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Irrungen und Wirrungen in der heutigen Zeit

von

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Prolog

Tanz der Vampire - Irrungen und Wirrungen in der heutigen Zeit
 


 

Prolog
 


 

Ich erinnere mich noch genau. Es war in der Nacht des Balls, den mein Vater einmal jährlich in seinem Schloss veranstaltete.

Wie auch in dieser Nacht hatte er wieder ein junges Mädchen gefunden, von dem er gedachte zu trinken; Sarah. Sie war schön. Das musste selbst ich, der es ja normalerweise auf das andere Geschlecht abgesehen hatte, mir eingestehen. Vielleicht hätte selbst ich solch ein Mädchen einem männlichen Liebhaber vorgezogen.

Wie dem auch sei, sie war unser Opfer für diese Nacht! Und so wie schon viele andere vor ihr, sollte nun auch sie zu einem der unseren gemacht werden. Zu einem untoten Blutsauger. Einem Vampir.

Doch dieses Mal sollten wir alle nicht ungeschoren davonkommen.

Wir hatten alle nicht mit dem Professor und dessen ausgesprochen hübschen, jungen Assistenten Alfred gerechnet. Gerade, als wir sie entdeckt hatten und aussaugen wollten, konstruierten beide ein Kreuz aus zwei Kerzenständern. Ich muss Ihnen wohl nicht erklären, wie überaus gefährlich ein Kreuz für einen Vampir ist, verehrter Leser. Denn in just dem Moment, als sie das Kreuz gebildet hatten, tat es auch schon seine Wirkung.

Ich kann mich noch dunkel an Schreie erinnern. Schreie, die hauptsächlich von meinem Vater ausgingen. Scheinbar hatte es ihn am schlimmsten erwischt. Aber ich sollte nie Gewissheit bekommen.

Durch das panische Drängen der anderen Vampire wurde ich mit aus dem Saal geschoben. - Gegen meinen Willen; Wollte ich doch unbedingt wissen, wo mein Vater geblieben war. Doch ich bekam keine Gelegenheit umzukehren. Kurz nachdem fast alle Vampire - mitunter meiner Wenigkeit - es aus dem Schloss geschafft hatten, stürzte dieses auch schon ein. Ein Stein nach dem anderen fiel von den Zinnen und bewirkte ein ungutes Ziehen in meiner Brust.

Hieß das etwa, dass...dass...
 

Suchend wandt ich meinen Kopf nach allen Seiten um. Mein Vater musste doch irgendwo zu finden sein! Er musste einfach hier sein!

Als ich nach langem Suchen meinen Vater jedoch nirgens unter den anderen Vampiren entdeckte, machte ich mich daran Stein für Stein nach ihm umzudrehen!

Ich musste ihn finden! Was sollte ich denn ohne ihn machen? Er war doch mein Vater!

Ich vergaß in meiner Inbrunst leider jedoch ganz die Zeit und wurde nur im letzten Augenblick von Koukol, dem Diener meines Vaters, der es offensichtlich auch geschafft hatte sich zu retten, vor den tödlichen Strahlen der Sonne bewahrt.

Irgendwie hatte er es geschafft ein Erdloch für mich zu graben und stieß mich nun in eben dieses hinein. Danach schüttete er die ausgehobene Erde wieder über mich, bis ich völlig bedeckt war. Schon kurz danach fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der lange Zeit andauern sollte...
 

~*~*~*~
 

London. Wir schreiben das Jahr 2006. Es regnete - wie so oft.

Der Regen klatschte gegen die Scheibe eines Fensters einer großen, dunklen Villa, die von unzähligen Trauerweiden umgeben war. Ihre Äste tanzten energisch mit dem Wind und drohten schon beinahe auszureißen. Es sah aus, wie ein Tango, der heiß und leidenschaftlich von einem Pärchen getanzt wurde. Er riss sie vor sich, schob sie wieder zurück, riss sie wieder an sich...

Doch im Inneren der Villa war das äußere Treiben der Naturgewalten nur zu erahnen. Lediglich das Geräusch der Regentropfen, die ununterbrochen gegen die Fensterscheibe pochten und ein gelegentliches Pfeifen des Windes war zu vernehmen. Ein schwacher Lichtschein ließ erahnen, dass ein offensichtlich junger Mann auf einem ziemlich alten Stuhl - wie es schien, aus teurem Mahagoni - eine Zeitung las.

Die 'London Times'.

Er legte die Zeitung auf den, neben ihm stehenden Tisch. Geräuschlos holte er einen roten Stift hervor und öffnete ihn. Ein leises Quitschen ertönte und mischte sich mit dem Geräusch des prasselnden Regens.

Der Jüngling umkreiste eine Überschrift mit einem dicken, roten Strich:

'Archäologin macht Fund des Jahrhunderts! - Sarah Harker, wohl beste Archäologin der heutigen Zeit!'

Der Untertitel: 'Atlantis im Pazifischen Ozean versunken?!' interessierte ihn nicht weiter. Er verfolgte ein ganz anderes Ziel...
 

"Koukol! Bring mir das Telefon! Wir suchen Paps!"

Kapitel I

Kapitel I
 

Wieder regnete es. Es war noch am selben Abend. Mond und Sterne wurden von dichten, dunklen Wolken verdeckt und spendeten an diesem Abend fast kein Licht. Auch der Nebel, der typisch für die Englische Hauptstadt London war, lag dicht über dem Boden und erschwerte die Sicht auf den Straßen. An günstigen Stellen konnte man vielleicht noch ein oder zwei Meter weit seine Umgebung erkennen, an ungünstigen noch nicht einmal die Hand vor Augen.

Der Schein der Straßenlaternen war stark gedämpft und half bei diesem Wetter nicht wirklich die Stadt zu erleuchten.

Vereinzelt liefen Passanten über die nur schwach belichteten Straßen und waren nur in der Lage ihren Weg zu erahnen. Nur selten ging man bei solch einem Wetter vor die Tür, es sei denn, man war geladen, oder man hatte Karten für ein wichtiges Event, wie zum Beispiel die Oper oder das Theater. - Nur war die Oper schon lange nicht mehr das, was sie früher einmal gewesen war, wie der junge Mann mit dem silbernen Haar seufzend feststellte, als sein Chauffeur die Limousine langsam an der städtischen Hofoper vorbeifahren ließ.

Zu seinen Lebzeiten - die nun wirklich schon Jahrhunderte her waren - ging man in die Oper um zu sehen und um gesehen zu werden. Um etwaige Heiratskandidatinnen oder Kandidaten auszuwählen oder einfach nur um sich an dem prächtigen Klang der verschiedenen Stimmen zu ergötzen.

Der junge Mann dachte an seinen Vater. An seinen beeindruckenden Bariton, mit dem er ihm früher immer seine Schlaflieder vorgesungen hatte, als er noch klein war. Danach hatte er nur noch selten gesungen, wie er bedauernd hinnehmen musste.

Aber heute; was war die Oper denn heute?!

Keine prächtigen Abendroben mehr, in denen die Frauen glänzten, keine Fräcke mehr, ja noch nicht einmal vereinzelt ein Stresemann, der für derlei Anlässe normalerweise dennoch völlig ungeeignet war.

Heutzutage ging man, wie der offensichtliche Jüngling bedauernd feststellte mit einfachen Hosen dorthin - ja selbst die Frauen trugen Hosen! - Jeans, oder wie sie genannt wurden. Er schüttelte sich.

Sein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was hier geschah...
 

Der Fahrer bremste stark und der Jüngling hielt sich an seiner Sitzbank fest, um nicht nach vorne geschleudert zu werden.

Entschuldigend drehte sich der Fahrer nach hinten und erkundigte sich, ob alles in Ordnung wäre. Der junge Mann nickte lächelnd und lehnte sich wieder entspannt in seinen Sitz zurück.

Offensichtlich wollte nur ein Fußgänger die Straße überqueren und sein Fahrer hatte den grünen Schein der Ampel übersehen. Er kicherte leise hinter vorgehaltener Hand. Wie amüsant zu wissen, dass man der gesamten Menschheit in jeglicher Hinsicht überlegen war...

