lächeln, das sich sofort bis in sein Herz brannte.

Er half ihr beim Aufsatteln und schließlich führten sie die Pferde gemeinsam hinaus und obwohl sie kein weiteres Wort miteinander wechselten, waren sie das harmonischste Reiterpaar von allen.

„Hast du eine Ahnung, was mit den beiden passiert ist?“ Chiyo ritt neben Yuki und sah sie mit großer Verwunderung an.

„Nicht die geringste, aber Zero hat sich schon seit dem Wochenende eigenartig verhalten. Vielleicht sieht er ja endlich ein, dass nicht alle Night Class Schüler schlecht sind.“
 

Seitdem verliefen die Klassenwechsel und auch der letzte nächtliche Rundgang für Zero und Yume nach einem alltäglichen Schema.

Wenn die Vampire den Schulhof betraten, warfen sich beide verstohlene Blicke zu, die dem jeweils anderen kaum auffielen, weil es jeder heimlich zu tun versuchte, um sich nichts anmerken zu lassen. Allerdings entgingen sie Misaki und Sakura keineswegs und etwa eine Woche später, entdeckte der besorgte Bruder Zero bereits in der dritten Nacht in Folge am Fenster seiner jüngeren Schwester. Wo er sich nach ihrem Befinden erkundigte und ihr eine gute Nacht wünschte.

Ihr Liebesgeständnis war ein Thema, das nicht wieder angesprochen wurde, da keiner von beiden den Frieden zwischen ihnen gefährden wollte und Zero gewöhnte sich gerade daran, Yumes Gegenwart entspannt zu akzeptieren.

Natürlich konnte er es nicht vermeiden, ab und an ins Grübeln zu geraten und er spürte ihre Blicke deutlich auf der Haut, wenn sie ihn von ihrem Platz am Fenster des Klassenraumes beobachtete.

Wenn er nachts vor ihrem Fenster stand, lächelte sie ihn zärtlich an und ihr Blick wurde immerzu weich und liebevoll, wenn sie ihn anblickte, während niemand anders es sehen konnte.

Es war so friedlich, dass ihm kaum aufgefallen wäre, dass sein Blutdurst weniger wurde. Seine Krämpfe nachließen, seine Kräfte größer wurden und seine Sinne noch ein wenig schärfer.

Fast zwei Wochen nach den Ereignissen während des Schulausfluges holte die Realität sie jedoch beide wieder ein.

Der Albtraum beginnt

Der Albtraum beginnt
 

Nach einer längeren Zeit der Ruhe, wurde Zero ein neuer Level-E Vampir in der Stadt gemeldet und er erhielt den Auftrag diesen zu eliminieren, ehe er weitere Personen töten konnte. Wie zu erwarten gewesen war, blieben die Vorgänge auch den übrigen Vampiren nicht lange verborgen, weshalb Kaname Kuran Ichijo und Shiki damit beauftragte, sich um die Angelegenheit zu kümmern.

„Kaname, ich sage es nicht gern, aber ich fürchte, das ist nicht mehr notwendig.“ Ichijo sah seinen Hausvorstand und Freund an, während dieser eine Braue hob: „Wieso?“

„Ich habe Misaki-kun vorhin gemeinsam mit Zero das Gelände verlassen sehen. Yume hat mich zudem darüber informiert, dass sie Misaki den Auftrag erteilt hat.“

Der Reinblüter funkelte den blonden Vampir verärgert an: „Bring sie her.“

Ichijo gefiel die Entwicklung nicht, denn immerhin hatte er es Yume zu verdanken, dass er und Chiyo zusammen sein konnten, ohne die Konsequenzen seiner Familie fürchten zu müssen. Doch seine Loyalität galt Kaname und darum ging er persönlich zu der Reinblutvampirin und bat sie, ihn zum Hausvorstand zu begleiten.

Yume saß mit einem Buch in der großen Halle und blickte Chiyos Verlobten einen Augenblick lang nachdenklich an: „Du wirkst nervös, Ichijo-kun, ich bin dir nicht böse, dass du mich zu Kuran-san führst, falls du das befürchtest. Mir ist klar, dass ihm mein eigenmächtiges Handeln nicht gefällt. Ich komme gerne mit dir.“

Sie erhob sich, wobei ihre Schwester ebenfalls aufstand: „Du gehst nicht alleine.“

Yume lächelte Sakura liebevoll an: „Natürlich nicht. Ichijo-kun und du sind ja bei mir.“

Sie blickte den Blonden wohlwollend an, als dieser sich versteifte. Er befand sich definitiv in einer Zwickmühle, musste er doch befürchten, dass seine Treue dem Prinzen gegenüber, nun seine Beziehung mit Chiyo gefährden könnte.

„Schau nicht so bedrückt drein, Ichijo-kun. Du hast nichts zu befürchten. Ich erwarte nicht, dass du dich gegen Kuran-san stellst und ich möchte es auch gar nicht.“

Sie verzog die Lippen zu einem fast schon schadenfrohen Grinsen: „Er wird mir nichts antun, das kann er sich nicht erlauben. Jeder Vampir wüsste, dass er es gewesen ist und es gibt mehr als nur einen Hunter, der ihm eine Kugel durch den Leib jagt, wenn er mir ernsthaft schadet.“

„Jetzt bin ich erst recht beunruhigt.“ Ichijo verstand plötzlich, weshalb einige seiner Mitschüler seit Yumes Auftauchen unter ständiger Anspannung standen und die Atmosphäre im Haus als aufgeladen bezeichneten. Zwei aufeinanderprallende Reinblüter waren eine wahrlich gruselige Sache.

Yume betrat das Büro des Hausvorstandes, wie es nur ein Reinblutvampir konnte, der seit seiner Geburt das Intrigenspiel des Adels gewohnt war.

Ihre Schultern waren gestrafft, ihr Gang aufrecht und geschmeidig. Den Kopf hatte sie stolz erhoben und ihr Blick war kalt und arrogant. Sie schritt wie eine Königin in den Raum und die gewaltige Präsenz, die sie mit einem Mal ausstrahlte, prallte auf die Kurans.

Das großräumige Arbeitszimmer wirkte plötzlich viel zu klein und die anwesenden Vampire wurden zunehmend nervöser.

„Du hast deinen Bruder mit Zero auf Leve-E-Jagd geschickt?“, Kuran sah Yume kalt in die Augen.

