Zum Inhalt der Seite

The Storm

A Sidestory
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Diese Frau stellt sich vor

Es ist irgendein Vormittag an irgendeinem Frühlingstag. Die Sonne hat beschlossen endlich durch die Regendecke Londons zu brechen und diese Stadt ein klein wenig freundlicher zu machen. Ich streife ohne Hast durch die Gassen. Neben, vor und hinter mir ist alles voll Menschen. Teils voller geschäftlicher Hektik, teils mit stoischer Ruhe. Und mitten unter all diesen gesichtlosen Menschen, da bin ich. Sicher, jeder dieser Gesichtlosen hat eine Geschichte, die sich mit jeder Minute neu schreibt, eine Geschichte, die sie besonders macht. Aber für mich sind und bleiben es eben nur gesichtslose Menschen.

Für mich sehen alle Menschen gleich aus. Auch wenn sie alle das Gegenteil behaupten, tragen sie dennoch alle dieselbe Kleidung, dieselben Hüte, ja, dieselben Gesichter.

Es kenn gut sein, dass das für diese Menschen anders ist. Dass sie sich wirklich als Individuen sehen. Ich weiß es nicht. Schließlich bin ich auch kein Mensch.
 

Ich bin ein Succubus. Und wir Succubi unterscheiden Menschen nur nach der Menge ihrer Lebensenergie. Davon leben wir ja. Normalerweise fallen wir in der Nacht über sie her um ihnen ihre Lebensenergie abzuziehen. Aber wenn man so lange Menschen – oder eher Männer – in Träumen verführt hat wie ich, dann wird das langweilig. Das kannst du verstehen, oder?
 

Also habe ich beschlossen mich in die Menschenwelt zu begeben und ihnen hier ihre Energie abzuziehen. Es mag schwieriger sein, bietet aber auch mehr Genuss. Menschliche Körper sind sehr empfindlich. Ich habe es lange Zeit sehr erquickend gefunden. Leider sind Männer sehr einfach gestrickte Wesen, deren es nicht sehr viel meiner Kunst bedarf, um sie gefügig zu machen. Auch das ist mir langweilig geworden.

Hin und wieder habe ich in der Menschenwelt einen Shinigami oder einen Incubus – mein männliches Gegenstück – getroffen, was für ein wenig Zerstreuung gesorgt hat. Inucbi laufen mir förmlich entgegen, denn mit einem Partner der gleichen Art hat man (oder Frau) immer sehr viel Spaß. Shinigami hingegen sind schwerer zu verführen. Aus irgendeinem Grund mögen sie uns nicht besonders. „Wir bringen ihren Terminplan durcheinander“ oder so ähnlich. Für mich, völlig unverständlich. Es kostet immer eine gewisse Mühe einen Shinigami zu verführen. Gerade diese kleine Herausforderung ist für mich der Reiz. Sagen die Menschen nicht „Der Weg ist das Ziel“? Nun, bei Shinigamis schon.
 

Wie du also erkennen kannst bin ich absolut unterfordert. Schade um mein Talent.
 

Aber kürzlich hat man mich daran erinnert, dass Dämonen hin und wieder einen Vertrag mit einem Menschen eingehen. Mächtige Kreaturen dienen mickrigen Menschen, nur um ihre Seele danach zu bekommen, die sie sich genauso gut gewaltsam nehmen könnten?

„Vollkommen irre“ habe ich gesagt.

Nun, vielleicht doch nicht. Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie sich genauso langweilen wie ich. Das sie das einfache Fressen satt haben.
 

Ich bin also zu dem Schluss gekommen, dass ich vielleicht so etwas auch zu probieren.

Nicht mit Vertrag und so natürlich – das könnte ich auch gar nicht – aber mir einen Menschen suchen, der verzweifelt genug ist, einen Succubus als Dienerin zu nehmen. Oder Schlau genug. Je nachdem. Und sollte sie mir lästig werden, töte ich sie.
 

Das ist der Grund, wieso ich hier stehe, inmitten der gesichtslosen Masse und nach kalten, unnachgiebigen Augen suche. Denn Augen, das weiß ich, sagen alles über einen Menschen.

Diese Folgemagd ist beschäftigt

Ich stehe auf. Obwohl es Frühling ist, kann ich spüren wie die Kälte versucht unter meine Haut zu dringen. Der Finsternis sei dank, dass ich nicht empfindlich gegen Temperaturen bin.

Ich setze mich wieder. Mittlerweile habe ich eine Herrin gefunden. Ein Mädchen, 14, kaum älter als ein Kind. Und doch hat sie diese grausamen, kalten Augen die nach Rache hungern. Perfekt.

Sie ist mir praktisch in die Arme gefallen. Meine Herrin hatte eine Schneiderei verlassen. Hinter ihr ein ganzes Heer voll Diener und eine Folgemagd – die später an diesem Abend sterben sollte – aber ich schweife ab.

Mein Interesse war geweckt. Ich bin ihr gefolgt und habe dann in ihrem Zimmer auf sie gewartet. Natürlich hat sie mein Angebot angenommen. Wie könnte sie anders?

Ich stehe wieder auf. Schon wieder. Langsam frage ich mich warum die Menschen bei ihren Gottesdiensten dauernd auf und nieder springen. Ein Grund mehr so etwas nicht zu besuchen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich eher auf der „dunklen Seite“ stehe. Das lässt mich schmunzeln.

Setze mich. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Gott, den die Menschen anbeten möchte, dass sie bei seinen Zeremonien Fitnessübungen machen.

Wie auch immer, das ist nicht mein Problem.
 

„Komm, Charlott“ erklingt da die Stimme meiner Herrin. Charlott! Was für ein einfallsloser Name! Grauenhaft. Der Name, mit dem ich geschaffen wurde, Siahrà al’ Sul’ aik’ à Fèrn, sei zu „kompliziert“. Frechheit! Ich schlucke also meinen Ärger hinunter und folge meiner Herrin. Catherine Thomford. Als Folgemagd Charlott verlasse ich hinter meiner Herrin die Beerdigung. Die dritte in einem Monat. Ich bin viel zu oft in Kirchen. Zuerst bei meiner Vorgängerin – irgendwoher musste ich ja den Job bekommen. Das zweite Mal war vor drei Wochen ihr Onkel. Er war meiner Herrin schon lange ein Dorn im Auge. Also habe ich ihm seine Lebensenergie genommen. Herzanfall. Das ist die offizielle Erklärung.

Und heute, ihr Vater. Harrison Thomford. Pech für ihn. Er hat zur falschen Zeit die falsche Frau betrogen. Ich frage mich, ob sie ihren Bruder und ihre Mutter auch loswerden möchte, um das Familienunternehmen zu leiten. Eher unwahrscheinlich, denn sie hat mir verboten, ihren Bruder nachts zu besuchen. Dabei ist er eigentlich ein süßer Kerl. John heißt er. Irgendwie kommt es mir vor als würde jeder zweite Engländer John heißen. John. Geschmacklos.

Emotionslos stehe ich hinter meiner Herrin und beobachte wie sie mit gespieltem Lächeln und kalten Augen die Beileidsbekundungen entgegennimmt.

Endlich hat auch der Letzte sein Mitleid kundgetan. Wurde auch Zeit. Ein Blick auf die Kirchenuhr sagt mir, dass es 12.45 ist, und um 13.00 soll das Essen stattfinden. Vorher muss ich die Herrin noch umkleiden.

Wann ist aus mir eigentlich eine besorgte allzwecks Zofe geworden? Ich stelle fest, dass ich mich viel zu schnell an all dies gewöhnt habe. Nun, ich kann es jederzeit beenden, nicht?

Diese Frau ist verstimmt

Seufzend räume ich das dritte Kleid in Folge weg. Meine Herrin ist heute sehr eigenwillig. Diese Farbe passt ihr nicht, dieses Kleid hat den falschen Ausschnitt. Am Liebsten würde ich sie mit ihrer Kleidung ersticken. „Tief ein und aus atmen. Alles ist gut“ sage ich mir. Mittlerweile bin ich Expertin im Anti-Aggressionstraining. Was tut man nicht alles für ein bisschen Unterhaltung?

Gekonnt greife ich mir ein waldgrünes Kleid mit leichtem Dekolletee, weil das jetzt angeblich Mode ist.

Aus irgendeinem Grund ist ihr dieses Kleid genehm. Ich helfe ihr beim Ankleiden, worum in ebenfalls schon Übung habe. Sie beschwert sich, dass die Korsage zu eng ist. Während sie sich umdreht, forme ich mit meinen Händen eine Geste, die sehr stark nach ersticken aussieht.

