Zum Inhalt der Seite

R-2-17

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein kühler Luftzug schlug mir entgegen als ich das dunkle Gebäude betrat. Die schwere Eisentür hinter mir fiel krachend ins Schloss und ich stand nun alleine in einer großen Eingangshalle. Ein bisschen mulmig wurde mir ja schon, als ich den Raum durchschritt und am Fuße einer riesigen Treppe ankam. Ich sah auf meine Armbanduhr, es war fünf vor neun. Gegenüber der Treppe war eine Tafel angebracht, auf der mit großen Buchstaben zu lesen war: Schreibseminar bei Mr McGowan, zweiter Stock.

Eine halbe Ewigkeit starrt ich auf die Schrift. Es war nicht zu glauben, dass gerade ich solch ein Seminar beesuchen sollte. Unbewusst lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Ob das davon oder von der Kälte, die von den Wänden ausging, kam, konnte ich nicht sagen. Da ich keine Jacke dabei hatte, schlang ich die Arme fest um meinen Körper.

So, und jetz geh, sagte ich zu mir selbt. Als ich die dunkle Holztreppe betrat, quitschte das alte Holz unter meinen Schritten, was meinem Selbstvertrauen nicht gerade gut tat.

Der erste Stock war geschafft und es sah hier genauso aus, wie im Erdgeschoss auch. An manchen Teilen der Wand brökelte Farbe ab und im Fußboden waren dicke Kratzer zu sehen.

Ich musste den ganzen Raum noch einmal durchqueren, um an die Treppe zu gelangen, die noch weiter hoch führte. Links von mir trennte eine Glastür einen langen Gang ab, doch da das Licht nicht an was und es nur wenige kleine Fenster gab, konnte ich außer ein paar Türen, die rechts und links des Flures abgingen, nichts erkennen. Also bewegte ich mich wieder Stufe für Stufe in den zweiten Stock hinauf. Und -was für ein Wunder- hier sah es wieder genauso aus, wie im Erdegeschoss und im ersten Stock auch. Wieder ging ich eine halbe Runde um die Treppeherum, doch diesmal bog ich links in den Gang ab. Kaum öffnete ich die Türe, klangen Stimmen und vereinzelnd Gelächter zu mir. Es sah hier aus wie in einer Schule, was es gewissermaßen auch war: Überall waren Türen in gleichmäßigen Abständen und vor jeder Tür eine kleine Bank. Am ende des Flures stand eine Tür offen, wie alle anderen war sie dunkelgrün angestrichen und mit komischen Schnörkeln versehen. Je weiter ich mich dem Raum näherte, desto lauter und heller wurde es. Ein paar Meter davor blieb ich stehen und atmete noch einmal tief durch.

"Das packst du schon" versuchte ich mir Mut zuzusprechen,"Ist doch keine große Sache, in drei Stunden kannst du hier wieder raus." Doch das stimmte nicht, denn die restlichen Ferien musste ich jeden Tag hierher und die Sommerferien hatten erst vor zwei Tagen angefangen. Außerdem war es eine große Sache. Zumindest für mich.Es hing davon ab, wie meine weitere Zukunft aussehen sollte.

Plötzlich ertönte ein schriller Ton und die Stimmen wurden ruhiger. Ich schluckte einmal und trat ein. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein ganz normales Klassenzimmer, denn mehrere Einzeltische standen im Raum, jedoch waren ummer zwei davon zusammengeschoben. So weit ich es beurteilen konnte, waren alle Plätze belegt. Vorne hinter dem Pult saß ein jüngerer Mann, ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig, also nicht viel älter als ich selbst. Er trug seine blonden Haare ziemlich kurz und der leichte Bart ging an den Seiten zu Kotletten über. Als er mich sah, legte er den Stift beiseite, mt dem er eben noch geschrieben hatte und fragte:"Bist du Logan?"

Ich nickte. "Wie war noch dein Nachname?"

"Foster. Logan Foster." antwortete ich mit kratziger Stimme.

Mr McGowan hackte etwas auf einem Blatt Papier an, anscheinend meinen namen.

"Gut. Setz dich." Meinte er ohne mich anzusehen.

Ich blickte in die Klasse. Etwa zwanzig gleichaltrige Mädchen und Jungen starrten mich an. So ist das nun mal, wenn man als Letzter kommt. Nur in der hintersten Reihe war noch ein Platz frei und wenn ich ehrlich bin, war ich sogar froh, nicht weiter vorne sitzen zu müssen. Als ich mich setzte spürte ich die warmen Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen. Schließlich war Sommer und draußen hatte es mindestens dreißig Grad. Ich kann mir vor wie in einer anderen Welt, denn hier herrschten Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. So kam es mir zumindest vor.

Erst jetzt bemerkte ich den jungen rechts neben mir. Als ich mich zu ihm drehte, sprach er mich an: "Hi Logan. Ich bin Jeff."

Skeptisch musterte ich ihn. Das Erste, das mir an ihm auffiel, war sein gutes Aussehen, denn schlecht sah er nicht aus, das musste man ihm lassen. Die langen dunklen Haare fielen ihm über die Augen und er lächelte mich an. Nicht so ein gekünsteltes Lächeln wie meine "Freunde" in der Schule, sondern ein offenes, herzliches Lächeln. Von seinem rechten Schneidezahn war ein Stückchen angebrochen. Doch auch seine Kleidung war cool und lässig, aber nicht angeberisch.

Ich grinste zurück: "Hey Jeff." Oh mein Gott klang das ätzend! Zum Glück musste ich nicht weiter sprechen, denn Mr McGowan richtete das Wort an uns: "Hi. Mein Name ist Austin McGowan. Warum ihr hier sei, wisst ihr ja. Aber worum es in diesem sogenannten Schreibseminar geht, erklär ich euch mal kurz."

Am liebsten wäre ich gegangen. So was Langweiliges! Obwohl McGowan seine Sache gut machte, fühlte ich mich recht unbehagen. Jeff ging es wohl nicht anderes, denn er rutschte jetzt schon ungeduldig auf seinem Stuhl herum und trommelte mit zwei Fingern auf den Tisch.

McGowan sprach weiter: "Dieses Seminar wird euch dabei helfen, euren Ausdruck zu verbessern und an eurer Grammatik zu arbeiten, damit ihr bessere Geschichten und später auch Bücher schreiben könnt."

Ich war drauf und dran, die Augen zu verdrehen. Wer will das denn schon? Ich jedenfalls nicht.

"Ziel unsere gemeinsamen Zeit ist es, dass jeder von euch am Ender ein Buch von rund hundert Seiten geschrieben hat. Die Besten fünf werden von einem bestimmten Verlag, der uns sponsort, veröffentlicht. Das eingenommene Geld kann jeder von euch selbst behalten. Und ich verspreche euch: das wird nicht gerade wenig werden!"

Beim letzten Satz spitzten sich meine Ohren. Das klang doch gar nicht mal schlecht!

Ich öffnete meinen Rucksack und holte meinen Block und einen Kugelschreiber heraus.

"Da heute der erste Tag ist, möchte ich euch ja erst einmal kennenlernen. Aber eure Namen interessieren mich weniger als euren Schreibstil. In den nächsten drei Stunden schreibt ihr bitte eine kurze Geschichte, die vier bestimmte Wörter enthalten muss. Ich sammle dann alle ein und lese sie mir durch. Einverstanden?" fragte er in die Runde.

Vereinzelnde Zustimmung und Nicken. Mr McGowan schrieb die Wörter "Eifersucht", "Einverständnis", "Gier" und "Macht" an die Tafel.

"So zeigt sich eure Kreativität und euren Einfallsreichtum" meinte er noch.

Na toll! Was soll mir das denn bringen? fragte ich mich. Genügend Geld! kam auch gleich die Antwort von meinem Unterbewusstsein. Ich wusste, ich müsste mich wirklich anstrengen, doch musste das heute schon sein? Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie ich mit diesen Wörtern einen anständigen Aufsatz praktizieren sollte. Mir fiel nicht einmal ein geeigneter Zusammenhang dazu ein.

Genervt sah ich mich in der Klasse um: sie bestand zum größten Teil aus Mädchen und außerdem waren alle bereits über ihre Hefte oder Blöcke gebeugt und schrieben ihre Kugelschreiber leer.

