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Das Wolfsmädchen

Wie Jacob doch noch die Liebe findet
von

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Prolog

„Jacob?“

„Ja?“ Embry rieb sich den Nacken und registrierte, dass sein Freund ihn wieder nicht ansah.

„Komm schon, Jacob. Du kannst nicht ewig Trübsal blasen.“ Der Schwarzhaarige seufzte.

„Lass mich in Ruhe, Embry.“

„Aber... Vergiss sie doch endlich! Das Leben geht weiter. Es muss weiter gehen.“ Jacob knurrte tief.

„Lass mich in Ruhe, verstanden?“

„Verdammt, Jacob! Es ist doch völliger Schwachsinn, Bella“, der Name ließ Jacob zusammenzucken, „weiter hinterher zu trauern!“

„Sprich nicht darüber, Embry!“, rief er und wirbelte zu seinem Freund herum. „Du hast keine Ahnung! Also rede nicht davon!“

„Du musst zugeben, dass es einfach erniedrigend ist, mit anzusehen, wie du die letzten Wochen, genauer gesagt ein Vierteljahr“, bei dieses Worten schrie Embry fast, „vor dich hinvegetiert hast!“ Jacob begann mit verzerrtem Gesicht zu zittern vor Wut. Man konnte sehen, wie sich die Muskeln seines nackten Oberkörpers anspannten.

„Ich sagte, du sollst den Mund halten!“ Embry verzog genervt und wütend das Gesicht. Seit Bella weg war, benahm sein Freund sich so.

„Und? Was willst du machen? Das Einzige, was du hast, ist die Erinnerung an Bella. Aber du kannst deshalb nicht im Nebel versinken!“ Man hörte ein Reißen, als Jacob explodierte und sich auf den anderen Werwolf stürzte. Jacob war total von Sinnen. Er wollte nicht mehr denken. Er dachte auch in dieser Gestalt schon nicht mehr. Dann existierten nur noch der Wolf und sein Instinkt. Er stieß gegen Embry, dass dieser in den weichen Untergrund gedrückt wurde und rannte in den Wald, der an den Strand von La Push anschloss. Der Andere knurrte bedrohlich, ließ ihn aber gehen. Es hätte keinen Sinn, jetzt mit ihm zu kämpfen. Es würde nichts ändern.

Eins

(Vier Tage später...)

Das kleine Wolfsrudel hatte sich um einen toten Hirsch versammelt, den sie nun abnagten. Das Fleisch war fast schon gänzlich aufgefressen. Unter den grauen Tieren stach eines ganz besonders hervor. Es hatte nicht die gleiche Fellfarbe, sondern war pechschwarz. Struppig glänzte es stumpf im wenigen Licht, das durch die Bäume fiel. Der Wolf, genauer gesagt die Wölfin, war das größte Tier des Rudels, mit seinen 1.65 m Schulterhöhe. Ihre langen Reißzähne kamen zum Vorschein, als sie knurrend den Kopf hob. Der Wind trug den Geruch eines Fremden heran. Auch die Alphatiere witterten ihn und streiften um die Gruppe herum. Nicht einmal das leise Knacken des Unterholzes kündigte den Unbekannten an. Nur sein Geruch, bis er aus dem Dickicht trat. Der rostrote Wolf war noch um Einiges größer, als die schwarze Artgenossin, die ihm nun knurrend gegenüber stand. Er wirkte erstaunt im ersten Augenblick, verzog die Schnauze aber dann und gab ein ebenso finsteres Knurren von sich. Gefährlich langsam trat die Schwarze vor und trabte unruhig hin und her. Der Andere legte drohend die Ohren an. Sein Knurren wurde tiefer. Zur Antwort kam ein aggressives Grollen. Der Rostbraune wagte sich vorwärts. Ein Wolf bellte warnend, was ihn nicht im Geringsten interessierte. Die Nase vorgestreckt, nahm er den Geruch der fremden Wölfin auf und bewegte sich etwas schneller. Sie spannte die Sprungmuskeln an und bellte kurz. Auf ihrer Schnauze bildeten sich Falten, als sie die Lefzen hochzog. Leise grollend machte er sich vor ihr größer und wollte an ihrem Hinterteil riechen, wie sich Wölfe und Hunde nun mal kennen lernten. Die Artgenossin wirbelte herum und schnappte nach ihm, den Kopf gesenkt. Er seinerseits hob den Kopf noch ein Stück und ließ ein Knurren tief aus seinem Brustkorb erklingen. Das Rudel näherte sich ihm vorsichtig. Mit dem Schwanz haute er einem von ihnen ins Gesicht und knurrte gemein, als ein junges Tier ihm von unten an die Kehle springen wollte. Mit einer großen Tatze stieß er es zur Seite und drängte die Schwarze nach hinten. Sie knurrte ein Rudelmitglied an, als es ihr helfen wollte. Misstrauisch blieb der Wolf stehen und beobachtete sie mit gelben Augen. Ein weiteres, schwarzes, Augenpaar musterte sie unablässig von oben herab. Aggressiv legte sie die Ohren an, senkte den Kopf und bellte, damit die anderen verschwanden. Diese zögerten und versuchten sich ihr wieder zu nähern. Laut bellte sie erneut, und knurrte sie an, bis sie endlich in den Wald rannten. Gemächlich trabte er um das Weibchen herum und schubste sie leicht. Mit beiden Vorderpfoten haute sie nach ihm. Knurrend wich er aus und schubste sie wieder an. Sie schnappte nach der Kehle des rostbraunen Wolfes. Von seinen Lefzen tropfte etwas Geifer. Mit einem Aufzittern der Hinterbeinmuskeln sprang sie ihn an. Nun schnappte er zurück und bellte kehlig. Beide bissen nacheinander. Der Größere versuchte die Schwarze zurückzudrängen. Sie wich ihm aus und griff wieder an. Langsam wurde er wütend und rammte sie. Leicht taumelnd von seinem Gewicht blieb sie stehen und haute mit der Tatze nach seinem Kopf. Beide kämpften mit zunehmender Aggressivität gegeneinander. Die Wölfin gab keinen Schmerzenslaut von sich, als er seine Zähne in ihren Nacken grub, dass Blut floss. Selbst, als sie schon am Boden lag und er über ihr stand, sich seines Sieges sicher, gab sie nicht auf und grub die Krallen in seinen Brustkorb. Schnell sprang sie auf und versuchte die Flucht zu ergreifen. Sie konnte nicht sterben und ihr Rudel einfach zurücklassen. Er holte sie nach kurzer Zeit ein und versperrte den Weg. Sie knurrte tief und stürzte nach vorn, um die Kiefer in seinem Hals zu versenken. Schnell sprang er zur Seite und erwischte sie am Bein, die Krallen in ihre Flanken gegraben. Nach ihm schnappend, versuchte sie das Bein zu befreien, an dem rotes Blut hinunterfloss. Er biss noch einmal zu, diesmal in ihre Seite. Schmerzerfüllt jaulte sie auf. Der große Wolf stieß sie vorwärts. Humpelnd machte sie einen missratenen Hüpfer und wollte weiterkämpfen. Er wich ihr geschickt aus und drängte die verletzte Schwarze einfach weiter. Sie rannte, den Schmerz ignorierend voraus und versuchte ihn abzuhängen, was er ohne Probleme zu verhindern wusste und dicht an ihr blieb. Von ihm gehetzt rannte sie immer weiter, bis plötzlich eine freie Lichtung vor ihr lag. Zu ihrem Entsetzen waren dort Menschen, die in der Sonne saßen und sich ihr nun zuwandten. Von Angst erfüllt wirbelte sie herum, nur um dem Rostbraunen wieder gegenüber zu stehen. Sie knurrte tief und sammelte all ihre Kräfte noch einmal. Sie konnte das Rudel nicht allein zurücklassen. Der Wolf machte sich groß und nahm wieder seine Drohstellung ein. Sie versuchte an ihm vorbeizusetzen, prallte aber nur gegen seinen Körper und bekam einen Tritt versetzt. Vergeblich versuchte sie an seine Kehle zu gelangen und erntete einen Biss in die Schnauze. Das eigene Blut rann ihr ins Maul, bis sich die Wunde oberflächlich geschlossen hatte. Panik erfasste sie, als die übrigen Menschen plötzlich mit einem reißenden Geräusch explodierten und stattdessen drei weitere Wölfe auf sie zukamen. Verzweifelt schnappte sie nach dem Rostbraunen und unterlag erneut. Von der Seite stießen die anderen sie an, bis sie hechelnd am Boden lag. Einer nach dem Anderen roch an ihrer Kehrseite und blickte ihren Gegner an. Waren diese vier männlichen Wölfe auch ein Rudel? Warum gab es hier keine Weibchen? Der Große knurrte und drückte sie zu Boden, um sie am Wegrennen zu hindern. Vollkommen verzweifelt jaulte sie laut auf. Es klang wie ein Klagelaut. Weit entfernt hörte man eine leise gejaulte Antwort. Weinend jaulte sie ein leises Trauerlied. Die vier Größeren schubsten sie weg von den Bäumen in Richtung einer Hütte. Ein kurzes Bellen und noch ein Mann, etwa 20 Jahre, trat aus der Tür. Er begutachtete sie eine Weile. Dann zog er sich das T-Shirt aus und explodierte. Er kam so nah, dass ihre Panik wiederkehrte. Ohne, dass sie es irgendwie bemerkte, unterhielten sich die Wölfe miteinander über sie.

Wo habt ihr sie gefunden?

Nicht wir. Das war Jacob. Der Rostrote knurrte, als er in Gedanken direkt angesprochen wurde.

Wald, war seine knappe Antwort.

Was machen wir mit ihr?, fragte Jared und roch an dem Dreck, der ihr Fell verklebte. Innerlich verzog er das Gesicht. Die Anderen sahen sich fragend an. Sie waren sich nicht sicher, was sie mit ihr machen sollten. Vor Allem, da sie noch nie einen weiblichen Werwolf gesehen hatten. Die hechelnde Werwölfin lag auf der Seite, von mehreren Pfoten unten gehalten und zuckte nervös mit Ohren und Schwanz. Was würden sie mit ihr machen? Sie töten?

Als keiner eine Antwort fand, was sie als Nächstes tun sollten, fragten sie Jacob aus, was die Wölfin gemacht hatte, als er sie gefunden hatte. Jared versuchte mit ihr zu reden, erhielt aber keine Antwort. Nichts. Dachte das Mädchen denn gar nicht?

Sie hat ein anderes Denkmuster. Eben das eines echten Wolfes

Na dann musst du es ja am Besten wissen, spielte er auf Jacobs Verhalten an. Dieser grollte warnend.

Und was denkt sie nun?, schaltete sich Embry ein.

Sie hat Angst

Weil du sie hierher gehetzt hast? Du kannst ein echter Idiot sein, Jacob

Sie denkt, wir würden sie vielleicht umbringen! Deshalb. Außerdem sorgt sie sich um ihr Rudel, erklärte der rostrote Jacob in Werwolfgestalt.

Du hast sie aus ihrem Rudel herausgerissen? Wie das?

Es waren normale Wölfe

Und weiter?