„Charlott?“ Erschrocken lasse ich die Hände sinken. Das kann sie unmöglich gesehen haben, oder? Trotzdem antworte ich mit unterwürfigstem Säuseln in der Stimme: „Ja, Herrin?“

„Mein Bruder kann mich heute nicht auf den Ball begleiten. Er ist zu beschäftigt. Du wirst mich begleiten und meine Anstandsdame sein.“ Ich glaube ich höre nicht recht. Anstandsdame? So ein Anstandswauwau ist eine Frau die ihre besten Jahre hinter sich hat und nichts anderes zu tun hat als jungen Leuten den Spaß zu verderben. Alles, absolut alles trifft nicht auf mich zu. Ich sehe aus wie eine Frau in der Blühte ihres Lebens, bin ein Sinnbild für jugendliche Schönheit. Außerdem würde ich niemals jemanden davon abhalten Spaß mit dem anderen Geschlecht zu haben. Nein, ich würde sie eher dazu anstacheln.

Irgendwie scheint Catherine gemerkt zu haben, wie wenig mir das passt. Ein böses kleines Lächeln ziert ihr Gesicht.

„Nun, antworte.“ Zähneknirschend senke ich den Blick. „Es ist mir eine Ehre, Herrin“

„Das will ich hoffen, denn es ist eine große Veranstaltung, bei der alle wichtigen Adelshäuser vertreten sein werden. Vielleicht wohnt die Queen selbst ihr bei.“

Die Queen? Sicher nicht. Die lässt sich doch nie in der Öffentlichkeit blicken. Aber ich äußere mich nicht dazu sonder antworte schlicht mit „Ja, Herrin. Wenn ihr erlaubt, würde ich mich jetzt ebenfalls umkleiden“

Catherine nickt nur und ich knickse und verlasse das Zimmer. Es geht mir wahnsinnig auf die Nerven, dass ich jetzt den Abend auf einem Ball verbringen muss. Dabei wollte ich doch heute Nacht meine Energiereserven auffrischen gehen. Aber Moment mal. Eine große Veranstaltung bedeutet viele Menschen. Viele Menschen bedeuten viele Männer. Viele Männer bedeuten reichlich Nahrung. Und ein großes Haus bedeutet viele dunkle Ecken zum Verzehr der Nahrung. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht.

Offenbar sollte ich heute doch noch auf meine Kosten kommen.
 

Solchermaßen aufgeheitert wähle ich ein Kleid, welches mit seiner meeresblauen Farbe und den schwarzen Borten meine türkisen Augen besonders zur Geltung bringt. Erwähnte ich bereits, dass alle Succubi und Inicubi türkise Augen haben?

Mit Genugtuung betrachte ich meinen perfekten Körper im Spiegel. Ich habe einen hellen Teint gewählt, da es in England als schick gilt, nicht gebräunt zu sein. Mein langes gewelltes Haar ist schwarz wie Pech und bildet einen schönen Kontrast zu meiner Haut. Die strahlenden türkisen Augen werden von dichten schwarzen Wimpern umrahmt und durch den dünnen Kohlestrich rund ums Auge besonders betont. Über meine Figur will ich gar nicht erst anfangen. Ich könnte mich stundenlang im Spiegel betrachten. Erwähnte ich, dass ich eins Sinnbild weiblicher Schönheit bin? Nein? Nun, ich bin es.

Als Accessoire wähle ich einen kleinen Hut in der Farbe des Kleides, schwarze, lange Handschuhe und nach einigem Zögern auch eine schlichte Brille, die mich zumindest ein wenig älter und strenger wirken lässt.

Mir ist völlig klar, dass neben mir meine Herrin (und alle anderen Frauen) erblassen werden.

Catherine Thomford ist zwar eine sehr hübsche junge Lady, mit seidigen, langen, braunen Haar und grünen Augen, sowie einer zierlichen Statur, wie sie Männer gerne haben, aber sie hat einen Makel. Sie ist ein Mensch. Und Menschen sind eben nicht perfekt. Das macht sie so widerlich menschlich.
 

Die Kutsche bringt uns zu einem gewaltigen Anwesen, das am Ende der Welt zu stehen scheint. Wir mussten mindestens eineinhalb Stunden auf einer unebenen Waldstraße fahren, bevor wir es auch nur annähernd erreicht hatten. Von der ewigen Fahrt durch den Vorgarten des Anwesens ganz zu schweigen. Der Bau selbst ist riesig. Wirklich riesig. Ich habe keine Ahnung, wie viele Leute da reinpassen. Aber offenbar ist der Gastgeber ein Mitglied der Royal Familie und augenscheinlich hat er genug Geld und Einfluss die wichtigsten Adeligen und Geschäftsmänner Englands hier zu versammeln.

Ich lasse mir nach meiner Herrin aus der Kutsche helfen und atme tief die milde Abendluft ein.

Etwas stimmt nicht. Es ist nicht nur das Wissen, dass ein Sturm im Kommen ist, nein, es ist etwas anderes. Eine Störung der Energiesphäre. Nein, mehrere. Succubi sind sehr feinfühlig, was die Präsenz anderer Wesen angeht.
 

„Herrin, etwas hier stimmt nicht“ flüstere ich.

„Dann ist es deine Aufgabe mich davor zu bewahren“ erhalte ich als Antwort.

Beunruhigt folge ich ihr ins Innere des Monsteranwesens. Es scheint für mich plötzlich wie ein riesiges Mausoleum auszusehen.

Diese Frau hat eine Begegnung

Der Wirbel im Gebäude lässt mich meine Unruhe vergessen. Ich strecke meine Sinne nach der Lebensenergie der Menschen aus. Aber es ist noch zu früh um zu speisen.

Folgsam trotte ich also meiner Herrin hinterher, grüße, nicke, und lächle, wenn meine Herrin in mädchenhaftes Gelächter über schlechte Scherze ausbricht. In meinem Kopf führe ich zwei Listen. Eine, auf der all meine „Snacks“ für heute Abend stehen und eine, auf der ich die Verzeichne, die ich für meine Herrin völlig auszehren werde. Sie hat mir nicht wirklich befohlen, Leute zu töten, aber als sie gedankenlos „Wenn ich noch von einem höre wie groß ich geworden bin, bringe ich ihn um“ gesagt hat, habe ich das als Befehl aufgefasst. Es ist ihre Schuld, wenn sie nicht aufpasst, was sie sagt, oder?
 

So lasse ich meinen Blick durch die gesichterlose Menge ziehen. Bis ich ihn sehe. Er steht da, völlig unscheinbar hinter seinem jungen Herren. Lediglich ein Butler, den keiner beachtet. Keiner außer mir. Denn er hat ein Gesicht. Er ist kein Mensch. Meinen Blick auf sich spürend dreht er sich zu mir. Seine Augen treffen meine vor Überraschung geweiteten, und ich meine eine Spur von Verwunderung zu sehen. Hat er mich erkannt? Ich jedenfalls konnte erkennen was er ist. Ein Dämon, ein Teufel unter Vertrag. Für mich, ein wandelnder Quell dunkler, besonders nahrhafter Energie. Pures Böses. Ich wende meinen Blick ab und lecke mir über die Lippen. Seit Jahrhunderten habe ich nicht mehr mit einem Dämon wie ihm verkehrt. Auf einer Skala der Schmackhaftigkeit und des Wohlgefühls von eins bis zehn ist er mindestens eine neun. Je nachdem, wie viel Erfahrung er hat. Ich kann fühlen, wie mein ganzer Körper vor Erwartung zittert und nach dieser Energie giert.

Aber kann es wirklich er sein, der die Energiesphäre so erschüttert? Unwahrscheinlich. Er ist ein Dämon mit einem Vertrag. Gekettet an menschliche Gestalt. Seine wahre Aura verborgen. Und unter all den Menschen nur zu finden, wenn man die Auren prüft. Wie ich es getan habe.
 

Gedanklich setze ich ihn ganz oben auf meine Liste und markiere ihn rot. Die junge Herrin wird zum Tanz aufgefordert. Natürlich nimmt sie an. Das ist mein Startschuss. Der Tanz wird ca. viereinhalb Minuten dauern. Viereinhalb Minuten um einem Mann das Leben zu verkürzen. Unauffällig mische ich mich unter die Menge und finde auch bald ein geeignetes Exemplar. Für lange Anmachphasen habe ich jetzt keine Zeit. Um diesen Dämon für mich zu gewinnen, muss ich tief in meine Trickkiste greifen. Und das kostet Energie.

