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Blutige Leidenschaft

TyKa/ Vampirstory
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Tadaa. Man braucht nur die richtige Motivation und schon schafft man ein Kapitel in der sich selbst vorgebenen Zeit. Ich selbst gehe nächste Woche endlich, nach drei Jahren, wieder in den Urlaub. Weil ich nicht will, dass ihr bis nach meinen Urlaub auf das nächste Kapitel warten müsst, habe ich es jetzt schon fertig gestellt. Es ist im Grunde recht gut geworden. Die Tala-Fans unter euch (ich hoffe doch, es gibt Tala-Fans), werden sich freuen.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung. Tadaa. Meine Fanfic wird am 26. Februar 5 Jahre alt. Ja, genau ich schreibe schon 5 Jahre an dieser Fanfic. Im Grunde, ist das nichts worauf ich wirklich stolz sein sollte, aber es hat mich selbst überrascht, dass ich schon so lange hieran schreibe. Vielleicht noch als kleiner Lacher für den Anfang. Eigentlich hatte ich die Geschichte, als Shortstory geplant. Tja, so spielt das Leben ^.^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das neue Kapitel ist da!!!!
Ich hoffe nur, es findet auch Anklang, denn dieses Mal steht unser lieber Ray im Mittelpunkt. In dieser Fanfic haben alle ihre eigene schockierende Vergangenheit und jetzt wird eben auch mal die von Ray enthüllt. Ich wünsche viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Fröhliche Weihnachten!
Ich habe gedacht, ich mache euch das neue Kapitel mal wieder zu einen schönen Weihnachtsgeschenk und habe mir die letzten Wochen Mühe gegeben, es auch rechtzeitig fertig zu kriegen. Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass ich mit diesen Kapitel zu Anfang noch Probleme hatten. Zuerst wusste ich nicht, wie ich anfangen soll und dann hatte ich Angst, es könnte zu kurz würden. Aber wann habe ich jemals Probleme damit gehabt ein Kapitel schön lang und ausführlich zu behandeln.

Also dann wünsche ich viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ich habe mich dieses Mal ein wenig verspätet. Das Kapitel hat sich wieder anders entwickelt als ich eigentlich wollte und ich habe mich lange gefragt, ob ich es nicht doch noch abändern soll. Aber schließlich fand ich, dass es so ganz gut ist und hier ist es auch gleich mal. Vielleicht für manche wieder langweilig, aber es gibt wieder einen Blick in die Vergangenheit und es wird auch wieder etwas über Brooklyn und Kai verraten. Viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal wieder pünktlich, hier das neue Kapitel. Es ist etwas länger geworden als beabsichtigt (ich schwöre, ich weiß nicht, warum mir das immer passiert), aber es beherbergt endlich mal wieder ein wenig Spannung. Ich wünsche dann viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Mal wieder ein großes Sorry. Dieses Mal bin ich einen ganzen Monat zu spät dran. Tja, wie kams: Anfang August war ich immer noch nicht fertig mit den Kapitel und dann war ich zwei Wochen im Urlaub. Ohne gescheiten Computer und Internet. Ich habe also schlichtweg zu spät daran gedacht mit den Kapitel zu beginnen. Okay, man muss auch sagen, dies war wieder eins der schweren Kapitel und ich tat mich mit dem Storyboard schon schwer. Aber nun ist es endlich vollbracht und ich bin auch ganz zufrieden damit. Auf jeden Fall dieses Mal wieder gehörig viel Action und endlich kommt Brooklyns Masterplan ans Licht. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, sorry, dieses Mal hat es wieder länger gedauert. Mal ganz davon abgesehen, dass ich so gut wie nie zu Hause bin, hat mich jetzt auch noch eine Krankheit lahm gelegt. Ich kann kaum sitzen und würde am liebsten den Ganzen Tag schlafen. Aber trotz allen habe ich mcih aufgerafft, um dieses Kapitle zu veröffentlichen.
Viel Spaß beim lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Tja, zwar einigermaßen pünktlich, dafür aber ein Minikapitel. Eigentilch hätte mir klar sein sollen, dass jetzt nicht mehr viel kommt, aber das ich wirklich ein Kapitel zustandebringe, dass weniger als 3000 Wörter umfasst hat selbst mich schockiert. Trotzdem finde ich das Kapitel ganz gut gelungen, da es die Story langsam zu Ende gehen lässt, natürlich folgt auch noch ein Epilog, aber jetzt erst mal viel Spaß mit diesen Kapitel. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So das letzte Kapitel. Ein bisschen traurig bin ich ja schon. 7 Jahre lang habe ich an dieser Fanfic geschrieben. Eine lange Zeit, aber es hat einfach Spaß gemacht und ich konnte immer gar nicht aufhören zu schreiben, wenn ich einmal angefangen habe. Und dabei war mir eigentlich immer klar, wie die Fanfic aussehen soll und endet. Im Grunde war alles von langer Hand geplant. Tja, auch sie hatte sich schließlich verselbständigt. Also, viel Spaß beim Epilog. Komplett anzeigen

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Prolog

Eigentlich wollte ich mich länger vom Fanficschreiben verabschieden, aber dann kam mir die Idee für diese Ff und ich konnte leider nicht wiederstehen sie aufzuschreiben. Der Prolog ist leider nicht so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte und ich weiß auch nicht, ob jemand Interesse an einer Vampir TyKa zeigt, aber wenn sie euch gefällt, dann schreckt nicht davor zurück mir auch ein Kommentar zu hinterlassen ^^
 

Prolog
 

Tyson ging gerade das Stück entlang, dass er bei seinen Nachhauseweg am wenigstens mochte. Es war das dunkelste und auch ruhigste Stück.

Warum musste die Bar, in der er arbeitete, auch im Zentrum der Stadt liegen und er am äußersten Ende der Stadt wohnen?! Wenn er nur die Nachmittag- und Frühabendschicht hatte, dann war es ja gar nicht so schlimm. Besonders im Sommer war dann immer noch helles Tageslicht bei seinen Heimweg. Aber heute war nun mal Freitag und Freitags übernahm er die Spätschicht, was bedeutete, dass er bis um 12Uhr Nachts arbeitete und jetzt durch finstere Gegenden laufen musste.
 

Jetzt kam das unangenehmste Stück, der gesamten Strecke. Ein verlassenes Industriegebiet. Er stand gerade noch zwischen den letzten Wohnhäusern, die auch schon den Anschein erweckten, als wohne niemand mehr darin und beschaute sich mal wieder den Weg der vor ihm lag. Er konnte auf zwei verschiedene Wege durch dieses Gebiet gehen. Entweder die verlassenen Fabriken mit ihren dreckigen Fenstern und Klinkersteinen entlang, oder durch die inzwischen geschlossenen Parkhäuser und leeren Höfe, wo sich nur noch Schrott in allen Größen und Formen ansammelte.
 

Am Anfang hatte Tyson noch gedacht, dass das entlang gehen, durch die Parkhäuser, reiner Selbstmord sei, weil sich dort drin bestimmt Typen versteckten, die gerade ihre Drogen einnahmen, oder nur darauf warteten, dass so ein dummer Junge wie er, alleine da durchgehen würde, nur um ausgeraubt zu werden. Aber obwohl er wirklich manchmal das Gefühl hatte, Geräusche wie Schritte oder Stimmen in den unendlichen Tiefen des Parkhauses zu hören, hatte er schnell lernen müssen, dass der Weg die Gebäude entlang, noch viel gefährlicher war.
 

Gleich in der ersten Nacht, die er diese Strecke laufen musste, wurde er von einer leichtbekleideten Frau angesprochen, die ihn über den Kopf streichelte und ein Dekollete bis zum Bauchnabel hatte. Von dieser Frau hatte er sich aber schnell wieder losgeeist und er hatte gehofft, dass dies die einzige Begegnung bleiben würde, aber nur ein paar Meter weiter, sprach ihn jemand aus einer Seitengasse an und wollte ihm wohl Drogen andrehen. Zumindest glaubte er das. Dieser unheimliche Typ, der selber aussah, als wäre er abhängig, wollte ihm was verkaufen, aber bevor er dies näher erläutern konnte, war er schon davon geflitzt. Seitdem bevorzugte er doch den Weg die Parkhäuser und Höfe entlang, welche nur erahnen ließen, was dort vor sich ging. Unwohl, war ihm aber immer noch dabei.
 

Dennoch, Tyson biss die Zähne zusammen, holte noch einmal tief Luft und setzte dann seinen Weg fort. Wenigstens gelangte er nach dem Industriegebiet, an eine Bushaltestelle, die ihn in seine Wohngegend fuhr. Und auch wenn es schon spät war, ein Nachtbus fuhr noch um diese Uhrzeit.
 

Nach dem ersten Hof, gelangte er an ein großes Parkhaus. Der Eingang, oder besser gesagt, dass was er als Eingang benutzte, war wohl früher mal die Einfahrt für die Autos gewesen. Das bisschen Licht, das Tyson im Inneren erhielt, kam durch die Laternen, die draußen entlang postiert waren, aber auch mit den bisschen Licht, war es hier dunkel und unheimlich. Die Abgrenzung nach draußen war nur eine kleine Mauer von ungefähr 1 Meter. Tyson musste gut 5 Minuten laufen, bis er das Ende des Parkhauses erreichte und es wieder durch die Ausfahrt verließ.
 

Heute fühlte sich Tyson bei dem durchqueren des Parkhauses besonders unwohl. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass noch jemand hier war. Er lauschte, aber konnte nicht mal die Geräusche von Schritten und Stimmen hören, die er sonst so oft wahrnahm. Es wirkte wie ausgestorben an diesen Ort.
 

In der Mitte seines Weges blieb Tyson plötzlich stehen und drehte sich um. Hinter ihm war niemand, er schaute nach rechts und er konnte auch dort niemanden sehen, genauso war es mit links. Draußen auf der Straße konnte er im Moment nur wenig erkennen.
 

Tyson wollte seinen Weg schon weiter gehen, als er fast einen Schock bekam, als er hinter sich Schritte hörte. Er drehte sich blitzschnell um, konnte aber niemanden sehen, aber er war sich ganz sicher, dass er gehört hatte, wie jemand gerannt war. Er starrte immer noch auf die leere Stelle als er plötzlich einen Schrei hörte, welcher aber schnell abstarb. Heute stimmte ganz gewiss etwas nicht.
 

Tyson suchte alles in seiner Sichtweite nach der Person ab, die eben aufgeschrieen hatte, aber er konnte niemanden in dem Dunkel erkennen und er wusste auch nicht genau, woher der Schrei gekommen war. Er merkte kaum, dass er sich inzwischen wieder bewegte, nämlich Rückwärts, weil er einfach nicht länger hier sein wollte.
 

Er hatte das Gefühl, er müsste nach der Person sehen, die eben geschrieen hatte, aber wie das anstellen, wenn er nicht mal wusste, woher der Schrei kam. War er von hinten gekommen oder von vorne? Von Innen oder von Außen?

Tyson suchte mit seinen Augen noch ein weiteres mal die Gegend ab, konnte aber nichts erkennen als unheimliches Dunkel, er lauschte auch, ob er noch Schreie oder sonst etwas hörte, aber es war wieder totenstill.
 

Mit einen noch schlechteren Gefühl im Magen als Zufuhr, drehte er sich wieder um und wollte nun endlich zu seiner Bushaltestelle gelangen, aber er war keine zwei Schritte gelaufen, da hörte er schon wieder hinter sich Schritte und wieder drehte er sich wie vom Blitz getroffen um, aber dieses mal konnte er im Dunkeln sogar noch erkennen, wie eine Person wegrannte.
 

„Hei“, schrie er der Person hinterher, aber anscheinend konnte der- oder diejenige ihn nicht hören, denn schon war sie im Dunkeln verschwunden.

In diesen Moment wünschte sich Tyson eine Taschenlampe herbei, mit der er das gesamte Gebiet durchleuchten könnte, nur um zu wissen, dass nicht noch mehr Leute hier rum rannten, die andere zum schreien brachten, oder ihn nicht hörten.

Er schluckte hart und entschloss sich nun endgültig diese Gefilde zu verlassen, aber das so schnell wie möglich und auch ohne sich ein weiteres mal ablenken zu lassen. Also ging er nicht weiter, sondern er rannte und zwar so schnell er konnte.
 

Er konnte schon die Bushaltestelle vor sich erkennen, als er plötzlich eine Bewegung neben sich wahrnahm, aber bevor er diese näher in Augenschein oder ignorieren konnte, erwischte es ihn schon unsanft an der Seite und er wurde zu Boden geworfen.

Er überschlug sich vielleicht zweimal und blieb dann völlig Schreckensstar auf den Rücken liegen und sah zu einer Person hoch, die über ihn kniete und ihn genauso erschrocken musterte.
 

Bei der Person handelte es sich um einen jungen Mann, der etwas älter als er zu sein schien. Seine Haare waren vorne grau und hinten Dunkelblau und seine Augen waren von einem anmutig schönen Rubinrot. Auf seinen Wangen hatte er jeweils zwei Dreiecke in einen dunklen blau.
 

Eigentlich hätte Tyson völlig in Panik sein müssen, weil er an so einen unheimlichen Ort von jemand wildfremden über den Haufen gerannt wurde, der auch noch jetzt auf ihn drauf saß, aber irgendwas in ihm sagte ihm, das er keine Angst haben musste. Stattdessen verlor er sich in den Augen, des Mannes über ihn.

„Ähm, Entschuldigung“, sagte auf einmal der Junge und stieg von ihm runter. Er streckte Tyson sogar die Hand aus, um ihn hoch zu helfen.
 

Nun konnte Tyson auch den Rest seines Angreifers sehen. Der Junge war groß und gut gebaut. Er trug lila Hosen, ein dazupassendes Lila Top und einen Mantel in der gleichen Farbe, mit roten Riemen am Kragen.
 

„Du solltest um diese Uhrzeit nicht hier rumlaufen“, sagte der Junge auf einmal im groben Ton. Von dem schüchternen, mit dem er sich eben noch entschuldigt hatte, war nichts mehr übrig geblieben. „Du siehst weder aus wie ein Drogendealer, noch wie ein Stricher. Was machst du hier?“

„Ich will nur zur Bushaltestelle“, sagte Tyson trotzig, dem der arrogante Tonfall auf die Nerven ging. „Denkst du vielleicht, ich laufe hier zum Spaß entlang?“
 

Der Graublauhaarige gab nur ein abfälliges „Hm“ von sich und musterte Tyson mit einer Art überheblicher Arroganz.

„Hast du zufällig einen Mann mit langen schwarzen Haaren hier vorbeilaufen sehen?“

„Ich habe vorhin jemanden dort entlang laufen sehen“, sagte Tyson und zeigte in die Richtung, in die er die Person hatte rennen sehen.
 

Der Junge schaute skeptisch in die Richtung. Tyson hatte keine Lust sich länger mit Lord Arroganz herumzuschlagen und entschloss sich, ihn einfach stehen zu lassen und weiter zu gehen. Was er nicht bemerkte war, dass ihn der Junge noch einen Augenblick hinter hersah, bevor er in die Entgegengesetzte Richtung davon rannte.
 

Den restlichen Weg bis zur Haltestelle ging Tyson gemächlich. Von der Angst, die er noch ein paar Minuten zuvor gespürt hatte, war nichts mehr übrig.

Unverhofftes Wiedersehen

Kai klopfte drei mal an die Tür, musste einen Moment warten, dann hörte er das verschieben der Kette und schließlich das Klicken des Schlosses und die Tür wurde geöffnet.
 

„Man könnte dich fast für paranoid halten“, sagte Kai und trat durch die Türe ein.

„Es könnte ja ein Blutsauger vor der Tür stehen“, scherzte der andere und verschloss die Türe wieder vorsorglich.

Kai drehte sich zu seinen Freund um, der schwarze lange Haare hatte, welche er in einen Tuch zusammengebunden hatte und ihn bis zu den Knien reichten. Seine Augen waren von einem ungewöhnlichen Goldton.
 

„Wo warst du?“, wollte Ray nun wissen und ging zu einem Tisch auf der gegenüberliegenden Seite es Zimmers. Anscheinend war er gerade dabei seine Waffen zu reinigen, denn neben einer handlichen Sichel lag ein in alkoholgetränktes Tuch.

„Mir ist bei der Jagd ein Junge begegnet. Ich bin zu der Stelle, wo ich ihn getroffen habe zurückgelaufen, nur um sicherzugehen, dass er weggekommen ist.“

„Ein Stricher?“, fragte Ray und fing wieder an seine Sichel mit dem Tuch zu reinigen.
 

„Ich glaube, nur jemand der auf den Weg nach Hause merkwürdige Gegenden durchquert“, erklärte Kai und setzte sich in ein durchgesessenes Sofa.

„Und warum interessierst du dich dafür? Es war doch nur einer entkommen.“

Kai hatte keine Lust auf dieses Frage und Antwort Spiel und ließ die Antwort deswegen aus. Ray sah ihn zwar verwundert an, aber er wusste auch, dass er ewig warten könnte. Deswegen nahm er sich einfach seine nächste zu reinigende Waffe und wischte sie mit dem Tuch ab.
 

„Auf jeden Fall“, begann er dann wieder zu sprechen, während er kontrollierte ob auch alle Blutspuren weggewischt waren, „haben wir diese Bande nun endlich erwischt. Wenn es etwas gibt, dass ich mehr hasse als Blutsauger, dann sind es Blutsauger mit Hirn.“
 

„War nicht dumm von ihnen, nur Huren und Drogenjunkies zu nehmen, die sowieso keiner vermisst“, meinte Kai und nahm sich die Tasse die auf den kleinen Tischchen vor der Couch stand. Er warf einen prüfenden Blick auf das Getränk, roch kurz daran und trank es schließlich.
 

Ray rümpfte darüber nur die Nase.

„Mach dir gefälligst selber einen Kaffee“, meckerte er und steckte die saubere Sichel und den gereinigten Dolch, in ein ledernes Geschirr welches an der Garderobe hing.
 

„Ach, und übrigens“, sagte Ray, während er in ein Nebenzimmer ging, die Küche, und sich anscheinend einen neuen Kaffee holte. „Sag Tala, er kann das nächste Mal gefälligst mithelfen bei der Jagd. Der Letzte wäre uns nicht entkommen, wenn wir zu dritt gewesen wären. Es war ein Glück, dass der Kerl niemanden mehr erwischt hatte. Er hat nur eine der Prostituierten erschreckt.“

„Sag es, Tala selber! Was kann ich denn dafür, dass er faul ist“, bemerkte Kai gleichgültig und trank weiter seinen Kaffee, während er sich in der Wohnung umschaute.
 

Ray lebte schon seit zwei Jahren in dieser Bruchbude und es sah immer noch so aus, als wäre er gerade beim ein- oder ausziehen. Alte Möbel, die irgendwo in den Raum gestellt waren, ein abgelaufener Fußboden und Wände von denen sich schon langsam die Tapete ablöste. Die gefährlichen Waffen und Amulette mit merkwürdigen Zeichen, gaben dem ganzen dann noch einen gewissen Touch von Satanismus.
 

Kai hatte es schon lange aufgegeben, Ray davon zu überzeugen, diese Bruchbude endlich zu verlassen. Was Besseres konnte sich sein Freund aber nicht leisten und er war viel zu sehr mit seinen Job beschäftigt, um sich mal richtig um dieses verloderte Heim zu kümmern.
 

Mit einer neuen Tasse Kaffee kam Ray wieder aus der Küche. Er hatte auch ein Glas für Kai mitgebracht, mit seinen benötigten Getränk. Kai nahm das Glas entgegen, nippte aber nur daran und stellte es dann gleich wieder auf den Tisch ab. Er war in Gedanken. Ray setzte sich neben ihn und beschaute ihn interessiert.

„Der Junge“, begann Kai, nach einer kurzen Zeit der Stille, „ich bin mit ihm zusammengeknallt und dabei hat er etwas verloren.“ Er langte in die Tasche an seinen dunkellilanen Mantel und holte ein kleines schwarzes Buch hervor. „Scheint ein Terminkalender zu sein.“
 

„Und was willst du jetzt damit?“, fragte Ray und nahm Kai den kleinen Kalender ab und durchblätterte ihn.

An ein paar Tagen waren Termine eingetragen, aber meistens konnte er eine Zeit ablesen und dahinter stand „Bar“.

„Es ist mir eben aufgefallen, dass er es anscheinend verloren hat. Ich kann wohl kaum etwas damit anfangen.“
 

Ray schaute sich nun die letzten Seiten des Kalenders an, die aus Adressen bestanden. Unter dem Buchstaben „M“ fand er den Namen „Moonlight Bar“.

„Anscheinend geht er heute um 16 Uhr in eine Bar“, bemerkte Ray und gab Kai das Buch zurück. „Die Adresse steht auch drin, du könntest ihm das Buch also zurückbringen.“
 

„Das habe ich mir auch schon überlegt“, nuschelte Kai und sah zur Seite.

Ray schien auf einmal verblüfft und starrte Kai verwundert an. „Das eben war ein Scherz!“
 

Kai schien die Worte nicht zu hören, er starrte weiter zur Seite. Er fragte sich selbst, warum er diesen Jungen, den er nur einmal kurz getroffen hatte, seinen blöden Kalender zurückbringen wollte. Der Junge war ihn in den Weg gelaufen, hatte dafür gesorgt, dass er unbequeme Bekanntschaft mit dem Boden machte und hat ihn bei der Jagd behindert. Aber irgendetwas an ihn hatte Kai in den Bann gezogen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Er hatte sich sogar bei den Jungen entschuldigt. Das war ihn noch nie passiert. Normalerweise pöbelte er Leute an, die seiner Meinung nach, schon zu nah an ihn vorbeiliefen. Kai schloss die Augen und versuchte sich das Gesicht des Jungen in seine Erinnerung zurückzurufen. Wunderschöne Schokobraune Augen, umrahmt von Nachtblauen Haar und Gesichtszüge, die noch nicht all ihre Jugendlichkeit eingebüsst hatten. Er wollte ihn wieder sehen. Sein gesamter Geist verlangte danach. So etwas hatte er noch nie gefühlt. Nicht in den über 150 Jahren, in denen er schon auf dieser Erde verweilte.
 

**^^**
 

Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich durch die geschlossenen Jalousien und versuchten Tyson zum Aufstehen zu verführen. Aber dieser drehte sich einfach auf die andere Seite und kniff die Augen zusammen um weiter schlafen zu können.

Er war schon fast dabei wieder in einen tiefen Schlaf zu fallen, als es auch noch an der Tür klingelte. Er öffnete eins seiner zusammengekniffen Augen, um auf die Leuchtzahlen des Weckers sehen zu können.
 

11 Uhr war eigentlich eine humane Zeit zum aufstehen, aber er war immer noch Todmüde. Er war erst kurz nach 1 Uhr zu Hause angekommen und wann er endlich in den Schlaf gesunken war, dass weiß er schon gar nicht mehr. Er wusste noch, dass er wach war, als er auf seinen Wecker sah und dieser 5 Uhr ankündigte. Und er weiß, dass er danach noch lange wach gelegen war. Bestimmt war er erst vor ein, zwei Stunden eingeschlafen. Er könnte das einmalige Klingeln ignorieren und hoffen, dass es nichts Wichtiges war. Seine Hoffnungen wurden aber nicht erhört und es klingelte noch einmal an der Tür und dieses mal durchdringend. Es musste also wichtig sein.
 

Tyson schmiss seine Decke förmlich von seinen Körper und setzte sich in seinen Bett auf. Er strich sich durch die verwuschelten Haare und versucht durch seine müden Augen zu sehen.
 

Nachdem er sich gesammelt hatte, stieg er aus dem Bett, ging aus seinen Zimmer raus und den Gang entlang zur Tür. Als er diese öffnete sah er zuerst eine Tüte Brötchen, die dann aber ein paar Zentimeter nach unten wanderte und nun blonde Haare und ein von Sommersprossen umrahmtes Gesicht freigab, das mit einen Lächeln verziert war.
 

„Habe ich mir doch halber Gedacht, dass ich dich aus den Federn klingle“, sagte Max. Er betrat ohne weitere Worte das Haus und ging zielstrebig in die Küche. Tyson der aber, weil er gerade erst geweckt worden war, noch ziemlich langsam war, schloss erst nach ein paar verstrichenen Sekunden wieder die Tür und schlurfte ebenfalls zur Küche. Max hatte schon längst einen Brotkorb aus dem Regal geholt und die Brötchen rein getan. Nun machte er sich an den Tee zu schaffen, indem er heißes Wasser in einen Kessel füllte.
 

„Geh erst mal ins Bad“, sagte er zu dem in der Tür stehenden Tyson. „Du siehst ja noch aus, wie ein Untoter.“

Nur gähnend und nichts weiter sagend, schleifte sich Tyson also ins Badezimmer, danach in sein Zimmer und kam nach einer Viertelstunde, schließlich gewaschen und angezogen, in die Küche zurück. Er fühlte sich zwar immer noch gerädert, aber das Waschen mit kaltem Wasser hatte ihn aus dem Tiefschlaf geholt.
 

Max war gerade damit fertig geworden den Tisch zu decken und setzte sich nun, da Tyson endlich auch da war, auf einen Stuhl. Tyson setzte sich ihm gegenüber und schenkte sich erstmal Tee ein. Dann nahm er sich eins der frischen Brötchen und überlegte, mit was er es belegen sollte.
 

„11 Uhr ist selbst für dich eine späte Zeit zum aufstehen“, bemerkte Max, während er sein Brötchen mit Butter und Marmelade bestrich.

„Ich konnte lange nicht einschlafen“, erwiderte Tyson und langte ebenfalls nach der Butter. „Ich hatte gestern einen echt unheimlichen nach Hause weg.“
 

Sofort veränderte sich Max’ lieber Gesichtsausdruck zu einen verärgerten.

„Du läufst doch nicht immer noch durch dieses alte Industriegebiet?“, fragte er wütend und taktierte Tyson mit seinen Augen. Dieser streckte ihn nur die Zunge raus und biss ein Stück von seinen Brötchen ab.

„Nur weil du ein Angsthase bist, lauf ich doch nicht den längeren Weg durch den Park.“
 

Tyson konnte auch auf anderen Wege von der Bar nach Hause kommen, aber das würde bedeuten, er müsste durch einen Park laufen und das wäre ein Umweg von einer halben Stunde mehr, weil sich dort kein Bus befand, der zu ihm in die Gegend fuhr. Max hatte ihn schon öfter gebeten, doch diesen Weg zu gehen, anstatt immer durch das verlassene Industriegebiet zu laufen, aber Tyson bekam dann immer ganz taube Ohren. Und auch jetzt stellte er auf stur, indem er einfach eine Schnute zog und woanders hinschaute, während Max sich wieder darüber aufregte, dass er anscheinend Selbstmordsüchtig sei.
 

„Ich habe keine Lust, irgendwann deine Leiche identifizieren zu müssen, weil du von irgendeinen geistesgestörten Killer umgebracht wurdest“, regte er sich auf.

Tyson zog nur weiter eine Schnute und biss von seinen Brötchen ab. Musste er sich das wirklich wieder antun.

„Bisher ist mir dort doch überhaupt nichts passiert“, meinte er beleidigt.

„Noch nicht!“
 

Tyson verschlang die Reste von seinem Brot und hörte dann auf mit Schmollen um Max tief in die Augen zu sehen.

„Es war gestern nur mehr los als sonst. Zwei Typen, welche in der Gegend herumrannten und ein Kerl, der mich über den Haufen gerannt hatte. Sonst ist nichts passiert.“

„Über den Haufen gerannt“, wiederholte Max höhnisch. „Er hätte auch ein Killer oder Vergewaltiger sein können.“
 

Tyson war schon wieder fast dabei wegzuhören, weil Max bestimmt in eine seiner Predigen verfallen würde, aber diesem schob er gleich mal einen Riegel vor.

„Er schien auch nur jemand zu sein, der nicht in diese Gegend gehörte“, sagte er zu Max. „Zumindest hat er mich auch ziemlich blöd angemacht, weil ich dort war. Er hat irgendjemanden gesucht oder so.“
 

Max schien nachdenklich. „Und warum konntest du dann die ganze Nacht nicht schlafen, wenn es doch so harmlos war.“

„Weißt du, dieser Junge“, begann Tyson und bekam plötzlich einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen. „Irgendwie geht er mir nicht mehr aus dem Kopf und das obwohl er total arrogant, eingebildet und pöbelhaft war.“

„Hattest du mit ihm eine längere Unterhalt, oder woher weißt du das alles über ihn?“
 

„Pah“, machte Tyson und verschränkte die Arme vor der Brust, „ich erkenne so was schon nach ein paar Sekunden. Ich besitze eine gute Menschenkenntnis.“

Max’ Lippen formten ein schräges Lächeln. Tyson und Menschenkenntnis waren einfach zwei unvereinbare Dinge.

„Auf jeden Fall“, meinte Max, „solltest du nicht mehr durch dieses Gebiet gehen, auch wenn es gestern noch mal gut gegangen ist. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass dort Leute verschwunden sind.“
 

„Davon habe ich nichts gehört“, sagte Tyson und nippte wieder an seinen Tee.

„Dem wurde auch kaum Aufmerksamkeit geschenkt, weil es sich hauptsächlich um Prostituierte und Drogensüchtige gehandelt hat. War nur ein kleiner Abschnitt in den Lokalnachrichten gewesen“, saget Max und zeigte mit zwei Fingern die Größe des Abschnitts an. Tyson seufzte schließlich resigniert.

„Wenn es dich glücklich macht, dann nehme ich heute eben mal den Weg durch den Park.“
 

Max lächelte sofort zufrieden und nahm sich noch ein Brötchen, aber Tyson schaute traurig in seinen Tee. Die Zeit die er länger nach Hause brauchte, würde er schon überstehen, aber im innersten wünschte er sich, doch noch mal zu dem Industriegebiet zurückzukehren. Nur um diesen Jungen Mann vielleicht noch mal zu treffen.
 

**^^**
 

Um ungefähr 16:30Uhr stand Kai vor einem Gebäude an dessen Vorderseite, in Höhe der Tür, der Name „Moonlight“ stand. Er überprüfte den Namen und die Adresse noch Mal mit denen im Taschenkalender. Alles stimmte.
 

Nur fragte sich Kai, warum 16Uhr als Uhrzeit eingetragen war. Auf einen Schild neben der Tür standen die Öffnungszeiten und laut diesen machte die Bar erst um 17Uhr auf. Es stand auch niemand draußen, so das man denken konnte, ab 16Uhr würde man anstehen müssen um rein zu kommen. Dies war zwar der Innenstadtteil, aber da es Samstag war und schon etwas später, war auch der Betrieb hier nicht mehr so hoch.
 

Inzwischen hatte Kai auch herausgefunden, dass der Junge, den er über den Haufen gerannt hatte, Tyson Kinomiya hieß. Das stand gleich auf der ersten Seite des Kalenders. Allerdings hatte der Junge, weder seine Adresse noch seine Telefon- oder Handynummer rein geschrieben. Anscheinend war ihm der Kalender nicht so wichtig.
 

Dennoch. Kai straffte die Schultern und ging auf die Eingangstür zu. Verwunderlicherweise war sie nicht abgeschlossen, obwohl der Betrieb doch erst in einer halben Stunde beginnen sollte. Er hätte auch draußen warten können, bis dieser offiziell anfing, aber Kai hatte keine Lust, eine weitere halbe Stunde wie ein Presser vor der Tür stehen zu müssen. Er hatte sich sogar extra Zeit gelassen um nicht um Punkte 16Uhr, vor der Tür stehen zu müssen, um vielleicht vor den Jungen da zu sein.
 

Durch die Tür betrat Kai einen kleinen Flur, der rechts eine Garderobe hatte. Allerdings war diese nicht belegt. Er hatte sowieso nur seinen Mantel dabei, den er nicht ablegen wollte. Nach der Garderobe kam noch eine Tür, durch welcher er jetzt ging und nun die Bar betrat. Die Bar stellte sich als großer Raum mit vielen Abschnitten heraus.
 

Ganz links war eine lange Theke, mit Barhockern und hinter der Theke war eine beleuchtete Glaswand, die anscheinend jede Art von Getränken enthielt, die man sich vorstellen konnte. In der Mitte des Raums standen viele Tische mit Stühlen und etwas weiter rechts hohe Tische ohne Stühle. Weiter vorne war dann die Tanzfläche und dahinter war eine kleine Bühne.
 

Im Raum waren nicht viele Leute anwesend. Ein junger Mann wischte geraden den Tanzbereich, ein anderer kümmerte sich um die Tische und ein weiterer, etwas älter wirkender Kerl, wischte den Tresen, beachtete Kai dabei aber mit bösen Blicken. Er war wohl hier der Chef und wusste, dass Kai keiner von seinen Jungs war. Weil er ihm vielleicht Auskunft geben könnte, bewegte sich Kai zur Bar und hockte sich auf den Barhocker gegenüber von dem Mann hinterm Tresen.

„Wir öffnen erst in einer halben Stunde“, sagte der Mann etwas bissig und pausierte mit seiner Wischtätigkeit.
 

„Ich will hier auch nicht abfeiern“, sagte Kai kalt, „ich suche einen Jungen. Sein Name ist Tyson Kinomiya und er hat langes blaues Haar.“

„Und was willst du von ihm?“, fragte der Mann wieder mürrischer und musterte Kai jetzt sehr misstrauisch.

„Kennen sie ihn oder nicht?“, sagte Kai mit einer gewissen Arroganz. Sich vor so einen Kerl rechtfertigen zu müssen gefiel ihm nicht.

Der Mann starrte Kai noch einen Moment feindselig an, wohl in der Hoffnung ihn einschüchtern zu können, doch Kai gab keinen Millimeter nach.
 

„Tyson! Da will einer was von dir!“, rief dann der Mann in Richtung einer Tür, die sich am Ende des Tresen befand und ein paar Sekunden später, trat aus dieser Tür der Blauhaarige Junge hervor und sah seinen Chef fragend an. Dieser zeigte nur mit einem Finger auf Kai und ging nun seinerseits in den Raum am Ende des Tresens.
 

Tyson sah seinen Chef verwundert hinterher und schaute dann wieder auf Kai. Zuerst schien er sich zu fragen, wer das war, aber dann schien seine Erinnerung zurück zu kommen und mit einem genervten Gesichtsausdruck näherte er sich Kai.

„Wenn das mal nicht der arrogante Kerl von gestern ist.“ Tyson stützte seine Ellenbogen auf den Tresen ab und legte seinen Kopf auf seine gefalteten Hände, dann sah er mit einem scheinheiligen Blick zu Kai.

Kai sah auf Tyson herab und für eine kurze Sekunde hegte er den Gedanken einfach wieder zu gehen, aber dann sah er in diese Augen und sie faszinierte ihn wie am Tag zuvor. Trotzdem fackelte Kai nicht lange, langte in seine Tasche und hielt Tyson seinen Kalender unter die Nase.
 

„Den hast du gestern verloren“, meinte er.

Tyson stutzte und nahm Kai den Kalender ab. Diesen musterte er dann und blätterte im Kalender, um anscheinend zu überprüfen, ob es auch seiner war. Dann stutzte er wieder.

„Mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass ich ihn verloren habe“, sagte Tyson auf einmal mit überraschter Miene und lächelte dann entschuldigend zu Kai. „Du bist extra hier her gekommen um ihn mir zu bringen“, dabei hielt er den Kalender hoch.
 

Kai gab aber nur ein „Hm“ von sich und schaute in eine andere Richtung. Eigentlich war dies ja nicht seine Art.

Immer noch freudestrahlend legte Tyson den Kalender unter den Tresen ab und sah wieder zu Kai, aber der wusste gerade nicht, warum er sich nicht sofort aus den Staub machen sollte. Er hatte den Kalender zurück gebracht, so wie er es wollte, was hielt ihn also noch hier. Aber Tyson sah ihn irgendwie erwartungsvoll an und er konnte diesen Blick nicht widerstehen.
 

„Du arbeitest hier?“, stellte Kai die Frage und sah sich noch mal im Raum um. Diese Schlussfolgerung war nicht schwer gewesen.

„Dreimal in der Woche“, erklärte Tyson. „Willst du was trinken? Geht auf mich, weil du mir den Kalender zurückgebracht hast. Ohne den bin ich nämlich aufgeschmissen.“
 

„Was kannst du mir denn anbieten?“, fragte Kai desinteressiert und sah sich weiter im Raum um, aber nur damit Tyson nicht auffiel, das er eigentlich immer versuchte in seinen Augen zu schauen. Diese wunderschönen braunen Augen hatten es ihm angetan. Sie strahlten so eine Wärme und Lebenslust aus.

„Alles was du willst.“

„Dann hätte ich gerne einen Tequila.“

„Den mach ich“, sagte der Chef, der wieder aufgetaucht war und ein Tablett mit Windlichtern auf den Tresen abstellte. „Du kannst währenddessen mal die Windlichter verteilen“, sagte er an Tyson gewandt und dieser nahm sofort das Tablett und huschte davon. Der Chef nahm sich die benötigten Flaschen aus dem Regal und begann zu mischen.
 

„Eigentlich sollte ich dich rausschmeißen“, sagte er zu Kai, während er den Alkohol abschätzte. „Aber es ist ein Wunder, dass Tyson ohne seinen Kalender überhaupt wusste, dass er heute arbeiten muss, obwohl ich es ihm gestern extra eingeschärft habe.“
 

Plötzlich hörten sie hinter sich ein Rumpeln und sahen wie Tyson sich und das Tablett gerade noch halten konnte. Anscheinend war er über einen Stuhl gestolpert. Entschuldigend winkte er zu seinen Chef und begann weiter die Teelichter zu verteilen.
 

„Der Junge ist eine echte Katastrophe. Ein Schussel wie er im Buche steht. Seit dem er für mich arbeitet, hat sich der Bestand meiner Gläser halbiert. Aber es ist verdammt schwer heutzutage so motivierte junge Männer zu finden.“

Kai hörte nur mit einen Ohr zu. Er schaute lieber zu Tyson, der seiner Arbeit nachging. Er wurde erst aus seinen Gedanken geholt, als der Chef ihn seinen Tequila vor ihn hinstellte.
 

„Mit den besten Empfehlungen vom Chef“, sagte er und schaute Kai tief in die Augen, dann nahm er wieder den Lappen von vorhin auf und fing wieder an, den Tresen zu wischen.
 

Kai kostete an den Tequila und musste zugeben, dass er gut schmeckte, auch wenn es nicht sein bevorzugtes Getränk war. Während er trank, schaute er immer wieder zu Tyson. Nachdem er alle Teelichter verteilt hatte ging er zu dem Jungen, der vorhin noch den Boden gewischt hatte und unterhielt sich mit ihm. Er gestikulierte immer zur Bar und zur Tür, die zur Garderobe führte. Der andere Junge verzog das Gesicht hin und wieder, schien auch etwas zu fragen, aber die meiste Zeit sprach Tyson und sah den Jungen bittend an. Irgendwann seufzte dann der Junge und Tyson bekam ein siegreiches Lächeln auf die Lippen. Dann kam er zur Bar zurück. Kai wendete sich sofort wieder seinen Tequila zu, damit Tyson nicht erkannte das er ihn beobachtet hatte.
 

„Ich habe getauscht, Chef“, sagte Tyson und stellte das nun leere Tablett ab. „Ich übernehme heute die Bar und Shuichi geht dafür an die Garderobe.“

„Meine Gläser“, murrte der Chef, aber polierte weiterhin ein Glas.

„Ich hasse die Garderobe“, sagte Tyson an Kai gewand, „da ist es immer am langweiligsten.“
 

Kai tat so, als würde er Tyson nicht hören und trank die letzten Schlücke aus seinem Glas. Tyson zog daraufhin nur eine Schnute und nahm Kai das Glas ab um es gleich zu spülen.

„Wir öffnen gleich. Vielleicht solltest du jetzt gehen“, meinte Tyson mürrisch, während er das Glas in einer Spüle unter dem Tresen ausschwenkte.

„Warum? Mir gefällt es hier“, meinte Kai und machte es sich auf den Barhocker gemütlich. „Ist schon eine Weile her, dass ich mich amüsiert habe und bestimmt kommen hier auch ein paar Sahneschnittchen rein.“

Tyson sah peinlich berührt aus. Kai verstand zuerst nicht, warum er so reagierte und das musste ihm auch anzusehen sein, denn Tyson beugte sich verschwörerisch zu ihm vor.
 

„Das hier ist eine Männerbar“, sagte er leise zu Kai.

Doch Kai grinste nur. „Das weiß ich.“

Nun war es an Tyson verdutzt zu schauen und er wendete sich ab, weil er rot um die Nasenspitze geworden war. Doch Kai grinste nun noch breiter. Hatte er den Jungen also richtig eingeschätzt und es gefiel ihm, dass er ihn verschreckt hatte.
 

**^^**
 

Später war dann voller Betrieb in der Bar und Tyson hatte alle Hände voll zu tun, um seine Kundschaft zufrieden zu stellen. Biere, Cocktails, harter Alkohol, aber auch Softdrinks und Mineralwasser schob er nun über den Tresen den Kunden zu.
 

Die Kunden der Bar waren hauptsächlich Jugendlichen und Mitzwanziger. Studenten wie er, die ihr Wochenende genossen, bevor es am Montag wieder mit dem Stress losging.
 

Ob Kai auch Student war, wusste er nicht. Das er überhaupt seinen Namen wusste, war schon ein Fortschritt in der Kommunikation der beiden gewesen. Nachdem sich Kai sozusagen geoutet hatte, war Tyson erstmal zu schüchtern gewesen um weiter nachzufragen, aber nachdem die ersten Gäste eintrudelten und Kai immer noch am Tresen und somit an seinen Arbeitsplatz saß, hatte Tyson dann doch die Neugier überkommen und er hatte sich nach ihm erkundigt. Er hatte auch nach anderen Dingen gefragt, wie Kais Beschäftigung zurzeit oder wo er herkam, aber nachdem er seinen Namen „Kai Hiwatari“ genannt hatte, war er auf einmal verstummt und hatte jede weitere Frage von Tyson ignoriert.
 

Ein wenig ärgerte dies Tyson schon. Er war es nicht gewöhnt ignoriert zu werden, weil er es normalerweise mit seiner Art schaffte, dass man irgendwann nachgab und ihn dann doch beachtete. Aber Kai war wirklich ein Eisklotz.
 

Mit der Zeit wurde Tysons Unmut auch größer, weil Kai gegenüber fremden Männern doch einen gewissen Flirtfaktor zeigte. Typen die nur enge Tanktops und noch engere Hosen trugen, setzten sich neben Kai an die Bar, bestellten sich bei Tyson einen Drink und versuchten dann mit Kai ins Gespräch zu kommen. Zuerst hatte Tyson gedacht, dass diese Typen mit einen Hauch von Nichts an sich, keine Chance bei Kai hätten und er sie genauso abblitzen lassen würde wie ihn. Aber im Gegenteil. Kai schien sich, wenn auch nur mit knappen Sätzen, sehr gerne mit diesen Männerschlampen zu unterhalten. Er lächelte dabei zwar nicht, aber immer wieder zeigte er ein Grinsen oder ein sehr schiefes lächeln, was die jungen Männer noch mehr anzog.
 

Tyson fühlte immer wieder die Eifersucht in sich aufsteigen, wenn Kai eindeutige Zeichen in die Richtung dieser Jungs machte. Ihm gegenüber war er nur arrogant und kalt gewesen, aber nun schien er zu einem heißen Liebhaber zu mutieren. Vor lauter unterdrückter Wut hatte Tyson auch schon aus versehen ein Glas zerbrochen, als er es zu kraftvoll auf den Tresen abgestellt hatte.
 

Allerdings fiel ihm auch auf, dass Kai, selbst wenn er bei einen der Jungen schon so weit gekommen war, dass sich dieser sofort von Kai hätte abschleppen lassen, Kai einen Rückzieher machte. Wurde er auf die Tanzfläche gebeten, lehnte er ab, wurde er an einen etwas ruhigeren Tisch gebeten, meinte er, ihm gefiele es an der Bar besser, und als einer sogar fragte, ob Kai mit ihm gehen würde (wohin war ja wohl klar), verneinte Kai das effektiv.
 

Er schien niemanden näher an sich ranzulassen, als neben ihn auf diesen Barhocker. So hatte er schon 4 Jungen das Herz gebrochen und diese sozusagen verscheucht.

Aber es dauerte nie lange, bis der nächste auf den Hocker saß und sich an Kai ranschmiss.
 

Wenn er nicht arbeiten müsste, dann wäre Tyson bestimmt auch schon auf diesen Barhocker gesessen und hätte angefangen mit diesen Adonis von einem Mann zu flirten. Kai sah einfach unverschämt gut aus, in Tysons Augen. Der Ausschnitt von Kais Top ließ einen kleinen Einblick auf seine Muskulöse Brust zu und auch wenn er den Mantel bisher immer noch nicht abgelegt hatte, vermutete Tyson darunter kräftige Arme. Und schon allein Kais Gesicht ließ einen Mann nur so schwärmen. Ebenmäßige Gesichtszüge, rubinrote Augen und auch wenn es etwas verspielt war, diese dunkelblauen Dreiecke auf beiden Seiten der Wange. Nicht zu vergessen, die Haare die widerspenstig wirkten und doch dazu veranlassten in Tyson den Wunsch zu entfachen, durch sie zu fahren und sich sogar darin zu verkrampfen.
 

Kai war einfach ein junger Mann, der durch seine Coolheit und Heimlichkeit beeindruckte.

Getrunken hatte Kai bisher noch nicht sehr viel. Nach dem Tequila hatte nur noch einen Wodka bestellt und hatte sich danach an Mineralwasser gehalten. Entweder gehörte er nicht zu den großen Trinkern, oder er hatte heute noch etwas vor. Aber was sollte einer, der schon 4 Männer verschmäht hatte, schon groß vorhaben.
 

„Tyson“, gerade trat der Chef an Tyson heran, der sich mit dem Mixen eines Cocktails beschäftigte. „Du kannst für heute Schluss machen, ich übernehme die Bar.“

Tyson schaute auf seine Uhr und stellte fest, dass es bereits schon 22 Uhr war.

„Eigentlich ist es doch noch gar nicht so spät“, meinte Tyson und lächelte zu seinen Chef empor.

„Du hast mir doch gestern erzählt, dass du am Sonntag noch für eine Hausarbeit arbeiten musst. Da ist es doch am besten, wenn du heute nicht so viel arbeitest um morgen früh aus den Federn zu kommen. Deine Wochenstunden hast du auch schon längst beisammen.“
 

Resignierend erinnerte sich Tyson daran, am Freitag extra früher gekommen zu sein, um heute weniger arbeiten zu müssen.

Seine Hausarbeit. Die hatte er schon fast vergessen. Normalerweise hätte er seinen Chef dankbar sein sollen, dass er ihn früher gehen lässt, aber heute wäre Tyson lieber noch ein bisschen länger geblieben. Denn wenn Kai ihn auch ignorierte und vor seinen Augen mit andern flirtete, hätte Tyson ihn gerne noch länger beobachtet.
 

Trotzdem, es half alles nichts. Sein Studium war wichtig und wenn er heute auch noch durch den Park laufen würde, käme er sowieso schon später zu Hause an, als sonst.
 

Er band sich also die Schürze ab und ging in das hintere Zimmer um seine Jacke und Tasche zu holen. Als er wieder raus kam, hielt ihn sein Chef noch den Kalender hin, den er jetzt fast vergessen hätte und verabschiedete sich.

Draußen vor den Klub stellte er sich kurz an die Seite und ließ die Nachtluft auf sich wirken. Immer wenn er aus der Bar raus kam, brauchte er ein paar Minuten um sich an die Dunkelheit, die kalte Nachtluft und die vor allen frische Luft zu gewöhnen.
 

Er lehnte sich mit geschlossenen Augen an die Wand, um einen Moment zu verschnaufen, als er neben sich eine Stimme hörte.

„Bist du schon so müde, dass du im Stehen einschläfst.“

Tyson öffnete sofort wieder die Augen und schaute zum Eingang der Bar, aus der man noch die Musik hören konnte. Im Licht einer Lampe stand Kai mit den Händen in den Taschen seines Mantels und schaute ihn an.
 

Tyson schluckte kurz und fragte sich natürlich sofort, warum Kai auch hier draußen war. Als er gerade noch die Bar verlassen hatte und einen letzten Blick auf ihn geworfen hatte, da hatte sich Kai doch gerade mal wieder mit einem Jungen unterhalten, bei dem sogar Tyson schwach würde. Hatte Kai den etwa einfach sitzen gelassen um frische Luft zu schnappen, oder wartete er gerade auf den Jungen, der nun seine Jacke holte und Kai würde heute doch noch eine heiße Liebesnacht erleben, nachdem er alle anderen Anfragen hatte eiskalt abblocken lassen.
 

Tyson schien die Ahnungslosigkeit im Gesicht zu stehen, denn Kai schmunzelte kurz und trat nun näher an Tyson heran.

„Gehst du heute noch irgendwann los, oder willst du gleich hier übernachten?“, fragte Kai.

„Was interessiert dich das?“, fragte Tyson und stieß sich dann von der Wand ab. Den ganzen Abend lang, hatte Kai ihn ignoriert, jetzt würde es anders herum laufen. Tyson ging ohne weitere Worte einfach los und achtete nicht weiter auf den Graublauhaarigen. Doch merkwürdigerweise lief Kai ihm hinterher.

„Was wird das denn?“, fragte Tyson nach ein paar Metern, denn Kai lief nun stillschweigend neben ihn her.
 

„Ich will nur sichergehen, dass du nicht wieder durch gefährliche Gegenden läufst“, sagte Kai knapp.

„Wer bist du?“, empörte sich Tyson, „Mein Babysitter?“

Kai gab darauf keine Antwort, aber Tyson war noch nicht fertig.

„Außerdem laufe ich heute nicht wieder durch das verlassene Industriegebiet, sondern durch den Park. Der Weg ist zwar länger, aber dann muss ich mir wenigstens keine blöden Sprüche mehr anhören.“

Dabei sah er Kai ganz scharf an. Natürlich hatte Max die meisten blöden Sprüche von sich gelassen, aber das wusste Kai ja nicht. Dennoch schien er immer noch nicht davon überzeugt, einen anderen Weg einzuschlagen.
 

„Du wohnst doch bestimmt woanders, oder?“

„In der Entgegengesetzten Richtung.“

„Und warum läufst du mir dann nach“, motzte Tyson und hielt an um Kai anzustarren. Kai blieb ebenfalls stehen und erwiderte den aufgebrachten Blick von Tyson mit einen kalten.
 

„Im Gegensatz zum Industriegebiet, wo es Huren und Junkies gibt“, begann Kai, „lauern im Park Diebe und Vergewaltiger. Du solltest also auch da, nicht alleine durchlaufen.“

„Di ... Diebe“, stotterte Tyson und sah zu, wie Kai bereits weiterging. Verschreckt sah sich Tyson in der Gegend um schloss dann gleich wieder zu Kai auf.
 

Sie liefen eine Weile stumm nebeneinander her, bis sie den Park erreichten. Tyson sah sich immer wieder in der Gegend herum, ob vielleicht hinter einem Baum ein Mörder stehen könnte. Aber niemand sprang mit einem Messer aus dem Dunkeln hervor und versuchte ihn abzustechen.
 

Scheu sah Tyson zu Kai hoch, der mit emotionsloser Miene neben ihn herlief. Ein bisschen war ihm die Stille peinlich. Als wären sie nur zwei völlig Unbekannte, die zufällig den gleichen Weg gingen. Zur Hälfte stimmte das zwar, aber es musste ja nicht so bleiben.
 

„Wenn wir schon nebeneinander her laufen, dann könnten wir wenigstens Konversation betreiben“, meinte Tyson und schaute hoffnungsvoll zu Kai auf, der aber nur mal wieder ein „Hm“ von sich gab. Langsam stellte sich Tyson wirklich die Frage, was dieses „Hm“ bedeutete. Entweder hieß es „okay“, „mir doch egal“, oder „du kannst mich mal“.
 

Tyson war es zumindest völlig egal.

„Also inzwischen weiß ich, dass du Kai Hiwatari heißt um an andern Ende der Stadt wohnst. Aber was ist eigentlich dein Beruf? Oder bist du Student und wie alt bist du?

Ich bin im Moment zumindest 19 Jahre alt und studiere an der Universität im zweiten Semester. Ich wohne am Stadtrand in einen Dojo. Selbst mache ich natürlich Kendo.

Mein bester Freund heißt Max Mizuhara und ihm ist es zu verdanken, dass wir nun durch den Park laufen müssen, weil er das Industriegebiet für zu gefährlich hält. Er ist allgemein dagegen, dass ich in einer Bar arbeitete, aber das lasse ich einfach an mir abprallen. Nicht das ich den Job unbedingt bräuchte, aber die Arbeitszeiten sind ganz human für einen Studenten und so habe ich ein bisschen Unabhängigkeit, dadurch dass ich mein eigenes Geld verdiene. Ist doch auch ganz okay. Und ... warum sagst du eigentlich nichts?“, entrüstete sich dann Tyson, weil Kai eine Miene verzogen hatte und schneller ging.
 

„Wieso sollte ich?“, meinte Kai gelassen, „du redest doch schon allein für zwei.“

Tyson plusterte sich sofort auf, wegen dieses gemeinen Seitenhiebes, lief dann auch schneller um wieder zu Kai aufzuschließen.
 

Den Rest des Weges über, verbrachten sie dann wieder fast schweigend. Tyson hatte immer wieder versucht ein Gespräch zustande zu bringen, Kai aber hatte – wenn überhaupt – nur sehr knapp geantwortet.

Irgendwann waren sie dann endlich vor dem Eingang von Tysons Haus, dem Dojo der Kinomiyas, angekommen. Das waren die stillsten 60 Minuten in Tysons Leben gewesen.
 

Während Tyson nach seinen Schlüssel suchte, schien Kai das Haus zu mustern, aber mit einem undefinierbaren Blick. Das schien Kais Standardblick zu sein. Eine perfekte Maske, damit niemand erkannte, was wirklich in ihn vorging. Oder ging in ihm vielleicht wirklich nichts vor.
 

„Tja, das war’s dann“, meinte Tyson, nachdem er dann endlich seinen Schlüssel gefunden hatte. Er schaute noch einmal hoffnungsvoll zu Kai. Vielleicht wollte er noch etwas sagen, aber er schaute ihn nur desinteressiert an. „Vielleicht sieht man sich mal wieder.“
 

Mehr sagte Tyson nicht und er schloss die Türe auf. Kai ging schon mal ein bisschen weiter, aber bevor Kai ganz weg war und Tyson in der Tür verschwunden ist, drehte sich Kai noch mal um und Tyson wartete.
 

„Vielleicht komm ich dich mal besuchen.“ Das waren noch die Worte von Kai gewesen, dann drehte er sich wieder um und ging weiter. Ließ einen Tyson zurück, der nicht wusste, was das nun bedeuten sollte und wieder ganz rot um die Nasenspitze geworden war.

Knistern

Kai erwachte am nächsten morgen sehr spät. Eigentlich benötigte er nie viel Schlaf, aber seine letzte Aktion hatte ihn dann doch ganz schön geschlaucht. Er setzte sich im Bett auf und strich sich durch die zerzausten Haare. Die Vorhänge waren noch zugezogen, trotzdem konnte er die Sonnenstrahlen erkennen.

Er stand auf, ohne sich die Mühe zu machen, sich etwas überzuziehen und strich die dunklen Vorhänge zur Seite um das Licht in den großen Raum, welcher sein Schlafgemach war, zu lassen. Dann blieb er am Fenster stehen und sah nach draußen.
 

„Zieh den Vorhang wieder zu! Ich will noch schlafen“, kam eine verschlafene Stimme vom Bett und Kai konnte hören, wie sich Tala die Bettdecke über den Kopf zog. „Wenn du mich schon die ganze Nacht beanspruchst, dann lass mich am nächsten Morgen wenigstens schlafen“, hörte er das gedämpfte Gemeckere.

Er beachtete es aber nicht und ließ die Vorhänge offen. Er setzte sich jetzt noch auf das Fensterbrett und starte Gedankenverloren in den Garten vor dem Haus.
 

Er war gestern erst spät wieder angekommen, da er sehr langsam und mit Umwegen nach Hause gelaufen war. Er hatte gehofft, durch das Nachdenken etwas entspannter zu werden, aber es hatte nichts geholfen. Als er dann endlich ankam und Tala ihn fragte, was er denn so lange getrieben hatte, sagte er nur „Ausziehen“ und hatte so versucht sich zu entspannen.

Er hörte hinter sich wieder das Rascheln der Decke und dann Talas genervte Stimme.
 

„Erst grob sein und dann auch noch verschroben.“

„Hat es dir etwa nicht gefallen?“, fragte Kai ohne seinen Blick abzuwenden.

„Wenn du jemanden zum abreagieren brauchst, dann hol dir jemanden aus einer Bar!“, sagte Tala und Kai hörte wie er nun auch aufstand. „Ich bin nicht dein persönliches Spielzeug.“
 

Wieder hörte Kai rascheln und konnte sich denken, dass Tala sich anzog. Wenn sie schon miteinander redeten könnte er sich ja auch zu ihm umdrehen, aber Kai hatte auf ein Gespräch eigentlich keine Lust und wollte nur weiter in den Garten starren. Er hörte noch einen empörten Laut hinter sich, dann wurde nach einer kurzen Zeit die Türe geöffnet und laut zugeknallt. Er lehnte die Stirn an die kalte Scheibe des Fensters.
 

Er hätte gestern wieder genug Angebote gehabt, um sich mit jemand anders zu vergnügen, aber dieses Bedürfnis hatte er nicht verspürt, bis zu dem Moment, wo er vor Tysons Tür stand. Vielleicht wäre Tyson gar nicht so abgeneigt davon gewesen, wenn Kai ihn dann gegen die Tür gedrückt und fordernd geküsst hätte. Es wäre doch möglich gewesen, dass Tyson sich darauf eingelassen hätte und Kai jetzt in einen fremden Haus aus dem Fenster starren würde. Ein kurz entschlossener One-Night-Stand war schon des Öfteren zustande gekommen. Aber irgendwie ... er hatte sich einfach nicht dazu überwinden können. Und so hatte Tala eben erhalten müssen für seine Bedürfnisse.
 

Tala würde ihn dafür tagelang anmotzen. In all den Jahren, die sie sich jetzt schon kannten und Freunde waren, war diese Art von Nacht eigentlich nur selten so zustande gekommen. Obwohl sie sich dadurch erst kennen gelernt hatten.
 