„Das habe ich. Es liegt ebenso in meiner Verantwortung wie der deinen, auf einen Level- E zu reagieren und dazu muss ich nicht erst deine Genehmigung einholen. Zudem ist Zero auf besagten Vampir ebenfalls angesetzt worden und du willst mir doch nicht weiß machen, dass außer Misaki und möglicherweise noch Ichijo-kun, irgendjemand in diesem Haus mit ihm zusammenarbeiten könnte. Ich habe bislang noch nicht die Notwendigkeit dazu gesehen, aber es wird wohl Zeit, dass wir uns einmal unterhalten. Ob mit deinen Schoßhündchen oder ohne ist mir dabei ziemlich egal.“

Ruka Souen, die Vampirin, welche stets zu dem Grüppchen um ihren Bruder dazugehörte, fuhr empört aus ihrem Stuhl auf und wäre vermutlich auf sie losgegangen, hätte Sakura nicht einen bedrohlichen Schritt auf sie zugemacht. Dennoch schrie sie sie nahezu an: „Wie kannst du es wagen so respektlos mit Kaname-sama zu sprechen!?“

Kuran hob die Hand und ließ sie verstummen: „Ruka, du scheinst zu vergessen, mit wem du sprichst.“

Die Brünette sah aus als hätte er sie geschlagen, zog sich aber mit einer kleinlauten Entschuldigung an ihren Platz zurück.

Yumes Blick ruhte wie ein Eiswürfel auf der Vampirin, wobei sie sich jedoch nicht einmal die Mühe machte, ihr den Kopf zuzuwenden, sondern sie nur aus dem Augenwinkel heraus fixierte, ehe sie sich wieder dem Mann vor sich widmete.

„Dies soll keine Drohung sein, auch wenn es wie eine klingen mag. Mir gefällt es nicht, wie ihr Zero behandelt, aber das ist egal, denn er braucht mich nicht, um sich selbst zu behaupten. Solltest du ihm aber weiterhin bewusst schaden und ihn als Schild für Yuki benutzen, werde ich ungemütlich. Mir missfällt deine Überheblichkeit, denn ganz gleich wie gut du für deine Freunde sorgen magst und gewiss ein fähiges Oberhaupt für unsere Art bist, so hast du eines offenbar noch nicht verstanden. Level-Es sind unsere Schöpfung! Sie sind Opfer unseres Hochmutes und Größenwahns sowie dem Irrsinn derer, die ihren Verstand verloren haben und es unterhaltsam finden blutrünstige Bestien zu kreieren und sich an dem Leid und den Blutbädern erfreuen, die diese armen Monster hinterlassen! Wenn sich ein junger Hunter also so lange gegen seine Verwandlung wehren kann und das Wohl der anderen trotz allem über sein eigenes stellt, dann sollte er unseren größten Respekt verdienen. Du lässt dich von persönlichen Gründen korrumpieren, Kuran-san und das werde ich nicht kommentarlos hinnehmen! In dem Moment, in dem wir auf einen Level-E hinabsehen, werden wir zu denen, die wirklich armselig sind!

Ganz gleich wie viele Reinblüter sich dafür halten mögen, wir sind keine Götter und haben kein Recht dazu, mit den Leben anderer zu spielen oder sie zu benutzen als wären sie nur ein ersetzbares unwichtiges Ding – gar wertlos!

Wenn du also das nächste Mal vor Zero Kiryu stehst und ihn beleidigst, ihm drohst oder sogar einmal hilfst, dann solltest du dabei einmal über ihn selbst nachdenken und nicht immer nur daran, dass du damit nur Yuki einen Gefallen tust, damit sie nicht weint, damit sie keinen Freund verliert. Zero ist nicht auf Almosen angewiesen und letztlich bist du, neben der Sorge um Yukis Sicherheit bezüglich seines Blutdurstes, lediglich verdammt eifersüchtig auf den Hunter. Ich muss dir nicht erst verraten, was Zero denkt und dass deine Sorge unbegründet ist.“

Yume war mit der Zeit lauter geworden, was selbst ihre Schwester überraschte und nun holte die Vampirin tief Luft und wartete auf eine Erwiderung ihres Gegenübers.

Doch Kaname Kuran war erstmals selbst überrumpelt und brauchte ein paar Sekunden, um seine Gedanken zu ordnen, ehe er ihr antworten konnte.

„Für eine Reinblüterin, die sich bislang fast vollständig aus der Politik unserer Art herausgehalten hat, vertrittst du einen sehr deutlichen und durchdachten Standpunkt. Ich werde dein Handeln diesmal übersehen, aber künftig erwarte ich, dass du Rücksprache mit mir hältst.“

Yume machte einen höflichen Knicks und lächelte dabei so zuckersüß, dass Sakura ganz schlecht in der Magengegend wurde.

„Natürlich, Kuran-san, ich werde dich künftig über solche Handlungen in Kenntnis setzen. Wäre das dann alles?“

Dass der Vampirprinz ihren Ausbruch Zero betreffend unkommentiert ließ, verwunderte Yume nicht weiter, aber sie gedachte seinen getreuen Anhängseln zu verdeutlichen, dass sie ihr kaum weniger Respekt schuldeten, auch wenn sie seit langem mit ihrem Bruder befreundet waren.

Politisch betrachtet unterstützte sie Kaname Kuran, denn wenn man Zero einmal außen vor ließ, war seine Einstellung Menschen gegenüber nicht grundsätzlich verkehrt. Er war bemüht wieder eine strenge Ordnung in die Gesellschaft der Nacht zu bringen und die Loyalität so vieler junger Adliger hatte seine Berechtigung, sie kam nicht von ungefähr.

Das Leben zwischen Macht und Intrigen war gefährlich und glich einem Akt auf dem Drahtseil ohne ein Sicherungsnetz. Wer stürzte, überlebte es nicht. Dies galt für die wenigen Reinblüter, die es noch gab, mehr als für alle anderen.

„Nicht ganz, dein Großvater hat sich für heute Nacht angemeldet. Er wird kurz vor Mitternacht eintreffen. Sollten ich irgendetwas wissen?“

Sakura stieß einen erstickten Schrei aus und schlug sich die Hände vor den Mund. Ihr Entsetzen konnte sie unmöglich verbergen, als sie ihre jüngere Schwester mit aufgerissenen Augen ansah und auf deren Reaktion wartete.

„Hat er einen Grund für seinen Besuch genannt?“, Yume bemühte sich, ihre Fassung zu wahren.