Aber ich wäre nicht ein Succubus, wenn ich nicht meinen besonderen Blick hätte. Es reicht einem Mann in die Augen zu sehen, damit er mir zu Füßen liegt. Meine Augen weiten sich kurz und fangen leicht an zu leuchten, wodurch auch meine Aura kurz freigesetzt wird.

Anzüglich winkend verlasse ich den Saal. Meine Vorspeise folgt mir in die spärlich erhellten verlassenen Gänge des Anwesens.
 

Nach gut zweieinhalb Minuten lasse ich den bewusstlosen Körper zurück und mache mich auf den Rückweg. Das nenne ich Fast Food. Aber wenn es schnell gehen muss, muss ich ihn die Energie eben durch einen Kuss stehlen.

Vor der letzten Kurve zurück in den Saal fängt mein gesamter Körper an zu kribbeln.

Mein Mund öffnet sich zu einem tonlosen Lachen, als ich stehen bleibe.
 

Durch meine Reaktion aufgefordert, schält sich ein Butler mit rostroten Augen aus der Dunkelheit und tritt auf mich zu. Auf meinem Gesicht war ein anzügliches Lächeln zu sehen, und mein Körper fing an einen Duft zu verströmen, der Männer im Umkreis von 30m hätte mir zu Füßen werfen können. Aber vor mir steht auch kein gewöhnlicher Mann.

„Was kann ich für euch tun, Herr Butler“ Meine Stimme hat einen rauchig verführerischen Ton angenommen. Doch jener Butler quittiert meinen Versuch nur mit einem Lächeln.

„Ich soll euch von meinem jungen Herren ausrichten, dass ihr euch heute keine Männer einverleiben solltet. Dies ist eine Veranstaltung, die direkt mit der Queen in Verbindung gebracht werden kann und der junge Herr und ich sind verpflichtet ein Auge darauf zu haben, dass nichts passiert.“

Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite, trete nahe an ihn heran und lege meine Hände auf sein sorgfältig gebügeltes Jackett.

„Meint ihr nicht, ihr solltet den Abend lieber mit mir verbringen? Ich bin mir sicher ihr wisst, wie man eine Frau glücklich macht“ Das Glühen meiner Augen ist wieder da, diesmal intensiver. Mit Genugtuung beobachte ich, wie seine Augen ebenfalls in einem intensiven pink zu leuchten beginnen. Er hat also Probleme, mir zu widerstehen. Siegessicher lächle ich.

Doch dann schiebt er mich einfach von sich, und drückt mich mit einer Kraft die nur Dämonen wie er innehaben an den Armen gegen die Wand.

Sein Lächeln sieht mühsam aus.

„Ich denke das ist keine gute Idee. Schließlich bin ich dienstlich hier. Seht einfach zu, dass ihr eure Finger von den Gästen lasst.“

Meine Augen werden schmal. Mit einer Kraft die weder er noch ich mir zugetraut hätten, befreie ich mich aus seinem Griff. Meine Stimme ist jetzt erfüllt von einer Mischung aus Arroganz und Trotz. „Und wenn ich mich nicht daran halte?“ „Dann werde ich euch töten, Miss“. Das lässt mich innehalten. Im Kampf habe ich nicht wirklich eine Change gegen einen Dämon. Nun, vielleicht im Weglaufen. Ich bin sicher ich kann schneller fliegen als er laufen kann. Dennoch, einen Kampf sollte ich vermeiden. Um meine Unterlegenheit zu überspielen fauche ich : „Nun, wir werden sehen wer von uns am Ende das bekommt, was er möchte“
 

Dramatisch rausche ich zurück in den Ballsaal. Eigentlich sollte ihm klar sein, dass er gegen mich nicht verlieren wird. Aber an der Art, wie er mich behandelt hat, konnte ich erkennen, dass er noch nie wirklich einem Succubus begegnet ist. Und daher kennt er nicht das volle Ausmaß meine Kräfte. Es wird sich zeigen, wer von uns als letztes lachen wird.
 

Meine Herrin ist gerade mit ihrem Tanz fertig. Lautlos stelle ich mich hinter sie, als wäre all das nicht passiert.

Diese Frau sitzt fest

Irgendwie mustert mich meine Herrin komisch. Merkt man mir an, dass ich beunruhigt bin? Nein. Aber was ist es dann? Hat sie mich vermisst? Unwahrscheinlich. Oder?

Es zieht ein Sturm auf. Ich spüre ganz deutlich, dass es ein schreckliches Unwetter sein wird. Aber es scheint kein natürliches Unwetter zu sein. Diejenigen unter den Menschen, die ein leichtes Gespür für Gefahr besitzen, verlassen das Anwesen und suchen das Weite.

Ich fordere meine Herrin zum wiederholten Mal auf zu gehen. Aber sie ignoriert mich.

„Wenn es zu schlimm wird, dann übernachten wir eben hier“, sagt sie.

„Wenn ihr die Nacht überlebt“ sage ich. Natürlich zweifle ich nicht an meiner körperlichen Unversehrtheit. Aber sie ist eben nur ein Mensch.

„Dann befehle ich dir mich zu beschützen“, antwortet sie. Haha, das hätte sie wohl gerne. Ich bin kein Teufel mit einem Vertrag. (Wie ein gewisser Butler) Wenn es eng wird, werde ich das Weite suchen.

„Wie ihr wünscht“ erwidere ich. Nirgends steht geschrieben, dass ich mein Wort halten muss, nicht wahr. Trotzdem frage ich mich, ob ich bei so einem Sturm fliegen werde können. Äußert unangenehm ist das auf jeden Fall. Leicht frustriert pirsche ich mich ans Buffet und stopfe schmollend eine Sachertorte in mich hinein. Eine Spezialität aus Österreich, wie ich hörte. Nun, sie schmeckt vorzüglich.

Eigentlich essen wir Succubi nichts außer Lebensenergie, aber der Geschmack von Schokolade aller Art hat es mir angetan – ein weiterer Grund, warum ich mich als Succubus für alles durchschlage.

Offenbar leide ich an Verfolgungswahn, denn ich meine den hämischen Blick des Butlers auf mir zu spüren.
 

Um meine Pflicht nicht ganz so zu vernachlässigen, nehme ich mir ein Stück Torte und bringe es meiner Herrin. Sie spricht gerade mit einem Jungen, der ungefähr ihr Alter haben könnte. Sein strahlend blaues Auge und die Augenklappe, die das andere verdeckt, kann ich bis hier her erkennen. Moment. Seit wann fallen mir Augen von Menschen auf? Ich blicke näher hin und erkenne eine energetische Verbindung zu dem Butler, der hinter ihm steht. Ja, DER Butler. Augenscheinlich ist der Junge also die nächste Mahlzeit des Teufels.
 

Als ich bei meiner Herrin ankomme, lehnt sie das Stück Torte natürlich ab. Ich hätte mir die Mühe sparen können ein zartes Stück Torte durch eine Masse von Menschen zu bringen.

„Das ist Earl Ciel Phantomhive – die Firma Funtom könnte ein zukünftiger Partner unserer Firma sein.“, stellt mir Catherine den Jungen anstandshalber vor.

„Sehr erfreut, ich bin die Anstandsdame der jungen Lady“ begrüße ich ihn mit einem leichten Knicks. Er erwidert es mit einem nicken. Höre ich den Butler da hinter vorgehaltener Hand kichern? Oh, ich hoffe der Kleine quält ihn auch anständig. Am Blick des jungen Earls kann ich erkennen, dass sein Butler ihm meine wahre Identität enthüllt haben muss.

Leicht frustriert stopfe ich den Kuchen in mich hinein.
 

Plötzlich donnert es so laut, dass ich fürchte, das Gebäude könnte einstürzen. Vor Schreck stoße ich mir fast die Gabel durch den Hals. Der Regen fängt an wie ein Kreuzfeuer gegen die Scheibe zu schlagen. Ich versuche den peinlichen Vorfall zu überspielen, aber da eine leichte Panik herrscht, hat mich hoffentlich keiner gesehen…

Lächelnd beuge ich mich zu meiner Herrin hinunter.

„Nun, ich hatte euch gewarnt. Offenbar ist es nun zu spät. Ich werde zusehen, dass man euch ein Zimmer herrichten lässt.“ Catherine nickt, und ich bahne mir einen Weg durch die Gäste, um einen Diener damit zu beauftragen.
 

Da ich eine der Ersten bin, geleitet man mich sofort auf das Zimmer meiner Herrin.