Aber dennoch. Sie waren gute Freunde und eine Freundschaft wurde durch Sex nur belastet. Das wusste Kai und er schämte sich schon fast dafür Tala benutzt zu haben. Er könnte sich bei ihm entschuldigen, aber das war nun wirklich nicht seine Art.
 

Ihm auf andere Art zeigen, dass es ein Ausrutscher war?! Vielleicht würde er eine Möglichkeit finden. Auf jeden Fall sollte er sich jetzt endlich mal anziehen und in die Küche gehen. Ein anderes Bedürfnis musste noch gestillt werden.
 

**^^**
 

Bis es auf den Mittag zuging, hatte sich Tala wenigstens ein bisschen beruhigt. Zumindest knallte er nicht mehr jede Türe zu, durch die er ging.

„Anscheinend haben wir mal unsere Ruhe“, sagte er, während er die Zeitung durchblätterte. „Zumindest finde ich nichts auffälliges in der Zeitung.“

„Du gehst doch meistens sowieso nicht mit“, sagte Kai, der immer noch ganz Gedankenverloren war, aber jetzt zum Fenster im Wohnraum raus starrte.
 

Tala gab ein Grummeln von sich und blätterte weiter in der Zeitung.

„Ich bin eben für die Aufklärungsarbeit besser geeignet“, meinte Tala und legte die Zeitung dann weg. „War ich es nicht, der auch die kleinen Anzeigen durchgestöbert hatte und hinter das System kam?“
 

Kai wendete sich nun doch Tala zu und sah ihn böse an. Es stimmte schon, dass Tala wirklich immer die meisten Fälle fand, mit denen sie sich dann beschäftigten, aber das hieß noch lange nicht, dass er dann zu Hause den Herd hüten durfte, während er und Ray ihr Leben riskierten. Aber Kai wagte es nicht das laut zu sagen. Zu sehr war er noch von Schuld getrieben, um Tala Vorwürfe zu machen, wenn er die Jagd mied.
 

„Es gibt keine Arbeit, den Haushalt erledigst du sowieso nicht und ich bin noch sauer auf dich. Warum genießt du nicht die freie Zeit, Kai?“, fragte Tala, dem Kais Dauerträumerzustand gewaltig auf die Nerven ging.

„Habe ich seit neuesten ein Hobby?“, fragte Kai genervt, denn Tala wusste genau, dass Kais einziges Hobby Männer abschleppen oder trainieren war. Trainiert hatte er heute schon nach dem Frühstück und zum Männerabschleppen war es noch zu früh.

„Warum gehst du nicht zu dem, wegen dem du gestern so aufgebracht warst?“
 

Darauf antwortete Kai erst gar nicht und wendete sich wieder ab. Was sollte er denn bei Tyson? Etwas in ihn, zog ihn schon zu den blauhaarigen Jungen, aber sein Ego sagte ihm, dass er noch nie seinen Trieben nachgegeben hatte und jetzt sicher nicht damit anfangen sollte. Während er noch überlegte, was er mit dem angebrochenen Tag anfangen sollte, klingelte auf einmal sein Handy, welches auf den Tisch lag, an dem Tala saß.
 

„Ray will was von dir“, sagte Tala, der sich über das Display gebeugt hatte um zu sehen, wer es ist, aber er machte sich in keiner weise die Mühe, das Gespräch anzunehmen. Kai war ebenfalls nicht erpicht auf ein Gespräch mit Ray und lies es weiter klingeln. Nach einer Minute hörte das Klingeln auf und Ray konnte auf die Mailbox reden, wenn es etwas Wichtiges war. Leider war es aber extrem wichtig, denn keine Minute später hörte Kai wieder den Klingelton seines Handys. Genervt, aber überhaupt nicht interessiert, bewegte sich Kai doch zum Tisch, ergriff das Handy und nahm das Gespräch an.
 

„Was willst du?“, fragte er barsch in die Sprechmuschel.

Ich liebe dich auch, Kai“, hörte Kai Rays Stimme. „Ich wollte nur fragen, wie dein Abend gestern war. Mit dem Jungen, den du nicht mehr aus den Kopf kriegst.

Kai knurrte, ballte seine Faust und drückte die rote Taste „Auflegen“ auf dem Handy und marschierte aus dem Zimmer.

„Wohin gehst du?“, rief ihm Tala hinterher.

„Hobby“, schrie Kai ihm nur kurz entgegen.
 

**^^**
 

Es war Mittag und Tyson räumte gerade sein Geschirr vom Mittagessen weg, während er versuchte, die komplizierten Sätze eines Essays zu verstehen. Mit der einen Hand räumte er das schmutzige Geschirr in die Spüle, in der anderen hielt er die Blätter.
 

Er hatte nicht mehr viel Zeit bis das Semester endete und er die Hausarbeit abgeben musste, aber die Recherchen waren sehr zeitaufwendig, weil das Infomaterial aus komplizierten Bücher und Arbeiten von irgendwelchen Leuten stammte, die anscheinend verlernt hatten, richtige Sätze zu formulieren. Schon den ganzen Morgen über hatte er über diesen Aufschrieben gesessen, aber es würde wohl bis zum Abend dauern, bis er die neu gewonnen Infos in seine Arbeit mit einbringen konnte. Nachdem er die Spülmaschine geschlossen und eingeschalten hatte, lehnte sich gegen die Arbeitsplatte in der Küche und ließ die Blätter hängen. Vielleicht war japanische Geschichte doch das falsche Fach gewesen. Aber leider verdiente man als Dojobetreiber nicht mehr so viel und in der Schule hatte er die Geschichte seines Landes noch interessant gefunden. Niemand würde es ihm je ansehen, dass er so ein reges Interesse an Geschichte hegte, aber die meisten glaubten auch, sein einziges Interesse sei Sport und dann meinten auch noch viele, er sei aber wiederum zu faul dafür.
 

Musste man denn ein Bücherwurm sein, um sich für die Geschichte seines Landes zu interessieren? Ein alter Freund von ihm war so ein Bücherwurm, aber der studierte inzwischen Informatik. Er sah zwar auch ein wenig aus wie ein Computerfreak, aber stach doch aus der Masse der Studenten in diesem Fach hervor.
 

Tyson schaute auf die Blätter in seiner Hand hinunter. Seit dem Aufstehen beschäftigte er sich damit und sogar während dem Essen hatte er es nicht weggelegt. Er konnte sich aber auch einfach nicht konzentrieren heute. Und er wusste auch den Grund dafür.

Kai!
 

Er ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf und das obwohl er ihn seit gestern nun doch endgültig zum maulfaulen arroganten Miesepeter abgestempelt hatte. Er fragte sich immer noch, warum ihm Kai überhaupt nach Hause begleitet hatte, wenn er nie wirklich ein Gespräch mit ihm anfangen konnte und Kai auch so tat, als wäre er Luft. Und dann auch noch diese merkwürdige Verabschiedung.
 

Normalerweise gehörte diese Art von Typen zu der Sorte, die Tyson ganz schnell aus seinen Gedächtnis wieder löschte und nie wieder an sie dachte, aber Kai blieb in seinen Kopf wie eingemeißelt.
 

Tyson fragte sich, ob Kai ihn wirklich mal besuchen kommen würde und plötzlich breitete sich in seinen Magen ein ganz warmes Gefühl aus, aber er unterdrückte es. Lieber keine Vorfreude. So einer wie Kai, würde sich doch niemals bei ihm blicken lassen. Er gehörte er zu der Sorte Mensch, die sich heute Abend schon den nächsten Jungen – wahrscheinlich um einiges attraktiver als Tyson sich empfand - ins Bett holen würde und ihn sozusagen aus seiner Erinnerung vögelte.
 

Ja, genau so ein Kerl war Kai. Ein Aufreißer mit Kurzzeitgedächtnis, den er nie wieder sehen würde. Und doch blieb das warme Gefühl in seiner Magengegend.

Tyson hielt sich die Texte wieder vors Gesicht und zählte die Seiten durch, die er noch zu lesen hatte. 10 Seiten waren es noch. Aber wenn man bedachte, dass dies komplizierte Seiten waren, dann waren es gefühlt um die 100.
 

Vielleicht sollte er sich lieber mal eine kleine Pause gönnen. Er arbeitete jetzt noch den Abschnitt durch. Das dauerte vielleicht eine Viertelstunde und dann würde er sich mit Plätzchen vor dem Fernseher pflanzen für ein, zwei Stunden, damit er wieder runter kam. Danach könnte er den Rest durcharbeiten und wäre wahrscheinlich doppelt so konzentriert.
 

Also setzte sich Tyson an den inzwischen wieder sauberen Küchentisch und nahm seinen Marker zu Hand. Er markierte ein paar Sätze, die er eben noch gelesen hatte und wollte dann schon weiter lesen, als es an der Tür klingelte.
 

Er sah auf von seinen Blatt und fragte sich, wer denn jetzt was von ihm wollte. Sein meister Besucher, Max, wusste dass er heute arbeiten wollte, also konnte er es nicht sein. Und seine anderen Freunde kündigten sich meistens vorher an. Während er noch überlegte, wer es sein könnte, klingelte es ein weiteres Mal. So penetrant waren eigentlich nur Vertreter, deswegen überlegte er sich, das Klingeln einfach zu ignorieren, selbst wenn es ein Freund war. Heute wollte er endlich mal wieder was für sein Studium tun. Also beugte er sich wieder entschlossen über seine Arbeit und wollte gerade wieder mit lesen anfangen, als es plötzlich anfing Sturm zu klingeln.
 

Grummelnd stand Tyson auf und wollte die Eingangstüre aufreisen und den Störenfried zur Schnecke machen. Doch als er den Flur durchquert und endlich an der Tür angelangt war und diese aufriss, öffnete er den Mund schon zum schreien, schloss ihn aber sofort wieder und schluckte seine wütenden Worte runter, als er Kai vor sich erblickte, der immer noch auf den Klingelknopf drückte. Als Kai erkannte, dass ihm endlich jemand geöffnet hatte, nahm er den Finger von der Klingel und sah zu Tyson.
 

„Warum hat das denn so lange gedauert?“, fragte Kai gleich arrogant.

Eine seiner wütenden Bemerkungen wollte Tyson schon wieder hoch würgen als ihm dieser arrogante Tonfall zu Ohren kam, aber er ließ es dann doch bleiben.

„Ich hatte eigentlich vor das Klingeln zu ignorieren“, antwortete Tyson wahrheitsgetreu und fügte dann noch leise hinzu, „das hätte ich auch lieber getan.“
 

Die beiden taxierten sich für den Moment, bis Kai wieder sprach.

„Willst du mich nicht herein bitten?“

Eigentlich hatte Tyson den Drang Kai die Türe gleich wieder vor der Nase zuzuschlagen, doch sein Interesse, was Kai hier wollte, siegte und er machte einen Schritt zur Seite und eine Bewegung mit der Hand, die Kai hereinbat.
 

Kai betrat das Haus und schaute sich kurz um. Der Eingang war wie bei einen Dojo zu erwarten, traditionell gestaltet. Ein Schuhschrank neben der Tür, eine Garderobe und eine Schwelle zum Flur. Kai streifte sich die Schuhe ab und ging Tyson hinterher, der schon wieder den Weg in die Küche eingeschlagen hatte.

Tyson warf einen Blick nach hinten, um zu sehen, ob Kai ihm auch folgte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Kai heute nicht den Mantel trug, den er bei ihren ersten Treffen und am letzten Abend getragen hatte. Heute trug er eine Jacke mit kurzen Ärmeln und goldenen Schnallen. Um den Hals hatte er sich einen langen weisen Schal gewickelt. Tyson fragte sich, wieso Kai einen Schal trug. Draußen war es relativ warm. Aber trotz dieser Abnormität konnte Tyson nicht verleugnen, dass Kai mal wieder unverschämt gut aussah und das Outfit einfach perfekt zu ihm passte. Außerdem erkannte er nun durch die kurzen Ärmel der Jacke, dass Kai leicht muskulöse Arme hatte.
 

Tyson verpasste sich geistig eine Ohrfeige. Wollte er Kai eigentlich nicht abhacken? Aber das war verdammt schwer, wenn er plötzlich bei ihm auftauchte. Apropos. Warum war eigentlich hier?

„Willst du was besonderes?“, fragte Tyson, während sie wieder die Küche betraten und Tyson schnell seine Unterlagen zusammenlegte.
 

„Ich habe doch gesagt, dass ich dich mal besuchen komme“, sagte Kai und sah sich in der Küche um. Dann blieb sein Blick am Tisch haften.

„Ja, aber ich hielt das für einen Scherz“, sagte Tyson und folgte Kais Blick. Dann starrten sie beide auf den Tisch. Tyson fragte sich was Kai so anstarrte, als bei ihm dann endlich der Groschen fiel.
 

„Setz dich doch“, antwortete er peinlich berührt und wollte sich auch schon setzen, als ihm seine Rolle als Gastgeben wieder bewusst wurde.

„Soll ich uns Tee machen?“

„Von mir aus“, antwortete Kai gelangweilt und Tyson bereute es schon gefragt zu haben. Er wendete sich den Schränken zu und suchte nach den Utensilien für den Tee.
 

„Und warum besuchst du mich?“, fragte er dann weiter. „Ich hatte gestern ehrlich gesagt den Eindruck, du könntest mich gar nicht schnell genug loswerden. Obwohl es ja deine Entscheidung war, mich nach Hause zu begleiten.“

„Ich finde dich eben interessant. Was dagegen?“

Das hatte Kai zwar mit seiner üblichen Gelassenheit gesagt, doch trotzdem drehte sich Tyson verwundert um. Kai fand ihn interessant? Was sollte das denn bedeuten? War das vielleicht sogar ein Kompliment?
 

Nun entdeckte Kai die Unterlagen von Tyson und zog sie zu sich heran. Tyson wollte schon protestieren, aber sollte Kai doch ruhig in seinen Sachen rumstöbern. War ja kein Verbrechen. Außerdem hatte er nur einen Blick auf die Überschrift geworfen und es dann wieder weggelegt.

„Störe ich dich bei deinen Studien?“, fragte Kai.

„Eigentlich schon“, sagte Tyson, „aber ich hatte eh vor, demnächst eine Pause einzulegen.“
 

Kai ließ wieder sein übliches „hm“ von sich hören. Tyson goss nun den fertigen Tee in zwei Tassen und stellte eine vor Kai, die andere auf den freien Platz, wo er vorhin gesessen hatte. Dann holte er noch die Schale mit den Plätzchen und stellte sie in die Mitte des Tisches, erst dann setzte er sich.
 

„Bist du wirklich einfach so gekommen?“, fragte Tyson noch mal nach. „Du machtest gestern nicht den Eindruck auf mich, als wärst du besonders gesprächig.“

„Das lag nur daran, dass du ohne Punkt und Komma geredet hast.“

Auf diese Unverschämtheit langte sich Tyson sofort einen Keks aus der Schale und verputzte ihn. Kai sah sich wieder mal in der Küche um. Eine ganz normale Küche war dies eigentlich. Und der Tisch reichte gut für vier bis fünf Personen.

„Du wohnst doch bestimmt nicht alleine in so einem großen Haus“, sagte Kai, während er sich immer noch umsah.
 

„Wie man es nimmt“, antwortete Tyson. „Eigentlich wohne ich hier mit meinen Vater, Großvater und Bruder. Aber mein Vater ist Archäologe und ich kann von Glück reden, wenn ich ihn alle 3 Jahre sehe. Mein Bruder bummelt genauso viel um die Welt, aber er kommt auch immer wieder hierher und mein Großvater ist zurzeit auf Weltreise.“

„Das heißt also, zur Zeit lebst du alleine“, fasste Kai Tysons Ausfertigung zusammen.
 

„Ja“, sagte Tyson und sank ein bisschen in sich zusammen. Die Tatsache, dass er zur Zeit eigentlich immer alleine war, gefiel ihm nicht. Es war ganz schön einsam in diesen großen Haus. Wenn Max nicht ständig vorbeikäme, würde er wahrscheinlich durchdrehen vor Einsamkeit.
 

„Kaum zu glauben, das du dich alleine versorgen kannst.“

Tyson fragte sich wirklich warum er Kai nicht mit einem Fußtritt vor die Tür beförderte. Die ganze Zeit machte er überflüssige und gemeine Bemerkungen. So was musste man sich doch nicht im eigenen Haus gefallen lassen.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass du alleine lebst und super damit klar kommst“, holte Tyson zum Gegenschlag aus. „Oder lebst du noch bei deinen Eltern?“

„Meine Eltern sind schon lange tot“, sagte Kai mit einer Gleichgültigkeit, welche Tyson schockierte. „Ich lebe mit einen Freund zusammen.“
 

„Oh.“ Tysons Geschocktheit wandelte sich sofort in ein mulmiges Gefühl um. Kai war schwul und lebte mit einem Freund zusammen. Vielleicht sogar mit dem Freund. Hatte er deshalb gestern alle abblocken lassen, weil er schon vergeben war. Tysons Magen zog sich immer mehr und mehr zusammen und er fühlte auch, wie er in sich zusammensank.
 

„Wir sind aber kein Paar“, machte sich Kai dann wieder bemerkbar.

„Was...?“, sagte Tyson, der aus seiner Starre erwachte.

„Tala und ich sind kein Paar. Wir leben nur zusammen.“

Das Gefühl in Tysons Magen verschwand sofort wieder und er fühlte wie sich Schmetterlinge nun dort breit machten. Er hatte also noch eine Chance.
 

„Das ist ein Dojo, wenn ich richtig liege“, wechselte Kai wieder das Thema.

„Ja. Mein Großvater ist der Meister und unterrichtet. Zumindest wenn er da ist. Ich bin zwar schon voll ausgebildet, aber wegen meines Studiums habe ich keine Zeit zu unterrichten.“
 

„Aha.“ Dieses Aha klang so gelangweilt, dass Tyson schon glaubte, Kai hätte nun das Interesse verloren. War er nur gekommen um ein paar Sätze zu wechseln und wollte nun wieder gehen, weil sein Gesprächslevel für heute erreicht war?
 

Aus Tysons Gesicht konnte man anscheinend lesen. „Freust du dich nicht, dass ich dich besuche?“, fragte Kai und klang dabei kein bisschen arrogant oder gelangweilt. Er klang sogar besorgt.

Tyson schaute Kai an, während er sich fragte was es mit diesen Typen nur auf sich hatte. Aber er schaute auch gleich wieder weg. Kai hatte so eine Ausstrahlung. Tyson hatte Angst, wenn er ihn zulange anstarrte, würde er nur merken, dass er, Tyson, Interesse an ihn hegte.
 

„Na ja“, begann dann Tyson langsam. „Ich verstehe dich nicht so ganz. Zum einen halte ich dich für total arrogant, aber dann wieder machst du einen ganz anderen Eindruck auf mich.“

Kai lehnte sich im Stuhl zurück und musterte Tyson. Diesen war das unangenehm und er schlurfte deshalb an seinen Tee.
 

„Genau genommen“, sprach Kai, „weiß ich selbst nicht, was ich hier will.“

Tyson hatte seinen Tee ausgetrunken und sah daher wieder mit großen Augen zu Kai.

„Du bist einfach nur ein Junge, der in mich hineingelaufen ist und der in einer Bar arbeitet, wo ich mit ein paar Kerlen flirten konnte. Mir erscheinst du weder außergewöhnlich noch würde irgendeiner dich als interessant betrachten. Aber für mich bist du interessant.“
 

Tyson zuckte kurz in sich zusammen und sein Magen fühlte sich an, als würden die Schmetterlinge darin wild herumfliegen.

„Du hast etwas an dir, dass ich nicht verstehe und deshalb bin ich hier. Weil ich wissen will, was das ist.“
 

Tyson umfasste mit seinen beiden Hände seine Teetasse in der Hoffnung sie würden aufhören zu zittern, aber das Zittern übertrug sich nur auf die Tasse.

Er verstand Kai nicht. Kam er hierher um mit ihm zu reden und ihm zu sagen, dass er ihn interessant fand, oder steckte noch etwas anderes dahinter?

Gestern noch hatte Kai mit lauter jungen Männern vor seinen Augen geflirtet und ihn wie Luft behandelt und auch bei ihren gemeinsamen Weg, war er nicht sehr nett gewesen. Und nun sagte er so was.
 

Energisch stand Tyson auf und nahm seine Tasse. Dann ging er zu Spüle und stellte die Tasse ab. Er spürte Kais Blick in seinen Rücken.

„Mit wie vielen Männern hast du gestern geflirtet? Fünf? Sechs? Und das war bestimmt nicht das erste Mal. Typen wie dich kenne ich genügend.“

Tyson konnte hören wie Kais Stuhl verrückt wurde und wusste dass er aufgestanden war, aber er drehte sich nicht zu ihm herum. „Was meinst du mit: Typen wie dich.“
 

„Typen die jede Nacht in eine Bar gehen, einen abschleppen und am nächsten Tag so tun, als hätte es ihn nie gegeben. Nur eine Kerbe an euren Bett, die ihr stolz betrachtet, erinnert euch daran.“
 

Tyson wusste nicht so recht warum er das sagte, aber er hatte wirklich schon viele solcher Kerle gesehen. Sie machten den naiven Jungen Versprechungen, laberten ihnen etwas davon vor, dass sie etwas Besonderes seien, aber nach einer Nacht verwandelten sie sich dann in Ekel, die einfach nur ihren Spaß haben wollten. Was wenn Kai genauso war und Tyson nur eine weitere Trophäe für ihn wäre.
 

„Du hältst mich also für so notgeil, dass ich mir dich als Eroberung ausgesucht habe?“

Wütend drehte Tyson sich um, um erschreckt festzustellen, dass Kai vor ihm stand. Er schluckte schwer und weichte zur Seite aus, aber Kai folgte ihn.

„Nur weil ich gern mit Männern flirte und nicht einsam an der Bar rum sitze, soll ich also einer von diesen miesen Aufreißern sein“, sagte Kai mit unheimlicher Stimme. Tyson wich immer weiter zur Seite aus, aber dann erreichte er die Wand, und es war kein Platz mehr zum ausweichen. Er wollte sich der Tür zuwenden und aus dem Raum flüchten, aber Kai legte seine beiden Hände zu je einer von Tysons Seiten. Somit war er eingekesselt und Kais Gesicht war Tysons ganz nahe.
 

„Du bist ein kleiner Heuchler. Ich habe gestern doch genau bemerkt wie du immer sehnsüchtig zu mir gesehen hast. Am liebsten wärst du doch auch gerne bei mir gesessen und hättest mich angehimmelt. Gestern hättest du nichts dagegen gehabt als Kerbe an meinen Bett zu enden, also warum jetzt diese Moralpredigt?!“

Tyson konnte nichts anderes tun, als in Kais Augen zu starren. Diese rubinroten Augen schienen ihn gefangen zu nehmen.

„Ich...“, fand er wieder seine Sprache. „Ich ... wollte nicht als Kerbe ... enden. Ich wollte ...“
 

Und wieder war es so. Sie versanken gegenseitig in ihren Augen. Tyson spürte wie Kai sich in seinen Augen verlor. Er fühlte das Knistern zwischen ihnen.

Und dann, kaum merklich, begann sich Kai zu ihm runterzubeugen. Und kurz bevor sich ihre Lippen trafen, schlossen sie beide die Augen. Dann fanden sich ihre Lippen.
 

Federleicht legte Kai seine Lippen auf die von Tyson. Tyson meinte, in ihn explodiere gerade etwas, so viele Gefühle fielen über ihm herein.

Aber so schnell wie der Kuss angefangen hat, so schnell war er auch wieder beendet und Kai trennte sich von ihm, dann sahen sie sich wieder in die Augen. Und in beiden stand die Frage, was eben passiert war.
 

**^^**
 

Kai stieß die Tür zum Haus auf und knallte sie genauso energisch wieder zu. Er war den ganzen Weg gerannt und atmete jetzt dementsprechend schwer.

Er blieb im Eingang stehen und versuchte sich zur Ruhe zu zwingen, welche er in Tysons Haus gelassen hatte. Er starrte nur auf seine Füße die sich weich wie Butter anfühlten. Er nahm kaum wahr, wie sich eine Tür öffnete, jemand heraustrat und Tala ihn verwundert anstarrte.
 

„Was ist denn mit dir los, Kai?“, fragte er und blickte seinen Freund an, der nun den Blick hob und mit einen gehetzten Blick auf Tala starrte. Aber der Blick war nicht nur gehetzt, es versteckte sich auch etwas anderes dahinter. Etwas, das Tala schon gestern bei Kai gesehen hatte.
 

„Oh Nein“, sagte Tala entscheiden und verschränkte die Arme vor der Brust. „Heute nicht, mein Freund.“

Kai ließ wieder den Kopf hängen und marschierte an Tala vorbei. Dann musste eben eine kalte Dusche genügen.
 

**^^**
 

„Ich dachte, du wolltest den ganzen Tag an deiner Hausarbeit sitzen!?

Hei, hörst du mir überhaupt zu? Wenn du mich schon herbestellst und meinst es sei wichtig, dann rede auch mit mir... Tyson, hallo! Bist du noch anwesend?“

Tyson und Max saßen am Tisch in Tysons Zimmer und der Blauhaarige hatte seinen Kopf auf seine Arme gestützt. Sein Gesichtsausdruck konnte Max nicht erkennen.
 

Nach dem Kuss waren er und Kai total verkrampft gewesen. Kai hatte sich schnell mit der Ausrede verabschiedet, dass er noch was Wichtiges zu erledigen hätte und Tyson hatte vor sich hingestottert, dass er endlich weiter arbeiten müsse. Aber er hatte seine Unterlagen nach Kais Weggang erst gar nicht angerührt. Zuerst hatte er total weggetreten am Tisch gesessen und dann Max angerufen und gebeten her zu kommen. Er hatte ihn nur kurz geschildert was passiert war und saß seitdem schweigend da.
 

„War er ein schlechter Küsser?“, fragte Max.

Von Tyson kam keine Antwort. Langsam wusste Max nicht mehr, was er noch tun sollte, doch bevor er zur nächsten Frage ansetzen konnte, da meldete sich Tyson doch noch zu Wort.
 

„Es war eigentlich wunderschön gewesen“, murmelte dieser leise. „Es war nur ein kurzer und leichter Kuss. Nichts Besonderes oder Intensives.“

„Warum bist du dann so ... ähm ... was bist du überhaupt?“

„Max!“, sagte Tyson und sah nun auf und seinen besten Freund direkt in die Augen. „Es war einfach wundervoll und so ... perfekt. „
 

„Dann freu dich doch“, sagte Max.

„Aber ich ...“, stotterte Tyson und sah wieder weg. „Aber ich habe Angst, ich könnte mich in ihn verlieben.“

Beziehungsängste

Es ist vollbracht. Es hat lange gedauert, aber ich habe es endlich geschafft, das neue Kapitel zu ende zu bringen.

Das Kapitel ist nicht ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eigentlich war es ganz anders geplant, aber über den langen Zeitraum hatte ich vergessen, was ich eigentlich in diesen Kapitel alles durchnehmen wollte und schließlich kam "DAS" dabei heraus. Eigentlich ist nur der Schluß so geworden, wie ich es geplant hatte. Ansonsten ähnelt dieses Kapitel sehr dem vorigen. Es geht auch nicht wirklich mit der Story weiter. Es ist mehr ein Kapitel um noch mal die Fronten zwischen Tyson und Kai genauer zu erläutern.

Ich wünsche dann viel Spaß beim lesen.
 


 

3. Kapitel: Beziehungsängste
 

Nachdem Tyson diese Worte ausgesprochen hatte, wagte es Max erst mal nicht etwas zu sagen. Er kaute nervös auf seiner Lippe herum und schaute nicht in Tysons trauriges Gesicht. Tyson hingegen starrte nur vor sich hin. Er hatte es ausgesprochen, dass was ihm schon seitdem er Kai das erste Mal getroffen hatte, plagte. Zugegebenerweise, ihr erstes Treffen war nicht besonders romantisch gewesen und er hatte Kai als arroganten Arsch abgestempelt, aber doch hatte ihn etwas an diesen Kerl angezogen und es war stärker geworden, als sie sich in der Bar wieder getroffen hatten und als sie sich küssten, da war ... da waren diese Gefühle. Und sie waren stärker als damals bei ... Tyson vergrub wieder den Kopf in den Armen. Er wollte jetzt nicht daran denken.
 

„Das mit Kane ist doch schon mehr als ein halbes Jahr her, Tyson“, fing Max an zu reden. Anscheinend waren ihm endlich die richtigen Worte eingefallen.

„Wieso denkst du, es hätte etwas mit Kane zu tun?“, sagte Tyson, wobei er aber nicht aufsah und somit die Worte mehr zu seinen Händen als zu Max sprach.
 

„Eure Trennung könnte man als Trauma für zukünftige Beziehungen bezeichnen.“

Tyson setzte sich nun wieder richtig auf und schaute Max fest in die Augen.

„Vielleicht hat es ja ein wenig mit Kane zu tun. EIN WENIG“, betonte Tyson noch mal, als Max schon widersprechen wollte, „aber hauptsächlich ist es, weil Kai mir total suspekt ist. Außerdem ist er ein arroganter Arsch.“

„Uuuund warum hast du dann Angst, du könntest dich in ihn verlieben?“
 

Tyson stützte nun seinen schweren Kopf auf seinen Handflächen ab und schaute nach draußen in den Garten, da die Verandatür offen stand. Dabei machte er ein verträumtes Gesicht.

„Ist wohl natürliche Anziehung.“
 

**^^**
 

Kai hatte sich ein paar Mal kalt abduschen müssen, bis er endlich wieder einen klaren Kopf hatte. Inzwischen bereute er es zutiefst noch zu Tyson gegangen zu sein. Was hatte er sich in diesen Moment eigentlich gedacht? Genau genommen überhaupt nichts. Im Grunde, war ihm nur langweilig gewesen und Tala und Ray hatten genervt. Aber warum geht er dann ausgerechnet zu Tyson? Wenn er normalerweise seine Ruhe haben wollte, dann machte er einen langen Spaziergang durch den Wald.
 

Aber das war ja noch nicht mal das Schlimmste. Sein Plan, oder hatte er überhaupt keinen gehabt, hatte eigentlich nur aus einen kleinen Plausch mit Tyson bestanden und geendet hat das alles dann in einen Kuss. Er könnte sich jetzt noch dafür Ohrfeigen. Okay, der Kuss war gut gewesen und er würde lügen, wenn er sagte, er würde diese Lippen nicht gerne noch mal schmecken. Aber seit wann war das seine Art? Küssen war allgemein etwas, dass Kai als nicht so wichtig empfand. Bei mancher seiner Ones war küssen auf den Mund sowieso selten genug. Meistens landeten seinen Küssen irgendwo anders auf den Körper seines Partners und wenn es dann mal die Lippen waren, dann waren dies leidenschaftliche und nicht zärtliche Küsse. Wenn Kai mal genau darüber nachdachte, dann war das heute sein erster zärtlicher Kuss gewesen. Und doch sagte etwas in ihn, es war der schönste und intensivste Kuss gewesen, den er je gehabt hatte.
 

Kai lehnte sich in den Sessel in dem er im Moment saß zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Was passierte da im Moment mit ihm? Verlor er den Verstand? War Tyson einfach zu krass, oder durchlebte er gerade seine Midlifecrises?
 

Beim hinausschauen aus dem Fenster fiel Kai auf, dass es schon dunkel wurde. Er machte sich schon seit Stunden Gedanken. Noch ein Grund mehr zu Besorgnis. Er stand schließlich aus dem Sessel auf und begab sich in die Küche.
 

Ihre Küche war nicht großartig eingerichtet. Weder er noch Tala waren großartige Köche, wozu also eine großartige Küche. Sie hatten eine Herdplatte, einen Kühlschrank und einen kleinen Tisch zum daran sitzen. Mehr brauchten sich auch nicht.
 

Kai öffnete den Kühlschrank und nahm eine Thermoskanne heraus, dann füllte er den rötlichen Inhalt in eine Tasse und stellte sie ab. Er überlegte, ob er sein Getränk nicht mit Schuss nehmen sollte, doch er entschied sich dafür heute auf Alkohol zu verzichten und stellte die Tasse daher für ein paar Sekunden in die Mikrowelle, die neben dem Herd stand. Als es piepste nahm er die Tasse wieder raus und nahm einen kleinen Schluck. Körperwarm, so wie er es liebte. Tala trank seines meist kalt. Allerdings war das so, weil er es auch nicht anders kannte. Er konnte froh sein, nicht zu wissen, wie es schmeckte, wenn man es frisch zu sich nahm.
 

Kai nippte an der Tasse und überlegte sich, wie er den restlichen Abend verbringen sollte. Irgendwo tief in ihn war der Wunsch heute wieder eine Bar zu besuchen und sich von Tyson abzulenken. Ein gutaussehender Jüngling, der wie er auf eine schnelle Nummer aus war, könnte doch interessant werden. Aber gleich nachdem er diesen Gedanken zu ende gebracht hatte, fühlte er sich schäbig. Er konnte doch nur an Tyson denken, wie kam er dann darauf sich mit jemand anderen zu vergnügen. Er lebte ein Sexleben ohne Hemmungen, aber er war doch nicht Nymphoman. Das passte eher zu Tala. Er könnte ihn nie mehr als Hure bezeichnen, wenn er jetzt einfach den nächst besten flachlegen würde, obwohl seine gesamte Gedankenwelt nur aus Tyson bestand.
 

Kai nippte wieder an seiner Tasse und schaute verträumt zur Decke. Vielleicht sollte er noch mal zu Tyson gehen und versuchen wie weit er bei ihm kommen würde…
 

„Nein“, sagte Kai dann entschieden zu sich selbst und nahm die Tasse wieder von seinen Lippen. Er durfte es nicht so weit kommen lassen und zu viele Gefühle für den Blauhaarigen entwickeln. Allein die Tatsache, dass er schon die ganze Zeit an ihn dachte, war ein großer Fehler. Kai schaute auf die rote Flüssigkeit in seiner Tasse. Er durfte es einfach nicht zulassen. Wenn Tyson ihn wirklich irgendetwas bedeuten sollte, dann müsse er sich von ihm fernhalten. Das letzte Mal als er jemanden zu Nahe kam, musste Tala dafür büßen. Kai nahm noch einen Schluck aus seiner Tasse und verzog gleich darauf das Gesicht. Er spuckte es wieder zurück und leerte die Tasse dann in den Ausguss. Er hatte sich zu stark erinnert.
 

Kai musste wirklich etwas zum ablenken finden. Er machte sich seit gestern nur selbst verrückt. Er musste endlich wieder einen klaren Kopf bekommen. Da half weder Sex mit Tala noch eine kalte Dusche. Er brauchte eine Beschäftigung. Warum mussten diese Scheißvampire auch immer dann nicht auftauchen, wenn er scharf darauf war welchen von ihnen den Kopf abzuschlagen?
 

Kai lehnte sich an den Tisch in der Küche und dachte angestrengt nach. Welche Aufgabe wäre wohl so vereinnahmend, dass er sich damit ablenken konnte.

„Kai!“ Tala kam gerade in die Küche gelaufen und hatte das Telefon in der Hand. Er machte einen genervten Gesichtsausdruck. „Ray fragt wer von uns beiden bereit wäre, mit ihm noch mal das Parkhaus abzusuchen um auch sicher zu gehen, dass alle weg sind. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust.“
 

„Ich mach es!“, sagte Kai sofort und lief dann auch schon an Tala vorbei um seine Sachen zusammenzusuchen, ohne zu bemerken wie Tala verwundert die Stirn kraus zog.
 

**^^**
 

Eine Stunde später lief Kai mit Ray im alten Industriegebiet herum. Sie ignorierten die Prostituierten und Drogenjunkies die versuchten ihnen ihre Körper oder Rauschgift anzudrehen und schauten in jede Seitengasse. Gleich kämen sie am Parkhaus an und müssten dort in jedem dunklem Stockwerk die Ecken absuchen.
 

„Eine schreckliche Arbeit“, meckerte Ray der mit den Händen in den Hosentaschen neben Kai herlief.

„Die aber getan werden muss“, antwortete Kai der voranschritt als machten sie hier einen gemütlichen Spaziergang.

„Seit wann bist du denn so Pflichtbewusst?“

„Nerv nicht!“, war Kais barsche Antwort, die meistens ein Gespräch beendete. Aber Ray grinste nur und wollte nicht locker lassen.

„Immer noch der Junge von letztens.“
 

Kai schaute demonstrativ in eine andere Richtung und kniff die Lippen zusammen.

„Tala hat mir heute schon die Ohren voll gejammert, weil du ihn letzte Nacht hart ran genommen hast. Drei mal! Echt Kai, was hat der nur mit dir gemacht?!“

„Du redest Stuss.“

„Ich kenne dich nur gut.“
 

Sie erreichten nun endlich das Parkhaus und fingen an das Erdgeschoss strategisch zu durchsuchen. Sie schauten in alle dunklen Ecken, kontrollieren die Lüftungsschächte und das ehemalige Nest durchsuchten sie nach neuen Spuren. Das Parkhaus war drei Stockwerke hoch und besaß viele Schlupflöcher. Sie fanden aber nichts. Anscheinend war keiner übrig geblieben und wenn, dann hatte er sich schon längst eine neue Bleibe gesucht.
 

„Du siehst enttäuscht aus“, meinte Ray als Kai eine Dose wegkickte, die sie beim Nest gefunden hatten.

„Halt endlich die Klappe, Ray“, zischte Kai und der Chinese merkte, dass er endlich weiter kam. Kai wurde wütend. Das war entweder das Zeichen aufzuhören, wenn man am Leben hing, oder es bedeutete, dass Kai müde wurde Ausreden zu suchen.

„Hattest du einfach nur einen schlechten Tag?“, fragte Ray, „oder hat es etwas mit diesen Tyson zu tun?“
 

Ray sah, wie sich Kais Hände zu Fäusten formten. Er konnte nur Kais Rücken sehen, aber Ray wusste, dass er jetzt aufpassen musste.

„Empfindest du etwas für ihn?“
 

Jetzt war Ray zu weit gegangen. In dem Moment, in dem sich Kai mit seinen gefletschten Zähnen zu ihm umdrehte und seine Augen nicht mehr Robinrot waren, sondern nur noch Rotleuchtende Schlitze bildeten, hatte Ray instinktiv das Messer an seiner Seite ergriffen und zur Abwehr vor sich gehalten, als Kai auf ihn zustürmte und ihn gegen die nächste Wand drückte. Ray hatte das Messer genau über Kais Herz positioniert. Wenn Kai die Beherrschung verlieren würde, wäre das die geeignete Stelle um ihn wieder zu beruhigen ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Eine Stahlklinge ins Herz gestochen lähmte Vampire, tötete sie aber nicht.

Kai stand immer noch direkt vor ihm und seine langen Eckzähne blitzten gefährlich im schwachen Mondlicht.
 

„Ich empfinde für niemanden etwas!“, sagte er mit einer Stimme, die jeden anderen, zum zittern gebracht hätte. Aber Ray war ein abgehärteter Vampirjäger. Ein wütender Vampir konnte ihm schon lange nicht mehr Angst machen.
 

„Du hast eine Seele! Also hast du auch Empfindungen!“, sagte Ray mit harter Stimme, bewegte sich aber nicht. Er hatte die Situation unter Kontrolle. Natürlich konnte sein Freund gefährlich werden, aber nicht für Menschen. Er war im Moment nur außer sich vor Wut.
 

„Nicht solche“, sagte Kai, der sich anscheinend beruhigte. Er zog seine Zähne wieder ein und auch sein Griff an Rays Schulter wurde wieder schwächer. Er schaute auf den Boden, wohl damit Ray seine Miene nicht sehen konnte. Dieser ließ nun auch wieder das Messer sinken.
 

„Ich frage mich, was du dich so aufregst“, sagte Ray, wand sich aus Kais Griff und ging ein paar Schritte. „Du hast dich doch noch nie über deine Seele beschwert und plötzlich willst du nicht hören, was sie dir bringt.“

Kai drehte sich nun um und lehnte sich seinerseits an die Mauer. Dabei verschränkte er die Arme hinter den Kopf und schaute an die Decke.

So standen beide ein Weilchen. Ray hatte sein Messer inzwischen wieder weggesteckt.
 

„Meine Seele ist ein Fehler.“

„Nur weil die anderen das sagen?“

Nun schaute Kai wieder zerknirscht zu Boden.

Ja, wer sagte eigentlich, dass es ein Fehler war, dass er eine Seele besaß? Seine anderen Artgenossen, die keine hatten. Diejenigen, die bei ihm waren, ihm nahe waren, die sagten immer es sei ein Wunder und etwas Gutes.
 

„Wir sind hier fertig, oder?“, meinte Kai wieder in seinen gelangweilt überheblichen Ton.

Ray der etwas verwundert war über Kais plötzlichen Sinneswandel, antwortete verdutzt mit Ja. Dann sah er schon wie Kai plötzlich zur Brüstung rannte und dann verschwunden war. Aber nicht in die Richtung von seinem Haus.
 

**^^**
 

Tyson gähnte herzhaft und sammelte seine Unterlagen, welche auf den gesamten Schreibtisch verteilt waren, zusammen. Weit war er nicht gekommen, aber zumindest hatte er das Kapitel heute noch zu ende gebracht. Die Hausarbeit musste er zwar erst Ende des Semesters abgeben, aber wenn sie gescheit werden sollte, dann musste er sich schon ranhalten.
 

Tyson kratzte sich über den Kopf und überlegte, ob er noch was zu erledigen hatte, aber sein müdes Hirn befahl ihm eine Katzenwäsche zu machen und dann ab ins Bett.
 

Tyson richtete seine Tasche für den morgigen Tag und schlurfte auch schon ins Badezimmer. Nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, schlüpfte er in seinen Pyjama und holte sich in der Küche sein Glas Wasser, das er neben sich auf den Nachtisch stellen würde. Als Tyson dann auf den Weg von der Küche zurück in sein Zimmer war, versicherte er sich noch, dass die Tür abgeschlossen war und schaute in jedes der Zimmer. Nachts fühlte er sich meistens einsam in diesen großen Haus. Sein Großvater war jetzt schon 3 Monate auf Weltreise und geplant war sie für ein ganzes Jahr. Vielleicht würde Hiro bald wieder zurückkommen. Auf seinen Vater konnte er nicht hoffen. Das letzte Mal hatte er ihn vor drei Jahren gesehen. Wenn dieser schon ab und zu mal anrief, so ein Mal pro Jahr, war das schon viel.
 

Schließlich bewegte sich Tyson zu seinen Zimmer und stellte das Glas auf seinen Nachttisch ab. Dann kroch er unter die Decke und zog sie bis zu seiner Nasenspitze nach oben. Weil es um diese Jahreszeit noch warm war, stand seine Verandatür einen Spalt weit offen, damit frische Luft hereinkam. Da das Haupttor aber abgeschlossen war, musste er nicht damit rechnen, dass jemand einbrach.

Tyson schloss die Augen, aber obwohl er doch so müde war, konnte er nicht sofort einschlafen. Kaum hatte er die Augen geschlossen kam ihm wieder der Kuss in den Sinn.
 

So zärtlich und liebevoll war er schon lange nicht mehr geküsst worden. Anfangs war es zwischen ihm und Kane auch so gewesen. Später konnte er sich glücklich schätzen, wenn Kane ihn einen Kuss gab und nicht eine … Nein, daran wollte er jetzt nicht denken.
 

Er sollte endlich schlafen. Wenn Kai noch mal vorbeikommen würde, dann würde er ihm klipp und klar sagen, dass der Kuss nur ein Ausrutscher war und sie ihm ganz schnell wieder vergessen sollten. Denn so schön er auch gewesen war, aber auf eine Beziehung hatte Tyson im Moment einfach keine Lust.
 

Gerade als Tyson dabei war wegzudämmern, meinte er zu spüren, wie die Decke etwas von ihm abfiel. Was kümmerte es ihm?! Es war auch viel zu warm um sich einzumummeln. Er konnte auch einen gewissen Windhauch spüren. Okay, das war

bestimmt nur die offene Verandatür. Gut wenn endlich mal ein bisschen frische Luft ins Zimmer kam. Tyson wollte sich schon gar keine Gedanken mehr machen um die Vorgänge außerhalb seines Kopfes. Er wollte nur noch schlafen und von Zuckerwatte und Schokolade träumen. Aber etwas ließ ihn doch wieder ganz hellwach sein, auch wenn er immer noch die Augen geschlossen hatte und sich nicht rührte.
 

Streichelte ihm da gerade jemand durchs Haar? Sofort richtete sich Tyson auf und schaute hinter sich auf die Tür seines Zimmers. Aber da stand niemand. Dann wand er sich der Verandatür zu. War sie schon immer so weit offen gestanden? Er konnte sich nur an einen Spalt erinnern. Sofort langte Tyson nach dem Wasser auf seinen Tisch, um sich zu beruhigen. Nach zwei kräftigen Schlücken ging er dann zur Verandatür. Bevor er sie aber schloss, trat er kurz heraus und suchte den Garten ab. Niemand zu sehen. Bestimmt war er einfach zu müde, und hatte sich alles nur eingebildet. Er sollte endlich schlafen. Er schob die Türe jetzt doch ganz zu und legte sich wieder in sein Bett. Dieses Mal schlief er sofort ein.
 

Hätte Tyson, als er in den Garten sah, auch auf die Mauer gesehen, dann hätte er bestimmt noch mitbekommen, wie sich eine schemenhafte Figur weggeschlichen hatte als er auf die Veranda heraus trat.
 

**^^**
 

Eigentlich war es doch eine Schande an einen schönen sonnigen Tag, in einen schlecht klimatisierten Raum zu sitzen, der mehr als voll war und nicht mal Fenster besaß. Tyson auf jeden Fall hatte die Ellbogen auf den Klapptisch vor sich abgelegt und starrte mit ausdrucksloser Miene nach unten vorne, auf den Dozenten der gerade von der Bakumatsu Ära erzählte. Dann und wann fiel ein wichtiges Datum oder ein bekannter Name, welchen sich Tyson dann notierte, aber die meiste Zeit waren es nur unwichtige Daten, die er gelegentlich überhörte.
 

So ging es wohl den meisten im Raum, denn bestimmt mehr als die Hälfte hatte nicht ein Blatt vor sich liegen, sondern ein Sudokuheft. Tyson atmete tief ein und aus und warf einen Blick auf seine Uhr. Noch 15 Minuten, dann wäre er für den heutigen Tag erlöst. Heute hatte er sowieso nur 2 Vorlesungen am Vormittag und dann könnte er endlich nach Hause gehen und entspannen.
 

Während er also weiterhin von seinen baldigen Mittagessen träumte, redete der Dozent doch noch volle 20 Minuten, bis er meinte, es sei nun das Wichtigste gesagt und er sie alle in die sonnige Freiheit entließ. Es ging ein allgemeines erleichterndes Raunen im Saal herum, als sie alle ihre Taschen zusammenpackten und sich zu den Ausgängen bewegten. An einen von ihnen wartete schon Max mit einen Grinsen auf Tyson.
 

„Hat er wieder überzogen?“, fragte er Tyson, der bestimmt total entnervt aussehen musste.

„Wann macht er das mal nicht. Der lebt doch selber in der Zeit, von der er gerade erzählt und damals gab es wohl noch keine Uhren.“
 

Tyson fasste sich an die Schulter und versuchte sie mit einigen festen Griffen zu entspannen. Vorlesungssäle waren nicht gerade Entspannungsoasen, bei denen man bequem sitzen konnte.
 

Max würde heute wieder bei ihm zu Mittag essen. Es war für Tyson immer eine der schlimmsten Undinge in seiner Einsamkeit mit einem guten Mittagessen alleine am Tisch zu sitzen. Deshalb aß Max fast jeden Tag bei ihm, außer dieser konnte nicht, weil er Vorlesungen zur Mittagszeit hatte. Im Gegensatz zu ihm, studierte Max Elektroingenieur. Max’ Vater selbst hatte einen kleinen Elektroladen und Max hatte von klein an selbst das Werkeln gelernt.
 

Während sie das Universitätsgelände verließen und in Richtung Tysons Zuhause gingen unterhielten sie sich über dies und jenes. Was sie sich heute zu essen machten, wie die Vorlesungen waren und anderes belangloses. Tyson hatte schon die vage Hoffnung Max würde nicht auf das Thema von gestern zurückkommen, aber irgendwann schwang ihr Gespräch doch in diese Richtung und Max konnte es natürlich nicht lassen, Tyson mal wieder auf das Thema hin auszuquetschen.
 

„Was machst du eigentlich wenn dieser Kai wieder bei dir auftaucht?“, fragte Max ganz unschuldig.

„Ich bezweifle, dass das überhaupt passieren wird.“ Diese Antwort war sogar ziemlich ehrlich. Tyson wusste nicht viel über Kai, aber dass er unberechenbar war und bei jeden ihrer Treffen nicht den Eindruck machte Tyson je wieder sehen zu wollen, war nun wirklich nicht schwer zu wissen.
 

„Das hast du schon beim ersten Mal gedacht“, erinnerte ihn Max.

„Er tauch nicht wieder auf. Da bin ich mir sicher.“

„Sicher?“

„SICHER!“

„Wo warst du?!“
 

Tyson fiel die Kinnlade runter als er diese Worte hörte und die Person sah, zu der sie gehörten. Litt er unter Halluzinationen oder stand da Kai, lässig an die Wand gelehnt, vor dem Tor seines Hauses und starrte zur Sonne hoch. Zumindest meinte Tyson er starre in den Himmel, sehen konnte er es nicht, weil Kai eine Sonnenbrille trug.
 

„Ist er das? Sieht gut aus.“, flüsterte ihn Max ins Ohr.

Tyson fasste sich sofort wieder und ging die letzten Schritte auf Kai zu. „Was machst du hier?“

„Dich besuchen“, sagte Kai und stieß sich von der Wand ab, dann ging er einfach zum Tor. „Willst du nicht aufschließen. Ich warte schon seit einer halben Stunde auf dich.“
 

Aus reiner Bosheit heraus, würde Tyson am liebsten Kai einfach so stehen lassen und zu Max gehen, oder einfach das Tor aufschließen und Kai UND Max aussperren.

Aber es siegte mal wieder seine Neugier was Kai wollte und seine gute Seite und somit schloss er das Tor auf und ließ beide rein. Dann machte er noch die Tür auf und sagte Beiden, sie könnten es sich im Wohnzimmer gemütlich machen, bis er das Essen fertig hatte. Er würde nur schnell etwas aufwärmen, weil er auf Kochen keine Lust hatte.
 

Kai ging zwar in das Zimmer, welches Tyson ihm gezeigt hatte, aber Max lief ihm in die Küche nach.

„Den solltest du dir echt warm halten. Der sieht ja so was von cool aus“, sagte er mit einen mehr als breitem Grinsen auf dem Gesicht.
 

„Warum ertrage ich das eigentlich?!“, meinte Tyson zu sich selbst und knallte Max einfach die Tür vor der Nase zu, damit er erstmal seine Ruhe hatte.

Während er das Essen in einen Topf aufwärmte überlegte er sich wirklich warum er sich das alles antat.
 

Kai war wohl der arrogantestes Mensch der ihm je untergekommen war. Ohne große Erklärung oder Entschuldigung drängte er sich in Tysons Haus. Aber warum hatte Tyson ihn überhaupt rein gelassen und warum hatte er nicht einfach nachgefragt, was er schon wieder hier wollte? Okay, es käme wahrscheinlich die gleiche Antwort wie am vorigen Tag und er wusste noch zu genau, wie ihr Gespräch dann geendet hatte.
 

Mit seinen Fingerspitzen tastete Tyson seine Lippen ab und dachte über den Kuss nach. Eigentlich wollte er Kai doch, jetzt wo er schon mal da war, erklären, dass dieser Kuss nichts zu bedeuten hatte. Aber jetzt mit Max im Haus, wollte er einfach nicht auf das Thema zu sprechen kommen. Es war einfach zu persönlich um es mit einen Freund in der Nähe anzusprechen, welcher nur allzu neugierig war.
 

Er würde Max nach dem Essen einfach dazu bringen zu gehen und dann könnte er so lange er wollte mit Kai alleine sprechen.

Alleine! Mit Kai! Das konnte heiter weiter.
 

Das Essen war dann endlich fertig und Tyson begab sich zum Wohnzimmer um die beiden zu rufen, doch er blieb vor der Tür stehen. Diese war offen und er konnte Max und Kai reden hören. Er hörte wie Max redete und Kai mit „Hm“ antwortete.
 

„Tyson ist ein wirklich liebenswerter Kerl, oder?“

„Hm.“

„Du scheinst ihn zu mögen, wenn du schon zum zweiten Mal einfach so hier auftauchst.“

„Hm.“

„Was denkst du über Tyson?“

„Hm.“

„Er kann manchmal schon leicht nerven, aber das ändert nichts an seinem sonnigen Gemüt.“

„Hm.“

„Na ja, vielleicht ist er etwas naiv.“
 

Tyson fasste sich an die Stirn und konnte kaum glauben, wie normal ihm das schon vorkam. Er kannte Kai kaum und trotzdem hätte er Max vorhersagen können, dass ein Gespräch genau so verlaufen würde. Was ihn aber wirklich fast an die Grenze des Wahnsinns brachte, war Max’ Lächeln dabei. Merkte er nicht, dass Kai ihm überhaupt nicht zuhörte?
 

**^^**
 

Das Essen verlief ziemlich ruhig. Kai hatte es zuerst abgelehnt etwas von dem aufgewärmten Eintopf zu essen, aber Tyson hatte ihn so lange bequatscht bis er etwas nahm nur um seine Ruhe zu haben.
 

Tyson hatte es dann geschafft Max auch wirklich dazu zu bringen zu gehen, nach dem sie fertig waren mit dem Essen. Aber Max hatte Tyson gegenüber noch erwähnt, dass er Kai für etwas Maulfaul hielt, was wohl die netteste Umschreibung für Kais Ignoranz bei ihren vorigen Gespräch war, die es gab. Dieser hatte ihm schnell zugestimmt damit er endlich seine Ruhe hätte und ging danach zurück in die Küche um nach Kai zu sehen, doch da war dieser nicht mehr.
 

Verwundert schaute sich Tyson im Haus um und fand Kai dann auf der Veranda im Garten sitzend. Etwas verwundert begab sich Tyson ebenfalls dort hin und ließ sich neben Kai nieder. Dieser schien seine Anwesenheit nicht zu bemerken oder nicht zu beachten. Tyson kibbelte nervös mit den Fingern und überlegte sich, wie er Kai jetzt am besten zu einen Gespräch bringen sollte.
 

„Schön hast du es hier“, bemerkte Kai und ließ den Blick durch den Garten streifen. Der Rasen war gleichmäßig gemäht und saftig grün. Die Bäume waren groß gewachsen und hatten um diese Jahreszeit ein wunderschönes Blätterwerk. In einer Ecke des Gartens war sogar ein kleiner Teich mit Wasserspiel angebracht worden.
 

„Ähm, Danke“, sagte Tyson und schaute in Kais Gesicht, das ihm aber abgewandt war. Tyson blieb erstmal an diesen Anblick hängen. Die Ebenmäßige Gesichtszüge, die porzellanfarbene Haut und diese wilden Dreiecken. Kai war die reinste Versuchung. „Duhu“, versuchte er dann ein Gespräch zustande zu bringen „wegen gestern …“
 

„Sorry, wegen dem Kuss.“

Das ging schnell, aber nicht von Tyson aus. Der Blauhaarige schaute ungläubig in das Gesicht des Graublauhaarigen und dieser sah jetzt sogar zurück, wandte sich aber wieder ab, als er weiter sprach.

„Ich war voreilig, weil ich mich provoziert fühlte“, erklärte Kai.

„Nein, nein. Es ging ja auch von mir aus“, setzte Tyson dazu.

„Ich habe dich einfach überrumpelt.“

„Ich hätte dich ja auch wegstoßen können“, meinte Tyson gereizt, weil er nicht nachstehen wollte.

„Dafür küsse ich zu gut.“
 

In Tyson schwoll schon wieder ärger an und er hatte Mühe ihn zu unterdrücken.

„Jetzt hör aber mal, du arroganter Schnösel!“, brauste er auf und zwang somit Kai ihn anzusehen. „Ich wollte dir eben auch sagen, dass der Kuss nichts zu bedeuten hatte, also behandle mich nicht wie einen Liebestollen, der dir jetzt wie ein Hündchen nachläuft, weil er süchtig nach deinen Lippen geworden ist.“

„War’s das?“
 

/Wirf ihn raus, wirf ihn raus!/ ging es Tyson durch den Kopf und er war schon bereit aufzustehen und Kai am Kragen zur Tür zu schleifen, als dieser plötzlich von alleine aufstand.
 

„Ich habe gesagt, was ich sagen wollte. Also Tschüß!“

„Warte Mal!“, sagte Tyson und schaute zu Kai hoch, der schon Abmarsch bereit schien. Mit einem mürrischen Blick schaute Kai auf Tyson herab. Dieser ließ sich davon aber nicht beeindrucken. „Erst schnorrst du essen, machst mir so eine Ansage und dann willst du dich einfach verziehen? So läuft das nicht.“

Kai verdrehte die Augen und setzte sich wieder hin. „Schön dann bleib ich eben noch ein bisschen.“
 

„Recht so“, sagte Tyson verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in den Garten. Gerade wollte er ihn noch rausschmeißen und dann hatte er sich darüber aufgeregt, dass er einfach gehen wollte. Tyson schimpfte sich selbst einen Idioten.
 

Sie saßen bestimmt 10 Minuten nur so da, bis es Kai reichte.

„Wie lange muss ich denn still dasitzen, bis ich nicht mehr als Unhöflich gelte“, fragte er genervt.

„Wir können ja auch reden“, sagte Tyson selbstverständlich.

„Machen wir es wie schon einmal. Du redest für uns beide und ich höre einfach weg.“
 

„Wie alt bist du zum Beispiel?“, fragte Tyson ohne die letzte Bemerkung zu beachten.

„… 21“

„Was machst du zurzeit?“

„Hier sitzen.“

„Ich meinte doch beruflich“, sagte Tyson und fragte sich warum er diesen Maulfaulen Kerl überhaupt zum reden bringen wollte, wenn jede seiner Antworten ein Beweis für dessen schlechten Charakter war.

„… Angestellter.“
 

Diese Antwort brachte ihm einen verwunderten Blick von Tyson ein, aber dieser wollte nicht fragen. Ihn glotzten auch alle blöd an, wenn er sein Studium der Geschichte offenbarte.

„Wo wohnst du?“

„… Am Stadtrand.“
 

War Kai blöde, oder warum brauchte er für jede seiner Antworten einen Moment?