Keine Ahnung. Ihr Finder zog die Lefzen hoch und schloss sie wieder. Ich kann schließlich nicht in ihren Erinnerungen wühlen

Verdammt

Und was jetzt?

Wir brauchen irgendwas, womit wir sie hier festhalten können

Sam drehte sich um, verwandelte sich wieder in einen Menschen und hob die blaue Jeans auf, die er schnell wieder anzog, ihnen allen die Kehrseite zugewandt. Das Mädchen konnte allerdings sowieso nichts sehen, weil sie anfing, sich gegen die Teenager zu wehren und mehr als einen Prankenhieb einstecken musste. Jacob knurrte sie bedrohlich an. Sie knurrte zurück und biss Paul ins Bein, der bisher noch gar nichts gesagt hatte. Er packte sie mit den Zähnen kurz über den Schulterblättern, sodass sie den Kopf zurückwarf und brüllte. Er ließ von ihr ab, als sie geschwächt und zitternd erschlaffte. Es wurde ihr schwarz vor Augen und sie lag still da.

Ist die immer so schwach?, fragte Paul leicht verächtlich und wurde von Jacob und Jared angeknurrt.

Sie hat nur Hunger, ok?

Du brauchst deine Kleine nicht gleich so herzzerreißend zu verteidigen

Halt die Schnauze, Paul!

Zwei

Als die schwarze Werwölfin wieder erwachte, nahm sie als Erstes den Geruch des Rostroten wahr. Sie knurrte, noch halbschlafend. Eine geknurrte Antwort kam zurück. Allerdings weniger wütend, als vorher. Kurz schüttelte sie den Kopf und stand auf, nur um festzustellen, dass man sie an einem riesigen Baum festgebunden hatte. Das Seil war so dick, wie das Handgelenk eines durchschnittlichen Teenagers und mit Stahl verflochten. Sie zog daran. Gemächlich erhob sich der zweite Werwolf und trottete zu ihr. Sie zerrte weiter an dem Seil und biss darauf, um es notfalls durchzunagen. Panisch fing sie an, mit den Augen zu rollen, als Jacob immer näher kam. Sie tänzelte unruhig hin und her, das dicke Seil zwischen den Zähnen. Eine große Tatze erhob sich. Das Seil wurde ihr aus dem Maul gerissen. Die Schwarze verzog die Lefzen. Sich wieder groß vor ihr aufbauend, gab der Werwolf ihr eins auf die Nase und schubste sie zu Boden, damit sie liegen blieb, anstatt sich aufzuregen. Kaum lag sie aber, versuchte sie wieder aufzuspringen. Kurzerhand stemmte er die Vorderpfoten auf ihre Tatzen. Wild zerrte sie daran und schnappte nach seiner Kehle, konnte ihn aber nicht anspringen, da er größer war. Den Schwanz samt Hinterläufen in die Höhe gestreckt, versuchte sie ihre Pfoten zu befreien. Ein kurzes Bellen erklang und Jacob biss, ohne sich viel Mühe zu geben, nach ihrer Schnauze. Sie gab ein unterlegenes Wimmern von sich. Ihre Wunden waren alle fast schon gänzlich verheilt. Im Mondlicht sahen ihre Augen fast schwarz aus. Silbern reflektierten sie das schwache Licht. Ihr Fell war nun von einem schmutzigen Grau. Wieder knurrte er. Ein Reißen ertönte irgendwo hinter ihr. Sie bellte immer lauter, als der nächste Wolf sie nun auch noch bedrängte. Jared ging, ungeachtet ihrer Angst oder Aggressivität, weiter und baute sich vor ihr auf, als wollte er ihr verständlich machen, dass sie an diesem Ort nichts zu sagen hatte. Eine Türangel quietschte. Diesmal kam Embry heraus, einen langen Schlauch in der Hand, den er an den Wasserhahn unterhalb des Küchenfensters anschloss. Er drehte das Ventil zu und öffnete den Wasserhahn, sodass das Wasser zwar floss, aber noch nicht aus dem Schlauch drang. Vollkommen ruhig schlenderte er zu ihnen hinüber. Die Wölfin knurrte immer noch, wurde aber leiser, als Jacob warnend den Druck auf ihre Pfoten verstärkte.

Warum müssen wir sie jetzt eigentlich waschen? Wenn sie sich wieder in einen Menschen verwandeln würde, könnte sie das auch selber machen, meinte Jared in Gedanken zu dem rostbraunen Tier.

Ich glaube, sie weiß gar nicht mehr, dass sie eigentlich ein Mensch ist

Du meinst, sie hält sich tatsächlich für einen Wolf!?

Scheint so

Oh Mann, was hast du da bloß angeschleppt

Klappe, Jared

Der dunkelbraune Wolf grinste innerlich.

„Soll ich jetzt?“, fragte Embry, den Schlauch erklärend hochhaltend. Die Wölfe hoben und senkten die buschigen Ruten bejahend. Langsam nahm Jacob die Pfoten zurück und rechnete schon damit, dass die Schwarze aufspringen und sich wehren würde. Stattdessen beobachtete sie ihn aus glitzernden Augen und blieb flach liegen, den Kopf trotzdem stolz erhoben. Embry öffnete das Ventil und das Wasser spritzte ihr mitten auf den Kopf. Erschrocken riss sie das Maul auf und brüllte laut. In dem Moment, wo sie sich auf den Teenager stürzen wollte, stand der Rostrote plötzlich über ihr und packte sie am Nacken, sodass sie gezwungen war, in dieser Stellung zu verharren. Hätte sie gekonnt, hätte sie ihn nun angegriffen. Diese Stellung gefiel ihr nicht. Sie gefiel ihr überhaupt nicht. Wütend knurrte sie kehlig. Ihre Ohren zuckten nervös, als Embry ihr den Kopf wusch und beim Brustkorb weitermachte. Jacob hörte den braunen Werwolf in seinem Kopf kichern.

Was?

Du siehst mit ihr gerade aus, wie auf dem Begattungsfoto, das ich in der Grundschule für mein Referat über Wölfe benutzt habe

Jacob rollte mit den Augen.

Fällt dir was Besseres ein?

Nein, aber’n Foto davon hätte ich trotzdem gerne

Blödmann

Der Schwarzen wurden nun die Hinterläufe und der Schwanz gewaschen. Bei einem 1.65 m-Wolf ging das nicht besonders schnell von Statten.

„Sie muss sich hinlegen, sonst kann ich ihren Bauch nicht waschen“, sagte Embry nach einer ganzen Weile und schloss das Ventil am Schlauch noch einmal. Die beiden Werwölfe zwangen die Kleinere dazu, sich auf die Seite zu legen und hielten sie dort fest. Embry kniete sich hin und vergrub die Finger im nun nassen, dichten Fell der Wölfin. Nach einiger Zeit stoppte er und lief rot an.

„Sagt mal, normalerweise säubern Wölfe sich doch selber...“

Er traut sich nicht, sie zwischen den Hinterläufen zu waschen, weil sie ein Mädchen ist, stellte Jared belustigt fest.

Sie hat, so wie es aussieht, sowieso keine Ahnung, dass sie ein Mensch ist oder jemals war

Oder, dass sie zumindest die Gestalt eines Menschen haben kann

Ganz sicher, dass sie es nicht weiß?

Angst, dass sie dir was wegguckt?, stellte Jacob die Gegenfrage. Jared grummelte leise und wurde wieder zum Menschen.

„Embry, sie hat keine Ahnung, dass sie ein Mensch ist und groß interessieren wird es sie auch nicht weiter, wenn du sie zu Ende wäscht.“ Wortlos bekam er den Schlauch gereicht und Embry ging schüchtern wieder zum Haus zurück.

„Äh, soll ich jetzt etwa...“ Er sah zu dem rostroten Wolf und errötete nun selbst. Die schwarze Wölfin knurrte gereizt, den Nacken immer noch zwischen Jacobs Kiefern gefangen. Verdrießlich schraubte er das Ventil wieder auf und griff der Schwarzen zwischen die Hinterläufe. Diese verstand nicht, warum der Mensch so plötzlich nach Nervosität roch.
 

„Fertig. Und? Zufrieden?“ Jacob wedelte gelassen mit dem Schwanz und ließ von der Wölfin ab, um sich das Ergebnis anzusehen. Sie knurrte nervös und zuckte mit dem Schwanz. Ihr Fell war immer noch feucht. Der rostrote Wolf trottete etwas davon und wandte sich ihr dann wieder zu, um festzustellen, dass die schwarzen Haare nun seidig an ihrem Körper anlagen und im Mondlicht bläulich schimmerten. Er ging wieder zu ihr und leckte über ihren Kopf, um das Fell dort zu glätten. Sie schnappte, geradezu lustlos, nach seiner Kehle und bekam einen leichten Tritt versetzt.

„Igitt. Du wirkst ja wie eine Mutter, die ihr Neugeborenes sauber leckt.“ Jacob verwandelte sich wieder zurück.

„Und du sitzt seit fast einer Viertelstunde nackt im Gras.“ Jared errötete. Vollkommen unverblümt wanderte Jacob ebenso nackt über die Wiese und warf seinem Freund die Hose zu. „Komm schon, ich bin müde.“

„Äh...“

„Ich hab dir schon gesagt, dass es sie gar nicht interessiert, wie wir rumlaufen oder aussehen. Sie denkt nicht wie ein Mensch. Wahrscheinlich würdest du ihr als Wolf viel besser gefallen.“ Er musste lachen, als der andere das Gesicht verzog und sich in seine Boxershorts und Hose mühte. Die Werwölfin ließen sie allein in der Sommernacht.

Drei

Leise winselte die Schwarze in die Nacht hinaus. Sie wollte nicht wieder alleine sein. Nicht, nachdem sie einmal ein eigenes Rudel hatte.