Der Dunkelhaarige sah sie durchdringend an: „Nein. Ich bezweifle, dass er nur kommt, um sich nach seiner wertvollen Enkelin zu erkundigen, nicht wahr?“

Yume nickte: „Ich werde ihn in der Eingangshalle erwarten, Kuran-san. Es tut mir sehr leid, dass Ihr Euch damit auseinandersetzen müsst. Ich werde die Angelegenheit nicht zu einer der Schule werden lassen.“

Kaname nickte knapp und entließ sie dann.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen und die Schwestern waren nicht mehr auf dem Flur zu hören, stürzte Ichijo an den Schreibtisch und sah seinen Freund besorgt an: „Kaname, es kann nur einen Grund für Doku-sans Auftauchen geben. Mein Großvater hat ihn über Yumes Drohung in Kenntnis gesetzt. Die Ursache für diesen Schlamassel ist meine Vermählung mit Chiyo!“

Kaname legte die Fingerspitzen aneinander und lehnte sich zurück: „Es mag der Vorwand sein, aber ich glaube nicht, dass es wirklich darum geht. Chiyo ist zur Hälfte Mensch und eher unwichtig für die Interessen des Doku Clans. Yume wird eigenständig und die Chance besteht, dass sie eigene Verbündete findet, je länger sie sich außerhalb der Mauern ihres Anwesens aufhält.“
 

Zero war derweil mit Misaki in der Stadt unterwegs und wurde entgegen seiner Befürchtungen recht freundlich von diesem behandelt. Er sprach das Thema Yume lange nicht an, sondern blieb absolut konzentriert und professionell.

Das Aufspüren und Eliminieren des Level-E Vampirs ging sehr schnell und reibungslos vonstatten und schon nach einer guten Stunde waren die beiden Männer bereits auf dem Rückweg zur Akademie.

„Du machst diesen Job wirklich ziemlich gut, ganz so wie es von einem Kiryu zu erwarten ist. Du machst dem Ruf deiner Familie alle Ehre.“

Zero starrte stur geradeaus: „Danke, du bist aber nicht schlecht. Ich verstehe jedenfalls gut, weshalb deine Familie es als ausreichend betrachtet, dich und deine Schwester mit Yumes Schutz zu beauftragen.“

Misaki lachte kurz und bitter auf: „Es ist weniger das Talent als unsere Bindung zu ihr, die uns zu den perfekten Wächtern für sie macht. Ich verrate dir dies im Vertrauen, denn es könnte wichtig werden und ich bezweifle, dass Yume es dir selbst sagen wird.“

Der Hunter wurde hellhörig. Er wollte ihm etwas anvertrauen, ohne ihr Einverständnis einzuholen?

„Yume ist das letzte Reinblut in unserer Familie. Die einzige Verbindung zu ihr sind unsere Mutter, Sakura und ich. Es gibt keine weiteren Verzweigungen mit unserem Clan und die Liaison mit ihrem Vater, ging unsere Mutter auch nur ein, weil Großvater sie glauben ließ, dass der unsrige tot sei. Chiyos Vater, war der Halbbruder des meinigen und ein Reinblutvampir. Es ist fast schon ein Wunder, dass sie so menschlich ist, denn eine Mischung von A und B Vampiren, also Reinblut und Adel, ergibt für gewöhnlich einen weiteren Reinblüter, darum dachten wir zunächst alle, sie müsste ein waschechter Vampir sein. Doch ihre Gene scheinen stark, ob es an ihrem Geschlecht liegt, kann niemand sagen. Wir kennen keinen Fall wie den ihren.

Um zu Yume zurückzukommen, als meine Eltern heirateten dachte Großvater Doku, dass er ebenso reinblütig wie sein Bruder sei und stimmte der Vermählung darum zu, als er um seinen Segen gebeten wurde. Ich muss dir vermutlich nicht erklären, wie groß sein Zorn war, als er das Gegenteil herausfand.

Jedenfalls erfuhr Hoshi-sama von Großvaters taten und befahl ihm, die Ehe unserer Eltern zu akzeptieren. Im Gegenzug ließ er Yume in der Obhut ihrer Mutter, gab ihr aber seinen Namen mit, sodass an ihrer Abstammung kein Zweifel bestehen konnte. Doku-sama kontrolliert unseren gesamten Clan, er ist das wahre Oberhaupt und knechtet Yume mit eiserner Hand. Niemand außer ihm weiß welchem Reinblutgeschlecht Hoshi-sama wirklich entstammte, denn er war ein Bastard wie seine Tochter einer ist. Er hat Yume erklärt, dass er sich eine Familie für sie wünschte und sie unseren Vater auch als den ihrigen sehen sollte, wenn er nicht bei ihr sein konnte. Er hat sie oft besucht, bevor er starb. Sie war erst fünf, als es passierte.“

Zero schritt still neben dem älteren Vampir her und hörte ihm aufmerksam zu. Yume war also wirklich eine Gefangene in einem goldenen Kerker und er soeben erfahren, wer er Gefängniswärter und Foltermeister war.

„Könnt ihr euch nicht gemeinsam gegen euren Großvater zur Wehr setzen?“ Wenn sie zusammenhielten, konnte der Mann doch unmöglich noch Druck auf sie ausüben.

„Doku-sama ist ein mächtiges Mitglied des Senats und meine Mutter ist krank. Er nutzt ihre Schwäche und seinen Einfluss aus. Yume ist jung und wird darum nicht so ernst genommen wie es zu wünschen und erwarten wäre, zudem gibt es auch im Senat Reinblüter und die sind ihr nicht besonders wohlgesonnen. Sie hat mit ihrer Einschreibung an der Akademie eindeutig Stellung bezogen. Politisch steht sie nun auf Kaname-samas Seite und da der nur dem Schein nach den Wünschen des Senats entspricht, unsere Gesellschaft aber nach und nach umkrempelt, gefällt Doku-sama dieses Benehmen gar nicht. Ich will nicht wissen, was er tut, wenn Asato Ichijo ihm tatsächlich von ihrer Drohung ihm gegenüber berichten sollte.“

Sie hatten soeben das Haupttor der Akademie erreicht, als Sakura aus dem Schatten eines Baumes trat: „Das hat er bereits.“

Misaki blieb stocksteif stehen: „Wann?“

„Er kommt noch heute Nacht.“

„Wo ist Yume?“

Sakura schielte zu Zero hinüber, dann richtete sie den Blick zu Boden: „Sie ist auf ihrem Zimmer und macht sich zurecht. Ich habe Angst, Onii-chan. Er wird ihr wehtun, wenn er kann.“

Misaki zog seine Schwester tröstend in die Arme: „Er wird sie nicht anrühren – nicht körperlich. Hab Vertrauen, Yume ist stark.“

Zero konnte die junge Frau kaum noch verstehen, doch es ging noch gerade so, als sie schluchzte: „Aber schwächer als sie erscheint.“

Ihr Blick fiel erneut auf Zero und plötzlich wurde sie wütend und schrie ihn an: „Du! Wehe du tust irgendetwas, dass Doku-sama ihre Gefühle für dich verrät! Ich reiße dir das Herz heraus, wenn er ihr deinetwegen wehtut!“

Seinetwegen.