„Wie sieht es mit der Liebe aus?“

„Brauche ich nicht.“
 

Tyson sah daraufhin geschockt in Kais Augen. Wie konnte Kai so was, einfach so in den Raum schmeißen? Er hatte wahrscheinlich schlechte Erfahrungen gemacht.

„Hast du das eben ernst gemeint?“

Der Blick von Kai war eindeutig. Sehe ich aus, als könnte ich scherzen?

„Noch nie eine feste Beziehung gehabt?“

„Hm.“
 

Tyson stöhnte. Nicht schon wieder.

„Wie sieht es denn bei dir aus?“, fragte Kai nun seinerseits. Tyson war überrascht, dass Kai anscheinend Interesse zeigte, aber vielleicht war es auch nur ein Ablenkungsmanöver. Dennoch antwortete Tyson.
 

„Im Moment bin ich solo.“

„Und vorher?“

„Wie vorher?“

„Man wird nur schwul, wenn man schon mal eine Beziehung zu einen Mann hatte“, erklärte Kai. Irgendwie auch einleuchtend. Jeder glaubt am Anfang er sei hetero, bis er sich in einen Mann verliebt. Zumindest war es bei ihm so.
 

„Na ja“, begann Tyson und versuchte sich zu erinnern, „mein erster Freund, dass war nichts besonderes. Als ich 15 war habe ich mit ihm immer auf der Toilette in der Schule rumgeknutscht. Das war eigentlich nur Zufall und nichts Ernstes. Ich glaube, wir waren nicht mal richtig zusammen, sondern nur neugierig.

Mein erster richtiger Freund war Kane. Wir waren ungefähr 1 Jahr zusammen, bis ich Schluss gemacht habe. Das war vor einem halben Jahr.“
 

„Was war der Grund?“

„Er hat mich betrogen“, sagte Tyson mit Bitternis in der Stimme und seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. Kai musterte ihn argwöhnisch. „Er hat mich betrogen und …“ Plötzlich konnte Tyson nicht mehr weiter sprechen, aber er spürte eindeutig Kais Blicke auf sich; er wendete sich ab. „Ich will nicht darüber sprechen.“
 

„Von mir aus.“

„Und bei dir?“

„Hm.“

Man wird nur schwul, wenn man schon mal eine Beziehung zu einem Mann hatte.“

„…“

„Na?“
 

„Es war der, mit dem ich jetzt zusammenlebe. Tala. Aber man könnte es gerade mal eine Affäre nennen. Ansonsten hatte ich nur Ones ...“ Kai verzog auf einmal das Gesicht und presste die Lippen zusammen, dann stand er auf.

„Hei was?“

„Wir haben genug geredet!“
 

Ohne auf Tysons Antwort zu warten ging Kai weg und Tyson hörte nur noch die Tür. Er hätte ihn sowieso nicht noch ein weiteres Mal aufhalten wollen. Er hatte es wieder gespürt. Das Knistern zwischen ihnen als ihr Gespräch auf Beziehungen zuging.
 

Kann es sein, dass Kai … geflüchtet war!?
 


 

Ich weiß. Bei der langen Wartezeit hätte man mehr erwarten können. Auf jeden Fall, wird das nächste Kapitel (das ich hoffentlich schneller fertigstelle) endlich mal richtig mit der Story weiter gehen. Unter anderen werde ich einen Kampf mit einen Vampir einbauen und Tyson und Tala treffen sich zum ersten Mal, oder ist es vielleicht gar nicht das erste Mal...

Ich werde auf jeden Fall noch für eine Überraschung sorgen.

Bis zum nächten Mal.

Revierverhalten (Teil 1)

Kai machte gerade noch einen Hechtsprung zur Seite um einem Frontalangriff zu entgehen, aber sein Gegner war genauso flink wie er und konnte deshalb sofort wenden und sich wieder auf ihn stürzen und schaffte es dieses mal sogar, ihn an den Oberarmen zu packen, aus dem Gleichgewicht und ihn somit zu Fall zu bringen.
 

Kai knallte schmerzlich mit den Rücken auf den harten Boden und spürte wie seine Knochen knackten. Auch sein Kopf schlug hart auf den Pflaster auf und für eine Sekunde musste er die Augen schließen vor Schmerz, welcher ihn Sternchen sehen ließ. Aber zu lange durfte er sich nicht auf den Schmerz einlassen. Die Kreatur die ihn zu Boden geworfen hatte, drückte ihn immer noch an den Schultern auf den Boden und kniete über ihn. Dessen Reiszähne waren gebleckt und es lief Speicheln an ihnen herab, die Augen waren rotleuchtende Schlitze und sahen gehässig auf ihn herab.
 

Kai roch schon den übel riechenden Gestank aus dem Mund des Vampirs, als sich dieser zu ihm runterbeugte. In Sekundenschnelle musste er sich einfallen lassen, wie er diese Kreatur von sich runter bekam oder das wäre es für ihn gewesen.
 

Jedoch riss jemand anders den Vampir von ihm runter, bevor er ganz fertig mit seiner Planung war. Er sah nur noch das Gesicht des überraschten Vampirs, der nach hinten gerissen wurde und mit einen dumpfen Aufschlag gegen die nächste Wand donnerte und daran herunter sank. Er schüttelte sich den Kopf und starrte zu Tala, der über Kai stand und den gehässigen Blick des Geworfenen mit einen wütenden aus seinen ebenfalls rotleuchtenden Augen beantwortete.
 

„Warum hat das so lange gedauert?“, bedankte sich Kai für seine Rettung und stand wieder auf. Er fasste sich in den Nacken und massierte seine Rückenwirbel.

„Nachdem der mich erstmal K.O. geschlagen hat, weil du gepennt hast, brauchte ich eben ein paar Sekunden um mich zu sammeln, bevor ich euch verfolgen konnte“, gab Tala gereizt zurück und schaute nur seitlich zu Kai. Er wollte den Blick lieber nicht all zu lange abwenden von dem Vampir der nun vor ihnen stand und von einen zum anderen schaute. Anscheinend schätze er seine Chancen ab gegen zwei auf einmal zu kämpfen.
 

Kai wollte dessen Überlegungen beenden und schritt daher auf ihn zu. Eine weitere Verfolgungsjagd über die Dächer der Stadt wollte er heute Nacht lieber nicht eingehen.
 

Der Vampir erkannte seine missliche Lage und seine Hoffnungslosigkeit es mit zwei seiner Rasse gleichzeitig aufzunehmen und machte daher auf den Absatz kehrt und flüchtete. Kai und Tala setzten ihm sofort nach. Kai, der schnellere von ihnen beiden, schaffte es sogar den Flüchtigen zu überholen und passte ihn von vorne ab, Tala blieb knapp hinter ihm stehen. Sie hatten ihn eingekesselt.
 

„Aus dem Weg, Missgeburt!“, zischte der Vampir in Kais Richtung, an dem die Bemerkung aber nur abprallte und der keinen Gedanken daran verschwendete den Weg frei zu geben.
 

Der Vampir wagte noch einen Blick nach hinten zu Tala, der ebenfalls nicht den Eindruck machte, aus Lustlosigkeit heraus zu verschwinden.

Während die beiden Jäger nun von beiden Seiten auf den Vampir zu gingen um ihn endgültig den Gnadenstoß zu geben, schaute dieser immer wieder zwischen ihnen hin und her. Und dann hatte er sich entschieden und stürzte sich auf Tala.
 

Dieser hatte schon so etwas geahnt und schlug den Vampir die Faust ins Gesicht, der versucht hatte ihn mit einem waghalsigen Sprung zu überrumpeln. Leider war der Schlag nicht stark genug gewesen und der Vampir fasste sich sofort wieder und stürmte ein zweites Mal auf den nun verdutzten Tala zu. Auf einmal hatte er auch noch einen Dolch gezückt und Tala wich zwar nach hinten aus, aber dennoch schaffte es der Vampir Tala zumindest mit dem Dolch zu streifen.
 

Tala biss die Zähne zusammen, als er den Schnitt an seiner Seite spürte und wollte gerade zu einem neueren Angriff ansetzen, als Kai plötzlich über ihn und seinen Gegner auftauchte. Kai stürzte sich mit einen Kampfschrei auf seinen Gegner; seine scharfen Zähne waren deutlich zu sehen und seinen Augen glühten vor Wut. Er packte den Vampir im Nacken und schleuderte ihn gegen eine Hauswand, aber um einiges härter als es Tala gemacht hatte. Da wo der Vampir aufprallte bröckelten Teile der Wand auf den Boden. Kai ließ seinen Gegner keine Zeit zum erholen, er stürzte sich sofort wieder auf ihn verpasste ihn einen Schlug in die Magengrube.
 

Der Angegriffene ächzte und drohte zusammenzubrechen, als Kai schon blitzschnell einen hölzernen Pflock zückte und ihn sofort der Kreatur in die linke Brust rammte. Dieser konnte nur noch verdutzt schauen und dann schien er in einer Starre zu verharren und schließlich brauchte sein jungaussehender Körper nur einen Augenblick um zu altern und schließlich zu Staub zu verfallen.

Kai betrachtete nur für einen Moment das Häufchen Asche auf den Asphalt bis er sich Tala zuwandte.
 

„Bist du schwer verletzt?“, sagte er und versuchte dabei möglichst ruhig zu klingen, aber schaffte es nicht ganz.
 

„Nur ein kleiner Schnitt. Gib mir fünf Minuten“, sagte Tala und trat neben Kai. Kai sah nun etwas auf den Boden und bückte sich danach um es aufzuheben. Er hielt den Dolch des Vampirs in seinen Händen. Er hatte eine kurze geschwungene Klinge, der Griff war mit weißen Leder überzogen und auf den Kopf des Knaufs war ein Wappen zu sehen.
 

„Kommt dir das bekannt vor?“, fragte er Tala und gab es diesen in die Hand.

„Noch nie gesehen“, meinte Tala und runzelte die Stirn. „Ich glaube, der Kerl gehörte nicht zu dem Nest das wir kürzlich ausgerottet haben.“
 

„Das Ray und ich kürzlich ausgerottet haben“, korrigierte Kai. Er steckte seinen Pflock wieder weg und fing an zu gehen, als wäre nichts geschehen. Tala sah noch kurz auf das Häufchen Asche und schloss dann zu Kai auf.
 

„Er war eindeutig stärker als die von letzter Woche“, überlegte Kai mehr für sich. „Ich glaube, er muss zu einer größeren, mächtigeren Gruppe gehören.“

„Könnte sein, aber“, sagte Tala, „soweit wir wissen, gibt es hier doch zur Zeit keine solche Gruppe.“
 

Kai verengte die Augen und schaute stur nach vorne, während er überlegte. Größere Vampirvereinigungen bestanden meist aus mindestens 20 Personen und es kam so gut wie nie vor, dass ein einzelner irgendwo rumschwirrte. Aber ein solcher Vampir wie eben, der mehr draufhatte als die Provinznasen von Letztens, war eigentlich immer in einer solchen Gruppe.
 

Vampire waren allgemein Gemeinschaftswesen. Was also hatte dieser hier zu suchen? Vielleicht sollte er sich mal bei seinen Sponsoren melden und nachfragen, was die größeren Gruppen zurzeit treiben. Vielleicht war eine mal wieder am Wandern und das Häufchen Staub von eben war ein Kundschafter gewesen.
 

Kai schaute sich in der Gegend um, weil ihm der Ort so bekannt vorkam und stutzte kurz. Auch Tala schaute sich um und fing dann an zu grinsen ohne das Kai wusste warum. Kai wurde langsam klar, woher er die Gegend kannte. Hier war er bisher nur einmal gewesen und zwar zusammen mit Tyson. Hier war er mit ihm durchgelaufen als er ihn auf den Weg von der Arbeit nach Hause begleitet hatte.
 

Kai gab ein „Hm“ von sich und überlegte. Es war Freitagabend, kurz vor 22Uhr und die Chance das Tyson jetzt arbeitete war ziemlich groß. Seit Anfang der Woche, hatte er den Blauhaarigen nicht mehr gesehen. Das war allerdings nicht aus Zeitmangel gewesen, sondern weil er ihn einfach nicht sehen wollte.
 

Er hatte das Gefühl Tyson zu nahe gekommen zu sein. Als sie das Gespräch über Beziehungen geführt hatten und Tyson über seine ersten Erfahrungen auf der Schultoilette berichtet hatte, wo er mit einen Jungen die ersten Kusserfahrungen sammelte, musste Kai schwer an sich halten um ihn nicht sofort auch zu küssen. Und sei es auch nur um herauszufinden, ob sich das üben gelohnt hat.
 

Genauso hatte er eine Wut auf einen völlig Unbekannten verspürt, als Tyson berichtete, dass ihn sein Ex betrogen hatte. Wie konnte man nur einen Jungen betrügen, der Kai seit Tagen schlaflose Nächte bereitete. Jedes Mal wenn Kai schlafen ging, dauerte es eine Ewigkeit bis er vor seinen geschlossenen Liedern nicht mehr Tyson sah und endlich in die Traumwelt gleiten konnte.
 

Erst gestern Nacht war das Verlangen nach ihm so sehr gestiegen, dass sich Kai – nachdem Tala ihn rausgeschmissen hatte – selbst erleichtern musste. Und jetzt stand er in unmittelbarer Nähe zu seinem Objekt der Begierde und bekam schon ganz weiche Knie, wenn er nur daran dachte, dass er vielleicht nur ein paar Minuten von ihm entfernt war.
 

„Lust auf ein bisschen chillen nach der anstrengenden Nacht“, sagte Kai gleichgültig. „Hier um die Ecke ist eine Bar. Vielleicht gönnen wir uns ein paar Drinks um die Wochen ausklingen zu lassen.“
 

„Warum nicht“, sagte Tala freudestrahlend und lief schon zielsicher voraus. Kai war für einen Moment überrascht, aber ihm wurde auch schnell wieder bewusst, dass Tala genauso oft namenlose Affären hatte wie er. Vielleicht kannte er die Bar.
 

Sie mussten nur noch um die Ecke biegen und sahen dann schon die Anzeige der Moonlight-Bar blau aufleuchten. Schon von weiter weg konnte man die Musik vom Eingang aus hören und wenn jemand die Bar betrat sah man grelles Licht leuchten und Dunst aus der Tür kommen. Kai überlegte ob er das wirklich tun wollte.
 

Noch gestern hatte er Ray gegenüber behauptet, er wolle Tyson aus seinen Gedanken verbannen und jetzt stand er vielleicht kurz davor ihn wieder zu sehen. Hatte er nicht auch extra Tala den ganzen Tag angestachelt, damit er mit ihm auf Jagd ging und er somit nicht Ray und seine Weisheiten ertragen musste?
 

Im Moment war Kai einfach nur aufgewühlt und Unentschlossenheit plagte ihn. Zum einen wusste er, dass es nicht gut war Tyson so nah zu kommen, oder besser gesagt, ihn so nah kommen zu lassen. Aber anderseits konnte er das Verlangen ihn wieder zu sehen, ihm nahe zu sein, seine Art zu erleben nicht widerstehen. Außerdem musste jegliche Kontaktaufnahme mit den Blauhaarigen von ihm kommen.
 

Tyson wusste so gut wie gar nichts über Kai. Weder kannte er seine Adresse noch hatte ihm Kai je seine Handynummer gegeben. Tyson hatte aber auch nie danach gefragt. Wahrscheinlich hatte er schnell begriffen, dass diese Anfrage nur auf taube Ohren stoßen würde und somit sinnlos wäre, oder, und diese Möglichkeit versetzte Kai einen Stich, oder es interessierte Tyson schlichtweg nicht.
 

Diese und viele andere Gedanken versuchte Kai unter seiner Schale aus Arroganz und Übermut geheim zu halten. Weder Tala noch Ray sollten wissen, was dieser Junge, den er doch kaum kannte, in ihn auslöste.
 

Tala und Kai betraten nun gemeinsam die Bar. An der Garderobe mussten sie Eintrat bezahlen und gaben ihre dunklen Mäntel ab. Der Junge an der Garderobe musterte sie und fragte sich wohl, ob sie Gothiks wären, weil sie beide dunkle Mäntel trugen und auch sonst einen blassen Eindruck machten. Er war aber so höflich, dass er kein Wort sagte, die Mäntel an Bügel hängte und ihnen Chips mit Zahlen darauf aushändigte.
 

Danach gingen sie durch eine weitere Tür und betraten nun die Bar. Kai kannte das Bild ja schon. An der Bar saßen bereits viele Jugendliche und junge Erwachsene und unterhielten sich mit jemand, oder genossen einen guten Drink. An den runden Tischen die auf einer Epoche oder um das Tanzfeld herum standen, saßen auch schon viele Leute, aber es waren auch noch ein paar Plätze frei. Der meiste Trubel herrschte auf der Tanzfläche. Auf der Bühne spielte eine Newcomerband.
 

Kais Blick ging zur Bar, aber dort konnte er keinen blauen Haarschopf erkennen. Er wusste, dass es auch sein könnte, dass Tyson heute gar nicht arbeiten würde, aber dann hörte er einen erstickten Schrei und hörte Gläser krachen. Er sah zur Seite und sah jemanden quer über den Boden liegen und ein Tablett mit zerbrochenen Gläsern vor sich. Kai verzog seine Mundwinkel nach oben und ging ohne auf Tala zu warten auf Tyson zu.
 

Der rappelte sich gerade wieder auf und murmelte Entschuldigungen vor sich hin, allerdings anscheinend mehr zu sich selbst, denn die Leute die an den Tischen um ihn herum saßen, hatten nur hingesehen als er gefallen war und sich dann wieder ihren Gesprächen gewidmet. Tyson kniete immer noch auf den Boden und unterdrückte anscheinend tapfer die Schamtränen während er die Glasscherben einsammelte.
 

„Wenigstens waren die Gläser schon leer“, sagte Kai, begab sich ebenfalls in die Hocke und langte nach einer großen Glasscherbe und legte sich auf Tysons Tablett.
 

„Kai …“, sagte Tyson völlig überrascht und schaute zu ihm hoch, doch schnell erinnerte er sich wieder an seinen Job und half Kai dabei, die restlichen Splitter einzusammeln. Für die ganz kleinen musste er gleich mit einen Handfeger noch mal kommen, aber dank Kai hatte er die größeren schnell zusammen. „Was machst du hier?“, fragte Tyson, als er wieder aufstand und Kai ebenfalls.
 

„Meinen Feierabend genießen“, erklärte Kai und schaute sich dabei nach Tala um. War der schon auf Männerfang oder wo steckte er. Aber da kam er schon angelaufen. Vielleicht hatte er sich auch nur noch für den Moment umgesehen.

„Darf ich dir denn gleich was bringen?“, fragte Tyson ohne auf die Person zu achten, die gerade zu ihnen kam.
 

„Lauf doch nicht gleich davon, Kai“, beschwerte sich Tala als er zu ihnen gelangte. „Oder hast du schon ein Zuckerstückchen entdeckt?“, setzte er lasziv dazu und sah dann zu Tyson und sofort schien er zu erschrecken und auch Tyson machte auf einmal ein total überraschtes Gesicht.
 

„Gu- Guten Abend“, stotterte Tyson vor sich hin und starrte nervös zwischen Tala und Kai hin und her.
 

Tala allerdings wendete sich an Kai und sah ihn etwas perplex an.

„Kennst du den?“, fragte er und versuchte dabei ziemlich gleichgültig zu klingen, was Kai aber durchschaute. Allerdings fragte er sich, warum das so war.
 

Okay, Tyson wusste das Kai mit jemanden zusammenwohnte, mit dem er mal eine Affäre hatte und Tala wusste, dass Kai in letzter Zeit etwas merkwürdig war und das wohl aufgrund eines Jungen, schließlich redete er mit Ray.
 

Also wussten beide von der Existenz des jeweils anderen und konnten sich zusammenreimen, dass es sich um den jeweiligen handelte, der gerade vor ihnen stand. Wahrscheinlich waren sie nur beide peinlich berührt über das Treffen, weil sie etwas von den andern wusste, ohne ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Auf jeden Fall kein Grund sich Gedanken zu machen.
 

„Stellt euch selbst vor“, sagte Kai nur und ließ die beiden links liegen.

„Ich muss die Scherben wegbringen“, meinte Tyson und entfernte sich von den beiden mit einem ziemlich steifen Gang.
 

„Da ist ein Platz frei“, meinte Tala und ging genauso steif auf einen Tisch zu.

Kai wunderte sich ein wenig über die Beiden, ging aber trotzdem auf den Tisch zu, an dem sich Tala setzte.
 

„Ray hat mir erzählt, dass du wegen eines Jungen seit neuesten von der Rolle bist“, sagte Tala und sah Kai aber nicht an, sondern starrte auf die Tanzfläche. „Und er sagte derjenige würde in einer Bar arbeiten. Ich kann also davon ausgehen, dass es sich dabei um ihn handelt?!“
 

„Ich bin wegen niemanden von der Rolle“, gab Kai bedrohlich zurück und starrte Tala finster an, aber der kratzte sich nur nervös am Kopf und murmelte kaum verständlich einen russischen Fluch.
 

Kai fragte sich, ob er weiter nachbohren sollte, warum Tala sich so benahm, aber da erschien Tyson schon wieder an ihren Tisch.
 

„Ein Tequila ist doch recht, oder Kai?“, fragte er und stellte vor Kai ein Glas ab. Kai nickte ihn nur aufmunternd zu. Der Tequila in dieser Bar schmeckte gut und er hatte ihn auch bestellt, als er das erste mal hier gewesen war, also war Tysons Wahl gut gewesen. Doch zu Kais Verwunderung stellte Tyson auch ein Glas vor Tala. Kai erkannte das Getränk an der Farbe und Aufmachung. Ein Metropoliten. Talas bevorzugtes Getränk.
 

„Woher wusstest du, was du Tala bringen musst, Tyson?“, fragte Kai ohne auf seine ,Mich interessiert nichts und niemand’ Haltung zu achten.

Durch Tysons Körper schien ein Stromschlag zu gehen, so sehr zuckte er zusammen.

„Geraten“, sagte er eiligst und entfernte sich wieder.
 

Wurde er hier gerade verarscht oder was sollte das mehr als merkwürdige Verhalten von Tala und Tyson.

„Sag mal, Kai“, versuchte Tala ein Gespräch anzufangen, „Ray meinte, du würdest etwas für Tyson empfinden.“ Tala kratzte sich wieder am Kopf und versuchte ein ziemlich gleichgültiges Gesicht aufzusetzen. Darin war er fast so gut wie Kai, aber eben nur fast. „Wie darf ich das verstehen?“
 

„Ich empfinde rein gar nichts für Tyson“, zischte Kai und schwor sich, Ray bei ihren nächsten Treffen zu massakrieren. „Ray erzählt Mist.“

„Na ja, du bist in letzter Zeit schon etwas komisch drauf“, redete Tala weiter ohne auf Kais Aggressivität einzugehen. „Könnte es nicht doch sein, dass du … wie soll ich es ausdrücken … vielleicht doch Interesse an ihm hast.“
 

Kai lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schaute Tala gehässig an. „Wenn dann nur sexueller Natur.“

„Ah ja“, meinte Tala langsam und wendete sich nun seinen Drink zu und nippte an ihn.
 

Das eben entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber Kai würde Tala wohl kaum stecken, dass sein Interesse an Tyson von Anfang an, viel tiefer ging, als körperliche Nähe.
 

**^^**
 

Tyson hatte sich derweil, etwas hinter der Bar verschanzt und suchte nach der Kehrschaufel um die letzten Glasscherben wegräumen zu können. Dabei ließ er sich besonders viel Zeit um nicht wieder in die Nähe von Tala und Kai kommen zu müssen.
 

Das eben war echt ein Schock gewesen. Zuerst hatte er sich gefreut Kai wieder zu sehen, denn dieser hatte sich seit Anfang der Woche ja nicht mehr bei ihm blicken lassen und Tyson hatte schon Angst gehabt, er wäre ihm doch zu nahe getreten und Kai hätte sich vollkommen von ihm zurückgezogen. Er hatte die leise Hoffnung gehabt, Kai würde vielleicht wieder hier auftauchen und selbst wenn er es getan hätte um wieder vor seinen Augen andere anzubaggern, es hätte ihn froh gemacht ihn einfach sehen zu können. Aber mit Tala hätte er niemals gerechnet.
 

Wie lange war das jetzt her? Vier oder Fünf Monate. Nicht lange nach der Trennung von Kane jedenfalls. Er hatte sich auch nicht viel dabei gedacht. Er brauchte Ablenkung und hatte von einem Bekannten an der Universität erfahren, dass diese Bar ganz gut wäre. Damals hatte er zumindest noch nicht hier gearbeitet. Schon als er die Bar betreten hatte, fiel ihm auf, wie viele gutaussehende junge Männer hier verkehrten und das so mancher für einen One-Night-Stand zu haben war.
 

Nach fünf Minuten, in denen schon so mancher in seine Richtung gesehen hatte, überlegte sich Tyson ob er nicht ganz schnell wieder nach Hause gehen sollte, aber dann wurde ihm klar, dass dies nicht nötig war. Er war verdammt noch mal Single und sein Selbstwertgefühl hatte durch Kane und dessen Fremdgehen einen Knacks erhalten. Was sollte ihn davon abhalten sich mal mit einem anderen Jungen einfach nur zu amüsieren? Guter Sex für Umsonst. Er müsste sich nicht mal schäbig vorkommen, wenn dieser auch nur auf einen geilen Trip aus wäre. Und dann hatte ihn Tala angesprochen …
 

Tyson schloss die Augen und ihm kam die Erinnerung vor, wie wenn es gestern gewesen wäre. Nie hatte er sich dafür geschämt oder sich sonst irgendwelche Gedanken darüber gemacht, aber Tala nun wieder zu sehen und zu wissen, dass er ein Freund von Kai war, sogar dessen Mitbewohner, versetzte Tyson in Unbehagen.
 

Was würde Kai nur von ihm denken, wenn Tala ihm nun erzählte, dass er sich früher einmal nach ein, zwei Drinks abschleppen ließ. Anderseits hatte Tala keinen Grund es Kai zu erzählen, schließlich war er auch nicht viel besser und er schien genauso erschrocken darüber zu sein ihn wieder zu sehen, wie er selbst.
 

Endlich hatte Tyson den Kehricht gefunden, aber ihm grauste trotz allen davor in Richtung der beiden zu gehen, deshalb drückte er kurzerhand einen anderen Jungen der bediente, Schaufel und Besen in die Hand und zeigte auf die Stelle, wo die restlichen Scherben lagen.
 

Er redete sich mit der Ausrede, schnell noch wo bedienen zu müssen, raus. In Wahrheit blieb er aber an der Theke stehen und fragte sich, ob er genug Überstunden hätte um jetzt schon gehen zu können, als er plötzlich zwei Hände an seinen Seiten spürte. Er zuckte erschreckt zusammen und versteifte sich, einen kleinen Schreckenslaut konnte er gerade noch unterdrücken.
 

„Warum so nervös, Tyson?“, vernahm er die verruchte Stimme von Tala an seinen Ohr und er spürte wie sich der rothaarigen an seinen Rücken schmiegte.

Sofort erwachte Tyson aus seiner Starre drehte sich zu Tala um, packte diesen am Arm und schleifte ihn so unauffällig wie möglich in das Hinterzimmer.
 

Das Hinterzimmer war ein Raum, wo alle Angestellten ihre Jacken und Taschen ablegen konnten. An der Wand stand zusätzlich noch ein Tisch an dem ihr Chef kleinere Büroarbeiten erledigte.
 

„Was soll das?“, fragte Tyson gereizt an Tala, welcher nur lässig im Raum stand.

„Ich hab dich netter in Erinnerung“, erwiderte Tala und musterte Tyson. „Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass du hier gearbeitet hast. Aber anscheinend hast du dich an das Getränk erinnert, dass du auf meinen Lippen schmecktest.“
 

Tyson durchlief ein Schauer aus Wut als Tala ihm so normal auf ihr Stell dich ein ansprach.
 

„Ich habe kurz darauf angefangen hier zu arbeiten“, beantwortete Tyson die erste Frage von Tala, „und ich wäre um einiges netter zu dir, wenn du dich nicht gerade eben so an mich rangeschlichen hättest.“

„Hast du etwa Angst Kai könnte uns sehen?“, fragte Tala.

Tyson zog einen Schmollmund und schaute zur Seite. „Ich will nicht, dass er von mir denkt, ich wäre leicht zu haben.“
 

Tala seufzte genervt auf und schaute zur Decke. „Was denkst du denn was Kai ist!? Der hat noch mehr Affäre als ich.“
 

Das versetzte Tyson einen kleinen Stich in sein ohnehin schon verletztes Herz. Was wollte Tala ihm damit sagen? Das er bei Kai weiter käme, wenn er sich ihm als Sexsklave anbot. Aber anstatt diese Frage zu stellen, schaute Tyson nur weiterhin auf den Boden.
 

„Wegen mir brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, erläuterte Tala weiter. „Ich stecke Kai ganz sicher nicht, dass ich mal was mit dir hatte. Er kann ja so unberechenbar sein.“
 

Den letzten Satz hatte Tala mit einer verschwörerischen Stimme gesagt. Anscheinend kannte er Kai sehr gut, konnte aber auch nicht jede seiner Handlungen vorausahnen.
 

„Aber sag mal“, wandte er sich wieder mehr zu Tyson und in seiner Stimme lag Neugier, „das damals. Das war doch okay für dich gewesen?“

Tyson schaute nun doch wieder zu Tala und ein kleines Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
 

„Also ich hatte meinen Spaß“, antwortete er.

Er begab sich wieder nach draußen, ging zum Ende der Bar und sammelte sein Tablett auf. Wenn Tala die Klappe halten würde, würde er den Abend schon irgendwie überstehen.
 


 

Da dieses Kapitel anfangs länger war als beabsichtigt, habe ich es in zwei Teile aufgeteilt. Der zweite Teil folgt aber denmnächst.

Revierverhalten (Teil 2)

Kai der gerade von der Toilette zu seinen Platz zurückkam, wunderte sich zuerst wo Tala abgeblieben war, aber der tauchte auch gleich wieder auf. Mit einen entspannten und zufriedenen Gesicht setzte er sich wieder Kai gegenüber und nahm einen Schluck aus seinen Glas.
 

„Du benimmst dich merkwürdig“, meinte Kai, der sich nicht ganz erklären konnte, warum Tala plötzlich wieder so ruhig und gelassen war.
 

„Warum?“, fragte Tala nur und ignorierte Kai dann einfach. Er sah sich lieber die vielen jungen Männer an, die um sie herum waren. Kai konnte sich schon denken, dass er die Auswahl durchsah.
 

Kai hackte nicht weiter nach. Auch wenn Tala zuerst nervös und jetzt völlig cool wirkte, so wollte er sich seinen Abend nicht, aufgrund von Stimmungsschwankungen seines Freundes, vermasseln lassen.
 

Kai schaute sich lieber nach Tyson um. Dieser war jetzt wieder dabei die Tische zu bedienen. Vorhin war er an der Bar gestanden und hatte nicht den Eindruck gemacht noch mal da wegkommen zu wollen, aber jetzt wirkte auch er wieder munterer.
 

Aber leider konnte sich Kai Tyson auch nicht näheren, während er bediente, denn dann käme es Tyson bestimmt nicht recht, wenn Kai ihn einfach so überfiel. Da war es einfacher gewesen, als er an der Bar saß und Tyson von dort bediente. Da hatte er einfach sitzen bleiben können und Tyson war es nicht aufgefallen, dass er ihm ständig Blicke zuwarf.
 

Kai sah seine Gelegenheit für eine Annährung, wenn Tyson an der Bar die Getränke bestellte und solange am Ende des Tresens warten musste. Tala würde schon noch früh genug ein Lustobjekt entdecken und ihn somit auch nicht länger auf die Nerven fallen. Während Kai noch darüber nachdachte, wie er sich an Tyson heranmachen konnte, ohne zu eindeutige Signale zu senden, kam besagter aber schon an ihren Tisch.
 

„Kann ich euch noch was bringen?“, fragte er und nahm die beiden inzwischen leeren Gläser auf sein Tablett.

„Mir noch einen Sex on the Beach“, meinte Tala und grinste fies, „aber an diesen Tisch“, setzte er hinzu und zeigte auf einen Tisch, an dem nur einer saß und stand auf.

Kai und Tyson sahen ihm hinterher.
 

„Hure“, sagte Kai sehr leise, aber Tyson hörte es trotzdem und schaute ihn dementsprechend fassungslos an.
 

„Bring mir noch einen Wodka“, sagte er dann an Tyson und sah zu, wie dieser an die Bar ging und die Bestellungen aufgab.
 

Jetzt oder Nie. Geschwind stand Kai auf und lief langsam und leise auf Tyson zu, welcher wartend an der Theke stand und ihn nicht kommen sah. Als er dann direkt hinter ihm stand, legte Kai seine beiden Hände an Tysons Seite.

„Tala, lass das!“, sagte Tyson genervt und wirbelte herum. Als er Kai erkannte, der ihn erschrocken musterte, verkrampfte er sich sofort.

„Tala?“, fragte Kai.
 

„Äh, nein“, sagte Tyson ganz hibbelig und fuchtelte abwehrend mit den Armen. „Ich sagte: Man, lass das. In dieser Bar, wird man ständig betatscht.“

„Du sagtest Tala“, sagte Kai ernst und schaute Tyson einschüchternd in die Augen. Diese sahen ihn ertappt an.
 

„Ty-chan, deine Bestellung.“ Ein anderer Junge schob Tyson ein Tablett zu, dieser ergriff die Gelegenheit und stahl sich davon. Weil er auch noch andere Drinks, als die von Tala und Kai auszuteilen hatte, ging er zuerst an diese Tische. Kai lief zielstrebig auf Tala zu, der gerade mit einem Jungen flirtete.
 

„Du kommst jetzt mal mit“, sagte er, als er am Tisch ankam und den verdutzten Tala am Arm packte und hinter sich herschleifte. Dieser protestierte lauthals, aber Kai war jetzt fuchsteufelswild. Er hatte eine Vermutung was hier abging und Tala musste sich wirklich um seine Gesundheit sorgen, wenn sich diese Vermutung bewahrheitete.
 

Kai zog Tala durch den Raum und durch die Garderobe raus vor die Bar, wo gerade niemand war, und drückte ihn gegen die Wand.
 

„Du sagst mir jetzt sofort, was zwischen dir und Tyson läuft!“, sagte er drohend und drückte Tala mit beiden Händen gegen die Wand.

„Nichts“, sagte Tala einfach drauf los, aber schon nahm Kai eine seiner Hände von Talas Schulter und schlug sie neben seinen Kopf in die Wand. Etwas putz bröckelte ab und man sah den Abdruck von Kais Hand.
 

„Versprich mir, nicht allzu sehr auszurasten“, sagte Tala, aber diese Worte hätte er sich sparen können. Kai hatte jetzt schon einen gestörten Blick. „Wir hatten mal eine Nacht zusammen.“
 

So schnell konnte Tala gar nicht schauen, schon hatte ihn Kai seine Faust ins Gesicht geschlagen. Aber zum Glück nicht so stark wie er befürchtet hatte. Sein Kopf flog zwar zur Seite, aber er konnte immer noch stehen. Kai drehte sich weg und starrte auf den Boden vor sich. Wie konnte Tala nur?
 

„Was regst du dich deswegen so auf?“, hörte er Tala hinter sich meckern, der sich anscheinend wieder aufraffte. „Ich dachte, er bedeutet dir nichts.“
 

Kai musste sich beherrschen um nicht irgendwas kurz und klein zu hauen. Okay, er hatte auch seine Affären und er wusste, dass Tala diese auch hatte. Aber zu erfahren, dass Tyson eine davon war; das tat so weh. Es ist grade mal eine Woche her, da hatte ihn Tyson noch groß vorgeheuchelt, er halte nichts von solchen Typen wie Tala, die sich für jede Nacht einen anderen suchten.
 

„Und?“, fragte Kai. Man konnte seine unterdrückte Wut förmlich spüren. „War es wenigstens gut gewesen?“
 

„Ach Mensch, Kai“, seufzte Tala. „Das war eine einmalige … zweimalige Sache.“ Das hätte er lieber nicht gesagt. Kais Hände fingen schon wieder an zu zucken. „Das ist schon einige Monate her und ich hatte das Gefühl, Tyson war zu dieser Zeit aufgewühlt gewesen. Hat irgendwas von einer Trennung und so gefaselt.“
 

„Ich fragte, ob er gut war!“, schrie Kai in die Nacht.

Er hörte Tala hinter sich schnaufen. Er wollte sich nicht umdrehen und ihn ansehen. Vielleicht könnte er sich nicht beherrschen.

„Ja, es war gut“, sagte Tala. „Bist du jetzt zufrieden?“
 

„Hast du Geld von ihm genommen?“

Nun war Kai zu weit gegangen. Tala kam auf ihn zu, drehte ihn zu sich um und schaute ihn wütend an.
 

„Wie kannst du mich so was nur fragen?“, sagte er aufgebracht und schaute Kai aufgebracht in die Augen. „Einmal Hure immer Hure, oder was?“

Kai sah demonstrativ in eine andere Richtung und tat so, als würde er Tala nicht hören.

„Was ist eigentlich los mit dir? Ich dachte, der Junge sei dir egal. Wenn du unbedingt mit ihm vögeln willst, dann mach es doch. Aber lass mich in Ruhe!“
 

Damit warf Tala Kai von sich und ging wieder zurück. Kai blieb noch draußen. Er fühlte sich verletzt. Wäre es einfach ein Junge oder so gewesen, einer seiner Ones, den Tala mal gehabt hätte, dann wäre es ihm egal gewesen. So was kann schon mal passieren. Aber Tyson … Er hatte gedacht, Tyson sei die Art von Jungen, die immer nur ernste Beziehungen eingehen, die ehrlich und offen sind.
 

Und nun musste er erfahren, dass er mit Tala in der Kiste war. Das tat so verdammt weh.
 

Kai aber wollte es nicht so enden lassen. Mit einem Entschluss ging auch er zurück in die Bar.
 

**^^**
 

Tyson war ganz mulmig zumute geworden, als er gesehen hatte, dass Kai mit Tala nach draußen ging. Würde Tala doch nicht dicht halten? Es war ihm inzwischen unangenehm, damals mit einen Jungen geschlafen zu haben, dessen Namen er zuerst gar nicht wusste. Erfahren hatte er ihn erst, als er völlig erschöpft neben ihn lag und es ihm eingefallen war danach zu fragen. Tala hatte seinen damals auch nicht gewusst. Er hatte ihn während des Akts nur Baby genannt.
 

Tala war eine Ausnahme gewesen. Nach dem zweiten Mal hatte Tyson genug vom lockeren, verantwortungslosen Sex gehabt und hatte sich in der Bar beworben, die zu dem Zeitpunkt Aushilfen suchte. Während der Arbeit hatte er hier und da zwar Anfragen bekommen und manche gingen auch so weit, ihn zu betatschen, aber Tyson hatte immer rigoros abgelehnt. Sein Selbstwertgefühl war wieder das alte und er hatte daher keine Lust mehr als One-Night-Stand zu enden.
 

Als Tyson sah, wie Tala, mit einen eindeutig genervten Gesichtsausdruck, wieder in die Bar zurückkam und Kai nicht, wurde ihm ganz übel.

Vielleicht hatte Tala es doch verraten. Kai würde sauer sein, schließlich hatte er ihm doch erzählt, dass er von Typen wie Tala nichts hielt. Er ging schnell hinter die Bar, wo sein Chef wieder persönlich die Drinks mixte.
 

„Chef, äh … ich habe Bauchschmerzen. Kann ich jetzt schon schlußmachen?“ Das war nicht mal gelogen. Tyson wurde es ganz flau im Magen, wenn er daran dachte, Kai noch mal in die Augen sehen zu müssen. Abhauen, war zwar nicht gerade nobel, aber wenn Kai sauer war, dann würde er ihm heute lieber nicht noch mal begegnen wollen. Tyson fürchtete sich vor einen Kai, der ihn zur Rede stellte. Es könnte natürlich auch der Fall sein, dass sich Tala und er wegen etwas anderen gestritten hatten, aber er wurde das miese Gefühl nicht los, das von ihm Besitz ergriffen hatte.
 

Der Chef sah in Tysons bittendes Gesicht das fahl wirkte und nickte deshalb nur.

„Morgen dann aber zwei Stunden früher“, sagte er und wendete sich wieder seinen Mixer zu.
 

Tyson ging sofort ins Hinterzimmer und lehnte dort kurz an die geschlossene Tür. Er atmete tief durch und ging dann zu seiner Tasche, die auf einen Stuhl in der Ecke stand. Er zog das schwarze Hemd, das er zur Arbeit tragen musste und das Logo der Bar aufgestickt hatte aus und hing es auf einen Kleiderbügel und hängte es an die Kleiderstange. Unter dem Hemd trug er nur noch ein Muskelshirt. Er wollte gerade nach seiner Jacke langen, als er hinter sich die Tür auf und wieder zugehen hörte. Er drehte sich herum und sah Kai mit den Rücken zu ihm stehen und den Schlüssel umdrehen.
 

„Kai, was …“, sagte Tyson, aber da kam Kai schon mit einen undefinierbaren Blick auf ihn zu, hob sein Kinn mit einer Hand an und küsste ihn.
 

Tyson riss völlig erschrocken die Augen auf, als Kai ihn so einfach küsste. Er zwängte auch Tysons Lippen auseinander und fuhr mit seiner Zunge in seinen Mund.

Wenn Tyson nicht so geschockt gewesen wäre, hätte er ihn vielleicht von sich weggeschubst, schon weil der Kuss nicht gerade der zärtlichste war. Aber bevor er seine Gedanken, die sich um die Frage - was soll das - drehten, ordnen konnte, drängte ihn Kai schon zurück und Tyson spürte auf einmal den Tisch in seinem Kreuz.
 

Kai löste sich von seinen Lippen.

„Kai“, sagte Tyson völlig verwirrt, „warte…“, aber wieder kam er nicht weiter. Nachdem ihm Kai einfach an den Unterschenkeln gepackt und auf den Tisch gehoben hatte, drückte er schon wieder seine Lippen auf die von Tyson, dabei drängte er sich nach vorn und zwischen Tysons Beine. Dem wurde es jetzt eindeutig zu bunt.
 

Er drückte mit seinen Händen gegen Kais Brust, aber der ließ sich erst gar nicht anmerken, dass er Tysons Gegenwehr spürte. Er beendete nun zwar den Kuss, aber nur um seine Lippen an Tysons Hals zu bringen, während seine Hände unter Tysons Shirt glitten.
 

„Kai, lass das gefälligst!“, sagte Tyson nun lauter und packte Kais Hand, die über seinen Bauch strich.

„Wieso? Ich weiß, dass du darauf stehst“, nuschelte Kai gegen seinen Hals und Tyson erstarrte für den Moment. Diesen Augenblick nutzte Kai um den obersten Knopf von Tysons Hose zu öffnen und mit seiner Hand rein zufahren, aber das war nun doch zuviel gewesen. Tyson zog die Beine an, stemmte sie kurzerhand gegen Kai und stieß diesen von sich weg.
 

Kai fiel zurück und prallte gegen die Wand, Tyson der sich nun nicht länger auf den Tisch halten konnte fiel davon herunter und landete unbequem auf den Boden. Er hielt die Hand über sein hochgerutschtes T-Shirt und schaute Kai fassungslos an. Dieser schaute mit empfindungslosem Blick auf Tyson zurück.
 

„Was sollte das?“, fragte Tyson schockiert. „Wieso hast du das …“

„Was willst du?“, sagte Kai nur, als verstünde er nicht, warum Tyson ihn unterbrochen hat. „Wenn du mit Tala mal kurz in die Kiste springen kannst, woher soll ich dann wissen, dass du das nicht auch bei jeden anderen machst.“
 

In Tyson zog sich alles zusammen. Er konnte nicht glauben, was Kai gerade sagte. Hatte er sich so sehr in ihm getäuscht?

„Wenn du mit jeden …“
 

„Was meinst du damit? Sollte das so eine Art kranke Reviersmakierung sein?“, sagte Tyson aufgebracht und stand wieder auf. „Gleich mal zeigen, wer jetzt hier der neue Macker ist?“ Tyson schnappte sich seine Tasche und Jacke und ging einfach an Kai vorbei und zur Tür. Er schloss sie wieder auf und stürmte hinaus.
 

„Tyson?“, hörte er einen seiner Arbeitskollegen fragen, an dem er vorbeistürmte, aber Tyson achtete nicht darauf. Auch als er aus der Bar draußen war, hörte er nicht auf im Schnellschritt zu laufen. Als Kai einfach so über ihn hergefallen war, hatte er Angst gespürt, aber jetzt war er wütend. Einfach nur wütend.
 

Es ist nicht okay, sich über Leute aufzuregen, die nur darauf aus sind, jemanden ins Bett zu kriegen, wenn man das selber mal war, aber das gab Kai noch lange nicht das Recht, so über ihn herzufallen.
 

Während Tyson sich alle möglichen Schimpfwörter für Kai überlegte, wurde er auf einmal am Arm gepackt und aufgehalten. Er drehte sich um und erkannte Kai, der ihn am Arm festhielt. Sein Gesicht war ausdruckslos.
 

„Lass mich los!“, sagte Tyson energisch und zog mit einem Ruck seinen Arm aus Kais Griff, blieb aber dennoch stehen. Trotz dem eben passierten, fühlte er sich nicht von Kai bedroht.
 

„Das eben hast du falsch verstanden“, sagte Kai mit klarer Stimme, als ginge es um so etwas belangloses wie ein falsches Getränk.

„Deine Hand in meiner Hose“, regte sich der Blauhaarige auf, „was soll ich daran falsch verstanden haben?“

„DAS meinte ich doch nicht“, meinte Kai entnervt und fasste sich an die Stirn.

Sie standen sich einfach nur gegenüber und warteten darauf, dass der andere etwas sagte.
 

„Ich dachte, du würdest auf Kerle stehen, die gleich mal zeigen, was Sache ist“, erklärte Kai weiter und schaute in eine andere Richtung.

„Soweit ich mich erinnere habe ich dir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass ich NICHT auf solche Kerle stehe.“

„Und was war dann mit Tala?“ Nun schaute Kai wieder in die Augen von Tyson, der zuerst aber wegsah und sich dann doch wieder Kai zuwandte. Er sah in dessen rubinrote Augen und schaute dann mit hochrotem Kopf auf den Boden.
 

„Das war eine Ausnahme“, nuschelte er. „Nach der Trennung von meinen Freund, brauchte ich das zur Selbstbestätigung. Eigentlich halte ich wirklich nichts von Begegnungen in einer Bar und dem darauf folgenden Sex.“
 

Ein bisschen mitleidig musste Kai jetzt doch zu dem Kleinen schauen. Als Tyson von der Trennung erzählt hatte, hatte er schon bemerkt, dass ihm das ziemlich zugesetzt, aber nicht, dass es solche Folgen gehabt hatte.
 

Dann fiel Tyson etwas ein und er sah Kai wieder herausfordernd an.

„Aber warum bist du jetzt eigentlich so über mich hergefallen?“

Kai fühlte sich ertappt und schaute mit arroganter Miene woanders hin.

„Ähm, ich … das war nur … ich meine…“, stotterte Kai herunter und Tyson verfiel sofort in ein überraschtes Grinsen. Kai fehlten die Worte, dass er das noch mal erleben durfte.
 

„Du warst Eifersüchtig“, sagte er dann heraus, ohne groß nachzudenken und sofort ging Kai wieder in Abwehrhaltung.

„So ein Quatsch“, begehrte er auf, aber seine roten Wangen verrieten ihn. „Auf was sollte ich denn eifersüchtig sein? Das Tala es geschafft hat, dich Nervensäge zu ertragen?!“
 

Sofort zog Tyson wieder einen Schmollmund. Musste Kai denn immer so unsensibel sein? Kai bemerkte den Schmollmund und wurde sogleich etwas sanfter.

„Vielleicht war ich ein bisschen eifersüchtig.“
 

Tyson verzog zwar den Mund nicht mehr, aber er schaute immer noch skeptisch zu Kai, der wurde aber immer weicher, je länger Tyson ihn mit seinen Schokoaugen ansah. Schließlich konnte Kai nicht mehr an sich halten. Er drehte sich wieder gänzlich zu Tyson um, nahm dessen Gesicht in seine Hände und kam ihn ganz nah.
 

Tyson schien zwar etwas erschreckt, aber er wehrte sich nicht. Kurz vor Tysons Lippen hielt Kai noch mal inne und versank in den Augen. Auch Tyson konnte nicht den Blick abwenden von den roten Rubinen die ein Feuer ausstrahlten, welches sich tief in ihn brannte. Dann schloss er die Augen und empfing Kais Lippen, die sich nun auf seine legten. Zuerst war es nur der sanfte Kuss, den sie schon mal ausgetauscht hatten, doch dann stupste Kai ganz vorsichtig mit seiner Zungenspitze an Tysons Lippen.
 

Er musste es ein weiteres Mal machen, bis Tyson endlich seine Lippen teilte und die warme, feuchte Zunge gewähren ließ. Es war nicht der aufgezwungene Kuss, wie vor ein paar Minuten im Hinterzimmer, sondern ein gänzlich anderer. Er war leidenschaftlicher und zärtlicher.
 

Kai erforschte seine gesamte Mundhöhle. Schien jeden Winkel abzutasten und zu streicheln. Als er schließlich Tysons Zunge umgarnte, schlang sich diese auch um Kais und die beiden versanken schließlich in einen Zungenkuss. Tyson hätte auch gerne Kais Mund erforscht, aber davor löste dieser den Kuss.
 

Inzwischen hatten beide die Arme um den anderen geschlungen. Kai seine um Tysons Oberkörper und Tyson hing förmlich an Kais Nacken. Auch nach dem Kuss blieben sie sich so nah und versanken wieder in ihren Augen.

„Vielleicht“, hauchte Kai dann gegen Tysons feuchte Lippen, „empfinde ich ja etwas für dich.“

Liebe? Wie geht das?

Es hat zwar etwas länger gedauert, aber hier ist nun endlich das nächste Kapitel. Eigentlich ist es ein ziemlicher selbstläufer, denn geplant war es eigentlich als Einblick in das Liebesleben von Kai und Tyson und schon wurde daraus, ein wichtiger Teil zu Story und ein Einblick in die Probleme der beiden.

Ich wünsche trotzdem viel Spaß beim lesen und hoffe, dass sich das lange warten für euch gelohnt hat.
 


 

Vielleicht empfinde ich ja etwas für dich. Das waren Worte gewesen, die Tyson noch nie so gehört hatte. Aber gleichzeitig hatte er schon lange nicht mehr gehört, dass jemand überhaupt etwas für ihn empfand.
 

Er hätte sich zumindest glücklich schätzen sollen wieder begehrt zu sein. Ein kleiner Zweifel nagte jedoch trotz allen an ihm, dass Kai nur mit ihm spielte. Es misstraute ihn einfach, dass jemand, der den ganzen Tag mit einer Leck-Mich-Visage daherlief, ihm sagte, dass er etwas für ihn empfinde. Außerdem war da immer noch der Überfall in der Umkleide.
 

Okay, Kai hatte sich dafür – auf seine Art – Entschuldigt und ihm versichert, dass er kein notgeiler Bock war. Dennoch waren jetzt zwei Wochen vergangen seit diesen Abend und Tyson ließ Kai nicht an sich heran. Und das machte er ziemlich konsequent. Wobei Kai aber auch nicht ständig in Schäferstündchenlaune zu sein schien. Und Tyson machte das glücklich, denn jeden Tag könnte er Kai nicht widerstehen und jeden Tag war Kai bei Tyson zu Hause. Ja, jeden Tag!
 

Und zwar immer zur richtigen Zeit. Kai hatte sich mal beiläufig Tysons Stundenplan angesehen und dieser hatte sich nichts dabei gedacht, aber danach erschien Kai jeden Tag pünktlich an seiner Tür. Manchmal hatte Tyson gerade erst die Türe hinter sich zugezogen, da klingelte es schon und Kai stand vor der Tür und trat ohne große Begrüßung ein. Wenn er ein wenig später nach Hause kam, weil er noch was erledigen musste oder sich unterwegs verquatscht hatte, stand Kai schon vor dem Haus und fragte grimmig, warum er erst so spät käme.
 

Wie eine Beziehung kam Tyson das schon langsam nicht mehr vor. Kai mit seiner oft genervten Laune und seinen kleinlichen Kommentaren, erinnerte ihn mehr an eine gestresste Ehefrau.
 

Aber zurück zum Thema Sex. Der Blauhaarige ließ, wie schon gesagt, Kai nicht ran. Es waren aber in den zwei Wochen auch eher schwächliche Versuche gewesen, ihn dazu zu verführen. Einmal war Kai so nett gewesen und hatte ihm beim Großeinkauf geholfen. Er und Tyson hatten die schweren Tüten in die Küche geschleppt und abgeladen. Nach der schweren Arbeit hatte sich Tyson auf den Tisch abgestützt und erstmal durchschnaufen müssen.
 

Er war verschwitzt gewesen, weil es draußen so heiß gewesen war, und seine Klamotten wollte er nur noch von sich schmeißen. Und anscheinend hatte Kai den gleichen Gedanken gehabt. Er hatte sich an Tysons Rücken geschmiegt und seinen Nacken geküsst und bevor er Fragen konnte, was er denn vorhabe, hatte Kai ihm schon was Unanständiges ins Ohr geflüstert. Tyson wäre an diesen Tag fast schwach geworden, aber er hatte entschlossen „Nein!“ gesagt und Kai sogar etwas härter als beabsichtigt in die Rippen gestoßen, als dieser nicht sofort aufgeben wollte.
 

Danach hatte es Kai noch ein weiteres Mal versucht, als sie wie so oft gemeinsam auf dem Sofa saßen. Das taten sie erstaunlich oft. Manchmal saßen sie einfach nur da und Tyson versuchte ein Gespräch zu begingen (was oft fehlschlug) oder sie sahen Fern oder Tyson kümmerte sich um seine Studienarbeiten während Kai ein Buch las.
 

Auf jeden Fall hatte Tyson vor ein paar Tagen versucht wieder mit Kai ein Gespräch anzufangen über seine Arbeit und Kai hatte es dieses mal damit unterbunden, indem er anfing Tyson stürmisch zu küssen. Leidenschaftliche und lange Küsse waren die einzigen Zärtlichkeiten die Kai ohne Gegenwehr von ihm erhielt. Aber dann war Kais Hand plötzlich in Tysons Schritt gelandet und strich verlangend darüber.
 

Tyson hätte gelogen wenn er gesagt hätte, das hätte ihm nicht gefallen. Wohlige Schauer waren durch seinen Körper gegangen und er war kurz davor gewesen, Kai dieses mal zu erliegen, aber da meldete sich wieder die Zweiflerstimme in seinen Kopf die sagte, dass Kai nach einer Nacht mit ihm einfach nie mehr auftauchen würde und dass ihm sowieso nicht zu trauen sei. Also wurde auch dieser Versuch unterbunden.
 

Und nun, im hier und jetzt, saßen sie wieder gemeinsam auf dem Sofa und Kai ziepte gerade durch alle 100 Kanäle - zum zweiten Mal - während Tyson eigentlich einen Text über die Kaiser Japans lesen musste.
 

„Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich jede Sekunde eine neue Stimme höre“, beschwerte sich Tyson und sah von seinen Buch auf zu Kai, der zurückgelehnt dasaß, die eine Hand als Stütze im Nacken, in der anderen die Fernbedienung.

„Wenn etwas gescheites läuft höre ich auf damit“, meinte Kai gleichgültig und machte weiter.
 

Tyson wurde das zu blöd und er entriss Kai einfach die Fernbedienung. Dies war immer noch sein Haus, oder zumindest das seiner Familie. Was erlaubte sich Kai, sich hier aufzuführen wie der Herr im Haus.

„Eine Talkshow“, höhnte Kai und legte nun auch den zweiten Arm in den Nacken. „Wenn es dich nicht stört.“
 

Tyson hätte sich ein weit besseres Programm aussuchen können, aber er wollte sich vor Kai keine Blöße geben und widmete sich daher wieder seinem Buch.

Kai wurde das dumme Gequatsche von angeworbenen Schauspielern, die echte Personen darstellen sollten, aber nach ein paar Minuten zu dumm und er schaltete den Fernseher daher aus. Tyson war das nur recht, so konnte er sich nämlich tausendmal besser konzentrieren, aber auch das hielt nicht lange, denn er spürte die Blicke von Kai auf sich.
 

Immer wenn sie auf den Sofa saßen, dann kam es dazu, dass sie früher oder später damit anfingen sich zu küssen und Liebkosungen auszutauschen, daher schielte der Blauhaarige auch zu seinem Gegenüber. Kai durfte ihn ruhig küssen und streicheln, wenn es in den oberen Regionen blieb.
 

„Ist was?“, fragte er aber nachdem Kai ihn schon lange genug beobachtet hatte ohne sich ihm zu nähern oder auch nur Andeutungen in die Richtung zu machen.

„Was würdest du sagen, wenn ich heute die Nacht mit dir verbringe?“

Sofort schluckte Tyson. Das konnte nur eins bedeuten. Kai wollte wohl kaum eine Pyjamaparty mit ihm veranstalten.
 

Natürlich fing in Tyson sofort alles an zu kribbeln, andererseits wurde er auch misstrauisch. Kai war noch nie lange bei ihm geblieben. Noch nicht mal bis zum Abend. Gegen späten Nachmittag hatte er sich immer verabschiedet, manchmal stand er auch einfach ohne ein Ton zu sagen auf und verließ das Haus, geschweige denn, dass er auf eine Einladung seitens Tyson zum Abendessen geblieben wäre. Und jetzt fragte er ihn, ob er über Nacht bleiben sollte.
 

„Und was ist mit deiner Arbeit?“, fragte Tyson und versuchte dabei gelassen zu klingen, aber seine Kehle war trocken. Bisher hatte sich sein Gegenüber immer mit der Ausrede „Arbeit“, wenn überhaupt, von ihm verabschiedet. Tyson wusste immer noch nicht genau, was Kai arbeitete und dabei fragte er sich, was er denn überhaupt machte, wenn es immer erst so spät anfing. Okay, er arbeitete auch am Abend. Aber das war nur ein Nebenverdienst zu seinem Studentendasein.
 

„Ich habe mir frei genommen“, sagte Kai gelassen und beugte sich zu Tyson rüber. Er umfasste dessen Kinn und drehte seinen Kopf so, das Tyson ihn ansehen konnte. „Und was denkst du?“

Tyson versuchte erst den Blickkontakt mit Kai zu halten, sah dann zur Seite, als er antwortete erwiderte er den Blick aber wieder.