Und da spüre ich sie. Ein Lächeln, das für einen menschlichen Mund viel zu breit ist, huscht über mein Gesicht. Es scheint, als würde das eine lange Nacht werden.

Diese Frau und der Butler

Als ich im Zimmer ankomme, sehe ich mich gründlich um. Keine versteckten Türen, keine allzu großen dunklen Ecken zum Verstecken. Perfekt. Ich verlasse das Zimmer wieder, um zu meiner Herrin zurückzukehren, jedoch nicht, ohne vorher das Zimmer zu versperren. Zwar meine ich, dass die Aura, dich ich gespürt habe keine Gefahr für meine Herrin sein wird, aber Succubus kann ja nie wissen.
 

Schon auf dem Weg zurück in den Saal merke ich, dass etwas nicht stimmt. Laute Stimmen und an mir vorbei eilende Diener sind nur zwei der Kennzeichen. Ich beschleunige meinen Schritt und gehe zu meiner Herrin, die am Rande der Menge steht. Sie ist unnatürlich blass.

„Was ist passiert?“ frage ich.

Anstatt Catherine antwortet mir der junge Earl: „ Eine Frau ist vollkommen aufgelöst hier hereingestürmt und hat behauptet ihr Mann sei tot. Und gerade eben ist ein weiterer Mann tot zusammengebrochen“ Dabei mustert er mich so komisch.

Ich ziehe meine Mundwinkel leicht nach unten.

„Nun, ich habe niemanden ermordet, falls ihr darauf anspielt“ kontere ich. Offenbar erstaunt ihn meine Offenheit, denn er gibt ein „hmmm“ von sich und wendet den Blick ab.
 

Catherine schwankt leicht. Vorsichtig, weil sie plötzlich so zerbrechlich wirkt, stütze ich sie an den Schultern.

„Miss, ich finde, ihr solltet jetzt etwas zu euch nehmen und euch dann in das Zimmer zurückziehen, das ich euch herrichten lassen habe. Ein glasiger Blick, den ich von ihr gar nicht kenne, sieht mir entgegen.

„Und wenn mich auch jemand in diesem abgelegenen Zimmer ermordet?“ Ihre Stimme klingt so dünn.

„Ausgeschlossen, Miss, ich kann euch versichern, dass für euch keinerlei Gefahr besteht.“ Meine Herrin nickt wie in Trance und ich schiebe sie Richtung Buffet, damit sie etwas zu sich nimmt.
 

Es hat zwar ein wenig gedauert, doch schließlich habe ich meiner Herrin etwas Nahrung zuführen können. Nun, ich gebe zu, dass ich keine Ahnung habe wie viel Essen so ein junges Fräulein braucht, aber mit Kuchen kann man nichts falsch machen, oder?

Sorgsam decke ich meine Herrin zu und warte, bis sie schläft.

Dann verlasse ich leise das Zimmer, nicht ohne wieder hinter mir zu zusperren.
 

Mein Ziel ist der Raum, in dem der erste Mann ermordet wurde. Es ist spät in der Nacht, eigentlich schon früh am nächsten Morgen, also rechne ich nicht damit, dass ich auf jemanden treffe.

Recht schnell habe ich das Zimmer gefunden. Man hat die Leiche zwar sorgsam entfernt, doch der Geruch dieses Wesens ist immer noch da. Ich weiß eigentlich nicht so genau, was ich hier erwarte. Die Spur ist zwar frisch, aber der Täter hat sich wieder in seinen Schlupfwinkel verzogen. Momentan kann ich keine fremde Energie spüren. Eigentlich hätte es sich in einem der Nebenzimmer verstecken können, denn keiner will in einem Zimmer in diesem Gang übernachten. Aber das tut es nicht.
 

Plötzlich nehme ich eine vertraute Energie hinter mir wahr. Mein ganzer Körper versetzt sich in Erwartungshaltung.
 

„Ich nehme an ihr wisst, wer der Täter ist“ höre die dunkle Stimme des Butlers hinter mir.

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, doch ich drehe mich nicht um.

„Und ihr wisst, dass ich euch das nicht einfach so verraten werde“
 

Innerhalb von Sekunden steht er hinter mir, sein Körper nah an meinem und streicht mit den Händen die Linien meines Körpers nach.

„Ich denke, dagegen kann ich etwas tun. Was wünscht ihr als erstes?“ flüstert er verführerisch in mein Ohr. Ein leichtes Schaudern überkommt meinen Körper. Menschliche Körper sind ja so empfindlich.

„Nun, ich finde ihr solltet mir erst einmal schmeicheln. Schließlich wart ihr sehr rüde zu mir. Dann werden wir weiter sehen“ erwidere ich mit rauchiger Stimme. Er lacht leise.

Aber ich habe nicht vor, es ihm einfach zu machen.
 

„Ihr seid wunderschön“

„Diesen Körper habe ich erschaffen, ich kann ihn auch jederzeit verändern.“

„Dann habt ihr einen wundervollen Geschmack“

„Charlott ist ein erlesener Name – eurer Gestalt ebenbürtig“

„Menschenamen sind allesamt grauenhaft, versucht etwas anderes“

„Hmm..Nun, wie lautet euer wahrer Name?“

„Siahrà al’ Sul’ aik’ à Fèrn“ Meine Stimme klingt stolz.

„Sehr passend. Wie der blutrote Mond der anderen Welt. Wie ein wundervolles Gedicht. Ihr müsst viele Neider haben“

Jetzt bin ich es die lacht. Ich werde ihm einfach ein bisschen seiner Energie stehlen

„Also gut, ihr habt mich überzeugt, kommen wir zur Sache“

Mit diesen Worten drehe ich mich zu ihm, greife seine Krawatte und lasse mich mit ihm aufs Bett fallen.

Diese Frau wird verfolgt

„Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt, nun seid ihr dran“

Die Stimme des Butlers stört meine Ruhe. Ich öffne meine Augen leicht und sehe in seine rostroten Augen.

„Ihr seid kein Genießer, hmmm?“ „Nicht wenn ich einen Auftrag meines Herren erfülle“ antwortet er.

Seufzend richte ich mich auf. Mein ganzer Körper prickelt vor frischer dämonischer Energie und die Gegend unter meiner Hüfte fühlt sich traumhaft an.

„Also gut, was wollt ihr wissen?“

„Ich kann erkennen, dass sich etwas uns ähnliches hier bewegt, aber ich kann es nicht definieren.“ beginnt er.

„Lamien“ antworte ich, steige aus dem Bett und suche meine Kleidung zusammen. „Lamien“ wiederholt er. „Wesen die ihre Beute verführen und aussaugen. Wie Succubi.“

Mir entfährt ein empörtes Zischen. „Vergleicht uns nicht mit diesen unkultivierten Biestern. Erstes, wir Succubi haben weit mehr Stil, zweitens haben wir keinen Schlangenleib und drittens saugen wir Lebensenergie. Nicht Blut. Also sind Lamia eher Vampire als Succubi. Obwohl das auch wieder etwas ganz anderes ist. Überhaupt gibt es eine MENGE Unterschiede zwischen Succubi und Lamia.“

Sebastian nickt und starrt nachdenklich einen Punkt im Raum an. Ich bin immer noch wütend.

„Ihr könntet mir helfen mein Korsett zuzubinden, nachdem ihr es schon öffnen musstet“ fahre ich ihn an.

„Natürlich.“ Höflich wie es seine Art ist verbeugt er sich leicht und macht sich daran das Korsett zu schnüren .Er ist wieder vollständig bekleidet. Ich habe gar nicht mitbekommen wann er sich angezogen hat.

Zwar zieht er so fest, dass ich glaube er will mir das Kreuz brechen, aber ich sage nichts.

„Ich habe noch nie Lamia getroffen, aber sollten die nicht eher in Griechenland beheimatet sein?“ fragt er, während er immer fest an den Schnüren zieht.

„Keine Ahnung wie die hierher kommen. Vielleicht zufällig auf ein Schiff geraten. Oder absichtlich. Lamia können durchaus menschliche Gestalt annehmen.“

„Die? Dann geht ihr davon aus, dass es mehrere sind?“ er wirkt überrascht.

„Schon möglich. Ich würde mich nicht allein in ein fremdes Land wagen.“

Sebastian hat seine Erstickungsversuche an mir beendet und reicht mir mein Kleid. Ich ziehe es über.

Plötzlich fängt er an mir auf die Nerven zu gehen. Ich habe doch was ich wollte, oder nicht?

„An eurer Stelle würde ich mir Sorgen um meinen jungen Herren machen. Junge hübsche Männer und Knaben sind bevorzugte Beute“

Seine Augen weiten sich kurz, als er die Logik hinter meiner Aussage erkennt.