Aus dem Wald kamen einige graue Wölfe geschlichen, den Kopf ängstlich gesenkt. Sie jaulten und rieben die Köpfe an ihrer Rudelschwester. Diese fing wieder an, an dem Seil das sie festhielt herumzubeißen. Die anderen folgten ihrem Beispiel. Knurrend zerrten sie an dem dicken Strang. Eines der Jungtiere leckte der Wölfin liebevoll übers Gesicht und zog sie mit den Zähnen spielerisch am Ohr. Sie schnappte nach ihm, damit er den Ernst der Lage erkannte. Anstatt dies aber als Warnung zu deuten, schnappte er übermütig nach ihren Ohren. Sie versuchte ihn abzuschütteln. Er bellte fröhlich. Die Schwarze packte ihn am Nacken, damit er leise war. Glücklich jaulte er, als sie ihn hochhob, obwohl er vom Körperlichen fast ausgewachsen war. Ein Reißen, dann schoss ein rostrotes Ungetüm heran. Die Schwarze ließ den Kleinen fallen und bellte alarmierend. Ihr Rudel knurrte und versammelte sich um sie. Die Werwölfin schubste sie hinter sich und schob das Jungtier, das nun langsam Angst bekam zwischen ihre Pfoten, wo es sich kleiner machte und knurrte. Jacob zog die Lefzen hoch und ließ zum Effekt noch etwas Geifer auf den Boden tropfen. Da die Schwarze einen ganzen Kopf kleiner war als er, hatte er es nicht einmal nötig sich, was er nun auch tat, groß zu machen. Grollend baute sie sich vor ihm auf und machte ihrem Rudel klar, dass es sich nicht einmischen sollte. Das Tier zwischen ihren Beinen jaulte und knurrte zugleich. Jacob beugte die Vorderläufe und versuchte an ihm zu schnuppern. Die Schwarze bellte und haute ihm mit den Krallen auf die Nase. Er schleckte ihr zur Antwort nur quer über die eigene Schnauze. Wütend versuchte sie ihn zu beißen, als sie verstand, dass er mit ihr spielte. Er wich ihren Fängen geschickt aus und ging seelenruhig auf ihr Rudel zu. Mit dem Schwanz wedelnd beschnupperte er die scheuen Wölfe, die nicht verstanden, warum ihre Gefährtin so aggressiv war, wenn der Rostrote ihnen scheinbar nichts Böses wollte. Der Kleinste sprang auf und biss Jacob in den Schwanz. Dieser wandte ihm den Kopf zu, knurrte ärgerlich und wedelte etwas doller mit dem Schwanz. Das Jungtier weigerte sich, loszulassen. Er wedelte nun schon so stark mit der Rute, dass dem Grauwolf der Kopf hin und hergerissen wurde bei jedem Schlag. Erst, als Jacob nach ihm schnappte, ließ er los. Er ging weiter und schubste das Alphatier ignorierend beiseite, als dieses misstrauisch knurrte. Den Kopf an einigen Rudeltieren reibend schien er die Schwarze anzugrinsen, die bellte und an ihrer Leine zerrte. Er war zu weit weg und sie hatte kaum Bewegungsspielraum mit dieser Behinderung am Hals. Das Jungtier schlich sich von hinten an ihn heran. Gerade, als es ihm auf den Rücken springen wollte, erhielt es einen Tritt von ihm und landete auf dem Hintern. Herausfordernd wurde er angeguckt. Der Wolf kapitulierte und legte sich abwartend hin, den Kopf erhoben. Jacob zog ihn an den Ohren, was er nach einem verwirrten Moment mit freudigem Jaulen aufnahm. Zur Belohnung wurde dem Rostbraunen Speichel ins Auge geleckt. Er grummelte ungehalten und versetzte dem verspielten Wolf noch einen Schubser. Das Alphaweibchen, das sich interessiert an ihm rieb, genauso wie ihren Partner ignorierend, zog er noch einmal an den Ohren des jungen Grauwolfes zu seinen Füßen und wurde von zwei Männchen an der Kehrseite beschnüffelt. Zufrieden setzte er sich zwischen die Meute und registrierte, von mehr als nur einem Tier angeschmust zu werden. Die Schwarze verstummte beleidigt, als er sie gewinnend ansah. Erst nahm er ihr die Freiheit und jetzt das Rudel. Es war nicht einfach erniedrigend. Es zerriss sie innerlich. Tief verletzt drehte sie sich um und legte sich hin, den Schwanz eingezogen. Die Wölfin versuchte, das hingebungsvolle Jaulen des Jungtieres zu ignorieren, das sich mit Jacob vergnügte. Fragend stupste der Rostrote sie mit der Pfote an und wurde angeknurrt. Er konnte ja nicht wissen, was er ihr da antat. Er kannte die ganze Vorgeschichte nicht. Jacob jaulte leise und zog sie am Ohr, woraufhin sie aggressiv nach ihm schnappte. Himmel, was hatte er angerichtet? Innerlich stöhnte er auf. Durch ihn war sie jetzt von einem Moment auf den anderen von ihrem gesamten Rudel verletzt und enttäuscht worden. Missmutig zog er sich zurück und überließ es dem Rudel, sie zu trösten. Das Jungtier wollte ihm folgen und verstand nicht, warum es nun plötzlich angeknurrt wurde. Verwirrt wandte es sich der Werwölfin zu und wollte weiterspielen, kassierte aber nur einige Prankenhiebe. Enttäuscht wimmerte es und wälzte sich in Demutsstellung vor ihr im Gras, wurde aber ignoriert. Das Alphapärchen versuchte es als nächstes und wurde grollend angeknurrt. Als das Rudel nicht abzog, sprang sie auf und kläffte sie an, bis die Tiere endlich verschwanden.
 

Niedergeschlagen ließ Jacob sich auf ein Bett im Inneren des Holzhauses fallen. Embry, der im gleichen Zimmer schlief, ratzte unbekümmert weiter. Wütend auf sich selber, trommelte der große Teenager mit den Fäusten auf seinen Hinterkopf ein. Was hatte er bloß angerichtet? Erst passierte ihm genau das, worauf er, seit Bella weg war, gehofft hatte und nun enttäuschte er das Mädchen, das ihn sie vergessen ließ, auch noch. Und zu allem Überfluss wusste sie nicht einmal, dass sie ein Mensch war. Warum passierte ihm so etwas eigentlich immer? Jacob stand wieder auf und blickte aus dem Fenster. Als hätte sie seine Gedanken lesen, öffnete die Wölfin die Augen und hob den Kopf. Ihre Lefzen hoben sich angespannt. Der 17-jährige verzog das Gesicht und haute mit der Faust so doll auf das Fensterbrett, dass ein Abdruck zurückblieb und die Scheiben klirrten. Embry wurde durch das laute Geräusch aus dem Schlaf gerissen.

„Was ist los?“

„Nichts. Schlaf weiter.“ Der Andere runzelte die Stirn, zuckte dann aber die Schultern und ließ sich wieder ins Kissen fallen, woraufhin das Holz unter seinem Gewicht knarrte. Jacob kniff sich gestresst in den Nasenrücken. Er musste sich irgendetwas einfallen lassen, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Das Rudel müsste sie wiedererkennen lernen und das Bewusstsein, nicht nur ein Wolf, sondern auch ein Mensch zu sein, musste er ihr auch zurückgeben. Na da hatte er sich ja etwas vorgenommen.

Vier

Morgen würden die Ferien vorbei sein. Dann müssten Jacob und die Rudelbrüder wieder zur Schule. Und um die schwarze Werwölfin müsste er sich auch kümmern. Und endlich für Mathematik lernen, sonst würde er in diesem Fach noch durchfallen.
 

Den Kopf voller Sorgen, wachte Jacob am Vormittag auf. Er wusch sich, zog sich an, was eigentlich nur Boxershorts und Hose hieß und ließ sich von Emily das Frühstück vorsetzen. Embry, Sam und die anderen waren schon lange fertig.

Als er nach draußen kam, versuchte Jared gerade die Schwarze dazu zu animieren, etwas anderes zu tun, als nur dazuliegen. Sie knurrte angewidert, als Jacob die Tür öffnete. Ihr Grollen wurde lauter und klang nun wie entfernter Donner, als er sich näherte. Sich auf die Lippen beißend, blieb er stehen und wurde von ihr wütend, von seinem Freund fragend beobachtet.

Jared verwandelte sich zurück und legte den Kopf schief. Jacob seufzte.

„Sie hat Hunger.“

„Und wie ein echter Wolf frisst sie womöglich jetzt auch noch nur Fleisch!?“ Er nickte und explodierte. In der Verwandlung sprang er aus seiner Hose, wie sie es alle taten, damit der Stoff nicht zerfetzt wurde. Die Wölfin knurrte ihn an. Per Gedanken suggerierte er ihr verschiedene Varianten von Essen. Ihr Hungergefühl sprang sofort darauf an und in ihrem Maul sammelte sich der Speichel. Wütend grollte sie und verstand nicht, wie dieser große, feindliche Wolf ihr Bilder von Fressen vorgaukeln konnte. Sie hatte Angst davor, da sie diesen Vorgang nicht kannte und knurrte ihn nun warnend tiefer an.
 

Bestimmt war sie nicht die Einzige, die Hunger hatte. Wäre sie von dem Rostroten nicht daran gehindert worden, würde sie jetzt schon auf der Jagd sein. Ihr Rudel würde schon bald an leerem Magen leiden. Seit die Wilderer immer zahlreicher kamen und töteten, wurde es immer gefährlicher im Wald. Und das Wild schwand ebenfalls. Immer längere Wege war sie gerannt, um ihr Rudel zu versorgen, das nicht die gleiche Ausdauer wie sie hatte. Aber sie wollten nicht von hier weg. In diesen Wäldern waren sie aufgewachsen, hatten sie Jagen gelernt. Und die Freiheit gehabt, zu laufen, wohin sie wollten. Ihr Rudel. Ihre Familie. Wenn sie denn noch dazu gehörte. Aber selbst, wenn das Rudel sie verstoßen sollte, sie würde ihre Brüder und Schwestern niemals durch Hunger oder die Hand eines Jägers sterben lassen. Nicht, solange sie selbst noch lebte.
 

Jacob starrte die schwarze Wölfin an, während ihr Gedankengang, der mehr aus Bildern, Gefühlen und Instinkt, denn aus Worten oder Lauten bestand, ihm ihre ganze Situation darlegte. Sie blinzelte und verstand, dass er nun Bescheid wusste. Wenn sie es sich auch nicht erklären konnte. Er wusste jede Einzelheit. Wie sie jeden aus ihrem Rudel gerettet und zu ihrer Familie gemacht hatte.
 

Ungewohnt langsam verwandelte der Teenager sich zurück, den Mund leicht geöffnet. Sie Schwarze blickte ihn nun still und herausfordernd an. Dass er sich andauernd hin und herverwandelte, interessierte sie gar nicht. Sie erkannte Jacob an seinem Geruch. Nicht am Aussehen. Auch, wenn die Größe des rostbraunen Wolfes ihr ungewollt imponierte. Ihr Schwanz bewegte sich unruhig.

„Jacob? Alles in Ordnung?“ Der Angesprochene schluckte und versuchte, die Zunge vom Gaumen zu lösen.

„Ja.“

„Und?“

„Sie isst nur Fleisch... Frisches.“ Dass die Schwarze fraß, konnte er irgendwie nicht sagen. Für ihn war sie kein Wolf. Obwohl sie selbst etwas anderes dachte.

„Verdammt. Und was machen wir jetzt?“

„Ich gehe jagen. Du sagst Sam, dass es noch mehr Wilderer sind, als wie dachten.“

„Wie viele mehr?“

„Keine Ahnung. Zu viele.“

„Du hast doch nicht wirklich vor, jetzt in den Wald zu rennen und ein Reh zu killen!?“

„Vorerst haben wir keine andere Möglichkeit. Und sorg dafür, dass sie Wasser bekommt.“ Dann durchschnitt das bekannte Reißen wieder die Luft und Jacob verschwand zwischen den Bäumen.
 

Das Erste, was er tat, war das ihm nun schon bekannte Rudel aufzusuchen. Er würde genau darauf achten müssen, wie voll ihre Mägen waren.