Vorsichtig schielte ich zu Jeff hinüber, doch anders als ich erwartet hatte, schrieb er nicht. Nicht einmal ein Stift lag auf seinem Tisch. Als er merkte wie ich ihn anstarrte, hörte er damit auf, Dreck aus seinen Fingernägeln zu kratzen.

"Was ist?" flüsterte ich "Warum machst du nichts?"

"Ich mach doch was." grinste Jeff und wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.

"Ich meine, warum du nicht anfängst zu schreiben."

"Das hab ich schon verstanden…"

"Ja, und warum jetzt?"

Jeff überlegte kurz. "Kein Bock." War seine Antwort. Toll.

Ich sah mich unter und neben unserem Tisch um und bemerkte, dass Jeff nicht einmal einmal einen Rucksack oder so dabei hatte. Kurz entschlossen riss ich ein Blatt aus meinem Block, holte einen zweiten Stift heraus und knallte Jeff beides unter die Nase.

"Hier. Und jetzt schreib. Ich hab nämlich auch keinen Bock, aber ich muss es tun! Und du bist hier bestimmt auch nicht zu Spaß. Ich weiß zwar nicht, wer dich dazu zwingt, aber fang zumindest an, okay?" Ich durfte schließlich nicht in Versuchung geraten, aufzugeben.

Inzwischen hatte sich meine Lautstärke verdoppelt, doch keiner unserer Mitschüler interessierte sich für uns. Jeff sah mich einen Moment verwirrt an –was ich übrigens total verstehen konnte, schließlich wunderte ich mich selbst über meine Offenheit!- doch dann atmete er tief ein, nah den Stift in die Hand und murmelte mehr zu sich selbst, als zu mir ein "Okay".

So, vielleicht konnte ich mich jetzt besser konzentrieren. Ich schrieb die vier Wörter oben auf mein Blatt und fuhr sie zweimal nach. Was hatten diese Begriffe gemeinsam? Wie hingen sie zusammen? Verzweifelt zermalmte ich mir das Gehirn. Ich sah sie mir noch einmal an und versuchte mir jedes vorzustellen. Nach über einer halben Stunde hatte ich eine Idee: Alle vier Wörter konnte man als gut und schlecht ansehen. Das wars! Schnell suchte ich nach einem geeigneten Anfang und begann meinen ersten eigenen Aufsatz hier.

Die restlichen zwei und halb Stunden vergingen wie im Flug. Als ich den schrillen Ton zum zweiten mal hörte und Mr McGowan uns bat, abzugeben, war ich bereits mit der zehnten Seite fertig.

"Ahh, tut das gut!" Die Hitzewelle überrollte mich als ich wieder hinaus ins Frei trat. Sofort musste ich meine Augen mit der Hand abschirmen. Der Schweiß trat mir aus allen Poren und sofort wünschte ich mir wieder im kühlen Inneren des Gebäudes zu sein.

Ich ging die paar Stufen zum Campus hinunter. Weiter vorne sah ich eine Gruppe Mädchen stehen, die aus dem Seminar. Ein paar Jungs sperrten die Schlösser ihrer Fahrräder auf und radelten schließlich davon.

Links ging diebreite Hauptstraße vorbei, rechts jedoch lag das Gebäude an einem großen Park. Ich ging auf die Fahrradständer zu, in dem auch mein eigenes abgeschlossen war. Jedoch ging ich daran vorbei und steuerte eine kleine Baumgruppe an. Als ich mich mit dem Rücken gegen einen Stamm lehnte, holte ich die Kopfhörer für einen MP3-Player heraus und stopfte sie mir in die Ohren. Doch es war gar kein MP3-Player angeschlossen, denn ich besaß gar keinen. Es sieht mit den Dingern im Ohr einfach nur so aus, als sei man wahnsinnig beschäftigt und habe keine Zeit für eine Unterhaltung.

Ich bemerkte, dass man hier im Schatten der Bäume, den Lärm der Hauptstraße gar nicht hören konnte. Also schloss ich meine Augen und ruhte mich aus. Meine rechte Hand tat vom Schreiben ziemlich weh und sie fühlte sich verkrampft an.

Dann musste ich an Jeff denken. Wie viel hatte er wohl geschafft? Ich war so mit mir selbst beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht mehr nach ihm geschaut hatte. Und nach dem Gong flüchtete ich sofort nach draußen. Naja, spätestens morgen würde ich ihn mit Sicherheit wieder sehen. Doch das Schicksal meinte es wohl anders…

Ich hörte, wie mein Bauch grummelte. Kein Wunder, ich hatte heute ja kaum etwas gegessen. Genau genommen Nichts.

"Oh Gott, hab ich Hunger!" stöhnte ich. Nicht einmal Geld, um was zu kaufen hatte ich.

"Magst was" hörte ich eine Stimme fragen.

"Whaaa!" entfuhr es mich, denn ich als ich die Augen öffnete hielt mir jemand einen halben Donut vors Gesicht. Ich folgte der Hand, die schließlich zu einem Arm wurde, der Teil von Jeffs Körper war. Dieser hockte nämlich genau wie ich gegen den selben Baumstamm gelehnt am Boden. Unsere Arme berührten sich sogar! Wie peinlich, ich hatte ihn gar nicht bemerkt…

Wie in Trance griff ich nach dem Donut und mampfte ihn in mich hinein. Erst als ich den letzten Bissen hinunter geschluckt hatte, fiel mir auf, dass ich mich nicht bedankt hatte.

"Danke." Meinte ich also noch schnell.

"Kein Problem" winkte Jeff ab. "Was hörst du?"

Ich verstand nicht ganzm bis mir einfiel, dass ich die Stöpsel im Ohr hatte.

"Nichts besonderes" nuschelte ich und kramte in meinem Rucksack herum, um so zu tun als würde ich die Musik ausschalten, und zog mir die Kopfhörer aus dem Ohr.

Es folgte Stille. Weder Jeff noch ich wussten, was es zu bereden gab. Mein Blick fiel auf das Gebäude vor uns. Es war alt und grau, dennoch strahlte es etwas Geheimnisvolles aus, wie es da, von Efeu bewachsen, still in der Sonne lag. Für einen Moment vergaß ich alles um mich herum , ließ einfach die vielen Eindrücke auf mich wirken.

"Ähm…was du da vorhin gesagt hast…" Ich zuckte zusammen. Jeff! Den hatte ich ja völlig vergessen!

"Was Hast du gemein, dass du hierher musst? Das ist doch alle freiwillig."

Ich konnte mir ein Stöhnen nicht verkneifen. Musste der mich jetzt auch damit nerven?

"Hör mal, ich hab‘ echt keinen Bock darüber zu reden. Vielleicht erzähl ichs dir ein anderes Mal."

Jeff wirkte ein bisschen enttäuscht, doch sah wohl ein, dass es nichts bringen würde, mich jetzt auszuquetschen.

Die Stunden am Mittag und frühen Vormittag waren die Einzigen an denen ich mal Zeit für mich hatte und nicht nach Hause gehen musste.

Plötzlich fiel mir etwa ein: "Und was ist mit dir? Du hast ja anscheinend auch keinen Bock auf dieses Seminar.!"

"Selber nichts verraten, aber mich aushorchen, jaja…" lachte Jeff.

Ich sah ihn verwundert an, gleichzeitig spürte ich einen Stich im Herzen. Jeff hatte alles, was ich mir wünschte: er sah gut aus, war witzig, wenig Geld hatte er anscheinend auch nicht und er war cool. Ganz im Gegensatz zu mir! Ich fragte mich ernsthaft, was er hier bei mir verloren hatte.

"Du musst nicht hierbleiben." Versuchte ich klarzustellen, "Ich meine, du kannst ruhig weg gehen, wenn’s dir mit mir zu langweilig wird."

Denn das war mir lieber, als wenn man nicht wusste, was man mit dem anderen reden sollte und eine unangenehme Stille entstand.

"Hä? Soll ich denn gehen?" Jeff wirkte verwirrt.

"Nein, nein! Aber ich…ich dachte, wenn du nicht willst…dann musst du nicht hier bleiben und mir Gesellschaft leisten…" ich ließ den Kopf hängen. Gleich wird er sagen, er müsse dringend irgendwo hin und verschwindet. So war das immer.