„Ich darf mich nun empfehlen“ er verbeugt sich leicht und verlässt den Raum mit einem Tempo, dass ein Mensch niemals haben könnte.
 

Seufzend lege ich meine Accessoires an und verlasse ebenfalls das Zimmer.
 

Auf dem Weg zum Raum meiner Herrin denke ich noch einmal über das Geschehene nach. Und ich denke, ich kann mit Recht behaupten, dass es 1:0 für mich steht. Zwar hat der Butler auch bekommen was er wollte, aber schließlich wollte ich von Anfang an seine Energie. Also habe ich gewonnen. Auch wenn es nie ein Spiel gab. Egal.
 

Solchermaßen mich selbst lobend hätte ich fast die Klaue übersehen, die mit rasender Geschwindigkeit auf meine Brust zielt. Ich hechte zur Seite und verdanke es nur Sebastians Energie in mir, dass ich entkam. Die gelben Augen mit den schlitzförmigen Pupillen und der Mund mit der gespaltenen Zunge erinnern mich daran, dass ich hier nicht alleine bin. Ich raffe den Saum meines Kleides und sprinte in die andere Richtung, nur weg von dem Lamia.

Wahrscheinlich ist das keine heldenhafte Reaktion. Wäre ich eine echte Heldin (oder lediglich ein gewisser Butler) hätte ich einen coolen Spruch Marke „Ich werde meine Herrin vor euch Ungeziefer beschützen“ von mir gegeben und mich auf sie geworfen. Aber ich kann mir vorstellen, dass wenn ich hier und jetzt meine Krallen ausgefahren und mit den Biest gekämpft hätte, vielleicht eine Zweite von der Sorte mich von hinten angegriffen hätte.

Und mit zwei schnelleren Gegnern werde ich eher nicht fertig.
 

Das liegt nur daran, dass ich mich in dem Korsett kaum bewegen kann. Es ist zu eng. Genau. Der Butler ist an allem Schuld. Ich bin nicht nur einfach feige. Diese Gewissheit ermutigt mich, auch wenn ich dicht auf meinen Fersen auf schuppiges Biest habe.
 

Wieso ist die eigentlich hinter mir her? Hier laufen genug Männer herum. Und ich bin noch nicht einmal ein Mensch mit normalem Blut.

So einen Menschen zu fressen wäre doch viel einfacher.

Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. – was jetzt irgendwie ironisch klingt- Sie sind hinter mir her, weil ich voll mit dämonischer Energie bin. Die würde sogar Lamia enorm stärker machen.

Aber da haben sie sich geschnitten. Meine Mahlzeit gebe ich nicht her, und ich teile nicht.

Ich gebe noch einmal richtig Gas, um einen größeren Abstand zwischen uns zu bringen.

Wieso ist die bloß so verdammt schnell? Ich bin keine Läuferin, und langsam bekomme ich Seitenstechen (natürlich ist das Korsett schuld)
 

Schlitternd biege ich in einen Gang, von dem ich weiß, dass in einem Zimmer ein besonders nahrhafter Mann schläft. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lamia und Succubi ihre Opfer nach den selben Kriterien aussuchen. Schließlich waren die ersten Opfer der Lamia auch weit oben auf meiner to-eat Liste.
 

Aus den Augenwinkeln merke ich, wie die Lamia auf den Mann aufmerksam wird. Ich nutze den Moment, lege an Tempo zu und hechte durch das geschlossene Fenster.

Der Lärm den diese Aktion macht, weckt wahrscheinlich das ganze Anwesen.

Diese Frau hasst Regen

Erwähnte ich, dass ich Regen hasse? Nein? Nun, jetzt weißt du es.

Besonders Unwetter. Der Regen peitscht gegen meinen wundervollen Körper und ich habe Probleme mich in der Luft zu halten. Als ich meine Flügel – ich würde es aber eher als lederne Schwingen bezeichnen, da Flügel so engelhaft sind - geöffnet habe, haben sie zwei große Schlitze in meinem teuren Kleid hinterlassen.

Das ist nicht nur ärgerlich, dass ist richtig, richtig mies. Bei dem, was ich als Gehalt bekomme kann ich monatelang arbeiten, bis ich mir ein neues Kleid kaufen kann. Oder ich verführ einen Edelmann und zwinge ihn mir ein Neues schneidern zu lassen. Succubus hat ja Möglichkeiten.

Zähneknirschend umrunde ich das Gebäude und suche nach dem Fenster meiner Herrin. Die Lamia ist mir nicht mehr auf den Fersen. Wenigstens etwas. Aber wenn ich die Entscheidung zwischen einem Sprung in einen Sturm aus dem dritten Stock und einem köstlichen Mann hätte, würde ich auch kaum überlegen müssen.

Bei dem Wetter kann ich auf jeden Fall nicht das Weite suchen. Der Sturm würde mich zwar nicht umbringen, aber so wie es Blitzt und stürmt, kann ich auf keinen Fall wegfliegen.

Da bleibe ich lieber in diesem verdammten Anwesen.
 

Leider muss ich zugeben, dass ich nicht weiß in welchem Zimmer meine Herrin genau ist.

Dritter Stock irgendwo in der Mitte ist eben keine allzu gute Wegbeschreibung, wenn man ein Zimmer in so einem riesigen Gebäude finden will-

Langsam gleite ich von einer dunklen Scheibe zur Nächsten und spähe hinein, als sich neben mir ein Fenster öffnet. Verwundert steige ich auf den Sims und blicke in die Augen den Butlers, der aussieht, als würde er jeden Moment einen Lachanfall bekommen.

Wortlos springe ich in das Zimmer. Er schließt das Fenster hinter mir.
 

Am Blick des jungen Earl erkenne ich, dass ich wahrscheinlich kein freundlicher Anblick bin. Langsam lasse ich meine Flügel wieder verschwinden und versuche meine Augen wieder normal aussehen zu lassen. Der Butler legt mir eine Decke über meinen wundervollen aber leider völlig nassen Körper. Seufzend bemerke ich dass am Boden unter mir bereits eine Pfütze ist. Und, dass fällt mir gerade auf, ich seufze heute sehr viel. Normalerweise ist das nicht so. Aber was ist schon normal?
 

„Was machst du bei diesem Wetter draußen?“ meldet sich Ciel zu Wort.

„Frische Luft schnappen, mir war so heiß.“ Ich funkle ihn böse an. Dann hole ich tief Luft, denke an mein Anti-Aggressionstraining und antworte diesmal ohne sarkastischen Unterton.

„Ich habe eine Lamia abgeschüttelt.“

„Und deswegen musstet ihr ein Fenster zertrümmern? Nicht sehr damenhaft.“ Kommt es von Sebastian. Das Bedürfnis ihn zu erwürgen ist enorm. Eigentlich hätte der Blick, den ich ihm zugeworfen habe, ihn töten sollen. Aber leider können Blicke immer noch nicht töten.

„Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich muss mich mit meiner Herrin verbarrikadieren – eeehmm…unterhalten.“ Erhobenen Hauptes schreite ich auf die Tür zu.

„Wäre es nicht besser wenn ihr euch uns anschließen würdet? Damit wäre auch eure Herrin schneller in Sicherheit.“ Wirft Sebastian ein als er mir den Weg zur Tür mit einem viel zu freundlichem Lächeln versperrt.

Ich werfe ihm einen bösen Blick zu. Da er nicht zulässt, dass ich mich an ihm ohne Antwort vorbeidränge, sage ich: „Ich werde mit ihr darüber reden.“
 

Dann schlüpfe ich aus der Tür und gehe zum Zimmer meiner Herrin.

Diese Frau ist trotzig

Zu meiner Verwunderung ist meine Herrin wach, als ich in ihr Zimmer komme. Ihre Augen glänzen dunkel als sie mich fragt wo ich gewesen bin. Seufzend erzähle ich ihr von meiner nächtlichen Exkursion, wobei ich mein Tete-a-tete mit Sebastian verschweige. Sie muss ja nicht alles wissen, oder?

Als ich ihr von dem Vorschlag des Earls – oder vielmehr seines Butlers – erzähle, stimmt sie zu meinem Ärger zu.

„Ich halte es für eine gute Idee, wenn du dich ihnen anschließt. Währenddessen werde ich hier warten.“ Mit diesen Worten zieht Catherine eine Pistole unter ihrem Kissen hervor. Wo hatte sie die bloß her? Ich habe ihr auf jeden Fall keine eingepackt. Es scheint mir auch nicht richtig, dass ein Mädchen mit einer Waffe auf einen Ball fährt. Catherine scheint meinen Blick bemerkt zu haben, denn ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.