„Ich“, fing er an und schluckte noch mal um die Trockenheit in seiner Kehle zu überwinden, „ich muss arbeiten.“
 

Das fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein. Er hatte ja heute Spätdienst. Es war Freitag und freitags hatte er immer diese Schicht. Das sollte Kai doch eigentlich wissen, wenn er sich schon seinen Stundenplan gemerkt hatte.

„Dann tausch“, sagte Kai unvermittelt und umfasste immer noch sein Kinn.

Aber dann schlug Tyson, wenn auch nicht ganz unsanft, Kais Hand weg und setzte sich wieder in seine alte Position und widmete sich seinen Buch.
 

„Nenn mir einen Grund“, sagte er mit ruhiger Stimme, „warum ich das tun sollte.“

Kai sagte nichts, aber Tyson spürte den bohrenden Blick auf sich. Hatte er Kai jetzt gekränkt? Er hatte das gesagt, was schon lange aus ihm raus wollte.

Außer das er etwas für ihn empfinde, hatte Kai keine weiteren netten Sachen zu ihm gesagt. Tyson war nicht bereit mit jemanden ins Bett zu gehen, der anscheinend einen Knoten in der Zunge hatte und glaubte, er könne mit guten Küssen über diese Maulfaulheit hinwegtäuschen.
 

Nachdem Kai ihn ein paar weitere Minuten nur angestarrt hatte, setzte er sich doch tatsächlich wieder in seine alte Position und schaltete den Fernseher wieder an. Das war zuviel des Guten. Tyson wollte gerade zu einer Standpauke ansetzen, für wen Kai sich denn halte, als auf einmal eine komische Melodie ertönte. Zuerst schaute Tyson auf den Fernseher, weil er glaubte es käme daraus, aber dann fasste sich Kai in die Hosentasche und langte ein Handy daraus hervor.
 

„Was gibt’s?“, fragte Kai schlechtgelaunt ins Handy. Sofort erstarb Tysons Neugier nach der Nummer. So eine unfreundliche Ansage wollte er lieber nicht hören.

„Jetzt? Natürlich kann ich, aber … Das könnt ihr doch alleine und … Na gut, ich komme.“ Schlecht gelaunt schaltete Kai das Handy ab und schob es zurück in seine Tasche. „Ich muss weg“, wendete er sich dann an Tyson.
 

„Wie tragisch“, meinte Tyson nur und hatte sich längst wieder seinen Buch zugewandt, damit Kai nicht glaubte, es würde ihn traurig machen wenn er ginge. Allerdings war er doch ein wenig enttäuscht. Sie hatten heute noch gar nicht rum gemacht.

„Ich komme heute Abend zurück“, wendete er sich noch an Tyson und ging dann ohne ein weiteres Wort zum Zimmer raus und Tyson hörte die Haustür.
 

Hatte ihm Kai nicht zugehört? Er würde heute Abend nicht da sein. Oder sollte er doch tauschen. Tyson klappte das Buch nun doch zu und legte es weg. Danach ging er in den Gang hinaus zum Telefon. Da stand es ruhig und unbenutzt auf seinen Tischchen. Ein kleiner Anruf und er könnte heute seit langen mal wieder Sex haben. Mit einen Typen von denen er schon feuchte Träume bekam. Aber wie dachte Kai darüber. Dachte er an Sex mit jemand der eine gute Trophäe abgab, oder würde es heute Abend zu echter Liebe kommen? Er nahm den Hörer ab und verblieb einen Moment in der Position, doch dann wählte er die Nummer der Bar.
 

**^^**
 

„Wehe, es ist nicht wichtig!“, sagte Kai und knallte die Haustür so stark zu, dass sie fast aus den Angeln flog.

„Eine wirklich nette Begrüßung“, meinte Ray, der im Hausflur stand und auf Kai gewartet hatte, doch dieser schenkte ihn nur einem zerstörenden Blick.
 

Er hätte Ray vielleicht netter begrüßen können, nachdem dieser eine Woche lang weg war, aber im Moment verfluchte er den Chinesen nur. Wie lange hatte er Tala madig machen müssen, bis dieser endlich meinte, Kai könne sich auch mal einen Abend frei nehmen und er übernehme allein den Streifzug durch die Straßen?
 

Er hatte mehr reden müssen als im gesamten letzten halben Jahr zusammen und musste sich täglich neue Sticheleien überlegen, bis es Tala endlich zu den Ohren raus hing und er zustimmte. Und dann endlich, an seinen freien Abend, kommt Ray plötzlich von seiner Reise zurück, ruft ihn an und sagt, dass er wichtige Neuigkeiten habe. Dabei war der Abend perfekt geplant gewesen: Er nimmt sich frei, Tyson nimmt sich frei, sie verbringen eine wunderbare Nacht miteinander. Einfach perfekt. Aber nein, es kommt natürlich anders. Erst bockt Tyson rum und dann ruft Ray an.
 

„Wenn du nur hier bist um mir zu sagen, dass der Typ, den ich schon längst erledigt habe, eine große Nummer war, dann bist du heute mein Mitternachtssnack“, sagte Kai drohend und zeigte dabei mit seinen Finger auf Ray. Den ließ das aber ziemlich kalt und er wandte sich lässig ins Wohnzimmer, wo Tala bereits breit auf dem Sofa saß und darauf wartete, dass die anderen beiden eintraten.
 

Mit einen unschönen russischen Fluch und einer wüsten Geste mit der Hand, brachte Kai Tala dazu, so viel Platz zu machen um sich selbst auf das Sofa zu setzen. Ray nahm ihm gegenüber Platz und schaute ihn ernst an.
 

Nachdem Tala und Kai diesen Vampir mit den Dolch erledigt hatten, hatte Ray versucht etwas über den Vampir und seine Herkunft herauszufinden. Leider reichten seine Kenntnisse und die seiner hiesigen Kontakte nicht aus um die Herkunft zu ermitteln. Auch per Telefon konnte er nicht viel von ihren Arbeitgebern erfahren. Also musste Ray wohl oder übel persönlich zu seinen Meister reisen und ihm den Fund präsentieren. Die Reise dauerte zwar nicht lang, aber als Ray einmal anrief um das bisher besprochene weiterzugeben, meinte er, er müsse noch ein paar Nachforschungen anstellen die Zeit bräuchten.
 

Und nun saß Ray mit einer verschlossenen Miene seinen beiden Partnern gegenüber und schien sich seine Worte gut zu überlegen.

„Fangen wir erst mal vorne an“, sagte er dann und langte nach einen Glas Wasser das auf den Tisch stand, hob es allerdings nicht an. „Als ich meinen Meister den Dolch zeigte, wusste er zuerst auch nichts mit dem Emblem darauf anzufangen. Dieser Vampir war wahrscheinlich nur alt und hatte es noch aus der Aristokratischen Ära.“
 

„Und dafür beorderst du mich her“, brauste Kai auf und wollte schon aufstehen Tala hielt ihn aber am Ärmel zurück und zog ihn zurück aufs Sofa. Auch Ray sah ihn ungehalten an.
 

„Würdest du mich bitte fertig erzählen lassen“, zischte er und sah noch ernster drein. Auf seiner Stirn war eine tiefe Sorgenfalte zu sehen, die nun auch Kai neugierig machte. Normal war der Chinese immer die Ruhe selbst. „Aber auch mein Meister meinte, es könne sich bei den Vampir um einen Kundschafter gehandelt haben, denn nur solche alten und starken Vampire werden von den großen Gruppen in verschiedene Gebiete geschickt um Nachforschungen für ein neues Zuhause anzustellen.“
 

„Dann fallen wir schon mal durch“, meinte Tala und lehnte sich lässig zurück. „Die werden doch wohl kaum in ein Gebiet kommen, wo der Kundschafter gleich mal zu Staub wird.“

Ray schien sich auf die Lippen zu beißen und Kai bekam nun auch eine Sorgenfalte über der Stirn. Ihm schwante schon schlimmes.
 

„Dazu später“, meinte der Schwarzhaarige, „aber dennoch wollte ich herausfinden, welche der Gruppen sich denn eine neue Bleibe suchte und warum. Dazu musste ich allerdings nach Kobe. Der Orden hatte dort Aktivitäten verzeichnet, hatte aber selbst noch keine genauen Informationen. Dort angekommen musste ich nicht lange nachforschen um herauszufinden, dass der Orden der Avatar dort gewütet hatte.“
 

Nun wurde auch Tala ganz still. Wenn der Orden der Avatar seine Hände im Spiel hatte, konnte es gar nicht gut ausgegangen sein. Sowohl für die Vampire, als auch für die ganzen Leute in der Umgebung.

„Es musste ein echtes Gemetzel gewesen sein. Es soll zwar schon einen Monat her sein, aber dort wo sie ihr Heim hatten roch es immer noch nach verfaulten Fleisch und das Blut klebte an den Wänden.“

„Da sie aber noch wandern möchten, können wir wohl davon ausgehen, dass sie nicht ganz ausgerottet worden.“
 

„Sie wurden auf jeden Fall minimiert, aber es war eine große und mächtige Gruppe. Reisen tun sie nur, um den nervigen Kämpfen mit den Avatar zu entkommen und nicht weil sie dazu gezwungen wurden. Und wie es scheint, kommen sie hierher. Nach Tokio.“

„Moment mal“, sagte Tala und beugte sich zu Ray vor. „Wir haben ihren Kundschafter kalt gemacht. Was wollen die denn bitte schön in einer Stadt wo schon die nächsten Vampirjäger auf sie warten? Ich denke, sie wollen weg von den Kämpfen.“
 

Nun musste der Teil kommen, weswegen Ray sie überhaupt zusammen berufen hat, denn er rutschte nervös auf den Sessel hin und her und schien sich die nächsten Sätze gut zu überlegen.
 

„Einer unserer Männer konnte in der Nähe von Kyoto einen Vampir stellen, der ebenfalls als Kundschafter fungierte und hat ihn ein wenig ausgefragt. Viel bekam er nicht raus, nur das der Clanchef sie nach Tokyo beordert hatte.“

„Wäre natürlich möglich, dass der Vampir schon einige Tage länger hier war bis wir ihn erwischt haben. Er hat eine Nachricht abgesendet, dass es hier sauber sei und wurde erst dann von uns erledigt“, dachte Tala laut nach, aber Kai unterbrach ihn in seinen Überlegungen.
 

„Warum lässt du Ray nicht einfach fertig erzählen, bevor du falsche Schlüsse ziehst.“

Dafür fing sich Kai einen wütenden Blick ein, aber er hatte ein ungutes Gefühl was Ray noch sagen könnte und wollte endlich Gewissheit.

„Es könnte natürlich so sein, wie Tala sagte“, erzählte Ray weiter. „Aber es wäre auch möglich, dass der Clanchef absichtlich hierher will.“
 

„Brooklyn“, zischte Kai zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor und sofort glühten seine Augen rot. Auch Tala war auf einmal bleicher als normal geworden.

„DAS“, sagte Ray und zeigte drohend mit den Finger, „steht noch nicht fest. Ich habe ein paar Leute darauf angesetzt herauszufinden, um was für eine Gruppe es sich handelt. Aber auch wenn es nicht er war, so müssen wir doch mit der Ankunft, oder dem bereits befinden, einer großen Vampirgruppe rechnen. Und mit ganz viel Pech haben sie auch noch die Avatar im Nacken.“
 

„Na, großartig“, sagte Tala und warf die Hände in die Luft. „Dann können wir uns ja gar nicht mehr auf die Straßen wagen.“

„Wieso? Vielleicht sind sie ganz erpicht darauf uns zu helfen“, flüsterte Kai genüsslich zu Tala rüber, „uns von unseren schrecklichen Leben zu erlösen.“

„Anstatt eines Dankeschöns für unsere bisherige Arbeit kriegen wir von denen einen Pflock ins Herz“, erwiderte Tala darauf und die beiden Vampire sahen sich lauernd an. Wenn Ordensmitglieder der Avatar in ihr Gebiet kamen, dann war das schöne Leben vorbei.
 

„Deshalb hab ich dich hergerufen, Kai. Bist du mir immer noch böse deswegen.“

Kai erwiderte Rays Blick und gab ihn damit zu verstehen, dass er ihm verzieh. Solche Nachrichten konnten einfach nicht warten. Aber warten mussten sie trotzdem. Bis sie endlich Gewissheit hatten, welche Gruppe wanderte und ob sie wirklich auf den Weg hierher war.
 

„Wobei hab ich dich eigentlich so gestört, dass du so angepisst warst?“, sagte Ray dann mit einen viel sagendem Grinsen auf dem Gesicht. „Warst wieder am baggern.“

„Hör mir damit auf!“, meinte Tala genervt. „Kai läuft seit Tagen wie eine läufige Katze durch das Haus, weil Tyson ihn nicht ranlässt.“
 

Kai knurrte eindeutig in Talas Richtung, aber diesen ließ das kalt. Seit dem Abend in der Bar, wo Kai ihn geschlagen hatte, nur weil er Sex mit dem Blauhaarigen gehabt hatte, war die Stimmung zwischen ihnen sowieso ziemlich gespannt.
 

Tala hatte es sich auch nicht nehmen lassen, Ray brühwarm zu erzählen, dass Kai anscheinend romantische Gefühle für den Japaner entwickelte. Danach musste sich Kai Heteroliebestipps von Dr. Kon anhören, die er gar nicht hören wollte. Konnten ihn die beiden nicht einfach in Ruhe lassen.
 

„Wenn du Gefühle für Tyson hegst und er welche für dich, dann musst du ihm zeitlassen“, erklärte Ray belehrend und Kai stöhnte schon genervt auf. Jetzt fing das wieder an. „Je mehr du Tyson bedrängst desto mehr wird er sich zurückziehen. Wenn man verliebt ist, dann ist der Sex nun mal nicht das wichtigste. Du musst ihm erst zeigen, dass du ihn respektierst.“
 

„Ich halte mich seit zwei Wochen mühsam zurück, wie viel mehr Respekt braucht er denn“, protestierte Kai auf und Tala fasste sich nur genervt an die Stirn.

„Unter Respekt versteht man etwas anderes als Sexentzug, Kai“, sagte er gereizt. „Du musst ihm zeigen, dass er dir etwas bedeutet. Mach ihm doch einfach den Hof.“

Darauf antwortete Kai schon gar nicht.
 

„Was genau hattest du denn heute noch so tolles vor?“, fragte Ray und hatte sich vorgebeugt.

„Ich dachte mir, ich bleibe heute Nacht bei ihm“, sagte Kai und fragte sich selbst warum er so viel redete. Aber bei Tyson war er mit seinem bisherigen Latein auch am Ende. „Vielleicht wollte er bisher einfach nicht, weil er es am Tag nicht gut findet. Zu wenig

Romantik.“
 

Ray und Tala sahen sich an und stöhnten dann beide zusammen genervt auf.

„Was hast du ihm denn gesagt?“, fragte Tala. „Lust auf poppen?“

Dafür erhielt er wieder ein Knurren.
 

„Wahrscheinlich so was ähnliches“, beantwortete Ray die Frage. „Kai!“, wendete er sich dann wieder an den Graublauhaarigen. „Wenn du Tyson nicht zeigst, dass du etwas für ihm empfindest, dann wird es über kurz oder lang zum Ende eurer Beziehung kommen. Und das bevor sie überhaupt richtig angefangen hat.“
 

„Koch etwas für ihn oder verbring einfach einen schönen Abend mit ihm“, schlug Tala vor ohne Kai anzusehen. „Zeig ihm einfach, dass er etwas Besonderes für dich ist, und dass du mehr von ihm willst außer Sex.“
 

Kai wusste, dass die beiden Recht hatten. Aber anhören wollte er es sich trotzdem nicht. Es war eine Tatsache, dass er für Tyson tiefere Gefühle hatte, vielleicht war es auch Liebe. Aber er wusste einfach nicht, wie man so etwas zeigte und Talas und Rays Tipp verwirrten ihn noch dazu. Außerdem waren die beiden ebenfalls Singles, wie viel konnte ihr Rat also wert sein?! Auf jeden Fall hatte Kai keine Lust, sich das länger anhören zu müssen.
 

Es wurde bereits Dunkel und mit der Hoffnung, Tyson hatte seine Schicht getauscht, stand er auf, verließ das Wohnzimmer, verließ das Haus und machte sich auf den Weg zu Tyson.
 

**^^**
 

Als Kai dann wieder bei Tyson ankam, war es bereits spät. Er sah auf seine Uhr und erkannte, dass es 21Uhr war. Er hatte sich beim Rückweg Zeit genommen, denn es könnte ja immer noch sein, dass Tyson nicht auf ihn gehört hatte und doch noch arbeiten gegangen ist. Ein wenig bedrückte ihn dieser Gedanke schon, denn es würde bedeuten, dass er Tyson nicht so viel wert wäre wie er hoffte.
 

Aber was dachte er sich denn? Er zeigte Tyson doch auch nur, dass er netter sein konnte, als das erste Mal als sie sich trafen. Da kann er doch nicht davon ausgehen, dass Tyson wie ein liebes hechelndes Hündchen alles tut was er von ihm verlangt. Wäre es so, würde ihn der Junge auch gar nicht interessieren. Kai musste sogar zugeben, dass gerade die Tatsache, dass Tyson ihn bisher immer noch ablehnte, die Sehnsucht und das Interesse an ihn nur schürten.
 

Wäre Tyson gleich beim ersten Mal mit ihm ins Bett gegangen, dann wäre der lebenslustige Junge doch nur einer von vielen geworden und Kai hätte jegliche Ambition weiter um ihm zu buhlen verloren. Aber Tyson war etwas besonderes, und eine Art von Mensch, die er noch nicht kannte. Er war rein und stolz, aber auch frech und voller Lebenslust. Wenn der Japaner ihn für seine Coolness neckte, oder es sich nicht von ihm gefallen ließ, herablassend behandelt zu werden, dann schätzte Kai ihn nur umso mehr.
 

Doch trotz all dieser Eigenschaften, die Kai doch so sehr an ihm liebte, wäre es Kühn zu behaupten, dass sein Begehr nach ihm nicht jeden Tag wuchs. Tysons hübsches Gesicht mit den großen Braunen Augen und der athletisches, aber dennoch für ihn schwächliche Körper, den er jeden Tag sah, machten es Kai schwer an sich zu halten. Eigentlich könnte er sich jede Sekunde, die er mit dem Japaner verbringt auf ihn stürzen und ihn dazu zwingen, sich ihm hinzugeben und zwar nicht mit Gewalt, sondern mit Leidenschaft, damit er Töne aus dem Mund des Jungen hörte, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagen. Aber würde es je soweit kommen?
 

Tala und Ray meinten Romantik würde helfen, anstatt einer klaren Ansage. Aber Kai hatte doch keine Ahnung von Romantik. Er kannte nur das forsche Fragen und die schnell kommende Antwort darauf. Aber Tyson blieb ihn eine Antwort schuldig, weil er mit vielen kleinen Hindernissen und Auswichen fragte.
 

Auf jeden Fall stand er nun vor der Tür und traute sich nicht recht zu klingen. Wenn Tyson nicht da war, dann bedeutete es vielleicht, dass Kai keine Chance bei ihm oder sie verspielt hatte. Wenn er da wäre, dann würde es zur heiß ersehnten Nacht kommen, aber wäre dann am nächsten Tag noch alles okay?!
 

Kai schob seine Gedanken beiseite und ließ das Schicksal entscheiden. Er drückte auf den Klingelknopf. Er hörte das Läuten im Haus widerhallen, aber niemand trat an die Tür und öffnete sie. Kai wartete und drückte schließlich erneut. Wieder hallte es, und danach hörte er eine Stimme und die Türe wurde geöffnet. Gerade noch hatte sich Kai gefragt, ob Tyson Selbstgespräche führte, oder ihm an der Tür etwas zurief, da stand der Japaner schon im Eingang.
 

Im ersten Moment wunderte er sich. Tyson trug eine bequemaussehende Stoffhose und als Oberbekleidung ein Hemd mit Knöpfen. In der rechten Hand hielt er ein Handtuch mit dem er sich durch die nassen Haare fuhr. Kam er gerade aus der Dusche? Auf jeden Fall verriet sein Gesichtsausdruck, dass er nicht unbedingt erfreut schien Kai zu sehen. Sein Gesicht zeigte mehr Desinteresse, als sei er nur der Pizzabote. Obwohl, einen Pizzaboten hätte der Blauhaarige mit dem gesegneten Appetit, wahrscheinlich freudestrahlend angelächelt.
 

„Doch noch zurück“, meinte Tyson ohne viel Emotion und fuhr sich weiterhin mit dem Handtuch durch die Haare.
 

Kai hätte ein Lächeln zwar im Moment glücklicher gemacht, aber er war dennoch froh, dass der Japaner überhaupt Zuhause war und der Einblick auf Tysons Brust, weil das Hemd nicht bis ganz nach oben zugeknöpft war, schickten wohlige Schauer über seinen Rücken. Vergessen waren die Gedanken, die er bis eben noch hatte, jetzt wollte er den Jungen nur noch vernaschen. Die feuchten Haare, die rebellischen Augen, der Anblick seines Körpers … In Kai stieg eine Lust auf, die er noch nie verspürt hatte.

Ich hatte gehofft, du müsstest doch noch arbeiten und kämst nicht mehr vorbei“, sagte Tyson und seine Stimme klang tatsächlich so als meinte er das ernst, aber Kai reagierte nicht darauf. Das der Junge ihm nicht die Türe vor der Nase zuschlug, war für ihn wie ein Freibrief sich alles zu nehmen, was er von ihm wollte.
 

Tyson hatte sich gerade umgedreht, um Kai im Eingang alleine stehen zu lassen, da packte Kai den Jungen auch schon am linken Oberarm. Tyson brachte gerade noch ein „Hei“ heraus, da drängte der andere ihn schon gegen die Wand, packte seinen rechten Oberarm auch noch, um ihn an der Wand zu halten und küsste ihn auf die Lippen.
 

Sein Kuss war gleich fordernd und er wollte in die Mundhöhle des andern eindringen, doch Tyson schien überhaupt nicht daran interessiert in diesen Kuss einzusteigen. Dennoch zwängte Kai seine Zunge in die begehrte Region und erkundete, wie schon so oft die Mundhöhle. Er kannte inzwischen jeden Winkel, jeden Zahn und jede Faser der Zunge. Aber Tyson schien dies völlig kalt zu lassen. Er reagierte überhaupt nicht auf Kais Kuss, wehrte sich aber dennoch nicht gegen die Arme die ihn hielten.
 

/Willst wohl den Unnahbaren spielen?/, dachte sich Kai und nahm eine seiner Hände von Tysons Armen und schob ihn durch das Hemd um Tysons Brust zu streicheln.

„Also ich darf doch bitten!“
 

Sofort löste sich Kai von Tyson und schaute an die Tür zum Wohnzimmer. Da stand doch tatsächlich Max, den Kai schon öfters bei Tyson angetroffen hatte, und schaute sie beide empört an.

„Was wird das hier? Ein Porno?!“, sagte Max entrüstet und stemmte seine Rechte Hand in die Hüfte, die andere hielt eine Dose. Kai konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Was machte denn der Blondschopf hier?
 

„Kai scheint mal wieder geil zu sein“, sagte Tyson und ging auf Max zu, als sei nichts gewesen und verschwand auch gleich darauf im Zimmer. Mit noch einem missbilligenden Blick auf Kai ging Max ihm hinterher.
 

Kai brauchte noch einen Moment um die Situation zu erfassen, dann ging er den beiden hinterher. Tyson beugte sich gerade über einen Stapel DVDs auf den Wohnzimmertisch, während sich Max schon hinsetzte.

„Wie wäre es mit Stirb langsam 4.0?“, fragte Tyson und hob eine DVD hoch.

„Ich weiß nicht“, meinte Max und trank aus seiner Dose. „Den habe ich schon ein paar Mal gesehen.“
 

Kai ging etwas näher an das Geschehen heran und ihm stockte der Atem. Hatte Max auch feuchtes Haar? Auf jeden Fall lag um seinen Hals ein Handtuch geschlungen und seine Haare wirkten noch nicht ganz trocken. Er wusste, dass dieses Haus ein großes traditionelles Bad hatte, in dem mehr als nur eine Person Platz fand. In Kai stieg Eifersucht auf bei dem Gedanken, dass dieser … Milchbubi … mit Tyson zusammen in der Wanne gesessen hatte.
 

„Was meinst du, Kai?“, fragte Tyson und hielt ihm eine DVD-Hülle hin. Kai gab nur ein Knurren von sich, packte Tyson am Arm und schleifte ihn zur anderen Tür hinaus, die zur Küche führte. Max besah sich das ganze ruhig an seiner Dose schlürfend. Als sie in der Küche waren, warf Kai die Türe zu.
 

„Was soll das?“, fragte Kai gereizt und zeigte mit dem Finger auf die geschlossene Tür, hinter der Max saß.

„Wie, was soll das?“, giftete Tyson zurück. „Du wolltest doch, dass ich mir frei nehme. Das habe ich ja auch wie man unschwer erkennen kann. Und weil ich nicht wusste, ob du wiederkommst habe ich kurzerhand Max zum DVD Abend eingeladen.“ Das erklärte Tyson mit einer Unschuldsmiene, als meine er das tatsächlich ernst. „Du hast mir nicht genau verraten, was du heute Abend machen wolltest, also dachte ich mir, einer mehr oder weniger schadet nicht.“
 

Kai wusste nicht, ob er am liebsten sich selbst oder Tyson durchschütteln wollte. Tyson hatte ihn mit seiner eigenen Waffe geschlagen. Er hatte immer um den heißen Brei herumgeredet und was war dabei herausgekommen; Tyson stellte sich dumm. Er musste genau geahnt haben, was Kai eigentlich tun wollte, aber jetzt tat er so, als sei er nur auf einen netten Abend zu zweit aus gewesen.
 

„Schick die Grinsefratze weg, oder ich gehe“, sagte Kai unvermittelt. Er war nicht bereit sich dieses dumme Getue länger anzuhören. Tyson wollte ihn nur reizen, aber darauf ließ er sich nicht ein. Er atmete noch einmal tief durch, setzte seine kalte Maske wieder auf und redete dieses mal im ruhigeren Ton.

„Du weißt ganz genau, was ich heute Mittag meinte, als ich sagte, dass ich die Nacht mit dir verbringen will. Also schick Max nach Hause und wir beide können den Abend dann doch noch genießen.“
 

Tysons Gesicht blieb hart und er schaute Kai an, als erwarte er noch mehr, aber er blieb still und so setzte Tyson zu einer Antwort an.

„Nenn mir den Grund, warum ich meinen besten Freund für dich wegschicken sollte?“ Es war die gleiche Frage, wie am Mittag nur anders gestellt. Tyson verlangte von Kai zu hören, warum er sich ihm hingeben sollte. Aber wieder war es Kai der hart blieb.
 

„Wenn du keine Antwort kennst, oder zu feige dafür bist, werde ICH gar nichts tun“, sagte Tyson noch und verschwand wieder durch die Türe ins Wohnzimmer, ließ in der Küche Kai zurück, der nicht wusste, wie es weitergehen sollte.
 


 

So das wars erstmal wieder. Ich versuche zwar immer im zweimonattakt die Kapitel hochzuladen, aber anscheinend haben Musen einen anderen Kalender. Auf jeden Fall könnt ihr euch schon mal auf das nächste Kapitel freuen. Natürlich bin ich so fies und verrate nicht was darin passiert, aber es geht zumindest bergauf mit den beiden süßen.

Schluss?

„Diese blöde Grinsefresse! Dieser Blondhaarige blauäugige Bastard! Dieser verdammte Kuschelbär!“
 

Kai schrie immer mehr Beleidigungen durch das gesamte Haus, während er Kissen, Bücher und andere Gegenstände durch die Gegend warf. Tala währenddessen kringelte sich auf den Boden vor Lachen und konnte nur schwer damit aufhören, obwohl Kai jetzt schon zerbrechliche Dinge gegen die Wände warf, die sofort barsten und ihre Bruchstücke auf den Boden verteilten.
 

„Wie konnte Tyson es nur wagen mich aus der Wohnung zu schmeißen. MICH? Er hätte lieber diesen Sommersprossigen Mistkerl in hohen Bogen hinauswerfen sollen, damit wir endlich allein gewesen wären.“
 

„Hahaha. Du solltest mal dein Gesicht sehen, Kai“, lachte Tala und hielt sich den Bauch, „du bist ganz rot vor Wut und kriegst schon Schaum vor dem Mund.“

Kai starrte Tala aus Feuerroten Augen an und brummte in seiner Wut Sachen die man nicht mal verstehen konnte, aber den Rothaarigen dazu bewegten wieder einen Lachanfall zu bekommen.
 

Kai war wirklich stinksauer und völlig außer sich vor Enttäuschung. Obwohl er ganz genau gewusst hatte, dass Tyson den Videoabend samt Max nur organisiert hatte um ihn auf die Palme zu treiben – und Kai normalerweise bei solchen Provokationen ganz cool blieb – ist er bei Tyson geblieben und hat die erste Zeit auch mitgespielt.
 

Er hatte sich erhofft, Tyson würde selbst kapieren, dass es so keinen Sinn hatte und er Max wegschicken würde. Aber da hat sich Kai vertan. Während Max und Tyson den Film genossen, den sie sich ausgesucht hatten, war Kai nur schlecht gelaunt dagesessen und hatte die Mundwinkel runter gezogen.

Er durfte nicht mal neben Tyson sitzen, weil sich Max demonstrativ zwischen sie gesetzt hatte.
 

Während des Films wurde es Kai dann zu bunt und als erstes hatte er Max gepackt, neben sich verfrachtet und den Platz in der Mitte eingenommen. Max hatte nicht mal irgendwas darauf gesagt, sondern einfach weiter geschaut. Tyson hatte ihn aber einen sauren Blick zugeworfen und sich danach wieder dem Film zugewandt. Da Kai aber kein Exhibitionist war, traute er sich nicht Tyson wie üblich mit Zärtlichkeiten zu überladen, während Max zusah.
 

Er hatte ihn nur mal etwas Unanständiges ins Ohr geflüstert, woraufhin Tyson ihn bat, doch still zu sein, weil er sonst etwas vom Film verpassen würde. Schon da war Kai nahe am Grad des wütenden Aufbruchs gewesen, aber er hatte sich geweigert zu gehen, nachdem er erkannte, dass Max wohl über Nacht bleiben würde.
 

Allein schon das Wissen, dass sie zusammen in der Badewanne gewesen waren, hätte Kai als Grund gereicht den Blonden einfach in der Luft zu zerfetzen, aber er konnte sich mit Müh und Not noch zusammenreißen.
 

Als sie vom Filme schauen eine Pinkelpause machten, war Kai dann ganz in die Offensive gegangen und hatte versucht Max zu überreden zu verschwinden, während Tyson gerade nicht im Raum war. Leider stellte sich der Blauäugige als harte Nuss heraus und weigerte sich beharrlich das Haus zu verlassen, egal wie aggressiv Kai auf ihn einsprach.
 

Irgendwann war es ihm aber dann doch zu dumm, es mit Vernunft zu versuchen und er hatte Max einfach am Kragen gepackt und ihn zur Tür geschleift um ihn schlichtweg raus zuwerfen. Nur Dummerweise kam da gerade Tyson zurück und kriegte das alles mit und hat schlussendlich Kai vor die Tür gesetzt.
 

„Wieso ist er nur so stur?!“, nuschelte Kai, während er auf ein wehrloses Kissen einschlug.

„Die Frage ist wohl eher die: Warum regst du dich deswegen so auf?“, sagte Tala, der sich wieder beruhigt hatte und auf den Sofa Platz nahm.
 

„Du hast dich nie besonders für deine Eroberungen ins Zeug gelegt und wenn jemand nicht wollte, dann hast du dich nicht weiter darum gekümmert. Warum also jetzt dieser Wutanfall, nur weil Tyson auf stur schaltet? Servier ihn doch einfach ab und lösche ihn aus deinen Gedächtnis.“
 

„Wenn das so einfach wäre, dann hätte ich es doch schon längst getan“, zischte Kai Tala zu und versetzte dem Kissen noch einen weiteren Schlag.

„Bingo“, sagte Tala und zeigte mit dem Daumen auf Kai, „genau das ist der Punkt.“

Kai hörte auf das Kissen zu malträtieren und schaute stattdessen Tala verwundert an.
 

„Tyson ist für dich nicht nur eine Affäre mit der du nach einer Nacht schon Schluss machst und denjenigen dann nie wieder siehst. Du wünscht dir mit Tyson eine engere Beziehung, aber anstatt dich dafür ins Zeug zu legen und ihm zu zeigen, dass er wichtig für dich ist, behandelst du ihm wie jede Affäre. Glaubst du wirklich, er lässt dich näher an sich heran, wenn du die gleichen Anmachtricks durchziehst wie bei jeden anderen Kerl.“
 

„Woher sollte Tyson den bitte meine Anmachtricks kennen?“, fragte Kai und sah überheblich auf Tala hinab.

„Der Junge arbeitet in einer Bar. Der kennt wahrscheinlich jeden Anmachtrick.“

Kai hatte sich wieder einigermaßen beruhigt, oder war einfach müde von seinen Wutanfall, zumindest ließ er sich neben Tala auf die Couch fallen und sah ihn aus müden Augen an.
 

„Du meinst also, ich gehe die ganze Sache falsch an?!“

„Wenn er dir etwas bedeutet und etwas Besonderes für dich ist, dann solltest du ihm das auch zeigen. Ich kenne Tyson zwar nicht ganz so gut, aber ich schätze ihn wie jemanden ein, der weiß was er will und wenn er es nicht bekommt“, jetzt sah Tala ganz eindringlich in Kais Augen und nahm einen verschwörerischen Tonfall an, „dann wird er dieses Spielchen nicht mehr lange mitmachen und dich ganz abservieren. Er wollte mit dem anderen Jungen erreichen, dass du Eifersüchtig wirst und dich mehr um ihn bemühst. Das mit der Eifersucht hat ja geklappt, aber das mit der Mühe anscheinend noch nicht.“
 

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5 Minuten später saß Tala allein da mit dem Wissen, dass Kai sich allmählich selbst ins Aus manövrierte. Er hatte ihm anscheinend überhaupt nicht zugehört und war mit der Meinung gegangen, es würde helfen wenn er jetzt zu Tyson ging und ihm sagte, was er letzte Nacht verpasst hatte.
 

Tala konnte sich eher vorstellen, dass Tyson Kai ohne große Würdigung die Türe vor der Nase zuschlagen würde und verübeln konnte er es ihm noch nicht einmal. Irgendwie tat ihm Kai ja auch leid, weil er sich anscheinend wirklich in den Japaner verliebt hatte, aber das machte seine Taten nicht unbedingt besser.
 

Ihm war schon damals mit Tyson aufgefallen, dass die Nacht die sie beide verbracht hatten, eigentlich nicht Tysons Stil zu sein schien. Zwar hatten sie wilden hemmungslosen Sex, aber als sie sich danach gleich wieder angezogen hatten, hatte es für Tala so ausgesehen als würde sich Tyson plötzlich verloren fühlen. Er hatte damals so vor sich hingestarrt und die Kleider ganz behutsam angezogen, als würde er sich auf einmal schämen.
 

Tyson war eben der Romantische Typ, der mit niemanden etwas anfing ohne auch Gefühle für ihn zu haben und diese Tatsache war ihm wohl spätestens nach dem zweiten mal mit Tala klar geworden, denn Tala war danach noch drei weitere Wochen lang in die Bar gegangen in der Hoffnung den Blauhaarigen wieder zu sehen.
 

Normalerweise wechselten seine Liebhaber täglich und er hatte mit niemanden öfters als zweimal geschlafen, aber die wunderschönen braunen Augen, die sich im Moment des Höhepunkts verdunkelten und die zarte Stimme die über diese sinnlichen Lippen kam, von der wunderbar weichen Haut mal ganz abgesehen, hatten es ihm einfach angetan und er wollte diesen Körper einfach nicht mehr missen. In der vierten Woche hatte er sich dann jemand anderen genommen und war danach nicht mehr in der Bar aufgetaucht.
 

Aber auch wenn er über Tyson hinweg gekommen ist, so konnte er sich nicht vorstellen, dass es Kai genau so ergehen würde, wenn der andere ihm nicht mehr in seiner Nähe haben wollte. Kai verstand es den coolen zu spielen und seine Gefühle nicht nach außen kommen zu lassen.
 

Wenn es soweit kommen würde, dass Tyson ihm zurückwies, würde er das alles nur runterspielen und so tun, als wäre es nicht schlimm, aber der Rothaarige wusste, in Wahrheit würde es Kai zerstören, wenn die erste wahre Liebe, die er in seinen Leben empfinden würde, einfach so endete.
 

Tala überlegte angestrengt, wie er die Sache zum Guten wenden konnte und schließlich kam ihm eine Idee. Mit etwas Pech würde Ray ein paar schlimme Knochenbrüche davontragen und mit viel Glück, würde Kai mitspielen und vielleicht doch noch Punkte sammeln können bei seinem Herzbuben.
 

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Tyson stand völlig verpennt vor dem Spiegel im Badezimmer und versuchte seine etwas geschwollen Augen offen zu halten, während er sich missmutig die Zähne putzte. Er ließ die Zahnbürste nur schwerfällig durch seine Zahnreihen gleiten und warf einen Seitenblick auf die Uhr im Badezimmer die über der Tür hing.
 

Es war fast Mittag und er war immer noch nicht richtig wach. Nachdem er am Abend hatte Kai rausschmeißen müssen, weil er Max gegenüber zu weit gegangen ist, war er die ganze Zeit enttäuscht gewesen und sie waren schon nach dem zweiten Film ins Bett gegangen. Da hatte Tyson dann wach gelegen und sich gefragt, ob dies nun das Ende der kleinen Romanze zwischen Kai und ihm gewesen war.
 

Zugegebenerweise war die Sache mit dem DVD Abend ein etwas zu starker Wink mit dem Zaunpfahl gewesen. Wenn er Kai ins Gesicht gesagt hätte, er solle sich gefälligst Mühe geben und um ihn kämpfen, hätte es nicht deutlicher sein können, aber was sollte er auch tun? Seit Wochen ging das nun schon so, dass Kai glaubte, wenn er ihn nur lange genug geil machte, würde er schon anbeißen.
 

Diese Taktik vermittelte Tyson einfach nur das Gefühl er sei nur eine kleine Sextrophäe die Kai gerne in der Gegend herumzeigen würde. Eigentlich hätte er ihn schon längst abgeschrieben, aber seine Gefühle ließen es einfach nicht zu und außerdem glaubte er fest daran, dass Kai für ihn genauso tiefe Gefühle hatte, wie er für ihn. Man konnte sich dieses Knistern, die Funken zwischen ihnen, doch nicht nur einbilden.
 

Aber dennoch. So wie Tyson die Lage einschätzte, würde Kai im Besten Fall heute Mittag wieder auftauchen und seine blöden Sprüche rauslassen, während er es sich im Haus bequem machte wie der letzte Schnorrer. Tyson musste für diesen faulen Sack sogar kochen, weil Kai dazu keinerlei Veranlassung sah.
 

Ein einziges Mal hatte er ihm beim einkaufen geholfen und ihm unterhalten, als er den Rasen gemäht hatte, aber ansonsten verstand es Kai wirklich nicht jemanden den Hof zu machen. Was glaubte der Blaugrauhaarige denn? Das er so unwiderstehlich sei, dass man ihm auf Knien anflehen würde, nur damit man seine Nähe genießen dürfte. Anscheinend war ihm das schon oft passiert, wenn er Buhlen mit Faulenzen verwechselte.
 

Tyson konnte nicht anders als seinen eigenen Spiegelbild beim Kopfschütteln zuzusehen und den Rest Zahnpasta in das Waschbecken zu spucken, er spritzte sich dann noch etwas Wasser ins Gesicht und kämmte sich die langen blauen Haare um sie dann wieder in einen Pferdeschwanz zu bändigen.
 

In seinem Zimmer zog er sich dann frische Klamotten an und durchsuchte das Haus nach Max, der ebenfalls hier übernachtet hatte. Er fand ihm dann schließlich in einen Zimmer sitzen und Tee trinken. Tyson gesellte sich zu ihm. Schwer ließ er sich neben Max auf ein Sitzkissen fallen und seufzte dabei Herzzerreißend.
 

„Ich habe dir gleich gesagt, die Idee könnte nach hinten losgehen“, tadelte Max und sah ihn scharf von der Seite an, bevor er wieder einen tiefen Schluck Tee nahm.
 

„Wieso?“, fragte Tyson scharf, „das mit der Eifersucht hat doch prächtig geklappt. Kai hat den ganzen Abend dagesessen wie ein gestörter Psychokiller.“

Max stöhnte nur und schüttelte den Kopf.

„Wenn du mich fragst, hat ihm das nur zickig gemacht“, erklärte Max. „Versteh

mich nicht falsch, er sieht gut aus und ich bin mir sicher er ist eine Kanone im Bett“, dafür verpasste ihm Tyson einen bösen Blick, „aber ich denke nicht, dass er zu den Typen gehört, die ihre Meinung überdenken, nur weil sie eindeutig falsch lagen.“
 

„Du bist also der Überzeugung, ich habe alles falsch gemacht.“

„Nicht alles“, sagte der Blondhaarige und wirkte dabei selbst nicht überzeugt, „aber du hast es eindeutig übertrieben.“
 

Tyson ließ sich auf den Rücken fallen und sah zur Decke hoch. Vielleicht sollte er all seine Hoffnungen auf Kai begraben. Wenn sie sich schon am Anfang so schwer taten, was würde dann sein, wenn sie erst einmal Streit hätten.
 

Kai würde sich bestimmt nicht damit auseinandersetzen, sondern die Flucht ergreifen und warten bis sich alles von selbst gelegt hat, also wenn Tyson alles vergessen hätte. Auf so eine Beziehung wo er ständig nachgeben musste, hatte er aber ehrlich gesagt keine Lust. Nach der Sache mit Kane sehnte er sich nach einer einfacheren Beziehung. Eine Beziehung aus der er nicht verzweifelt auszubrechen versuchte, obwohl es nicht ging und dann würde es zum Eklat kommen.
 

Er verspürte ein Brennen in den Augen, als er sich klarmachte, dass die Sache mit Kai wohl heute ein Ende nehmen würde. Entweder er würde den Rotäugigen rausschmeißen, weil er sich wie der letzte Asoziale aufführte, oder aber Kai würde sich nach der letzten Nacht gar nicht mehr blicken lassen. Tyson legte einen Arm über seine Augen, damit Max nicht die einsame Träne sehen konnte, die in seinen Augenwinkel ruhte, aber er konnte dennoch seine mitleidige Blicke auf sich ruhen fühlen.
 

Lange konnte sich Tyson aber nicht seinem Selbstmitleid hingeben, denn es klingelte an der Tür. Er gab ein genervtes Stöhnen von sich.

„Ach Max, geh doch mal hin!“, meckerte er, ohne sich zu rühren.

„Wohn ich hier?“
 

Tyson nahm nun seinen Arm von den Augen und schenkte Max einen bösen Blick. Nichts als Faule auf der Welt.

Entnervt, müde und auch hungrig, weil es für das Frühstück zu spät gewesen war als er aufstand, schleppte er sich zur Tür und schwor denjenigen davon zu jagen, wer auch immer es sein sollte.
 

Als er an der Tür stand und die Klinke ergriff holte er tief Luft, schloss die Augen und öffnete die Tür.

Kaum das er die Tür geöffnet hatte und die Augen öffnen konnte, hörte er es schon.

„Hm.“
 

Mit einem Blick der die Hölle gefrieren lassen würde, öffnete er seine Augen und schaute zu Kai empor, der nicht weniger unterkühlt dreinschaute.

Die beiden standen sich also gegenüber und taxierten sich mit ihren Blicken, wobei man schlecht sagen konnte, wessen Blick einen mehr Angst machte. Sie sagten kein Wort, rührten keinen Finger, wagten es nicht einmal zu blinzeln. Genauso gut hätten sie ein Leinwandbild oder Tonfiguren sein können, so starr standen sie sich gegenüber.
 

Das ging noch eine Weile so, bis es schließlich Tyson war, der wieder eine entspannte Haltung einnahm.

„Was willst du denn noch hier?“, fragte er an Kai gewand, aber die Augen hatte er auf einen Punkt hinter Kai gerichtet. Er hatte sich noch vor einer Minute klar gemacht, dass die Sache mit Kai passé war, deshalb wollte er das „Schluss machen“ so schnell wie möglich hinter sich bringen.
 

„Ist Max immer noch da?“ Kai hatte Max Namen so schwer ausgesprochen, dass Tyson schon erahnte, dass er eigentlich ein Schimpfwort von sich geben wollte. Hoffte Kai etwa, wenn er ein paar Manieren zeigte, wäre die gestrige Nacht wieder gut gemacht.

„Natürlich. Er hat ja bei mir übernachtet“, Tyson sah nicht die Reaktion von Kai, dennoch sagte er noch hinterher, „allerdings weder in meinen Bett noch in meinen Zimmer.“
 

„Da er Heterosexuell ist, habe ich das bereits vermutet.“

Dieses Gespräch war derart normal, dass Tyson am liebsten schreiend davonrennen würde. Was machten sie hier? Unterhalten sich als würde es ums Wetter gehen, obwohl Tyson alles Beenden wollte und Kai bestimmt noch wütend war.

„Darf ich reinkommen?“
 

Tyson durchzuckte es wie ein Blitz bei dieser Frage. Nun war der Augenblick gekommen, wo er Kai sagen musste, er würde ihn nicht reinlassen und dass er auch niemals wieder hier auftauchen sollte und das obwohl es das erste Mal war, dass Kai diese gewöhnliche Frage stellte. Er war immer ohne großes Bitten und Danken in das Haus eingetreten und tat so, als würde er hier wohnen.
 

Diese Frage war vielleicht der erste Schritt zu etwas Besseren zwischen ihnen, aber dennoch konnte Tyson sich nicht überwinden ihn eintreten zu lassen. Nein, seine Hand ruhte sogar noch immer auf der Türklinke und er versuchte noch ein bisschen länger den Impuls zu unterdrücken, die Türe zuzumachen, doch gerade als er es nicht mehr ertragen konnte Kai in seiner Gegenwart zu fühlen und seine Hand sich dazu bewegte die Türe zu schließen, wurde er durch einen Ruf aus seiner Lethargie gerissen.
 

„KAI!! Gott sei dank, habe ich dich also noch erwischt.“

Plötzlich warf sich ein schwarzhaariger junger Mann von hinten an Kais Schulter und zwinkerte den selbst überraschten Russen zu.
 

Auch Tyson starrte ihn an. Der Schwarzhaarigen war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als er, seine langen schwarzen Haare waren mit einen Tuch zusammengebunden und seine Augen deuteten daraufhin, dass er wahrscheinlich chinesischer Abstammung war. Irgendwie kam Tyson dieser Typ auch bekannt vor, aber für den Moment fiel ihm nicht ein, wo er diese Silhouette schon mal gesehen hatte.
 

„Ich sag dir; In dieser Gegend gibt es zwar nicht viele Dojos, aber auf Talas Wegbeschreibungen kann man sich ja nicht verlassen.“

Kai schien allmählich seine Fassung wieder zu erlangen und als wäre sie etwas Widerliches fegte Kai die Hand des anderen von seiner Schulter auf der sie geruht hatte.
 

„Was willst du hier?“, zischte er den Chinesen zu. Anscheinend wollte er Tyson nicht mithören lassen, aber dieser stand ja nicht mal einen Meter von ihm entfernt.
 

„Na ich bring dir deine Zutaten, die du vergessen hast“, sagte der andere, aber bei weiten nicht ganz so sicher, wie es anscheinend hätte klingen sollen.

Kais Blick sprach mal wieder Bände. Er verstand nichts und Tyson wurde jetzt auch neugierig.
 

„Die Zutaten für das Hähnchen Süß-sauer, dass du doch heute für Tyson machen willst“, sagte Ray und klang dabei schon viel selbstsicherer. Zu selbstsicher für jemanden der gerade von Kai mit einen eiskalten Blick aufgespießt wurde.

„Ich glaube, du hast dich doch im Haus geirrt“, sagte nun Tyson und dabei versuchte er so gemein wie möglich zu klingen. „Kai würde nicht mal selbst kochen, wenn sein Leben davon abhinge.“
 

Der Chinese gab nur ein schallendes Lachen von sich, welches sich sehr schön anhörte in Tysons Ohren. Das Lachen war so offen und herzlich.

„Ich bin ein guter Freund von Kai und weiß auch, dass er manchmal so was von faul sein kann. Mein Name ist übrigens Ray“, stellte er sich nun endlich vor und gab Tyson die Hand.
 

„Kai will anscheinend wieder etwas gut machen und hat deshalb gleich heute Morgen die Zutaten eingekauft. Leider hat er sie dann zu Hause vergessen, als er noch mal kurz dort vorbeigeschaut hatte um etwas zu holen. Tala hat mich dann angerufen und gefragt ob ich sie ihm nicht schnell bringen könnte.“
 

Tyson sah ganz genau den Nerv von Kai auf der Stirn zucken, der sich immer rührte, wenn er genervt war. Und die Art wie er jetzt pulsierte, gab ihm das Gefühl, dass Ray gleich tot war.
 

„Könntest du bitte mal die Sachen in die Küche bringen und das Notwendige in den Kühlschrank stellen“, sagte Ray und reichte Tyson eine Tüte mit Lebensmitteln, ließ dabei aber nicht Kai aus den Augen. „Wir wollen doch nicht das etwas schlecht wird und ich will noch kurz was mit Kai besprechen.“

Tyson warf den beiden noch einen misstrauischen Blick zu, aber ging dann ohne die Tür zu schließen zurück ins Haus in Richtung Küche.
 

**^^**
 

Als Tyson außer Hörweite war wandte sich Kai fuchsteufelswild an Ray.

„Was soll dieser Zirkus?“

„Ich rette gerade deine große Liebe. Also sei Dankbar“, sagte Ray und sah Kai dabei beleidigt an. „Tala sagte, dass du dich heute wahrscheinlich selbst ins Aus manövrieren würdest und wir müssten das verhindern.“
 

„Wir beide wissen, dass Tala selbst keine Ahnung in Liebesdingen hat“, sagte Kai kühl. „Meine Güte, der Kerl war ne Hure. Der weiß nur wie man jemanden heiß macht damit er das Geld rüber wachsen lässt.“
 

„Lass ihn das lieber nicht hören“, meinte Ray und schaute dabei verachtend auf Kai, weil er es nicht mochte, wenn Kai so abfällig von anderen sprach. „Du weißt, wie empfindlich er auf das Thema reagiert.“
 

„Und warum musste es unbedingt Hähnchen süß-sauer sein“, meckerte Kai weiter. „Das ist eins der wenigen Gerichte die mir überhaupt nicht gelingen. Oder glaubt ihr, ich habe es nötig Tyson außer Gefecht zu setzen.“

„Das war nun mal das einzige für das ich alle Zutaten zu Hause hatte. Ich musste sogar rennen um rechtzeitig hier zu sein, bevor du dir selbst alles versaust. Tyson hat den Eindruck gemacht, als würde er gleich die Türe zuschlagen, als ich aufgetaucht bin.“
 

Kai konnte darauf nichts erwidern. Er hatte es selbst gesehen, der Blick des Abschlusses in Tysons Augen.

„Warum hat dann Tala nichts hergebracht“, begehrte Kai auf. „Ich weiß ganz genau, dass wir noch genug anderes im Kühlschrank haben, aus dem ich besseres kochen könnte.“
 

„Er meinte, es sei nicht förderlich, wenn er dir etwas bringen würde“, erklärte der Chinese. „Wegen seiner eigenen Vergangenheit mit Tyson.“

Der Kerl war nur zu feige, diese lächerliche Nummer vor ihm zu spielen, dachte sich Kai.
 

**^^**
 

Tyson stellte gerade die letzten Sachen in den Kühlschrank als Max die Küche betrat.

„Lässt du dir jetzt deine Lebensmittel schon per Post kommen?“, fragte Max ehrlich verwirrt.
 

„Kai ist hier und will angeblich für mich kochen“, sagte Tyson und achtete darauf, dass seine Stimme vor Sarkasmus triefte.

„Der gleiche ungehobelte Kerl von gestern.“

„Genau.“
 

Max zog eine Augenbraue hoch und schien sich zu fragen, ob gestern noch jemand mit den Namen Kai anwesend gewesen war.

„Eigentlich wollte ich ihn ja sofort zur Hölle schicken, aber nun bin ich neugierig geworden“, sagte Tyson.
 

„Vielleicht will er dich ja auch vergiften oder K.O. Tropfen unters Essen mischen.“

„Hm. Zuzutrauen wär’s ihm, aber ich glaube eher seine Freunde haben das ganze inszeniert um ihn zu helfen. Aber warum sollte ich nicht davon profitieren“, sagte Tyson noch und zwinkerte Max dabei viel sagend zu. Der aber machte nur ein Gesicht wie Sieben Tage Regenwetter. Er hatte anscheinend gehofft, Tyson hätte aus seinen Fehlern letzte Nacht gelernt.
 

Tyson verließ die Küche wieder um nach seinen Besuchern an der Tür zu sehen. Die Situation hatte sich inzwischen geändert. Während Ray anscheinend eindringlich auf Kai einsprach, starrte dieser den Türrahmen an. Tyson hatte immer noch das Gefühl Ray schon mal begegnet zu sein, aber ihm fiel immer noch nicht ein wo. Als Ray bemerkte, dass Tyson sich wieder näherte hörte er auf mit Reden und lächelte dem Japaner zu.
 

„Ich denke mal, ich verabschiede mich dann wieder“, sagte er und schaute dabei zu Kai. Der ignorierte ihn aber immer noch, was Ray nicht zu knicken schien. Wenn die beiden befreundet waren, dann kannte er das wahrscheinlich schon.

„Ich verabschiede mich dann, Tyson“, sagte Max, der auf einmal neben Tyson auftauchte und seinen Rucksack auf den Rücken hatte. „Wir sehen uns dann am Montag in der Uni. Wow.“
 

Jetzt erst schien Max Ray wahrgenommen zu haben und seine Wortwahl verwirrte Tyson ziemlich. Max schaute zu dem Chinesen und konnte sich nicht mehr von dessen Gesicht abwenden. Auch Ray schaute ihn musternd an. Er hatte ebenfalls diesen abwesenden Ausdruck im Gesicht. Tyson würde von Liebe auf dem ersten Blick reden, wenn er nicht genau gewusst hätte, dass Max auf Frauen stand. Was mit Ray war konnte er allerdings nicht sagen.
 

„Also Tschüss“, sagte Max noch etwas holprig und zwängte sich an Ray und Kai vorbei. Dabei berührte er aus versehen Rays Arm und Tyson könnte schwören, ein Zittern bei Max wahrgenommen zu haben.
 

„Wir sehen uns, Kai“, sagte nun auch Ray und wandte sich auch um. Besonders Rays Silhouette von hinten zwang Tysons Gehirn zu großer Anstrengung.

Als die beiden am Tor ankamen, sahen sie sich noch mal kurz an, bevor sie sich anscheinend ertappt wieder der Straßen zuwandten und in verschiedene Richtungen davongingen.
 

„Ähm, Ray ist Hetero“, sagte Kai, der das Schauspiel der beiden ebenfalls verwundert mit angesehen hatte.

„Max, wie du weißt, auch“, meinte Tyson dann noch und dann sahen sich die beiden in die Augen.
 

„Darf ich nun eintreten?!“, fragte Kai ein weiteres Mal, aber fordernder als am Anfang und Tyson, er wusste nicht recht warum, ließ ihn dieses mal gewähren.

Ein normaler Tag in einer normalen Beziehung

Tyson beäugte Kai misstrauisch wie er sich dem Inhalt des Kühlschranks widmete. Dieser Ray hatte zwar behauptet der Graublauhaarige hätte die Zutaten selber eingekauft, aber die Tatsache, dass sich Kai anscheinend überlegen musste, was er wieder aus dem Kühlschrank entnehmen musste, ließ ihn vermuten, dass er mit seiner ersten Vermutung recht hatte. Ray und Tala hatten das ganze nur inszeniert, weil sie wussten, dass sich Kai daneben benommen hatte.
 

„Hähnchen süß-sauer soll es werden“, bemerkte Tyson verächtlich, wobei er sich lässig an den Tisch lehnte. „Nur falls du es vergessen hast.“
 

Kai schenkte ihm nur einen bissigen Blick und wendete sich wieder ab. Warum tat er sich das eigentlich an? Nur weil Tala eine Schnapsidee hatte musste er sich der doch nicht gleich fügen. Andererseits schien ihm diese „Schnapsidee“ wirklich gerettet zu haben.
 

Tyson traktierte ihn zwar immer noch mit giftigen Blicken, aber er hatte ihn weder rausgeschmissen, noch eine Szene wegen dem letzten Abend gemacht. Entweder war der Japaner am verhungern, oder war gutmütiger als er bisher gedacht hatte.
 

Kai kannte das Rezept für das Hähnchen Süß-sauer auswendig. Alle Zutaten waren zum Glück vorhanden. Das Problem bei diesem Gericht war allerdings, dass er die Soße nie gut hinbekam. Seit ca. 20 Jahren lebte er jetzt in Japan und vor 3 Jahren hatte er Ray kennen gelernt.
 

Damals hatte der Chinese zum Zeichen der Freundschaft eine typische Speise aus seiner Heimat zubereitet. Kai war von dem Gericht angetan gewesen und hatte sich von Ray das Rezept geben lassen. Da Tala nicht nur faul, sondern auch ein mieser Koch war, hatte immer er das Kochen für sie Beide übernommen. Da konnte man wenigstens sicher sein den nächsten Tag noch zu erleben.
 

Aber nachdem Kai das Essen das erste Mal gemacht hatte, waren er und Tala für 2 Tage außer Gefecht gesetzt gewesen. Die anderen Male wo er versucht hatte die Soße hinzubekommen, hatten sie beide vorher probiert und waren darin übereingekommen, sich nicht vorsätzlich den Magen zu verderben und seitdem kauften sie die Soße fertig im Supermarkt.
 

Ray hingegen bekam die Soße gut hin und sie schmeckte hervorragend, somit hatte er keinen Grund eine Fertige Soße zu Hause zu haben und konnte daher nur die Zutaten dafür bringen. Kai könnte an die Decke gehen, wenn er daran dachte, dass er mal wieder etwas machen musste, zu dem er überhaupt nicht in der Lage war. Das ließ ihn vor Tyson sicher nicht gut aussehen.
 