"Aber ich will doch hierbleiben, wenn du erlaubst…Sonst wär ich doch gar nicht hergekommen."

Jeff sah mich mit großen Augen an. Sie waren grau-blau und am Rand ganz schwarz.

"Echt?" Ich war wirklich baff. Jemand war freiwillig in meiner Gegenwart!

"Warum sollte ich denn nicht bleiben wollen?" Jeff verstand wohl immer noch nicht ganz.

"Na, ich bin ein Looser. Eine absolute Null! Und du siehst so aus, als wärst du einer von den Coolen."

Ich ließ den Kopf sinken. Wenn man es aussprach, tat es gleich doppelt weh.

"Aber du bist doch kein Looser!" protestierte Jeff. "Auch wenn ich dich noch nicht richtig kenn‘, aber ich hab dir vorhin beim Schreiben zugeschaut. Wie schnell du geschrieben hast und wie intelligent deine Sätze geklungen haben, war einfach der Wahnsinn!"

"Haha", machte ich extrem gespielt "Toll, ich kann schnell schreiben, wer mag das schon?"

Für einen Moment hörte man nichts, als das Rauschen der Blätter, dann setzte Jeff noch einmal an. Doch diesmal klang seine Stimme nicht wie immer fröhlich, sondern es hörte sich an, als hätte er einen Kloß verschluckt. "Ich, ich mag das können. Du weißt schließlich auch nichts über mich, aber wenn du mich kennen würdest, wüsstest du was es heißt, ein Looser zu sein."

Darauf wusste ich nichts zu antworten. Jemanden wie Jeff war ich noch nie begegnet außerdem war er die erste Person in meinem Leben, von der ich annehmen konnte, das zu glauben, was er gesagt hatte. Ich fühlte mich schon ein bisschen besser.

Genau in diesem Augenblick knurrte mein Magen so laut, dass es sogar den Gesang der Vögle übertönte. Wie peinlich…

Ich spürte, wie ich rot wurde. Doch was war das? Jeff fing plötzlich an, laut loszulachen und stand schließlich auf.

"Komm." Meinte er und streckte mir seine Hand hin. "Wir gehen zu mir nach Hause. Ich krieg auch schon schrecklich Hunger."

Als ich ohne zu zögern eingriff, erschien ein breites Grinsen auf Jeffs Gesicht.

Um zu Jeff zu Jeff zu kommen, mussten wir den Park einmal komplett durchqueren. Ich war ein bisschen nervös, denn es war das erste Mal seit dem Kindergarten, dass ich zu jemanden in meinem Alter nach Hause ging.

Auch Jeff schien nervös zu sein. Aber er hatte doch gar keinen Grund? Heimlich beobachtete ich ihn von der Seite. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet und er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Hin und wieder nuschelte er einige Worte; ich verstand jedoch kein einziges.

Plötzlich blieb er stehen und es platzte aus ihm heraus: "Oh Gott, ich kann nicht nach Hause gehen!"

Fragend sah ich ihn an, "Warum nicht?"

Meine Frage nicht beachtend fuhr er fort:"Aber ich mus! Es bleibt mir keine andere Wahl." Mit schnellen Schritten ging er weiter. Ich hatte Mühe mit seinem Tempo mitzuhalten.

Erst jetzt schien er meine Frage zu realisieren, denn er antwortete: "Du wirst schon sehen…" Mehr verriet er nicht.

Doch mit kam es so vor, als würde er schon wieder mehr zu sich selbst, als zu mir zu sprechen.

Und als wir dann an Jeffs Haus ankamen, war ich auf alles gefasst gewesen, nur auf das, was vor mir stand nicht!

Das war kein Haus mehr, das war eine Villa! Hier, auf der anderen Seite des Parks waren die Häuser der Reichen. Völlig außer mir starrte ich auf riesige Gebäude an.

Große schmiedeeiserne Tore, geräumige Balkone, ein Pool und ein sehr weitläufiger Garten.

"Wow!" Mehr brachte ich nicht heraus. Noch immer konnte ich den Blick nicht abwenden.

Komischerweise schein das alles Jeff ziemlich peinlich zu sein. Er drückte auf die Klingel und eine Kamera schwenkte zu uns. Es ertönte ein Summen und wir konnten eintreten.

Geschlagene zwei Minuten brauchten wir, um vom Tor zur Eingangstür zu gelangen. Der Kiesweg zweigte sich mehrmals und ich war überzeugt, mich ohne Jeff zu verlaufen. Doch die Sprache verschlug es mir endgültig, als wir durch die Türschwelle traten und uns ein Butler begrüßte.

"Willkommen, junger Herr. Wie ich sehe, habt ihr Besuch mitgebracht."

"Ja Henry, das ist Logan."

Anstatt zu antworten, starrte ich den Butler nur an.

"Komm, Logan. Dort drüber ist das Esszimmer."

Wir gingen aus dem Vorzimmer und betraten das vermeintliche Esszimmer. Doch "Zimmer" war ziemlich untertrieben, denn wir standen in einem riesigen Saal, in dessen Mitte eine richtige Tafel platziert war.

Ich wollte mich schon setzten, als eine elegant gekleidete Dame den Raum betrat. Gefolgt von einem ebenso gut gekleideten Herren.

"Hi Mum. Dad." Jeff ging auf die beiden zu und küsste sie links und rechts auf die Wangen. Anscheinend handelte es sich um Jeffs Eltern.

Ich war überwältigt. So hatte ich mir die beiden nicht vorgestellt.

Und wieder wurde ich von Jeff vorgestellt:"Das ist Logan Foster. Er besucht das selbe Seminar."

"Hallo." Oh nein, das klang jetzt aber nicht sehr höflich. "Ich meine, guten Tag."

Inzwischen waren Jeffs Eltern auf mich zugekommen und schüttelten mir die Hände. Im Gegensatz zu ihnen kam ich mir so gewöhnlich und irgendwie schmutzig vor. Ich schämte mich schrecklich.

Dann endlich, endlich setzten wir uns an die gedeckte Tafel. Nach und nach brachte Henry verschiedene Speisen herein. Die meisten kannte ich nicht einmal, aber sie schmeckten köstlich. Obwohl bei meinem Hunger selbst ein Sack Müll fantastisch geschmeckt hätte.

Währenddessen begnügte sich die Familie Anderson mit ein bisschen Smalltalk, dem ich andächtig lauschte.

"Und, wie war das Seminar bei Mr. McGowan? Erzähl mal." Mit einer kleinen Handbewegung forderte Mrs. Anderson ihren Sohn auf.

Ich beobachtete Jeff dabei, wie er mit dem Fuß ungeduldig auf den Boden klopfte und scheinbar uninteressiert weiter aß.

"Gut, Mum." Für ihn schien das Thema erledigt.

Mrs. Anderson warf ihrem Mann mit hochgezogenen Augenbrauen einen vielsagenden Blick zu.

"Jeffery!" ermahnte er ihn.

Dieser legte widerwillig de Gabel beiseite und zog scharf die Luft ein. „Mr. McGowan scheint nett zu sein und mit Logan neben mir macht mir das Seminar vielleicht sogar Spaß.“ Beide Elternteile drehten gleichzeitig ihre Köpfe zu mir um. Ich grinste dämlich. Sie wandten sich wieder um.

"Und wir mussten einen kleinen Aufsatz schreiben, damit McGowan sieht, wie gut wir schreiben können."

"Jeffery, ich habe es dir schon oft gesagt, das heißt Mr. McGowan!" fuhr sein Vater ihn an, sodass ich mich verschluckte und wie verrückt rumhustete. Dass ich gerade am ersticken war, schien keinen der Anwesenden zu stören. Unbeeindruckt fuhr Mr. Anderson fort: "Außerdem erwarte ich von dir, dass du dein Bestmögliches getan hast, um dein Talent unter Beweis zu stellen!"

"Aber Dad, das ist es doch! Ich hab kein bisschen Talent! Warum wollt ihr das nicht versehen?" Jeff war aufgesprungen und um ein Haar wäre sein Stuhl nach hinten umgekippt.