„Wundert es dich, Charlott?“ fragt die mit eben erwähntem zweideutigem Grinsen.

„Nein, Miss, nichts anderes hätte ich von euch erwartet“ antworte ich ihr.

Was in gewisser Weise auch stimmt. Von einer Minderjährigen die ihre Verwandtschaft so nebenbei von einem Succubus ausrotten lässt, ist es auch zu erwarten, dass sie plötzlich eine Schusswaffe aus dem Kissen holt.

„Worauf wartest du? Besseres Wetter? Geh schon und erledige den Auftrag.“ Befiehlt sie mir mit – für meinen Geschmack – zu strengem Ton.

Sklaventreiberin, denke ich.

„Sehr wohl, Herrin“ sage ich.

Ohne besondere Eile verlasse ich das Zimmer. Als die Tür hinter mir zufällt, höre ich wie meine Herrin den Schlüssel im Schloss umdreht.

„Das kann ja heiter werden“ murmle ich vor mich hin, als ich mich anschicke, den Butler und seinen jungen Herren zu suchen.
 

Bedauerlicher Weise habe ich sie recht schnell gefunden. Sie suchen den zweiten Stock nach den Lamia ab. Wortlos geselle ich mich zu ihnen und trotte lustlos hinter dem jungen Earl her. Die Beiden würdigen mich ebenfalls nur eines kurzen Blickes, und Ciel nicht ausdruckslos, als ich mich hinter ihn stelle. Die Letzte dieses seltsamen Marsches zu sein scheint mir am Sichersten. Wenn sich etwas von hinten nähert – und das würde ich diesmal merken, da ich meiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit schenke – könnte ich mich im letzten Moment noch aus der Bahn werfen, und der Butler würde sich um den Angreifer kümmern, der seinen Herren angreift. Kommt der Angriff von vorne, droht mir sowieso keine Gefahr.
 

Aber der Angriff bleibt aus. Kaum ein Laut außer unseren Schritten ist zu hören und von den Lamia ist weit und breit keine Spur.

„Wir sollten oben weitersuchen“ verkündet Ciel und deutet auf eine Stiege, die augenscheinlich auf den dritten Stock, den Dachboden des Anwesens führt.

„Verstanden“ antwortet Sebastian und beginnt die Stufen der Wendeltreppe zu erklimmen.

Ciel folgt ihm. Angesichts, der knarrenden Treppe und der Energiespuren der Lamia, die ganze eindeutig nach oben führen, beschließe ich hier zu warten. Im Notfall sage ich eben, ich hätte sie aus den Augen verloren und wäre weitergelaufen. Als die beiden bemerken, dass ich ihnen nicht folge, bleiben sie jedoch stehen.

Mist. So viel zum Thema unbemerkt abhauen.

„Worauf wartet ihr“ fährt mich der junge Earl unwirsch an.

„Ich denke jemand sollte hier unten bleiben und sicherstellen, dass kein Lamia herunterkommt…oder hinauf. Außerdem bin ich nicht wirklich…ein Kämpfer. Meine feinen Sinne sind hier viel nützlicher.“ Das freundlichste Lächeln, das ich zustande bringe, ziert mein Gesicht.

„Aber nicht doch“ antwortet der schwarze Butler mit seinem viel zu freundlichem Lächeln. „Wir brauchen eure Sinne hier mehr als unten. Ja, ich würde sogar sagen ihr solltet vorgehen.“ Er tritt zur Seite und deutet mit der Hand an, dass ich vor ihn treten soll. Oh ja, ich hasse ihn. Ich bin mir sicher er macht das absichtlich, damit ich umkomme und er es als „Unfall“ absegnen kann.

„Ihr habt doch wohl keine Angst, Miss Charlott?“ fährt er fort, als er mein Zögern bemerkt.

„Natürlich nicht“ fauche ich. Mit trotzig zusammengepressten Lippen stampfe ich die Stiege hinauf, bis ich vor ihm bin.

„Und bitte trampelt nicht so, ihr weckt noch das ganze Anwesen auf“

Ciel stößt ein amüsiertes Schnauben aus. Wenn er nicht ein Teufel wäre – und mir somit im Frau gegen Mann Kampf weit überlegen, ich hätte ihn jetzt wirklich umgebracht.

Stattdessen drehe ich mich so schwungvoll um, dass er meinem nach hinten peitschendem Haar ausweichen muss, und husche lautlos die Stiege hinauf.
 

Der Eingang zum Dachboden ist durch eine Tür versperrt, jedoch ist diese Tür nicht verschlossen. In höchster Alarmbereitschaft drehe ich den Türknauf und betrete den Dachboden.

Das Licht der Kerzenhalter, die Sebastian und ich tragen erhellt nur einen kleinen Teil des riesigen Obergeschosses. Es ist etwas niederer als die anderen Stockwerke, dafür allerdings ohne Wände. Durch die kleinen Fenster fällt untertags kaum Licht herein, jetzt erhellen nur kurz Blitze den endlos scheinenden Raum und geben schemenhafte Bilder von Stühlen, Schränken und dergleichen frei.
 

Wenn uns hier wer auflauert ist er klar im Vorteil. Und ich zweifle nicht daran, dass uns wer auflauert.

Diese Frau hasst Kämpfe

Ich darf meine Lage zusammenfassen: Gemeinsam mit einem Butler, der ein Teufel ist, und seinem Herren, der eigentlich viel zu jung ist, stehe ich auf einem Dachboden eines riesigen Anwesens, wo wir jederzeit von Lamia überfallen werden könnten. Zu allem Überfluss regnet es draußen in Strömen, und der Wind ist so stark, dass ich nicht einmal das Weite suchen könnte. Von den Blitzen die rund um uns einschlagen und dem Donner ganz zu schweigen.
 

Es ist nicht das erste Mal in den letzten zehn Stunden, dass ich mich um meine körperliche Unversehrtheit sorge. Vorsichtshalber reiche ich meinen Kerzenständer dem jungen Earl, damit ich beide Hände frei habe, wenn ich mich verteidigen muss.

„Nehmt ihr ihn, ich habe eine gute Nachtsicht, ihr braucht ihn bestimmt dringender“

Ciel mustert mich kurz, als wollte er eine böse Absicht dahinter entdecken, nimmt den Leuchter aber trotzdem entgegen. Mir fällt auf, dass er eine Pistole bei sich trägt.

Das erinnert mich ziemlich an meine junge Herrin. Ich muss schmunzeln.
 

Der Dachboden teilt sich nun in zwei Hälften. Ein Raum rechts, einer links. Der Butler wendet sich nach rechts. Ciel und ich folgen ihm.

„Vielleicht solltet ihr dort drüben suchen, anstatt so an mir zu kleben“ bemerkt Sebastian schmunzelnd.

„Wie ihr meint“ Ihn böse anfunkelnd entferne ich mich etwas von den Beiden.

Langsam gehe ich in die linke Hälfte, alle meine Sinne zum zerreisen angespannt. Leise verfluche ich den Butler. Sollte ich hier sterben, wird mein Geist ihn ewig verfolgen…oder so ähnlich.

Während ich mich immer weiter von den beiden, und somit auch von einer gewissen Sicherheit entferne, streife ich meine Handschuhe ab und stopfe sie mir - behelfsmäßig – ins Dekolletee. Denn wenn ich meine einzige Waffe – meine langen Nägel – ausfahre, dann möchte ich nicht auch noch meine Handschuhe ruinieren.

Mein Blick streif alte Gemälde, Kästen, Geschirr, Stühle, Tische, Bettwäsche, Schlangenaugen die im Blitzlicht funkeln….Schlangenaugen? Meine Augen weiten sich vor Schreck, als ich dem von oben vorschnellenden Lamia ausweiche. Ich sehe meinen Angreifer am Boden landen, fahre meine Klauen aus und ramme sie ihr tief in die Schulter, bevor sie sich wieder aufrichten kann. Der Schrei, den sie ausstößt, bekommt von mir auf einer Schauder-Skala eine 11 von 10. Ich ziehe meine 30cm langen Nägel aus ihr heraus, drehe mich um und sprinte zurück, in der Hoffnung, den Butler zu erreichen. Er hat den Schrei bestimmt gehört.

Weit komme ich allerdings nicht, denn mein Fluchtweg wird von einem weiteren Lamia versperrt, die sich wütend zischend auf mich stürzt. Im letzten Moment kann ich ihr ausweichen, muss allerdings mit ansehen, wie in den vorderen Teil meines Kleides ein großes Loch gerissen wird.