Immer seiner Nase folgend, fand er sie schließlich. Aufgescheucht knurrten sie, als er plötzlich zwischen den Büschen hervorgeschossen kam. Als Erster erkannte ihn das Jungtier der letzten Nacht, das an ihm hochsprang und freudig bellend seine Ohren leckte. Der Rostrote schüttelte ihn sanft ab und versuchte herauszufinden, ob sie wohl in diesem Moment Hunger hatten. Als er sie gestern gefunden hatte, waren sie dabei gewesen, einen Hirsch zu verschlingen. Und in Notzeiten konnten Wölfe schließlich bis zu 10 Tage lang fasten.

Nacheinander roch er an ihren Schnauzen. Der Hirsch war nicht sehr ergiebig gewesen für acht Tiere. Das Jüngste, das Jacob begierig an den Ohren kaute bei jedem Sprung, hatte sich zusätzlich wohl ein Kaninchen alleine einverleibt. Und so, wie es aussah, hatte die Schwarze vielleicht höchstens ein Bein abgekaut, damit die anderen satt wurden. Bei ihrer Größe hätte sie das vergleichsweise kleine Huftier auch alleine fressen können.
 

In ihren Gedankengängen waren es 6 Monde gewesen, seit der letzten Mahlzeit, bei der sie sich auch zurückgehalten hatte. Besorgt schubste er das Alphaweibchen, das ihren knurrenden Partner schon wieder eifersüchtig machte, beiseite.

Der rostrote Wolf, dessen auffallende Farbe das Rudel im Übrigen gar nicht sah, da Wölfe farbenblind sind, hob die Nase in den Wind, nach dem Geruch eines Beutetieres suchend, aber in den umliegenden Kilometern konnte er keines ausmachen. Ein Wunder, dass das Rudel überhaupt noch hier war. Normalerweise wären sie schon längst weitergezogen. Wütend grollte er. Hätten sie es bloß getan. Dann würde es ihnen jetzt besser gehen. Aber vielleicht hätte er die Schwarze nie gefunden...

Fünf

„Ich muss los. Tut mir Leid, Schatz.“ Unendlich sanft küsste Sam seine Verlobte. Diese seufzte tief.

„Ist es wieder wegen diesen Wilderern?“ Er zuckte hilflos die Schultern zur Antwort. „Na gut. Aber sei vorsichtig.“ Der Werwolf lachte.

„War ich jemals unvorsichtig?“ Grinsend streichelte er mit den Fingerknöcheln über Emilys Wange und erntete ein Lächeln voller Zärtlichkeit. Noch ein Kuss folgte, bis er sich dazu aufraffen konnte, hinauszugehen. Im Türrahmen zog er sich noch das Hemd aus, sich durchaus bewusst, dass Emily zusah und explodierte dann.
 

Jacob rannte so schnell, wie er noch nie gerannt war in seinem Leben. Das Klicken der Gewehre schien direkt neben ihm zu ertönen, so laut nahm er es wahr. Seine riesigen Pfoten trommelten rhythmisch auf den Boden, wie ein einziger, dumpfer Ton. Da waren sie. Gleich würde er bei ihnen sein. Gleich...
 

Mit einem Brüllen schoss das rostbraune Monster auf ihn zu. Vor Entsetzen ließ der Jäger seine Waffe fallen. Sekundenbruchteile später wurde er mit einer Wucht gerammt, dass er dachte, es würde ihn zerreißen. Es gab ein widerliches Knacken und der Mann war von seiner Furcht erlöst. Speichel flog durch die Luft, als das beinahe 2 Meter große Ungetüm wendete und auf den Nächsten ansetzte, da war es aber auch schon zu spät. Der Schuss hatte sich schon gelöst.

Man hörte das Heulen eines weiblichen Wolfes, das sofort wieder verstummte. Der rostbraune Wolf bekam winzig kleine Pupillen, sodass seine Augen weit aufgerissen wirkten. Er legte die Ohren an und bewegte sich ganz langsam auf den zweiten Jäger zu. Sein Knurren hallte durch den Wald wie Donner. Mörder, hallte es in seinem Kopf. Immer wieder.

Mörder Mörder Mörder

Der Mensch versuchte verzweifelt, aus der Schreckensstarre zu erwachen, die ihn gefangen hielt. Das Monster kam immer näher geschlichen. Und näher. Und näher! Er tat das Erste, was ihm einfiel. Fliehen! Weg von diesem Ungetüm! Bloß weg!

Ohne jegliche Mühe spurtete der Wolf ihm hinterher. Den Schmerz, als es dem Wilderer förmlich die Hand abriss, bemerkte dieser vor Adrenalin gar nicht. Endlich kam er an seinem Auto an und stürzte sich hinein. Die Maschine röhrte auf. Nach dem Lenkrad greifend, spürte der Mann die Erschütterung, als der Monsterwolf eine riesige Tatze auf die Motorhaube niederfahren ließ. Mit einem schmatzenden Geräusch soff der Motor ab. Der Wilderer schwor sich, nie wieder ein Gewehr anzufassen und merkte im selben Moment, dass es ihm auch gar nicht mehr möglich wäre. Seine linke Hand hing nur noch an einigen Sehnen. Er schrie panisch auf, hörte es aber kaum, da das Blut ihm in den Ohren rauschte. Sein Herz raste ihm in der Brust und schmerzte unerträglich. Dann versagten ihm eben jene Herzmuskeln. Blase und Darm hatten sich vor Angst längst entleert. Er schnappte vergeblich nach Luft. Sein Gesicht lief blau an und er kippte zur Seite. Dann erschlaffte sein Körper. Jacob starrte ihn noch eine Weile hasserfüllt an, bevor er von der Leiche abließ.

Traurig stupste er die tote Wölfin an und rieb den Kopf am grau-braunen Fell. Ihr Körper roch noch warm nach Kiefernnadeln und dem typischen Geruch von Fleischfressern. Sorgfältig 0verscharrte er sie und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Seine Ohren zuckten, als er ein Geräusch wahrnahm und gleich darauf Sams Stimme in seinem Kopf hörte.

Jacob!

Ich wollte sie nicht umbringen und das weißt du

Natürlich wolltest du sie umbringen!, schrie der zweite Werwolf.

Dann hatte ich eben nicht die Absicht, es auszuführen, knurrte der Rostrote zurück.

Hast du eigentlich eine Ahnung, was du angerichtet hast?, das Brüllen wurde immer lauter, Jetzt werden die Wilderer erst recht versuchen, die wenigen Rudel in diesen Wäldern hier auszurotten!

Sie hatten es verdient!

SEI NICHT SO EIN HIRNLOSER IDIOT, JACOB!
 

Sam sprang zwischen ein paar Bäumen hervor, schnappte nach Jacobs Kehle und drückte ihn zu Boden. Wutentbrannt starrten beide sich an. Und das alles nur, weil Jacob seine Seelenverwandte, seine echte Liebe, unter so miserablen Umständen gefunden hatte.
 

Verwundert erleichterte der schieferschwarze Wolf den Druck seines Körpers auf Jacobs.

Das ist nicht dein Ernst

Ich wünschte, es wäre so, aber da ich dich gerade nicht anlügen kann, musst du es wohl glauben, erklärte der Kleinere missmutig.

Und diese Werwölfin... ausgerechnet SIE ist es!?!?

Willst du es noch einmal hören? Bedrohlich knurrte Jake, als Sam in solchem Ton über die Schwarze sprach.

Du hast ein riesengroßes Problem, du armes Schwein, stellte der Rudelführer fest.

Danke, meinte Jake ironisch und stand auf. Wenn du mich dann in Ruhe lassen würdest, ich habe noch zu tun.

Auch, wenn deine Art von Futterbeschaffung mir nicht gefällt, vor Allem, da es hier sowieso kaum noch Wild gibt, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich alleine losziehen lasse, damit du noch mehr Mist baust.

Der rote Wolf knurrte genervt, wehrte sich aber nicht dagegen.
 

Die Schwarze roch Jacob, lange bevor sie ihn sah. Er und der Schwarze brachen durch die Baumreihen, einen riesigen Ochsen hinter sich herziehen. Es war ein altersschwaches Tier gewesen, das sie ausgesucht hatten.

Der Rostbraune versuchte, den intensiven Blutgeruch, der ihm an der Schnauze klebte zu ignorieren und grollte angewidert durch den Geschmack auf seiner Zunge. Vor seiner Beobachterin ließ er die Beute fallen. Diese wandte den Kopf ab, legte ihn auf die Vorderpfoten und ignorierte Jacob. Sam wartete etwas abseits.
 

Der lästige Buhler, als den die Werwölfin ihn sah, versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erregen und jaulte bittend. Als er sich ihr näherte, trat sie ihm aber nur mitten ins Gesicht. Der Rostrote knurrte warnend. Mit der Pfote kratzte er sie zwischen den Ohren. Den Kopf schüttelnd, wehrte sie ihn ab.

In Ungnade gefallen, bei deiner Liebsten?

Verzieh dich Sam

Schon geschehen

Das Rudeloberhaupt verschwand schnell. Jacob versuchte, die Schwarze in Richtung des Kadavers zu schieben. Sie schloss die Augen und gähnte herzhaft. Langsam wurde er wütend. Der Werwolf knurrte sie an und wurde einfach übergangen, während sie müde schmatzte. Grollend verbiss er sich in das Seil und zog daran. Sie machte sich schwer und ließ sich über den Waldboden schleifen. Jacob bellte sie wütend an. Sie öffnete die dunkelblauen Augen und guckte missbilligend. Wenn er ihr die Freiheit nahm und sie sich schon nicht gegen ihn behaupten konnte, würde sie eben Hungerstreik führen.
 

Zutiefst bestürzt über diesen Entschluss, ließ Jacob das Seil fallen. Das hätte nicht passieren dürfen. Er hatte ja schon eine Menge falsch gemacht, aber nichts von dem hatte solche Auswirkungen gehabt. In einem letzten Anlauf rieb er den Kopf an ihrer Schulter und leckte der Schwarzen die Ohren. Einen Moment lang sah es so aus, als würde ihr das gefallen, dann sah sie ihn an und drehte sich auf die andere Seite. Vollkommen gescheitert zog er ab.
 

Bei untergehender Sonne saß er am Fenster und schaute zu, wie seine Werwölfin aus der großen Wanne trank, die Jared ihr hingestellt und gefüllt hatte. Er würde Billy sagen müssen, dass er, zumindest für eine Weile, hier bleiben musste. Tief seufzend sah er auf den Wecker auf Embrys Nachttisch. Es war schon fast 10. Und er hatte überhaupt keine Hausaufgaben übers Wochenende gemacht. Als er wieder durch das Glas sah, schaute die Werwölfin ertappt schnell weg. Sie hatte ihn also beobachtet. Vielleicht sollte er sich im Moment damit zufrieden geben, dass er ihr ja nicht vollkommen egal sein konnte, wenn sie ihn beobachtete.

Die Tür ging auf und der schwarzhaarige Embry warf Jake dessen Schulsachen und frische Kleidung zu.

„Hey Jake.“

„Hey.“

„Hausaufgaben sind schon gemacht“, meinte der Werwolf und nickte in Richtung Rucksack.

„Von dir?“ Noch ein Nicken. „Danke, Mann.“ Freundschaftlich wurde er angerempelt.