"Jeffery!" seufzte seine Mutter genervt, "Diese Diskussion hatten wir bereits. Außerdem haben wir einen Gast und es ist sehr unhöflich, einfach aufzustehen!"

Ach ja, dafür war ich jetzt wieder gut genug, oder was?

Jeffs Lippen wurden zu einer dünnen Linie und ich sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte.

"Bitte entschuldigt uns. Logan und ich müssen noch ein bisschen lernen. In meinem Zimmer." Setzte er noch hinzu.

Ich hatte den Wink verstanden, stand auf und verbeugte mich höflich. Als wir aus dem Zimmer verschwanden, hörte ich Jeffs Eltern seufzen. Anscheinend waren sie ziemlich sauer auf ihren Sohn, obwohl ich nicht wirklich verstand, wieso.

Ich folgte Jeff in sein Zimmer, indem wir unendlich lange Gänge entlang gingen, durch mindestens zehn Türen und ebenso vielen Treppen mussten. Aber schließlich stand ich in einem Raum, der verhältnismäßig klein war. Links hinten im Eck stand ein großes Bett, fast schon ein Doppelbett. Rechts fand ich den Schreibtisch und den Kleiderschrank. Alles sah sehr gemütlich aus. Durch die hohen Fenster fiel viel Licht und als Jeff hinging und sie öffnete, auch gleich frische Luft.

Ich fühlte mich auf Anhieb wohl hier, denn genauso hatte ich mir immer mein Traumzimmer vorgestellt.

Jeff ließ sich mit Schwung aufs Bett fallen, während ich alles genauer in Augenschein nahm. Obwohl an der Wand ein Fernseher angebracht war und ich den Laptop auf dem Nachttisch bemerke, waren alle Schränke voller Bücher. Das hieß, er saß nicht den ganzen Tag vor der Glotze. Ein eindeutiger Pluspunkt für ihn.

Ich setzte mich in den flauschigen Sessel, der gegenüber dem Bett stand.

"Siehst du jetzt, was ich meine?" fragte Jeff.

"Du meinst, wegen deinen Eltern?"

"Ja. Sie erwarten von mir, dass ich immer und überall bei Allem der Beste bin."

"Und, kannst du denn alles so gut?"

"Natürlich nicht! Ich bin überall der Schlechteste! Nur wollen meine Eltern das nicht einsehen. Ich versteh das einfach nicht." Jeffs Stimme klang merkwürdig zittrig. "Sie verlangen von mir dass ich genauso viel erreiche, wie sie es getan haben. Und dass ich genauso erfolgreich bin. Natürlich will ich sie nicht enttäuschen, aber ich kann das einfach nicht." Das Ende des letzten Satzes konnte er nur noch flüstern, denn dann versagte seine Stimme.

Ich wusste nichts zu erwidern. Noch vorhin im Park hatte Jeff so unbesorgt, voller Lebenslustgewirkt und jetzt saß er wie ein Häufchen Elend in seinem Bett und ließ den Kopf hängen. Er tat mir einfach schrecklich leid. Jetzt verstand ich auch, warum er keine Lust hatte, seinen Aufsatz zu schreiben. Er war mit der Situation viel zu überfordert.

"Musst du deswegen in das Seminar?"

Jeff nickte. "Sie wollen einen berühmten Autor in der Familie haben. Weißt du, meine mum war Schauspielerin und mein dad ist ein bekannter Privatanwalt. Jetzt muss ich halt auch was Tolles werden…"

Jeff tat mir wirklich leid. Er hatte zwar ein vollkommen anderes Schicksal, als ich, trotzdem war es mindestens genauso hart.

Als ich gerade ansetzten wollte, um ihn zu trösten, sah ich eine Träne auf Jeffs Wange aufblitzen.

"Hey, deswegen musst du doch nicht gleich weinen." Versuchte ich ihn mit sanfter Stimme zu beruhigen.

Ich zog ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und rutschte zu Jeff aufs Bett.

„Danke“ sagte er und schnäuzte einmal kräftig.

Einige Minuten saßen wir nur nebeneinander und folgten unseren Gedanken. Jeff weinte noch immer, doch es war ein leises Weinen, sodass ich es nur daran erkenne konnte, dass hin und wieder ein Tropfen auf seinem t-shirt landete.

"Oh Gott, wie peinlich." stieß er plötzlich hervor "Wir kennen uns grad‘ mal seit heute Früh, und ich heul‘ dir schon was vor." Es erschien ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht. Auch ich musste schmunzeln.

"Das muss dir nicht peinlich sein. Man soll doch seine Probleme nicht in sich hineinfressen."

So wie ich, fügte ich im Stillen noch hinzu.

Wieder schwiegen wir beide. Plötzlich fiel mir etwas ein und ich sprang hektisch auf: "Du, Jeff, ich muss gehen! Muss‘ noch wo hin. Bis dann!"

Kaum war ich aus dem Eisentor getreten, hatte ich ein schrecklich schlechtes Gewissen, denn es war gelogen, dass ich dringend weg musste. Der Grund, warum ich gegangen war, war nur ein Selbstsüchtiger und Egoistischer. Doch es war besser so. das versuchte ich mir zumindest einzureden.

Langsam schlenderte ich zu mir nach Hause. Nach wie vor war es brütend heiß. Dass es bei Jeff wohl eine Klimaanlage geben musste, viel mir erst jetzt auf.

Als ich zehn Minuten später Zuhause ankam und die Wohnungstür aufsperrte, bemühte ich mich, nicht mehr an Jeff zu denken. Es war, als wolle ich Jeff und mein Zuhause nicht vermischen, denn das konnte nicht gut werden.

Kaum war die Wohnungstür auch nur einen Spalt offen, drang ein muffiger, fauliger, etwas süßlicher Geruch in meine Nase. Und schon als ich die Tür hinter ir geschlossen hatte, spürte ich das dringende Bedürfnis, mich zu übergeben. Würgend fasste ich mir an die Kehle und atmete tief durch den Mund ein.

Langsam hatte ich mich daran gewöhnt, aber trotzdem fürchtete ich mich immer etwa vor dem Anblick des Wohnzimmers. Zögernd öffnete ich die Zwischentür, bereit auf das, was ich jeden Tag sah, wenn ich heim kam, und doch war es immer wieder eine Überraschung. Ich glaube, im Unterbewusstsein hoffte ich jedes Mal, dass es anders kommen würde. So, wie es wahrscheinlich bei jeder Familie aussah, wenn der Sohn von einem Freund kam. Vater und Mutter sitzen am Tisch und lesen oder machen sonst irgendwas Nützliches. Und sie werden fragen, wie mein Tag war.

Aber wiegesagt, so stellte ich es mir nur vor, und ob es in anderen Familien wirklich so zuging, wusste ich auch nicht. Doch dass es so wie hier sicher nicht aussah, das konnte ich sicher sagen, denn vor mir türmten sich viele leere Flaschen auf unserem Couchtisch auf. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich Whisky, Rum, Wodka und Bourbon. Doch das Meiste waren Bier- und Weinflaschen.

Meine Hoffnung starb; es war alles wie immer.

Geschickt nahm ich die Flaschen und trug sie raus in die Mülltonnen. Zurück im Wohnzimmer öffnete ich erstmal alle Fenster und atmete die frische Luft ein.

Wie sollte das nur weitergehen?

Manchmal war ich drauf und dran die Beherrschung zu verlieren und alles einfach hinzuschmeißen. Doch ich musste mich beherrschen! Nicht mehr lange und ich konnte meinen Plan in die Wirklichkeit umsetzten.

Bei diesem Gedanken fiel mir etwas ein.

"Mum?" rief ich, während ich mich dranmachte, einen Blick ins Schlafzimmer zu wagen "Bist du da?"

Im selben Moment merkte ich, wie ich mit meinem Schuh in etwas hineingetreten war. Dieses "Etwas" war nichts anderes, als der entleerte Mageninhalt meiner Mutter. In der rosa Flüssigkeit schwammen noch kleine Bröckchen herum und der Gestank war überwältigend.

Je länger ich hinstarrte, desto mehr zog sich mein Magen zusammen und die Übelkeit wurde zunehmend stärker. Schon spürte ich einen Art Brei in meinem Mund und ich erleichterte mich ebenfalls auf dem Fußboden.