Ich will zum Gegenschlag ausholen, als mich von hinten die erste Lamia überfällt, und ihre Zähne tief in meine linke Hüpfte gräbt. Diesmal bin ich es, die schreit, als sie zu Boden fällt.

Die zweite Lamia holt zum vernichtenden Schlag aus, als plötzlich durchs Dach eine Person bricht, mit langem wehendem roten Haar, hohen Absätzen und einem furchtbar Laut surrenden Geräusch, dass mit sofort Kopfschmerzen verursacht. Erwähnte Person trennt meiner Fast-Mörderin den Kopf von den Schultern. Die Lamia, die ihre Zähne in meiner Hüfte hatte, lässt los und sucht das Weite.

„Was für eine schöne Farbe“ säuselt der Neuankömmling, als er sich zu mir runter bückt und seinen schwarzen Handschuh in mein rotes Blut taucht.

Ein Blitz erhellt wieder den Raum. Ich kann nun sein Gesicht sehen. Ein breiter Mund mit spitzen Zähnen, rote Brille, grellgrüne Augen. Ein Shinigami. Aber nicht irgendein Shinigami. Sondern ein alter Bekannter.

„So sieht man sich wieder, Grell Sutcliff“

Der Genannte sieht auf und mustert mich eingehen. Als er mich erkennt, ziert ein breites Grinsen sein Gesicht.

„Ah, Siahrà al’ Sul’ aik’ à Fèrn, was für ein Zufall. Bei unserer letzten Begegnung hast du ganz anders ausgesehen. Aber deine Augen sind immer noch die gleichen. Du warst so wundervoll rot gekleidet. Obwohl ich zugeben muss, dein Blut steht dir auch nicht schlecht.“

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und stehe langsam auf. Dank der dämonischen Energie, die ich von Sebastian erhalten habe, ist meine Wunde bereits wieder fast verheilt. Nur mein Kleid ist immer noch kaputt.

„Es ist interessant. Immer wenn ich glaube ich habe einen langweiligen Auftrag, tauchst du auf. Was machst du hier überhaupt? In menschlicher Gestalt auf Dachböden herumzuirren scheint mir nicht typisch für dich.“ Er legt den Kopf zur Seite und mustert mich nochmals, immer noch ein breites Grinsen zeigend.

„Langweile. Ich habe mir eine Herrin gesucht. Es ist ganz amüsant, in der menschlichen Gesellschaft mitzumischen. Und auf solchen Bällen sind ja reichlich Männer für mich“

Der rote Shinigami kichert.

„Meinst du es ist ein Hübscher für mich dabei?“

Ich überlege kurz. Und dann kommt mir der perfekte Racheplan in den Sinn.

„Oh, da ist ein ziemlich süßer Butler, der ist bestimmt dein Typ. Er ist mit seinem jungen Herren hier. Sein Name ist Sebastian“ antworte ich, das Lachen in meiner Stimme kaum zurückhaltend. Was auch immer ich als Reaktion erwartet habe, das nicht.

Grell springt auf, packt mich an den Schulter, schüttelt mich und ruft:

„Mein geliebter Sebastian ist hier? Der zukünftige Vater meiner Kinder? Wo ist er? Sag’s mir, saaag`s mir! Mein Körper hungert nach seiner Liebe!“

Unter seinem flammenden Blick erstarrt bringe ich kein Wort heraus, sondern deute nur in die Richtung, in die Sebastian und Ciel verschwunden sind.

„Oh, mein Körper ist heiß vor Erwartung!“ schreit Grell, dreht eine Pirouette, schnappt sich seine Säge und stürmt los.

Da ich nicht allein zurückbleiben will, sprinte ich hinterher. Während ich laufe fange ich laut an zu lachen. Wenn Grell in fahrt ist, kann das für das Opfer seiner Liebe höchst anstrengend sein. Und Sebastian scheint mir nicht der Typ zu sein, der so etwas mag.

Es scheint unterhaltsam zu werden.

Diese Frau und der Shinigami

Als ich Grell endlich einhole, und somit wieder auf Sebastian und Ciel treffe, muss ich all meine Kraft aufbieten, um nicht lachend auf den Boden zu sinken.

Was mich so zum Lachen bringt sind nicht die leicht anstößigen Bewegungen des Shinigamis oder seine wilden Liebesbekundungen, sondern es ist der Gesichtsausdruck des Butlers.

Statt dem widerlich freundlichem Lächeln, mit dem er allen ständig begegnet, ziert ein angewidert überraschter Ausdruck auf seinem schmalen Gesicht.
 

Rüde von Sebastian abgewiesen greift Grell zu seiner Waffe und fängt an, wahllos auf den Butler einzuschneiden, der aber immer wieder geschickt ausweicht. Grell scheint es nicht besonders ernst zu meinen, denn Sebastian hat sogar die Zeit, mir einen verärgerten Blick zuzuwerfen.

„Woher kennst du den Spinner?“

„Huh?“ Ich drehe mich nach Ciel um, der mich angesprochen hat.

Dieser sieht mich nach einer Antwort fordern an.

„Ahh, der ehrenwerte Mr. Sutcliff.“ Meine Worte triefen vor Sarkasmus.

„Wir haben uns vor langer Zeit kennen gelernt, da waren wahrscheinlich noch nicht einmal eure Großeltern auf der Welt, junger Earl. Ich hatte es auf einen Mann abgesehen, und Mr. Sutcliff wollte es verhindern. Als er dann den Mann gesehen hat, wollte er ihn mir ausspannen. Wir haben gestritten, er wollte mich umbringen, ich wollte ihn verführen, und dann hat er mich verfolgt – ähnlich wie Sebastian jetzt. Irgendwie sind wir dann ins Gespräch gekommen.“

Ciel nickt nur. Ich denke gerne an meine Treffen mit Grell zurück, besonders an das Erste.

Man kann eine Menge Spaß mit diesen zügellosen Perversen haben. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut. Obwohl unsere Treffen meist in einem Kampf um Leben und Tod enden, - will heißen, er schlägt zu, ich weiche aus und versuche meine Reize einzusetzen.

Wenn ich jetzt sehe wie er hinter dem Butler her ist, kann ich nur hoffen, dass es nicht meine Schuld ist, dass er Männer Frauen vorzieht.

Na, wie auch immer.
 

Grell landet mit dem Gesicht voran am Holzboden, Sebastian landet geschmeidig daneben.

Er hat sein lästiges Grinsen wieder gefunden.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr hier seid, um die Lamia zu töten, die Menschen umbringen, deren Zeit noch nicht gekommen ist, Mr. Grell?“ fragt Sebastian.

Sein Tonfall ist absichtlich so charmant, und dass kostet ihn das sehr viel Mühe, wie ich grinsend feststelle.

Der rothaarige Exzentriker steht auf, schmiegt sich an den Butler, tippt ihm mit dem Finger auf die Brust und schnurrt: „Jetzt, wo du das bist, ist ~Fei-er-a-ben-d~“

Ich meine den Schauder des Teufels sogar aus dieser Entfernung zu sehen.

Die Nase rümpfend rückt Sebastian ab.

„Ich bin im Dienst, und ich bitte euch zum wiederholten Mal, derartige Abscheulichkeiten sein zu lassen“

„Du bist so ein Spießer, Bastilein“

Um das Lachen zu unterdrücken beiße ich mir auf die Unterlippe.

„Was dein Geliebter damit sagen möchte, Grell, ist, dass er sich nichts schöneres Vorstellen könnte, als mit dir die Lamia zu vernichten“ werfe ich ein.

Der Blick, den ich vom Butler für die Bemerkung bekomme, könnte eine ganze Armee in die Flucht schlagen.

Der Shinigami ist sofort Feuer und Flamme.

„Aaah, wir sind zwei Liebende, die eine Schlacht zu schlagen haben, um glücklich zu werden“ Er beginnt wieder kryptische Bewegungen mit seinem Körper zu machen und sein Gesicht wird wieder rot.

„Na also, worauf warten wir dann noch. Lasst uns das schnell abschließen?“ meldet sich Ciel zu Wort

„Sehr wohl, junger Herr“

„Da kann ich nur zustimmen“

„Bastilein, mein süßes Bastilein, ich werde dir überall hin folgen…bis zu deinem Tod“
 

Und damit setzen wir unsere Jagd fort.

Diese Frau hat feine Sinne

„Es scheint, als wäre kein Lamia mehr am Dachboden“ bemerkt Sebastian, als wir unseren Rundgang beendet haben.