Zero wurde schlecht.

Sein Magen krampfte sich immer wieder zusammen und seine Schläfen begannen zu pochen. Er durfte tatsächlich nicht den geringsten Fehler machen. Yume leiden zu sehen, war gewiss das Letzte, was er wollte und er würde niemals dazu beitragen, es möglich zu machen. Doku würde es gewiss gegen sie verwenden, wenn er erführe, dass seine wertvolle Enkelin sich in einen Hunter verliebt hatte, noch dazu in einen, der dabei war zu einem Level-E Vampir zu degenerieren.

„Keine Sorge, ich werde das gleiche Arschloch sein, das ich bei ihr Ankunft war, wäre das der Dame genehm?“

Sakura schnaubte: „Stell dir am besten jedes Mal Kaname-sama vor, wenn du sie ansiehst.“

Das würde tatsächlich verhindern, dass irgendjemand auch nur die geringste Ahnung von seinen wahren Gefühlen für sie erhalten konnte. Er würde es vielleicht versuchen.

„Vielleicht besser noch Kaname-sama an Yumes Lippen. Das sollte den Hass nur so sprühen lassen.“

Jetzt war Zeros Laune endgültig im Keller. Mit einem Knurren verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg zum Direktor, um mit diesem über die Ankunft des unheilvollen Gastes zu sprechen.

Und plötzlich ist alles anders

Und plötzlich ist alles anders
 

Mitternacht rückte näher und sämtliche Schüler der Night Class hatten sich in der Eingangshalle ihres Wohnheims versammelt, um das erwartete Senatsmitglied willkommen zu heißen.

Yume stand direkt neben ihrem Prinzen und hinter ihr Misaki und Sakura.

Die Türen öffneten sich und Yuki führte den Gast herein, während Zero hinter ihm folgte und sich neben dem Eingang postierte.

„Kuran-sama, es ist mir eine Ehre.“ Doku verneigte sich vor dem Reinblüter und ließ die üblichen Floskeln fallen. Yume hörte es jedoch kaum. Sie war zum Bersten angespannt und dachte über mindestens zehn Wege nach, wie sie Ihre Geschwister und Zero schützen konnte, sollte alles den Bach hinunter gehen und ihr größtes Geheimnis auffliegen.

Ihre Gedanken fuhren Achterbahn, ihre Gefühle waren chaotischer denn je und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie wirklich Angst. Jede Faser ihres Seins schrie, weinte, flehte.

Was sollte sie tun?

„Yume, mein wunderschönes Juwel, wie geht es dir? Hast du dich eingelebt?“, ihr Großvater küsste Yumes Hand und zog sie dann fest in seine Arme.

„Natürlich Großvater, ich bin ausgesprochen herzlich aufgenommen worden. Du hättest den weiten Weg nicht meinetwegen auf dich nehmen müssen. In Kuran-sans Obhut kann mir nichts geschehen. Es kann für deine Enkel wohl kaum einen sichereren Ort als den neben unserem Thronfolger geben.“

Dokus aufgesetzte freundliche Maske bröckelte nicht das kleinste bischen: „Gewiss, Liebes, doch gibt es hier auch Individuen, deren Gesellschaft ausgesprochen unangemessenen für dich ist.“

Sein Blick wanderte zu Zero hinüber, dann zu seiner Enkelin zurück: „Mit einem Kiryu, der zudem kurz vor dem endgültigen Wahnsinn steht, zusammenzuleben, halte ich für jemanden deiner Linie für ausgesprochen unbesonnen. Führe mich doch ein wenig herum, ich möchte mich gern selbst davon überzeugen, dass ich mich nicht um mein liebstes Enkelkind zu sorgen brauche.“

Yume hakte sich bei ihrem Großvater unter, nachdem dieser ihr seinen Arm dargeboten hatte und führte ihn in den ersten Stock und von dort zu ihrem Zimmer.

Misaki und Sakura folgten ihnen und die Versammlung löste sich auf.

Zero ging hinaus und begann seine Runden zu drehen, doch in dieser Nacht liefen sowohl er als auch Chiyo wesentlich häufiger unter Yumes Fenster entlang als gewöhnlich.
 

Kaum war die Zimmertür hinter den vier Vampiren ins Schloss gefallen, holte Doku aus und schleuderte die Zwillinge mit einer heftigen Bewegung gegen die Außenwand.

„Ich sagte, ihr sollt darauf achten, dass sie keinen Unsinn anstellt! Takuma Ichijo verlobt mit einem Halbblut! Als Asato-san mir von eurem Betragen berichtete, wäre ich vor Scham fast im Erdboden versunken!“

Er fuhr herum und wandte sich an Yume: „Wie kannst du es wagen, mich derart bloßzustellen! Asato-san hat die vollkommene Unterstützung unserer Familie und wenn es dir nicht passt, dann hast du gefälligst wenigstens so zu tun also ob! Du wirst dich mir nicht noch einmal widersetzen! Deine Freiheiten haben hiermit ein Ende! Sakura war für diese Verbindung vorgesehen, nicht dein kleiner menschlicher Liebling. Du bist mit ihr nicht einmal blutsverwandt!“

„Dennoch ist sie Teil des Clans!“, Yume baute sich tapfer vor dem alten Vampir auf.

„Schweig!“, Doku holte erneut aus und die Wucht der Ohrfeige, die er seiner Enkelin verpasste, ließ sie bis ans Fenster zurücktaumeln.

Nur durch Zufall fiel ihr Blick dort auf Zero, dessen Augen vor Zorn blutrot glühten. Er wollte nichts lieber tun als dem Mistkerl seine Bloody Rose an die Stirn zu halten und abzudrücken. Er wollte Yume beschützen!

Hinter ihrer zarten Gestalt tauchte die ihres Großvaters auf. Wie Misaki war er groß und kräftig gebaut, sein Haar war noch fast vollkommen schwarz, nur eine einzelne silberne Strähne zog sich von der rechten Schläfe nach hinten. Seine Augen waren giftgrün und wechselten nun zu der gleichen roten Farbe wie seine eigenen.