"Das schöne Essen von Jeff Eltern!" war das erste, das ich dachte.

Immer noch ganz wackelig rief ich wieder: "Mum?", und als ich keine Antwort erhielt, riskierte ich einen Blick in ihr Schlafzimmer.

Die eine Seite des Doppelbettes war frisch bezogen und geordnet, doch auf der anderen Seite lag schnarchen meine Mum. Vorsichtig näherte ich mich ihr, doch ich traute mich nicht, sie anzufassen um sie aufzuwecken.

Es war also schlimmer als sonst. Der Raum war abgedunkelt und doch sah ich die Motten an der Klebefalle sterben. In diesem Augenblick, als ich in den ekligen Zimmer meiner Mutter stand, die Kotzte im Flur liegen sah und ich vom Gestank fast ohnmächtig wurde, kam ich mir wie einer dieser Motten vor. Ich fühlte mich absolut beschissen.

Ich weiß nicht, wie lange ich dagestanden und überlegt hatte, was ich jetzt tun sollte. Doch plötzlich wachte Mum auf und nuschelte etwas undeutlich: "Log, bist du das?" Sie versuchte sich aufzusetzen, doch sie hob nur den Kopf etwas höher. „

"Was machst du denn schon hier? Du hast doch wohl nicht den Unterricht geschwänzt?!"

Mit strengem Gesichtsausdruck, der angesichts ihres Zustandes nur albern aussah, hauchte sich mir das ins Gesicht. Auch wenn sie wenigstens wusste wer ich war, was nicht immer der Fall war, hatte sie von nichts eine Ahnung. Denn ich hatte ihr nicht einmal erzählt, dass ich das Schreibseminar besuchte und sie war nicht schlau genug, um zu merken, dass Ferien waren und ich normal in keinen Unterricht gehen musste.

Ich setzte mein liebstes Lächeln auf und meinte zu ihr: "Weißt du was, Mum? Penn‘ einfach weiter…" Ziemlich unsanft stieß ich ihren Kopf zurück in die Kissen. Es war mir egal, was sie dachte, denn wenn sie später aufwachen sollte, wird sie sich eh an nichts mehr erinnern. Und noch bevor ich aus der Tür war, war sie schon wieder eingeschlafen.

Ein paar Minuten später ließ ich mich mit einem tiefen Stöhnen auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Ich hatte sie Kotze aufgewischt und die restliche Wohnung, so gut es ging, aufgeräumt. Ich ekelte mich schrecklich vor dem ganzen Alkohol und losem Tabak, der überall verstreut war, doch wenn ich es nicht sauber machte, würde es auch sonst keiner tun und die Wohnung würde komplett im Chaos versinken.

Der sicherste Ort war mein Zimmer, was vor allem daran lag, dass weder meine Mutter, noch mein Vater in den letzten fünf Jahren einen Schritt in dieses Zimmer getan hatten. Es war schrecklich klein und die Möbel schon ziemlich alt, doch es war gemütlich und das war für mich die Hauptsache.

Als ich da so saß, kehrten meine Gedanken wieder zurück zu Jeff. Er war der erste Mensch seit langem, bei dem ich mich wohlfühlte. Er beurteilte mich nicht nach den Markenklamotten oder der schicken Frisur, was ich beides natürlich nicht hatte. Doch ich bezweifelte sehr, dass wir zu besten Freunden werden würden. Spätestens in einer Woche würde er die Nase voll von mir haben und sich mit einer geschickten Ausrede von mir wegsetzten wollen. Da war ich mir ganz sicher.

Doch, dass er solche Probleme mit seiner Familie hatte, tat mir wirklich leid. Obwohl es mich nicht gerade getroffen hatte, konnte ich Jeff gut verstehen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie meine Eltern mich zwingen würden, Schriftsteller zu werden, obwohl ich kein Talent hätte. Doch es klappte nicht. Einerseits weil meine Eltern sich nicht einmal darum kümmerten, dass ich wieder nach Hause zurück kam, andererseits hatte ich angeblich sehr viel Talent fürs Schreiben. Das meinte zumindest mein Deutschlehrer in der Schule, nachdem ich für meinen Aufsatz eine Eins bekommen hatte. Er war es auch, der mir das Schreibseminar vorgeschlagen hatte und mich ermutigt hatte, daran teilzunehmen. Zuerst war ich natürlich dagegen gewesen, doch als ich erfahren hatte, dass man daran Geld verdienen konnte, hatte ich mich sofort angemeldet. Denn ich brauchte das Geld dringed!

Nach einer Weile nickte ich, auf meinen Schreibtisch gestützt ein. So viel war mir an einem einzigen Tag schon lange nicht mehr passiert, doch ich war auch froh, jeff kennengelernt zu haben.

Plötzlich schreckte ich auf. Etwas war im Wohnzimmer auf den Boden gefallen und offensichtlich zerbrochen. Draußen war es inzwischen dunkel geworden, doch ich hatte keine Ahnung, wie spät es wohl sein mochte.

Wie in Trance schlenderte ich zur Zimmertür, um zu sehen, was geschehen war. Gleißendes Licht schlug mi entgegen, sodass ich die Augen mit der Hand abschirmen musste. Ich sah dennoch, wie meine Mum am Boden kniete und Scherben zusammenkehrte. Es interessierte mich nicht im geringsten, was diesmal wieder zu Bruch gegangen war.

"Log, Schätzchen. Was machst du so?" Mit einem Satz war Mum bei mir und drückte mir einen feuchten Schmatzer auf die Stirn. Ihre Lippen waren geschminkt und ihr Atem roch nach Pfefferminz. Außerdem trug sie anständige Kleidung. Sie würde also wieder ausgehen.

"Du hast doch nichts dagegen, wenn ich ein paar Stunden rüber in den Club gehe?"

Dagegen hatte ich schon was, doch ich wusste, dass ich sie nicht aufhalten konnte.

Schweigend drehte ich mich um und legte mich angezogen ins Bett. Ohne einen weiteren Gedanken an Mum zu verschwenden, schlief ich ein.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es bereits hell. Zu hell. Gähnend rappelte ich mich auf und sah auf die Uhr an meinem Handgelenk. Zuerst erkannte ich nichts, da meine Augen noch völlig zugeklebt waren. Außerdem brannte die Stelle an meiner Hüfte, an der die Jeans mir in die Seite geschnitten hatte.

"Scheiße!" entfuhr es mir, als ich die Zeit lesen konnte. Es war bereits viertel vor neun und in fünfzehn Minuten musste ich bereits im Seminar sitzen.

Mr. McGowan hatte eh schon so einen schlechten Eindruck von mir und jetzt würde ich schon wieder zu spät kommen.

Innerhalb von zwei Sekunden war ich aus dem Bett gesprungen und auf dem Weg zur Küche. Mir war noch ganz schwindelig und es bildeten sich kleine schwarze Punkte vor meinen Augen. Deshalb erkannte ich auch erst, als ich am Sofa vorbei ging, den Mann, der gemütlich im Sesel saß und Zeitung las. Ich schätzte ihn auf Ende vierzig, wobei sich das nicht so genau bestimmen ließ, weil er nur Socken, Boxershorts und ein Unterhemd trug. Außerdem sollte er sich mal rasieren.

Unbeeindruckt ging ich an ihm vorbei. "Hi Marty, wie geht’s?" fragte ich mit dem Rücken zu ihm.

„Wer ist Marty?" verdutzt hob dieser seine Füße vom Couchtisch.

Genervt verdrehte ich die Augen: „Dann eben Dean, Trouth, Calvin oder Marvin. Is‘ doch egal…" Im Gehen biss ich von einer Scheibe Brot ab.

„Mein Name ist Ed." Versuchte er mich aufzuklären.

„Dann eben Ed." seufzte ich und verschwand ohne ein weiteres Wort in meinem Zimmer. Es war doch immer das Gleiche. Jeden Morgen saß irgendein wildfremder Kerl in unserer Wohnung, den meine Mum am Abend zuvor aufgerissen hatte. Ich hatte längst aufgehört mich darüber zu beklagen.