Nun ja... in fast jeglicher Hinsicht. Er war überzeugt, dass diese Sarah Harker eine Expertin auf ihrem Gebiet war, sonst hätte sie wohl kaum Indizien dafür gefunden, dass Atlantis wohlmöglich im Pazifik existierte. Sie musste einfach diejenige sein, die es schaffte in den Trümmern des Schlosses den Sarkophag seines Vaters zu finden! Sie musste es sein!

Noch einmal holte er die Zeitung hervor und überflog den Artikel erneut.

>Jahrhunderte lang keine Spuren der versunkenen Stadt<

"Tze", dachte sich der junge Mann, "Von meinem Vater auch nicht."
 

Der Jüngling war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie die Limousine zum Stillstand kam.

Erst ein "Sir, wir sind am Ziel." des Fahrers riss ihn aus seinen Gedankengängen.

"Hab vielen Dank, Dimitri. Wärest du so gut mir meinen Regenschirm zu geben? Es regnet draußen noch immer in Strömen." Der Fahrer nickte und durch einen Knopfdruck öffnete sich im hinteren Teil des Wagens eine Schublade mit einem kleinen, schwarzen Regenschirm.

"Danke sehr.", mit diesen Worten öffnete er die Tür, spannte den Regenschirm auf und trat ins Freie.

Geräuschvoll prasselte der Regen auf den Bezug des Schirmes nieder und verhinderte es somit jegliche weiteren Geräusche wahrzunehmen, die leiser waren, als der Regen selbst.

Da ihm seine Augen die Sicht bei Nacht durchaus ermöglichten, sah er sich sein Umfeld einmal genauer an. Seine Schuhe klickten bei jedem einzelnen Schritt über den nassen Stein, als er auf das kleine Haus zuging. Er öffnete die kleine Holzpforte zum Vorgarten und trat hindurch. Das Quietschen, welches wohl auf die vielen Regengüsse zu dieser Jahreszeit zurückzuführen war, ignorierte er.

Der Vorgarten selbst war, wie er kichernd feststellte ziemlich...spießig für die heutige Zeit. Kleine Männchen mit roten Mützen standen zuhauf auf dem Rasen und in den Blumenbeeten und verrichteten verschiedene Arbeiten. - Wie hießen sie doch gleich?!

Gartenzwerge.

Er ging durch die Reihen von Gartenzwergen hindurch, eine kleine Treppe hinauf und stand schließlich vor einer großen, weißen Haustür. Gleich daneben hing ein kleines Türschild mit der Aufschrift: >Hier wohnen Sarah und Alfred Harker<

Der Jüngling stutzte und las die Aufschrift noch einmal. Dann noch einmal und noch ein letztes Mal, bevor sich seine mittlerweile tellergroßen Augen wieder in ihre normale Größe zurückverwandelten. Er räusperte sich einmal kurz, um sich wieder ein wenig zu beruhigen und drückte auf den Klingelknopf. Innerlich hoffte er, dass man ihn bei diesem Regen hatte schellen hören...und, dass Sarah und Alfred Harker Geschwister waren...!

Gut, man hatte ihn also schon einmal gehört. Er spürte Schritte auf der anderen Seite der Türe auf sich zukommen. Jetzt mussten die beiden Harkers nur noch Geschwister sein...

Die weiße Türe wurde mit den Worten: "Ja, bitte?", einen Spalt breit geöffnet.

"Guten Abend, Miss Harker." Der Jüngling deutete eine leichte Verbeugung an. "Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie Miss Harker sind?"

Die Frau, die sich hinter der Tür verbarg nickte misstrauisch. Dennoch öffnete sie die Haustür etwas weiter, um einen besseren Blick auf den Fremden erhaschen zu können.

"Und Sie sind?", bat sie dann schließlich auch zu wissen und lehnte sich gegen den Türrahmen.

"Oh, verzeihen Sie meine Unhöflichkeit.", sprach der junge Mann selbstsicher und nahm ihre Hand in die seine. "Mein Name ist Herbert von Krolock. - Graf Herbert von Krolock." Mit diesen Worten hauchte er ihr einen Kuss auf den Handrücken und fügte schließlich noch ein "Angenehm" hinzu.

Unsicher und noch immer ein wenig misstrauisch öffnete die Frau die Türe nun gänzlich und ermöglichte dem Adeligen nun auch endlich einen Blick auf ihr Äußeres.

Wieder stutzte er. Das war Sarah! Sarah, die, vor ein paar Jahrhunderten auf dem Mitternachtsball seines Vaters getanzt hatte. Sarah, in die sich sein Vater unsterblich verliebt hatte. Sarah, die er nach dem Zusammensturz des Schlosses aus den Augen verloren hatte. Sarah, die es hoffentlich schaffen würde seinen Vater aus den Überresten seines Schlosses wieder auszugraben.

Sie ähnelte ihr bis aufs kleinste Detail. Die blauen Augen, die braunen, langen Locken, die heute allerdings zu einem Zopf gebändigt wurden. Einfach alles an ihr war...war, wie es gewesen war...

Scheinbar irritierte sie sein offensichtliches Starren, denn sie legte fragend den Kopf schief. Dann besann sie sich jedoch wohl plötzlich auf ihre Höflichkeit und bat den Fremden herein. Er dankte es ihr mit einem Kopfnicken und einem freundlichen Lächeln. Bevor er die Tür hinter sich wieder schloss, schüttelte er noch die Regentropfen von seinem Schirm und stellte ihn neben die Eingangstüre.

"Bitte folgen Sie mir ins Wohnzimmer.", bat sie und wies ihm den Weg. Er hatte nicht viel Zeit sich großartig in dem kleinen Haus umzusehen. Nur zwischendurch schnappte er das ein oder andere Antike Kunstwerk an der Wand auf oder einen anderen altertümlichen Gegenstand.

Sie wies ihm an in einem grünen, ledernen Ohrensessel vor dem Kamin platz zu nehmen.

"Ich habe Kaffee gekocht. Darf ich Ihnen welchen anbieten?" Der adelige Jüngling lächelte nickend, bevor er sich setzte. Sarah ging aus dem Wohnzimmer und ließ ihm somit ein wenig Zeit sich umzusehen.

Fast schon andächtig strich er über den Bezug des Sessels in dem er saß. Dieses Zimmer, die Möbel und die vielen Bücherregale erinnerten ihn an das Kaminzimmer seines Vaters. Auch er hatte zwei dunkelgrüne Ohrensessel vor seinem Kamin stehen gehabt, in denen er früher oft mit ihm gesessen hatte. Lautlos erhob er sich, dabei ließ er noch immer die Hand auf der Sessellehne verweilen. Mit katzenartigen, geschmeidigen Bewegungen ging er auf eines der Bücherregale zu und nahm ein Buch heraus. Sanft strich er über den Buchrücken und erschrak.
 

>Heraklit<
 

Er schlug die erste Seite auf.

"Alles fließt...", las er langsam und leise für sich. Dieses Buch sah genau so aus, wie das seines Vaters. - Er erstarrte. Das war das Buch seines Vaters!

Oben links stand es. Seine Initialen. Kunstvoll verschnörkelt, wie die Handschrift seines Vaters: B. v. K. - Breda von Krolock.
 

"Ah, wie ich sehe, interessiert Sie meine Büchersammlung." Erschrocken drehte sich der Silberhaarige um. Seine Gastgeberin kam soeben mit zwei Tassen dampfendem Kaffee wieder durch die Türe und stellte sie auf dem kleinen Tisch neben den Sesseln ab. Dann trat sie zu ihm. "Ich habe sie vor ein paar Monaten auf einem rumänischen Basar erstanden.", sie lächelte, dann jedoch sah sie den jungen Mann neben ihr besorgt an. "Ist Ihnen nicht gut?" Sie machte Anstalten ihm zu helfen und schob ihren Arm unter den seinen.
 

Was hatte sie gesagt? Sie hatte die Bücher vor ein paar Monaten auf einem Basar gekauft?! Was war...was war, wenn man das Schloss längst ausgegraben hatte? Wenn man den Sarkophag seines Vaters schon gefunden hatte? Was, wenn man ihn...
 