„Dann lasst uns unten weitersuchen“ Ciel wendet sich zur Tür, die in das untere Stockwerk führt.

Ich runzle die Stirn. (Das tue ich nicht oft, denn ich will keine Falten bekommen.)

„Offenbar hat es wieder ein Opfer gegeben“

Der Butler und sein Herr drehen sich zu mir um.

„Du kannst es spüren?“

„Mehr oder weniger…es hat eine Veränderung in der Energiesphäre gegeben. Warum auch immer“

„Aahh, Will wird mich umbringen, wenn noch mehr Seelen gestohlen werden.“ Jammert Grell, die breiten Mundwinkel nach unten verzogen.

Ich klopfe ihm halbherzig auf die Schultern.

„Dann wendet er dir mehr Aufmerksamkeit zu. Das ist doch auch etwas, oder?“

Der Shinigami gibt einen Laut von sich, der entfernt nach einem Schnurren klingt.

Zusammen folgen wir Sebastian und Ciel in das untere Geschoss.

Der Lärm ist bereits von oben zu hören.

Als wir ankommen, ist Sebastian verschwunden.

„Huh?.. Wohin ist mein Bastilein gegangen?“ Grell sieht sich nach allen Seiten um.

„Ich habe ihm befohlen nachzusehen was geschehen ist.“ Erklärt der junge Earl kurz angebunden.

Wenige Minuten später taucht besagter vermisster Butler wieder auf. Gekonnt weicht er Grell aus, der versucht ihn zu umarmen.

„Während wir oben waren, hat es drei weitere Tote gegeben, davon einer aus der Dienerschaft. Sie sind alle männlich. Außerdem konnte ich in Erfahrung bringen, dass bereits vor der Feier Bedienstete verschwunden sind. Das legt die Vermutung nahe, dass die Lamia bereits vorher hier waren. Ich schlage vor, wie sehen uns den Keller an“

Ciel nickt und bedeutet uns mit einer Handbewegung ihm zu folgen.

Irgendwie komme ich mir vor wie ein Hund, der seinem Herrchen überall mit hin folgt. Dabei begleite ich die Beiden doch nicht einmal freiwillig!
 

Anders als ich scheint Grell motiviert zu sein, denn er stürmt an uns vorbei, die Treppe hinunter, in Richtung Keller.
 

Vor der Tür des Kellers, die, falls es ein Klischee für eine Kellertür gibt, alle erfüllt, scheint es mir, als würde ich einen sechsten oder siebten Sinn für Gefahr in mir entdecken. Alles schreit danach, ganz schnell das Weite zu suchen.

Sebastian scheint mein Zögern bemerkt zu haben, denn er hält mir die Tür auf, sodass ich keine andere Wahl habe, als vor ihm hinein zu gehen. Oh, wie ich diesen Teufel hasse.
 

Zu allem Überfluss schließt er die schwere Kellertür hinter sich.

Als er betont lässig mit den Fingern schnippt, gehen einzeln verteilte Kerzenleuchter im Keller an.
 

Der rothaarige Shinigami hat sich bereits tief in den Räumen des Kellers verlaufen.

Dennoch hören wir sein angewidert erschrockenes Kreischen.
 

Der Raum, in aus dem der Laut gekommen ist, ist vollkommen verklebt. Riesige Nester aus Schleim lagern zwischen den Regal.

Es braucht kein Genie, um zu wissen, dass das ein Lamia Nest ist.
 

Hinter mir kann ich schon das bedrohliche Zischen der Eltern hören.

Soweit ich es sehen kann, sind es drei Lamia, alle weiblich, die auf uns zukommen. Allerdings ist die Tür zu diesem verdammten kleinen Raum nicht besonders groß, also müssen sie hinter einander stehen (oder schlängeln, je nach dem)
 

Da ich von Erschaffung an eine Kämpfernatur bin, schnappe ich mir Ciel – der deswegen heftig protestiert – zerre ihn in den hintersten Winkel des Raumes und schiebe ihn schützend vor mich.

„Lass mich los, du feiger Succubus“ Der als Schutzschild missbrauchte Junge windet sich in meinem festen Griff.

„Aber, aber, junger Earl. Ihr seid doch hier viiiel sicherer, als wenn ihr an der Front steht. Keine Sorge, ich werde auch bestimmt beschützen.“ beschwichtige ich ihn.

Habe ich mich verhört, oder kichert der Butler?
 

Grell jedenfalls scheint das alles nicht mit zu bekommen. Mit den Worten

„Mein geliebter Basti, lass uns Seite an Seite kämpfen“ springt er an den Gegnern vorbei – die meiner Meinung nach ebenso von ihm verwirrt sind wie wir – und zerschneidet die hinterste der drei Lamia.

Sebastian scheint sein Gekicher beendet zu haben und holt aus seinem Ärmel ein halbes Dutzend Messer und Gabeln, die er sogleich auf die erste Lamia wirft. Diese weicht zwar aus, kann aber nicht verhindern, dass sich zwei Messer in ihrer linken Schulter vergraben.

Sie zischt wütend.

Lamia sind offenbar zäh, denn es kostet den Butler zehn andere Stücke seines Bestecks, bevor sie tot zu Boden sinkt.

Während er sich dem zweiten Gegner widmet, wundere ich mich, woher er das Besteck hat. Vorher, und da bin ich mir sicher, war es noch nicht in seinem Ärmel.

Außerdem bemerke ich, dass alle Stücke aus derselben Serie zu sein scheinen.

Vielleicht bekommt er Rabatt beim Kauf, und hat deswegen so viel Munition?
 

Wie auch immer, diesmal entledigt sich der schwarz Gekleidete viel schneller seines Gegners als vorher. Wahrscheinlich hat er einen Trick gefunden.

Der Gefahr solchermaßen entkommen, lockere ich den Griff um mein lebendiges Schutzschild, welches sich auch sofort losreist und unverständlich fluchend einen Abstand zwischen mich und sich bringt.

Der rothaarige Shinigami betritt ebenfalls wieder den Raum, in dem die Brut der Lamia ist.

„Hnn, da draußen waren noch zwei. Wie lästig“ mit einer arrogant wirkenden Geste schlägt er eine seiner langen roten Haarsträhnen zurück, die ihm ins Gesicht fällt.

„Jetzt müssen wir nur noch die Nester vernichten.“ meint der Butler, „wenn ihr so nett wärt, Mister Grell?“

Der Angesprochene macht jedoch keine Anstalt der Bitte Folge zu leisten.

„Das ich meine wunderbare Sense an dem klebrigen Zeug beschmutze? Kommt gar nicht in Frage. Ich habe sie erst neulich geputzt“

Sebastian seufzt und massiert sich kurz die Schläfen.

„Bitte, Grell“ Blick und Tonfall sind derart sanft und verführerisch, dass ich meine, kleine glitzernde Sterne um ihn herum zu sehen. Seine Wirkung auf den liebestollen Shinigami verfehlt er keineswegs.

„Ah, wenn du mich so bittest, kann ich deine Liebe doch schlecht zurückweisen, nicht wahr, Liebster?“ Die Motorsäge surrt laut auf, als sie durch die Brut schneidet, und seinen ekelerregenden grünen Schleim zurücklässt.
 

„Gut, jetzt wo das erledigt ist, sollten wir nach oben gehen. Ich möchte mich ausruhen“ verkündet der Earl und schreitet aus dem Raum.

„Ja, ich denke ich werde auch nach meiner Herrin sehen“ schließe ich mich an und folge ihm.

Sebastian, der ansetzt seinem Herren zu folgen, wird von Grell aufgehalten.

„Ach, Bastilein, werden wir einen weiteren Abschied verkraften?“

„Ich frage mich eher ob ich noch mehr Zeit mit euch verkrafte, Grell“

„Sei nicht immer so rüde – obwohl, das reizt mich besonders an dir“

Das Schnurren des Shinigamis verklingt, als ich das obere Stockwerk erreiche.

Ich weiß zwar nicht, was der Butler mit dem armen Grell gemacht hat, aber kurz später sehe ich, wie er das Zimmer seines Herren betritt.
 

Was für eine Nacht. Erschöpft strecke ich meinen Körper und lasse mich dann auf einen Sessel fallen, wo ich mit geschlossenen Augen darauf warte, dass meine Herrin aufwacht, und mir Befehle gibt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-06-18T22:10:25+00:00 19.06.2011 00:10
Ich liebe die Geschichte u__û
Schreib also so schnell wie möglich weiter *dich versklav*
und bring noch mehr sachertorte ein ^^


Zurück