„Passt schon... Irgendwelche Fortschritte?“ Embry sah nun auch aus dem Fenster, wo ein großes, schwarzes, blauschimmerndes Fellknäuel im Schatten lag, direkt neben der Leiche eines Ochsens. Jake schüttelte traurig den Kopf.

„Und was ist das da?“

„Ein Ochse.“ Verächtliches Schnauben.

„Ein Ochse? Und warum frisst sie nicht?“

„Sie ist der Meinung, wenn sie keine Chance gegen uns hat und nun auch noch gefangen ist, dann tritt sie eben in den Hungerstreik.“

„Oha.“

„Früher oder später wird sie fressen müssen, wenn der Hunger zu groß wird.“

„Ich hoffe, du hast nicht Unrecht.“

Sechs

Jacob saß gelangweilt im Klassenzimmer und blickte aus dem Fenster. Draußen war es wieder trüb geworden. Graue Wolken zogen langsam über den Himmel. Mit den Gedanken war er nicht einmal ansatzweise in der Schule. Er war im Wald und schaute der schwarzen Wölfin zu, wie sie sich durchs Gras wälzte. Würde sie ihn doch bloß nicht so verabscheuen.

„Jacob Black!“ Ein Heft knallte neben seinem Kopf auf den Schultisch. Genervt sah der Teenager auf und verzog die Oberlippe, wie es Wölfe nun mal taten.

„Was?“, knurrte er gereizt und knackte mit den Fingerknöcheln.

„Kannst du mir meine Frage beantworten?“

„Vielleicht, wenn sie sie noch einmal stellen.“ Die Lehrerin verkniff es sich, ihn wie ein Kleinkind anzukeifen und drehte sich dem nächsten Schüler zu.

„Embry?“

„Keine Ahnung, Miss.“

„Misses!“, fauchte sie zurück. Sie konnte noch so stolz darüber sein, endlich im Jahre von 39 Jahren geheiratet zu haben. Bei den Teenagern stieß diese Tatsache auf keine Begeisterung. Frustriert seufzte die Erwachsene. „Kann mir vielleicht irgendeiner eine Antwort geben?“ Schuldbewusst sahen 19 Schüler von ihren Beschäftigungen auf. Erdkunde interessierte hier niemanden.
 

Das Klingeln zur Hofpause, eine Erlösung für alle, zog Jacob nicht aus seinen Tagträumen. Er blieb sitzen, während alle anderen nach draußen strömten. Embry fing seinen Freund Quil an der kleinen Flügeltür ab.

„Hey Quil!“

„Hey, Mann. Wie war das Wochenende?“

„Ziemlich langweilig ohne dich, du untreues Stück Rudelmist.“

„Jaha, war schön ohne euch mit meiner Claire.“ Embry schüttelte den Kopf. Seit Quil sich geprägt hatte, verbrachte er jede freie Minute mit dem Mädchen. Auch, wenn sie erst 3 Jahre alt war.

„Du wirst nie erraten, was bei uns passiert ist.“ Der Blonde hob die Augenbrauen. „Jacob hat sein Mädchen gefunden!“

„Wirklich?!“

„Naja... Sie ist ein Werwolf. Aber sie kann sich nicht in einen Menschen verwandeln. Jedenfalls nicht bisher.“

„Äh, alles klar... Nochmal für Dumme bitte.“

„Die Schwarze denkt, dass sie ein Wolf ist. Und Jake versucht jetzt sie dazu zu bringen wieder zu fressen und sich daran zu erinnern, was sie ist.“

„Aha... wetten, dass er es vor Ende der Woche nicht hinkriegt?“

„5 Dollar?“

„Okay.“ Die Beiden machten lachend einen Handschlag.
 

Jacob stellte seinen Wagen ab und lief dann einige Minuten bis zu der Lichtung, auf der Sams Haus stand. Verblüfft blieb er stehen, als er sah, wie die Schwarze sich putzte. Sie fuhr sich mit den Pfoten über die Schnauze. Himmel, sie war wunderschön. Plötzlich sah sie auf und knurrte. Jacob biss sich auf die Unterlippe und wandte den Kopf ab. Hochmütig drehte sie sich um und haute mit dem Schwanz einmal auf den Boden. Verständigung beendet für heute. Jacob rümpfte die Nase und explodierte beleidigt. Suchend schaute er sich um. Der Ochse war weg. Mit gerunzelter Stirn schnüffelte er an ihrer Schnauze. Sie hatte das Tier nicht gegessen. Grollend schubste er sie und bekam prompt seine Antwort. Sie hatte das Rudel gerufen, damit es sich satt fressen konnte. Wütend versetzte er ihr einen Schlag gegen den Schädel. Resigniert nahm sie ihn entgegen und schloss die Augen. Wenigstens besaß sie den Anstand, Schuldgefühle zu haben.
 

„Dad?“ Jacob klopfte bei sich zu Hause an die rotgestrichene Tür. „Dad, mach auf.“ Die Tür öffnete sich.

„Jaja, ein alter Mann im Rollstuhl ist kein D-Zug.“

„Hey, Dad.“

„Jacob! Was ist los? Embry meinte, ich soll mir alles von dir erklären lassen.“

„Nun ja... es ist da was passiert, weshalb ich eine Weile da bleiben muss...“ Jacob erklärte seinem Vater die ganze Geschichte.

„Puh. Und was willst du jetzt machen?“

„Ich will ihr Rudel woanders hinbringen.“

„Wozu das?“

„Weil ich mich nicht um sie kümmern kann. Und sie selbst soll gefälligst wieder ein Mensch werden.“

„Du bist ziemlich eigensinnig.“

„Wohl eher besitzergreifend.“

„Wie denkt sie eigentlich über dich?“

„Ich glaube kaum, dass sie mich mag.“ Jacob verzog das Gesicht. Sein Vater hob die Augenbrauen. „Ok, sie hält mich für einen lästigen Nebenbuhler.“ Billy begann zu lachen. „Das ist nicht witzig!“

„Finde ich schon.“

„Danke, Dad“, meinte der Werwolf sarkastisch und ballte die Hände zu Fäusten.

„Mach, was du für richtig hältst, Jake.“

„Mmpf. Du musst mich aber ein paar Tage von der Schule befreien.“

„Noch länger?! Du hast doch schon fast einen Monat lang wegen Bella frei gehabt!“

„Bella ist aber nicht mehr hier. Ich weiß, wen ich beschützen muss, okay?“

„Vor wem beschützen?“ Jacob schnaubte genervt.

„Ich brauch noch ein paar Sachen aus meinem Zimmer.“ Mit wenigen großen Schritten war er schon die Treppe rauf.
 

Einige Minuten später trat er wieder aus der Tür heraus und verabschiedete sich von Billy, einen Rucksack mit Kleidung und Essen auf dem Rücken. Das würde er wohl brauchen. Die Wölfe würden sich nicht innerhalb von ein paar Stunden umsiedeln lassen. Ein Werwolf mit Rucksack. Na klasse.

Sieben

Wo sollte er diese Wölfe bloß hinbringen?

Jacob lag zwischen den schlafenden Tieren, die er schon den ganzen Tag umher geführt hatte. Jetzt ruhten sie sich aus bis zum nächsten Tag. Zur nächsten Wanderung und der nächsten Mahlzeit. Am Liebsten hätte er die Schwarze mitgenommen. Der Umstand, festgekettet am Baum zu sein, machte sie regelrecht depressiv. Und das gefiel ihm noch weniger, als wenn sie ihn schlicht nicht leiden könnte. Warum musste sein Leben eigentlich so kompliziert sein?
 

Den ganzen Tag über lief das Rudel stetig nach Norden. Jacob hatte sie schließlich für ein Reservat in Kanada entschieden, in das er die Wölfe bringen würde.

Jacob?

Sam? Gut, dass man als Werwolf über so weite Entfernungen miteinander sprechen konnte.

Wie weit seid ihr schon gekommen?

Ich bin spätestens in drei Tagen zurück. Macht euch keine Sorgen

Deine Wölfin frisst immer noch nicht

Verdammt, sie soll endlich zur Vernunft kommen

Wir versuchen, es ihr klar zu machen, aber entweder versteht sie uns nicht oder es ist ihr egal

Ich beeile mich. Hört nicht auf, sie zum Essen zu drängen

Lauf schneller, Jacob bisher zeigt sie kein Anzeichen von Schwäche aber wer weiß, wie lange das noch anhält...

Ich tue, was ich kann
 

Dann brachen sie beide den Kontakt ab. Jake trieb das Rudel an, damit sie sich beeilten und wehrte zum x-ten Mal das einzige Jungtier ab, das mit ihm spielen wollte und keine Lust hatte, die gesamte Zeit über zu marschieren. Nicht lange, dann hechelten die Tiere schon vor Anstrengung. Es zehrte an den Nerven, dass sie so wenig Ausdauer im Gegensatz zu ihm hatten. Resigniert packte er den Jüngsten mit den Zähnen im Nacken und schleppte ihn in der Tragestarre mit sich. Bei seiner Größe müsste es längst viel erwachsener sein. Aber er hatte immer noch den Charakter eines Kleinkindes, das andauernd mit Mama schmusen wollte. Das Alphamännchen, das eingeschnappt war, da es einfach so von seinem Platz abkommandiert worden war und die Partnerin diesen Neuen interessanter fand als ihn, stieß Jacob hechelnd an, damit sie endlich Pause machten. Die Tiere waren vollkommen erschöpft. Gut, Jacob ergab sich und setzte den Wolf vor seiner Schnauze ab, der unzufrieden jaulte. Das Tragen hatte zumindest ihm Spaß gemacht.
 

Jacob?

Was’ los?

Bist du schon auf dem Rückweg?

Ja. Was ist los?

Mh...

Jared red nicht mit mir, wenn du sowieso nichts zu sagen hast

Du solltest dich beeilen, wieder herzukommen

Und der Grund ist welcher? Ich laufe schon schneller, als ich vorhatte. Ich wette niemand von euch könnte bis auf Sam mit dieser neuen Kondition mithalten
 

Jacob grinste innerlich und raste durch den Wald. Der Wind pfiff ihm laut in den Ohren. Er spürte freudig, wie der Wind ihm das Fell zerzauste. Als normaler Mensch konnte man einfach kein derartiges Gefühl von Freiheit haben. Es war überwältigend.
 

Jacob!

Was denn, ich bin bald wieder da, mach dir keine Sorgen

Ich will dich nur vorwarnen, damit du nicht total ausrastest vor Eifersucht
 

Das ließ ihn aufhorchen. Eifersucht?
 

Was ist passiert?

Paul versucht die ganze Zeit über schon, sich an deine Kleine ranzumachen, obwohl wir ihn so weit wie möglich entfernt halten

Scheiße. Könnt ihr ihn nicht auch irgendwo anketten?

Als wäre das so einfach. Notfalls sprengt der einfach das Seil!

Verdammt. Warum macht er das? Er weiß doch ganz genau, dass sie meine Gefährtin ist!

Ich glaube, es macht ihm einfach Spaß, als Zeitvertreib

Ich reiß ihn in Stücke

Außerdem hat er es geschafft, wie ein Tier zu denken und spricht mit ihr. Keine Ahnung, was er macht, aber es scheint sie einzuschüchtern. Und fressen tut sie immer noch nicht

Scheiße, Scheiße, SCHEIßE!!!