Als ich meinen Rucksack aufhob, blieb mein Blick am Spiegel hängen. Ich sah einen gutaussehenden Jungen mit perfekt sitzender Frisur in ihm. Das konnte doch unmöglich ich sein! Ich wirkte frisch und voller Lebenslust. Und da war noch so ein Gefühl, das ich zuerst nicht beschreiben konnte, doch dann wurde mir klar, was es war: ich fühlte mich selbstbewusst. Denn ich wusste, ich hatte die Chance mein Leben zu verändern und war mit Hilfe des Seminars. Noch immer hatte ich nich wirklich Lust darauf, doch im Geheimen freute ich mich darauf. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war, doch ich fühle mich gut, als ich mich zu Fuß auf den Weg machte. Mein Rad hatte ich an der Schule vergessen, weshalb ich wahscheinlich doppelt so lange brauchen würde.

Um fünf nach neun kam ich in Sichtweite des Schulgebäudes. Jetzt hatte ich doch etwas Schiss. Es war weniger die Tatsache, dass ich Ärger mit McGowan bekommen sollte, sondern die Aussicht Jeff wieder zu begegnen. Ich freute mich zwar darqauf, ihn wieder zu sehen, doch hatte ich ihm gegenüber noch immer ein schlechtes Gewissen, weil ich gestern so schnell abgehauen war. Er hatte meine Hilfe gebraucht und meine Aufgabe wäre es gewesen ihn zu trösten und ihm ein guter Freund zu sein. Stattdessen ließ ich ihn hängen, aus dem einfachen Grund, weil ich Angst hatte, ich würde ihm zu viel über mich erzählen und damit meine ich die Trinkgewohnheiten meiner Mutter und über das, was meinem Vater passiert war.

Aber daran durfte ich jetzt nicht denken, das heißt, ich wollte ich nicht daran denken. Ich hatte mich ganz einfach falsch verhalten und das würde ich Jeff jetzt auch gestehen.

Schnellen Schrittes überquerte ich die Türschwelle, wobei sich meine Körpertemperatur schlagartig um zwanzig Grad senkte. Im ganzen Gebäude waren die Gänge wie leer gefegt und nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Die Treppe knarzte wie am Tag zuvor unter meinen Schritten. Ich war richtig froh, als ich oben ankam und weiter gehen konnte ohne, dass mir bei jedem Schritt fast die Ohren abfielen. Selbst mein Atem kam mir ungewöhnlich laut vor.

Vor dem Klassenraum wagte ich noch einen Blick auf meine Uhr- zehn nach neun. Naja, zehn Minuten durfte man doch mal zuspät kommen dürfen. Aber gleich am zweiten Tag? Außerdem wusste ich nicht, wie McGowan reagieren würde, denn meine Lehrer in der Schule waren ziemlich streng und jeder, der nicht rechtzeitig zum Unterricht erschien, musste am Nachmittag nachsitzen. Ich konnte ein Lied davon singen.

Ich hörte von außen, wie McGowan sprach; das heißt ich verstand nur vereinzelte Sprachfetzen: "Teilweise richtig schlechte Aufsätze...viel Arbeit notwendig...jetzt rausgeben..."

Oooh...Ich zog die Augenbrauen hoch. Nicht die beste Zeit um hereinzuplatzen. Anscheinend war McGowan ziemlich enttäuscht über die Aufsätze, die wir gestern geschrieben hatten. Trotzdem wagte ich mich in die Höhle des Löwen und klopfte an die Tür.

"Entschuldigung, ich..." setzte ich an, doch McGowan unterbrach mich: "Schon gut, Logan. Komm rein und setz dich."

Wie, das war alles? Ich lächelte meinem Lehrer dankbar zu und huschte auf meinen Platz. Jefff schien schon auf mich gewartet zu haben. Mir fiel sofort der Block und das schwarze Lederfedermäppchen auf seinem Tisch auf. Er hatte sich meinen Rat also zu Herzen genommen. Ich grinste ihn an.

Kaum hatte ich Platz genommen, bemerkte ich wie heiß es eigendlich war. Augenblicklich fing ich an, wie ein Schwein zu schwitzen. Die Sonnenstrahlen fielen mir genau ins Gesicht, doch es war nicht nur das; irgendetwas machte mich schrecklich nervös, doch ich konnte nicht sagen, was es war.

Währedessen war Mr McGowan bereits dabei, unsere Übungsaufsätze herauszugeben. Bei jedem hatte er die Kritik darunter geschrieben. Eigendlich war es mir ja egal, wie er meinen fand, denn für mich zählte nur, dass am Ende des Seminars genügend Profit durch ein veröffendlichtes Buch heruauskam.

"Logan..." McGowan stand vor meinem Tisch und hielt mir meinen korrigierten Aufsatz hin.

"Du hast eine sehr anspruchsvolle Reizwortgeschichte geschrieben. Sehr großes Lob." Geistesabwesend nahm ich das Bündel Papiere entgegen, das McGowan mir hinhielt, denn etwas anderes beschäftigte mich im Augenblick mehr: Da er genau vor mir stand, bemerkte ich seine offene Hose. Es war ihm offensichtlich nicht aufgefallen, denn er redete und lobte mich weiterhin mit den höchsten Tönen. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen doch mein Blick fiel immer wieder auf den geöffneten Reißverschluss. Es war mir schrecklich peinlich, die hellblaue Boxershorts meines Lehrers zu sehen und doch konnte ich nicht anders, als hinzustarren. Ich spürte, wie ich rot anlief. Es ist ja nicht so, als käme ich aus feinem Hause und es mir peinlich wäre, die Unterwäsche fremder Leute zu sehen, aber hier in diesem Umfeld war es irgendwie nicht das Gleiche. Aber warum macht mich das so verwirrt? Ich bin doch sonst nicht so, also was ist nur mit mir los?

Wie aus einer Trance erwachend schüttelte ich den Kopf und versuchte angestrengt Mr McGowan in die Augen zu sehen.

"Er hat den besten Aufsatz der gesamten Klasse...blablabla..." Als er mit meiner Lobeshymne endlich fertig war, klatsche er beiläufig Jeffs Blatt auf unsere Bank. Die schlechteste Arbeit von Allen. Ich musterte Jeff von der Seite. Er wirkte nicht wirklich überrascht, jedoch sehr enttäuscht. Ich hatte das starke Bedürfniss, meinen Arm um seine Schultern zu legen, doch wie würde das aussehen?

"Komm, mach dir nichts draus, deine Eltern werden dich schon nicht umbringen." sagte ich stattdessen.

"Da kennst du sie aber schlecht." entgegnete Jeff todernst und wandte seinen Blick nicht von seiner Arbeit ab.

Als er so klein und verletzlich dasaß, musste ich zugeben, dass er ziemlich süß aussah. Natürlich nur wenn ich ein Mädchen gewesen wäre! Schnell drehte ich mich weg, denn ich merkte, wie sich mein Puls erhöhte und für einen Moment sah ich alles verschwommen. Irgendwas stimmte mit mir heute definitiv nicht!

Der weitere Unterricht verlief nicht weiter aufregend. Mir schien es nur, dass Mr McGowan mich ständig beobachtete, was mich ziemlich nervös machte. Wie auch am Tag davor atmete ich erleichtert auf, als der Unterricht endlich beendet wurde.

"Hast du heute noch was vor?" fragte mich Jeff, als wir unsere Räder aufsperrten. "Wir könnten sonst noch was zusammen machen..."

"Tut mir leid, aber bis halb drei hab ich noch...was zu erledigen."

"Oh. Okay."

"Aber danach können wir uns gerne noch treffen." setzte ich schnell hinzu. Ich wollte Jeff nicht noch mehr frustrieren, als er es eh schon war.

Schließlich einigten wir uns darauf, dass wir uns um halb drei wieder vor der Schule sehen würden. So war das also, wenn man Freunde hat, dachte ich mir während ich mit dem Fahrrad um die Häuserblocks fuhr und Zeitungen verteilte.

Ich machte das schon seit mehr als drei Jahren und war mittlerweile ziemlich schnell dabei, die Zeitungen zu falten und in die Briefkästen zu stopfen. Die Bezahlung dafür war grausam und oft zweifelte ich daran, ob es mir helfen würde, doch da ich erst siebzehn war, durfte ich keine größeren Jobs annehmen. Eine Zeit lang hatte ich es mit Babysitten versucht, doch kleine Kinder sind einfach nichts für mich...