"Hier, trinken Sie." Erst das kräftige Aroma des Kaffees, der ihm vor sie Nase gehalten wurde holte ihn wieder aus seinen Gedanken zurück. Er fand sich plötzlich auf einem der Sessel wieder, neben ihm, auf der Lehne sitzend, Sarah. Genauso, wie sie früher auch bei seinem Vater auf der Sessellehne gesessen hatte...

"Geht es wieder?", bat sie zu wissen und musterte ihn besorgt. Er nickte beschwichtigend.

"Ja. Verzeihen Sie die Umstände. Ich war nur so fasziniert von Ihren Büchern.", erklärte er entschuldigend und tat so, als würde er an dem ihm angebotenen Getränk nippen. Sie stand beruhigt auf und ging wieder hinüber zu den Regalen.

"Ja, ich konnte mein Glück auch nicht fassen, als ich diese Schätze auf einem gewöhnlichen Basar entdeckte... Leider kam ich bisher noch nicht dazu sie alle zu lesen." Gedankenverloren schlug sie eines der Bücher auf. "Hier." Sie deutete auf die Ecke oben links und zeigte sie dem Besucher. "Dies ist mir allerdings in allen Büchern aufgefallen. 'B. v. K.' Es müssen Initialen sein. Aber noch habe ich nicht herausgefunden, wofür sie stehen." Sie hielt plötzlich inne, als hätte ein elektrischer Stromschlag sie durchzuckt. Dann drehte sie sich so zu ihm um, dass sie ihm genau in die Augen sehen konnte. "Von Krolock sagten Sie?"

Er nickte grinsend.

"Diese Bücher gehörten meinem Va- meinem Urururururgroßvater väterlicherseits.", schwindelte er und hielt sich mental schon wieder kichernd die Hand vor den Mund.

Fasziniert riss sie ihre Augen auf. Gerade wollte sie zu einem weiteren Satz ansetzen, als der Adelige auch schon weiter sprach: "Womit ich auch gleich bei meinem Anliegen an Sie wäre." Er holte den Zeitungsartikel aus seiner Jacketttasche und breitete ihn auf seinen Knien aus. "Da Sie diejenige waren, die Indizien dafür fanden, dass die versunkene Stadt Atlantis im pazifischen Ozean existiert, dachte ich mir, dass Sie mir sicherlich behilflich sein könnten."

Sie setzte ihre Geschäftsmiene auf und nahm in dem Sessel gegenüber von ihm platz, schlug die Beine übereinander und nahm einen Schluck ihres Kaffees.

"Sie haben also einen Auftrag für mich, verstehe ich das richtig?!"

Er nickte.

"Einen wichtigen."

"Nun, dann bitte ich Sie mir alles zu erklären." Wieder nahm sie einen Schluck Kaffee.

"Eigentlich", begann er, "gibt es nicht viel zu erklären." Nun schlug er seinerseits ebenfalls die Beine übereinander und lehnte sich ein wenig weiter im Sessel vor.

"Ich wünsche nur, dass Sie mir helfen das Jahrhunderte alte Schloss meines...Großvaters auszugraben; mit all seinen Schätzen, die sich noch darin befinden." Entspannt lehnte er sich daraufhin wieder in die Polster zurück und wartete auf eine Antwort. Sarah stellte ihre Tasse zurück auf den Unterteller und begann nun ihrerseits damit ein paar Fragen zu stellen: "Wo befindet sich das Schloss Ihres Großvaters?"

"In Rumänien. Um genauer zu sein, in Transsylvanien."

"Oho, sollten Sie vielleicht ein Nachfahre des berühmten Grafen Dracula sein?!", scherzte sie und lachte leise.

"Ich werde mich hüten Ihnen darauf eine Antwort zu geben. Ihr Nachname lässt mich vorsichtig agieren..." Nun lachte auch er und stimmte in ihr Lachen mit ein. Dann wurden beide wieder ernst.

"In Transsylvanien also..." Nachdenklich legte sie einen Finger ans Kinn. "Und warum wollen Sie unbedingt, dass ich es ausgrabe?"

"In diesem Schloss befindet sich ein wertvoller Schatz, den ich wieder haben möchte." - Mehr sagte er, zu ihrem Bedauern leider nicht.

"Und wann gedachten Sie die Ausgrabungen zu beginnen?"

"Übermorgen."

Sie prustete den etwas von dem Kaffee aus, den sie gerade im Begriff war zu trinken.

"Übermorgen?!", wiederholte sie hustend und stellte die Tasse wieder ab. Der Jüngling nickte nur. Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu beruhigen, stimmte dann jedoch zu.

"In Ordnung."
 

Ein gedämpftes "Ich bin wieder zu Hause!" war zu vernehmen, nachdem sie diesen Satz gesprochen hatte. Es folgten Schritte und das leise Klicken der Türklinke, als der Mann, wie man der Stimme entnehmen konnte, ins Wohnzimmer trat. Zuerst schien der Mann seinen Gast nicht zu bemerken, denn er ging auf den braunen Lockenkopf zu und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
 

Der Adelige war sprachlos. Sie waren Mann und Frau! Der Mann sah aus, wie sein Alfred! Wie konnte Sarah nur! Wie konnte er nur?

Die gleichen dunkelblonden Locken. Dasselbe leicht feminine Gesicht. Dieselben langen, goldenen Wimpern...
 

"Darf ich vorstellen, Alfred: Dies ist Graf Herbert von Krolock."

Sich nichts anmerken lassend stand Herbert aus seinem Sessel auf und schüttelte die Hand des anderen.

"Sehr erfreut.", gab er dann noch etwas tonlos von sich und berührte dann die Unterseite des Tisches mit seiner anderen Hand, um einen kleinen, schwarzen Knopf dort anzubringen.
 

"Nun, meine liebe Miss Harker, ich werde Sie morgen um punkt neunzehn Uhr hier abholen. Ich empfehle mich. Guten Abend." Mit diesen Worten verließ er das Wohnzimmer.

Das Ehepaar stand sprachlos im Raum und starrte auf die soeben geschlossene Tür.

Alfred war der Erste, der das Wort wiedererlangte: "Was meinte er damit, als er sagte, dass er dich morgen abholen würde?" In seiner Stimme lag ein leicht säuerlicher Unterton, als er diese Frage stellte.

"Ich werde morgen mit ihm nach Rumänien fliegen." Ihrem Mann fiel bei diesem Satz sprichwörtlich die Kinnlade hinunter.

"Du wirst WAS?!"

"Ich werde morgen mit ihm nach Rumänien fliegen.", wiederholte sie. "Ich werde an einigen Ausgrabungen beteiligt sein."

"Sarah, das ist mir nicht geheuer.", warnte er und lies sich in den linken der beiden Sessel fallen. Seine Frau seufzte.

"Ach, Alfred. Jetzt stell dich nicht schon wieder so an. Er wirkte sehr seriös. Ich werde morgen mit ihm fliegen. In ein paar Wochen bin ich ja wieder zurück.", versuchte sie ihn zu beschwichtigen. Dabei bemerkte sie, dass ihr Gast den Kaffee nicht angerührt hatte. Die Tasse war noch genauso voll, wie zuvor und das, obwohl er doch etwas getrunken hatte...

Die Stimme ihres Mannes holte sie wieder zurück in die Realität: "Darum geht es doch gar nicht!", wetterte er.

"Nicht? Worum denn dann jetzt schon wieder?", fauchte sie zurück und sprang aus ihrem Sessel auf.

"Andauernd bist du weg! Ich bin dein Ehemann, aber scheinbar zählt das ja nicht! Du verbringst schon mehr Zeit mit deinen Ausgrabungsutensilien, als mit mir!"

"Das ist nun einmal mein Beruf!" Wütend stemmte sie die Hände in die Hüften. "Wenn die das nicht passt, dann hättest du mich nicht heiraten dürfen!"
 

Das letzte, was Herbert vernahm, war das Zuschlagen der Wohnzimmertüre. Kichernd schaltete er das Walky-Talky aus, durch welches er die Wanze abgehört hatte, die unter dem kleinen Tischchen klemmte.

Ja ja... die beiden hatten also eine Ehekrise...