Beeil dich

Ja, verdammt!
 

Scheiße, Scheiße, verdammte Scheiße nochmal! Warum um Himmels Willen machte Paul sich an die Schwarze ran? Er war doch sein Freund, auch wenn Paul manchmal ein echter Idiot sein konnte. Aber es brachte ihn zur Weißglut, dass er nun auch noch Konkurrenz hatte! Paul hatte seine eigene Gefährtin! Er musste sie nur finden! Arschloch!

Acht

Jacob erreichte seine Freunde mitten in der Nacht, als alle schliefen. Bis auf die Schwarze bemerkte niemand seine Anwesenheit. Er ging gleich zu ihr und stupste sie freundlich an. Die Wölfin duckte sich ängstlich weg. Er runzelte innerlich die Stirn und rieb sanft den Kopf an ihrer Schulter, was sie ebenso zurückhaltend aufnahm. Was hatte Paul da mit ihr angerichtet? Der Rostrote legte den Kopf schief und versuchte ihr bildlich zu verdeutlichen, was er von ihr wissen wollte. Die Antwort kam prompt. Selbst in Wolfsgestalt klappte ihm der Kiefer herunter. Paul hatte seiner Gefährtin suggeriert, wie... das durfte ja wohl nicht wahr sein. Deshalb saß sie da mit eingeklemmtem Schwanz und winselte. Weil ausgerechnet einer seiner Freunde ihr suggeriert hatte, seinen Spaß mit ihr zu haben. Kleines, widerwärtiges Arschloch! Wie konnte er nur? Jacob rieb den Kopf wieder an der Wölfin und machte ihr verständlich, dass er sie beschützen würde. Misstrauisch wich sie vor ihm zurück und beäugte den riesenhaften Werwolf, der da hechelnd meinte ihren Beschützer spielen zu müssen. Er führte sich geradeso auf, als gehörte sie ihm. Sie unterwarf sich doch nicht. Niemals. Jacob grinste, sodass man die Fangzähne sehen konnte, als er ihren Gedankengang verfolgte. Um sie herumtrabend fegte seine buschige Rute ein paar Mal über den Boden. Was er ihr versuchte klarzumachen lautete in menschlicher Sprach ungefähr:

Du gehörst mir nicht und ich zwinge dich auch nicht, dich mir zu unterwerfen, aber als Freund werde ich dich beschützen.

Gut, das hörte sich zwar selbst für ihn selbst ein bisschen überzogen und kitschig an, aber es war schließlich so, oder? Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Und sie zu irgendwas zwingen, würde er sowieso nicht.

Die Wölfin registrierte argwöhnisch, wie er ihr fürsorglich über den Kopf leckte, wie eine Mutter ihrem Jungen. Müde knurrte sie, wurde aber gar nicht erst ernst genommen. Jacob legte sich neben sie und rieb unablässig den Kopf an ihr. Leise brummelnd unternahm sie einen missratenen Versuch, ihn wegzuschieben und legte den Kopf auf die Pfoten. Der Rostrote kuschelte sich an sie und legte den eigenen Kopf auf ihre Schulter. Genervt stand sie auf, lief einmal um den dicken Stamm des Baumes, der sie festhielt herum und legte sich auf die andere Seite. Die Leine spannte unangenehm an ihrem Hals. Jacob sah sie hechelnd an und verzog beleidigt das Gesicht. Er wollte sie beschützen und sie zeigte ihm als Dankeschön die Kehrseite. Sehr freundlich. Kleine Zicke, die er da hatte. Irgendwann würde sie sich schon wieder in einen Menschen verwandeln. Ganz bestimmt. Und dann wäre es sein Verdienst, jaha! Den Kopf nun ebenfalls auf den Pfoten, sah er ihr beim Einschlafen zu. Paul würde er mächtig in den Arsch treten müssen.
 

„Paul.“

„Jacob! Ich hab gar nicht mitgekriegt, dass du wieder da bist.“ Der Größere von beiden schnaubte verächtlich.

„Und was hast du inzwischen bitte mit der Schwarzen gemacht?“

„Was soll ich mit ihr gemacht haben?“ Jacob knurrte gereizt.

„Was hast du ihr in den Kopf gepflanzt?“ Der dunkelgraue Werwolf verschränkte mit schmalen Lippen die Arme vor der Brust.

„Was geht dich das bitte an, was ich mit meiner Seelengefährtin mache?“

„DEINER Seelengefährtin? Sag mal spinnst du jetzt?“ Jacob ballte die Hände zu Fäusten.

„Du hast kein Anrecht auf sie, Jacob. Also misch dich da nicht ein.“

„PAUL! SIE IST NICHT DEINE GEFÄHRTIN, SONDERN MEINE!“ Seine Arme begannen, zu zittern.

„Bei dir hakt’s wohl.“ Paul tippte sich mit einem Finger an die Stirn. „Du hast doch keine Ahnung von Mädchen. Bella konntest du schließlich auch nicht halten.“

„Fang mir nicht damit an“, knurrte der Andere gefährlich langsam.

„Wieso? Es stimmt doch.“ Eine große Hand schnellte vor und ohrfeigte Paul. „JACOB, WAS HAST DU FÜR EIN PROBLEM?“

„MEIN PROBLEM? ICH SAG DIR, WAS ICH FÜR EIN PROBLEM HABE! DU SETZT MEINER GEFÄHRTIN FICKSZENEN IN DEN KOPF!“ Paul lief dunkelrot an. Sein Gegenüber bekam zuckende Schultern.

„Das hat dich überhaupt nicht zu interessieren.“

„DOCH, ES GEHT MICH ETWAS AN! SCHON BEMERKT, DASS SIE TOTAL VERÄNGSTIGT WEGEN DIR IST?“, brüllte der Schwarzhaarige, außer sich vor Wut.

„Wenn sie erstmal merkt, was ich ihr alles zeigen kann, dann traut sie sich schon irgendwann.“

„Du hättest die Zeit nutzen können, indem du versuchst sie zum Fressen zu überreden, du Vollidiot!“ Er sprach die Worte gequetscht zwischen zusammengepressten Zähnen.

„Selbst wenn! Sie ist und bleibt meine Gefährtin, ok?“ Jacob stöhnte gequält auf.

„Sie ist eben nicht deine Gefährtin, sondern meine.“ Inzwischen zitterte der Werwolf unkontrolliert.

„Willst du das jetzt mit mir ausdiskutieren?“ Jacob musste sich zwingen, nun ruhig zu antworten.

„Nein, will ich nicht. Du musst ja nur begreifen, dass die Schwarze meine Gefährtin ist!“

„Vergiss es, Kumpel.“

„Willst du noch eine runtergehauen haben?“

„Verpiss dich, Jake. Ich sag meiner Freundin Guten Morgen.“ Jacob packte ihn am Kragen.

„Paul, hat dir eigentlich wer ins Hirn geschissen?“

„Geh bloß nicht zu weit, Jake.“

„Ich gehe zu weit? ICH?“

„JA DU!“ Jacob explodierte gleichzeitig mit ihm, während sie aus dem haus stürzten. Sie schnappten nacheinander. Jacob brüllte wütend und stürzte sich auf seinen eigentlichen Freund. Paul wich ihm aus und machte sich mit erhobenem Kopf größer, natürlich direkt vor den Augen der Schwarzen, die abweisend knurrte. Jacob bellte warnend. Gewinnend umstrich der graue Werwolf die Schwarze, die knurrte und den Schwanz einzog.

Paul, lass sie in Ruhe!

Der Angesprochene leckte seiner angeblichen Freundin über die Schnauze. Diese versuchte weiter von ihm abzurücken, wurde aber von ihrer Leine gehindert. Lasziv rieb er sich an ihr.

Paul, du siehst doch, dass sie Angst hat!

Glaub mir, sie muss nur nachgeben

Paul! Sie hat Angst vor dir! Und sie ist MEINE Gefährtin, verdammt nochmal!
 

Die Schwarze wimmerte, als Paul sich weiter an ihr rieb und in ihren Nacken biss. Angsterfüllt warf sie den Kopf zurück und jaulte. Ein roter Blitz jagte über sie hinweg und rammte Paul. Dieser rollte kurz über den Boden, bevor er wieder aufsprang und knurrte. Jacob trabte abschirmend vor der Wölfin hin und her. Gefährlich langsam setzte Paul eine Riesentatze vor die Andere.
 

Jacob, geh weg da

Keine Chance

Du weißt, dass du kein Recht auf sie hast

Und du weißt, dass das nicht stimmt. Ich habe jedes Recht auf sie. Wenn sie mich nicht will, dann muss ich mich damit abfinden. Aber dass du sie beanspruchst, bringt mich auf die Palme, Paul. Lass es, sag ich dir. Es ist das Beste für dich

Dann lass sie doch entscheiden, wer ihr lieber ist

Als würde es etwas daran ändern, dass ICH ihr Gefährte bin

Vielleicht. Möglich ist alles, also warum willst du es nicht ausprobieren? Angst?

Von wegen

Na dann. Weg da Jacob. Wenn sie mich nicht haben will, werden wir das sehen. Aber wenn sie dich auch nicht will, dann musst du sie gehen lassen

Damit du sie wieder einfangen kannst?
 

Paul bleckte grinsend die Zähne und näherte sich der Schwarzen wieder, die ihn ängstlich beäugte. Er schlich um sie herum, während Jacob minimalen Abstand hielt. Der zweite Werwolf versuchte ihn zur Seite zu stoßen.

Mach Platz, Jake

Jacob ignorierte die geknurrten Worte in seinem Kopf und bewegte sich keinen Millimeter. Er beobachtete die Wölfin, welche panisch zu jaulen begann. Paul hatte wieder begonnen, sich an ihr zu reiben und schloss den Kiefer erneut um ihren Nacken. Jacob spannte die Muskeln an und sah, wie der Jugendliche sich an seine Gefährtin drückte. Aus ihrem Wimmern wurde plötzlich ein Knurren und Geifern.

Was machst du da, Paul?

Na was wohl, Alter. Ich zeige ihr nur, wovor sie sich noch so fürchtet. Die Kleine ist ja total verklemmt

WAS? PAUL, ES WIRD DIR BESTIMMT NICHT HELFEN, WENN DU DICH SELBST AUFGEILST, INDEM DU DEINEN SCHWANZ AN IHREM HINTERN REIBST!
 

Die Werwölfin warf ihm einen panischen, angstvollen Blick zu. Und das genügte. Mit einem Satz beförderte er Paul mehrere Meter weiter ins Gebüsch. Ein dumpfer Ton erklang, als der schwere Körper aufschlug, um gleich darauf wieder zu stehen. Jacob stand über der, auf den Boden gedrückten, Wölfin, die sich so klein wie möglich machte. Sie wirkte verhältnismäßig nur noch so groß, wie ein normaler Wolf, unter ihm in diesem Moment. Beruhigend leckte er ihr die Ohren, bis sie nur noch leise jaulte. Die Rute lag nach einer Weile wieder normal neben ihrem Körper.