Um Viertel vor zwei war ich am Ende der Straße angekommen und der Wagen an meinem Fahrrad leer. Da die letzte Woche des Monats war, bekam ich heute meinen Lohn. Ein angenehm kühler Fahrtwind pfiff mir um die Ohren als ich im Zeitungsladen gut gelaunt ankam. Ich hatte ja auch allen Grund dazu, schleßlich würde ich mich in einer halben Stunde mit Jeff trefffen!

"Hier, dein Geld." Mein Chef, Mr Gladstone streckte mir die Hand hin.

"Danke, Mr. Noch einen schönen Tag."artig nahm ich das Geld entgegen und steckte es in meinen Rucksack. Das heißt, ich wollte es in meinen Rucksack stecken, doch ich griff an meinen Rücken und griff - ins Leere. Schlagartig rutschte meine gute Laue in den Keller. Ich musste ihn verloren haben, oder doch nur vergessen? Ich hatte ihn in der Schule dabei gehabt, aber anscheinend vergessen, ihn wieder mitzunehmen.

"Verdammte..." fluchend stürmte ich aus dem Laden. Vielleicht konnte mir der Hausmeister aufsperrren oder McGowan war noch da. Egal wie, aber ich musste diesen Rucksack wieder haben, schließlich war mein ganzes erspartes Geld und alles, was mir wichtig war, darin.

Oh Mann, ich hätte mich schlagen köönen, wo hatte ich denn heute meinen Kopf? Auf meinen Schultern bestimmt nicht.

Wie ein Verrückter raste ich zurück und warf mein Fahrrad achtlos auf den Boden.

Bitte lass die Türe auf sein. Bitte lass mich meinen Rucksack holen. Doch -wie könnte es anders sein?- war die Tür abgesperrt.

"Hey! Ist denn hier keiner?" Wie wild schlug ich auf die Tür ein. Es konnte doch wohl nicht sein, dass die Arbeit der letzten Jahre und insbesondere der letzten Monate umsonst gewesen sein sollte.

"Kann mich denn niemand reinlassen? Nur eine Minute.BITTE!" Doch es war sinnlos. Es war niemand da,der mich hören, beziehungsweise mit aufsperren konnte.

Langsam ieß ich mich mit dem Rücke an der Tür zu Boden gleiten. Mein Rucksack und somit die Hoffnung, genügend Geld zusammenzubringen, was das Einzige, was mich noch antrieb.

"Logan? Was ist denn los?" Blitzartig schoss ich in die Höhe. Das war doch Mr McGowans Stimme? Und da sah ich ihn auch schon von oben fragend aus dem Fenster schauen. Schnell erklärte ich ihm mein Problem und er warf mir seinen Schlüsselbund hinunter. Jetzt, wo ich problemlos hinein konnte, kam mir mein Benehmen doch etwas übertrieben vor. Was musste mein Lehrer nur gedacht haben? Als ich oben ankam, ,wartete er schon in der Klassenzimmertür auf mich.

Oh, lass meinen Rucksack noch unter meinen Tisch stehen! flehte ich innerlich. Und tatsächlich war er noch immer dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Auch das Geld und die anderen Sachen hatten sich nicht fortbewegt.

"Bin ich froh, dass sich noch hier sind!" musste ich ehrlich gestehen.

Mr McGowan stand am Fensterbrett gelehnt da, doch dann stieß er sich leicht mit den Händen ab und kam näher auf mich zu. "So, bist du das?"

"J-Ja, sonst wäre mein Rucksack morgen vielleicht weg gewesen." Dämlich deutete ich auf den Ranzen, den ich in Händen hielt.

"Und warum sonst noch?" McGowan kam noch ein Schritt näher. Ich konnte sogar sein Aftershave riechen. Unbewusst wich ich einen Schritt zurück. Was sollte das denn? Ich hatte meine Sachen, weiter hatte ich noch nicht gedacht.

"Ähh...nichts sonst?" Das war mehr eine Frage als eine Antwort, aber was hätte ich auch antworten sollen? Außerdem hatte ich keine Ahnung, auf was er hinaus wollte. Hatte ich irgendetwas getan? Nicht, dass ich wüsste.

"Danke."meinte ich stattdessen, denn mir war aufgefallen, dass ich mich noch nicht bedankt hatte. Verdammt, ich war echt schlecht darin, eine Unterhaltung zu führen!

"Haha. Du bist echt witzig." McGowan brach in ein mittellautes Gelächter aus. Mir gelang nur ein schiefes Grinsen. Aprupt hörte McGowan auf.

"Du gefällst mir, wenn du lächelst." Mit dem Kinn deutete er auf mich, so als ob ich nicht wüsste, wer gemeint war.

"Also, ich geh' dann...Hier, ihre Schlüssel." Artig streckte ich meine Hand aus, was eigendlich ziemlich überflüssig war, da McGowan und ich mittlerweile nur etwa dreißig Zentimeter von einander entfernt standen.

Als er seine Schlüssel entgegen nahm, berührten sich für einen Augenblick unsere Hände, doch anstatt sie zurückzuziehen, ergriff er meine Handgelenke und zog mich an seine Brust.

"Du hast deinen Rucksack absichtlich hier vergessen, damit du mich alleine sehn kannst, stimmt's?"

"Wie bitte?! Was soll das? Lassen Sie mich los!"

Schlagartig wurde mir alles bewusst: Mein Lehrer war ein Kinderschänder und hatte es offendichtlich auf mich abgesehen. Mir wurde schlecht und ich hatte keine Kraft mehr, mich zu bewegen. In meinen Kopf drehte sich alles und ich drohte in Ohnmacht zu fallen.

"Hören Sie auf." brachte ich noch hervor und drehte mich on seinem Gesicht weg. Doch da er meine Handgelenke so fest gepackt hielt, dass sie schon heiß wurden, wurden meine Arme nach hinten verdreht und ich schrie vor Schmerzen auf.

Als McGowan meine Arm losließ, glaubte ich schon, er würde mich gehen lassen, allerdings wurde diese Hoffnung schon sehr bald zerstört, als ich spürte, wie mein T-shirt hochgehoben wurde und McGowans Finger von meinem Bauch zur Brust hinaufkletterten.

Seine Finger waren eiskalt und ich ekelte mich eher davor, als dass es mich anmachte.

Wieder versuchte ich mich freizuwinden, doch gegen seine starken Arme kam ich einfach nicht an.

Ich war drauf und dran aufzugeben und mich wie ein nasser Sack fallen zu lassen, da flüsterte mir McGowan is Ohr: "Ich hab genau gesehen wie dich meine Boxershorts angemacht haben. Komm, du brauchst deine Gefühle nicht zu verstecken, hier sieht uns keiner, wir sind doch ganz allein."

Das war das Letzte, was ich jetzt hören wollte, doch andererseits wollte ich auf gar keinen Fall, dass mich jemand so sah. Ich schämte mich schrecklich. Ich kam mir vor, wie ein kleiner, dummer Junge, der nicht auf sich aufpassen kann.

"Bitte, lassen sie mich gehen..." versuchte ich es noch einmal, doch meine Stimme versagte. Ich fühlte mich wie in einem Trancezustand.Zwar schlug ich mit Händen und Füßen um mich, doch im Inneren wusste ich, dass es nichts bringen würde. Ich würde nicht ohne Hilfe frei kommen. Oder ich musste es einfach über mich geschehen lassen.

Während ich noch über eine dritte Option nachdachte, machte sich McGowan an meinem T-shirt zu schaffen. Blitzschnell hatte er es mir über den Kopf gezogen und ehe ich mich versah, stand ich mit nacktem Oberkörper da. Was würde wohl als Nächstes kommen? Zu schwer war das nicht zu erraten und verzweifelt versuchte ich meine Angst zu unterdrücken. Er würde doch nicht zum Äußersten gehen, oder doch?