Das kam ja wie gerufen, dachte er sich und grinste. Alfreds waren eben von Natur aus schon nicht für das weibliche Geschlecht bestimmt, schlussfolgerte er und lehnte sich zufrieden in die Polster seiner Limousine zurück.

"Dimitri, bring mich wieder nach Hause und nimm dir ab übermorgen die nächsten Wochen frei, bis ich wieder aus Rumänien zurück bin." Er lachte. "Ich habe etwas zu feiern!"

Kapitel II

Kapitel II
 

"Alfred? Hast du mein schwarzes Kleid gesehen?", hallte Sarah Harkers heller Sopran durch ihr gemeinsames, kleines Haus, als sie im Begriff war, ihre Sachen für die bevorstehende Transsylvanienreise zu packen.

Das Ehepaar war gerade dabei gewesen zu Abend zu essen, als ihr plötzlich einfiel, dass sie zwar ihre Ausgrabungswerkzeuge eingepackt hatte, jedoch noch keine Kleidung, die sie während des mehrwöchigen Aufenthaltes bei dieser kalten Jahreszeit tragen könnte.

"Alfred!" Leicht angesäuert blickte sie durch den Türrahmen, der Speise- und Schlafzimmer voneinander trennte. Ihr Mann saß seelenruhig am Tisch und ließ gerade genüsslich eine gedünstete Möhre in seinem Mund verschwinden. Ihr Kleid lag dort, wo es immer lag, dachte er sich, während das kleine Gemüse sich von seinen Kiefern zerkleinern ließ. Doch, obwohl Alfred genau wusste, wo sich jenes Kleid befand, murmelte er lediglich ein leises "Keine Ahnung..." und wendete sich einer weiteren Möhre zu. Ein unterdrückter Aufschrei war Sarahs Reaktion auf seine nicht sehr hilfreiche Antwort.

Wilde Verwünschungen vor sich hingrummelnd, saß sie in einem Berg von Kleidung und versuchte, nicht allzuviel und nur das Nötigste in ihren Koffer zu packen. - Was ihr leider jedoch nicht so recht gelingen wollte...

Missmutig warf sie dabei einen Blick auf den bereits jetzt schon überfüllten Koffer. Sie seufzte. Also musste sie, so wie es aussah, wohl erst einmal aussortieren, bevor sie sich weiter ans Packen machte...

Schon bald stellte sie jedoch fest, dass sie wohl nicht drumrum kam, einen zweiten Koffer einzuplanen. - Wer konnte denn bitteschön auch ahnen, dass dicke Wollsocken derart viel Platz benötigen würden?! Also sie ganz sicher nicht!

Und da ihr Mann ja scheinbar nicht gewillt war, ihr auch nur im Mindesten zur Hand zu gehen, musste sie sich zu allem Übel auch noch auf einen alten Klappstuhl stellen, um ihren zweiten Reisekoffer vom Schrank herunter zu hieven. Allerdings hatte sie da wohl die Rechnung ohne den Klappstuhl gemacht, der es - ebenso, wie ihr Mann - vorzog, sie hängen, beziehungsweise fallen zu lassen.

"Verdammte Scheiße!", schrie sie, als sie polternd und unter weiteren Flüchen auf dem Boden landete. Da dieser aber zum Glück mit ihren Kleidungsstücken übersäht war, fiel ihre Landung recht sanft aus.

Dennoch regte sich jetzt auch ihr Mann im Esszimmer, der ihren Schrei sehr wohl zur Kenntnis genommen hatte.

"Sarah? Ist alles in Ordnung mit dir, Schatz?", fragte er besorgt und lugte durch den Türrahmen. Die Braunhaarige sah ihn giftig an.

"Dein 'Schatz' kannst du dir sonstwohin stecken!", fauchte sie nur und machte weiter damit, Sachen in ihre Koffer zu stopfen. Völlig perplex blieb Alfred in der Tür stehen. Wie sprach sie denn mit ihm? - Zugegeben, das kam in den letzten Wochen des Öfteren vor, aber das rechtfertigte noch lange nichts!

"Sarah...", versuchte er es noch einmal im Guten und ging ein paar Schritte auf sie zu. Dies erwies sich allerdings als eine recht schwierige Angelegenheit, denn Sarahs Sachen lagen überall auf dem Boden verstreut. So kam es schließlich auch, dass sich der Ärmel eines Pullovers um sein Bein schlang und ihn zu Fall brachte. Dabei fiel er zu allem Übel auch noch mitten auf den bereits gepackten und geschlossenen Koffer Sarahs, der nach dieser unabsichtlichen Attacke knirschend aufplatzte.

"Alfred!", schrie die braunhaarige Frau und sah ihren Ehemann fassungslos, aber auch wütend an. "Ich weiß ja, dass du nicht willst, dass ich wegfahre, aber lass gefälligst mein Gepäck in Ruhe! Und jetzt verschwinde und lass mich in Ruhe packen!"
 

Jetzt wurde es auch ihrem Mann zu bunt und er stand knurrend auf.

"Mir ist es völlig egal, ob du nun nach Transsylvanien oder nach Timbuktu fliegst, solange du mich nur einmal für ein paar Tage in Ruhe lässt!" Auch seine Stimme wurde nun um einige Dezibel lauter. - Wovon Sarah sich aber dennoch nicht beeindrucken ließ. Wutentbrannt stand sie auf, nahm beide Koffer in die Hand, ignorierend, dass der eine von beiden stetig das ein oder andere Kleidungsstück verlor und stürmte mit den Worten: "Na wunderbar! - Und tschüs!" aus dem Zimmer.

Der Blondgelockte wollte ihr noch hinterherrennen, hörte dann allerdings die Stimme dieses Grafen und setzte sich schmollend wieder an den großen Tisch im Speisezimmer, lustlos in seinem, mittlerweile kalt gewordenen Essen herumstochernd...
 

~*~*~
 

"Hörst du das, Dimitri?", flötete Herbert seinem Chauffeur vergnügt zu und klatschte in die Hände. "In meinen Ohren klingt das wie Musik! - Oh, sie kommt raus." Diese Worte kaum gesprochen öffnete er auch schon die Türe der großen Limousine und trat heraus.

Gerade trat auch Sarah ins Freie und schien - dem Gesichtsausdruck (und der Wanze, die noch immer unter dem Tischchen klebte) nach zuurteilen - ziemlich aufgebracht. Der Silberhaarige setzte ein Lächeln auf und begrüßte sie mit einem herzlichen "Guten Abend, meine Liebe!", während er auf sie zuging und ihr die Koffer abnehmen wollte. Sie jedoch stürmte nur mit einem schlichten "Guten Abend!" an ihm vorbei. Höchst amüsiert verharrte er noch ein paar Sekunden in seiner Stellung, um sich nicht durch sein vergnügtes Grinsen zu verraten. Als er sich schließlich umdrehte, stellte er fest, dass Dimitri ihre Koffer bereits verstaut hatte und der jungen Dame nun galant die Türe aufhielt. Auch Herbert beeilte sich, wieder ins Auto zu gelangen, da es bereits schon wieder mächtig nach einem weiteren Regenguss aussah.

Nachdem er sich auf einen der weichen Ledersitze niedergelassen hatte, suchte er beide Seiten nach seinem Gast ab; fand ihn schließlich links, gegenüber von ihm sitzend. Die Arme hatte sie vor ihrem Oberkörper gekreuzt, ebenso wie ihre Beine gekreuzt waren. - Eine höchst ablehnende Haltung, wie Herbert feststellen musste.

Ihr Blick ging ins Leere. - Zumindest vermutete er das. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, als Sterblicher durch die getönten Fensterscheiben des Autos irgendetwas zu erkennen...

Er räusperte sich.

"Misses...Harker?"

Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung, schien allerdings in einer Art Trancezustand zu sein, denn ihr Blick wirkte verklärt. Doch plötzlich wurden ihre Augen wieder klar und sie lächelte entschuldigend.

"Bitte verzeihen Sie meine groben Worte, Herr von Krolock, aber ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit meinem Mann." Er nickte lächelnd.

"Ich verstehe schon."
 

Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen. Mittlerweile war der Regen eingetreten und prasselte nun auf das gläserne Autodach hernieder.
 