Siehst du es jetzt ein, Paul?

Wir werden sehen, wer der Verlierer ist...

Steht direkt vor meiner Nase
 

Darauf erwiderte Paul nichts mehr und drehte sich grollend um.

Neun

Fürsorglich leckte Jacob seiner Gefährtin die Ohren und das Gesicht, bis ihr Fell wieder seidig glänzte. Im Gegensatz zu seinem eigenen Fell, das widerborstig und rau war, war ihres weich, feinhaarig, langgewachsen und glänzte obendrein bläulich, was ihm ausgesprochen gut gefiel. Jaulend leckte sie ihn ihrerseits plötzlich zwischen den Ohren. Moment mal... war das gerade so ’ne Art Dankbarkeit!?!? Er sah sie irritiert an und grummelte freudig, als sie den Kopf scheu und kurz gegen seine Schulter drückte. Sie knurrte genervt, als er, wild mit dem Schwanz wedelnd vor Freude, ihr mit einer großen, nassen Zunge quer übers Gesicht fuhr. Hm... Jacob verwandelte sich kurz zurück und knotete das Seil am Baum auf. Ein paar Momente später hatte sie 20 Meter Leine, die ihr etwas Bewegungsfreiheit boten. Sanft krauelte er sie hinter den Ohren.

„Jacob, du stehst splitternackt da draußen im Sonnenschein.“ Embry kam zu ihnen herüber und grinste ihn an.

„Na und?“

„Komm lieber rein, bevor du von Sam den Arsch versohlt bekommst, weil Emily dich aus Versehen angeschaut hat.“ Jacob verzog amüsiert die Mundwinkel und stieg in seine Hose, die ihm der Freund reichte. Embry sah über die Schulter zu der Wölfin, die ihnen hinterher blickte. „Wie läuft’s denn jetzt eigentlich mit ihr?“

„Mmpf. Ich würde Paul am liebsten den Kopf abreißen.“

„Was hat er denn jetzt eigentlich gemacht?“ Der Werwolf verschränkte die Arme hinter dem Kopf, als sie zu dem kleinen Haus zurückschlenderten. Sein Freund knurrte, wieder wütend.

„Er hat ihr vorgespielt, wie er sie vögelt.“ Embry blieb abrupt stehen und weitete die Augen.

„Das meinst du nicht ernst!?“

„Hört sich das vielleicht nach einem Scherz an?“, fauchte Jake ihn an.

„Aber... Moment mal, er... hat ihr“, Embry zeigte auf die Schwarze, die die anscheinlichen Menschen beäugte, „Bilder in den Kopf gesetzt, wie... wie er sie abfickt!?!?“

„Allerdings.“ Jacobs Fäuste zitterten schwer vor unterdrückter Wut.

„Arschloch. Verdammtes, mieses, kleines Arschloch!“ Nun zitterte auch Embry. Er konnte es nicht fassen, dass Paul so etwas tat. „PAUL!“ Jacob packte seinen Freund am Arm.

„Nein! Wenn, dann will ich das regeln.“

„Niederträchtiger Scheißer!“

„Ich weiß!“, knurrte Jacob zurück und unterdrückte mühsam das Zittern seiner Schultern. „Wir werden noch sehen, was er sich dabei gedacht hat. Aber ich will selber damit fertig werden, ok?“ Embry knirschte wütend mit den Zähnen. Seine Kiefer mahlten aufeinander.

„Na gut.“

„Danke.“ Von wegen Dankbarkeit. Er hätte immer noch in die Luft gehen können vor Zorn. Missmutig grummelte Embry.

„Komm schon, frühstücken wir. Ich hab Hunger.“ Jacob ließ sich mitschleifen. Embry stieß die Küchentür auf, blieb stehen und kam nicht einmal ins Stolpern, als Jacob in ihn hineinrannte, den Kopf in die entgegengesetzte Richtung gedreht. Irritiert sah er nach vorn und biss die Zähne zusammen. Paul sah von seinem Frühstück auf und knurrte gereizt. Eisiges Schweigen breitete sich aus.

„Na schön! Idioten!“ Paul stand auf und räumte das Zimmer. Seine Nackenhäarchen stellten sich auf, als er spürte, wie ihm zwei kalte Blicke folgten.

„Beschissener Wichser!“

„Embry! Äh... das ist das erste Mal, dass ich so etwas von dir höre.“ Die Teenager warfen Emily, die gerade hereingekommen war einen finsteren Blick zu.

„Frag lieber nicht.“

„Ist was passiert?“

„Frag nicht.“ Jake fiel etwas ein und er wandte sich wieder an seinen Freund.

„Weiß Sam eigentlich davon?“

„Inzwischen wohl schon.“

„Inzwischen?“ Der Schwarzhaarige wölbte eine Augenbraue.

„Paul heult sich gerade bei ihm aus. Hörst du’s nich?“ Jacob legte den Kopf schief und schwieg. Embry hatte Recht.

„Ich glaub’s einfach nicht. Warum sieht er nicht ein, dass sie nicht seine Gefährtin sein kann!?“

„Ihr solltet schnell essen, die Schule fängt bald an. Ich lasse doch nicht zu, dass ihr zu spät kommt“, meldete sich die einzige Frau im Raum zu Wort.

„Ich geh nicht in die Schule.“ Jake nagte an seiner Unterlippe.

„Aber...“

„Ich muss mich um die Schwarze kümmern, verstehst du nicht? Dad hat mich freigestellt.“ Emily seufte. Sie verkniff sich das Schon wieder?, das ihr auf der Zunge lag und räumte Pauls Geschirr ab.

„Esst ihr trotzdem was?“

„Klar doch.“ Wie zur Bestätigung knurrte Embrys Magen vernehmlich. Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn.

„Sag mal hast du rohes Fleisch?“
 

Frustriert grummelte der Rostrote vor sich hin. Seit mindestens einer Stunde hockte er jetzt schon bei der Wölfin und versuchte ihr dieses, für ihre Augen, Fetzchen eines Fleischbrockens anzubieten. Genervt drückte er es ihr gegen die Schnauze. Ebenso genervt von ihm wandte sie sich jetzt schon bestimmt zum hundertsten Mal von ihm ab, leckte sich über die Schnauze und wollte wieder mit dem Putzen weitermachen, wobei er sie gestört hatte, als er gekommen war. Gut, das mit dem Ablecken hätte sie nicht tun dürfen. Sie hatte wirklich Hunger. Ihr Magen zog sich, deutlich leer, zusammen. Jake wusste das natürlich sofort und hielt ihr einladend das rohe Steak in Augenhöhe. Beleidigt knurrte sie ihn an. So schnell gab sie bestimmt nicht auf. Der Werwolf rollte innerlich mit den Augen. Wie konnte man nur derartig stur sein? Den Kopf an ihrer Schulter reibend klatschte er ihr das Fleisch ins Gesicht. Resigniert trottete sie wieder ein Stück von ihm weg, wie er es erwartet hatte. Er lief ihr hinterher und stieß sie sanft an. Die Schwarze machte einen Hüpfer, als sie ihm ausweichen wollte, die Leine sie aber nicht weiter vom Baum wegließ. Jacob drückte sie vorwärts, sodass sie nur die Möglichkeit hatte, schnell um den Stamm des Baumes, der die Mittelachse und den Drehpunkt darstellte, herumzutraben. Sofort war er wieder bei ihr und kuschelte sich übertrieben an ihre Seite. Verdammt, wurde sie ihn denn gar nicht los? Ein Ruck am Hals ließ sie verwirrt auf den Hintern plumpsen. Er hatte sie reingelegt! Der Rostbraune hatte sie so lange um den Baum geschoben, bis das Seil an ihrem Hals fast straff gespannt war.

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck legte der große Wolf sich quer über das Stück Seil, das ihr übrig geblieben war und verhinderte so, dass sie sich von ihm entfernen konnte. Sauer knurrte die Werwölfin. Jake kratzte sie bittend am Bein und hielt die Schnauze mit dem Essen in die Höhe. Seine Gefährtin fletschte die Zähne und das Grollen wurde tiefer. Jake wedelte mit dem Fleisch und verzog das Maul zu einem Grinsen. Eingeschnappt zog die Wölfin am Seil, merkte aber schnell, dass sie keine Chance hatte. Wütend haute sie ihm die Tatze auf den Schädel. Jacob grummelte und verzog das Gesicht. Die Schwarze bellte ihn, breitbeinig vor ihm stehend, an. Er erhob sich drohend, zwei Pfoten noch auf dem Seil, und baute sich vor ihr auf. Streng funkelte er sie von oben an. Aber die Wölfin kam gar nicht auf die Idee, sich zu unterwerfen. Viel mehr sprang sie an ihm hoch und biss nach seinem Kopf. Erst drehte er diesen und grollte bedrohlich, merkte aber, dass sie nicht vorhatte, aufzuhören. Sie würde glatt bis zum Ende kämpfen. Himmel, wie konnte man nur so zäh sein? Vollkommen entnervt riss er den Kopf wieder herum, um ihr damit einen Stoß zu verpassen, hielt aber jäh inne und begann zu grinsen, als sie ihm verblüfft direkt in die Augen starrte. Sie hatte seine schnelle Bewegung nicht mitbekommen und hatte ihm nun statt in die Schnauze, in den Fleischbrocken gebissen. Einladend machte er ein paar schmatzende Geräusche und schleckte ihre Schnauze entlang, als er die Zähne aus dem Fleisch löste.

Verdammt, ihr Magen schlug Purzelbäume als Reaktion auf das Fressen, das ihr da so unerwartet ins Maul geschoben worden war. Zärtlich wurde sie mit einer großen Zunge am Kopf geputzt und ein Kopf an ihrer Schulter gerieben. Immer noch stand sie mit dem Fressen im Gebiss da. Jacob stupste ihr Kinn an, um sie zum Essen zu bringen. Die Schwarze grummelte leise, aber er erkannte den Moment, da sie aufgab. Triumphgeheul tönte durch die Bäume, als er den Kopf in den Nacken warf. Die Wölfin wandte sich resigniert ab und fraß das Fleisch so schnell wie möglich, um es auch ja nicht genießen zu können. Am Ende würde sie nur noch mehr Hunger bekommen. Auf einmal zuckte ihr der Blutgeruch und der saftige Geschmack eines toten Rehs durch den Kopf. Wütend knurrte sie Jacob an. Das konnte ja nur er gewesen sein. Aus irgendeinem Grund machte ihr das nicht einmal mehr Angst, spürte sie und grummelte wieder. Mit einer großen, nassen Zunge wurde ihr die Schnauze abgeputzt. Sie schüttelte sich, scheinbar angewidert und rempelte ihn unsanft an. Jacob schmiegte den großen Kopf auf ihren und jaulte zufrieden. Na gut, er war schon irgendwie... interessant. Ihre Nase drückte sich kurz und sanft von unten an seinen Hals, bevor sie hocherhobenen Hauptes in die andere Richtung marschierte und wieder einen Ruck am Hals verspürte. Sie sah Jacob an und grummelte. Dieser ließ ohne Einwände sofort die Leine los und grinste ihre hinterher, als sie um den dicken Baum herum verschwand. Er hatte den nächsten Schritt geschafft. Na endlich.