Nachdem er alle nötigen Zutaten aus dem Kühlschrank wieder rausgeholt hatte, wollte Kai diesen auch schließen, als ihm etwas ins Auge fiel. Verwirrt langte er nach einer Flasche, welche eine rote Flüssigkeit enthielt die ihm sehr bekannt vorkam, aber auf dem Etikett stand „Tomatensaft“.
 

„Tomatensaft in einer Süß-Sauren Soße ist neu für mich“, sagte Tyson und wobei er seine Verwunderung nicht ganz verbergen konnte. „Dennoch war sie bei den Zutaten dabei.“
 

Kai schraubte den Deckel auf und roch kurz an der Öffnung. Das war eindeutig „Blut“. Mit einem wütenden Blick stellte er die Flasche wieder zurück in den Kühlschrank.
 

Was dachte sich Ray nur dabei ihm eine Flasche Blut mitzubringen? Was wenn Tyson das rauskriegte? Okay, wenn er bei Tyson war, konnte er nie Blut mitnehmen und das hat schon manchmal zu einem gewissen Mangel geführt, aber das war einfach eine zu riskante Lösung.

„Ich trinke manchmal gerne Tomatensaft. Das ist alles“, redete er sich aus der Affäre.
 

„Tomatensaft? Du?“

Mit einen Passt-dir-was-nicht-Blick versuchte Kai ihn einzuschüchtern, was ihm auch gelang. Tyson schürzte die Lippen und blickte zur Seite. Jetzt widmete sich Kai den zurecht gelegten Zutaten.
 

Alles war vorhanden! Aber wie richtig zubereiten? Sein größter Fehler war immer, dass er nichts auf Maßangaben gab und deshalb die Zutaten nach Lust und Laune miteinander vermischte. Tyson war nun nicht so hart im nehmen wie er. Was wenn er nach einen Löffel von seiner Soße gleich tot um fiel?
 

„Ich würde mal damit beginnen das Gemüse zu schneiden“, sagte Tyson, der sich nun doch vom Tisch entfernt hatte und zu Kai an die Arbeitsplatte trat.

„Das kannst du doch übernehmen“, meinte Kai und schaute ihn schräg an.

„DU wolltest doch für MICH kochen und nicht umgekehrt.“
 

„Kochen ja, aber bei der Vorbereitung kann mir der faule Herr ja helfen.“

Tyson plusterte sich auf, da Kai ihn nur provozieren wollte um ihn zum arbeiten zu überreden. Tyson wusste das und wollte nicht darauf hereinfallen, aber sein Stolz war stärker.
 

Daher griff er nach dem Messer und begann die Ananas zu schälen, inzwischen widmete sich Kai den anderen Zutaten. Während er die ersten Sachen zusammenmischte und zurechtlegte, sah er wieder zu Tyson. Der konzentrierte sich auf das Schneiden der Ananas in perfekte kleine Würfel.
 

„Warum wolltest du gestern nicht mit mir allein sein?“, fragte er die Frage, die schon lange auf seiner Zunge brannte. Tyson hielt inne im schneiden, sah aber nicht in Kais Richtung.

„Du hast nicht gesagt, dass wir beide allein sein sollen“, versuchte er die gleiche Ausrede wie am Vortag.
 

„Du wusstest ganz genau, dass ich wohl kaum auf einen DVD-Abend aus gewesen war, als ich dich darum bat, am Abend da zu sein“, nagelte er Tyson fest. Noch dazu ging er auf ihn zu und legte eine seiner Hände auf die von Tyson, die immer noch das Messer hielt. „Du wusstest, was ich gestern wirklich von dir wollte“, flüsterte er dem Japaner leise ins Ohr und legte seine andere Hand um dessen Hüfte, um ihn zu sich zu drehen.
 

„Warum wehrst du dich so dagegen?“, sagte er und begann an Tysons Ohr zu knabbern, der zuckte kurz zusammen, weil er in diesen Augenblick wohl keine Zärtlichkeiten erwartet hätte und daher nicht vorbereitet war, auf die Lippen die sich nun zu seinen eigenen vorarbeiteten.
 

Kai legte ihm das Messer aus der Hand und verflocht auch ihre Finger miteinander, als er seine Lippe auf die von Tyson legte und ihm gleichzeitig mit der andern Hand an seiner Hüfte näher an seinen Körper zog.
 

Zuerst genoss Tyson den sanften Kuss, die zärtlichen Hände auf seinen Körper und die neckische Zunge die um Einlass bat. Es gingen wieder Schauer durch seinen Körper und er spürte das Kribbeln an den Stellen, wo sein Körper Kais berührte, aber dann durchbrach er den Zauber und löste sich von Kai. Er drehte seinen Kopf zur Seite um den Kuss zu beenden und schob Kai von sich weg um den Körperkontakt zu unterbrechen.
 

„Weil ich immer noch nicht weiß, was du wirklich von mir willst und ob ich dir vertrauen kann“, beantwortete Tyson die Frage nun doch und wandte sich wieder der Ananas zu.

Kai war zugegebenermaßen geknickt davon, dass Tyson ihm mal wieder widerstand, aber immerhin hatte er nun eine Antwort bekommen. Doch warum konnte Tyson ihm nicht vertrauen?
 

Okay, er hatte seine Geheimnisse vor dem Japaner und er war Mundfaul und konnte somit nicht viel von sich erzählen, aber er dachte, dies alles hätte er mit seiner ständigen Anwesenheit aus der Welt geschafft. Wovor fürchtete Tyson sich wirklich? War er schon einmal so enttäuscht worden, dass er jedem misstraute?
 

Kai wurde einfach nicht aus ihm schlau und wendete sich wieder dem Kochen zu, aber immer wenn er glaubte, Tyson würde es nicht bemerken warf er ihm Blicke zu.

Das hatte allerdings zwei Gründe: Zum ersten, versuchte er in den Augen des Japaners zu ergründen, warum dieser ihm nicht vertrauen konnte. Aber vom In-die-Augen-starren, hatte noch niemand eine Antwort bekommen.
 

Somit rückte der zweite Grund in den Vorgrund. Tyson sah einfach zu gut aus. Durch das arbeiten rutschte ihn immer eine seiner blauen Strähnen ins Gesicht und weil seine Finger klebrig waren vom Ananassaft konnte er sie nur unbeholfen zurückstreichen. Kai juckte es in den Fingern, die blaue Seide zu berühren, sie mit seinen Fingern zu durchfahren und den Duft von Tysons Shampoo einzuatmen.
 

Nein! Er musste sich jetzt wirklich aufs Kochen konzentrieren. Eventuell hing Tysons und seine Gesundheit davon ab, wie konzentriert er sich der Zubereitung widmete.
 

Eine halbe Stunde später sahen Tyson und Kai kritisch in eine Schüssel mit einer klebrigen, grünlichen und übel riechenden Flüssigkeit. Kai hatte es mal wieder geschafft: Er hatte ein neues Gift fabriziert.

„Sieht nicht aus wie im Laden“, sagte Tyson und roch kurz an der Soße nur um die Nase zu rümpfen und den Brechreiz zu unterdrücken.
 

„Hm“, sagte Kai und versuchte durch den Mund zu atmen, was aber auch nicht viel half.

„Hm dich selber“, konterte Tyson verstimmt und holte sich einen Löffel aus einer Schublade.
 

„Was hast du vor?“, fragte Kai grimmig, aber eigentlich hatte er wahnsinnige Angst um Tyson. Was wenn er die Soße probieren wollte? Obwohl Kai versucht hatte sich an das Rezept zu halten, welches er aus dem Gedächtnis wiedergegeben hatte, sah das Ergebnis alles andere als Ungefährlich aus.
 

Wenn er Tyson den Magen verderben würde, oder dieser sogar ausgepumpt werden musste, dann wären seine Chancen für die nächsten paar Jahre dahin. Tyson könnte ihn wegen Körperverletzung anklagen oder wegen versuchten Mordes. Hoffentlich würde es kein ganzer Mord werden.
 

„Du hast dir Mühe gegeben“, erklärte Tyson und stand direkt vor die Schüssel hin, „also sollte ich wenigstens mal versuchen.“

Kai rührten diese Worte ja fast schon. Tyson wollte ihn nicht zu sehr kränken und deshalb von einer Masse kosten, die man getrost als Gülle bezeichnen konnte.
 

„Glaub mir, es verletzt meine Gefühle nicht, wenn du das Zeug sofort in den Gully kippst“, sagte Kai und versuchte somit den anderen von einer Dummheit abzuhalten.
 

„Und die Seuchenschutzbehörde auf den Plan rufen?“, murmelte Tyson in seinen nicht vorhandenen Bart. Aber Kai schmunzelte nur.

Mit eindeutigem Ekel im Gesicht und angespannten Körper tunkte Tyson den Löffel ein und schöpfte sich einen Teelöffel Soße.

Okay, das Zeug war schon mal nicht ätzend.
 

Bevor Tyson den Löffel in den Mund nahm, beäugte Tyson die Masse noch mal genauer mit den Augen. Es hätte genauso gut Sumpfschlamm oder aus einer Kläranlage sein können.
 

Kai unterdrückte krampfhaft den Reflex Tyson den Löffel aus der Hand zu schlagen. Dadurch würde er nur hysterisch wirken.

Schließlich kniff Tyson die Augen zusammen und steckte sich die Löffelspitze in den Mund. Kurz zitterte sein ganzer Körper, dann schluckte er hörbar runter.
 

„Könnte schlechter sein“, presste er hervor und hatte immer noch die Augen geschlossen.

„Das Zeug ekelt mich schon beim ansehen an, also spül dir den Mund aus, bevor du mir in Ohnmacht fällst!“
 

Tyson folgte diesen Befehl sofort und rannte zur Spüle wo er hineinspuckte und den Wasserhahn aufdrehte. Er spülte sich fünfmal den Mund aus, bevor er sich Kai zuwandte, der gleich nachdem Tyson die Spüle wieder freigab die Soße dort hineinkippte.
 

„Du hast nicht zufällig Fertigsoße im Haus?“, fragte Kai beiläufig während er die zähe Soße mit ordentlich viel Wasser vermengte damit sie den Weg durch den Abfluss fand.
 

Tyson schüttelte nur den Kopf und Kai schloss die Augen. Jetzt musste er auch in den nächsten Supermarkt gehen und Soße kaufen. Genauso gut könnte er sich auch weigern weiter zu kochen, weil er sich ohnehin schon genug vor Tyson blamiert hatte, aber seine Chancen würde das nicht unbedingt verbessern und etwas in ihm warnte ihn davor, dass dies vielleicht die letzte Chance beim Japaner war.
 

Wundern würde es ihm zumindest nicht, wenn er auf Tysons Punkteskala schon knapp über der Null schwebte. Vielleicht hätte er sich nicht zwei Wochen lang wie der letzte Schnorrer aufführen sollen, dann wäre Tyson bestimmt schon mit ihm warm geworden. Nein, er hatte jeden Tag faul auf den Sofa rumgelümmelt und jedes Mal ein gefährliches Knurren von sich gegeben, wenn Tyson bei etwas Hilfe verlangte.
 

Aber was konnte er denn schon dafür? Meist war er nachts auf Streife gewesen und wollte sich am Tag eben ausruhen. Tyson sollte gefälligst Verständnis für seinen Job haben, auch wenn er keine Ahnung hatte, was Kais Job war.

Aber zurück zum Hauptproblem: Sie brauchten essbare Soße.
 

„Der Supermarkt ist ja nicht weit“, bemerkte Tyson und wirkte dabei irgendwie genervt. „Während du hier wartest kaufe ich schnell welche.“

Kai wollte schon zustimmend nicken, als ihm klar wurde, warum Tyson so genervt klang. Das war nicht weil er Soße kaufen musste, sondern weil er davon ausging, dass er, Kai, zu faul dafür wäre und er deshalb welche kaufen musste, obwohl Kai derjenige war, der keine zustande brachte.
 

„Ich komme mit“, sprudelte es aus Kai heraus, bevor er über die Worte nachgedacht hatte. Tyson sah ihn etwas verwundert von der Seite an, zuckte dann aber nur mit den Schultern.
 

Nachdem sie Einkaufstasche und Geldbeutel geschnappt haben, zogen sie sich nur noch Schuhe und Jacken an und machten sich auf den Weg zum Supermarkt. Tyson lebte in einer kleinen Wohngegend, aber ein paar Straßen weiter, gab es einen Supermarkt mit den nötigsten Sachen. Während sie nebeneinander hergingen sagte keiner der beiden ein Wort.
 

Es war jetzt gerade Mittagszeit und deshalb war auf den Straßen nichts los. Bisher war ihnen noch keiner begegnet. Kai schielte zu Tyson, der keine Regung zeigte und nur stur seinen Weg ging. In der einen Hand hatte er die Einkaufstasche, die Andere, die Kai zugewandt war, hing frei herum. Keiner auf den Straßen und eine freie Hand. Wären sie ein ganz normales Paar, dann würde Kai jetzt Tysons Hand ergreifen und sie könnten Händchenhaltend weitergehen.
 

Aber eigentlich hatte Kai Händchenhalten immer für total kitschig und störend empfunden. Das behinderte doch nur beim Laufen oder machte die Hände schwitzig, aber dennoch… es reizte ihm förmlich seine Hand mit der von Tyson zu verhacken.
 

Ganz allmählich zuckte seine Hand auch in die Richtung von Tysons. Dieser bemerkte dies nicht, weil er sich auf seinen Weg konzentrierte. Prüfend linste Kai noch mal die ganze Straße auf und ab. Niemand da der sie dumm ansehen würde.
 

Gut! Seine Hand machte einen letzten Rücker und erfasste die von Tyson.

Er spürte ein Zucken von Tyson. Er hatte zu stark zugedrückt, sofort ließ er ein bisschen lockerer, aber nicht zu locker, falls Tyson seine Hand zurückziehen wollte. Nun starrte er stur geradeaus, fühlte aber Tysons Blick auf seinen Gesicht.
 

Bestimmt fragte der sich, ob der Graublauhaarige Zuckungen hatte, oder seine Hand mit der Hosentasche verwechselte, aber Kai ließ weder die Hand los, noch sah er ihn an. Seine Hand umfasste die von Tyson, doch als er Tysons Blick nicht mehr auf sich spürte, schloss nun auch der seine Hand um Kais. Auch nicht zu fest, aber so eng, dass Kai seine Hand nicht zurückziehen konnte. Und auch wenn Kai nicht so recht wusste warum. Es fühlte sich sehr gut an.
 

Der Weg zum Supermarkt und zurück war zwar nicht weit, aber die beiden kamen trotzdem erst 1 ½ Stunden später wieder beim Kinomiya-Dojo an. Sie waren gemütlich zum Supermarkt geschlendert - natürlich Hand in Hand - aber kaum, dass sich die Schiebetüren zur Seite schoben und sie nun Leute um sich hatten, waren ihre Hände wieder auseinandergeschnellt und in der Tasche oder an der Seite gelandet. Und wo sie schon mal im Supermarkt waren, hatten sie gleich mehr als nur die Soße gekauft.
 

Reis, Gemüse und andere Grundzutaten brauchte man doch immer und Tyson meinte, dass er die Gelegenheit, dass Kai dabei war, doch ausnutzen musste und ihn als Packesel missbrauchen könnte. Wörtlich hatte Tyson das natürlich nicht gemeint sondern nur um Kai zu necken, der ihn daraufhin schräg von der Seite beäugt hatte mit einen I-kill-you-Blick.
 

Merkwürdigerweise hat aber dennoch, sobald Tyson bezahlt und alles in die Tüte gestopft hatte, Kai die Tasche an sich genommen. Der Blauhaarige musste ihn keinen bösen oder bittenden Blick zu werfen, er musste ihn nicht darauf ansprechen. Der Andere hat es einfach so von sich aus getan.
 

Und sobald sie das Geschäft wieder verlassen hatten und auf einer Menschenleeren Straße waren, war Kais freie Hand zu Tysons gewandert und hatte sie wieder umfasst. Zwar hat er nur stur geradeaus gestarrt, aber dennoch war es eine Geste die Tyson einen kleinen roten Schimmer auf die Wangen zauberte, was Kais Liebe zu ihm nur steigerte.
 

Wieder im Dojo angekommen räumte Tyson die eingekauften und im Moment nicht benötigten Sachen weg, während sich Kai den Wok aus einen der Küchenschränke nahm und mit der Zubereitung des Essens weitermachte. Alles war ja schon von vor vorbereitet gewesen und es war allein die Soße die noch gefehlt hatte.
 

In Sachen Kochen war Kai zwar kein Genie, aber er gab sich trotzdem Mühe das Essen so gut es ihm möglich war zuzubereiten. Wenn er für sich und Tala kochte schmiss er die Zutaten lieblos in den Topf, vergaß Maßeinheiten und Rezepte und drohte Tala mit seinen Zähnen, wenn dieser es wagte zu widersprechen oder sich über das Essen zu beklagen.
 

Es kam natürlich vor, dass Tala dann seinerseits mit den Zähnen drohte und das Essen sich zu einen Starrwettkampf entwickelte, aber dennoch hatte das nie etwas an seiner Leichtigkeit beim Zubereiten der Speisen geändert. Es schmeckte annehmbar und sie beiden waren noch immer lebendig… untot…vampirisch.
 

Aber hier war er pingelig genau mit jeder einzelnen Zutat. Er versuchte sich haargenau an das Rezept zu erinnern. Was gehörte zuerst in den Wok? Wie lange musste man alles anbraten? Wie viel musste von allen rein? Er konnte sich selbst nicht erklären warum er sich solche Mühe gab.
 

Er hatte schon von Tysons Essen gekostet, das dieser manchmal für ihn mitgemacht hatte. Es war nichts Besonderes. Tyson war kein schlechter Koch, aber auch kein überragender und er hatte gemeint, dass sein Großvater schlechter kochte als er. Warum sich also Mühe geben bei jemanden, der schon mit den Mittelmaß zufrieden war?
 

Weil Kai wollte, dass Tyson ihn glücklich anstrahlte!

Mehr als einmal hatte Tyson ihm gegenüber seine derzeitige Einsamkeit erwähnt. Die Tatsache angesprochen, dass er es immer hasste wenn Max keine Zeit hatte und er allein essen musste. Und! Das seit dem er alleine war, niemand mehr für ihn gekocht hatte.
 

Tyson sollte ein gutes Essen auf den Tisch bekommen, es kosten und Kai dankbar sein und ihn bitten doch öfters für ihn zu kochen. Für Tyson würde er jede Faulheit überwinden! Für Tyson würde er alle möglichen Gerichte auswendig lernen! Für Tyson würde er hart arbeiten! Er würde einfach alles tun, nur um bei Tyson sein zu können und ihn damit glücklich zu machen!
 

Das war Kai auf den Weg zum Dojo, Händchen haltend, klar geworden. Er liebte diesen Jungen nicht nur, er wollte ihn mit Haut und Haaren. Aber nicht nur seinen Körper, welchen er heiß begehrte. Viel wichtiger als all das, war ihm das Lächeln des Jungen. Zwei Wochen hatte er auf Sex verzichten können und er wollte ihn immer noch.
 

Und das konnte doch nur bedeuten, dass es ihn nicht auf das rein körperliche ankam. Immer wenn er kam, hatte er Tysons Lachen hören dürfen, durfte ihn berühren oder einfach nur in seiner Nähe sein. Das war besser als alle körperlichen Gefühle auf der Welt. Und der heutige Tag war wie ein ganz normaler Tag, in einer ganz normalen Beziehung. Es war einer der schönsten Tage die Kai je erlebt hat.
 

Weil er nichts mehr zu tun gehabt hatte, saß Tyson am Tisch und sah Kai interessiert beim Kochen zu. Manchmal gab er Seufzer oder Hüster von sich. Nicht weil er um Kais Aufmerksamkeit bat, es waren eher ungeduldige Misslaute, weil das Essen schon gut roch und er wohl allmählich Hunger bekam.
 

Nachdem Tyson ein besonders Lautes „Hm“ von sich gegeben hatte, entweder um Kai zu ärgern, oder weil er langsam am Verhungern war, hatte sich Kai kurz zu ihm umgedreht und ihn mit einen Knurren von jeglichen weiteren Lauten abgebracht. Doch als Kai sich wieder dem Herd zuwandte musste er grinsen. War sein Geliebter eben eine Nervensäge.
 

„Du kannst ja schon mal den Tisch decken“, sagte Kai nach ein paar Minuten. Das Essen wäre gleich fertig und Tyson sollte auch mal wieder was zu tun bekommen.

Sofort stürmte er zum Geschirrschrank und holte die benötigten Utensilien hervor. Teller, Messer und Gabeln wurden auf den Tisch bereitgestellt.

Tyson langte so eben nach zwei Gläsern als er Kai fragte: „Was willst du trinken?“
 

Weil er sich dabei zu Kai drehte und mit den Gläsern in der Hand gleich noch eine Wasserflasche angeln wollte, fiel ihm auch schon ein Glas aus der Hand und zerschellte am Boden.

„Ups.“

Ja, Kai liebte einen Dusel.
 

„Ich mach das sofort weg“, laberte Tyson gleich weiter, stellte das noch heile Glas und die Wasserflasche wieder ab und kniete sich hin um die Scherben aufzusammeln. Kai der nur darauf wartete, dass Tyson fertig war, stand mit verschränkten Armen neben ihn und verdrehte die Augen, als dieser plötzlich einen kleinen Schmerzlaut von sich gab.
 

„Autsch! Mist, geschnitten“, jammerte Tyson und stand mit einer blutenden Hand wieder auf.

Kais Augen weiteten sich schreckenstarr als er den langen Schnitt in Tysons Handinnenfläche sah, aus der Blut quoll. Der schnitt war nicht tief, also nicht gefährlich, aber es floss dennoch Blut über Tyson Hand und tropfte auf den Boden. Tyson stand mit einer Leidensmiene vor ihm. Dann sah er mit großen Augen zu Kai, der sich in diesen Moment nichts sehnlicher wünschte, als das Rauschen von Tysons Blut aus seinen Ohren zu kriegen.
 

„Willst du mal pusten?“, fragte Tyson mit einen Lächeln und hielt Kai seine verletzte Hand hin.

Kai spürte das länger werden seiner Zähne, das glühen seiner Augen, den Durst.
 

Er wandte sich sofort ab.

„Red nicht so einen Quatsch!“, giftete er Tyson an, „geh ins Bad und verbind das bevor du die ganze Küche voll blutest. Das ist ja ekelhaft.“

„O-okay“, sagte der andere unsicher, weil ihm der Tonfall wohl Angst gemacht hatte.
 

Kai hörte wie sich Tyson entfernte. Als er außer Sichtweite war, drehte er sich wieder um. Am Boden waren große Tropfen von Tysons Blut. Niemand würde es sehen, wenn er davon kosten würde. Für diesen Gedanken hasste Kai sich.
 

Er füllte das noch heile Glas mit Leitungswasser und kippte es über dem Blut aus. Dies machte er noch zwei weitere Male, bis das Blut völlig weggewaschen war. Erst dann wagte er es, die Splitter vom Boden aufzulesen und wegzuschmeißen. Er versuche sich zu beruhigen, aber der Durst wollte einfach nicht verschwinden.
 

Tyson war noch nicht zurück, also ging er zum Kühlschrank und holte die Flasche mit dem Blut, die Ray mitgebracht hatte, heraus. Er nahm zwei tiefe Schlücke, erst danach fühlte er, wie er sich beruhigte. Als er Tysons Schritte wieder kommen hörte, stellte er schnell die Flasche wieder zurück.
 

Tyson hatte sich die Hand verbinden müssen, weil er kein Pflaster gefunden hatte, welches groß genug gewesen wäre. Er sagte, der Schnitt sei nur oberflächlich und täte nicht mal mehr weh. Er erwähnte nichts mehr, weil Kai ihn angefahren hatte, trotzdem verliefen die ersten paar Minuten, nachdem er wieder da war ohne weitere Gespräche.
 

Erst als sie am Tisch saßen und Tyson den ersten Bisse zu sich nahm, sagte er wieder was.

„Das schmeckt echt gut“, sagte er glücklich strahlend und fing sofort an, das Essen in sich hineinzuschaufeln. Kai sah ihn nur geschockt an. Tyson aß plötzlich, als hätte er Tagelang gehungert.
 

Die einzelnen Happen konnten gar nicht schnell genug in seinen Mund verschwinden und so schnell hatte Kai noch niemanden Kauen und Schlucken sehen. Andere hätten das vielleicht als Unappetitlich und Unerhört empfunden, aber Kai musste auf einmal laut loslachen. Und als Tyson ihn ansah und fragte, was los war, glaubte Kai gar nicht mehr aufhören zu können.
 

Den Abwasch erledigten sie beide zusammen. Tyson übernahm dabei das Abtrocknen wegen seiner verletzten Hand. Dabei plapperte er wild drauf los, dass Kai doch jetzt mal öfters für ihn kochen könnte und zog ihn damit auf, dass das Essen nur so gut war, weil sie eine gekaufte Soße verwendet hatten. Kai beachtete das nur mit üblichen Kommentaren wie: „Bei deinen Kochkünsten schmeckt doch alles besser“ oder „Vielleicht erweise ich dir die Gnade bei mir in die Schule zu gehen“.
 

Tyson witzelte eben, während Kai nur knappe und etwas gemeine, aber nicht bös gemeinte Sätze zurückgab. Als sie fast fertig waren mit abwaschen, sie musste nur noch abtrocknen, klingelte auf einmal das Telefon.
 

Kurzerhand drückte der Bewohner dem Besucher das Handtuch in die Hand und begab sich in den Flur wo sich das Telefon befand. Kai warf einen verächtlichen Blick auf das Handtuch, erledigte aber trotz Unlust das weitere abtrocknen.
 

„Hallo Hiro!“, hörte Kai Tysons glückliche Stimme aus dem Korridor. Sein Bruder, wenn er sich mit den Namen nicht irrte.

„Nein, nein, mir geht’s super… Natürlich steht das Haus noch.“ Gerade eine Schnute ziehend kam Tyson in die Küche zurück und setzte sich an den Tisch.

„Jaah, ich mach auch meine Kendoübungen, keine Sorge.“
 

Während Tyson über den Alltag berichtete hatte Kai den Rest abgetrocknet, verstaute das Geschirr in den Schränken und lehnte sich an die Spüle.

„Ich wollte dich noch fragen, wann du wiederkommst“, sagte Tyson und dabei strahlten seine Augen, aber nach ein paar Sekunden verloren sie ihren Glanz und Tyson machte ein trauriges Gesicht.
 

„Aber wieso? Noch vor ein paar Wochen meintest du in den nächsten drei Monaten. Wieso ist es jetzt wieder ein halbes Jahr?“

Kais Mund wurde zu einer schmalen Linie.

„Natürlich, dass geht vor…. Nein ich komme wirklich zurecht. Max kommt ja auch jeden Tag vorbei… Nein es ist wirklich okay. Ich bin doch kein kleines Kind mehr.“
 

Egal was Tyson sagte und wie ruhig er versuchte seine Stimme zu halten. Was Hiro nicht sah, aber Kai, waren die glasigen Augen des Japaners.

„Ja, okay, dann bis zum nächsten Anruf.“
 

Tyson drückte auf die Aus-Taste, schob das Telefon von sich weg und vergrub sein Gesicht in seinen Armen die auf dem Tisch ruhten, so dass Kai sein Gesicht nicht mehr sehen konnte. Er trat näher an den Tisch heran. Durch einen kleinen Spalt zwischen Arm und Kopf sah er die Tränen aus Tysons Augen fließen.
 

„Ich habe es satt, hier alleine zu sein“, sagte Tyson mit einer festen Stimme die Kai ihn in diesen Moment nicht zugetraut hätte.

Kai war sich nur für einen Sekundenbruchteil unsicher, doch dann ging er auf Tyson zu, hob ihn vom Stuhl, nur um sich selbst darauf zu setzen und Tyson auf seinen Schoß zu ziehen. Er spürte die Verwunderung des Blauhaarigen, als er dessen Kopf an seine Schulter lehnte.
 

„Du bist nicht allein. Ich bleibe so lange du willst.“

Tyson gab einen kleinen Hickser von sich und lehnte sich vertrauensvoll an Kais Schulter. Es war ein wunderschönes Gefühl wie sie beide so dasaßen. Waren es nur ein paar Minuten gewesen oder viele. Keiner von beiden konnte es sagen, weil es keinen interessierte. Aber nach einer Weile waren Tyson Tränen versiegt, was ihm aber nicht dazu brachte sich von Kai zu lösen.
 

„Ich dachte, du bist nicht der Typ, der so liebevoll ist“, sagte Tyson mit ruhiger Stimme.

„Du musst eben noch viel lernen. Außerdem hast du eine miserable Menschenkenntnis“, witzelte Kai.
 

„Ich dachte, du würdest herkommen, mich anmachen und wenn ich nicht drauf anspringe wieder abhauen“, erklärte Tyson und malte mit seinen Finger Kreise auf Kais Brust. „Aber du bist geblieben.“
 

Tyson sah nun zu Kai auf, sah in seine roten Augen, die einfach nur in seine schauten. Doch als sich ihre Lippen nährten schlossen sie die Augen und versanken in einen sanften Kuss. Sofort öffnete Tyson seine Lippen um Kais Zunge den Eintritt zu gewähren.
 

Am Anfang begnügte die sich nicht ganz so fremde Zungen mit den streicheln von Tysons, doch schnell lud sie zu einen Zungenduell ein und der Anfangs sanfte Kuss wurde zu einen stürmischen.
 

Tyson umklammerte mit seinen Armen Kais Hals und dessen Arme schlangen sich um Tysons Hüften, während ihre Zungen sich feucht miteinander umschlungen und um die Vorherrschaft in ihren Mündern kämpften. Dann hob Kai Tyson plötzlich hoch und legte ihn auf den Tisch ab. Er über ihn und der Kuss dauerte immer noch an.

Crazy Night

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Was ist und was nie hätte sein dürfen

Kai sah auf den schlafenden Jungen neben sich. Die wunderschönen blauen Haare, die wie Seide in seine Stirn fielen und leicht die Augen umschmeichelten, welche noch ruhig und entspannt geschlossen waren. Die Decke verhüllte den Körper von der Brust an, aber Kai brauchte ihn nicht zu sehen um zu wissen, wie schön er war. Der Mund war leicht geöffnet und Kai nahm wohlwollend die sanften Atemzüge wahr. Er schloss die Augen und glaubte den Herzschlag zu vernehmen.
 

Ein regelmäßiges Pochen. Er öffnete die Augen wieder und seine Hand wanderte an die Wangen des begehrten Menschen. Er fühlte die Wärme und das Leben das von ihm ausging. Sein Geliebter drehte sich nun zur Seite und seine Haare fielen an seinen Nacken hinab und offenbarten den schlanken Hals. Er konnte die Pulsader sehen wie sie pochte, hörte das Blut rauschen. Seine Augen färbten sich glühend rot, seine Zähne fuhren aus und im nächsten Moment schlug er sie in den Hals des Jungen.
 

Kai schreckte aus seinen Schlaf hoch, saß kerzengerade im Bett und atmete schwer. Seine Augen waren Schreckensstar geöffnet. Sofort schaute er neben sich und sah dort einen gesunden und schlafenden Tyson. Er langte sich an die Stirn und fühlte den kalten Schweiß. Es war nur ein Traum gewesen.
 

Erleichtert ließ er sich wieder nach hinten fallen und sofort legte sich Tysons Hand auf seine Brust. Wahrscheinlich hatte sie vorher schon dort geruht und war durch Kais abruptes Aufstehen abgerutscht. Tyson schien diese Bewegung im Schlaf zu machen, denn seine Augen waren noch geschlossen und seine ruhigen Atemzüge verrieten auch keinerlei Wachheit.
 

Kai starrte an die Decke und sah dann neben sich. Auf einem Nachttisch stand ein Wecker. Es war 7Uhr morgens. Durch das Fenster fielen schon die ersten Sonnenstrahlen und beleuchteten den Körper neben ihm, der sich nun, wie von selbst weiter an ihn kuschelte. Kai erinnerte sich. Gestern hatte weder Tyson noch ihm irgendetwas gehalten.
 

Sie waren übereinander hergefallen und hatten es hemmungslos getrieben. Nein! Es war mehr. Sie hatten Liebe gemacht. Schloss Kai die Augen und versuchte sich an letzte Nacht zu erinnern, dann fühlte er wieder die Hände die seinen Körper erkundeten, ihn reizten und er glaubte die süßen Lippen zu schmecken, so wie den salzigen Geschmack der Schweißtropfen auf Tysons Körper. Diese Erinnerungen waren wundervoll und fast erregten sie ihn wieder.
 

Er schaute nun wieder zu dem schlafenden Gesicht neben sich. So jeden Tag aufwachen zu können und dieses Gesicht zu sehen. Ein Traum. Ein wunderschöner Traum. Nicht wie der Traum der ihn aus dem Schlaf gerissen hatten.
 

Er streckte seine Hand aus und streichelte durch das Haar, fuhr die Konturen des Gesichts nach, die Wangenknochen und die Nase. Schließlich fuhr er über die Lippen und setzte auch einen Kuss darauf ab. Tysons schlief weiter.
 

Den Geschmack der Lippen wollte er kosten, nicht den des Blutes. Und dennoch… Der Traum ließ ihn nicht los. War dieser Traum etwa eine Warnung an ihn gewesen, was eines Tages passieren könnte, oder war es einfach nur ein schlimmer Alptraum. Sein Blick wanderte nun zu Tysons Hand, die auf seiner Brust ruhte.
 

Sie war immer noch verbunden. Richtig! Er hatte sich gestern ja geschnitten. Das Blut war an seiner Hand auf den Boden herunter getropft. Es war gutes gesundes Blut gewesen. Menschliches Blut, das Kai seit fast 50 Jahren nicht mehr gekostet hatte. Tyson war aus dem Raum verschwunden um seine Wunde zu versorgen und Kai hatte für einen Moment den Wunsch verspürt davon zu kosten. Aber in den Moment hatte er sich selbst dafür gehasst.
 

Jetzt war er unruhig. Er setzte sich wieder im Bett auf ohne darauf zu achten, dass Tysons Hand wieder von ihm glitt. Er stand auf und sah sich im Zimmer um. Als sie es letzten Abend betreten hatten, hatte er die Einrichtung kaum wahrgenommen. Es war ein kleiner Raum mit Bett und einen Schrank in einer Ecke.
 

Unter dem Fenster stand ein Schreibtisch. Könnte ein Gästezimmer sein. Wenn er nach links schaute entdeckte er eine weitere Tür. Er ging zu ihr hin und öffnete sie. Ein kleines Bad mit Waschbecken und Toilette offenbarte sich ihm. Er ging zum Waschbecken und drehte das kalte Wasser auf, welches er sich dann ins Gesicht spritzte.
 

Er musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. Mit einem Waschlappen, der an einen Hacken hing, wischte er sich einige Spuren der letzten Nacht ab. Dann sah er auf in den Spiegel. Das Wasser tropfte von seinen Haarspitzen, aber seine Augen wirkten wach. Er sah was sich noch im Bad befand.
 

Auf einer Ablage unter dem Spiegel fanden sich Seife, Kamm, Creme und … eine Puderdose? Kai nahm sie in die Hand und sah sie genauer an. Er öffnete sie und musste feststellen, dass sie fast gänzlich verbraucht war. Der Farbton war eher dunkel. Tyson wohnte hier mit seinen Bruder und seinen Großvater und er war schwul. Wer benötigte da eine Puderdose? Er zuckte aber nur mit den Schultern und stellte sie wieder ab.
 

Er ging zurück in das Zimmer und suchte seine Kleidung zusammen. Boxer und Hose fand er im Zimmer, für sein Oberteil musste er allerdings zurück in die Küche. Vor lauter Ekstase hatte er sein eigenes Shirt in die Spüle geschleudert. Er schmunzelte und zog es sich wieder über.
 

Sein Schal und seine Jacke hingen über einen Stuhl und er zog sie auch gleich an. Dann ging er zum Kühlschrank und nahm einen Schluck aus der Flasche mit der Aufschrift „Tomatensaft“. Dabei schloss er den Kühlschrank wieder und lehnte sich dagegen. Die Nacht mit Tyson war die schönste gewesen, die er je erlebt hatte. Das konnte nichts anderes als Liebe sein.
 

Aber irgendetwas störte ihn immer noch. Irgendeine Stimme in seinen Kopf sagte ihn immer wieder, dass es nicht richtig war. Kai schaute auf das Blut in der Flasche. Schweineblut, Rinderblut, manchmal auch Lämmerblut, waren die Sorten die er ausschließlich trank.
 

Er hatte nur einmal Menschenblut getrunken und das war um Tala zu retten. Er hatte zwar oft den unglaublichen Durst verspürt von dem er das Gefühl hatte nur Menschenblut könnte ihn stillen, aber erlegen ist er diesen Gefühl nie. Es gibt keinen Grund warum er Zweifeln sollte an einer möglichen Beziehung zu Tyson.
 

Er stellte die Flasche ab und ging zurück in das Zimmer. Tyson schlief immer noch tief und fest. Kai setzte sich auf die Bettkante und sah auf ihn herab. Ein unschuldiger Mensch, fast noch ein Kind. Und in diesen Moment wirkte er schutzloser denn je.
 

Würde er mit Tyson eine Beziehung eingehen, dann musste er Tyson von seinen Leben erzählen. Ohne Vertrauen und die Wahrheit könnte das niemals klappen. Aber würde Tyson die Wahrheit verkraften, würde er damit klarkommen und es akzeptieren, oder würde er Kai davonjagen. Hätte er womöglich sogar Angst vor ihm. Ein quälender Gedanke.
 

Und was wäre wenn Tyson wegen ihm in Gefahr geraten würde? Oder noch schlimmer, was wäre wenn Kai ihn in Gefahr bringen würde. Und dieses Begehren gegenüber Tyson. Könnte es umschlagen? Würde ihm nur der Körper des anderen irgendwann nicht mehr genügen und er würde sich mehr von ihm nehmen.
 

Sein Blut, sein LEBEN. Kai presste die Augenlieder aufeinander. Schlimme Bilder stiegen in seinen Inneren hoch, aber sie waren nicht nur Angstmache oder Illusionen. Sie könnten wahr werden, sie könnten die Zukunft voraussagen.
 

Kai liebte Tyson. Er liebte ihn so sehr. Noch nie zuvor wollte Kai einen Menschen so nahe sein, seine ständige Gegenwart spüren, immer wissen, was der andere gerade machte, was er fühlte. Nie wollte er, dass er wichtig ist für einen Menschen. Konnte es wirklich sein, dass man 150 Jahre lebte und erst jetzt die wahre Liebe findet, überhaupt erst begreift was wahre Liebe ist? Aber wenn es wirklich so wahr. Dann wusste Kai was er zu tun hatte. Wenn er Tyson über alles liebte, dann musste er es jetzt beweisen.
 

Er stand auf und ging zum Schreibtisch. Schnell hatte er ein Blatt Papier und einen Füllfederhalter gefunden. In aller Eile schrieb er ein paar Wörter auf das Papier, kramte in seiner Tasche und legte etwas zu dem geschriebenen dazu. Dann ging er schnellen Schrittes zur Tür. Er warf noch einen letzten Blick auf Tyson. Seine Brust schmerzte, aber er wusste, dass er das richtige tat.
 

**^^**
 

Tala nahm den Verband von seiner Hand und besah sie sich. Nach ein paar Stunden war die Wunde fast vollständig verheilt. Er wickelte auch noch den Verband von der anderen Hand und nahm einen tiefen Atemzug. Auch seine Rippen waren wieder verheilt, so dass er nicht bei jedem Atemzug vor Schmerzen zusammenzuckte. Ray hatte er nach Hause geschickt.
 

Der Chinese hatte gemeint, ob er nicht lieber bleiben sollte, aber Tala fand das übertrieben. Brooklyn hatte seine Vorstellung hinter sich gebracht und würde wohl nicht so schnell nochmal auf der Bildfläche erscheinen. Das in der Nacht diente nur der Begrüßung, damit sie wussten, dass er in der Stadt ist und es Kai sagen konnten.
 

Tala versuchte sich mental darauf einzustellen wie er es Kai sagen sollte. Das letzte Mal hatte Kai eine Begegnung mit Brooklyn in China und er hatte daraufhin sofort beschlossen die Sachen zu packen und zu verschwinden. Kai war nicht vor Brooklyn geflüchtet, aber eine Konfrontation mit ihm wollte er verhindern. Tala wusste, dass Kai niemals in der Lage wäre Brooklyn zu töten.
 

Er hatte es selbst mit ansehen müssen, wie Kai den Todesstoß nicht ausführte, obwohl ihn der Orangehaarige sogar dazu provoziert hatte. Später redete sich Kai damit raus, dass sein Leben in dem Moment wichtiger gewesen wäre, aber zu diesem Zeitpunkt hatte Kai bestimmt schon gewusst, dass Talas Todesurteil längst gefällt war.
 

Tala schloss die Augen. Keine schöne Erinnerung. Sein Leben war zwar furchtbar gewesen, aber die Art wie er hätte sterben sollen war grausam. Kai schenkte ihn ein zweites Leben. Ein Leben mit Einschränkungen, aber es war ein Besseres als das zuvor. Dennoch hasste er Brooklyn aus tiefster Seele dafür, dass er ihn töten wollte und genau genommen hatte er es sogar geschafft.
 

Er warf einen Blick auf die Uhr in seinem Zimmer. Es war kurz vor 8 Uhr. Er konnte nicht sagen, wann Kai nach Hause kommen würde und ob er überhaupt nach Hause kam. Wenn er anrufen und sagen würde, dass er den ganzen Tag bei Tyson verbringen wollte, dann würde Tala nichts sagen wegen den Vorfällen der letzten Nacht und sein Okay geben, eine weitere Runde für ihn zu übernehmen. Wenn er aber nach Hause kommen würde, und ihn ins Gesicht sehen müsste, dann könnte Tala nicht lügen.
 

Er seufzte über die Ungewissheit als er die Haustür zuschlagen hörte und Geräusche in der Diele wahrnahm. Anscheinend musste doch die Wahrheit raus. Er atmete noch einmal tief durch, ging die Worte welche er sich zurechtgelegt hatte ein weiteres Mal im Kopf durch und wollte gerade zur Tür und diese öffnen, als schon jemand von draußen die Klinke runter drückte und Kai ins Zimmer schielte.

„Hast du bis jetzt gepennt, oder warum hängst du in deinem Zimmer rum.“

Die Sorge wich sofort dem Trotz.
 

„Ich bin ja wohl nicht derjenige, der die ganze Nacht weggeblieben ist“, konterte Tala. „Und außerdem musste ich deine Schicht übernehmen, also hätte ich das recht bis jetzt zu schlafen.
 

Ist ja nicht jeder ein Spinner wie du und steht selbst dann um 6 Uhr auf, wenn er erst vor 5 Minuten schlafen gegangen ist.“

Kai betrat das Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Tala fiel dabei auf, dass er müde und irgendwie… niedergeschlagen wirkte.
 

„Jetzt sag mir nicht, Tyson hat dich wieder abblitzen lassen!“

Kai hob nur den Blick, in dem großer Kummer lag.
 

„Man“, stöhnte Tala, „was hast du denn diesmal wieder für Scheiße gebaut. Ich schick dir extra Ray mit Kochzutaten und du versaust es wieder, oder was? Hast du so schlecht gekocht, dass Tyson gleich tot umfiel, oder hast du dich wie der letzte Arsch benommen und ihn selber kochen lassen. Oder nein, noch besser, du hast das Kochen ganz weggelassen und wieder die ,Ich bin unwiderstehlich, danke Gott dass ich mit dir schlafen will‘ Nummer durchgezogen.“
 

„Ich habe für Tyson gekocht und wir haben miteinander geschlafen“, sagte Kai tonlos und starrte dabei aus dem Fenster, wo es nichts Besonderes zu sehen gab.

Tala brauchte einen Moment um diese Worte zu verarbeiten. Zuerst spiegelte sein Gesicht Ratlosigkeit, dann Überraschung und schließlich Freude. Er stürmte zu den anderen hin und klopfte ihn kräftig auf die Schulter.
 

„Gratuliere. Ich wusste doch, früher oder später würde das mit euch noch was werden. Wie habt ihr es gemacht? Ich persönlich fand die Reiterstellung ziemlich gut, aber ich wette ihr habt noch genug Zeit alles auszuprobieren und…“

Bei dem stechenden Blick dem Kai ihn zuwarf, wurde Tala sofort Mucksmäuschen still.
 

Stimmte ja, seine Liaison mit Tyson war Tabuthema Nummer Eins im Haus.

Kai gab aber nach dem bösen Blick nur einen herzerweichenden Seufzer von sich und starrte dieses Mal die Wand an. Tala kam dieses Verhalten immer merkwürdiger vor.
 

„Hast du keinen Hochgekriegt, oder was ist los?“, hackte er nach. „So schlecht kann der Sex doch nicht gewesen sein, dass du völlig traumatisiert wirkst.“

Kai schaute nun doch wieder zu Tala.
 

„Ich habe etwas Furchtbares getan.“
 

**^^**
 

Als Tyson die Augen öffnete, war das erste was er sah, dass er sich nicht in seinem Zimmer befand. Aber die ersten Sekunden der Verwunderung wichen sehr schnell den Erinnerungen und mit einem Ruck saß er aufrecht im Bett. Ein weiterer Blick auf seinen Torso und das Ziehen im Unterleib, das er bei der raschen Bewegung verspürt hatte, bestätigten seine Erinnerung. Seufzend fuhr Tyson sich mit der Hand durch das Haar.
 

Er hat es tatsächlich getan. Er hatte tatsächlich mit Kai geschlafen.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Das war gut. Es war nichts Schlimmes daran und Kai war ein toller Mann. Zumindest wenn er sich an das erinnerte was Kai ihn gestern gesagt hatte.
 

Er hatte immer den Sex mit Kai vermieden, weil er Angst hatte, doch nur einer von vielen zu sein. Aber Kai war am Vortag so liebevoll und fürsorglich gewesen, dass er sich sicher war, seine Ängste seien unbegründet. Dann musste er sich nur noch die Frage stellen, wo Kai jetzt war.
 

Er wusste noch, dass sie Arm in Arm eingeschlafen waren, aber aufwachen tat er allein im Bett. Ein Romantisches Erwachen stellte er sich wirklich anders vor. Er stieg langsam aus dem Bett, das Ziehen im Unterleib war ein wenig unangenehm, aber er hatte Kai ja selbst gesagt, er solle sich nicht zurückhalten. Kein Fehler wie sich herausgestellt hatte.
 

Der Sex war einfach grandios gewesen. Wieder dieses Lächeln auf seinem Gesicht. Fast konnte man ihn für pervers halten, aber er versuchte die Erinnerung an die letzte Nacht kleinlich genau zu rekonstruieren. Und wenn er das tat, dann wusste er, dass das Schönste von alle dem gewesen war, wenn Kai ihm tief in die Augen gesehen hatte.
 

Noch etwas verpennt und schwach auf den Beinen bewegte sich Tysons ins Badezimmer. Wie schon Kai zuvor wusch er seinen Oberkörper kurz ab und kämmte sich durch die Haare.
 

Dabei hatte er immer diesen glücklichen Gesichtsausdruck. Nicht mal die Puderdose und die schlechten Erinnerungen, die damit verbunden waren, konnten ihn die Laune verderben.Aber als er sowohl im Zimmer als auch in Küche seine Klamotten zusammensuchte, war keine Spur von Kai zu sehen.
 

Okay, wenn sich Kai nach der Nacht einfach aus dem Staub gemacht hatte, ohne ihn Bescheid zu sagen, dann gab das eindeutige Abzüge in der R-Note (Romantisch-Note). Dass Kai kein Softie und liebevoller Liebhaber war, dass hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung festgestellt.
 

Die bei der Kai ihn über den Haufen gerannt und blöd angepöbelt hatte. Aber die Tatsache, dass er sich nach dem Sex einfach verzog, war doch schon ein bisschen arg… ruppig. Tyson nahm sich ein Glas Wasser und sah sich noch weiter in der Wohnung um. Kai war nicht im großen Badezimmer, nicht in seinen Zimmer, im Wohnzimmer oder im Dojo.
 

Er war tatsächlich gegangen! Okay, dafür gebe es für die nächsten 24-Stunden keine Zärtlichkeit zwischen ihnen. Das war einfach zu viel für ihn. Selbst ein Gefrierschrank wäre nicht so eiskalt abgehauen wie er. Ein wenig enttäuscht und deprimiert schlurfte Tyson zurück in das Gästezimmer, dass Glas mit dem Wasser immer noch in der Hand.
 

Er sollte das Zimmer aufräumen und die Laken wechseln. Im Zimmer angekommen, wollte er das Glas auf den Schreibtisch abstellen und bemerkte zum ersten Mal das Geld und den Zettel die darauf lagen. Es war nicht gerade wenig Geld und verwundert zog Tyson den Zettel unter dem Bündel hervor.
 

„Das sollte als Lohn genügen. Vielleicht melde ich mich irgendwann nochmal bei dir oder empfehle dich weiter. Kai.“
 

Tyson entglitt das Glas aus den Händen und es zerschellte am Boden.
 

**^^**
 

Klatsch!

Kais Kopf flog zur Seite, als Tala ihn unvermittelt eine knallte.
 

„Wie konntest du ihm so etwas antun?“, fragte Tala voller Wut in seiner Stimme.

Kai hatte die Augen wegen des Schlags geschlossen gehabt, öffnete sie aber wieder um Tala entschuldigend ins Gesicht zu sehen, seinen Kopf drehte er aber nicht wieder zu ihm hin.
 

„Weißt du eigentlich“, zischte Tala ihn an, „wie demütigend und erniedrigend es ist Geld für Sex zu bekommen? Selbst wenn er nicht in dich verliebt wäre, wird es ihn sehr verletzen.“

„Ich hatte keine Wahl“, rechtfertigte sich Kai. Er drehte sich weg von Tala und starrte stattdessen an die Wand. Er konnte ihm jetzt nicht in die Augen sehen. Wollte nicht sehen, was er längst wusste.
 

„Wieso hattest du keine andere Wahl?“ Talas Stimme wies eindeutig Verwunderung auf. „Du liebst ihn doch, oder? Warum bist du nicht einfach glücklich, dass ihr beide euch gefunden habt?“

Kai schwieg und umfasste sich selbst mit seinen Armen. Seine Fingernägel bohrte er tief in seine Arme und versuchte damit den Schmerz zu übertünchen, der sein Herz so quälte. Tala sah das Leiden seines Freundes und sagte vorerst nichts mehr. Kai fühlte sich so mies, so abartig.
 

Er wusste, dass er Tyson etwas Schreckliches angetan hatte, aber das hatte er nur getan, weil er ihn liebte und jetzt musste er hoffen, dass der Blauhaarige ihn hasste.

„Ich liebe Tyson so sehr“, begann er dann zu erklären, „so sehr, dass ich alles tun würde um ihn zu beschützen.“

„Warum dann diese Demütigung, Kai?“
 

„Er soll mich hassen und sich von mir fernhalten“, sagte Kai und er konnte die erste Träne die sich einen Weg über seine Wange bahnte nicht unterdrückten. Er hasste es weinen zu müssen, aber er konnte den Schmerz einfach nicht mehr unterdrücken. „Ich bin ein Vampir! Ein Monster! Auch wenn ich Menschen beschütze und noch nie einen Menschen getötet habe, so kann ich diese Tatsache doch nicht einfach vergessen. Und wenn ich mit ihm zusammen sein wollte, dann müsste ich ihm diese Wahrheit auch offenbaren.“
 

Kai hielt für den Moment inne. Tala kam auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich könnte es nicht ertragen, wenn er mich aufgrund dessen zurückweisen würde oder… sogar Angst vor mir hätte.“

Tala nahm die Hand von Kais Schulter und umarmte seinen Freund von hinten. Kai ließ diese Nähe ohne sich zu rühren zu.
 

„Auch du hast ein Recht darauf geliebt zu werden“, wisperte Tala. „Und du denkst schlechter von Tyson, als du glaubst. Schlechter von der Liebe, als du glaubst.“

Sie standen eine Zeitlang so da, aber irgendwann fühlte Kai, wie der Knoten in seiner Brust sich allmählich auflöste.
 

Er wollte sich aus Talas Umarmung lösen und schob dafür dessen Hände weg, doch dabei fiel ihm etwas auf. Sofort packte er Talas Hand, welche dieser gerade wegziehen wollte um Kai zu schonen, aber dieser war schneller.
 

Kai drehte sich zu Tala um und musterte die Narbe an dessen Handinnenfläche.

„Was ist gestern Nacht auf der Patrouille passiert?“, fragte Kai und schaute seinen Freund durchdringend an. „Hat es Probleme gegeben?“

„Keine über die du dir jetzt einen Kopf machen solltest“, sagte Tala, zog seine Hand nun doch zurück und versteckte sie hinter seinen Rücken. Kai wusste es, wenn der Rothaarige log und jetzt verheimlichte er ihm eindeutig etwas.
 

Es kam so gut wie nie vor, dass Tala mehr als eine Schramme oder eine kleinere Wunde von einem Kampf hervor trug, außer es handelte sich um ein besonders mächtiges Wesen.
 

„Auf wem seid ihr gestern Nacht getroffen?“, fragte Kai eindringlich und sah Tala fest in die Augen.

„Nur einen etwas mächtigeren Vampir“, versuchte Tala auszuweichen. „Nichts worüber du dir jetzt Gedanken machen müsstest.“
 

„Auf wem?“, fragte Kai nochmal mit Nachdruck und eindeutig gereizter Stimme. Aber Tala brauchte nicht mehr zu antworten. Kai konnte es in seinen Augen ablesen. Er sah die Angst darin. Es gab nur einen der Tala Angst machen konnte. Der, der ihn getötet hatte.

„Brooklyn“, flüstere Tala.
 

Kai war sich nun ganz sicher. Es war das Richtige gewesen dafür zu sorgen, dass Tyson sich ihm nie wieder nähren würde.
 

**^^**
 

Tyson lag auf den Rücken und starrte an die Decke, während er auf das Urteil von Max wartete. Dieser brütete seit 5 Minuten über den Zettel und dem Geld das Kai ihm hinterlassen hatte.
 

Max war wie so oft bei Tyson vorbeigekommen um mit ihm zu frühstücken. Sofort hatte er bemerkt, dass etwas vorgefallen war und nachdem Tyson die kurzen Erlebnisse des letzten Tages geschildert hatte und Max schon ein freudiges Grinsen aufsetzte, hatte Tyson ihn auch schon den Zettel unter die Nase gehalten.
 

„Das alles für einmal Sex, von dem er glaubt er müsste ihn auch noch bezahlen?“, murmelte Max mehr zu sich selbst. „Kommt mir irgendwie komisch vor.“

Er warf den Zettel zurück auf den Tisch und wischte auch angewidert das Geld weiter von sich weg. Tyson setzte sich auf um ihn ansehen zu können. Zwei Emotionen konnte Tyson aus Max‘ Gesicht lesen. Abscheu und Verwunderung.
 

„Warum sollte Kai sich derart Mühe mit dir geben, wenn es ihm nur um eine Nacht ging?“, richtete er nun die Frage direkt an seinen besten Freund.

„Da steht doch, er meldet sich vielleicht mal wieder“, versuchte es Tyson, aber dafür erntete er nur einen skeptischen Blick von Max. „Ich kann mir das alles doch auch nicht erklären“, meinte er dann. „Kein Notgeiler Bock lungert wochenlang bei mir rum, um dann auch noch für ein Mal Sex zahlen zu müssen.“
 

„Getan hat er es trotzdem“, sagte Max. „Schwein!“

„Arsch!“
 

Tyson stützte seine Hände auf dem Tisch ab. Er starrte auf das Blatt Papier, das nur wenige Zentimeter vor ihm lag. Er konnte es sich einfach nicht erklären. Kai hatte ihm gegenüber behauptet, er würde etwas für ihn empfinden, er hatte sich Mühe mit ihm gegeben, hatte für ihn gekocht, hatte ihn getröstet. Und das soll nur eine Taktik gewesen sein um ihm rumzukriegen. Tyson verstand es einfach nicht.
 

„Vielleicht war es ja eine Wette“, schlug Max vor. „Er hatte mit jemandem gewettet dich ins Bett zu kriegen. Das würde erklären, warum er so hartnäckig war.“

„Aber es erklärt nicht, warum er glaubt mich bezahlen zu müssen“, meinte der Blauhaarige nun wieder.

„Oder er ist einfach nur blöd und glaubt, er müsste jeden für Sex bezahlen.“

„Das erklärt nicht die Hartnäckigkeit.“
 

„Man“, stöhnte sein bester Freund. „Den Typen durchschau ich einfach nicht.“

Tyson atmete tief durch und sein Blick blieb wieder an der Nachricht und dem Geld hängen.

„Auch wenn es keine Erklärung dafür gibt. Ich will ihn nie wieder sehen.“

„Tyson?“

„Ich habe schon eine schwierige Beziehung hinter mir und ich brauche bestimmt keine zweite.“
 

„Aber“, sagte Max, „wenn es nun für alles eine sinnvolle Erklärung gibt. Ich will Kai ja nicht in Schutz nehmen, aber er kam mir nie vor, wie jemand der andere nur ausnutzt.“

„Trotzdem hat er mir Geld hingeschmissen und ist einfach abgehauen. Im Grunde ist er genauso ein Scheißkerl wie Kane.“
 

„Zwischen dem Hinschmeißen von Geld und der Intensivstation besteht aber ein riesen Unterschied.“

Tyson nahm den Zettel und das Geld vom Tisch, stand auf und schmiss beides in den nächsten Mülleimer.

„Noch einmal werde ich nicht blind sein vor lauter Liebe und mir mein Leben von so einem Mistkerl versauen lassen.“
 

Max senkte resigniert den Kopf. Auch wenn ihm Kai etwas wunderlich vorgekommen war und er skeptisch ihm gegenüber blieb, so hatte er doch gehofft, er könnte Tysons Wunden heilen. Stattdessen hatte er sie wieder aufgerissen.
 

Er sah den verbissenen Blick seines Freundes und wusste, dass er vorerst niemanden wieder an sich ranlassen würde. Er war wieder gefangen in seiner Verzweiflung, weil er glaubte, die falsche Entscheidung in der Liebe getroffen zu haben.
 