"Sind Sie auch verheiratet?", durchbrach Sarah die Stille wieder und lächelte.

"Nein.", antwortete Herbert. "Nein, ich bin kein Mann der Kirche." Er lachte sich innerlich halb tot! - Wenn er denn hätte noch einmal sterben können...

Hach, er war heute aber auch einfach mal wieder zu komisch!

Mental noch immer kichernd musterte er die Frau, die bereits wieder nachdenklich aus dem Fenster blickte. Sie schien wieder so völlig in Gedanken versunken, dass sie noch nicht einmal bemerkte, wie er sich der kleinen Bar zuwandte, und eine klare Flüssigkeit in ein Glas schenkte.

"Möchten Sie reden?", fragte er dann und reichte ihr das Glas. Zuerst war die junge Frau recht verwirrt, doch dann nickte sie und leerte das Glas in einem Zug. Doch bereits schon ein paar Sekunden später brach sie in einen heftigen Hustenkrampf aus. Sie hatte Mühe, noch genügend Luft zu bekommen.

Herbert, der nicht wusste, dass sie derart empfindlich reagieren würde, hielt ihr eine flasche Wasser vor die Nase, nach der sie dankbar griff. Nur mit Mühe schaffte sie es den Deckel abzudrehen. Als diedes Hindernis jedoch überwunden war, nahm sie ein paar schnelle Züge des Getränks und atmete danach erleichtert auf.

"Was...was war das?", brachte sie krächzend hervor und tätschelte mit flacher Hand noch einmal ihre Brust.

"Rakiya.", antwortete er schlicht auf ihre Frage. "Ein ungarischer Schnaps. - Ziemlich hochprozentig."

"Hätten Sie mir das nicht eher sagen können?" Sie atmete tief durch, um ihrer Kehle ein wenig frische Luft zukommen zu lassen. Dieses Gebräu war wirklich der Hölle entsprungen, stellte sie fest und trank noch einen weiteren Schluck Wasser aus der Flasche. Herbert nahm die Flasche mit dem Rakiya und schenkte ihr ein weiteres Glas ein. Freundlich lächelnd gab er es ihr in die Hand.

"Was soll das werden? Wollen Sie mich abfüllen?", scherzte sie und nahm dankbar nickend das Glas entgegen. Der Silberhaarige jedoch schüttelte nur lächelnd den Kopf.

"Ich möchte, dass Sie mir erzählen, was Sie bedrückt. Und ich denke, so wird Ihnen das Reden leichter fallen.", erklärte er ganz sachlich und lehnte sich in den weichen Ledersitz zurück.

Sarah verstand und bekam schon fast ein schlechtes Gewissen, dass sie so von ihm gedacht hatte. An Erfahrung reicher, nippte sie vorsichtig an dem zweiten Getränk .

"Also gut", begann sie, "Ich hatte Ihnen meinen Mann bereits vorgestellt, richtig?!"

Herbert nickte.

"Verstehen Sie mich jetzt gleich nicht falsch, wir führten wirklich lange eine glückliche Ehe, doch die ersten Meinungsverschiedenheiten brachte die Zeit mit sich.", sie seufzte und nahm erneut einen kleinen Schluck des Rakiyas. "Er wollte zum Beispiel jetzt schon Kinder haben" - Herbert stutzte. Alfred und Kinder?! So etwas hatte er ihm gar nicht zugetraut! Aber er wollte ja nicht unhöflich sein und hörte somit weiter zu. Seine Gedanken konnte er sich auch später noch ausmalen. "Ich allerdings möchte noch ein paar Jahre warten. Kinder kann ich mir zur Zeit beruflich und finanziell einfach nicht leisten und diese Probleme will er einfach nicht sehen!" Während der letzten Worte wurde ihre Stimme immer lauter, was Herbert annehmen ließ, dass der Alkohol bereits seine Wirkung tat.

"Zudem beschäftigt mich Atlantis noch zu sehr, als das ich dieses Projekt für eine Schwangerschaft aufgeben würde. - Und Ihr Auftrag ist ebenfalls von großem Interesse für mich." Jetzt lächelte sie. Bei näherem Hinsehen, erkannte Herbert, dass ihre Augen schon langsam glasig und ihre Bewegungen fahrig wurden.

"Und durch diese Meinungsverschiedenheiten kommt es zwischen Alfred und mir immer öfters zum Streit!"
 

"Warum haben Sie beide sich heute Abend gestritten?", bat er zu wissen.

Sie seufzte laut.

"Er war wütend auf mich, weil ich ihn schon wieder für ein paar Wochen allein zurücklasse. Ich kann ihn ja auch verstehen. Erst vor ein paar Tagen bin ich aus dem Pazifik zurückgekehrt und jetzt fahre ich schon wieder mit Ihnen nach Transsylvanien." Als sie auch den Rest des Rakiyas aus dem Glas getrunken hatte, stellte sie es auf einen kleinen Tisch, der zwischen ihr und Herbert stand. "Und durch diese ganzen Schwierigkeiten komme ich während der Arbeit natürlich auch ins Grübeln. - Verstehen Sie?" Sie machte keine Pause, um eine Antwort abzuwarten, sondern sprach gleich weiter. Somit sah Herbert ihre Frage als rhetorisch an und hörte weiterhin interessiert zu.

"Ich mache Fehler, kann mich nicht mehr hundertprozentig konzentrieren, weil ich weiß, da gibt es eine Person, die nicht will, dass ich diese Arbeit ausführe!" Wieder wurden ihre Worte von einem verzweifeltem Seufzen begleitet. Da sie mittlerweile den Blick gesenkt hielt und sinnierend ihr Finger beobachtete, bemerkte sie nicht, wie Herbert sich neben sie setzte. Erst, als sich eine dritte Hand zu ihren beiden gesellte und sich auf sie legte, sah sie auf.

"Ich möchte Sie keinesfalls unter Druck setzen, Misses Harker. Sie werden natürlich erst dann mit Ihrer Arbeit beginnen, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen." Trotz der ungeheuren Überwindung, die ihn diese Worte kosteten, lächelte er. Natürlich wollte er so schnell wie möglich die Gruft freilegen, seinen Vater befreien und in die Arme schließen. - Sollte er sich tatsächlich in der Gruft befinden, was er noch immer hoffte.

Er spürte, wie etwas auf seine Hand fiel.

Ein Tropfen.

Er blickte zu Sarah auf und stellte fest, dass sie weinte. Ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. So, wie es aussah, hatte diese junge Frau in ihrem Leben zwar beruflichen Erfolg, jedoch wohl kein glückliches Gefühlsleben.

Deshalb tat er wahrscheinlich das einzig Richtige - und ihm Mögliche - und legte sanft einen Arm um ihre Schulter, um sie in eine Umarmung zu schließen.

Der Alkohol hatte ihre starke Barriere scheinbar so weit gehemmt, dass sie sich wortlos von ihm trösten lies.

Während er ihr beruhigend über den Rücken strich, schweiften seine Gedanken wieder zu seinem Vater. Oft hatte dieser ihn ebenso trösten müssen, wie er es jetzt bei dieser jungen Frau tat.

Er erinnerte sich an seine Jugend, wo es wohl am Schlimmsten gewesen war. Fast jede Nacht lag er weinend in den Armen seines Vaters. Vielen seiner "angeblichen" Freunde schien seine Neigung zu gleichgeschlechtlichen Partnern damals durchaus Grund gegeben zu haben, sich von ihm abzuwenden oder sich über ihn lustig zu machen.

Er schüttelte sich. Diese Erinnerungen und den schrecklichen Spitznamen "Homo-Herbie" hatte er schon seit über sechshundert Jahren abgeschrieben.
 

"Sir, wir sind am Ziel angelangt.", verkündete Dimitri von vorne über eine Art Lautsprecher nach hinten und brachte schon kurz nach seinen Worten die Limousine zum Stillstand. Herbert, der aus seinen Gedanken gerissen wurde, antwortete nur stammelnd mit einem kurzen "Ja...ja, sehr schön." und war im Begriff seinem Gast zu helfen, die Tränen zu trocknen. Doch erst jetzt bemerkte er, dass Sarah in seinen Armen eingeschlafen war. Er seufzte. Sterbliche Menschen waren wirklich anstrengend - und ganz besonders der weibliche Teil der Menschheit!