Der Mann beugte sich neben Yumes Ohr, während seine Lippen sich zu einem boshaften Grinsen verzogen. Zero konnte keines der Worte verstehen, die er sagte, doch das Entsetzen auf dem Gesicht der Rothaarigen, die Tränen, welche plötzlich unaufhaltsam über ihre Wangen rollten, sowie der Schmerz, welcher ihre blauen Augen plötzlich verdunkelte, machten das auch unnötig, um zu wissen, dass das Monster hinter ihr, ihr soeben das Herz in der Brust zerquetscht hatte.

Es verlangte Zero alles ab, was er an Selbstbeherrschung aufbringen konnte, um gleichgültig und unbeteiligt zu wirken und seine Füße vorwärts zu zwingen, fort von dem Fenster, fort von Yume und fort von der Bestie, die er andernfalls ohne jeden Zweifel erschossen hätte.

Er schleppte sich in den Rosengarten und an den dortigen Brunnen. Er hielt seinen Kopf unter das eisige Wasser und versuchte so, seinen Verstand abzukühlen und seine Gedanken zu ordnen.

Der Vampir würde noch heute wieder abreisen, er selbst würde wie viele Male zuvor durch Yumes Fenster klettern und dann würde er ihr versichern, dass ihr nichts geschehen konnte. Er würde ihr erklären, dass er ihr helfen würde und dann würden sie eine Lösung für ihre Probleme finden.

„Zero? Ist alles in Ordnung?“, Yuki stand hinter ihm und legte sanft eine Hand auf seine Schulter.

„Alles bestens.“ Er wollte Yuki nicht mit seiner und Yumes Situation belasten, schon gar nicht solange er selbst nicht wirklich klar und deutlich wusste, was genau er selbst dabei fühlte.

Dass er die Reinblüterin beschützen wollte, wusste er jedoch – ganz gleich wie erschreckend diese Erkenntnis noch immer für ihn war.

Um sich abzulenken, ging Zero seinen Aufgaben weiter nach und marschierte mit Yuki um das Wohnheim herum, bis sie aus einiger Entfernung plötzlich Chiyo in einem der Salons des großen Gebäudes entdeckten.

Seit dem Vorfall an Yumes Fenster waren etwa drei Stunden vergangen und durch die Fensterfront konnten die zwei Vertrauensschüler auch aus einiger Entfernung deutlich erkennen, was sich in dem beleuchteten Zimmer abspielte.

Es war als blickte man auf eine Bühne. Es wirkte alles so surreal und unwirklich. Yume war ganz anders als er sie eigentlich kannte. Er hatte sie nur ein einziges Mal so kühl, so gefasst und berechnend gesehen.

Auch dieses Mal konnte er nichts verstehen, nur beobachten und erahnen.

An den zwei Türen des Raumes standen Misaki und Sakura und blickten mit finsterer Miene zu Boden, vor einem Sessel standen Yume und Chiyo und unterhielten sich.

Eigentlich sprach vor allem Yume. Sie stand ruhig vor ihrem Schützling und beschränkte ihre Gestik nur auf kleine Handbewegungen, während Chiyo nach einer Weile immer hektischer wurde.

Sie schrie, raufte sich die Haare, wanderte durch den ganzen Raum und blieb wieder vor ihrer großen Schwester stehen.

„Was tun sie da nur?“, Yuki war ähnlich verwirrt wie Zero, doch er bedeutete ihr, sich etwas besser hinter den Bäumen zu verstecken und ruhig zu sein.

Nur wenige Augenblicke später konnten sie beobachten, wie Chiyo heftig zu zittern begann. Sie schlug sich vor Entsetzen die Hände vor den Mund und sackte weinend in dem Sessel hinter sich zusammen, während sie Yume weiterhin unentwegt und heftig den Kopf schüttelnd anstarrte.

Yume beugte sich zu ihr hinunter, küsste das Mädchen auf die Stirn und nachdem sie noch ein paar Worte gesagt hatte und ihr eine einzelne kleine Träne von der Wange tropfte, schenkte sie Chiyo ein flüchtiges warmes Lächeln, ehe ihre Miene wieder zu einer regungslosen Maske erstarrte und sie Chiyo allein in der Obhut der Zwillinge zurückließ.

In seinem Versteck versuchte Zero zu begreifen, was hinter den Mauern des vampirischen Hauses vor sich ging.

Es stimmte etwas nicht und bei dem Gedanken an Yumes ausdrucksloses Gesicht stellten sich im die Nackenhaare auf.

In einem anderen Zimmer ging plötzlich das Licht an und Yume tauchte am Fenster auf. Sie stand hinter dem Glas und starrte still in den Wald. Ihre Augen waren leer, ohne jedes Leuchten und ihr Verhalten schon fast apathisch.

Der Hunter wusste, dass er von keinem der Vampire eine Erklärung auf das erhalten würde, was in ihren Reihen vor sich ging und darum machte er sich gemeinsam mit Yuki auf den Weg zum Direktor.

Dort angekommen, trafen die beiden aber nicht nur auf ihn, sondern auch auf Yagari – Zeros ehemaligen Mentor, Hunter und Lehrer für Ethik – und Doku.

„Wären Sie kein Ratsmitglied, würde ich Ihnen hier und jetzt eine Kugel in den Kopf jagen, Doku.“ Yagaris Wut war schon fast greifbar, als die Vertrauensschüler das Büro betraten und Zero platzte augenblicklich mit der Frage heraus: „Was geht hier vor?“

Doku ließ einen herablassenden Blick über den silberhaarigen Hunter gleiten und wandte sich schließlich zum Gehen: „Ich habe die Herren lediglich über die Abreise meiner Familie in Kenntnis gesetzt.“

Zero fielen Misakis Worte wieder ein und er tat das, was er immer getan hatte. Er versteckte seine wahren Gefühle, verbarg, was er tatsächlich dachte und strahlte die gleiche Gleichgültigkeit aus, die ihn seit Jahren umgab.

Er schaffte es sogar all seine Abscheu und seinen Hass dem alten Vampir gegenüber in den Klang seiner Worte fließen zu lassen: „Dann sind es wenigstens schon drei Blutsauger weniger und darunter gleich der zweitgrößte Abschaum auf diesem Gelände. Bleibt nur noch einer.“

„Zero!“, Yuki sah ihn entsetzt an.

„Nur ein toter Vampir ist ein guter Vampir, Yuki. Tu nicht so, als wüsstest du das nicht.“

Zero ging an Doku vorbei nach draußen.

Die Farce war perfekt, doch in seinem Kopf spielte sich ein und derselbe Wortlaut immer wieder ab die Abreise meiner Familie.

Yume ging fort.