Zehn

Embry stieg von dem Motorrad ab, mit dem er gerade von der Schule kam. Die Stirn runzelnd sah er Jacob, an die Außenwand gelehnt, auf dem Boden sitzen. Er hielt das Gesicht in das dumpfe Licht, das sich tapfer durch die üblichen Wolken kämpfte.

„Jake, warum guckst du so?“ Ohne die Augen zu öffnen grinste der Werwolf.

„Wie gucke ich denn?“

„So, dass ich mir Sorgen um deine geistige Gesundheit mache.“

„Ach wirklich?“ Er linste zu der schwarzen Wölfin hinüber, die ertappt den Kopf drehte und sich wieder zu putzen begann.

„Ahaaa. Daher weht der Wind also. Irgendwelche Fortschritte?“ Jacob streckte die Beine, zog sie an und stützte den Kopf in die Hand.

„Ach... eigentlich nichts Besonderes. Ich hab sie gefüttert... mh“, er tat so, als müsste er überlegen, „danach geputzt... und als sie mich dann weggescheucht hat, weil es ihr zuviel wurde, hat’s geregnet.“

„Dass es regnet ist ja nichts Besonderes. Was ist mit dem Rest?“ Embry zog die Augenbrauen in die Höhe, als er die Frage stellte. Er hatte die Schwarze geputzt und gefüttert? War sie jetzt ganz plötzlich ein zahmes Schoßtier, oder was?

Der Schwarzhaarige grinste noch breiter.

„Es waren bisher nur... drei, vier... fünf rohe Steaks und die Putzorgie.“

„Orgie?“

„Nun ja, bestimmte Teile hab ich ihr überlassen.“ Embry versuchte seine Mundwinkel dazu zu bringen, mit dem Zucken aufzuhören.

„Heißt das jetzt, dass sie dich mag?“

„Zumindest kann niemand mehr behaupten, sie würde mich hassen.“ Embry kapitulierte, bevor er noch einen Krampf von dem Gezucke bekam und grinste seinen Freund nun ebenso breit an.

„Du würdest ja eine Torte von mir dafür bekommen, aber ich kann leider nicht backen. Genauso wenig wie kochen.“ Jake stand geschmeidig auf.

„Wenn du noch länger über Essen sprichst, schreie ich vor Hunger. Hoffentlich hat Emily schon was vorbereitet.“ Er grinste, Embry ins Haus schiebend, über die Schulter, da er genau wusste, dass die Schwarze ihn wieder beobachtete.
 

Jacob stöhnte innerlich auf, als er durchs Fenster eine Bewegung sah, hinguckte und Paul erblickte. Warum war der Kerl eigentlich noch hier? Normalerweise ging er unter der Woche immer zurück zu seinen Eltern.

„Nicht schon wieder“, stöhnte Embry und wollte aufstehen, woran sein Freund ihn allerdings hinderte.

„Lass mich das machen.“ Die Stuhlbeine kratzten über den Boden.
 

Die Schwarze knurrte gereizt, die Zähne gefletscht und die Beine breit. Der große, dunkelgraue Wolf schritt gemächlich auf sie zu, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Paul, verpiss dich

Willst du mich schon wieder nerven?

Nur, bis du sie in Ruhe lässt

Verschwinde, Jake

Paul, sie hat gewählt. Geh nach Hause

Und was, wenn ich nicht will?
 

Die Werwölfe knurrten sich an, während die Wölfin sich weiter von Paul entfernte.
 

Notfalls breche ich dir auch die Beine

Mach, was du willst, aber verzieh dich
 

Paul ging ungerührt zu der Schwarzen, die geiferte, als er sie bedrängte. Er strich wieder um sie herum und rieb sich an ihr. Hilfesuchend warf sie Jacob einen ängstlichen Blick zu. Dieser stellte sich sofort zwischen sie und seinen Rudelbruder.
 

Finde dein eigenes Mädchen, aber lass meins in Ruhe!

Willst du eins auf die Nase, Jake?

Liebend gern, wenn du dann verschwindest
 

Paul setzte zum Sprung an und knallte in seiner Wut mit dem Kopf fast gegen den Baum, an dem die Wölfin, die er für seine Gefährtin hielt, festgemacht war. Jacob versetzte ihm mit einer großen, schweren Pranke einen Hieb. Paul bellte ihn wütend an.
 

Oh Mann, jetzt hatten sich die Beiden schon wieder in den Haaren. Embry stöhnte auf und schüttelte den Kopf. Warum führte sich Paul auch so idiotisch auf? Er kam schnell nach draußen und explodierte noch im Lauf. Sofort stellte er sich zwischen die drei Wölfe.

Könnt ihr jetzt mal aufhören?

Misch dich nicht ein, Embry

Paul knurrte ihn an und versuchte ihm auszuweichen, um an die Schwarze heranzukommen, die sich scheu an Jacob drückte.

Verpiss dich endlich, Paul. Geh nach Hause und nerv uns nicht
 

Paul grollte aggressiv. Embry trat ihn zur Seite und verzog die Lefzen. Widerwillig zog Paul ab und verkroch sich ins Haus. Embry drehte sich siegreich zu seinem Freund um und verzog die Augen zu Schlitzen, als er sah, dass sie ihm gar keine Beachtung schenkten.

Ihr ignoriert mich doch jetzt nicht einfach, nachdem ich in strahlender Rüstung aus dem Kampf zurückkomme!?

Wir doch nicht

Der Rostrote grinste in Gedanken und leckte seiner Wölfin fürsorglich die Ohren, die immer noch eng bei ihm stand und leicht ängstlich in Richtung Haus sah. Sie grummelte etwas unwillig, als Jacob ihr mal wieder suggerierte, dass er sie beschützen würde. Zufrieden schmiegte er den Kopf auf ihren und markierte sie gleichzeitig mit den Duftdrüsen an der Falte seiner Schnauze. Spielerisch zog sie ihn am Ohr, um sich dann kokett, hocherhobenen Hauptes umzudrehen und sich, den Blick abgewandt, stolz hinzusetzen. Er machte ein amüsiertes Geräusch, solange man das bei einem Wolf als amüsiert einstufen konnte. Sie guckte spöttisch über die Schulter und wandte sich wieder ab.

Igitt. Wenn sie dich nochmal so anguckt, muss ich kotzen

Nur, weil du keine Ahnung hast

Wenn ich durch eine Freundin zum liebeskranken Idioten mutiere, bleib ich lieber Single

Embry, du weißt, dass wir uns auf diese Art nicht belügen können...

Der braune Wolf sah beschämt zur Seite.

Du findest sie bestimmt. Früher oder Später

Lieber früh, als spät

Mach dir keine Sorgen

Embry lief zum Haus zurück und nahm wieder Menschengestalt an. Er drückte sich die Hand auf die brennenden Augen. Warum hatten eigentlich bis auf ihn und Paul jetzt plötzlich alle eine Gefährtin? Er würde nicht heulen, er würde nicht... Er bekam Schluckauf und biss sich auf die Unterlippe.

„Schon scheiße, wie das Alles läuft, hm?“

„Raus hier, Paul.“

„Und was, wenn...“

„Ich sagte Raus! Geh nach Hause, verdammt!“

„Oh, ein kleines Sensibelchen sind wir jetzt auch schon.“

„Wenn du nicht willst, dass ich dir etw... hick... was breche, dann gehst du jetzt! Schnapp dir deinen Rucksack und geh nach Hause.“ Beleidigt knirschte Paul mit den Zähnen. Trotzdem riss er seinen Rucksack vom Boden hoch und stapfte nach Draußen. Embry hickste noch einmal. Warum eigentlich immer auf ihn? Verdammt, er sollte sich da nicht so reinsteigern, aber er konnte irgendwie nicht anders. Hicksend presste er sich den Handrücken auf den Mund.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  sami52
2011-12-14T16:17:36+00:00 14.12.2011 17:17
coole Idee. ich muss sagen ich hatte richtig Spass beim lesen und hoffe das irgendwann ein neues Kapitel dazu kommt. Dein schreibstil empfinde ich als sehr angenehem und lät zum weiterlesen ein. riesiges Lob. Liebe grüße pia
Von:  kleinYugi5000
2011-12-05T21:31:40+00:00 05.12.2011 22:31
super story
weida so^^

ich hoffe doch das du den FF noch weida schreibst oda?? **bettel**

deine Soph-chan
Von:  Jaki
2011-05-18T18:04:56+00:00 18.05.2011 20:04
*___*
hey erstmal xD
ich find die geschichte wirklich toll *__*
mir gefällt dein schreibstill und es ist irgendwie total toll das alles mal... keine ahnung so wolfsm#ßig zu lesen? XD
einfach zu niedlich x3
eigentlich bin ich ja ein Jake X Bella freak aber die idee gefällt mir auch ganz gut x3
woaaaaaaaaaaa Paul ist sooooo ein arsch ò.o *ihn anknurr*
XD aber ohne ihn wäre es wohl allgemein langweilig ;3

ich freu mich wirklich wenns weiter geht ^_^
*story in favos tu*
lg Jaki
Von:  Somi
2011-04-06T19:13:20+00:00 06.04.2011 21:13
klasse !!!!!!
endlich kommt jake bei dem dickkopf weiter :D
mal sehen was sam eigentlich zu pauls versuchen sagt
und ob er es nochmal versucht
schreib schnell weiter
freu mich schon voll darauf weiter zu lesen *mega mega freu*
mach weiter so *anfeuer*
bye *knuddel*

Somi
Von:  Somi
2011-04-03T16:46:53+00:00 03.04.2011 18:46
oha...
wie kommt den paul nur auf diesen trichter?
er und sie seelengefährten?!
mal sehen ob paul sie in ruhe lässt
und ob sie dadurch jake mehr vertraut ^^
mach schnell weiter
freu mich schon wölfisch darauf weiter zu lesen *mega freu*
mach weiter so *anfeuer*
bye *knuddel*

Somi
Von:  Somi
2011-03-20T19:59:03+00:00 20.03.2011 20:59
dickköpfige wölfin ^^
los jake, das schaffdt du schon *fahne schwenk*
schreib bitte schnell weiter ^^
bye *knuddel*

Somi
Von:  Somi
2011-03-16T20:30:11+00:00 16.03.2011 21:30
sie ist aber auch dickköpfig *mit Zeitung hau*
jacob wird das schon schaffen ^^
so hartnäckig wie er ist :D
mach weiter so *anfeuier*
mal sehen wie es weiter geht
freu mich schon darauf weiter zu lesen *mega mega freu*
bye *knuddel*

Somi
Von:  Somi
2011-03-09T21:59:32+00:00 09.03.2011 22:59
da hat er ja noch echt viel arbeit vor sich
der arme ^^
schreinb schnell weiter
freu mich schon tierisch darauf weiter zu lesen *mega mega freu*
mach weiter so *anfeuer*
bye *knuddel*

Somi
Von:  Somi
2011-03-02T21:45:57+00:00 02.03.2011 22:45
interessante ff
mal sehen wie es weiter geht ^^
mach weiter so
bye *knuddel*

Somi


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