Nun war es an ihm zu seufzen, als er die Frau auf seine Arme nahm, um sie ins Flugzeug zu tragen. Dimitris leicht verwirrten Blick ignorierend, wies Herbert ihn an, die Koffer aus dem hinteren Teil des Wagens zu holen und sie ins Flugzeig zu laden. Er nickte und tat, wie ihm geheißen.
 

Herbert indes war bereits in den Privatjet gestiegen, den er seinerzeit eigens entworfen hatte. - Ja, er hatte in den letzten Jahrhunderten viel gelernt und zu diesen Sachen gehörte - ob man es glauben wollte, oder nicht - die korrekte Erbauung eines Jets. Noch immer voller Stolz musterte er das Innere seines Entwurfs und legte die Braungelockte auf eines der Canapées, die in zwei Reihen an den Wänden des Flugobjektes residierten.

Obgleich des Ernstes, der Sarahs sonst so starke Persönlichkeit belastete, konnte er sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Zwar war dies nicht die Sarah von vor über sechshundert Jahren, die man vorzüglich hätte damit aufziehen können, sie abgefüllt zu haben, aber dennoch würde er sich den ein oder anderen Kommentar bei der Sarah von heute nicht verkneifen können.

Er setzte sich neben sie, um sicherzugehen, dass sie bei dem recht fixen Start der kleinen Maschine nicht von ihrem momentanen Schlafplatz rutschen würde. Ihre Gesichtszüge ließen ihn unweigerlich wieder an die Vergangenheit denken...

Der Ball...

Nein, er wollte jetzt nicht wieder melancholisch werden! Das, worauf er über fünf Jahrhunderte lang gewartet hatte, rückte in greifbare Nähe!

Um nicht noch ein weiteres Mal zu riskieren, dass seine Gedanken auf Wanderschaft gingen, beschloss er in einem Buch etwas Zerstreuung zu suchen.

Andächtig schlug er das kleine, in Leder gebundene Buch auf, welches ihm so unsagbar bekannt war: Die Lehren des Heraklit.

Sachte strich er mit seinen Fingerspitzen ein weiteres Mal über die Initialen seines Vaters.

"Bald...", murmelte er, "Bald schon, Vater..."
 

~*~*~
 

Nach beinahe drei vollen Stunden landete der kleine Jet auf dem Privatlandeplatz eines noblen Hotels. - Was man in einem Entwicklungsland, wie Rumänien denn als Nobel bezeichnete. Er ließ das kleine Buch seines Vaters in seiner Jackettinnentasche verschwinden. - Sarah musste ja nicht unbedingt erfahren, dass er es in einem Augenblick der Unachtsamkeit stibitzt hatte...

Schließlich wandte er sich der noch immer schlafenden jungen Frau zu und rüttelte sanft an ihrer Schulter, um sie zu wecken.

"Misses Harker, wachen Sie auf. Wir sind in Rumänien angelangt.", flüsterte er und nahm wieder gebühreden Abstand, als er bemerkte, dass sie im Begriff war, ihre Augen zu öffnen.

"Wie...wie spät ist es...?", fragte sie noch ziemlich schlaftrunken und rieb sich die Augen. Herbert grinste, ob ihres ducheinander geratenen Haares und kramte in einem Fach nach einer Haarbürste, die er ihr, zusammen mit einem kleinen Spiegel und einem Lächeln, reichte.

Sie jedoch hatte erst einmal ganz andere Probleme, als ihre Haare. - Nämlich ihren donnernden Kopfschmerz, der wohl vom Alkohol herrührte.

"Es ist, um auf Ihre Frage zu antworten, dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig, Madam.", gab Herbert dann von sich und reichte ihr seine Hand, um ihr dabei zu helfen, sich aufzusetzen.

"Danke.", gab sie dann schwach lächelnd von sich und massierte sich die Schläfen, in der Hoffnung, den Kopfschmerz so irgendwie zu lindern. Nachdem sie sich dann soweit hergerichtet hatte, dass sie sich unter die Menschen trauen konnte, ohne irgendwen zu verschrecken, stiegen sie die kleine Treppe des Jets hinunter und wurden auch schon von einem Hauseigenen Pagen in Empfang genommen. Pflichtbewusst nahm dieser sich ihrer Koffer an und brachte sie auf die jeweiligen Zimmer, die beide unmittelbar nebeneinander lagen.

"Möchten Sie, bevor Sie auf Ihr Zimmer gehen vielleicht noch etwas zu Abend essen?" - Obwohl Herbert wusste, wie es um den momentanen Zustand der jungen Frau stand, konnte er sich diese Frage nicht verkneifen.

"Abendessen?! - Nein, vielen Dank!", presste Sarah mit Mühe hervor und schüttelte sich schon allein bei dem Wort "Essen". Schließlich zeigte dann auch der silberhaarige Jüngling Erbarmen und begleitete Sarah galant auf ihr Zimmer.

"Ich werde Sie morgen Abend zu den... Überresten des Schlosses führen. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine angenehme Nachtruhe."

"Die wünsche ich Ihnen auch. Und bitte entschuldigen Sie meinen heutigen Gefühlsausbruch. Es ist mir noch immer ziemlich peinlich, dass ich mich habe so gehen lassen..." Sie senkte ihren Blick, sah jedoch wieder auf, als sie nur das helle Lachen des Jünglings vernahm. Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, warum er denn lachte, doch da wurde die Türe seines Zimmers schon geschlossen. Verdutzt tat sie es ihm gleich, schloss ihre Zimmertüre und beschloss, sich ein heißes Bad, als Entspannung einzulassen, bevor sie sich in die weichen Kissen ihres vorübergehenden Bettes kuschelte.
 

~*~*~
 

Hach, er hatte selten so gelacht, wie heute. Diese Sarah war wirklich so gar nicht die typische Frau. Sie war bodenständig, hatte ihren eigenen Kopf und sagte ihre Meinung geradeheraus. - Eigentlich alles Eigenschaften, die die Sarah von vor über sechshundert Jahren auch besessen hatte.

Mit träumerischem Blick trat er hinaus auf den Balkon. Wie es wohl sein würde, seinen Vater wieder in seine Arme schließen zu können... Wie er wohl reagieren würde, wenn er Sarah erblickte. Und vor allem: Wie er reagieren würde, wenn er herausfand, dass sie verheiratet war...

Er atmete einmal tief ein, konzentrierte sich und keine zwei Sekunden später war er nicht mehr der hochgewachsene junge Mann, sondern eine kleine silberne Fledermaus, die sich aus dem dunkelblauen Armani-Anzug wühlte, der nun auf den Fliesen lag. Flink hüpfte er auf das Balkongeländer, breitete seine Schwingen aus und erhob sich, mithilfe einer kleinen Windböe, in die Lüfte.

In die weite Ferne der Karpaten hinausblickend flog er in Richtung Norden, wo sich die Trümmer seiner damaligen Heimat befanden.

Wie er feststellen sollte, waren es vom Hotel aus keine fünfzehn Minuten bis zu diesem Ort, was ihm nur gelegen kam. Es sah verdächtig nach Schnee aus und ihm war, trotz Fell, ziemlich kalt.

Er schwebte auf dem Wind, vorbei an Gebirgen, die ihm schmerzlich bekannt vorkamen. Des öfteren hatte er damals mit seinem Vater mehrtägige Erkundungstouren dorthin unternommen und Tagsüber in einer Höhle über"tagt". Die kleine Fledermaus stieß einen herzzereissenden Seufzer aus, als er jene Höhle erblickte, die so schrecklich viele Erinnerungen in ihr weckten.

Dort! Dort hinten hatte es gestanden! Das Schloss seines Vaters. Das Zuhause seines Vaters - und das seine...

Er zog erst einmal ein paar Kreise um die Überreste des Schlosses, bevor er sich dann dazu entschloss, auf einer halb verwitterten Mauer zu landen.