Veränderungen

Veränderungen
 

Yume trat ihren letzten Gang zu Kanames Arbeitszimmer an. Man sollte wohl meinen, dass es ihr schwer fallen würde, dass sie weinen würde oder wenigstens unglücklich aussähe, doch nichts davon war der Fall.

Sie war leer. Nichts war noch da, ganz so als hätte ihr Großvater ihr Herz gegriffen, es herausgerissen und nur ein Loch in ihrer Brust zurückgelassen.

Sie klopfte an die Tür, wurde hineingebeten und stand Ihrem Prinzen gegenüber. Er war allein.

„Ihr geht?“

„Ja, es ist das Beste so. Der Grund, der mich hiergehalten hat, ist bedeutungslos geworden.“

Kaname sah sie eindringlich an, ihm schien etwas an ihrer Antwort nicht zu gefallen und da sie wusste, dass sie ihn nun um etwas bitten musste, hatte Yume das Gefühl, ihm eine Erklärung zu schulden. Sie berichtete ihm alles, offenbarte ihm ihre ganze Seele, in der Hoffnung, es möge ihn milde stimmen und tun, wozu sie von nun an nicht mehr fähig sein würde.

„Ich habe eine Bitte an Euch, Kaname-sama.“

Allein die neue Art ihn anzusprechen, ließ Kaname noch hellhöriger werden als er es aufgrund ihrer schonungslosen Ehrlichkeit ohnehin schon war.

„Nehmt Chiyo und Sakura unter Euren Schutz. Chiyo gehört zu Ichijo-kun und nichts sollte sie jemals wieder trennen können. Meine Schwester hingegen ist Euch absolut treu ergeben. Sie wird Euch unterstützen, wo immer sie kann und eine große Hilfe sein, diese Akademie zu leiten und zu fördern. Ich muss sie vorerst mitnehmen, doch ich werde einen Weg finden, auf dem sie hierher zurückkehren kann. Werdet Ihr sie dann aufnehmen?“

Kaname dachte einen Augenblick über die Situation nach, in der Yume sich befand und auch über alles andere, worauf dieses Handeln Einfluss haben würde, schließlich nickte er und reichte ihr die Hand: „Ich gebe dir mein Wort. Chiyo und deine Geschwister werden unter meinem Schutz stehen, solange wie sie mich nicht verraten.“

Yume entzog ihm ihre Hand wieder und verneigte sich vor ihm: „Ich danke Euch, Kaname-sama. Ich weiß, ich verlange viel und womöglich wird es gar nicht möglich sein, doch bitte denkt auch darüber nach, was Ihr womöglich für Zero tun könnt. Lebt wohl.“

Mit diesen Worten wandte sie sich zur Tür, ging hinaus und schritt die Treppe in die Eingangshalle hinunter. Zu ihrer Überraschung verabschiedeten sich alle Vampire von ihr, die sie stets in ihrer Nähe gehabt hatte. Was sogar Ruka Souen einschloss. Nur die Anwesenheit von Maria Kurenai, der entfernten Verwandten Shizuka Hios, der Mörderin von Zeros Familie und Verantwortlichen für seinen derzeitigen Zustand, bereitete Yume Unbehagen.

Sie war vor wenigen Tagen eingetroffen, nachdem sie eine Zeit lang wegen Krankheit nicht an der Akademie gewesen war.
 

Zero hatte derweil versucht einen Weg zu finden, mit Yume reden zu können, doch als er durch ihr Fenster stieg, war ihr Zimmer bereits leer und als er das Haupttor der Akademie wieder erreichte, wo auch Yuki und Chiyo standen, traf sein Blick für ein letztes Mal auf die kristallblauen Augen Yumes, welche ihn leer und ohne jeden Glanz ansahen. Er konnte nichts in ihnen erkennen. Nicht nur die Liebe in ihnen, die Wärme, welche ihn stets berührt hatte, war verschwunden, es war nichts mehr dort. Sie erschien nur noch wie eine Puppe, ganz so als hätte jemand ihre zarte Seele einfach ausgepustet wie eine Kerze.

Sakura mied Zeros Blick gänzlich, aus Angst sich zu verraten. Misaki war hingegen geübter in diesem Spiel der versteckten Blicke und Zero kannte sein Wesen gut genug, um zu wissen, dass er ihm auf seine Weise zu verstehen geben wollte, dass es ihm leid tat, jedoch keine andere Möglichkeit bestand als diese.

Die Türen fielen zu und der Wagen verschwand in der Ferne.

Zeros nächste Wochen hatten alle ein und den gleichen Ablauf. Er tat seine Arbeit, er aß, er schlief, er träumte. Jede Nacht suchte ihn ein neuer Albtraum heim und jeder zeigte ihm Yume.

Sein Leben fügte sich in seine alten Bahnen ein, das Gefühl verraten worden zu sein brannte sich erneut in seine Seele und der Geschmack der Verbitterung hatte sich eisern auf seiner Zunge festgesetzt.

Nach etwa zwei Monaten kehrte Sakura plötzlich an die Akademie zurück. Sie war blasser geworden, sah erschöpft und ausgemergelt aus, doch sie schwieg über das, was in ihrer Familie geschah. Nicht einmal Chiyo konnte oder wollte sie etwas erzählen.

Eines Nachts jedoch, stand sie plötzlich vor Zero und sah ihn mit tränennassem Gesicht an, denn sie konnte das Gewicht ihrer Schuldgefühle ihm gegenüber nicht ertragen.

„Ich kann meinen Schwur nicht brechen, meinem Wort meiner Schwester gegenüber nicht untreu werden, Zero. Ich kann dir nur eines sagen, du musst sie vergessen, wenn du es nicht tust, sondern weiterbohrst, weiter nachdenkst, dann wirst du sie irgendwann hassen. Hasse sie nicht Zero, bitte.“

Zero verstand Sakura nicht. Wieso sollte er Yume hassen? Weil sie ihn geliebt hatte? Weil er ihr geglaubt hatte? Weil er angefangen hatte zu hoffen, um doch wieder in die Dunkelheit zu fallen? Er kannte all dieses längst. Er tat sich selbst auch nicht leid, er verabscheute es, ekelte sich davor, ein Vampir zu sein. Es war alles beim Alten, denn es gab niemanden mehr, dem er glaubte, dass es in Ordnung war, so wie es war und er verstand nicht, er konnte einfach nicht begreifen, was seine Welt dieses Mal zerstört hatte. Wieder einmal war ein Vampir in sein Leben getreten und hatte alles geraubt, was ihm wichtig gewesen war und er würde es rächen. Er würde es genauso rächen wie er seine Familie rächte. Ganz gleich wie lange es dauern mochte.
 