Max konnte sich Kais Verhalten nicht erklären, aber eins wusste er. Er hatte gesehen wie Kai Tyson angesehen und wie eifersüchtig er auf ihn reagiert hatte. Das waren nicht nur die Gefühle von jemanden gewesen, der auf eine Nacht aus war. Da waren tiefe Gefühle im Spiel gewesen. Blieb nur die Frage, wie Kai dann so etwas Herzloses tun konnte.

Alles zurück auf Anfang

Es hat lange gedauert, aber hier ist nun das nächste Kapitel. Mein Rythmus ist wirklich nicht mehr der, der er einmal war, aber ich versuche wirklich immer alle zwei Monate etwas hochzuladen. Das Kapitel hier ist mal wieder nicht DER Burner, aber es ist schön lang und gibt wieder einige Einblicke in die Vergangenheit der Charaktere.

Dann wünsche ich viel Spaß und hoffe, dass mir meine Leser treu geblieben sind.
 


 

Zwei Tagen waren inzwischen vergangen, seit… Ja seit Kai den einzigen Menschen, den er je geliebt hat, dass Herz gebrochen hatte. Das klang sehr melodramatisch. Kai ist über Hundert Jahre alt und wer weiß, wie alt er noch werden konnte. Bestimmt würde er noch andere Menschen lieben.
 

Andererseits… wenn man hundert Jahre lebte und erst jetzt jemanden fand, den man mit Haut und Haaren will; von dem man nicht ablassen kann, egal was man versucht; den man nicht vergessen kann, obwohl man sich bemüht und den man liebt, auch wenn er der größte Depp auf Erden ist und für den man alles erträgt; handelt es sich nicht dann um die „Liebes seines Lebens“?
 

So viele Fragen beschäftigten Kai, auch die, ob er nicht zu vorschnell gehandelt hatte. Die ersten 24-Stunden war er sich sicher gewesen, dass einzig Richtige getan zu haben. Doch als dann die Sehnsucht stärker wurde und er diese braunen Augen mit ihren warmen Strahlen so qualvoll vermisste, fragte er sich doch, ob er in dem Moment nicht zu drastisch war.
 

Er hat Tyson nicht einfach nur verletzt. Ihn nicht einfach nur von sich gestoßen. Er hatte ihn das Herz aus der Brust gerissen und darauf gespuckt. Metaphorisch gesprochen. Gott allein wusste, wie sehr Tyson ihn jetzt hassen musste. Aber es brannte Kai unter den Nägeln zu wissen, wie Tyson darauf reagiert hatte.
 

Hat er Kais Brief einfach nur in den nächsten Mülleimer geschmissen und sich über das Geld gefreut? Ist er schimpfend und vor Wut schäumend im Haus herumgerannt? Oder hat er sich einfach auf den Boden geschmissen und bitterlich angefangen zu weinen?
 

… Letzteres konnte er wohl ausschließen. Tyson war nicht der Typ, der sich von einen anderen das Leben so schwer machen ließ. Es ist eher wahrscheinlich, dass er extrem wütend geworden ist und ein Bild von Kai auf seine Kendotrainingspuppe geklebt hat um seine Wut daran auszulassen. Ja, so einer war Tyson. Kein Jämmerling und kein gefühlskalter Showinist.
 

Er war hart im Nehmen und lies seine Wut auf nicht Menschenschadende Weise ab. Anders als er. Denn seinen Frust bekam gerade Ray zu spüren.

„Ich will nichts hören von: >Meine Kontakte haben mir nichts gesagt<“, keifte er in sein Handy. „Selbst eine kleine Vampirgruppe mit einem Psychopathen als Anführer hätte auffallen müssen.“
 

„Ich sage dir doch, Kai“, erwiderte Ray, schon fast am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil Kai ihn seit 30 Minuten übers Telefon anbrüllte. „Ich habe alle meine Augen und Ohren offen gehalten, aber das Ganze ging zu schnell und zu heimlich über die Bühne.“
 

„Heimlich?“, meinte Kai höhnend, „wir reden von Brooklyn. Der macht doch alles um aufzufallen. Der schlachtet mal kurz ein Waisenhaus ab nur um zu zeigen, wie toll und böse er ist.“

„Vielleicht wollte er dieses Mal einfach nicht auffallen.“

„Ach, und warum sollte er das tun?“
 

„Damit du nicht wieder alle sieben Sachen zusammenpackst und abhaust, wie ein Hund der den Schwanz einzieht, wenn ein Größerer auftaucht.“

Die Aussage brachte Ray einen Schwall von Beleidigungen, bis Kai schließlich das Handy an der Wand zerschmetterte.
 

„Der arme Ray. Der kann doch nichts dafür, dass du Tyson vermisst.“

Sofort wandte Kai seine wütenden Augen Tala zu. Dieser kam gerade aus der Dusche zurück in sein Schlafzimmer. Kai sah ihm dabei zu, wie er zur Kommode ging und ein paar Sachen darin verstaute. Kai näherte sich ihm von hinten.
 

Als Tala sich umdrehte und Kai plötzlich vor sich stehen sah, zuckte er nur kurz vor Verwunderung zusammen, wollte aber gleich an ihm vorbeigehen, was dieser allerdings verhinderte.
 

„Kai, ich würde jetzt gerne in die Küche gehen und das Mittagessen vorbereiten“, meinte er bissig und wollte wieder an Kai vorbei, der dies aber abwehrte, indem er ihm am Arm packte. „Komm nicht auf die Idee wieder selbst zu kochen. Gestern war das ja die reinste Giftbrühe. Wenn du Selbstmord begehen willst, dann tu dies alleine.“
 

Doch bevor Tala einen weiteren Fluchtversuch unternehmen konnte schmiss ihn Kai schon auf das Bett. Und bevor er sich aufrichten konnte beugte sich sein Freund schon über ihn. Tala sah zu ihm auf und versuchte den ausdruckslosen Blick von Kai standzuhalten.
 

Ihm gelang dies auch, aber Kai wandte sich ab indem er sich zu Talas Hals hinunter beugte und anfing ihn mit seiner Zunge entlang zu fahren, sich an der Halsschlagader festsaugte und mit seiner Hand unter Talas Shirt wanderte.

„Ich werde dich nicht von mir stoßen, Kai“, sagte Tala wobei er stur an die Decke starrte.
 

„Gut so“, sagte Kai und biss sich an Talas Schulter fest.

„Denn wir wissen beide, dass dies nicht das ist, was du wirklich willst.“

Kai hörte auf den Körper des rothaarigen mit seinen Malen zu bedecken und krallte seine Hand in das Bettlacken.
 

„Das bringt dir rein gar nichts“, redete Tala weiter. „Dadurch wirst du Tyson nicht vergessen und mich nur demütigen. Wobei ich es ja gewöhnt bin für Sex bezahlt zu werden.“

Kai krallte seine Hände so sehr in die Lacken, dass diese Rissen und er verzog Schmerzhaft das Gesicht. Dann stieß er sich von Tala weg und verließ eiligst das Zimmer.
 

**^^**
 

Tyson nahm das Bambusschwert in die Hand und stellte sich in die Mitte des Dojos. Er schloss noch kurz die Augen um sich zu konzentrieren und fing dann gleich darauf mit seinen Übungen an. Er führte Schläge aus, wandte Abwehrtechniken an und konzentrierte sich dann wieder für einen Moment. Da er noch kein Meister war konnte er den Dojo nicht alleine leiten und übte daher, seit sein Großvater auf Reisen war, allein.
 

Nur selten kam ein Schüler, der im Grunde genau so weit war wie er, vorbei und trainierte ein wenig mit ihm. Ansonsten blieb der Dojo leer und Tyson ziemlich weit hinten mit seinem Training. Besonders in den letzten Wochen hatte sein Training gelitten.
 

Die Tatsache dass er, wenn er nicht an der Uni war, Kai bei sich hatte, ließ wenig Zeit für Übungen. Einmal hatte er sich allerdings während Kais Anwesenheit doch dazu durchgerungen zu trainieren. Kai hatte ihm dabei zugesehen, aber Tyson hatte seine Übungen vorzeitig abgebrochen und beschlossen nie wieder in Kais Anwesenheit eine schweißtreibende Arbeit auszuüben. Kai hatte ihn die ganze Zeit angestarrt als wolle er ihm gleich die Kleidung vom Leib reisen.
 

Doch seit Kai ihm auf eine unschöne Weise den Laufpass gegeben hatte, trainierte er härter denn je. Er übte mehrere Stunden lang, machte anstrengende Kraftübungen und verbrachte danach eine gefühlte Ewigkeit in der Badewanne auch wenn das Wasser schon kalt war. Alles sollte dabei helfen Kai aus seinem Gedächtnis zu streichen.
 

Er wollte ihn nie wieder sehen und somit auch nie wieder Gedanken an ihn verschwenden. Kai war für ihn gestorben und wenn der Graublauhaarige ihm je über den Weg laufen sollte, dann würde er auch dafür sorgen, dass er auch für den Rest der Menschheit tot sein würde, denn er würde ihn höchstpersönlich unter die Erde bringen.
 

Verdammt! Tyson wollte diesen Mistkerl doch vergessen. Und nun dachte er schon wieder darüber nach, auf welche Grausame Weise er ihn zerstückeln würde. Er wollte das nicht mehr, konnte das nicht mehr. Aber er hatte in den letzten Tagen so hart trainiert, dass ihm nun die Kräfte verließen, seine Schläge unpräzise wurden und Kai eine Lücke fand sich in seine Gedanken zu schleichen.

„Vielleicht empfinde ich ja etwas für dich.“
 

Ihm fielen die Worte ein, die Kai zu ihm gesagt hatte, die ihn erst zu dieser Dummheit, ihn an sich ranzulassen, bewegt haben.

„Du bist nicht allein. Ich bleibe solange du willst.“

Tyson schloss gepeinigt die Augen. Er hätte ihm niemals glauben dürfen. Er hätte nie nachgeben dürfen.
 

„Das sollte als Lohn genügen. Vielleicht melde ich mich irgendwann nochmal bei dir oder empfehle dich weiter.“

Er hätte niemals, niemals wieder vertrauen dürfen. Er hatte doch seine Lektion schon längst gelernt. Hatte doch schon vor längeren Begriffen, dass Liebe auch Schmerz bedeutete.
 

„Denkst du, ich wüsste nicht, dass du mich mit jedem betrügst!“

Und plötzlich kamen sie wieder hoch. Die anderen Erinnerungen. Erinnerungen die Tyson tief vergraben hatte. Die niemals wieder hochkommen sollten.

„Du Dreckshure verdienst noch viel mehr!“
 

Tyson verlor das Gleichgewicht und wankte an die Wand, wo er hart mit den Rücken aufkam. Das Bambusschwert entglitt seinen kraftlosen Fingern.

„Strafe muss sein Ty-chan.“

In Tysons Augen sammelten sich Tränen und er rutschte an der Wand hinab. Er konnte es nicht verhindern. Kais Verrat hatte seine alten Wunden aufgerissen und brachte diese schrecklichen Bilder zurück.
 

„Glaube nicht, dass du vor mir fliehen kannst.“

Tyson konnte es nicht mehr halten. Er brach und krümmte sich zusammen. Wollte nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr fühlen. Zweimal hatte er geliebt und beides Mal hatte es ihm Schmerzen bereitet. Ob nun körperlich oder seelisch. Beides hatte ihn gebrochen.
 

**^^**
 

Tala stand noch etwas unentschlossen vor dem Eingang und besah sich die leuchteten Buchstaben, welche die Moonlight Bar präsentierten. Wenn Kai wüsste, dass er hier wäre und wenn er wüsste, was er vor hatte, dann würde er ihn vermutlich massakrieren.
 

Allerdings könnte das auch passieren, wenn er ihn im Moment ansprach. Kais Laune war von Tag zu Tag schlechter geworden. Er war noch wortkarger als sonst, was so viel hieß wie, dass er zum Stummen geworden war. Wenn er nicht gerade mit leerem Blick auf den Boden starrte, dann funkelte er Tala böse an, nur weil dieser ihn besorgte Blicke zuwarf.
 

Als Ray an diesen Morgen vorbeigekommen war um die Lage mit ihnen zu besprechen, musste Tala seine gesamte Kraft aufbringen um Kai festzuhalten, der aus, was weiß er für Gründe, auf den Chinesen losging. Er rechtfertigte sich damit, dass es auch Rays Schuld sei, dass Brooklyn unbemerkt nach Tokyo gekommen war.
 

Aber in Wahrheit suchte er nur ein Ventil für seinen Frust. Sex mit ihm konnte er vergessen, also sollte es eine Schlägerei mit Ray sein. Der blieb allerdings von Kais Angriffsversuch unbeeindruckt und hat in Ruhe erzählt was es Neues gab.
 

Brooklyns Heerschaar bestand aus ungefähr 50 Vampiren. 10 davon waren auf jeden Fall schon ältere Kameraden von ihm. Also waren sie mindestens 100 Jahre alt. Je älter ein Vampir war, umso stärker war er auch. Mit seinen knapp 50 Jahren war Tala noch relativ jung.
 

Stärker als jeder 10 oder 20 jährige Vampir, aber bei 100 jährigen musste er schon aufpassen. Wer die übrigen waren konnten sie noch nicht genau sagen. Aber rein aus der Schätzung her waren 10 davon bestimmt relativ jung. Mit 150 war Brooklyn wahrscheinlich der Älteste. Er war auf jeden Fall der Anführer und dies war immer der Älteste und somit der Mächtigste der Gruppe.
 

Leider gab es noch keine Hinweise darauf, wo sie ihr Nest aufgeschlagen hatten. Tokyo war riesig und es könnte überall sein. Beuteschema und Revierverhalten konnten sie vergessen. Für einen Vampir war es eine leichte Sache sich innerhalb einer Nacht vom einen Ende der Stadt bis zum anderen zu bewegen und zurück.
 

Und bei einer solchen Gruppe sowieso. Die waren einfach zu schlau, zu überlegen und zu gut organisiert. Nur wenn sie einen Fehler machen würden, könnte man sie damit kriegen, aber die machten selten Fehler und wenn doch; dann musste auch mit einer Falle gerechnet werden.
 

Die ganze Sache war also ziemlich chancenlos. Es könnte Monate, Jahre dauern, bis sie Brooklyn wirklich zu fassen kriegten. Aber größer war die Wahrscheinlichkeit das Brooklyn sie fassen würde. Er war bestimmt nicht wegen der guten Luft und schillernden Metropole nach Tokyo gekommen. Dieser Kerl verfolgte stets einen Plan und wahrscheinlich war dieser mal wieder das Quälen von Kai.
 

Man könnte meinen, dies sei sein einziger Lebenszweck. Vielleicht war dem auch so. Er hatte Brooklyn nie wirklich „kennengelernt“ und konnte daher nur seine Absichten erraten. Er wusste aber, dass dieser Psychopath Kai verfolgte und ihm das Leben stets zur Hölle machte, wenn sie sich begegneten. Kai machte aus dem Warum ein großes Geheimnis.
 

Nur einmal hatte er verlauten lassen, dass er und Brooklyn sich von früher kannten, als sie noch Menschen waren. Und von ihrem Boss hatte Tala erfahren, dass Brooklyn angeblich Kais Schöpfer war. Eine im Grunde sehr merkwürdige Sache das Ganze. Aber das war jetzt im Grunde nicht so wichtig. Außer das Brooklyns auftauchen dafür gesorgt hatte, dass Kai noch mehr daran festhielt die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

Er glaubte, wenn Brooklyn von Tyson erfahren würde, dann würde er ihn genauso als Köder benutzen wie einst Tala. Sowas konnte übel enden und Tala musste ihn in dieser Sache sogar ein wenig recht geben. Auch Ray hatte Kai nicht ganz wiedersprechen können, allerdings eher wegen dem Orden der Avatar, die leider nun auch in der Stadt waren.
 

Kaum war eine Vampirgruppe, die aus mehr als 10 Personen bestand in einer Stadt und wenn mindestens einer davon über die 70 war, tauchten auch Mitglieder der Avatar in der Gegend auf. Und wahrscheinlich glaubten sie noch, die Leute müssten ihnen dafür danken. Tala hingegen war nur schlecht gelaunt.
 

Diese neurotischen, paranoiden, generalisierenden Idioten pflöckten doch jeden der nur ein bisschen längere Vorderzähne hatte. Mal ganz davon abgesehen, was sie mit denen machten die Vampire begegneten. Die Narben die Ray immer noch hatte zeugten eindeutig von ihren barbarischen Methoden.
 

Also hatten sie nicht nur einen Psychopathischen Vampir mit Kai Fixierung am Hals, sondern auch noch starrköpfige Möchtegernvampirjäger.

Im Grunde sollte Tyson froh sein, dass er mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Aber Kai tat nur so, als wäre er froh und in Wahrheit sehnte er sich nach dem Japaner. Nicht nur nach seinen Körper, nach der Gesellschaft oder dem Sex. Kai hatte sich in Tyson verliebt.
 

Das erste Mal richtig und ehrlich verliebt. Und dann hatte er ihn so von sich gestoßen. Brutal und skrupellos. Wenn er Tyson richtig einschätzte, dann hatte dies ihn tief verletzt. Wen hätte das nicht. Okay, für ihn wäre es als Mensch Alltag gewesen, wenn einer seiner Freier nicht geblieben wäre. Aber Tyson war keine Hure und Kai kein Freier. Sie waren zwei Verliebte gewesen, die sich der Lust und der Liebe hingegeben hatten.
 

Tala ließ die Schultern hängen und gab einen erschöpften Laut von sich. Wie zum Teufel sollte er Tyson klar machen, dass Kai das nicht ernst gemeint hatte. Bestimmt war dieser Fuchsteufelswild auf Kai und würde ihn am liebsten in Stücke reißen. Aber er musste es einfach versuchen.
 

Er wollte nicht, dass sein Freund an der Sehnsucht nach Tyson verzweifelte und er wollte dem Japaner auch etwas von dem Schmerz nehmen. Sie mussten sich ja nicht gleich versöhnen oder wieder zueinander finden als wäre nichts gewesen, aber er musste einfach verstehen. Tyson sollte verstehen, dass es nicht Kais Wille war ihn zu verletzen.
 

Sich selbst Mut zuredend setzte sich Tala also nach einer schieren Ewigkeit in Bewegung und betrat die Bar.

An der Garderobe lehnte er es ab seinen Mantel abzulegen und betrat gleich den Gastraum. Er wollte nicht lange bleiben. Mit Tyson alles klären und wieder gehen. Sich hinzusetzen oder gar einen Drink zu bestellen, würde nur die Ernsthaftigkeit seines Besuches in Frage stellen.
 

Er ließ seine Augen durch die Menge im Raum wandern. Es war Freitagabend und daher relativ voll. Er hatte diesen Tag gewählt, weil er wusste, dass Tyson an diesen Abend immer arbeitete.
 

Woher er das wusste? An diesen Abenden war Kai meistens mit einem eifersüchtigen Blick zu Hause gehockt und hatte immer auf die Uhr geschaut. Ein Zeichen dafür, dass er befürchtete, dass Tyson von jemand in der Bar angesprochen werden könnte.
 

Durch seine Vampiraugen konnte der rothaarige Russe gut durch den schlechtbeleuchteten Raum blicken und entdeckte kurz darauf einen blauen Haarschopf. Tyson nahm gerade Bestellungen entgegen und hatte Tala dabei den Rücken zugewandt. Zielstrebig steuerte er auf Tyson zu und bevor er ihn erreichte drehte sich Tyson so, dass Tala nun sein Gesicht sehen konnte und er hielt kurz inne um erschreckt nach Luft zu schnappen.
 

Tyson sah nicht gut aus. Er wirkte abgehetzt. Seine blauen Haare fielen ihm wirr und schlaff ins Gesicht, seine Augen wirkten müde und stumpf und auch schien er ansonsten keinerlei Kraft auszustrahlen. In Tala erwachte nun der Instinkt Tyson von seiner Arbeit wegzuzerren und irgendwo hinzubringen wo er sich erholen konnte. Aber erst einmal musste er dem Japaner erreichen und ihn für ein Gespräch an einen ruhigeren Ort bringen.
 

„Tyson?“, sprach er den Japaner an, der gerade leere Gläser abräumte. Er hätte ihn am liebsten leise und sanft angesprochen, wegen der lauten Musik aber hatte er die Stimme etwas erheben müssen. Zumindest hatte ihn Tyson so nicht gleich erkannt und drehte sich daher fragend zu ihm hin. Er brauchte einige Sekunden bis er erkannte, wer ihm da im Halbdunkel gegenüberstand. So aus der Nähe sah Tyson noch elender aus.
 

Tala hätte schwören können er wirkte auch ein wenig dünner als sonst, aber das konnte auch nur Einbildung sein. Als Tyson ihn schließlich erkannte, kehrte ein bisschen Leben in seine Augen zurück. Allerdings war es keine positive Aufmerksamkeit. Tyson schaute ihn wütend an und wandte sich sofort ab. Er ging Richtung Theke und Tala folgte ihm.
 

„Ich muss unbedingt mit dir reden“, rief ihn Tala hinterher.

„Drei Martinis, zwei Scotch und einen Tequila Sunrise“, gab Tyson die Bestellung an den Barmann ohne weiter auf ihn zu achten.

„Können wir wohin gehen, wo wir ungestört sind“, verlangte Tala und packte Tyson am Arm. Der entriss ihm diesen aber gleich wieder ohne ihn anzublicken. Der Barjunge, der gerade die Getränke für Tyson vorbereitete, warf Tala einen misstrauischen Blick zu.
 

Er hatte Haselnussbraune Haare, wirkte schlank und hatte schöne grüne Augen. Der typische One-Night-Stand-Typ den Tala bevorzugte, aber heute war er nicht auf Beutefang.

„Wir müssen dringend miteinander reden“, versuchte es Tala weiter.
 

„Ich wüsste nicht warum“, gab Tyson, dass erste Mal eine Antwort, „selbst wenn du Kai persönlich wärst, würde ich nicht mit dir reden wollen. Aber du kannst ihn gerne von mir bestellen, dass seine Bezahlung etwas dürftig war.“

Der Junge an der Bar riss die Augen auf und schaute fragend zu Tyson, aber Tala war die mithörende Person leid und zerrte Tyson einfach mal etwas weg von der Bar. Der Blauhaarige wehrte sich zwar, aber hatte gegen Tala einfach keine Chance.
 

Tala bugsierte ihn in die einzige etwas ruhigere Ecke die er kannte. Einen Flur hinter der Theke. Der Bereich war mit einer Tür abgetrennt, welche nie verschlossen war. Tala öffnete die Tür, schubste Tyson in den Gang und knallte sofort die Türe wieder zu. Auf der Stelle war der Lärm etwas ab geschwellt und sie mussten sich nicht mehr schreiend unterhalten.
 

„Ah verstehe“, meinte Tyson verächtlich, „jetzt willst du nochmal ran.“

Tyson lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand, während Tala kurz einen Blick durch den Flur warf. 5 weitere Türen führten in Räume, die... die für etwas anderes als Getränke zu sich nehmen gedacht waren.
 

„Ich will nur mit dir reden.“ Tala war froh, dass sich gerade niemand im Flur befand und auch aus dem Zimmern schienen keine Laute zu kommen.

„Was Kai da getan hat“, begann er, „dass will ich auf keinen Fall beschönigen.“

Tala wurde gerade bewusst, dass er sich für dieses Gespräch überhaupt keine Worte zu Recht gelegt hatte. Er musste improvisieren. „Aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass er es nicht so gemeint hat.“
 

„Ich weiß ja nicht was Kai dir erzählt hat, aber die Nachricht die er mir hinterlassen hatte war ziemlich eindeutig.“ Tyson wirkte in keinster Weise verletzt oder gekränkt. Er strahlte eher eine gewisse Verärgerung aus und die Tatsache, dass er so cool und locker sprach, ließ Tala befürchten, dass er mit Kai schon längst abgeschlossen hatte.
 

„Ich weiß was er getan hat“, Tala wollte so gut wie möglich vermeiden Kais Schandtat auszusprechen, „aber das hat er nicht getan um dich zu verletzen.“

„Verletzen?“, sagte Tyson höhnisch und verdrehte die Augen. „Er hat nun mal gedacht, ich sei eine Hure. Von verletzen kann da wirklich keine Rede sein. Ich meine, welche Hure ist schon verletzt, wenn sie für ihre Arbeit bezahlt wird?!“
 

Tala ballte die Fäuste zusammen und versuchte sich zu beruhigen. Tysons Tonart war einfach nicht okay. Sie signalisierte keinerlei Ernsthaftigkeit mit Tala darüber reden zu wollen.

„Kai wollte doch gerade, dass du schlecht über ihn denkst“, näherte sich Tala der Wahrheit. „Er wollte genau dies bewirken mit seiner Aktion. Dass du ihn verachtest und ihn nie wieder sehen willst. Nur deshalb ist er so weit gegangen.“
 

Nun schien Tala endlich mal ein wenig ernsthaftere Aufmerksamkeit von Tyson zu bekommen. Er drehte sich nun doch mit Interesse in den Augen ganz Tala zu und stieß sich sogar von der Wand ab.
 

„Und warum wollte er so unbedingt von mir gehasst werden?“, fragte Tyson und schaute dem Rothaarigen dabei tief in die Augen. „Warum tat er zuerst alles damit ich mich ihn öffne, um mich dann wieder zu verstoßen.“

Nun musste sich Tala doch kurz die Zeit nehmen um gut über seine nächsten Worte nachzudenken. Er durfte Tyson nicht zu viel sagen, aber er musste ihm dennoch eine gute und ehrliche Antwort geben. Als er seine Augen nach gutem Durchdenken wieder öffnete, wartete Tyson immer noch gespannt auf seine Antwort.
 

„Ich kann dir das nicht alles so erklären, wie du es verdient hättest. Aber glaube mir! Kai hat das getan um dich zu beschützen. Seine Gefühle zu dir waren echt. Aber nach eurer Nacht bekam er plötzlich Angst, du könntest in gefährliche Dinge verwickelt werden und beschloss deshalb, dich von sich zu stoßen.“
 

An Tysons zusammengekniffenen Augen konnte er erkennen, dass er starke Zweifel hegte. Die Frage, was für gefährliche Dinge, stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Ich kann dir leider nicht mehr sagen“, meinte Tala, „aber du musst Kai einfach vergeben. Ich rede schon seit Tagen auf ihn ein, dass er wieder zu dir geht und sich dir persönlich erklärt.“
 

„Die Mühe kannst du dir sparen“, sagte Tyson und auf einmal war er wieder verächtlich und cool. „Selbst wenn das alles stimmt was du sagst, ist die Erklärung immer noch etwas dürftig und nicht Kai, sondern du, bist zu mir gekommen.
 

So wichtig kann ich ihm nicht sein. Und selbst wenn er persönlich gekommen wäre und sich erklärt hätte“ und nun schaute Tyson ihn mit den kühlsten Blick an, den er jemals bei einem Lebenden gesehen hatte und die Stimme des Japaners wurde zu einen Zischen, „selbst dann würde ich ihm nicht verzeihen.“
 

Tala war geschockt von Tysons scheinbaren Hass auf Kai. Sein Blick blieb hart und signalisierte willensstarke Sturheit. Im Moment konnte er nichts Weiteres erreichen. Resigniert senkte er sein Haupt und wandte sich wieder der Tür zu.
 

„Du könntest mir aber verraten, ob Kai irgendwelche Geschlechtskrankheiten mit sich rumschleppt“, hörte er Tysons abfällige Stimme hinter sich. „Ich war so dumm auf das Kondom zu verzichten und habe keinen Bock auf einen Tripper.“

Tala krampfte seine Finger um den Türgriff.
 

„Sei unbesorgt“, war das letzte was er sagte, bevor er zur Tür hinaustrat.

In diesen Moment hasste auch Tala Kai. Er hatte gesehen, was er aus dem lebenslustigen und liebevollen Tyson gemacht hatte. Er konnte nur hoffen, dass er sich wieder fangen würde. Und wenn er sich umgedreht und die Tränen in Tysons Augen gesehen hätte, dann hätte er gewusst, dass Tyson alle Kraft eben aufgebracht hatte um Tala nicht seinen Schmerz sehen zu lassen.
 

**^^**
 

Tyson wusste, dass er nicht allzu lange im Flur stehen bleiben sollte. So an die Wand gelehnt kam er sich ein bisschen wie ein Stricher vor der auf seinen nächsten Kunden wartete. Schließlich waren diese Räume auch für Schäferstündchen ausgelegt.
 

Eigentlich sollte es so etwas in einer seriösen Bar nicht geben. Sein Chef hatte ihm als er hier angefangen hat anvertraut, dass sich die Pärchen auf den Toiletten gepaart hatten, bevor er diese Räume einrichten ließ. Menschen von ihren Trieben abzuhalten war schon fast unmöglich, also hatte man das kleinere Übel ergriffen und ihnen einen Platz geboten, wo sie im stillen, für sich und besonders ohne das es andere mitbekamen - ob nun gewollt oder nicht - ihren Treiben nachgehen konnten.
 

Er selbst kannte diese Räume mehr als gut. Er hatte sie zweimal genutzt. Mit Tala. Damals hatte er sich schon mies gefühlt in einer schummrigen Bar mit einem Wildfremden in die Kiste zu gehen. Noch dazu in Räumen, die dafür ausgelegt waren. Inzwischen fand er dies eigentlich nicht mehr so schlimm. Er war jung und Single gewesen. Warum also nicht was daraus machen? Doch jetzt kam er sich wieder mies vor.
 

Vielleicht war es die Tatsache, dass er sich damals wie ein leichter Fang angefühlt hatte und nach Kais Abgang fühlte er sich auch noch wie eine billige Hure. Tala konnte so viel erklären wie er wollte, aber Tyson bekam den faden Beigeschmack von der Nacht mit Kai nicht mehr aus seinen Kopf. Er hatte sich in diesen Mistkerl verliebt, hatte sich ihm geöffnet und wofür? Ein paar Yen!
 

„Tyson?“, Shuichi, der Junge dem er vorhin die Bestellung weitergegeben hatte, kam durch die Tür in den Flur und schritt langsam und bedacht an ihn heran.

„Ist mit dir alles in Ordnung? Du scheinst aufgewühlt zu sein.“

„Ich muss nur etwas zur Ruhe kommen“, antwortete Tyson und schaute auf den Boden. Shuichi war ihm ein guter Freund, aber das mit Kai wollte er ihm nicht erzählen. Reichte schon, dass Max ihn so mitleidig ansah.
 

„Der Typ eben hat dir doch nicht irgendwas getan?“, fragte er strenger nach.

Tyson wusste, dass Shuichi nicht neugierig war sondern ehrlich besorgt. Die Umstände unter denen sie sich kennengelernt hatten waren nicht die besten gewesen, aber der andere war nach der Trennung von Kane für ihn dagewesen. Aus einem Grund, an den er lieber nicht denken wollte, konnte dieser ihn besser verstehen als jeder andere.
 

Shuichi umfasste nun mit seinen beiden Händen Tysons Gesicht und hob es an damit er ihm in die Augen schauen konnte. Dabei ging er bei Tyson auf Tuchfühlung. Dessen Hände waren weich und den warmen Körper näher an seinen zu fühlen schickte Schauer durch seinen eigenen warmen Körper.
 

„Ich weiß, dass es Dinge gibt, über die du nicht reden willst, aber das musst du auch nicht.“ Shuichi setzte seine Lippen federleicht auf denen von Tyson ab und gab ihm einen sanften Kuss, der kleine Stromschläge durch Tyson jagte, weil er dabei auch noch näher an seinen Körper kam und sein Bein dabei zwischen Tysons Beine drängte. Dann fuhr er mit seiner Zunge die Wange entlang bis er zum Ohr gelangte.
 

„Reden wird manchmal überbewertet. Du brauchst jetzt Ablenkung und die kann ich dir geben“, flüsterte er dem Blauhaarigen ins Ohr und fuhr daraufhin mit seiner Zunge rein. Seine Hände wanderten vom Gesicht zu den Armen und streichelten diese. Kosten die weiche Haut mit leichten Berührungen und einigen kaum wahrnehmbaren festeren Berührungen.
 

„Wir müssen beide arbeiten“, wisperte Tyson genauso leise zurück. Seine Stimme zitterte ein wenig, aber er hielt sich unter Kontrolle, obwohl er nicht leugnen konnte schon leicht erregt zu sein.

„Es sind genug andere da. Man wird es nicht merken, wenn wir für eine Weile verschwinden.“

„Wir sind beide U-“

„Nur ein paar kleine Zärtlichkeiten damit du deine Probleme vergisst. Mehr nicht, Ty-chan.“
 

Tyson war versucht dem Angebot nachzukommen, aber als Shuichi nun seinen Hals liebkoste, konnte er nicht Umweg sich daran zu erinnern wie penibel Kai diesen ausgelassen hatte. Dies würde keine Ablenkung werden! Er würde die ganze Zeit an Kai denken müssen.
 

Das war weder gut für ihn, noch fair gegenüber Shuichi.

„Tut mir Leid“, sagte Tyson und drückte den Gleichgroßen von sich weg, „aber ich glaube, ich sollte besser nach Hause gehen. Wie du schon sagtest: man kommt heute auch ohne mich aus.“

Mit diesen Worten ging Tyson ohne einen Blick auf den anderen zu werfen zur Tür hinaus.
 

**^^**
 

Kai schaute von dem Dach eines gegenüberliegenden Gebäudes auf die Menschen, die aus der Moonlight kamen und in diese hineingingen. Kurz nachdem er aufgetaucht war hatte er Tala hinausgehen sehen. Er konnte sich denken, was der Rothaarige dort gemacht hatte, aber er überlegte sich immer noch, ob er es ansprechen wollte sobald er Zuhause war.
 

Tala hatte ihn anscheinend auch bemerkt. Kurz bevor er in der Nacht verschwunden war hatte er zum Gebäude hinaufgeschaut und dabei diesen vorwurfsvollen Blick gehabt.
 

Mist, er sollte den anderen wirklich mal klarmachen, dass die Sache mit Tyson ihm nichts anging. Aber da konnte er genauso gut gegen eine Wand reden. Er war ja so starrköpfig und hatte sogar Ray gegen ihn aufgebracht. Der machte ihm jetzt auch noch Vorwürfe. Konnten sich die beiden nicht einfach aus seinen Leben raushalten?
 

Wieder öffnete sich der Eingang und Kai erkannte sofort den Heimkehrer. Tyson! Es machte dem Anschein, als ob er sich in aller Eile eine Jacke übergeworfen hatte, seine Tasche geschnappt hätte und dann einfach zum Ausgang gerannt wäre. Er wirkte gehetzt. Unwillkürlich drückte sich Kai etwas mehr in den Schatten des Gebäudes welches über diesen aufragte.
 

Tyson hätte ihn sowieso nur gesehen, wenn er raufgeschaut hätte, aber dennoch wollte er verhindern, dass der Japaner ihn auch nur erahnte, oder wahrnehmen könnte.
 

Als er außer Sicht war trat Kai wieder vor. Er seufzte tief und fuhr herum, um sich auf den Heimweg zu machen, als er plötzlich scharf die Luft einzog.

„Hallo, Kai!“, begrüßte ihn Brooklyn.
 


 

Ich hoffe, es hat euch gefallen, wenn ja, dann hinterlasst mir einfach wieder Kommis. Natürlich wird auch Kritik angenommen. Für das nächste Kapitel kann ich euch wieder Kampfszenen versprechen und natürlich, einen der Höhepunkt in meiner FF.

Brooklyn

Tadaa! Ich habe es doch tatsächlich geschaft für dieses Kapitel nicht ganz so lange zu brauchen, wie für die anderen. Aber dieses Kapitel könnte man auch als die Grundlage dieser Ff bezeichnen, denn es ist das Einzige, was von Anfang an bestand, selbst als die Idee zur Ff noch ganz anders aussah. In diesen Kapitel gibt es auch alles was die Story ausmacht. Außerdem treffen nun auch endlich die Storyelemente aufeinander. Bisher war es eher so, dass es einen Liebesteil gab der sich zwischen Tyson und Kai abspielte und einen Vampirteil, der sich eher um Kai, Tala und Ray drehte. Nun trifft aber auch Tyson auf die Vampirwelt und es wird somit auch klar, warum ich nicht einfach nur eine simple TyKa schrieb, sondern Vampire mit einbaute.

Dann wünsche ich mal viel Spaß mit diesen Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch genauso sehr, wie es mir Spaß machte es zu schreiben.
 


 

Kai wagte kaum einen Muskel zu bewegen, noch die Luft die er eben scharf eingezogen hatte wieder auszuatmen. Brooklyn stand ganz salopp neben ihn. Die Hände in den Hosentaschen, die Haltung entspannt, der Gesichtsausdruck wirkte gelangweilt. Kai brauchte einige Sekunden um sich wieder zu fangen. Doch dann lief es ihn plötzlich eiskalt den Rücken runter und er wandte sich sofort wieder dem Eingang der Bar zu.
 

Wie lange hatte ihn Brooklyn schon beobachtet? War er erst gerade gekommen, oder hat er ihn heimlich von woanders beobachtet? Hatte er vermutlich seinen Blick gesehen, als Tyson aus der Bar kam? Hatte er überhaupt etwas gesehen? War Tyson noch in der Nähe?
 

Kai durchsuchte mit seinen Augen den Innenhof und erkannte nur einen Raucher, welcher an der Wand stand und den Rauch in die dunkle Nacht blies und ein knutschendes Pärchen, welches etwas im Schatten einer Mauer stand.

Kai wandte sich wieder Brooklyn zu. Dieser hatte sich nicht gerührt und sofort legte Kai sein grimmiges Gesicht auf.
 

„Was willst du hier?“, fragte er ruhig, aber dennoch mit einem leicht drohenden Hauch in der Stimme.

Der Orangehaarige zuckte kurz mit den Schultern und legte den Kopf schief. „Hallo sagen.“
 

„Wie wäre es mit Tschüss?“, konterte Kai und versuchte seine Anspannung zu unterdrücken. Der Andere durfte unter keinen Umständen merken, was für einen Schock sein blitzartiges Auftreten in ihm ausgelöst hatte.
 

„Du bist so charmant wie immer, Kai“, meinte er und ging auf die Brüstung des Gebäudes zu. Er suchte nun seinerseits den Innenhof ab. Dies weckte in Kai die leichte Hoffnung, dass er bisher noch keinen Blick darauf geworfen hatte und somit erst nach Tysons Auftritt hinzugekommen war. „Beutefang nehme ich mal an. Drink oder Sex?“
 

Kai antworte nicht darauf und fragte sich, ob er einen Angriff wagen konnte. Brooklyn wirkte ihm aber zu entspannt. Er hätte wahrscheinlich - wie so oft - keine Chance gegen ihn. Außerdem waren die Zivilisten in der Nähe lästig. Wenn sie von ihnen bemerkt wurden, würden sie vermutlich einen Aufruhr verursachen und schon hätten sie noch mehr Probleme am Hals: Brooklyns Lust Zuschauer zu töten und ein Haufen Avatar.
 

„Ich habe Tala letztens getroffen“, meinte Brooklyn. Nun lehnte er sich an die Brüstung. „Ich muss zugeben, er hat dazu gelernt, aber er war kein Gegner. Mehr eine lästige Fliege.“

„Wage es nicht ihm etwas anzutun“, drohte Kai und seine Augen begannen sofort zu glühen.
 

Brooklyn wandte sich nun wieder dem Graublauhaarigen zu und grinste dabei dreckig. „Wäre doch langweilig immer den gleichen zu nehmen.“

„Glaube ja nicht, dass ich dich noch einmal so leicht davonkommen lasse wie damals, als du ihm das angetan hast“, zischte Kai und spannte seine Muskeln an.
 

„Was könnte ich ihm jetzt noch antun, was dich verletzt?“, fragte Brooklyn. „ Ich könnte mir ja den Chinesen vor nehmen der bei ihm war. Der wirkte noch sehr lebendig. Oder gibt es sonst noch jemanden, der dir etwas bedeutet und den ich zu Tode quälen könnte?“
 

Diese Aussage reichte aus um Kais Wut explodieren zu lassen. Er stürzte sich auf Brooklyn, packte ihn an den Schultern und schmetterte ihn gegen die Brüstung. Der Stein unter Brooklyn brach, aber an seiner Miene änderte sich nichts.
 

„Schade, ich dachte wir könnten noch reden.“ Dann plötzlich glühten seine Augen rot auf, er verzog wieder das Gesicht zu diesem dreckigen Grinsen und entblößte somit seine langen Eckzähne. Er stützte sich mit den Händen an den Resten der Mauer ab, zog die Beine an und gab Kai einen kräftigen Tritt in die Bauchgrube.
 

Kai verzog das Gesicht, flog gut 5 Meter durch die Luft und kam unsanft wieder auf den Boden auf. Sofort drückte er seine Hände in seine Bauchgegend und spuckte Blut. Wenn er sterblich wäre, dann wäre er jetzt tot.
 

Dieser tritt hatte wahrscheinlich seine inneren Organe zerquetscht. Doch die Schmerzen konnte er sich jetzt nicht leisten, denn Brooklyn erschien rasch über ihn. Er war gesprungen und kurz davor nun auch noch seine Knie in Kai zu rammen. Im letzten Moment drehte sich Kai zur Seite weg und entkam somit den Tritt, der den Stein neben ihn aufriss.
 

„Na, na. Wer wird denn hier nur wegrennen? Ich dachte, wir könnten uns ein bisschen amüsieren.“ Brooklyn drehte ihm das immer noch grinsende Gesicht zu und zog schon sein Bein aus dem zerstörten Boden.
 

Aber so schnell würde Kai nicht aufgeben. Die Schmerzen ignorierend zog er einen Dolch, den er stets bei sich hatte, aus der Halterung auf seinen Rücken und rammte es kurzerhand in Brooklyns Bein, welches ihm an nächsten war.
 

Brooklyn schrie gepeinigt auf als das Messer seinen Oberschenkel durchstieß. Nun war er es, der nicht schnell genug reagieren konnte und Kai setzte gleich noch eins hinterher indem er einen gezielten Tritt gegen Brooklyns Brust ausführte. Kai spürte wie die Rippen nachgaben und brachen.
 

Brooklyn fiel ein paar Meter zurück und Kai wollte nachsetzen solange er die Oberhand hatte, aber kaum stürzte er nach vor, stieß sich Brooklyn vom Boden ab und stand ihm wieder gegenüber. Die beiden prallten aneinander, die Hände legten sich an die Schultern des jeweils anderen und Kai versuchte Brooklyn an den Rand des Daches zu drängen, während dieser sich dagegen drängte.
 

Doch als er merkte, dass Kai es immer weiter schaffte ihn zurückzudrängen nahm er eine seiner Hände von dessen Schulter und versetzte ihm einen Faustschlag in dessen sowieso schon demolierten Magen. Kai krümmte sich vor Schmerzen und torkelte ein paar Schritte rückwärts. Brooklyn zog den Dolch der immer noch in seinem Bein steckte heraus und begutachtete das daran klebende Blut.
 

„Dafür schneid ich Tala die Kehle durch.“

Durch diesen Spruch wieder an neuer Kraft gewinnend stürzte sich Kai auf Brooklyn und riss ihn hintenüber von den Füßen und Kai rammte ihn in den Boden. Doch Brooklyn nutzte seinerseits den Schwung und die beiden vollführte eine Drehung, wo Kai letztendlich derjenige war, der sich auf einmal auf den Rücken wiederfand, aber er war sofort so geistesgegenwärtig, stemmte seine Knie gegen Brooklyns Brust und drückte ihn somit von sich und zog auch seine Hände nach hinten.
 

Brooklyn flog über die Brüstung, versuchte sich aber noch am Absatz festzuhalten, schaffte es allerdings nicht und stürzte in die Tiefe. Verkehrtherum sah Kai Brooklyn über die Mauer fallen und quälte sich trotz großer Schmerzen wieder auf die Beine und sah sofort nach unten.
 

Brooklyn fiel die Hausfassade entlang gen Boden und landete schließlich auf einen Container, welcher an der Hauswand stand. Der Aufprall, als der menschliche Körper auf Stahl traf und beides dadurch zertrümmerte, war ungeheuer laut. Der Raucher und das Pärchen wurden durch den Lärm aufgeschreckt und sahen zu dem Container der im Schatten des Gebäudes stand.
 

Brooklyn schwang sich lässig vom Dach des Containers, renkte seine abgewinkelten Gliedmaßen wieder ein, klopfte sich den Staub vom Mantel und schlenderte davon als wäre nichts gewesen. Ohne die Zuschauer eines Blickes zu würdigen verschwand er im nächsten Schatten.
 

Kai sank an den Resten der Mauer herunter und atmete schwer und tief durch. Brooklyn war so stark wie je und das eben war nur die Begrüßung. Ein Glück, dass er sich so kurz gefasst hatte.
 

**^^**
 

„Ich sage dir doch, es geht mir gut.

Ja, ich mache mir keinen Stress.

Nein, ich will arbeiten. Das lenkt mich wenigstens ab.

Seufz.“
 

Mit den Telefon in der Hand, ging Tyson in die Küche und langte sich ein Glas aus dem oberen Schrank. Nachdem er in Rekordgeschwindigkeit nach Hause gelaufen war, ist Tyson erst mal unter die Dusche gestiegen und hatte sich sämtliches Elend vom Körper gewaschen. Nützte nur nichts, wenn der beste Freund einen an das Elend erinnerte. Er hatte Max eigentlich nur eine SMS geschrieben, in dem er ihm fragte, ob er am nächsten Morgen zum Frühstück vorbeikäme.
 

Und keine Minute später hatte das Telefon geklingelt und Max fragte ihn jetzt aus, ob es ihm auch gut ginge.

„Tyson“, sagte Max beschwörend am anderen Ende der Leitung, „du frisst das alles doch nur in dich hinein. Ich höre selbst durch das Telefon, dass es dir nicht gut geht.“
 

Um sein Glas mit Wasser aus einer Flasche zu füllen, klemmte sich Tyson das Telefon zwischen Schulter und Ohr.

„Kai hat mich auf eine sehr hässliche Art und Weise abserviert“, sagte er, während er das Glas füllte, „ist ja wohl klar, dass ich das nicht so einfach verdaue. Aber deswegen bin ich doch noch lange kein Kind von Traurigkeit.“
 

„Wenn man Kane noch mit dazu rechnet, dann schon“, meinte Max.

„Danke, dass du mich auch noch daran erinnerst“, murrte Tyson. Er stellte die Flasche wieder weg und gerade als er das Telefon wieder in die Hand nehmen wollte, drehte er sich so, dass er zum Fenster sah und erkannte dort im Dunkeln wie eine Person ihn anstarrte. Erschrocken zuckte er zusammen und das Telefon fiel auf den Boden.
 

„Tyson?!“

Tyson sah zum Telefon und sah dann schnell wieder zum Fenster auf. Das Gesicht war verschwunden. Er langte nach dem Telefon, ohne aber das Fenster aus den Augen zu lassen.

„Sorry Max, habe mich nur erschrocken“, versuchte er mit ruhiger Stimme zu erklären und ging auf das Fenster zu.

„Vor was denn?“, fragte ihn der andere.
 

Tyson stand vor dem Fenster und sah in den Eingangsbereich seines Hauses. Niemand war zu erkennen in der Dunkelheit.

„Wahrscheinlich saß nur eine Katze vor dem Fenster.“

„Aha.“ Dieses Aha klang für Tyson nicht sehr überzeugend. „Soll ich nicht vorbeikommen und die Nacht über bei dir bleiben?“
 

Jetzt brauste Tyson aber auf. „Ich bin doch kein Pflegefall“, prustete er ins Telefon. „Leiste mir morgen beim Frühstück einfach ein bisschen Gesellschaft und ich bin glücklich.“

„Ja, ja“, nörgelte Max.
 

„Gute Nacht“, knurrte Tyson ins Telefon und drückte auf den Auflegeknopf. Dann schüttelte er den Kopf und ging in den Flur, wo er das Telefon wieder in seine Station steckte. Max war zwar sein bester Freund, aber manchmal war er auch die größte Nervensäge auf Erden.
 

Wirklich müde und erschöpft begab sich Tyson durch den Gang auf den Weg in sein Zimmer, doch nach zwei Schritten blieb er stehen. Jahrelanges Kendotraining hatte ihn sensibel gemacht für seine Umgebung und im Moment hatte er das unheimliche Gefühl, dass jemand hinter ihm stand.
 

Tyson blieb ganz still und versuchte so etwas wie ein Atmen zu hören, aber da war nichts außer diesem Gefühl. Blitzschnell drehte sich Tyson um und sah hinter sich. Da stand niemand.
 

Okay, er war allein im Haus, aber langsam kam er sich selbst kindisch vor. Dabei hatte er es doch immer vermieden sich Horrorfilme anzusehen, um nicht irgendwie paranoid zu werden, wenn es dunkel ist. Entschlossen sich nicht mehr beirren zu lassen, stapfte er in sein Zimmer.
 

Allerdings schneller als gewöhnlich. In seinem Zimmer angekommen, verschloss er die Türe hinter sich und machte auch die Tür zur Veranda zu. Er war nicht paranoid, aber mit offener Verandatür zu schlafen konnte auch ungesund sein. Was wenn ein Windzug käme und er würde sich erkälten. Er kroch schnell in sein Bett und stellte das volle Wasserglas auf seinen Nachttisch ab. Dann zog er die Decke bis zur Nasenspitze nach oben und versuchte die Geräusche, die der Wind machte, zu ignorieren.

Nach kurzen war Tyson schon eingeschlafen.
 

Am nächsten Morgen, als Tyson durch das Klingeln an der Tür und Max‘ Rufe aufwachte, stand er auf, streckte sich und wunderte sich kurz über das leere Wasserglas und versuchte sich einzureden, er hätte die Türe nicht abgeschlossen und hätte die Verandatüre ebenfalls offen gelassen. Aber gleichzeitig wusste er, dass dem nicht so war.
 

**^^**
 

„Du kannst schon aufstehen?“

„Hm.“

Vorsichtig setzte sich Kai an den Küchentisch und griff sich einfach Talas Morgenblut.

„Brooklyn hätte dir deine Unverschämtheit ausprügeln sollen“, grummelte Tala und öffnete den Kühlschrank um sich eine frische Konserve rauszunehmen.
 

„Willst du dich nicht lieber noch ein bisschen ausruhen“, meinte Ray, der an die Arbeitsplatte lehnte und einen Kaffee trank. „Innere Blutungen sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.“

„Weil du ja so viel Ahnung von der Beschaffenheit eines Vampirs hast“, meinte Kai verächtlich und nippte an seinem Schweineblut.
 

„Nun, ich muss wissen, wie ich sie töten kann. Also ja, ich habe sehr viel Ahnung davon.“

Kai ignorierte diese Bemerkung und langte nach einem von den Brötchen, die Ray vom Becker mitgebracht hatte.

„Unser Arbeitgeber meint übrigens, wir sollten keinen offenen Kampf erzwingen“, sagte Ray nach ein paar Minuten der Stille. „Brooklyn sei zu mächtig.“
 

„Sollen wir etwa warten, bis er die halbe Stadt vernascht hat und hoffen, dass ihm vielleicht langweilig wird?“, äußerte Tala.

„Er hat ein paar hohe Leute aus dem Orden der Avatar ans Bein gepinkelt. Pater Thomas meint, die könnten das für uns erledigen“, erzählte Ray weiter.

Nachdem Kai es unter Schmerzen nach Hause geschafft hatte, hat Tala sofort Ray benachrichtigt und ihn zu sich gerufen. Obwohl Kai als Vampir sehr robust war, mussten seine Verletzungen behandelt werden.
 

Danach hatte Ray ihren Arbeitgeber darüber informiert, dass Brooklyn es anscheinend mal wieder auf Kai abgesehen hat.

„Ich will den Orden der Avatar aber nicht in meiner Stadt haben“, knurrte Kai. „Oder hast du Bock auf einen ganzen Haufen verstörter Menschen, die von diesen kranken Haufen gequält wurden.“
 

„Erstens kann ich diese Spinner auch nicht leiden“, meinte Ray, „und zweitens haben wir vielleicht Glück und sie machen sich gegenseitig fertig.“

„Zu schön um wahr zu sein“, murmelte Tala und fing sich die bösen Blicke von Kai und Ray ein. „Was denn? Ich bin doch nur realistisch.“
 

**^^**
 

Im schummrigen Licht der Bar balancierte Tyson das Tablett mit den Getränken geschickt zwischen Personen, Tischen und Stühlen hin und her. Angekommen an den richtigen Tisch verteilte er die Getränke und nahm gleich noch eine weitere Bestellung entgegen.
 

Danach ging er zu einem Tisch der eben leer geworden war, sammelte die leeren Gläser ein und wischte kurz mit einen nassen Lappen über den Tisch, damit die nächsten sich daran setzen konnten. Es war Samstagabend und er hatte nichts dagegen, dass ihn sein Chef, wegen dem zu frühen gehen am letzten Abend zur längeren Schicht verurteilt hatte.
 

Er musste heute bis 2Uhr in der Früh schuften, aber das machte ihm nichts aus. Den Tag über hatte er mit Max verbracht, aber der hatte ihn mit seiner besorgten und überfürsorglichen Art nur in den Wahnsinn getrieben. Ständig hatte er ihn versucht aufzumuntern, indem er Kai schlecht machte, oder ihn zu Aktivitäten motivierte, bei denen man mal so richtig abschalten konnte, oder hatte ihm versucht klar zu machen, dass das Singleleben immer noch das Beste sei.
 

Tyson fand diese Aufmunterungsversuche ja ganz nett und es hatte ihn auch gefreut, dass sich Max so um ihn kümmerte, aber dennoch, am Abend wenn Max nicht mehr dagewesen wäre, dann hätte er wieder nur trüben Gedanken nachgehangen. Also war er ganz froh, dass er jetzt an einen Ort war, wo die Musik so laut spielte, dass er nicht mal seine eigenen Gedanken hören konnte. Und je länger das so ging, umso besser.
 

Tyson wollte gerade zurück zur Bar als er plötzlich stehen blieb und sich verwundert im Raum umsah. Auf einmal hatte er wieder dieses Gefühl wie in der letzten Nacht. Er hatte wieder das Gefühl jemand würde ihn beobachten. Das war merkwürdig, denn normalerweise konnte er auf seine Sinne in dieser Umgebung pfeifen. Man wurde ständig angerempelt oder angeglotzt und sein siebter Sinn spielte völlig verrückt, weswegen er ihn meistens ignorierte.
 

Aber jetzt lief es ihm eiskalt den Rücken runter und er hatte das Gefühl, etwas Gefährliches lauerte in seinen Rücken. Er schüttelte sich als könnte er damit das Gefühl abschütteln und in dem Moment wo er sich wieder in Bewegung setzen wollte hörte er eine Stimme hinter sich. Sie war so klar und deutlich als wären keine laute Musik und die Geräusche der anderen Gäste zu hören und Tyson drehte sich um.
 

An einen Tisch hinter ihm saß ein junger Mann mit Orangefarbenen Haar und weißer Kleidung und lächelte ihm zu. Tyson stand zuerst nur da und musterte den Mann vor sich. Er hatte grüne Augen und Tyson hätte schwören können sie schon einmal gesehen zu haben. Ihm kam das Bild von letzter Nacht in den Sinn, dass Gesicht welches er geglaubt hatte am Fenster zu sehen.
 

Aber nein, er hatte sich eingeredet es sei eine Katze gewesen also schritt er nun langsam auf den Mann zu. Seine Füße kamen ihn dabei vor wie aus Blei und sein Herz klopfte ganz wild gegen seine Rippen. Es tat schon fast weh. Es kam ihm so vor, als würde er eine Ewigkeit brauchen für diese Schritte und der Mann am Tisch grinste ihn nur aufmunternd an.
 

„Ja, bitte?“, sagte Tyson mit leiser zittriger Stimme.

„Würdest du mir wohl einen Bloody Mary bringen!“ Es klang mehr wie ein Befehl als wie eine Bestellung und die Stimme des Mannes kam ihn ruhig und freundlich vor, trotzdem verstand er bei der lauten Musik alles und es schauderte ihn.

„Ja, gerne“, sagte Tyson und lief erst ein paar Schritte rückwärts und stieß dabei gegen eine andere Person.
 

Tyson entschuldigte sich bei der Person - welche es offenbar genossen hatte von Tyson angerempelt zu werden - und drehte sich dann nach vorn, um schnell zur Bar zu laufen. Doch kaum hatte er dem anderen den Rücken zugekehrt war ihm ganz mulmig. An der Bar gab er schnell die bestellten Getränke in Auftrag und drehte sich wieder um, damit er den anderen sehen konnte.
 

Er saß ruhig an seinen Tisch und sah sich in der Menge um. Dabei hatte er dieses ruhige Lächeln auf den Lippen. Wenn er nicht diese unheimliche Aura ausstrahlen würde, dann käme er Tyson wie ein normaler Gast vor, aber irgendwas an den Kerl störte ihn.
 

Als ihm die bestellten Getränke gereicht wurden ging er langsam und bedacht los. Normalerweise kam er schnell zwischen den Tischen und Personen durch. Das verdankte er langem Training, aber heute ließ er sich Zeit als wäre es sein erster Tag. Obwohl der Tisch des Orangehaarigen im Grunde näher gelegen war, ging er zuerst zu dem Tisch weiter hinten, stellte da die Gläser vorsichtig ab, fragte extra nochmal nach, ob sie noch Wünsche hätten und ging erst dann weiter.
 

Noch sah er nur den Rücken des Mannes, aber das Gefühl von ihm beobachtet zu werden konnte er nicht abschütteln. Es hieß ja manche hätten Augen im Hinterkopf und diesem Kerl traute er zu, dass er welche hatte. Seiner Meinung nach kam er viel zu schnell bei ihm an.
 

Eilig stellte er ihm das Glas auf den Tisch, so dass etwas überschwappte und wollte schon wieder weggehen, doch der andere packte ihn am Arm. Tyson hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, weil ihn dieser Typ nun auch noch anfasste. Er hielt ihn nur leicht am Handgelenk fest, aber dennoch fühlte sich Tyson gefangen.
 

„Wie heißt du, Junge?“, fragte ihn der andere und schaute ihn dabei tief in die Augen.

„Tyson Kinomiya“, antwortete Tyson und stand ganz still.

„Willst du mir nicht ein wenig Gesellschaft leisten, Tyson?“, sagte er mit weicher Stimme und umfasste dann mit der anderen Hand Tysons Hüfte.

Tyson versteifte sich sofort, aber er konnte sich einfach nicht bewegen und ließ es daher zu, dass ihn der andere näher zu sich heranzog.
 

„Ich muss arbeiten“, sagte Tyson mit schwacher Stimme und lehnte sich dabei weg von dem Mann.