Von diesem erhöhten Punkt aus, sah er sich genau um. Seine Augen, die ihn trotz seiner Fledermausform nicht im Stich ließen, halfen ihm dabei die Umrisse der übrigen Mauern zu erkennen. Die Mauern, die ihm sein Leben lang Schutz gewährten - und sogar über den Tod hinaus. Die Mauern, die einst die hohen Decken der langen Korridore bildeten, durch die er so oft als Junge rannte, auf der Flucht vor seinem Vater, wenn er einmal wieder etwas angestellt hatte. Er konnte seine kindlichen Schreie fast noch hören, als er lachend durch die Gänge hetzte. Stets darauf bedacht seinem Vater nicht in die Hände zu fallen. Dieser war jedoch meist schneller als er und schaffte es somit fast immer, ihn zu fangen. Als sein Vater ihn dann zu der Quelle allen Übels gebracht hatte, damit er dieses wieder beseitigte, hatte Koukol meist schon alles erledigt.

Doch das war alles noch in seinem Dasein als Sterbliches Kind passiert. Als Unsterblicher, als Vampir, waren weder er noch sein Vater je wieder derart sorgenfrei gewesen...

Bevor er sich wieder in die Lüfte erhob, sah er sich noch ein letztes Mal sinnierend in der Gegend um und atmete tief ein.

"Wie holen dich da raus, Paps!", flüsterte er in die kühle Nachtluft hinein und breitete seine Schwingen aus.
 

~*~*~
 

Seichte Strahlen der aufgehenden Wintersonne fielen auf Sarah Harkers Gesicht, das noch immer in die weichen Kissen vergangener Nacht gebettet war. Leise murrend legte sie sich ihren Arm über die Augen, in der Hoffnung somit den elenden Störenfried, namens Sonne, überlistet zu haben. Doch diese lies sich nicht so einfach überlisten und sorgte dafür, dass ihre Strahlen sie in der Nase kitzelten, was dazu führte, dass sie kräftig niesen musste. Nun vollends erwacht setzte sie sich grummelnd kerzengerade in ihrem Bett auf und musste sich erst einmal orientieren.

Stimmt. Sie war mit diesem Grafen nach Transsylvanien gereist, um ihm dabei zu helfen eine Gruft auszuheben. Sie fuhr sich über die Augen. Wie kam sie nur immer wieder in solche Lagen?!

Nun, sagte sie sich, da sie schon einmal wach war, konnte sie auch aufstehen. Dabei fiel ihr Blick durch Zufall auf den kleinen Wecker neben ihrem Bett.

"Vier Uhr am Nachmittag?!", stieß sie fassungslos aus und ließ sich wieder auf die Bettkante fallen. Dann war das da draußen auch nicht die aufgehende, sondern die untergehende Wintersonne!

Um absolute Gewissheit zu erlangen, ging sie auf das große Fenster zu, das auf ihren eigenen kleinen Balkon führte. Auf dem Weg dorthin legte sie sich noch ihren Morgenmantel über die Schultern, schob die schweren Vorhänge zur Seite und öffnete sie Balkontüre. Ein kalter Windstoß bließ ihr ins Gesicht und fuhr ihr durch Mark und Bein. Die Kälte war wirklich eisig! Zum Glück hatte sie genügend warme Kleidung eingepackt, dachte sie und schloss schnell wieder die Türe, als sie davon überzeugt war, dass die Sonne wirklich sank und nicht stieg.

Also schnappte sie sich frische Wäsche und beschloss, erst einmal in die Badewanne zu tauchen, bevor sie sich nachher in die äußere Kälte wagte. Wenn die junge Frau wüsste, dass ihre Urururur(...)-Großmutter eine mindestens ebenso große Vorliebe fürs Baden gehabt hatte...

Rauschend lief das heiße Wasser in die Wanne, in die Sarah nun auch zwei Verschlusskappen mit Rosenblütenöl tropfen ließ. Sofort fing dieses an aufzuschäumen und bedeckte die Wasseroberfläche. Eine leise Melodie vor sich hinsummend entledigte Sarah sich ihres Nachthemdes und ihrer Unterwäsche und tauchte dann probeweise ihren linken Fuß in das Wasser. Als sie die Wassertemperatur als passend empfand, ließ sie sich nun vollends in das heiße Nass sinken. Ein wohliger Seufzer erklang und drückte ihre Zufriedenheit aus. Nach ein paar Minuten des Entspannens, begann sie damit, ihre Haare zu waschen und sich mit den verschiedenen Lotions einzuseifen.

Nachdem sie das Shampoo aus ihren Haaren wieder ausgewaschen hatte, steckte sie diese mit ein paar Nadeln hoch und ließ sich noch ein paar Minuten von dem dampfenden Wasser wärmen. Dann nahm sie sich eines der weißen, flauschigen Handtücher und wickelte sich darin ein.

Sich noch vor ein paar Sekunden in der wohligen Wärme des Badezimmers befindend, trat sie nun aus diesem heraus, in das doch etwas kühlere Wohn-, beziehungsweise Schlafzimmer. Dort kniete sie sich vor ihren Beiden Koffern auf den Boden und wühlte nach etwas Geeignetem, das man zu dieser Jahreszeit hier tragen konnte, ohne gleich als modische Todsünde abgestempelt zu werden.

Nach einigem Hin und Her entschied sie sich schließlich für einen schwarzen, enganliegenden Rollkragenpullover, einen beigen Wollrock, zu dem ihre schwarzen Schnürstiefel hervorragend aussehen würden. Sie beglückwünschte sich noch einmal selbst und verschwand dann, zusammen mit der Kleidung, wieder im warmen Badezimmer, wo sie ihre Unterwäsche platziert hatte.

Kurze Zeit später vernahm man ein lautes Geräusch, das wohl dem Föhn zuzuordnen war.

So lobte man sich doch seine Arbeit, dachte Sarah, als sie wieder aus dem Badezimmer heraustrat und sich noch einmal durch die mittlerweile getrockneten Locken fuhr. Dem Geräusch, welches aus ihrer Magengegend herzukommen schien, nach zuurteilen, war es aber doch vielleicht einmal an der Zeit etwas Essbares zu sich zu nehmen. Aus eben diesem Grund schnappte sie sich ihren Zimmerschlüssel, ihre Handtasche mit Stift, Notizblock und etwas Geld und verließ ihr Zimmer. Kurzerhand beschloss sie einmal auf gut Glück an die Zimmertüre des Grafen zu klopfen. Vielleicht würde er sie ja zum Essen begleiten. - Leider jedoch stellte sich diese Annahme als Trugschluss heraus. Es öffnete niemand. Nun, dachte sie, vielleicht befand er sich ja auch unten in der Lobby des Hotels.

Doch auch in der Lobby, wie im gesamten übrigen Hotel keine Spur von ihm. Demzufolge beschloss die junge Frau einmal an der Rezeption nachzufragen.

"Der Herr Graf ist außer Haus.", gab ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann lächelnd zur Antwort und sah sie entschuldigend an.

"Warum? - Ich meine, wo ist er?", hakte sie nach. - Sollte der Kerl doch von ihr denken, dass sie seine Geliebte war, die er hatte sitzen lassen! Denn, so, wie sie seine Artikulationsweise auffasste, dachte er genau das!

"Er ist geschäftlich unterwegs." Nach diesen Worten klingelte eines der Telefone und zwang Sarah somit ihm vorerst keine weiteren Fragen zu stellen.

Gut, sagte sie sich, dann würde sie eben alleine etwas essen gehen.
 

Nachdem sie sich ihren warmen Cashmeremantel aus dem Zimmer geholt hatte, trat sie auch schon durch die Drehtür ins Freie hinaus. Sie raffte ihren Schal etwas enger um ihren Hals, um so der eisigen Luft den Zugang zu dem Bereich unter ihre Kleidungsschichten zu verwehren. - Allerdings hatte sie nur mäßigen Erfolg...

Tief einatmend sah sie sich in ihrem Umfeld um.

Die Sonne am Horizont verfärbte diesen orange-rot; ein sicheres Zeichen dafür, dass der morgige Tag recht kalt werden würde. In ein paar Minuten würde von der leuchtenten Lichtkugel nichts mehr zu sehen sein...