Von der Seite sah ich in seine geweiteten Augen, mit denen er jeden Fleck meiner Brust begutachtete. Ich traute ihm mittlerweile alles zu; dieser Mann war unbarmherzig. Plötzlich lockerte er seinen Griff und sah mir direkt in die Augen. Ein liebevolles Lächeln legte sich auf seinne Lippen und mit verschlagener Stimme murmelte er ein "Du siehst süß aus, wenn du nachdenkst..." während er mir durch die Haare fuhr. Jetzt hatte ich aber echt genug. Was bildete der sich eigendlich ein? Bevor Mr McGowan reagieren konnte, löste ich eine Hand aus seinem Griff und holte aus. Ein lautes Klatschen durchbrach die Stille, das mir so in Mark und Knochen überging, dass ich mich noch oft daran erinnern sollte.

Ungefähr zwei Sekunden starrte ich McGowan, eine Hand auf seine blutende Nase gepresst, an. Eigendlich Zeit genug um abzuhauen, doch der Schock saß zu tief. Das Blut, dass aus seiner Nase tropfte und die Stille nach dem Knall kannte ich nur zu gut. Bilder von meinem wütendem Vater und ich als kleiner heulender Junge gingen mir durch den Kopf. Um mich herum verschwamm alles, sodass ich nicht mehr richtig sehen konnte.

Doch McGowans Handeln brachte mich in die Gegenwart zurück. Blitzschnell hatte er mich wieder im Griff und drückte mich mit doppelter Kraft gegen den Tisch. Seine Zunge fuhr mir geschmeidig den Hals hinauf und seine Zähne bissen mir spielerisch ins Ohr. Sein Körper klebte an meinem und ich hatte absolut keine Chance freizukommen.

Plötzlich fuhr McGowan hoch und sah sich ziemlich dämlich um. Kurz darauf hörte ich jemand brüllen: "Polizei! Lassen Sie den Jungen los oder wir greifen ein!"

"Ha!" rief mein Lehrer und versuchte meinen Arm zu packen, doch ich rutschte unter den Tisch und krabbelte auf allen Vieren in Richtung Tür. Von wegen Polizei. Zum Glück hatte ich Jeff bemerkt, der außen im Türrahmen stand und mich zu sich winkte.

Im Aufstehen sah ich zurück auf McGowan. Seine Augen waren weit geöffnet und etwas unsicher stand er in hinteren Eck des Raumes. Anscheinend überlegte er noch, ob er Jeffs Bluff Glauben schenken sollte.

Noch bevor er dahinter kam, was hier gespielt wurde, hatte Jeff die Tür geschlossen und zugesperrt. Zufrieden schwenkte er den Schlüsselbund: "Mann, bin ich gut."

Doch als er mein verstörtes Gesicht sah, wechselte seine Miene und er kam langsam auf mich zu. "Ist schon gut, es ist vorbei, du brauchst keine Angst mehr zu haben." Noch bevor er nah genug an mich herangetreten war, warf ich mich ihm in die Arme.

"Jeff, er hätte sonst was mit mir anstellen können, er hätte mich umbringen können. Er hätte, er hätte..." Die letzten Worte gingen in ein Schluchzen über und die nächsten fünf Minuten lag ich nur an Jeff gestützt da und versuchte mich zu beruhigen. Er war so war warm und kuschelig und roch nach diesem superteurem Deo. Außerdem streichelte er mir über die Haare, so wie meine Mutter es früher getan hatte. Sein Atem strich meinen Oberarm und erst jetzt erinnerte ich mich, dass ich gar kein Oberteil anhatte. Doch das war mir egal, mir war alles egal, solange ich seine Arme hatte, die mich beschützten.

Ich war Jeff dankbar, dass er nichts sagte, mir keine Vorwürfe machte oder sagte, was für ein Arschloch dieser McGowan sei, denn das wusste ich selbst.

"Logan, wir sollten bald jemandem Bescheid sagen." schlug Jeff dann doch schließlich vor.

"Warte kurz, noch eine Minute."

"Okay..."

Zehn Minuten später hatte Jeff wohl genug, denn er warf mich buchstäblich über die Schulter und trug mich hinaus in den Park. Meine Nerven lagen blank. Ich wollte nicht mehr ich selbst sein, denn ich schämte mich schrecklich. Verbissen zwickte ich die Augen zusammen, um nicht mitkriegen zu müssen, was um mich herum geschah.

Ich trat wohl etwas weg, denn als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich unter einem Baum und neben mir lag Jeff ruhig im Gras und schaute durch die Blätter des Baumes in den Himmel. Erst als ich ihn anstarrte, bemerkte er, dass ich wach war.

"Wie geht's dir jetzt, Logan? Fühlst du dich wieder besser?"

"Ich bin okay." nuschelte ich, doch das stimmte eigendlich nicht. Ich fühlte mich schrecklich, mein Herz schlug heftig und ich hatte noch immer Angst.

"Was ist mit McGowan? Wo ist er?" fragte ich. Anscheinend eine Spur zu panisch, denn Jeff setzte sich auf und sah mich ruhig an.

"Mach dir keine Sorgen, ich hab mich um alles gekümmert. Wir können nachher zur Polizei gehen und ihn anzeigen und dann ka..."

"Warte kurz, ihn anzeigen? Du meinst, er muss wegen mir ins Gefängnis?"

"Naja, Gefängnis weiß ich nicht genau, aber er wird auf jeden Fall bestraft."

"Jeff, er darf auf keinen Fall ins Gefängnis!" rief ich aufgeregt.

"Hä? Wieso nicht? Was hast du für ein Problem damit?"

"Weil...na, du weißt nicht, wie es im Knast ist. Er gehört da nicht hin." antwortete ich. "Ich werde ihn nicht anzeigen." Entschlossen lehnte ich mich zurück.

"Spinnst du? Was willst du dann machen?" mittlerweile wurde auch Jeff lauter.

"Nichts." sagte ich nach einer Weile. "Ich geh' einfach nicht mehr in das Seminar. Mich zwinkt keiner und auf diesen Scheiß hab ich eh keinen Bock mehr. Außerdem hab ich mein ganzes Geld liegen lassen. Was bringt das dann noch? Ich werd' Mr McGowan nie mehr sehen und amit hat sich's."

"Damit hat sich's nicht!" brüllte Jeff. "Wir sehen uns dann auch nicht mehr. Ist dir das auch egal? Ich meine, McGowan läuft dann immer noch frei herum! Hast du vergessen, was er mit dir gemacht hat? Er wollte dich..." Plötzlich brach Jeff ab.

"Na sag schon, was wollte er? Sprich es aus. Sag, was er machen wollte." Gereizt und wohl etwas zu fest drückte ich Jeff gegen den nächsten Baumstamm.

"Ach, hör doch auf." meinte er nur und stieß meine Arme weg. "Dich interessiert es nicht, warum McGowan das gemacht hat und es interessiert dich nicht, warum ich da war und dir geholfen habe. Du nimmst automatisch an, dass dich keiner leiden kann und alle gegen dich sind. Dabei siehst du das Wesentliche nicht, Logan." Auf einmal sprang Jeff auf. "Wie kann einem sein Leben nur so egal sein?" rief er.

Schnell sprang ich auch auf und funkelte ihn so wütend wie ich konnte an. "Wenn ich so doof bin und nicht check', dann hau doch ab!" brüllte ich nun wirklich sauer. "Mr. Superreich muss sich nicht mit mir abgeben. Wenn du mich so scheiße findest, dann verpiss dich doch!"

"Mach ich auch!" schrie Jeff zurück. Er drehte sich um und stapfte einige Schritte wütend davon. Dann drehte er sich nochmal um und brüllte aus einigen Metern Entfernung:" Denk' noch mal nach, wer dich vor McGowan gerettetr hat und sei dankbar."

"Soll ich dir jetzt die Füße küssen oder was willst du? Verpiss dich endlich!"

Als Jeff außer Sichtweite war, ließ ich mich fallen und landete ziemlich hart auf dem Boden. Ich merkte, dass mir Tränen seitlich am Gesicht runterliefen und das Einzige, das ich deken konnte war:" Bitte bleib Jeff, komm zurück. Es tut mir leid!!"



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nakura
2010-09-15T18:27:37+00:00 15.09.2010 20:27
Coole Geschichte!^^
Mir gefällt dein Schreibstil, du kannst sehr gut erzählen und bringst seine Gefühle gut rüber. Ich bin schon gespannt wie es weiter geht! ;)


Zurück