„Ich würde mit dir gern über einen gemeinsamen Bekannten reden“, sagte er und Tyson stand nun ganz nah bei ihm. Er veranlasste Tyson durch sanften Druck sich etwas zu ihm runter zu beugen, damit er ihm ins Ohr flüstern konnte. „Ich weiß, dass du Kai Hiwataris Spielzeug bist.“
 

Bei diesen Namen schrillten bei dem Japaner sofort die Alarmglocken und mit einem Satz hatte er sich aus dem Griff des Mannes befreit und ging zwei Schritte von ihm weg. Wutentbrannt sah er auf ihn hinab.

„Ich weiß nicht, was Kai dir über mich erzählt hat“, sagte er mit fester und wütender Stimme, „aber ich bin keine schnelle Nummer für notgeile, selbstverliebte Egomanen.“
 

Mit wütenden und schnellen Schritten entfernte sich Tyson wieder von ihm, aber es war so, als könnte er immer noch das Grinsen des Mannes in seinen Rücken spüren.
 


 

Den Rest seiner Schicht hielt sich Tyson von dem anderen Kerl fern. Hin und wieder wagte er einen Blick zu dem Tisch etwas abseits und sah dem Orangehaarigen dabei zu, wie er seinen Blick durch die Menge streifen lies. Niemand setzte sich zu ihm und er schien auch nicht den Einfall zu haben mal aufzustehen. Er saß einfach nur da und schaute sich die Leute an.
 

Auf Tyson machte er auch nicht den Eindruck eines Homosexuellen. Allgemein wirkte er auf ihn merkwürdig. Wenn er sich umsah, schien er keinen bestimmten Punkt zu haben auf den er achtete. Er sah sich einfach nur verschiedene Leute an. Suchte er einen bestimmten Typ Mann, hielt er Ausschau nach jemandem oder schaute er im Grunde nur Löcher in die Luft?
 

Jedes Mal, wenn sein Drink leer war, vermied es Tyson in seine Richtung zu sehen oder auch nur in dessen Nähe zu kommen. Er hoffte immer, dass einer der anderen ihm seine Drinks brachte und zum Glück funktionierte das auch den ganzen Abend über.
 

Dieses gekonnte Ausweichen machte Tyson nicht nur, weil ihm der andere unheimlich war. Er hatte auch Angst, dass es sich bei ihm um einen Kumpel von Kai handelte, und Kai ihm, wie in seiner kurzen Nachricht angedeutet, „weiterempfohlen“ hatte.

Der Gedanke, Kai würde in seinem Bekanntenkreis über ihn als Nutte reden, ekelte ihn an und er würde es bestimmt nicht zulassen, dass er auch noch Futter für seine Lügen erhielte, in dem er so einen Kerl an sich ranließe.
 

Auch wenn er die Arbeit als Abwechslung begrüßt hatte, wünschte er sich jetzt nichts sehnlicher als das Ende seiner Schicht, damit er endlich von hier wegkam.

Um 2:10Uhr als es dann endlich leerer wurde, entließ ihn sein Chef und er war schnell umgezogen und aus der Bar draußen. Nachdem er im freien stand holte er erst mal tief Luft, als hätte er in den letzten Stunden keinen Atemzug getan.

„Schon fertig?“
 

Tyson wurde stocksteif und drehte sich langsam um. Der Orangehaarige stand hinter ihm und lächelte ihn mit zur Seite geneigtem Kopf freundlich an.

„Die Nacht ist noch jung. Würdest noch einen mit mir Trinken gehen?“

Tyson öffneten den Mund um etwas zu sagen, aber ohne dass ein Wort über seine Lippen kam schloss er ihn auch wieder.
 

„Ich kenne einen Ort, wo ich gerne mit dir hingehen würde.“

>Wahrscheinlich sein Schlafzimmer<, dachte sich Tyson und sein alter Kampfgeist kehrte zurück.

„Kein Interesse“, sagte er und regte das Kinn in die Höhe. „Ich habe einen langen Tag hinter mir und würde jetzt gerne nach Hause gehen.“

„Ich kann dich ja begleiten.“
 

„Allein“, sagte Tyson mit Nachdruck und setzte sich in Bewegung, der andere folgte ihm. Er dachte, der andere würde nach ein paar Metern in eine andere Richtung gehen, aber nach 5 Minuten war er immer noch hinter ihm. Tyson drehte sich zu ihm herum und schenkte ihm einen bitteren Blick.
 

„Ich darf gehen, wo ich will“, sagte der andere nur und zuckte mit den Schultern. Es war eindeutig, dass er Tyson hinterher lief, aber beweisen konnte er es nicht. Und selbst wenn, was würde es ihn nützen. Ihm hinterherzulaufen war kein Verbrechen.
 

Tyson störte nur der Gedanke, dass bei dem Weg durch den Park, dieser komische Kerl eine Stunde mit ihm verbringen würde. Er könnte wieder durch das Industriegebiet laufen, dann wäre der Weg kürzer und er wäre schneller von ihm erlöst.
 

Diese Idee kam Tyson im Grunde sehr gut vor, aber eigentlich hatte er Max versprochen nicht mehr durch das verlasse Industriegebiet zu laufen und er hatte sich auch an den langen Weg durch den Park gewöhnt, weil er bei der Stille und der angenehmen Atmosphäre besser abschalten konnte nach einen harten Abend in der Bar.

Aber dieser Mann hinter ihm.
 

Tyson war ganz unwohl bei dem Gedanken ihn auch nur einen Augenblick länger als nötig in seiner Nähe zu haben. Also entschied er sich doch für seinen alten Weg und bog bei der nächsten Abzweigung wieder in das Industriegebiet ein und der andere folgte ihm zuerst leise, aber die Stille hielt nicht lange an.
 

„Ich kenne Kai schon ziemlich lange“, redete der andere hinter ihm auf einmal los.

>Nur eine halbe Stunde, dann bin ich an der Bushaltestelle.<

„Ich hätte nicht gedacht, dass er eine Schwäche für süße Japaner entwickelt.“

>Dann noch ein bisschen laufen und ich bin Zuhause.<

„Ich dachte, er bliebe bei seiner Vorliebe für Huren.“

>Ich schließe alle Türen ab.<

„Ach, ich Dummerchen habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Brooklyn.“

>Damit habe ich einen Namen, den ich der Polizei nennen kann, wenn er es wagt auf mein Grundstück zu kommen.<
 

Jetzt kamen sie zu dem Abschnitt mit dem leeren Parkhaus. Natürlich ging Tyson wieder mitten durch. Als sie ungefähr in der Mitte waren, stellte Brooklyn eine Frage zu viel.

„Wie oft hast du es schon mit Kai getrieben?“

Tyson drehte sich wutentbrannt herum und wollte Brooklyn sagen, dass er gefälligst die Schnauze halten sollte, aber als er schon den Mund offen hatte und hinter sich sah, war da niemand mehr.
 

„Was…“ Tyson schaute nach links und nach rechts. Keine Spur von ihm. Verunsichert wollte sich Tyson wieder nach vorne wenden.

Doch kaum dass er wieder nach vorne sah, tauchte vor ihm ein Gesicht mit rotglühenden Augen und gefletschten spitzen Zähnen auf und zischte ihn Raubtier gleich an.
 

Vor Schock stolperte Tyson zurück und fiel auf den Boden. Die Gestalt über ihn wollte sich auf ihn stürzen, aber als er sich zu ihm runter beugte, stieß Tyson in einer Kurzschlussreaktion seine Beine gegen den Brustkorb des Monsters, welches daraufhin ein zurückstolperte. Tyson sprang sofort auf, sah sich eiligst um und rannte dann so schnell er konnte zu dem Treppenhaus des Parkhauses. Die alte Metalltür stand offen und als Tyson das Treppenhaus betrat schwang er sie sofort zu und lehnte sich dagegen.
 

Was war das eben gewesen? Es sah aus wie Brooklyn. Die Orangenen Haare, die Klamotten, aber sein Gesicht. Diese Zähne und die Augen. Obwohl es nur ein kurzer Sprint gewesen war atmete Tyson als wäre er Kilometer weit gerannt. Plötzlich stieß etwas gegen die Tür. Tyson lehnte sich mit seinem gesamten Gewicht dagegen, doch wieder wurde die Tür mit einem festen Ruck fast aufgestoßen.
 

Tyson drückte die Klinke nach oben, aber sie wurde mit einer unmenschlichen Kraft nach unten gedrückt. Er sah sich schnell um. Rechts neben der Tür stand ein alter Parkscheinautomat und links von ihm war der Durchgang zu einem Parkwächterhäuschen und da stand ein Stuhl. Mit viel Glück könnte er ihn als Keil für die Klinke verwenden. Tyson musste notgedrungen eine Hand von der Klinke nehmen und nach dem Stuhl langen.
 

Der Druck der nun die Klinke nach unten drückte war kaum ertragbar und wieder gab es einen gewaltigen Stoß gegen die Tür. Lange würde er sie nicht mehr halten können. Er streckte sich soweit er konnte und bekam den Stuhl zu fassen. Er war aus Chrom und würde bestimmt besser halten als seine Hände. Sofort klemmte er den Stuhl zwischen Boden und Klinke, und… es passte.
 

Er stand nur noch ein paar Sekunden still um sich zu überzeugen, dass seine Konstruktion auch hielt. Die Klinke konnte nun nicht mehr runter gedrückt werden, aber leider hörten die Schläge gegen die Tür nicht auf und mit Schrecken in den Augen erkannte Tyson, dass sich die Scharniere der Tür stückweise verbogen. Was auch immer gerade versuchte durch diese Tür zu kommen: Es war nicht menschlich.

Nun blieb ihm nur noch die Flucht nach oben.
 

Er rannte die Treppe hinauf zum ersten und zum zweiten Obergeschoss. Dort angekommen hörte er wie sich Metall verbog und dann auf Stein traf. Er trat schnell durch die Türe zum Parkdeck wieder nach draußen und sah sich um. Er rannte nach rechts und versteckte sich dann hinter einer Vierecksäule. Keine Sekunde später hörte er wie die Türe wieder aufgetreten wurde und das so gewaltig, dass sie in die Steinwand schlug.
 

Tysons Herz schlug so schnell und so laut, dass er Angst hatte der andere könnte es hören. Er drückte sich hart gegen den kalten Stein und hoffte, dass sein schweres Atmen ihn nicht verriet. Sekunden verstrichen und er hörte keinen Mucks mehr. Zitternd schaute er hinter der Säule hervor, um sich gleich wieder in die Deckung zurück zu ziehen.
 

Brooklyn stand am Eingang zum Treppenhaus und schaute in die andere Richtung. Tyson betete, dass er ihn nicht irgendwie aufspüren konnte und in die andere Richtung ging. Dann hörte er sich entfernende Schritte. Als sie verstummt waren, wagte er wieder einen Blick aus seiner Deckung hervor und sah den anderen nicht mehr. Erschöpfte lehnte er sich gegen die Säule, schloss die Augen und atmete tief aus.
 

Ein leichter Luftzug ließ ihn die Augen öffnen und in ein grünes Augenpaar schauen. Diese wurden sofort wieder rot, er wollte schreien, aber sein Mund öffnete sich nur, kein Ton kam heraus, und dann wurde er auch schon an den Oberarmen gepackt, gegen den Stein gestoßen und Brooklyn schlug seine Zähne in Tysons Halsbeuge.

„AAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!“
 


 

Der cliff tut mir echt leid. Der war eigentlich nicht vorgesehen, aber das Kapitel hat sich wieder verselbstständigt und somit Dimensionen angenommen, die keineswegs vorgesehen waren. Normal erweise sollte jetzt noch ein ganzer Teil folgen, aber der wird dann wohl das nächste Kapitel füllen.

Wann das nächste Kapitel kommt? Keine Ahnung! Das neue Semester hat angefangen und es wird ein paar Wochen dauern, bis ich wieder in der Uniroutine bin. Aber ich werde versuchen, die Ff nicht zu vernachlässigen.

Monster

Ich habe es nun doch endlich geschafft mir die Zeit zu nehmen und das Kapitel endlich fertig zu stellen. Aber leider muss ich sagen, zu viel dürft ihr von diesen Kapitel nicht erwarten. Es ist echt nicht so gut geworden. Besonders der Schluss ist mieserabel. Manche werden vielleicht auch denken "Blöder Tyson". Was ich in diesen Kapitel verbockt habe, werde ich im nächsten wieder besser machen. Versprochen.

Viel Spaß beim lesen.
 


 

Tysons Schrei war inzwischen verstummt und während Brooklyns Zähne sich unerbitterlich in seinen Hals bohrten, brachte er nur noch kleine Laute heraus, und er spürte wie das Blut aus der Wunde floss. Nein! Es floss nicht, es wurde herausgesogen!
 

Er hatte seine Augen starr aufgerissen, erkannte aber nur Brooklyns Oranges Haar. Instinktiv krallten sich seine Hände in dessen Kleidung und er unternahm einen hoffnungslosen Versuch den anderen von sich wegzudrücken.
 

Immer mehr Blut entwich seinem Körper und er nahm ganz deutlich die Schluckbewegungen wahr, welche Brooklyn vollführte und wie er dabei wohlig seufzte. Langsam verschwamm Tysons Sicht. Gerade als er schon glaubte, dass sei es gewesen, nahm er einen Schatten hinter Brooklyn wahr und mit einem Mal wurde der Orangehaarige vom ihm weggezerrt.
 

Nun, ohne jemand der ihn hielt und völlig entkräftet, fiel Tyson auf den harten Steinboden. Aber er nahm den Aufschlag nur wage wahr. Seine Hand wanderte sofort zu seinem Hals und er presste sie mit letzter Kraft auf die Wunde. Im Moment sah er nur den Boden unter sich, aber er zwang sich seinen Kopf zu drehen und zu dem empor zu sehen, der ihn gerade gerettet hatte.

„Kai…“
 

**^^**
 

Kai schaute fassungslos auf Tyson herab, der ihn aus verklärten Augen bittend ansah. Er nahm wahr wie das Blut weiterhin aus der Wunde floss. Er war immer noch schockiert über das, was er eben mit ansehen musste.
 

Er hatte angenommen Brooklyn hätte den Japaner am Tag zuvor nicht gesehen, aber das war wohl nur Wunschdenken gewesen.

Aus Sehnsucht hatten ihn seine Beine, welche er eigentlich nur kurz vertreten wollte, zur Moonlightbar geführt. Er hatte keine Ahnung ob Tyson diese Nacht arbeiten würde und er hatte eine Weile vor der Tür gestanden, bis er sich doch entschied die Bar zu betreten, aber nur weil er schon viele Leute rauskommen sah und somit annehmen konnte, dass Tyson vielleicht gar nicht mehr da wäre.
 

Zum einem hatte er sich so sehr gewünscht den anderen sehen zu können, selbst wenn Tyson ihn angreifen, schlagen, beschuldigen oder einfach nur ignorieren würde. Der Gedanke in seine braunen Augen zusehen, seinen süßen schmollenden Mund und seinen Duft wahrzunehmen, würde ihn alles ertragen lassen was der andere ihm entgegenwerfen würde.
 

Aber wenn Tyson nun nicht abweisend, sondern versöhnlich auf ihn zugegangen wäre, dann hätte er stark an sich halten müssen, um den arroganten Klotz zu spielen, der nur jemand „Neues“ suchte. Aber er wollte eben unter allen Umständen verhindern, dass Tyson jemals wieder mit ihm gesehen und somit von Brooklyn oder einen seiner Leute entdeckt würde.
 

Also hatte er schon mit bereiter arroganter Miene die Bar betreten und musste sofort feststellen, dass schon gar nicht mehr allzu viel los war und somit auch weniger Arbeiter benötigt wurden. Er sah sich um, konnte aber Tyson nirgends erkennen. Während er an der Bar entlang ging und weiter den Raum absuchte - falls Tyson nur gerade nicht an Ort und Stelle wäre - wurde er vom Besitzer der Bar angesprochen.
 

„Hast den kleinen Tollpatsch gerade verpasst“, sagte der Mann im gewohnt brummigen Ton und wischte mit einen Lappen über die Theke.

Kai ignorierte den Besitzer einfach und schweifte mit seinen Blick weiter durch den Raum. Nicht anmerken lassen, wie traurig ihm das machte, sagte er sich selbst und überlegte ob er einen Drink bestellen sollte, wenn er gerade schon mal da war.
 

Allerdings kam ihm auch die Idee sofort aus der Bar heraus zu stürmen und den Heimweg des anderen entlang zurasen. Vielleicht würde er ihn noch erwischen bevor er zu Hause ankam und könnte ihn eine Zeitlang auf den Heimweg beobachten. Kai kam sich bei diesen Gedanken absolut lächerlich vor, aber die Sehnsucht war einfach gigantisch. Während er noch überlegte, sprach ihn der Besitzer aber ein weiteres Mal an.
 

„Heute war eh ein anderer schneller.“

Obwohl er hellhörig geworden war, schenkte Kai ihn nur einem mürrischen Blick. Innerlich tobte er aber. Diese Anmerkung konnte bedeuten, dass jemand anderes Tyson aufgerissen hatte. Bei dem Gedanken jemand anders würde „seinen“ Liebsten anfassen wurde ihm ganz übel.
 

Und gerade kam ihn ein Bild von sich selbst und einen Gesichtslosen Typen den er in der Luft zerriss in den Sinn, als er von seinen Gedanken fortgerissen wurde, mit einem Satz, der ihn das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„War so ein Orangehaariger, der etwas gaga wirkte. Aber ich denke, Tyson kommt mit ihm zurecht, wenn er nein sagt.“
 

Und nun stand Kai hier und sah auf den Menschen, den er über alles liebte herab und konnte immer noch nicht fassen, was ihm angetan wurde. Er war sofort aus der Bar gestürmt, zuerst durch den Park, hatte dann den Geruch von Tyson und/oder Brooklyn nicht wahrgenommen und war deshalb durchs Industriegebiet gerannt.
 

Als er den Schrei hörte, hatte er sich mit Höchstgeschwindigkeit in die zweite Etage des Parkhauses hochgeschwungen, sofort die schreckliche Situation wahrgenommen und Brooklyn ohne nur noch eine weitere Sekunde zu zögern, von Tyson weggezerrt.
 

„Versaust mir einfach meinen Mitternachtssnack, Kai“, sagte Brooklyn, erhob sich von der Mauer gegen die ihn Kai geworfen hatte und renkte kurzerhand sein Genick wieder ein. „Der Kleine schmeckt soooo lecker.“ Dabei leckte sich Brooklyn das Blut von seinen Lippen und grinste Kai auch noch frech an.
 

Kai wollte ihm den hässlichen Schädel vom Hals schlagen, ihn in tausendteile zerhacken, ihm das Herz herausreißen und drauftreten. Alle möglichen Tötungsarten gingen ihm durch den Kopf, aber dann wandte er seine Augen wieder auf Tyson, der immer noch hilflos am Boden lag und weiterhin Blut verlor. Brooklyn hatte die Hauptschlagader angebissen. Wenn er Tyson nicht schnell möglichst das Elixier verabreichte…
 

„Mach dir wegen ihm keine Gedanken“, sagte Brooklyn verächtlich, „der ist schon so gut wie tot.“

„Komm nur her, du widerwärtiger Bastard!“, zischte Kai und glühte gefährlich mit seinen Augen, dabei zog er sein Messer.
 

„Was regst du dich denn so auf, such dir doch einfach ein neues Spielzeug“, säuselte Brooklyn und schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, grinste Kai aber dennoch mit seinen spitzen Zähnen an. „Schenk mir den Kleinen. Sein Blut ist herrlich süß und unschuldig. Besser als das schmutzige Hurenblut von Tala.“
 

Kai knurrte und machte sich bereit sich auf Brooklyn zu stürzen. Seine Augen glühten, er fletschte die Zähne gab einen unmenschlichen Kampflaut von sich. Doch gerade als er sich auf den anderen stürzen wollte, wurde er durch den erstickten Aufschrei Tysons davon abgehalten. Er wandte sich sofort Tyson zu, der ihn aus ängstlichen, weit aufgerissenen Augen ansah.
 

Und schon wurde seine Unvorsichtigkeit bestraft. Anstatt, dass er Brooklyn angriff, hatte dieser die Gunst genutzt und sich auf Kai gestürzt. Er schoss mit Kai gegen die Säule neben Tyson und rammte ihn mit voller Wucht gegen den Stein. Sein Rücken schmerzte, sein Kopf pochte, aber Kai ließ sich nicht eine Sekunde von den Schmerzen ablenken und stieß sofort das Messer nach vorn, direkt in Brooklyns Brust. Brooklyn röchelte und stolperte zurück.
 

Kai nutzte die Gelegenheit, stürmte nach vorn, ergriff das Messer, welches immer noch in Brooklyn steckte und zog es nach unten und schlitzte somit Brooklyns gesamten Brustkorb auf, bevor er es wieder aus ihm herauszog. Blut plätscherte in Massen auf den Boden und der andere keuchte schmerzhaft auf.
 

Rachsüchtig sah Kai auf das Blut, welches über den Boden floss. Es war Tysons Blut und dieses Monster hatte es nicht verdient, dass auch nur ein Tropfen davon in ihm blieb. Kai stand mit dem Messer kampfbereit da, wartend ob der andere einen weiteren Angriff wagen würde, als dieser seinen Kopf hob und Kai siegessicher angrinste.
 

„Bist du sicher, dass du gewinnst, wenn du mich jetzt tötest.“

Kai stockte der Atem und er hörte wieder das schwere Atmen hinter sich. Seine Priorität lag nicht darin Brooklyn zu töten, sondern Tyson zu retten.
 

„Heute lasse ich dich und den Jungen gehen. Aber sei dir sicher, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“, dann verzog Brooklyn den Mund zu einem netten Lächeln und winkte zu Tyson. „Bis bald.“ Brooklyn raffte sich, rannte zur Brüstung und hüpfte schließlich in die Tiefe. Kai rannte ihm hinterher, aber als er nach unten sah, konnte er ihn nicht mehr erkennen.
 

„Tyson!“, sofort lief er zu dem Blauhaarigen, kniete sich neben ihn und nahm ihn den Arm. Auf den Boden hatte sich schon eine Blutlache gebildet und Kai musste aufpassen nicht darauf auszurutschen.
 

„Kai…“, murmelte Tyson und hielt sich immer noch am Hals, wo das Blut aus zwei kleinen Löchern strömte. Jetzt galt es schnell zu handeln.

„Keine Angst, Tyson! Alles wird gut“, sagte Kai barsch, wobei er zwei große Stofffetzen von seinen Schal abriss. Das eine Stück faltete er zusammen und drückte es auf die Wunde, das Andere band er als Verband um Tysons Hals. Es durfte aber nicht zu fest sitzen, damit er genug Luft bekam.
 

Dieser provisorische Verband verhinderte nicht, dass weiterhin Blut aus der Wunde floss, doch er verringerte den Blutverlust. Hoffentlich hatte Tyson noch genug Kraft um es bis zu Kais Haus zu schaffen. Er stand auf und nahm ihn in seine Arme. Fest drückte er den Jungen an sich.
 

„Du darfst jetzt keine Angst haben!“, sagte er zu ihm und schaute ihm tief in die Augen.

Mit glasigen Augen erwiderte Tyson den Blick. Er schien immer noch leicht verängstigt aufgrund von Kais Erscheinung vor ein paar Minuten, aber dennoch nickte er leicht. Dann rannte Kai auf die Brüstung des Parkdecks zu.
 

Tyson zog scharf die Luft ein, seine Fingern krallten sich in Kais Oberteil und als er von der Brüstung sprang, spürte Kai, wie sich Tyson ganz nah an ihn drückte und wie sein Herzschlag schneller wurde. Für einen Moment flogen sie durch die Luft, dann landete Kai sanft wie eine Katze auf den Dach des Nebengebäudes.
 

Ohne Pause rannte er weiter. Wieder bis zum Ende des Daches und wieder sprang er mit einer enormen Sprungkraft vom Rand und landete auf den gegenüberliegenden Gebäude.

Nach dem dritten Sprung beruhigte sich Tyson und sein Herzschlag wurde wieder langsamer. Das war wichtig. Es war noch ein Stückchen bis zu ihrem Haus und bei einem zu schnellen Herzschlag wäre Tysons Blutverlust zu hoch gewesen.
 

Nach zehn Minuten über die luftigen Dächer der Stadt erreichten sie schließlich den Stadtrand. Hier standen nur noch vereinzelte Häuser auf großen Grundstücken. Die Abstände waren nun zu groß um über die Dächer springen zu können, also schwang sich Kai von einem Dach, zuerst auf den Balkon dann schließlich auf den Boden und rannte mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit weiter.
 

Abseits der anderen Häuser und etwas versteckt hinter Bäumen, kam schließlich ein weiteres Haus zum Vorschein. Es wirkte alt und ungepflegt, aber man konnte erkennen, dass drinnen immer noch elektrisches Licht brannte. Kai rannte auf den Eingang zu und ohne Rücksicht trat er die Tür mit den Füßen ein.
 

„Tala!“, schrie er in den Flur und aus einem Nebenzimmer war zu hören, wie sich jemand erhob.

„Was denn?“, mäkelte Tala als er den Kopf in den Gang streckte, aber als er Tyson in Kais Armen erkannte, riss er sofort die Augen auf. „Was…?“
 

„Brooklyn hat ihm die Halsschlagader durchbissen“, erklärte Kai im harten Ton und trug Tyson in Richtung der Treppe. „Wir brauchen dringend das Elixier.“

Er ging mit ihm die Treppe hinauf und betrat das erste Zimmer zur Linken. Es stand ein großes Bett im Raum und zur linken führte eine weitere Tür in ein Badezimmer.

„Ich weiß nicht, ob wir überhaupt noch welches haben“, sagte Tala, der auch in den Raum gerannt kam.
 

„Wir müssten zumindest noch eins haben“, sagte Kai und legte Tyson auf den Bett ab. Tala stürmte in das Badezimmer und man hörte, wie er eine Schranktür aufriss und wie Glass klirrte.
 

„Alles wird gut, Tyson“, sagte Kai und schaute aufmunternd in Tysons Augen, während er ihm übers Gesicht streichelte. Tyson atmete schwer, seine Haut war schon ganz bleich und dann flackerten seine Augen und die Augäpfel drehten sich nach oben.
 

„TALA!“

„Ich hab‘s!“

Tala kam in den Raum zurückgerannt, eine kleine gläserne Phiole in der Hand. Als er Kai erreichte, riss ihm dieser das Fläschchen aus der Hand, nahm den Deckel ab, schüttete sich die Flüssigkeit in den Mund und drückte dann seine Lippen auf die von Tyson.
 

Er zwang dessen Lippen auseinander, umfasste mit einer Hand Tysons Nacken und ließ die Flüssigkeit seinen Rachen hinab laufen. Auf einmal riss Tyson die Augen auf und stemmte seine Hände gegen Kais Brust, dann entließ ihn Kai und die Augen des Japaners schlossen sich wieder und sein Kopf legte sich zurück auf das Kissen.

Sofort entfernte Kai den Verband und sie konnten erkennen, wie sich die zwei kleinen Löcher wieder schlossen und schließlich soweit verheilten, dass man nichts mehr erkennen konnte.
 

„Danke“, sagte Kai erschöpft und legte seine Stirn auf Tysons ab.

Auch Tala atmete hörbar aus und ließ sich auf das Bett sinken.

Nach einer gewissen Zeit erhob sich Kai wieder und sah auf den anderen hinab. Er erkannte das Blut welches immer noch an dessen Hals klebte, Blut war auch auf seiner Kleidung auf den Kopfkissen. Dann schaute der Graublauhaarige auf seine Hände und erkannte, dass daran ebenfalls das Blut des Jüngeren klebte.
 

„Mach das sauber“, befahl er Tala im ruppigen Ton, und dieser schaute ihn verwundert an. „Wenn ich nachher wiederkomme, will ich keinen einzigen Tropfen Blut mehr sehen.“

Mit diesen Worten stürmte Kai aus dem Zimmer.
 

**^^**
 

Sanfte Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster in den nur durch dünne Vorhänge abgedunkelten Raum. Dennoch kitzelten sie Tala an den Augen und er drehte sich im Bett einfach auf die andere Seite um weiterschlafen zu können. Er fühlte sich furchtbar matt. Er zog die Decke über den Kopf um sich auch vor den letzten Strahlen zu verstecken.
 

Sein Kopf marterte und seine Hände fühlten sich schwach an. So unter der Decke und mit zusammengekniffenen Augen, versuchte er sich daran zu erinnern, warum er so müde war. Gestern war nicht viel passiert. Kai war schlechter drauf gewesen als sonst. Er war immer wieder durch das gesamte Haus getigert, hatte ständig am ihn rumgemäkelt.
 

Diese Laune war fast unerträglich gewesen, aber was hätte er tun können. Kai war wegen Brooklyn völlig ruhelos, aber vor allen litt er unter Liebeskummer. Wenn Kai dachte er wäre allein sah Tala seinen qualvollen Blick der voller Sehnsucht auf das Fenster gerichtet war.
 

Irgendwann war ihm die schlechte Laune zu viel geworden und er hatte Kai regelrecht aus dem Haus geworfen.

„Leg jemanden flach oder kill einen Vampir. Aber wehe du kommst mit dieser Laune wieder zurück.“
 

Das hatte er ihm zugeschrien und ihm dabei seine Jacke und seinen Schal an den Kopf geworfen. Tala hatte es so satt die miese Laune vom anderen ertragen zu müssen. Die Sache mit dem Japaner hatte Kai selbst verbockt und das wusste dieser auch. Aber anstatt sich mit seinem schlechten Gewissen auseinanderzusetzen und zu Tyson zu gehen und ihm um Verzeihung zu bitten, pochte er darauf, das einzig Richtige getan zu haben.
 

Man, wie Tala die ganze Sache ankotzte. Schön und gut. Sie waren Vampire und ihre sozialen Kontakte waren deswegen auf ein Minimum beschränkt. Sie konnten nicht wirklich Freundschaften schließen, gingen keiner geregelten Arbeit nach und eine Affäre die länger als 2 Nächte dauerte war auch nicht praktisch. Aber das mit Tyson war doch etwas anderes. Genau wie es damals mit ihm und Kai etwas anderes gewesen war.
 

Kai hatte ihm erzählt, dass er immer die Einsamkeit vorgezogen hatte seit seiner Verwandlung. Freundschaften waren kein Thema und die einzigen Menschen mit denen er mehr als zwei Worte wechselte, waren die Mitglieder des Ordens für den er arbeitete. Zu dieser Zeit, als sie sich kennenlernten, war Ray auch noch gar nicht geboren und andere Vampirjäger waren von Kai nicht gerade begeistert. Also gab es auch keine Arbeitskollegen.
 

Wenn Tala jetzt so nachdachte, versteckt unter der Decke und an die Vergangenheit denkend, dann kommt ihm der Gedanke, dass er jetzt ein alter Opa wäre, wenn er Kai nicht getroffen hätte. Obwohl. Alter Opa? Er wäre damals wahrscheinlich keine 25 Jahre alt geworden. Prostituierte hatten keine besonders lange Lebenserwartung. Wenn man sich nicht irgendwann vor lauter Verzweiflung selbst umbrachte, dann verfiel man den Drogen, verreckte an einer scheiß Krankheit oder wurde vom Zuhälter umgelegt, weil man einfach nicht mehr genug Geld anschaffen konnte und als Abschreckung für andere dienen sollte.
 

Man, war sein Leben scheiße gewesen, wenn er jetzt so drüber nachdachte. Manche konnten glauben, zum Vampir verwandelt zu werden sei schlimm, aber im Gegensatz zu seinen früheren Leben war es das Paradies. Jeden Tag hatte er alte Säcke über sich rüber lassen müssen, diente jungen Reichen als Erprobungsobjekt oder sollte einfach Notgeilen zur Vergnügung beitragen.
 

Aber dann lernte er Kai kennen. Er grinste etwas als er sich daran erinnerte, wie der Grau-Blauhaarige damals auf ihn reagiert hatte, als er ihm sein „Danke-schön“ anbot. Kai war rot angelaufen und meinte nur, dass sei nicht nötig. Aber Tala war hartnäckig geblieben und wollte Kai nicht ohne Belohnung ziehen lassen.
 

Die Belohnung war zwar lange ausgeblieben, aber seine Hartnäckigkeit hatte dazu beigetragen, dass sie Freunde wurden. Kai hatte ihn damals sogar versucht Angst zu machen indem er sich vor ihm als Vampir outete. Solchen Argwohn hatte er damals vor menschlicher Nähe gehabt.
 

Tala war aber unbeeindruckt geblieben von Kais gefletschten Zähnen und den rotglühenden Augen. Lässig hatte er damals gemeint, sein Zuhälter sehe gefährlicher aus, wenn mal die Kasse nicht stimmte. Zwar war er anfangs schon ungläubig gewesen – schließlich hatte er nie an solche Dinge wie Vampire geglaubt – aber Angst hatte er nie vor Kai gehabt. Und das hatte schließlich zu ihrer Freundschaft geführt, die heute noch andauerte. Noch andauerte…
 

Tala krümmte sich etwas unter der Decke zusammen. Sein Leben war scheiße gewesen, aber sein Ableben… Wer hätte gedacht, dass nur die simple Freundschaft mit Kai einen Typen wie Brooklyn - der rein äußerlich harmlos wirkte - so zum durchdrehen bringen konnte.

Drei Tage lang… drei qualvolle Tage lang…
 

Die Scham verspürte Tala heute noch. Die Schmerzen der Wunden zum Glück nicht mehr. Und das nur weil sie befreundet gewesen waren. Und durch diese Erinnerungen wurde Tala auch wieder bewusst, warum Kai auf seinem Recht pochte. Wenn nur die Freundschaft zu Kai Brooklyn so austicken ließ. Was würde er dann jemanden antun, den Kai vom ganzen Herzen liebte?
 

Tala riss die Augen auf und warf sofort die Decke weg. Brooklyn war schon in Aktion getreten! Tyson war schon zum Opfer geworden!

Er warf sich aus dem Bett, hechtete zur Tür hinaus und ging zum Zimmer am Anfang des Flures. Dort angekommen beruhigte er sich erst mal wieder. Er atmete einmal tief durch, drückte dann lautlos die Klinke herunter und öffnete die Tür um einen Spalt.
 

Da die Vorhänge nicht zugezogen worden waren, war das Zimmer von Tageslicht durchflutet. So konnte er genau die Gestalt im Bett erkennen, die ruhig schlief und dessen Brustkorb sich gleichmäßig auf und ab senkte. Tala war erleichtert. Als er das Zimmer gestern Abend verlasen hatte, war Tysons Atmung noch flach gewesen. Anscheinend erholte sich sein Kreislauf sehr gut.
 

Nicht verwunderlich, aber dennoch unerwartet, konnte Tala auch Kai im Zimmer erkennen. Er hatte sich einen Stuhl zum Bett gezogen und hatte anscheinend daran Wache gehalten. Irgendwann schien ihm aber die Müdigkeit überkommen zu haben und er war mit den Kopf auf das Bett gesunken.
 

Was Tala nun die Augen zum verdrehen brachte, war die Tatsache, dass Kais Hand nahe bei der von Tyson lag. Er konnte sich vorstellen, wie Kai manchmal die Hand ergriffen und sie dann wieder losgelassen hatte. Diese Unentschlossenheit war typisch für ihn.
 

Tala checkte nochmal mit seinen Augen das gesamte Bett ab. Kai hatte ihm befohlen alles Blut zu beseitigen. Dass war auch der Grund warum er so fix und fertig war und seine Arme zu kraftlos. Er hatte die ganze Nacht noch damit verbracht die Bettwäsche auswaschen, nur damit Diva Kai keinen Wutanfall bekam.
 

Tysons Sachen hatte er einfach in die Waschmaschine geschmissen und ihn mit einem Waschlappen von allen Spuren beseitigt. Er war erst gegen 5 Uhr mit allen fertig gewesen, während sich Kai in die Küche verzogen und dort leise vor sich hin gejammert hatte.
 

Tala seufzte ein weiteres Mal leise, bevor er sich ein wenig zurückzog.

„So sieht unser Kai ja richtig zahm aus.“

Tala zuckte aufgrund der plötzlichen Präsenz zusammen und hätte beinahe die Tür lauthals zugeschlagen, aber stattdessen schenkte er Ray einen bösen Blick.
 

„Musst du mich so erschrecken?“, zischte er dem Chinesen böse an.

„Ich hätte ja geklopft, aber das war nicht nötig, weil eure Türe Schrott ist“, meinte der Chinese und zog seinen Kopf nun ebenfalls aus der Tür zurück, damit Tala sie nun leise schließen konnte.
 

„Wie geht es ihm?“, fragte Ray, als Tala sich ihm zu wand.

„Er wird wieder“, meinte der und ging die Treppe hinunter. Er hatte Durst.

„Du wirkst kühl“, stellte der schwarzhaarige fest. „Machst du dir nicht mehr Sorgen um ihn.“
 

In der Küche öffnete Tala den Kühlschrank und holte sich eine Blutkonserve raus und langte dann nach einem sauberen Glas in welches er das Blut einschenkte.

Ray betrachtete ihn dabei ehrlich verwundert.
 

„Dir ist schon klar, dass Tyson nur knapp den Tod entronnen ist. Kai hat mir am Telefon erzählt, Brooklyn hätte ihn die Hauptschlagader angebissen. Ein paar Minuten hätten gereicht um zu einen so großen Blutverlust zu führen, dass Tyson gestorben wäre.“
 

Tala nippte an seinem Blut und blickte nur mit kühler Miene drein. Ray schaute er nicht an.

„Lässt dich das derart kalt?“, fragte Ray verdutzt, „Du bist doch auch ein Opfer von Brooklyn. Da müsstest du doch etwas mehr Mitgefühl für Tyson übrig haben.“

„Genau das ist es ja“, sagte Tala auf einmal aufgebracht und stellte das Glas lautstark auf der Tischplatte ab.
 

„Ich weiß, wozu diese Bestie fähig ist“, fuhr er lautstark fort, „und deshalb wundere ich mich über sein Verhalten.“ Er brauchte einen Moment um wieder zu Luft zu kommen. „Dieses Monster hat mich drei Tage lang gequält bis er es als gut genug befand um Kai klar zu machen, dass er keine Freunde haben sollte. Kai liebt Tyson! Und wenn Brooklyn das wüsste, dann hätte er ihn auf noch viel schlimmere Weise gequält. Ein schneller Tod durch durchbeißen der Halsschlagader?“
 

Tala brach in Hohngelächter aus. „Tyson hatte Glück! Brooklyn muss ihn für eine einfache Affäre von Kai gehalten haben. OHNE Gefühle.“

Ray starrte ihn zuerst fassungslos an. Doch dann schien er ihn zu verstehen.

Tala wandte sich ab. Ihm war sein emotionaler Ausbruch peinlich. Aber die ganze Sache hatte auch schlechte Erinnerungen geweckt, die er sonst immer unter seiner coolen Fassade verbarg.
 

In Wahrheit war er auch heilfroh, dass dem anderen nichts passiert war. Er mochte Tyson. Und das was ihm gestern passiert ist, war furchtbar. Aber es war wirklich Glück, dass Brooklyn seine wahre Bedeutung für Kai nicht erkannt hatte. Sonst… sonst hätte dieses Schwein ihn nicht nur mit dem Tod davonkommen lassen.
 

Aber was ihm vor allen leid tat, war die Tatsache, dass sich Kai nun bestätigt fühlte in seiner Sorge. In ihm keimte nur ein kleiner Hoffnungskern, dass Kai durch das Geschehene klar wurde, dass er den Japaner liebte und ihm auf keinen Fall verlieren wollte. Aber bei diesem abgeklärten Sturkopf war die Wahrscheinlichkeit höher, dass er Tyson nun noch weiter von sich stoßen würde.
 

**^^**
 

Kai saß auf der Mauer, welche den Dojo in dem Tyson hauste, umschloss. Sehnsüchtig schaute er auf die geöffnete Verandatür. In jenem Zimmer schlief sein Liebster. Auch sein schlafendes Gesicht war für Kai wie eine Droge von der er nicht mehr loskommen wollte.
 

Die in Ruhe geschlossenen Lieder, die sinnlichen Lippen leicht geöffnet, wirre Haarsträhnen die ihm in die Stirn fielen oder die Augen umschmeichelten. So gerne würde er jetzt zu ihm gehen und ihm durch das weiche Haar streichen, einfach ein paar Minuten seinen regelmäßigen Atemzügen lauschen.
 

Ein Blick nach links und rechts verriet ihm, dass niemand in der Nähe war. Geschmeidig wie eine Katze sprang Kai von der Mauer und landete sanft auf den mit grasbedeckten Boden.
 

Lautlos schlich er zu Veranda und spähte in das Zimmer. Tyson lag auf seinem Bett. Kai betrat das Zimmer und näherte sich dem Bett. Doch als er davorstand stockte ihn der Atem. Das Bett und der Boden waren in Blut getränkt und kalte tote Augen starrten zu ihm empor.
 

Kai schreckte aus seinen Traum hoch und schaute sich hektisch im Zimmer um. Er war Zuhause in einem der Schlafzimmer. Er saß auf einen Stuhl und lag mit dem Kopf auf dem Bett. Nur ein Alptraum. Er stützte den Kopf auf seiner Hand ab und fuhr sich über die müden Augen, dann linste er neben sich.
 

Tyson schlief ruhig. Die Wunde an seinen Hals war nicht mehr zu erkennen und Tala hatte alle Spuren von Blut beseitigt. Sein Atem ging regelmäßig. Kai setzte sich im Stuhl auf und griff nach Tysons Hand, welche auf der Bettdecke lag.
 

Bevor er vor Erschöpfung eingeschlafen war, hatte er diese Hand immer wieder umfasst, den Handrücken geküsst und Tyson aufmunternde Worte ins Ohr geflüstert. Dann hatte er die Hand auch mal wieder losgelassen, als wäre sie brennend heiß und hätte sich am liebsten geohrfeigt für so eine Gefühlsduselei.
 

Doch auch jetzt wieder konnte er nicht wiederstehen die Hand zu ergreifen und die Wärme zu fühlen, mit den Daumen über den Handrücken zu streicheln und Tyson dabei besorgt anzusehen.
 

Dann nahm er eine zarte Bewegung der Hand wahr und sah wie Tyson sein Gesicht regte. Langsam und ruhig schlug der Blauhaarige die Augen auf und sah an die Decke. Er blinzelte zweimal und sein Gesicht nahm dann einen verwunderten Ausdruck an.
 

„Tyson?“, fragte Kai ruhig und ließ wieder Tyson Hand los. Dann stand er vom Stuhl auf und beugte sich etwas zu dem anderen. „Ganz ruhig. Du bist bei mir zu Hause.“

Tyson nahm seine Stimme wahr und drehte seinen Kopf zu ihm. Er sah ihn einige Sekunden lang verwundert an, doch dann auf einmal und ohne Vorwarnung, setzte er sich auf und rutschte an das Kopfende des Bettes.
 

Dabei sah er Kai verängstigt an und umgriff sich mit seinen Armen, wobei er furchtbar zitterte.

„Tyson, keine Angst!“, versuchte Kai ihn zu beruhigen, doch Tyson starrte ihn weiterhin nur argwöhnisch an. Dann fasste er sich an seinen Hals und versuchte anscheinend die Wunde zu finden, die ihm Brooklyn zugefügt hatte.

„D-das war doch kein Traum“, sagte er dann zu Kai mit zitternder Stimme. „Etwas hat mich gebissen.“
 

Kai konnte die Furcht des anderen verstehen. Zuerst wird er von einem Vampir angegriffen und dann wachte er an einen fremden Ort auf. Tyson bemerkte nun auch, was er im Moment trug. Da seine Kleidung voller Blut gewesen war, hatte sie ihm Tala kurzerhand ausgezogen und ihm ein Hemd von Kai übergestreift. Auf diese Weise lagen seine Beine frei und auch das schien ihm das Gefühl von Schutzlosigkeit zu vermitteln.
 

„Tyson, ich…“ Kai hob die Hand um Tyson damit über das Gesicht zu streicheln und ihn somit zu beruhigen, aber…

„Komm mir nicht zu nahe!“, schrie Tyson und rutschte wieder weiter weg von Kai. Dieser hielt sofort inne in seiner Bewegung und sah nun seinerseits verwirrt aus. „Was ist mit dir geschehen? Deine Augen haben geglüht, du hast so furchtbar geschrien und… und…“ Tyson brach die Stimme und seine Augen verrieten eindeutiges Misstrauen gegenüber Kai.
 

„Kai, bist du wach? Ich habe hier deine morgendliche Tasse Blut. Schön warm natürlich.“

Tala kam völlig überraschend zur Tür herein. In seiner Hand hielt er eine Tasse und als er die Situation begriff, blieb er sofort mitten im Raum stehen.

„Hoppla!“
 

„Tala, du Vollidiot!“, schimpfte Kai und sah dann wieder zu Tyson, der nun Tala ungläubig anstarrte und dann seinen Blick auf die Tasse heftete.

„Schön, dass du wach bist, Tyson“, wollte Tala die Situation entschärfen, aber als er näher trat wich Tyson auch vor ihm zurück.
 

Kurzerhand riss sich Kai endlich zusammen, setzte sich zu Tyson aufs Bett und zog ihn in seine Arme. Der Japaner gab einen erstickten Schrei von sich und versuchte Kai von sich wegzudrücken, aber er hielt ihn in einen festen Griff.

„Jetzt beruhige dich doch endlich, Tyson!“, sagte er mit fester Stimme. „Hier will dir niemand etwas tun. Erinnere dich doch! Ich habe dich gestern hierher gebracht. Ich habe dich gerettet!“
 

Tyson wehrte sich noch etwas gegen Kais Umklammerung, aber mit der Zeit wurde er ruhiger. Tala beobachtete die ganze Situation aus sicherer Entfernung. Irgendwann hörte er dann auf sich zu wehren und blieb ruhig in Kais Armen liegen. Kai atmete erleichtert auf, doch dann sah Tyson auf einmal zu ihm auf.

„Was bist du?“
 


 

Ich weiß, Tysons Reaktion auf Kai ist furchtbar. Eigentlich sollte das Kapitel noch weiter gehen, aber dann hatte ich auch schon zu viel geschrieben (das passiert mir immer). auf jeden Fall wird das nächste Kapitel Tysons Reaktion auf Kai besser erklären und es kommt auch wieder zu einen schönen Moment zwischen den beiden.

Also bis zum nächsten Mal.

Und du liebst mich doch!

Hallo meine lieben treuen Leser. Ich habe mich in den letzten Wochen mal so richtig rangehalten um das Kapitel noch rechtzeitig hochladen zu können. Im Grunde muss ich mich ja an keine Fristen halten, aber ab Freitag bin ich für ein halbes Jahr im Praktikumsstress und da könnte es schon passieren, dass das Schreiben etwas zu kurz kommt.

Dieses Kapitel kann ich nur sagen, dass dieses und das vorige, die Grundlage der FF bildeten. Also, das waren die Szenen die mir im Kopf herumschwirrten, als ich die Idee zur FF hatte. Deshalb ergibt sich hier auch eine kleine Wende in der Story und wir erfahren einen Einblick in Kais Vergangenheit. Ich wünsche viel Spaß beim lesen.
 


 


 


 

Kai erwiderte den fragenden Blick aus Tysons Augen mit einem ruhigen. Tief versank er in diesen Schokoseen, die still und ruhig zu ihm aufblickten. Er hielt Tyson immer noch im Arm und konnte kaum glauben, wie gut sich der Körper des anderen anfühlte. Es ist viel zu lange her, dass er die Wärme, welche davon ausging, so nah und intensiv gespürt hatte.
 

Mit seinen Fingern streichelte er über die weiche, freigelegte Haut und atmete den süß-herben Duft ein der vom anderen ausging.

Was bist du?, hatte Tyson ihn gefragt. Fast hatte er schon erwartet, diese Fragen zu hören wenn der andere aufwacht. Er hatte sich ein paar hundert Ausreden überlegt, nur um nicht mit der Wahrheit rauskommen zu müssen.
 

Lieber hätte er sich als Mutant geoutet, als vor dem Menschen, den er so sehr liebte und begehrte, zugeben zu müssen, ein untotes Wesen zu sein. Ein Wesen das normalerweise keine Seele besaß und da er doch eine hatte, im Grunde eine Missgeburt war.
 

Ja, eigentlich hatte er ihn anlügen wollen. Aber als er ihn nun im Arm hielt und ihn wieder so spüren konnte, wusste er, dass er ihn in dieser Hinsicht nicht anlügen konnte. Mit einen Blick und Nicken zu Tala gab er diesen zu verstehen, dass er bitte aus dem Zimmer verschwinden sollte.
 

Der Rothaarige stand noch etwas unentschlossen im Raum, fragte sich wohl gerade, ob er die Tasse irgendwo abstellen sollte, entschied sich dann aber doch diese lieber mit nach draußen zu nehmen. Als das Türschloss einrastete waren Tyson und Kai schon wieder dazu übergegangen sich in die Augen zu sehen.
 

Es war wie bei ihren ersten Treffen. So nah und doch trennten sie Welten und am liebsten hätten sie jetzt die Zeit angehalten. Doch Kai wusste, dass die Zeit jetzt weitergehen musste und er Tyson endlich eine Antwort schuldete. Wehmütig entließ er den anderen wieder aus der Umarmung und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett.
 

Tyson setzte sich wieder ordentlich im Bett auf, allerdings diesmal etwas näher an Kai. Mit der Bettdecke bedeckte er seine Beine um nicht mehr ganz so freizügig zu sein. Schließlich sollte sich Kai auf das Gespräch konzentrieren können.
 

„Ich glaube, ich muss dir nicht erst sagen, dass ich kein normaler Mensch bin“, begann Kai. Es war ungeheuer schwer jemanden zu erklären, dass man ein Vampir war, wenn der andere bisher wahrscheinlich nicht daran geglaubt hatte. Er versuchte seinen Blickkontakt zu Tyson aufrechtzuerhalten.
 

Nach dem ersten Satz hatte er zwar den Wunsch verspürt wegzusehen, aber er hielt stand. Tyson sah ihn immer noch mit ruhigen Augen an. Ein kaum merkliches Nicken, kam auf den Beginn seiner Erklärung.
 

Kai überlegte sich gerade die schönsten Umschreibungen und Ausreden, aber das war im Grunde sinnlos. Also sagte er es einfach frei heraus.

„Ich bin ein Vampir.“
 

Tyson behielt seinen Kopf wo er war. Nur seine Augen sahen für den Moment zur Seite, dann glitten sie aber zurück zu Kai und er gab ein schwaches Nicken von sich.

„Was?“, sagte Kai aufgebracht. „Mehr sagst du dazu nicht?“
 

„Ich bin kein Dummkopf, Kai“, erklärte Tyson. „Brooklyn hatte sehr lange Eckzähne, er hat mich gebissen und mein Blut gesaugt. Und du sahst genauso aus wie er. Außerdem hatte Tala doch gerade Blut dabei, oder? Wenn man das alles zusammenaddiert, dann bleiben nicht viele Möglichkeiten offen.“
 

Gut, damit hätte Kai ja rechnen können, aber trotzdem wusste er nicht, ob es nun gut oder schlecht war, dass Tyson die Wahrheit derart gelassen nahm. Aber wie sollte es jetzt weitergehen. Wieder musste er schwer seufzen.
 

„Eigentlich hättest du das niemals erfahren sollen“, sagte er nun die Wahrheit. „Weder gehe ich Bindungen ein, noch schließe ich aufgrund dessen Freundschaften. Deshalb weiß ich auch nicht so recht, wie ich dir das erklären soll.“
 

„Bisher habe ich nicht mal daran geglaubt, dass es sowas wie Vampire gibt. Das waren nur irgendwelche Monster in Bücher und Fernsehen. Doch nach gestern wundert mich gar nichts mehr. Also fang doch einfach beim Anfang an.“
 

Kai war schon etwas verwundert wie lässig Tyson das alles doch nahm. Vielleicht war der erste Schock auch zugleich der größte gewesen. Nachdem er sich nun beruhigt hatte konnte er die Dinge klarer sehen und schloss somit ganz einfach Logikstränge zusammen.
 

Das Tyson etwas Besonderes war, dass wusste Kai ja schon von Anfang an. Aber diese Vorurteilslose und ruhige Art, wie er die Tatsache, dass vor ihm ein Vampir saß, verdaute, brachte ihn doch wieder zum Staunen.
 

„Um also beim Anfang zu begingen“, sagte Kai ruhig und setzte sich bequemer hin, „müssen wir vor 150 Jahren begingen, denn so alt bin ich.“ Kai beobachtete Tysons hochgehende Augenbrauen, aber er wagte es nicht zu unterbrechen. „Damals lebte ich in Russland und war der Sohn eines Vampirjägers. Im Grunde bestand meine ganze Familie aus Jägern.
 

Und so war ich schon von klein auf in der Vampirkunde unterrichtet worden und sollte natürlich die Familientradition fortsetzen. Mit 21 Jahren zog mein Vater aber den Zorn eines hohen Vampirs auf sich. Aus Rache dafür, dass er seinen halben Clan ausgerottet hatte, tat der Vampir meinen Vater das schrecklichstes an, was man einen Vampirjäger antun kann. Er verwandelte mich, seinen Sohn, in einen Vampir.“
 

Kai brach an dieser Stelle ab. Auch wenn es schon lange her war bereitete ihn diese Erinnerung immer noch Schmerzen. Die Erinnerung an seine Verwandlung und das Leben das ihn darauf hin erwartete. Meist verdrängte er diese Erinnerungen.
 

„Um noch etwas zu erklären. Vampire sind im Grunde Seelenlose - oder besser gesagt – Seelenverwundete Wesen. Grausam und gierig streifen sie durch die Welt und kennen weder Erbarmen noch Skrupel. Dieses Schicksal hatte der Vampir für mich vorgesehen, aber da war dann etwas schief gelaufen. Im Gegensatz zu anderen Vampiren blieb meine Seele, so wie sie war, intakt.“
 

Tyson wandte nun den Blick ab und starrte auf die Bettdecke, dabei faltete er die Hände vor der Brust zusammen. Kai war ihm dankbar, dass er noch keine Fragen stellte, aber es war ihm anzusehen, dass er langsam überfordert war mit der Fülle an Informationen.
 

Es war auch nicht leicht das Ganze zu verdauen. Unbedacht dessen erzählte Kai weiter. Jetzt wo er angefangen hatte wollte er auch zu Ende erzählen.

„Ausgenommen meiner Seele wurde ich aber zu einem vollwertigen Vampir, der sich von Blut ernähren muss und mit der Unsterblichkeit gesegnet - oder vielleicht auch bestraft - ist. Ich altere nicht mehr und bin so gut wie gar nicht zu töten.
 

Wunden heilen sehr schnell und ich besitze übermenschliche Kräfte. Ein normales Leben kam für mich nicht mehr in Frage. Aber gleichzeitig konnte ich nicht bei anderen Vampiren leben. Wenn sie mich nicht wegen meiner Seele ausschlossen, so konnte ich nicht mit ihnen zusammenleben, weil ich ihre Kaltblütigkeit unerträglich fand.
 

Vampire töten Menschen nicht nur zum überleben, sondern wenn sie mächtig genug sind, auch einfach zum Spaß. Sie ergötzen sich an den Schmerzen der Menschen und geilen sich an ihrer Überlegenheit ihnen gegenüber auf.
 

So konnte ich nicht sein, also war ich zum Alleinsein verbannt. Einige Jahre lebte ich als Aussätziger und vegetierte vor mich hin. Oft wünschte ich mir, es käme einfach ein Vampirjäger vorbei und setzte meinen sinnlosen Dasein ein Ende.“
 

Nun tat Tyson etwas, dass Kai nicht erwartet hätte. Er ergriff seine Hand und drückte sie leicht. Dabei sah er mit seinen verständnisvollen Augen zu ihm auf. Die Wärme die von Tysons Hand ausging war wie eine heilende Salbe und seine Augen wirkten tröstend. Aber Kai entzog seine Hand wieder und erzählte weiter.
 

„Eines Tages kam ich zufällig an einen Kampf von einen Vampirjäger mit einer ganzen Gruppe vorbei. Eigentlich bin ich solchen Begegnungen immer aus dem Weg gegangen, aber dieses Mal entschied ich mich dafür doch endlich etwas Sinnvolles zu tun. Ich griff in den Kampf ein und half dem Vampirjäger.
 

Er war natürlich kein Dummkopf und erkannte während des Kampfes, dass ich selbst ein Vampir, aber auch, dass ich anscheinend des Jägerhandwerks fähig war. Jeder andere Jäger hätte mich trotz der Hilfe wahrscheinlich ebenfalls gepfählt. Aber dieser stammte selbst aus einer Reihe von Jägern ab und wusste um das nicht ganz unbekannte Schicksal meiner Familie und kannte somit die Gerüchte darum, dass ich ein Vampir mit Seele sei.
 

Er gehörte einem Orden an und nahm mich zu diesen mit. Die gesamte Geschichte wäre jetzt zu kompliziert und lang, deshalb sag ich es kurz. Sie nahmen mich auf. Seit 120 Jahren bin ich Vampirjäger im Orden.“
 

„Das heißt, du bist ein Vampir… der Vampire jagt?“, fragte Tyson total perplex. Kai nahm ihn die Frage nicht übel. Er hatte die ganze Zeit ruhig zugehört und nicht unterbrochen und diese Sache war nun wirklich schwer zu begreifen.

„Und anderes?“, beantwortete Kai die Frage und ignorierte den verdutzten Ausdruck auf Tysons Gesicht.
 

„Es klingt unwahrscheinlich, aber was sollte ich denn sonst mit meiner Seele anfangen. Ein normales Leben ist zu weit entfernt und das als Vampir nicht möglich. Ob nun Vampir oder Mensch. Jeder braucht einen Sinn in seinen Leben und ich habe ihn gefunden.“
 

Es kam zu einen langen Schweigen zwischen ihnen. Tyson verarbeitete gerade die ganzen Informationen, welche er erfahren hatte und Kai brauchte einen Moment um sich wieder im Hier und Jetzt und nicht mehr in seiner Vergangenheit zu befinden. Tyson schaute sich im Zimmer um. Mal schaute er aus dem Fenster, dann an die Wand, auf die Bettdecke, dann wieder zum Fenster…
 

„Ich bin fertig, du kannst mir jetzt fragen stellen“, unterbrach Kai Tysons Blickschau. Es war zu deutlich, dass er Kai nicht ansprechen wollte solange dieser ihm nicht das Okay dazu gegeben hatte.
 