Irgendwie fühlte sie sich auf diesem Fleckchen Erde ins späte Mittelalter versetzt. Alle Häuser - teilweise waren es lediglich Hütten - waren aus Holz, mit Ausbahme ihres Hotels, und standen in Reih und Glied, sodass eine Art Straße zwischen ihnen entstand.

Hinter jenen Häusern befanden sich kleine Grundstücke, die in den wärmeren Monaten wohl dazu dienten Gemüse oder ähnliches anzupflanzen. Gerade, als sie sich besagte Gärten einmal näher ansehen wollte, legte sich eine Hand von hinten auf ihre Schulter. Erschrocken zuckte sie zusammen, drehte sich um und blickte direkt in ein Paar stahlgrauer Augen, die sie freundlich ansahen.

"Habe ich Sie erschreckt, Misses Harker?!", bat der junge Graf zu wissen und entfernte seine Hand wieder von ihr. Sie für ihren Teil atmete erleichtert die Luft aus, die sie unmerklich angehalten hatte.

"Ein wenig, ja.", lachte sie.

"Das lag nicht in meiner Absicht. Bitte entschuldigen Sie." Er verbeugte sich leicht und küsste ihre Hand, um seine Entschuldigung noch einmal zu unterstreichen.

"Ist schon gut.", erwiderte sie und errötete ob seiner Höflichkeit, die offenbar noch von einer sehr, sehr alten Schule herzustammen schien.

"Würden Sie mir dann jetzt eventuell die Ehre erweisen, mich zur Ausgrabungsstätte zu begleiten?" Ihren Hunger für den Augenblick völlig vergessend, nickte sie und ließ sich von ihm wieder zurück ins Hotel führen, auf dessen Dach bereits ein Helikopter bereitstand.

Dem Herren an der Rezeption schenkte sie jedoch zuerst einmal einen Blick, der sich gewaschen hatte, als sie bei Herbert untergehakt an ihm vorbeiging. Scheinbar hatte dieser Blick seine Wirkung nicht verfehlt und der Hotelbeamte fürchtete nun ernsthaft um seinen Job, da sie ihn nun in Teufelsküche bringen könnte, würde sie sich beim Grafen beschweren. Doch sie beschloss es lieber noch ein Weilchen zu genießen die Oberhand über diesen Mann zu haben.

Oben auf dem Dach des Hotels war es noch um einiges kälter. Der Wind wehte unerbittlich, was noch dazu von den Rotoren des Helikopters unterstützt wurde.

Herbert zog sie hinter sich her und half ihr - wieder einmal - galant dabei, in den Helikopter einzusteigen. Sie dankte es ihm mit einem lächelnden Kopfnicken.

Die nächsten Minuten verliefen schweigend. Unter anderem, weil man sowieso nur wenig, bis gar nichts hätte verstehen können, ob der lauten Rotorengeräusche. Schließlich landeten sie aber an gewünschtem Ziel und stiegen aus. Sarah traute sich nicht die noch immer währende Stille zu unterbrechen, da es momentan noch nicht so schien, als würde Herbert ihr Gehör schenken. Dieser schritt nämlich andächtig einatmend einen breiten Weg entlang, der früher wohl einmal zum großen Schlosstor geführt hatte. Schweigend lief sie hinter ihm her und blieb stehen, als er auf eine halb eingerissene Mauer zutrat und vorsichtig mit seinen Fingern über den eingerissenen Putz strich. Ein paar kleinere Steinchen fielen daraufhin zu Boden und ließen den Silberhaarigen aufseufzen. Plötzlich jedoch schien er sich wieder zu entsinnen, dass er ja keinesweges allein war, denn nun drehte er sich wieder um und lächelte die junge Frau entschuldigend an.

"Ich war in Gedanken."

"Ja. Das hat man gemerkt." Auch sie lächelte nun, allerdings eher mitfühlend. Sie sah sich bei Gelegenheit auch einmal auf dem großen freien Feld um, welches nur von Steinruinen und anderen Überresten gezeichnet war. In Gedanken musterte sie ihren Begleiter, dem dieser Ort wohl wirklich sehr am Herzen lag. Ein weiterer Grund für sie ihre Arbeit gut und gewissenhaft zu machen.

"Wo genau, Herr Graf, soll ich denn nun mit meiner Arbeit beginnen?", brach sie die, mittlerweile wieder eingetretene Stille.

"Ja, natürlich, Verzeihung." Er wandte sich wieder mitsamt seiner vollen Aufmerksamkeit an die junge Frau und führte sie in die Mitte der Ruinen.

"Meiner Intuition nach, müsste die Gruft direkt hier unter der Erde liegen." Sarahs Atem stockte.

"Die...die Gruft?!", wiederholte sie und sah ihn ungläubig an. "Aber warum denn in der Gruft?"

"Nun...", er dachte kurz nach. Immerhin konnte er ihr ja wohl schlecht erzählen, dass das, was er eigentlich suchte, sein seit bereits mehreren Jahrhunderten toter Vater war, der wahrscheinlich nur darauf wartete von ihm gefunden zu werden. "In diesem Teil des früheren Schlosses befanden sich die Familienschätze. Und eben diese gedenke ich mit Ihrer Hilfe, Misses Harker, zu heben.", antwortete er und klopfte sich innerlich selbst auf die Schulter ob seiner guten Ausrede, die sie ihm offenbar vollends abkaufte.

Sie nickte nachdenklich und drehte sich nochmals um ihre eigene Achse.

"Aber wie", sie drehte sich wieder zu ihm, "kam es eigentlich zum Einsturz des Schlosses?" Er seufzte gespielt verzweifelt, um erneut etwas Zeit für eine Ausrede zu schinden.

"Es... gab ein Erdbeben. - Wie ich aus Aufzeichnungen entnehmen konnte. Genaueres ist mir leider auch nicht bekannt.", erklärte er und hoffte wieder einmal, dass sie auch dieser Ausrede Glauben schenken würde.

Wieder nickte sie. Schien jedoch so einige Zweifel an dieser Aussage zu haben. Zumindest hatte sie noch nie von Erdbeben in dieser Region der Erde gehört. Weder befand sich hier ein Vulkan, noch war diese Gegend von den Verschiebungen der kontinetalen Erdplatten miteinbezogen.

"Sagen Sie mir nur, was Sie benötigen und ich werde es Ihnen zur Verfügung stellen.", sagte Herbert und unterbrach somit ihren Gedankengang. Sarah überlegte kurz.

"Ich benötige Gerüste, denn ich weiß noch nicht, wie tief unter der Erde die Gruft liegt. Und Mitarbeiter, Werkzeug; Spaten, Schaufeln, Haarpinsel, Schubkarren, Spitzhacken und so weiter." Alle Gegenstände zählte sie an den Fingern ab. Herbert nickte und signalisierte ihr somit, dass er sich alles gemerkt hatte.

"Wenn Sie gestatten, würde ich gerne gleich morgen mit der Arbeit beginnen."

Er war einverstanden.

"Aber jetzt...", sie lächelte verlegen, "würde ich gerne etwas essen..."



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  RoseVampireKero
2010-12-16T09:40:49+00:00 16.12.2010 10:40
Ich will auch mehr lesen =^-^= Ich will nämlich auch ne fanfic schreiben darüber wie tanz der vampire heutzutage aussehen könnte und hoffe du kannst mir vill. ein paar anregungen liefern =^-^=
Von:  Badewanne13
2010-11-01T20:16:19+00:00 01.11.2010 21:16
Hi,
ich find diese FF einfach toll..
Nein ich liebe sie.
Ich hoffe das du bald weiter schreibst...
Ich kann es schon gar nicht erwarten...

Lg,
Badewanne13
Von:  Durah
2009-11-03T16:27:10+00:00 03.11.2009 17:27
Hi erst mal
Ich find die FF richtig richtig toll bis jetzt
Bin gespannt wie es weiter geht
Bye bye
Von:  Tonja
2009-09-13T18:12:17+00:00 13.09.2009 20:12
Hi,
mir gefällt die FF sehr gut und ich bin gespannt, wie es so weiter gehen wird.
Ich werde sehnsüchtig auf das nächste Kapitel warten.
Bye Tonja


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