Nach dieser Nacht versuchte Sakura nicht noch einmal, mit Zero zu reden. Jedenfalls nicht über den normalen Schulalltag hinaus. Sie reihte sich in die Gruppe um Kaname Kuran ein, schien aber immer eine etwas nach außen verrückte Rolle zu besitzen. Zero erkannte in ihrem Verhalten dem Reinblüter gegenüber eine Ähnlichkeit zu dem Verhalten, das Yume ihm selbst häufiger gezeigt hatte. War es tatsächlich eine Ähnlichkeit der beiden?

Sakuras Auftreten Kaname gegenüber war nicht so unterwürfig wie das der übrigen Vampire, sie stellte ihn nicht offen in Frage, diskutierte aber mit ihm, sobald sie alleine mit ihm war und nach und nach begann sich etwas zwischen ihnen zu entwickeln, was Zero nicht genau zu betiteln wagte.

Er hatte jedoch auch nicht die Gelegenheit dazu. Es dauerte nicht mehr viel länger, da gerieten so viele Steine ins Rollen, dass Zero nicht einmal mehr Zeit hatte, an Yume zu denken.

Yuki stellte sich als Kanames verlorengeglaubte Schwester heraus, sie erhielt ihre Erinnerungen zurück, wurde von ihrem Bruder wieder zu einem Reinblut gewandelt und begegnete ihrem Onkel und dem König der Vampire, Rido Kuran.

Die gesamte Akademie wurde zu einem Schlachtfeld, Vampire gegen Vampire, Vampire gegen Hunter. Es war ein Blutbad, das in der nahezu vollständigen Vernichtung der Akademie, dem Tod von Zeros Zwillingsbruder Ichiru und dem Beinahe-Fehlschlagen eines Friedens zwischen Mensch und Vampir endete.

Zeros Verwandlung zu einem Level-E wurde durch Kaname gestoppt, jedoch begründete er dies mit Yukis Gefühlen, da sie sehr verzweifelt gewesen wäre, ihren Kindheitsfreund zu verlieren.

Letztlich fiel Rido, doch es war nicht die letzte Katastrophe, welche die Monate mit sich brachten.

Kurze Zeit nachdem die Akademie wieder stand und alle Vampire dorthin zurückgekehrt waren, kam auch Misaki wieder dorthin, begleitet von zwei Mädchen, die sich als Taiyo und Yuri vorstellten. Beide waren Vampirjägerinnen, Schwestern und wie Zero von Yume gerettet worden. Nun ja, in ihrem Fall erfolgreich denn Yume hatte sie nicht verlassen und ihnen damit ihr Blut entziehen müssen, ehe die Verwandlung in einen Level-E Vampir vollkommen gestoppt war.

Misaki war neben Yuki auch der erste Vampir, der wieder zu Zero durchdrang, auch wenn seine Brutalität und sein Hass mit der Zeit doch wieder etwas abgenommen zu haben schienen.

Dies lag unter anderem daran, dass er Neuigkeiten von Yume mitbrachte.
 

Zero stand mit Yuki, Chiyo, Kaname und jenen bekannten Gesichtern, denen dieser vertraute in einem ruhigen Raum des Mond Wohnheimes und wartete darauf, dass Misaki anfing.

„Doku ist tot, der Clan meiner Mutter wurde nach seinem Verrat an Kaname-sama und ihrer Unterstützung für Rido exekutiert und mein Vater zum neuen Oberhaupt des Kuroi-clans ernannt.“

Sakura griff nach der Hand ihres Bruders, den sie so lange nicht gesehen hatte: „Wie ist das passiert und was ist mit Yume?“

„Yume hat ein halbes Jahr gebraucht, um sich von den Ereignissen jener Nacht zu erholen. Die Neuigkeit, dass ihr Vater noch am Leben sei, erreichte uns und hauchte ihr neuen Willen ein. Sie begann nachzuforschen, entdeckte, dass Doku-san versucht hatte ihren Vater zu ermorden und auch an Ridos Wiedererweckung beteiligt war. Sie hat ihn persönlich zur Verantwortung gezogen und seine Ketten gesprengt.

Ich kam hierher, nachdem sie aufgebrochen war, nach ihrem Vater zu suchen. Es braut sich ein weiterer Krieg zusammen. Die meisten Reinblüter und der Senat sind nicht sehr erfreut über Kanames Vorhaben und seine Sympathie für die Menschen. Yume ist dir treu ergeben, ich bin als ihr Stellvertreter hier.“

Kaname war von dieser Wendung offenbar überrascht, auch Zero war so verwirrt wie immer. Er hatte sich wieder auf Yuki konzentriert, auch wenn seine Gefühle für sie nie wieder die gleichen geworden waren. Nun wirbelte Misaki erneut alles durcheinander.

Misaki nahm Zero noch in derselben Nacht ein weiteres Mal beiseite, diesmal allein, nur zu zweit, brach er zum ersten Mal sein Wort Yume gegenüber und offenbarte Zero, was in der Nacht geschehen war, in der sie ihn verlassen hatte.

Die Wahrheit über Yume

Die Wahrheit über Yume
 

„Hör mir bitte zu Zero. Wenn du auch nur noch das kleinste Gefühl für Yume übrighast, dann lass mich dir erklären, warum du bislang nie erfahren hast, was geschehen ist.“

Zero setzte sich in einen Sessel und sah Misaki ernst an: „Ich höre.“

Es war so viel Zeit vergangen, wieso machte der Vampir sich jetzt noch so viel Mühe? Weshalb war es ihm noch immer so wichtig?

Zero selbst hatte Yume und seine Gefühle zu ihr tief verborgen. Doch er konnte nicht leugnen, dass sie deshalb nach wie vor existierten und ihn in seinen Träumen regelmäßig heimsuchten.

„Yume ist Shizuka Hios Nichte, sie sind eng miteinander verwandt. Ihr Blut fließt durch ihre Venen. Ihr Vater ist ein uneheliches Kind des Hio Clans.“

Mit Vielem hatte der Hunter gerechnet gehabt, aber die Wahrheit, die Misaki ihm gerade offenbarte, übertraf selbst seine abwegigsten Vermutungen, die er jemals angestellt hatte, wenn er sich über Yumes Gründe den Kopf zermartert hatte. Dennoch, so gerne er den jungen Mann für verrückt erklärt hätte, der ihn aufmerksam beobachtete, so schien es die einzig mögliche Wahrheit zu sein. Es war die einzige Erklärung, die ausreichte, um jedes Teil an seinen Platz zu setzen.

Yumes Entsetzen, ihre Tränen, ihre Entscheidungen wirkten alle nachvollziehbar, wenn er bedachte, wie groß sein Hass auf Shizuka Hio war.

Ihr Großvater hätte Yume in der Tat nichts Grauenvolleres antun können als ihr zu sagen, dass sie eine nahe Verwandte der Frau war, die Zeros Leben zerstört, seine Familie ermordet und ihn der Verwandlung in eine Bestie ausgesetzt hatte.

Wenn Zero sich vorstellte, was Yume in jedem Augenblick gedacht haben mochte, wurde ihm plötzlich ganz anders zumute.

„Wieso habt ihr es mir nicht einfach gesagt? Ich habe Yume längst anders betrachtet als andere Vampire, ich…“, er hielt inne. Was hätte er getan? Ohne die Entwicklung, die er seit jenem Tag durchgemacht hatte, wie hätte er auf eine solche Neuigkeit reagiert?

Hätte er Yume noch ansehen können, hätte er ihr Blut annehmen können?

Ihr Blut.

Zero stütze das Gesicht in seine Hände.

„Ihr Blut hat meine Verwandlung aufgehalten, weil es dem meiner Schöpferin ähnelt. Es stammt aus derselben Linie, nah genug, um mit genügend Zeit und der richtigen Menge den gleichen Effekt zu erzielen, den es gehabt hätte, hätte ich ihres getrunken.“

Misaki nickte: „Yume weiß, dass du das Blut, das Kaname von dieser Frau zurücklies, nachdem er sie eliminiert hatte, nicht annehmen wolltest. Du hast dich auch bis zu ihrer Abreise noch nicht als das akzeptieren können, was du geworden bist, Zero. Wie hättest du sie akzeptieren können? Yume hatte das Gefühl, dich verraten zu haben, weil sie dir ihr Blut gab. Sie war und ist bis heute fest davon überzeugt, dass du sie verachten wirst, wenn du die Wahrheit erfährst und sie war sich sicher, es nicht zu überleben, solltest du sie jemals wieder mit Abscheu und Hass in den Augen ansehen. Yume wäre zugrunde gegangen, wenn du dich auf solche Weise von ihr abgewandt hättest. An sich ist das nichts, was sie gefürchtet hätte, wären wir nicht gewesen. Sie liebt ihre Familie und hätte uns dem Schicksal, das uns erwartet hätte, wäre sie nicht heimgekehrt, niemals ausgesetzt. Mutter hätte am meisten leiden müssen, das wollte Yume nicht verantworten.“

„Natürlich nicht…“, Zero schwirrte der Kopf, seine Brust fühlte sich zu eng an, seine Schläfen dröhnten und ihm wurde heiß und kalt zugleich.

Die verdrängten Gefühle und Erinnerungen an Yume brachen wie eine Sturmflut über ihn herein und er ersehnte sich nichts sehnlicher als die Rothaarige zu sehen.

„Wo ist sie?“

„Bei ihrem Vater. Aber sie kommt zurück, Zero. Bis dahin, solltest du wissen, was du willst.“ Misaki trat ans Fenster und blickte in die Nacht hinaus: „Es sind fast zwei Jahre vergangen, doch an Yumes Empfindungen hat sich nichts geändert. Sie ist noch immer dieselbe und ihre Liebe scheint sogar noch gewachsen zu sein. Sakura schreibt ihr jede Woche und jede Nacht weint sie, wenn sie die Briefe liest, flüstert deinen Namen, wenn sie schläft, schreit nach dir, wenn Albträume sie quälen.“

Der Schwarzhaarige schüttelte mit einem leisen Lachen den Kopf: „Yume hat zwei weitere Brüder. Einer ist schon weit über hundert Jahre alt, der zweite wird vierzehn. Nach ihrem ersten Tag, den sie bei ihnen geschlafen hatte, damit ich selbst etwas ruhen konnte, war die erste Frage, die sie mir stellten Wer ist Zero? und ich hatte Mühe ihnen auch nur ansatzweise verständlich zu machen, dass sie Yume das schon selbst fragen müssten. Solltest du also zu dem Entschluss kommen, sie nicht zu verachten, bereitest du dich besser darauf vor, es mit zwei Herren zu tun zu bekommen, die gerade erst entdeckt haben, wie es ist, eine Schwester zu haben und sich dementsprechend wie kleine Jungen mit einem neuen Spielzeug verhalten.“

Zero musste sich nicht erst zu etwas entschließen. Zu erfahren, dass Yume ihn noch immer liebte, die gleiche war, die ihn trotz dessen, was sie ist so tief berühren konnte, reichte, um die Bitterkeit in Hoffnung zu verwandeln. Und die Aussicht, sie in nicht allzu ferner Zukunft erneut sehen und hören zu können, machte das Bevorstehende erträglicher und linderte den Schmerz der vergangenen Monate.
 

Wie vorhergesagt kam es zu einem erneuten Kampf gegen die Reinblüter, in welchem Kaname beinahe sein eigenes Leben geopfert hätte, nachdem herausgekommen war, dass er viel mehr verheimlicht hatte als ursprünglich angenommen.

Er war der wiedererweckte Urahn der Vampire und hätte die Hunter mit neuen Waffen gegen ihre Feinde rüsten können, indem er sein Herz in den Hochofen der Akademie geschmissen hätte, doch Sakura hielt ihn davon ab – zum Glück.

Yume hatte tatsächlich ihren Vater und andere Verbündete gefunden, welche aus dem Hinterhalt zur Akademie stießen und ihrem König einen Sieg ermöglichten.

Leider verlor Hoshi-sama, Yumes Vater, dieses Mal tatsächlich sein Leben dabei.

Einen Monat nach den letzten Auseinandersetzungen, war das Akademieleben wieder wie zuvor und eines Nachts durchquerte Yume Hoshi in Begleitung ihrer Brüder das Schultor erneut und legte die weiße Uniform an.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  cindy-18
2015-11-06T19:10:38+00:00 06.11.2015 20:10
schreib unbedingt anz schnell weiter bitte ;D
Von:  cindy-18
2015-11-06T19:10:04+00:00 06.11.2015 20:10
hammer einfach hammer ;D
Von:  MissGameFreaky
2013-03-23T18:41:23+00:00 23.03.2013 19:41
ohhh cooles kapitel *_______*
Nächstes :)
Antwort von:  Chisaku
25.03.2013 22:18
danke schön :), wenn es gefällt...setz ich mich gleich ans nächste ^^
Von:  Arina-Chan97
2013-01-12T17:38:58+00:00 12.01.2013 18:38
Super Kapitel (>^-^<)


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