„Ähm“, machte Tyson und schaute nochmal zum Fenster raus und drehte sich dann langsam wieder Kai zu. „Äh, na ja, was heißt das jetzt im Grunde, ein Vampir zu sein.“

„Übermenschliche Kräfte, kein Altern, sehr schnell heilende Wunden, kaum tot zu kriegen, Ernährung mit Blut.“
 

Tyson machte nun ein unentschlossenes Gesicht. Er krabbelte dann langsam näher zu Kai hin. Vorsichtig streckte er die Hand aus und legte sie nach kurzem Zögern auf Kais Brust ab.

„Ich spüre deinen Herzschlag“, sagte er ehrfurchtsvoll.
 

„Aber wenn du etwas anderes als ein Holzpflock hineinschlägst wird nichts passieren. Wenn du mir ein Dolch ins Herz schlägst werde ich nicht mal mit der Wimper zucken.“
 

Tyson zog die Hand wieder zurück und schaute in Kais Augen, dann hob er die Hand und streichelte mit seinen Fingern über Kais Wange. Der Grau-blauhaarige wollte sich der Hand entziehen, aber Tyson umfasste jetzt mit seinen Händen sein Gesicht und zog es nah an das eigene heran.
 

Dann schaute er ihm tief in die Augen.

Kai konnte das nicht. Er konnte dem Blick nicht standhalten. Nicht diesen verständnisvollen braunen Augen. Er packte Tysons Handgelenke, zerrte die Hände von seinem Gesicht und stürmte aus dem Zimmer.
 

**^^**
 

Tala könnte sich immer noch Ohrfeigen für seinen zeitlichen unpassenden Auftritt vor gut einer Stunde. Tyson war ja schon so völlig aufgelöst durch die gesamten Ereignisse und dann kam er noch mit einer Tasse „Blut“ ins Zimmer. Da hätte er ja gleich ein Rind vor den Augen des Japaners zerfleischen können.
 

Er nagte gerade gedankenverloren an einem Brötchen als er tapsige Schritte auf der Treppe wahrnahm. Verwundert, warum Kai barfüßig durch das Haus ging, sah er zur Tür und schaute überrascht als Tysons blauer Haarschopf darin erschien.

„Ähm, ist Kai zufällig hier?“, fragte er schüchtern.
 

Tala schüttelte den Kopf und sah Tyson recht verwundert an. Tysons wollte gerade den Kopf zurückziehen als Tala ihn noch mal zurückrief. Er schaute wieder um die Ecke, trat aber nicht in den gesamten Türrahmen.

„Du hast doch sicher Hunger und Durst, oder?“
 

Tyson gab zwar ein Nicken von sich, trat aber nicht weiter in die Küche ein.

„Setz dich an den Tisch. Ich mach dir was“, sagte Tala auffordernd und weißte auf einen freien Platz neben sich.
 

Tyson stand immer noch mehr hinter der Tür versteckt und druckste ein bisschen rum.

„Ich werde dich schon nicht anknabbern“, sagte der Rothaarige etwas gereizter und sah sofort an der schockierten Miene des anderen, dass er wieder was Falsches gesagt hat.
 

„Ähm, hat Kai dir gegenüber nicht erwähnt, dass ich auch ein Vampir bin?“, fragte er zaghaft nach.

Ohne ihn aus den Augen zu lassen, schüttelte Tyson den Kopf. Wieder war Tala in ein Fettnäpfchen getreten. Also setzte er schnell nach: „Ich habe aber auch eine Seele. Siehst du“, dabei zeigte er auf eine Tasse die auf den Tisch stand „Rinderblut. Vom Metzger. Wir zahlen sogar dafür.“
 

„Aha“, meinte Tyson und machte immer noch keine Anstalten in die Küche zu kommen, „aber…“

Irgendwann wurde es auch Tala zu viel. Tysons drucksen und zögern war eine Beleidigung für ihn, nachdem er die halbe Nacht damit verbracht hatte alles Blut von ihm runter zu waschen ohne dabei schwach zu werden und daran zu kosten.

„Jetzt stell dich nicht so an“, polterte Tala und schlug mit der Faust auf den Tisch.
 

Tyson zuckte zusammen, aber kam dann doch langsam hinter der Tür hervor und nun konnte Tala auch erkennen, warum er wirklich so verschüchtert hinter der Tür gestanden hatte. Er hatte ja ganz vergessen, dass er Tyson ausgezogen und ihm nur ein Hemd übergezogen hatte. Tyson stand vor ihm, dass Hemd endete knapp über seinen Knien und an den Enden zog er es noch ein bisschen weiter runter. Seine Wangen waren feuerrot.
 

„Mensch, Tyson“, seufzte Tala genervt auf, „deine Beine kenne ich doch schon. Die haben mich sogar schon einmal umschlungen“, setzte er noch mit einen kecken Zwinkern hinzu, was Tyson noch röter werden ließ. Allerdings ließ er das Hemd wieder los.
 

Gerade als er sich aber an den Tisch setzen wollte, wurde ihn auf einmal schwindlig und er kam ins Stolpern. Tala reagierte schnell und fing ihn auf.

„Ent… entschuldigung“, brabbelte Tyson an Talas Brust, gegen die er gefallen war.

„Du bist noch etwas angeschlagen“, sagte Tala und half Tyson sich auf den Stuhl zu setzen.
 

Dann stellte er einen Korb mit Brot vor ihn hin und forderte ihn auf zu essen. Während Tyson zaghaft an einem Stück Brot knabberte, holte Tala ihn noch ein Glas mit Wasser und stellte es vor ihn ab.
 

„Du musst viel trinken! Du hast eine Menge Blut verloren und es dauert ein wenig, bis dein Körper alles nachproduziert hat.“

Tyson trank nun auch von dem Wasser und schielte zu ihm herüber. Tala war es nicht ganz geheuer, dass der Jüngere ihn so misstrauisch anblinzelte, aber er wusste nicht, wie viel Kai erzählt hatte und wie viel Tyson nun über Vampire wusste.
 

Die Tatsache, dass Tyson im Haus umherlief um Kai zu suchen, ließ aber befürchten, dass er mitten in der Erklärung abgehauen war.
 

„Du bist also auch ein Vampir.“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Aber was sollte man sonst denken, wenn er sich gerade wieder einen großen Schluck Rinderblut gönnte.
 

„Und volle 60 Jahre alt. Oder so ungefähr. Wenn man unsterblich ist, schert man sich nicht mehr um Jahre. Schließlich muss ich nicht befürchten irgendwann falten zu bekommen.“
 

Ein Scherz mit dem er eigentlich die Situation auflockern wollte, aber Tyson wirkte immer noch ein wenig blass.

„Und dieser Brooklyn auch.“

„Einer von der ganze schlimmen Sorte“, sagte Tala und sein Blick verdüsterte sich wieder. „Du kannst froh sein, noch am Leben zu sein. Wenn Kai dir nicht so schnell das Elixier verabreicht hätte, dann wärst du verblutet.“
 

„Elixier?“ Tyson hörte auf das Stück Brot in Krümelchen zu verspeisen. „Ich weiß noch, dass Kai mir irgendwas eingeflößt hat, aber was genau war das eigentlich?“

„Ah, ein bisschen schwer zu erklären“, meinte Tala und machte ein nachdenkliches Gesicht.
 

„Es ist eine Art Mischung aus Pharmazie und Religiösen Mittelchen. Aber die Wirkung ist einfach. Wenn man es trinkt heilt es einen Vampirbiss sofort und regt auch die Blutherstellung an. Ein paar Leute aus unseren Orden haben es entwickelt. Wenn man von einem Vampir gebissen wird zählen Sekunden. In einen normalen Krankenhaus hätte man für dich nichts mehr tun können.“
 

Tyson schluckte schwer und nahm einen Schluck aus dem Wasserglass. Er hatte sich ja schon gewundert wo die Wunde hin verschwunden war, aber dieser Hokuspokus beruhigte ihn nicht wirklich. Das war ihm ganz unheimlich, dass er etwas in seinen Körper hatte das anscheinend Teils aus Pharmaka und teils aus Religiösen Riten besteht. Er sah wieder mit seinen großen Augen zu Tala.
 

„Könntest du bitte aufhören mich so anzusehen“, meinte er daraufhin genervt. „Du wirkst wie ein Schaf und ich bin der große böse Wolf.“

Tyson sank etwas im Stuhl zusammen, aber wandte den Blick nicht ab.

„Werde ich jetzt auch ein Vampir?“, fragte er ganz zaghaft.
 

„Nein~“, sagte Tala langgezogen, weil er sich schon gefragt hatte, warum ihn Tyson so furchterregend angesehen hatte. „Das wird man nur, wenn man gebissen wurde und der Vampir dir dann auch etwas von seinem Blut einflößt. Brooklyn wollte dich nur eiskalt abschlachten. Wahrscheinlich auch noch vor Kai zur Schau stellen.“

Tyson ließ das Brot fallen und versteifte sich sofort.
 

„Hei, damit wärst du noch gut davongekommen“, sagte Tala eiskalt. „Brooklyn ist der größte Psychopath der auf Gottes Erde wandelt. Ein schneller Tod ist bei ihm sowas wie eine Begnadigung.“
 

„Aber warum hat er mich überhaupt angegriffen?“, fragte Tyson. „Er kennt Kai. Hat es etwas damit zu tun, dass ich mit Kai geschlafen habe.“

Tala schwieg und nippte an seinem Blut.
 

„Tala?“

„Brooklyn liebt es Kai zu quälen“, antwortete er schließlich. „Und dazu benutzt er jeden der Kai nahe ist. Das gilt genauso für Affären. Und je wichtiger ein Mensch für Kai ist, desto schlimmer quält er diese Person.“
 

Tyson war der Unterton in Talas Stimme nicht entgangen. Er konnte sich wohl zusammenreimen, dass Tala auch schon mal unter Brooklyn gelitten hatte, aber besaß genug Toleranz um nicht weiter nachzufragen. Deshalb lenkte er das Gespräch auf etwas anderes.
 

„Du bist also auch ein Vampirjäger?!“

„Na ja, wenn ich Lust drauf habe“, grinste Tala unverschämt. Tyson konnte nicht umhin, dass Grinsen zu erwidern.
 

**^^**
 

Kai hatte einen langen ausgiebigen Spaziergang unternommen, den er auch dringend nötig gehabt hatte. Tyson war ihm während er aus seiner Vergangenheit erzählt hatte nahe gekommen und das hatte er nicht gewollt. Natürlich nicht, weil er Nähe allgemein nicht mochte.
 

Dieses Gesetz seiner inneren Vernunft wirkte bei Tyson nicht. Es ging ihm darum, weil er einfach nicht wollte, dass Tyson ihm zu nahe kam. Was wenn er das Bild von Kai dem Freier, verlor und wieder Gefühle für ihn zuließ. Kai hatte alles unternommen damit Tyson ihn hasste und dabei sollte es auch weiterhin bleiben. Hatte ihn denn die Tatsache, dass er ein Vampir ist, gar nicht abgeschreckt?
 

Warum hatte er ihn, nachdem er erzählt hatte was er war, wieder berührt und hatte ihn dabei so tröstend angesehen, anstatt vor ihm zurückzuweichen und angeekelt den Mund zu verziehen. Tysons Sicht auf die Dinge überstieg Kais Horizont. Aber war es nicht gerade das was er an ihn so liebte. Was bei anderen Menschen als normal galt, zählte bei Tyson nicht.
 

Während andere sich von ihm abgewendet hätten, war Tyson wieder auf ihn zugekommen. Anstatt ihn mit Fragen zu löchern, hatte der Blauhaarige seiner Geschichte geglaubt… Anstatt sofort mit ihm in die Kiste zu steigen, hatte er bewirkt, dass Kai sich in ihn verliebt…
 

Tyson war fern von jeglichem normalen menschlichen Denken. Fern von allen, was schlecht und böse war. Kai schüttelte gequält den Kopf und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
 

Er durfte es einfach nicht zulassen, dass Brooklyn ihn nahm. Durfte es nicht zulassen, dass Brooklyn ihn brach. Er musste Tyson unter allen Umständen beschützen. Und dafür musste Tyson ihn hassen!
 

**^^**
 

Nach dem späten Frühstück hatte Tala Tyson in das Wohnzimmer des Hauses geführt. Eigentlich wollte er, dass Tyson sich wieder ins Bett legte, damit er sich besser erholen konnte, aber Tyson fühlte sich in keinster Weise Müde und wusste daher nicht, warum er sinnlos im Bett liegen sollte.
 

Deshalb hatte ihn Tala kurzerhand auf das Sofa verfrachtet und die Fernbedienung in die Hand gedrückt. Klamotten zum anziehen hatte er immer noch nicht. Auf seine Frage an Tala, wo denn diese seien, hatte dieser eingeschnappt reagiert und säuerlich gemeint, dass er nicht die Putzfrau für jedermann sei. Daraufhin hatte er sich vorgenommen nie mehr eine solche Frage an den Rothaarigen zu richten.
 

Während er durch die Programme schaltete, sah sich Tyson etwas skeptisch im Wohnzimmer um. Es herrschte zwar eine gewisse Ordnung und Sauberkeit, aber man sah dem Haus nicht nur von außen an, dass es mal eine Renovierung nötig hätte. Die Tapeten wirkten zehn Jahre alt und die Möbel hatten beim Neukauf bestimmt auch eine andere Farbe gehabt. Mal ganz davon abgesehen, war das Sofa, auf dem er gerade saß, total durchgesessen.
 

„Kai ist ein Einrichtungsmuffel und Tala tut aus Prinzip nichts für die Gemütlichkeit im Haus.“ Die Stimme ließ Tyson zusammenzucken. Sofort sah er zur anderen Seite des Zimmers aus der die Stimme kam.
 

Dort stand Ray. Er hatte ihn ja schon einmal kennen gelernt, als er Zutaten für Kai brachte, aber wirklich mit ihm geredet hatte er damals nicht. Seit wann stand der andere eigentlich schon im Raum. Ruhig wie eine Katze hatte er sich angeschlichen und sah den anderen jetzt mit Bernsteinaugen interessiert an.

„Hallo“, sagte er und hob die Hand.
 

„Guten Tag“, sagte Tyson etwas unsicher.

Ohne weitere Umschweife setzte sich Ray zu Tyson auf das Sofa und musterte ihn von oben bis unten. Tyson war das ein wenig unangenehm, aber er wagte es nicht, etwas zu sagen.

„Ich weiß schon, warum er dich mag“, sagte Ray dann und lächelte nett.

„Wer?“, fragte Tyson verdutzt.
 

„Na Kai!“

Tyson verzog das Gesicht und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Kai?“, fragte er kritisch. „Das einzige was Kai an mir mag ist mein Körper. Auf meinen Gefühlen hat er nur rumgetrampelt.“
 

„Das macht er ohnehin bei jeden“, winkte Ray ab und grabschte Tyson einfach die Fernbedienung aus der Hand und schaltete in ein Programm wo gerade eine Kochsendung lief. Interessiert richtete er den Blick darauf ohne den Japaner weiter zu beachten.
 

Nun war es Tyson der Ray von oben bis unten musterte, aber bevor er sich ein Urteil bilden konnte, beantwortete der schwarzhaarige schon die unausgesprochene Frage.
 

„Ich bin kein Vampir. Aber ein Vampirjäger.“ Dabei sah er nicht mal vom Fernseher auf. Tyson kam die ganze Situation so unwirklich vor.

Aber anstatt etwas zu sagen „Hm“te Tyson nur und Ray brach daraufhin in lautes Lachen aus.
 

„Du kannst Kai perfekt nachmachen“, sagte er lachend und Tyson wurde rot um die Nasenspitze als ihm wieder einfiel, das „Hm“ Kais Standartantwort auf alles Mögliche war.
 

„Kleiner Tipp“, sagte Ray dann und beugte sich vertrauensvoll zu Tyson. „Ich habe Kai noch nie in seinen solchen Gefühlschaos erlebt, wie von dem Tag an, als er dich das erste Mal getroffen hat. Ich habe mich zwar an seine kühle und arrogante Art gewöhnt, aber der Kai, mit verliebten Blick und eifersüchtigen Ausrastern, hat Tala und mich ganz schön amüsiert. Also, bleib dran.“
 

Und ohne eine weitere Erklärung stand er wieder auf und ging aus dem Zimmer. Danach hörte Tyson die Haustür. Er blieb ziemlich perplex zurück, aber irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Ray ihm gerade eine ganz wichtige Sache anvertraut hat.
 

**^^**
 

Es war schon dunkel als Kai wieder das Haus betrat. Er fühlte sich erschöpft, ausgelaugt und deprimiert und wollte nur noch unter die Dusche.

„Könntest du mir mal verraten, wo du dich den ganzen Tag lang rumgetrieben hast!“

Kai hatte gerade mal die erste Stufe der Treppe bestiegen, als er die erzürnte Stimme hinter sich hörte. Er machte sich gar nicht erst groß die Mühe sich umzudrehen, sondern antworte nur grimmig.
 

„Arbeiten.“

Er hätte Tala am liebsten ganz ohne Antwort stehen lassen und einfach so getan als hätte er nichts gehört, aber dann wäre der Andere ihm hinter her gegangen um ihn eine noch größere Standpauke zu halten.
 

„Sex ist nicht arbeiten, Kai!“, tadelte Tala weiter.

„Wieso denkst du, ich hatte Sex?“, wendete sich Kai nun doch um und schaute den Rothaarigen empört an. Dabei nahm er auch den Fuß wieder von der untersten Treppenstufe um zu zeigen, dass er nicht einfach klein beigeben und weghören würde, indem er den Raum verließ.
 

„Ist doch deine Standardablenkungsmethode“, erklärte Tala und sah, auch wenn er nur neben Kai stand und kein bisschen größer war als dieser, auf ihn hinab. „Wenn eine zweitätige Affäre endet, dann schläfst du in einer Nacht mit zwei Typen. Wenn wir einen besonders heftigen Streit haben, dann bleibst du gleich ein paar Tage lang in den Bars. Und wenn du wegen Tyson Kummer hast, schaust du mich mit diesem notgeilen Blick an. Nur weißt du ja inzwischen, dass ich, dich nicht mehr trösten werde.“
 

„Ich habe in der Stadt alle möglichen Vampirverstecke überprüft, in der Hoffnung zumindest einen Hinweis auf Brooklyn zu bekommen“, zischte Kai bedrohlich und funkelte dabei wütend mit den Augen. Tala spielte mal wieder den Moralapostel und das war wirklich das Letzte was er jetzt brauchte. „Nur leider konnte ich nichts herausfinden. Die Verstecke waren alle leer und niemand will etwas gesehen oder gehört haben.“
 

„Klar, Brooklyn sitzt auch bestimmt irgendwo in einer alten Lagerhalle“, höhnte Tala, „und wartet nur darauf, dass du vorbeikommst und ihn pfählst.“

„Es ist mir egal, ob er in einem Rattenloch oder in einer Villa hockt“, brauste Kai so heftig auf, dass sogar Tala die Augen erschrocken aufriss, „diese Bestie hat es diesmal eindeutig übertrieben und wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ist es ein für alle Mal aus mit ihm.“
 

Ohne auf Tala zu achten, der schon den Mund aufriss um etwas Erneutes zu sagen, stieg Kai die Treppe hoch, ging Schnurrstracks zu seinem Zimmer und riss die Tür auf.
 

„Waah!“

Kai blieb entsetzt in der Tür stehen als er Tysons Aufschrei hörte. Dieser drehte sich eilends mit den Rücken zur Tür und zog schnell den Reisverschluss seiner Hose hoch.

„Kannst du nicht anklopfen“, beschwerte er sich und langte nach seinem T-Shirt das auf Kais Bett lag.

„Soweit ich mich erinnere ist dies mein Zimmer“, sagte Kai mit ruhiger und ziemlich unterkühlter Stimme.
 

„Tala brachte mir meine Sachen und ich konnte mich nicht mehr erinnern, in welchen Zimmer ich heute Morgen war.“

„Nicht in diesen“, kommentierte Kai Tysons Dusseligkeit und ließ die Tür offen. „Das Gästezimmer ist gleich an der Treppe.“ Kai stand neben der Tür und wollte mit seiner unhöflichen Miene den anderen eigentlich heraus komplementieren. Dabei sah Kai auf den Boden und nicht auf Tysons entblößten Rücken.
 

Die nackte Haut zu sehen von diesen trainierten, aber nicht mit Muskeln übersäten Körper, weckte in ihn den Wunsch die weiche Haut zu streicheln und die Erhebungen mit den Fingerspitzen nachzufahren.
 

„Eins verstehe ich noch nicht bei euch Vampiren“, meinte Tyson und zog sich dabei sein T-Shirt über. Endlich wagte es Kai wieder in seine Richtung zu sehen. „Heißt es nicht immer, dass ihr im Sonnenlicht verbrennt. Ich habe dich aber oft genug im Sonnenschein gesehen.“ Dabei drehte sich Tyson um und schaute Kai fragend an.
 

„Das ist nur ein Mythos“, erklärte Kai sachlich. „Wir haben blasse Haut und jagen meistens in der Nacht, während wir Tagsüber schlafen. Ist ja auch logisch, dass wir nicht am helllichten Tag herumlaufen und Leuten in den Hals beißen. Wäre etwas zu auffällig. Deshalb haben sich die schwachsinnigen Geschichtenschreiber ausgedacht, dass wir keine Sonne vertragen. Alles nur Humbug.“
 

„Aha“, gab Tyson von sich. Er stand etwas verloren im Raum. Kai hielt immer noch die Türe offen um ihn damit unfreundlich zu zeigen, dass er verschwinden sollte, aber Tyson blieb im Raum und starrte Kai an. Dann machte er einen verschüchterten Eindruck, aber sah ihm immer noch in die Augen.
 

„Ich war heute Morgen nicht vor dir zurückgewichen, weil ich Angst vor dem hatte, was du warst“, erklärte er und wurde dabei rot um die Nasenspitzen. „Ich verurteile dich auch nicht, weil du ein Vampir bist. Du hast mir schließlich das Leben gerettet.“
 

„Ich glaube, du hast nicht ganz kapiert was es bedeutet, ein Vampir zu sein“, sagte Kai und schaute Tyson dabei misstrauisch an.

„Ich habe mich vor dir mal in die Hand geschnitten und dir die Hand sogar hin gehoben“, sagte Tyson und wurde jetzt auch ein wenig lauter. „Und du hast nichts getan! Du hast mich sogar – unfreundlich wie du nun mal bist – dazu aufgefordert die Wunde schnell zu versorgen.“
 

Kai brauchte einen Moment um sich wieder an die Situation zu erinnern. Aber dann wurde ihm klar was Tyson meinte.

Und dann wurde Tysons Blick härter und seine Stimme tiefer. „Aber das du mich abserviert hast, wie eine Hure. Das verzeihe ich dir nicht.“
 

„War’s das?“, fragte Kai. „Ich will jetzt allein sein, also verschwinde.“

Kai ging nun doch weg von der Tür und wollte nur noch ins Bad stürmen. Weg von Tyson und seinen Gefühlen. Auch den Schuldgefühlen. Doch als er an Tyson vorbeiging, ergriff dieser seinen Arm und hielt ihn energisch fest. Der Graublauhaarige fackelte aber nicht lang, sondern versuchte seinen Arm dem anderen zu entziehen, aber dieser hielt ihn eisern fest.
 

„Du hast mich nur so verletzt, weil du wolltest, dass ich dich hasse!“ Tyson sagte dies, trotz der Verzagtheit die in seiner Stimme mitschwang, mit eiserner Entschlossenheit. Kai erwiderte gequält den Blick aus den warmen braunen Augen. „Du dachtest, ich käme nicht damit klar was du bist und hast mich deshalb von dir gestoßen.“
 

„Das ist doch Schwachsinn, ich…“, versuchte sich Kai aus der Bredouille zu winden.

Du liebst mich doch!“, schrie Tyson auf einmal heraus. „Und ich liebe dich.“
 

Bei diesen Worten krampfte sich Kais Herz schmerzhaft zusammen. Alles in ihm schrie diesen Jungen zu umarmen, zu küssen und zu lieben. Bis ans Ende der Welt. ABER er MUSSTE widerstehen. ER MUSSTE!
 

„Ich habe dir Geld da gelassen, weil ich ständig Huren habe und nicht mehr unterscheiden kann, wer welches will und wer es ohne macht“, sagte Kai mit ruhiger, fester und eiskalter Stimme.

„Du bist ein mieser Lügner, Kai Hiwatari“, flüsterte Tyson und in seinen Augenwinkeln glitzerten Tränen.
 

Kai verzog schmerzhaft das Gesicht, packte Tyson an den Schultern, drängte ihn zurück aufs Bett und stieß ihn schließlich darauf. Tyson stieß einen erschreckten Laut aus und landete unbequem auf der weichen Matratze.
 

Aber bevor er handeln konnte, drückte ihn Kai schon an den Schultern auf das Lacken und beugte sich tief über ihn, dabei zwang er Tysons Beine mit seinen eigenen auseinander.
 

„Wenn du mir so unbedingt hinterherlaufen musst, bitte“, sagte er mit einer bedrohlichen Stimme, die Tyson verängstigt zu ihm hinaufsehen ließ. „Ich werde dich solange durchficken bis du endlich zufrieden bist. Vielleicht habe ich dann das glorreiche Glück, dass du endlich aus meinen Leben verschwindest.“
 

Dann packte er den Bund von Tysons Hose und wollte ihn diese gerade runter zerren, nicht achtend auf Tysons Aufschrei und die Hände, welche versuchten ihn wegzudrängen, aber bevor er zu weit ging, wurde Kai auch schon gepackt und eh er sich‘s versah, stieß er gegen die Wand. Tala hatte ihn von Tyson runter gerissen.
 

Tala sah zu Tyson, der ängstlich und mit schreckensstarren Augen auf dem Bett saß.

„Warte vor der Tür, Tyson“, sagte Tala mit ruhiger Stimme und Tyson rappelte sich ganz langsam auf und ging dann schnellen Schrittes zur Tür und ließ diese hinter sich zufallen.
 

„Warum tust du ihm das an?“, fragte Tala und sein strafender Blick spießte Kai auf. „Warum tust du dir das an?“, fragte er dann lauter.

„Das ist die einzige Lösung. Sonst wird Brooklyn…“
 

„Es geht hier nicht um Brooklyn“, schrie Tala auf. „Es geht um dich und deine beschissene Angst deine Gefühle für Tyson zuzulassen. Brooklyn schiebst du nur als Grund vor, damit du nicht dazu stehen musst ein emotionaler Krüppel zu sein. Wenn er nicht aufgetaucht wäre, dann würdest du mir jetzt einen andern bescheuerten Grund nennen.“
 

Kai wollte sich das nicht länger gefallen lassen und versuchte einfach an ihn vorbeimarschieren, doch Tala stellte sich mutig vor ihn hin.

„Mit jeden Mal, dass du Tysons wehtust, fügst du deiner Seele auch eine Narbe zu. Du hast sie nicht verloren, Kai! Sei dankbar und zerstör sie jetzt nicht mit deinen eigenen Händen. Sonst wirst du zu so einen Monster wie jene, die wir jagen.“
 

Tala warf ihn einen eindringlichen Blick aus seinen eiskalten blauen Augen zu. So kalt und ernst diese auch wirkten, erkannte Kai die Sorge um ihn darin. Der Rothaarige ging schließlich aus dem Raum.
 

Kai blieb zurück und fragte sich, ob er nicht längst zu einen noch schlimmeren Monster als Brooklyn geworden war. Doch bevor er zu sehr ins Grübeln kam, steckte Tala wieder den Kopf durch die Tür.

„Tyson ist weg!“
 


 


 


 

Ich muss leider zugeben, dass das Kapitel nicht so gut geworden ist, wie ich erhofft habe. Die ganze "Was ist ein Vampir"-Sache hätte viel ausfühlrlicher sein sollen und auch Kais Vergangen, wurde von mir einfach nur "batsch" dahingeklatsch. Nur leider habe ich das Kapitel geschrieben und erst am Ende gemerkt, wie mies es war. Aufgrund dessen, dass es shcon zu dem Zeitpunkt eine gewisse Länge hatte, die ich nicht vorgesehen habe, entschied ich mich, die offenen Fragen in späteren Kapitel zu klären, wo ich mehr Freiraum habe. Hoffentlich sind mir bis dahin noch treue Leser erhalten. Denn ich muss ehrlich sagen. Ich find das Kapitel recht katastrophal. Also: Sorry Leute T____T
 

Das einzige was ich versprechen kann. Das nächste Kapitel enthält wieder mehr guten Storyinhalt und nicht mehr allzu viel Erklärungsinhalt. Das heißt ein duseliger Tyson, ein cooler Kai und einen echt coolen Auftritt für Ray. Max hat auch wieder einen Auftritt. Nur Brooklyn wird jetzt etwas ruhen. Und natürlich werde ich auch erklären warum.

Die Guten, die Bösen, etc, etc

Frohe Weihnachten… für alle Leser die mir noch treu geblieben sind. Tja, ich habe es ja geahnt, dass ich seltener zum schreiben kommen, wenn ich erst im Praktikum bin und leider hatte ich recht. 4 Monate sind seit dem letzten Kapitel vergangen, dass heißt ich habe bei diesen doppelt so lange gebraucht wie bei den anderen.

Ganz dickes fettes sorry. Ich werde mich bemühen, dass Nächste wieder schneller hochzuladen, aber leider kann ich euch nichts versprechen. Seht dieses Kapitel als Weihnachtsgeschenk und ich hoffe es vertröstet euch ein bisschen bis zum nächsten.
 


 


 

„Hast du ihn gefunden?“

„Keine Spur.“

„Verdammt!“ Kai schlug sich mit der Faust gegen die Handinnenfläche.
 

Seit zwei Stunden suchten sie jetzt schon nach Tyson und hatten immer noch keine Spur von ihn. Nachdem Tala ins Zimmer zurück kam und ihm sagte, dass Tyson verschwunden war, lief es ihm eiskalt den Rücken runter.
 

Mal ganz davon abgesehen, dass Tyson immer noch durch den hohen Blutverlust total entkräftet war, könnte ihm Brooklyn oder zumindest einer seiner Gefolgsmänner immer noch auflauern.
 

„Glaubst du, Brooklyn könnte…“

„Auf keinen Fall“, sagte Kai sicher. „Er würde es nicht wagen bei uns aufzutauchen. Viel wahrscheinlicher ist, dass Tyson einfach zu dumm war aus dem Haus zu gehen.“
 

„Zu dumm?!“, höhnte Tala und fing sich damit einen fragenden Blick von Kai ein. „Ich will nur mal daran erinnern, wer versucht hat ihn zu vergewaltigen“, fügte der Rothaarige noch hinzu.
 

„Ich wollte ihn doch nicht vergewaltigen“, motzte Kai zurück. „Ich wollte ihn dazu bringen, Angst vor mir zu haben.“

„Das ist ja so viel besser.“
 

Kai bleckte die Zähne und wendete sich dann ab und suchte die Gegend mit seinen Augen ab. Sie lebten am Rande der Stadt. Deshalb gab es hier viele Freifelder und weniger Häuser.
 

So viele Möglichkeiten kann es nicht geben, wo Tyson hingegangen sein könnte. Er selbst war in die Richtung gelaufen, wo Tyson Haus lag und Tala in die andere. Trotzdem hatten sie ihn nicht gefunden, obwohl Tyson nur einen Vorsprung von 5 Minuten gehabt haben könnte.
 

„Also mir kommt das einfach zu komisch vor. Wir hätten ihn finden müssen“, meinte Tala sicher.

„Wahrscheinlich hat er sich derartig verlaufen, dass es fern von jeglichen menschlichen Denken liegt“, meinte Kai abfällig.
 

„Also so schusselig ist Tyson nun auch nicht, Kai“, sagte Tala tadelnd.

„Nur zur Info“, antwortete Kai gereizt. „Ich kenne Tyson besser als du. Bei dir musste er doch nur den Weg von der Bar zum Zimmer und von der Tür zum Bett und schließlich auf deinen Schoß finden.“
 

„Hei, die Reiterstellung hatten wir erst beim zweiten Mal. Beim ersten Mal…“

Kai stutzte und schaute Tala mit einem mörderischen Blick an.

„Wieso zweites Mal. Ich dachte, es war eine EINMALIGE Sache gewesen?“
 

„Öhm, nun ja, weißt du…“, fing Tala an zu stottern, aber Kais Blick wurde immer irrer. „Ach, was willst du, Kai? Dieser zierliche Körper, diese freudigen braunen Augen und das kecke Lächeln sind einfach scharf.“
 

Nun fing auch noch Kais Hand unwillkürlich an mit zucken und aus Talas schüchternem Blick wurde sofort ein selbstsicherer. „Was regst du dich überhaupt auf“, meinte er abfällig.
 

„Ich dachte, du würdest nichts von Tyson wollen und das er ohne dich besser dran wäre. Überlass ihn ruhig mir. Ich habe keinen Todfeind vor dem ich den sexy Japaner beschützen muss. Zudem bin ich im Bett sowieso erfahrener als du. Frag Tyson! Der hat mich regelrecht angebettelt es ihm zu besorgen, nachdem ich erst einmal angefangen hatte.“
 

**^^**
 

Tyson war nach Kais Attacke sofort aus dem Haus gestürmt. Nur vage hatte er mitbekommen was Tala überhaupt zu ihm gesagt hatte. Die Panik war in ihn hochgestiegen und er wollte nur noch weg.
 

Nachdem er aus dem Haus war, ist er einfach in eine Richtung gerannt ohne darauf zu achten, wo diese hinführte. Erst nach einer Viertelstunde wegrennen, hatte er sich wieder beruhigt und musste erst mal am Straßenrand Rast machen um sich wieder zu fangen. Er war völlig entkräftet auf den Bordstein gesunken und hatte schwer durchgeatmet. Ihm war kurz schwindlig gewesen und er hatte Angst sich zu übergeben.
 

Dann hatte er sich umgesehen und festgestellt, dass er überhaupt nicht wusste, wo er sich befand. Die Straße, die Häuser, die Menschen. Alles war fremd für ihn. Aus einer Erzählung wusste er noch, dass Kai am Stadtrand wohnte.
 

Hier hielt er sich normalerweise nie auf. Die Stadt war groß genug um auch niemals an Orte zu kommen, die im Grunde in dieser Stadt lagen. Er selbst wohnte schließlich auch in entgegengesetzter Richtung. Praktisch am andere Ende der Stadt.
 

Die nächste Person der er über den Weg lief, fragte er wie er zu sich nach Hause gelangen könnte. Die Frau, welche er gefragt hatte, schaute ihn entgeistert an und meinte, dass er lieber den Bus nehmen sollte anstatt zu laufen. Tyson hatte nur abgewinkt und gemeint, das Laufen würde ihm gut tun.
 

Okay, er hatte sowieso kein Geld dabei gehabt, denn er war ohne seine Tasche aus dem Haus gestürmt, aber im Grunde wollte er wirklich noch ein wenig über alles nachdenken und das an einen Ort wo er sich bewegen konnte. Zuhause hätte er zwar seine Ruhe gehabt, aber diese Ruhe bedeutete auch Einsamkeit und die war ihm gerade auch nicht recht.
 

Also hatte er sich den Weg beschreiben lassen und war schließlich losgegangen. Er war noch nie großartig im schätzen gewesen, aber diesmal hatte ihn diese Fähigkeit wirklich im Stich gelassen. Er hatte geglaubt zwei Stunden würde reichen um nach Hause zu kommen, aber inzwischen fing die dritte Stunde an und schlussendlich war er wenigstens in einen Stadtteil angekommen, den er kannte.
 

Ein paar Mal hatte er vielleicht die falsche Richtung eingeschlagen, oder war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht auf die Straßenschilder achtete, aber nun war es wenigstens nicht mehr weit. Und er war sich über einiges klarer geworden während der ganzen Zeit.
 

Zum einen glaubte er inzwischen nicht mehr daran, dass Kai wirklich vorgehabt hatte sich am ihm zu vergreifen. Er wollte ihn nur wieder Angst machen um ihn weg zu ekeln. Das wäre im Grunde jeden klar gewesen, aber seine schlechten Erinnerungen haben diese Erkenntnis nicht so schnell zugelassen. Jeder andere wäre wahrscheinlich nicht mal aus dem Haus gestürmt.
 

Aber ihm war auch klar geworden, dass er in diesem Haus hatte nicht länger bleiben wollen. Kai wollte keine Beziehung mit ihm und warum sollte er darum kämpfen?

Weil er ihn liebte!
 

Das war die zweite Erkenntnis, welche ihm wie ein Schlag getroffen hatte. Er liebte diesen Kerl wirklich und wollte mit ihm zusammen sein. Wenn er an Kai dachte, dann fing sein Herz wild an zu pochen.
 

Wenn er ihn sah, dann flatterten Schmetterlinge in seinem Bauch. Wenn er ihn berührte, spürte er sofort wohlige Wärme, die sich von seinen Herzen ausbreitete und wenn Kai ihn küsste, dann spürte er eindeutig das Verlangen in sich.
 

Fragte sich nur, ob diese Liebe so einfach war. Und ob er das wirklich wollte, wenn er mal das für und wider einer Beziehung mit Kai ab wägte.

Ein großes dagegen war natürlich die Tatsache, dass Kai ein Vampir war. Tyson glaubte kaum wie lächerlich sich das immer noch anhörte, wenn er es dachte. Vampire…
 

Metrosexuelle die auf blöd dreinblickende Brünette standen. Dass war das Bild, welches man sich in den letzten Jahren von Vampiren gemacht hatte. Nicht coole Typen, die eindeutig schwul waren, tausend Affären hatten und kein bisschen gruselig wirkten.
 

Kai wirkte im Grunde normal. Wenn man mal von der Nacht absah, wo er mit Brooklyn zusammengestoßen war. Brooklyn passte schon viel mehr in das Klischee der Vampire. Unheimlich, psychopathisch, mordgierig.
 

So stellte man sich Vampire vor. Umso weniger hatte ihm dessen Gestalt überrascht, aber Kai… Wenn er an die rotglühenden Augen und die Fangzähne dachte, lief ihn immer noch ein kalter Schauer über den Rücken, aber weniger aus Angst. Vor Kai hatte er keine Angst.
 

Wieso auch? Kai hatte ihn nie einem Grund dazu geliefert. Wochenlang war er bei ihm rumgehangen ohne ihn auch nur ein Haar zu krümmen. Er verspürte keinerlei Angst wenn er an den Russen dachte. Nur Scham und Trauer, wenn er sich erinnerte, was er ihm angetan hatte. Und das hätte jeder tun können der auch ein normaler Mensch war.
 

Endlich war Tyson bei sich zu Hause angekommen. Seine Füße taten weh, sein Kopf war leer und sein Magen ebenso. Außerdem fühlte er sich schwach und ausgelaugt. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits Abend war. Tyson schloss die Tür auf, mit dem Zweitschlüssel der unter einem Stein neben der Tür versteckt war, und schmiss Jacke und Schuhe achtlos in eine Ecke.
 

Dann schnappte er sich das Telefon im Gang, bewegte sich ins Wohnzimmer und lies sich auf die Couch fallen.

Er schloss die Augen und genoss erst einmal die Ruhe und Erholung. Dann tippte er eine Nummer am Telefon und hielt es sich ans Ohr. Ein paar Mal klingeln reichte und schon wurde abgenommen.
 

„Mizuhara!“

„Max, ich bin’s Tyson“, sprach Tyson müde ins Telefon.

„Tyson! Gott sei Dank! Wo warst du? Ich habe schon den ganzen Tag versucht dich zu erreichen.“ Aus Max‘ Stimme war eindeutig die Besorgnis zu hören, aber Tyson hatte sich schon überlegt wie viel er Max wirklich erzählen wollte. Er wusste nicht, ob es ausreichen würde um ihn zu beruhigen, aber auf jeden Fall würde die gesamte Wahrheit ihn in keinster Weise beruhigen.
 

„Ich… ich war bei Kai“, antwortete Tyson wahrheitsgemäß.

„Kai?“, kam es ungläubig von Max und Tyson konnte förmlich das Stirnrunzeln hören. „Wieso warst du bei Freier Kai?“
 

„Das war mehr Zufall.“ Ein irrer Vampir hat mich gebissen, weil er Kai ärgern wollte und Kai hat mir einen Trank eingeflößt um mich zu retten. „Wichtiger ist, dass ich nun weiß, dass Kai mir absichtlich wehgetan hat.“
 

„Klar, der Zettel war bestimmt noch von Kane übrig und das Geld ist nur ausversehen aus seiner Tasche gefallen. Da konnte man sicher vermuten, es sei keine Absicht gewesen“, höhnte Max. Hohn war wirklich etwas Seltenes bei Max. Dass er nun so reagierte bewies die tiefe Freundschaft zu Tyson. Er ließ kein gutes Haar an dem, der ihn gequält hatte.
 

Tyson seufzte und setzte sich auf. „Versteh doch, Max. Kai wollte mit Absicht, dass ich ihn hasse. Weil er mich beschützen wollte.“

Es kam keine Antwort von Max. So, meinte Tyson, hörte sich das Ganze auch etwas komisch an. Kais Art zu denken war einfach nicht nachvollziehbar.

„Ich kapier‘s nicht“, kam nach einer schieren Ewigkeit schließlich Max’ Antwort.

Nun musste sich Tyson die Worte wirklich gut zurechtlegen.
 

Er konnte Max auch einfach gar nichts erzählen, aber irgendjemanden zum reden brauchte er im Moment einfach.
 

„Kai… er hat ein unschönes Geheimnis. Wobei… so unschön ist es nicht… nur etwas kompliziert… und…“

„Oh nein!“, kam es geschockt von Max. „Ich wusste doch, dass er verheiratet ist.“

„Was???!“, schrie Tyson empört ins Telefon. „So etwas meinte ich doch gar nicht“, und dann legte er empört hinterher, „wie kommst du überhaupt auf so einen absurden Gedanken? Das macht doch keinerlei Sinn.“
 

„Was ist es denn dann?“, fragte Max.

„Es… es hat etwas mit seiner Vergangenheit zu tun“, stammelte Tyson zusammen.

„Ist er ein Nachkomme von Stalin?“
 

Tyson unterdrückte gerade stark den Drang seinen Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Max‘ Vermutungen war sowas von Schwachsinnig. Er hatte ja schon immer gewusst, dass der Blondschopf Amerikanische Wurzeln hatte und deshalb zu unwahrscheinlichen Hollywood-reifen Geschichten neigte, aber das war zu viel des Guten.
 

„Es ist nichts dergleichen, Max!“, schrie Tyson aufgebracht ins Telefon. „Er ist nur eine etwas kompliziertere Art von Mensch, mit Gefühlskrüppelartigen Ausfällen und abartigen Freunden.“
 

„Ich weiß nicht, ob ich dir ganz folgen kann, Ty-chan.“

„So geht es mir im Moment auch mit dir“, antwortete Tyson säuerlich.

„Aber ich weiß, dass du wegen Kai einiges durchgemacht hast“, sagte er dann ein wenig ernster. „Willst du seine merkwürdige Herkunft wirklich als Entschuldigung für das nehmen, was er dir angetan hat?“
 

Tyson spürte einen Stich in seinen Herzen. So unrecht hatte Max mit dieser Behauptung nicht.
 

„Du hast mit Kane schon genug mitgemacht“, erklärte Max, „und Kai ist nicht der einzige gutaussehende Mann auf diesen Planeten. Willst du wirklich nochmal so eine Beziehung durchmachen, anstatt einfach noch etwas zu warten?“

„Und wenn ich dir sage, dass ich ihn liebe?“

Eine kurze Pause trat ein, doch dann.
 

„Das Gleiche hast du auch zu mir gesagt, nachdem Kane dir… du weißt schon was… angetan hat.“

Tyson konnte nicht wiedersprechen. Konnte keine bessere Erklärung finden.
 

„Dieses Mal ist es anders“, versucht er zu erklären. „Ich weiß, dass Kai mir niemals wehtun würde wegen irgendwelchen paranoiden Wahnvorstellungen.“

Er hörte das Seufzen am anderen Ende der Leitung, wusste dass der Blondschopf es nur gut mit ihm meinte und ihn dieses Mal nicht so aufgeben und ihn den Rücken zukehren würde wie er es damals gemacht hatte, aber dennoch…
 

„Soll ich vorbeikommen?“, fragte Max. „Dann reden wir in Ruhe.“

„Nein“, sagte Tyson ehrlich. „Lassen wir erst einmal alles sacken. Morgen können wir dann reden.“

„Okay.“
 

Tyson drückte ohne ein „Auf Wiedersehen“ auf den Aus-Knopf. Max‘ Worte hatten in ihn wieder Zweifel aufkommen lassen. Wie weit durfte er Liebe gehen lassen? Und ab wann war es keine Liebe mehr?
 

Er war müde, erschöpft und fühlte sich ausgelaugt. Das war einfach zu viel für einen Tag. Zu viele Informationen und zu viel Gefühlschaos. Ein kleiner Snack, ein warmes Bad und dann das Bett. Er brauchte Ruhe und eine traumlose Nacht um wieder zu Kräften zu kommen.
 

Er ließ das Telefon im Wohnzimmer zurück und schlurfte in die Küche. Er holte sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und wollte gerade nach einem Glas langen, als er stoppte. Er stellte die Flasche ab und ging auf den Tisch in der Mitte der Küche zu.
 

Skeptisch langte er nach dem Glas, welches darauf stand. Er konnte sich nicht erinnern, es dort stehen gelassen zu haben. Ein Blick zurück auf die Wasserflasche verriet ihn auch, dass sie um einiges leerer war als gestern, als er aus dem Haus zur Arbeit gegangen war.

„Was zum Teufel…“
 

Gerade noch im richtigen Moment schalteten sich Tysons Alarmglocken ein und er machte einen Ausfallschritt nach links um der Faust zu entgehen, die nur knapp an seiner Wange entlang schleifte. Er knallte gegen die Theke, ließ den Schmerz aber nicht zu und starrte stattdessen seinen Angreifer an.
 

„Aha, gute Reflexe“, sagte eine Stimme neben ihn. Sein Angreifer war ein junger Mann, ungefähr in seinem Alter. Er hatte Lila Haar und in der Mitte war es rot. Seine grünen Augen wirkten hypnotisierend. Seine Lippen waren zu einen schmalen Lächeln verzogen. Tyson starrte ihn erstaunt an.
 

Er zog seine Faust zurück und lies die Knochen knacksen.

„Es wäre nett, wenn du ohne größere Umstände mit mir kommen würdest“, sagte er mit einer ruhigen Stimme und schaute Tyson dabei tief in die Augen.

Tyson erholte sich langsam von seinen Schock über den plötzlichen Angriff, blieb aber in seiner Habachtstellung als er antwortete.
 

„Dürfte ich mal nachfragen, wer du bist und was du von mir willst?!“ Und dann fügte er noch aufgebrachter hinzu. „Und wie kannst du es wagen in mein Haus zu einzubrechen!?“
 

Sein Gegenüber zeigte nur ein ruhiges Grinsen und legte den Kopf leicht schief. „Was ich will habe ich dir schon gesagt. In dein Haus zu kommen war einfach und nötig. Und mein Name ist Ozuma.“
 

Tyson verengte die Augen. Irgendwie kam und ging jeder durch sein Haus, als wäre es ein Hotel.

„Ich komme bestimmt nicht mit jemand mit, der einfach bei mir einbricht und mich dann auch noch hinterrücks angreift.“
 

„Ich wünschte, wir könnten es einfacher machen“, sagte Ozuma und zuckte mit den Schultern. „Hübschen Jungen tue ich nur ungern weh.“

Tyson spürte wie Blut in seine Wangen kroch, doch er würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen wegen eines blöden Ausspruches.
 

„Na, wenn es nicht anders geht“, lächelte Ozuma und man sah eindeutig wie er seine Muskeln anspannte. Tyson machte sich bereit.

Mit einem Satz sprang Ozuma nach vorne und auch wenn Tyson schon länger mit angespanntem Körper dagestanden hatte, konnte er nur knapp entkommen.
 

Ein weiterer Ausfallschritt und Ozumas Faust bohrte sich in die Tischplatte. In Tyson zog sich alles zusammen als er die Delle sah, welche Ozumas Faust hinterlassen hatte. Auch hierbei handelte es sich nicht um einen normalen Schläger.
 

Doch viel Zeit blieb ihm nicht zum geschockt sein. Ozuma holte schon zum nächsten Schlag aus und weil er sich noch immer im Schwung vom letzten Mal befand, blieb Tyson keine Zeit zum Ausweichen.
 

Er musste den Schlag mit seinen Unterarm abblocken. Als Ozumas Faust auf seinen Ellbogen traf, hatte er das Gefühl, der andere hätte mit einen Eisenschläger zugeschlagen.
 

Tyson torkelte zurück und musste auch die nächsten Schläge mit seinen Armen abwehren. Wenn er nicht schon von klein auf Kendo gemacht hätte und es somit gewohnt war Schläge zu ertragen, dann hätte er dies niemals so lange durchgehalten.
 

Irgendwann erkannte er eine Lücke in den Schlägen und diese nutzte er aus. Er griff nach Ozumas Arm zog ihn zu sich heran und rammte ihm sein Knie in den Magen. Ozuma ächzte auf und torkelte zurück.
 

Das hatte gesessen, aber bevor Tyson nun fliehen oder weiter zurückschlagen konnte, richtete sich Ozuma schon wieder auf, als wäre eben nichts gewesen. Tyson wollte sich für die nächste Runde bereit machen, aber dann fühlte er plötzlich wie man ihm im Genick packte.
 

Nur vorbeiziehend nahm er eine weitere Gestalt wahr, dann wurde sein Kopf schon nach unten geschleudert und er spürte seine Schläfe auf der Arbeitsplatte aufschlagen. Dann überkam ihm der Schmerz und alles wurde schwarz.
 

**^^**
 

Tyson kam nur langsam wieder zu Bewusstsein. Als erstes fühlte er nur den pochenden Schmerz in seinem Kopf. Er brauchte lange, bis er auch etwas anderes wahrnahm. Seine Arme taten weh als würden sie überstrengt. Sein gesamter Körper fühlte sich schwer an, aber nicht so schwer, wie wenn er liegt und müde ist.
 

Die Kopfschmerzen waren wirklich nicht schön, und er brauchte lange bis er soweit zur Besinnung kam um endlich daran zu denken die Augen zu öffnen.

Zuerst sah er alles nur verschwommen. Er schaute aus einer merkwürdigen Perspektive auf einen kahlen kalten Boden. Er kniff die Augen nochmal fest zusammen und öffnete sie dann wieder.
 

Immer noch sah er von oben auf den Boden herab und als er den Blick dann schlussendlich hob und auf jemanden vor sich blickte war er mit einem Schlag wach und erkannte nun die Situation in der er sich befand. Sofort richtete sich sein Blick nach oben.
 

Seine Hände wurden über seinen Kopf gezogen und von einer Kette, welche über einer Strebe an der Decke hing, gehalten. Sofort sah er wieder vor sich auf die Person, die ihn interessiert musterte.
 

„Was habt ihr mit mir vor?“, fragte er mit gereizter Stimme. „Und wo habt ihr mich überhaupt hingebracht.“

Ozuma grinste ihn an und steckte lässig die Hände in die Hosentaschen.
 

„Verzeih bitte die Grobheit meines Partners“, sagte Ozuma ohne auf seine Fragen einzugehen. Dabei sah er nach hinten. Dort war ein großes Tor und daran lehnte ein grobschlächtiger Mann mit blonden Haaren, gebräunter Haut und einem Kopftuch. Er starrte Finster in Tysons Richtung und aus seinen Augen war Verachtung zu lesen.
 

Ozuma kam nun ganz nah an ihn ran und lehnte sich vertrauensvoll zu seinem Ohr hinunter. Tyson versuchte ihm zu entkommen, aber an die Decke gefesselt fiel ihm das recht schwer. Seine Beine berührten den Boden gerade noch so.
 

„Ich wollte dich ja auf humane Weise überreden mit uns zu kommen“, flüsterte er Tyson ins Ohr. „Aber er musste ja gleich wieder zu schlagen. Wenigstens hat er dein schönes Gesicht verschont.“
 

Dann beugte sich Ozuma noch weiter zu Tyson und ohne dass es der andere bemerkte, leckte er ihm über die Wange. Angewidert drehte Tyson sein Gesicht weg.

„Wir haben ein paar Fragen an dich“, sagte Ozuma dann lauter und ernster. Er ging wieder etwas weiter weg von Tyson und stellte sich breitbeinig vor ihm hin.
 

„Wir sind Mitglieder des Ordens der Avatar.“

„Ich wurde von einer Sekte gekidnappt?“, fragte Tyson überrascht.

„Wir sind doch keine religiösen Spinner“, meinte der andere empört und schaute Tyson überrascht an. Anscheinend konnte er sich nicht erklären, warum der Blauhaarige nichts von ihrem Orden wusste. „Du musst uns doch kennen.“
 

„Oh Entschuldigung“, höhnte Tyson verächtlich. „Bei all den Mist und okkulten Scheiß mit dem ich seit gestern zu tun habe, weiß ich doch nicht mehr auswendig was es alles gibt und was nur Fantasie von irgendwelchen Buchschreibern ist.“

„Wir sind Vampirjäger.“
 

„Vampirjäger“, stieß Tyson verächtlich aus. „Ich treffe mehr Jäger als Vampire. Irgendwie glaube ich, dass das Verhältnis nicht richtig stimmt. Mir tun ja schon fast die Vampire leid.“

Der grobschlächtige Kerl am Tor stieß sich ab und knackte gefährlich mit den Fäusten, während er näher auf sie zuging.
 

Ozuma streckte aber den Arm aus und sah ihn finster an. Der andere schien kurz zu überlegen, aber ging dann wieder zum Tor und lehnte sich dagegen. Dabei sah er in eine andere Richtung.
 

Der Kerl war doppelt so groß wie der Lila-rot-Haarige und dennoch schien ein Blick zu reichen um ihn zur Ruhe zur bringen. Tyson wurde ganz mulmig als er sich wieder der kurzen Distanz zwischen ihnen bewusst war.
 

„Genau darum geht es nun auch“, erklärte Ozuma wieder an ihn gewandt. „Um deine freundschaftliche Beziehung zu einem Vampir.“

„Mich hat gestern ein Vampir gebissen!“, empörte er sich. „Das kannst du doch unmöglich freundschaftlich nennen.“
 

„Ich rede nicht von Brooklyn, dem Berserker“, sagte Ozuma und schaute Tyson dabei intensiv in die Augen. „Mir geht es um die Missgeburt Kai.“

Tyson lief es eiskalt den Rücken runter. In ihm empörte sich etwas bei dem Wort „Missgeburt“, aber er blieb hart und sah Ozuma starr in die Augen.

„Kenn ich nicht.“
 

„Rede keinen Unsinn.“ Ozuma kam seinem Gesicht noch näher. „Unsere Informanten haben uns erzählt, du hättest schon öfters mit ihm Kontakt gehabt. Du kannst uns sicherlich Informationen über ihn geben.“
 

Tyson spürte instinktiv, dass er diesen Typen nichts sagen durfte. Es war nicht nur ihre brutale Art ihn zu verschleppen, oder die Art wie sie arrogant auf ihn herab redeten. Von ihnen ging eine Aura aus, die ihm sagte, dass sie gefährlich waren. Für Mensch und Vampir, egal wie unschuldig und gut jemand war.

„Kannst du ihn mir vielleicht beschreiben“, sagte Tyson und sah nun desinteressiert in eine andere Richtung. „Mit dem Namen kann ich nichts anfangen.“

„Du weißt schon, wen ich meine.“
 

„Ich kenne so einen Kerl“, sagte Tyson und sah wieder nach vorne. „Könnte Kai heißen. Vielleicht auch Tai. Der taucht öfters in der Bar auf in der ich arbeite und baggert mich an. Aber mich lässt das völlig kalt.“
 

„Wem willst du das weiß machen?“, grinste ihn Ozuma an und dann bekam er etwas Bösartiges in seinen Blick. „Wir wollen ein paar Information über Kai von dir. Und du wirst sie uns auch ganz gewiss geben.“
 

„Ich kann euch schlecht Auskunft über jemanden geben, den ich nicht kenne“, brauste Tyson auf und versuchte so überzeugend wie möglich zu wirken. Auch wenn diese Kerle hier auch Vampirjäger zu sein schienen, so waren sie bestimmt keine Freunde von Kai. Und Kai war schließlich schlussendlich ein Vampir.
 

Was wenn diese Kerle hier vor ihm keinen Unterschied machten zwischen guten und bösen Vampir. Wobei er sich auch gleich fragte, ob es außer Tala und Kai auch noch andere gute Vampire gab. Und gleich darauf stellte sich ihm die Frage, ob er Kai als gut bezeichnen konnte.
 

Tala war auf jeden Fall kein Engel.

„Ich kenne keinen Kai!“ Tyson legte so viel Zuversicht in diesen Satz wie er konnte; von der Decke hängend und völlig hilflos zwei Schlägern ausgeliefert.

„Es reicht auch schon sein Unterschlupf“, sagte Ozuma und zog dabei die Schultern hoch. Sein Blick war wieder etwas sanfter geworden, aber dieses eisige Etwas spürte Tyson immer noch darin.
 

„Sprech ich russisch?“, spottete Tyson.

Ozuma seufzte resigniert und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich dem anderen zu und nickte ihm zu. Der andere schubste sich daraufhin von der Wand ab und kam auf Tyson zu. Ozuma ging zu einem Tisch, der Tyson erst jetzt auffiel. Ihm wurde auf einmal ganz anders, als er den Blick über den Tisch wandern lies.
 

Darauf lagen verschiedene Peitschen, ein paar unschöne spitze Instrument, ein Brenner und etwas das aussah wie ein Brenneisen, womit man normalerweises Vieh kennzeichnete.
 

Ozuma nahm das Eisen in die Hand und begutachtete es. Der Buchstabe an der Spitze war ein „A“. Es sah aus, als wäre es schon einige Male benutzt worden.

„Eine Schande deine schöne Haut zu ruinieren. Aber du wurdest nun einmal gebissen“, seufzte Ozuma und legte zu Tysons Beruhigung das Eisen erst einmal wieder weg, aber nur um nach einer langen Lederpeitsche zu langen.
 

„Du bist nun entwertet und es somit nicht mehr wert unbefleckt umherzulaufen“, sein Blick wanderte zurück zu Tyson. „So was wie dich bezeichnen wir als menschlichen Abfall.“
 

In diesem Moment spürte Tyson wie der Andere von hinten an sein T-Shirt griff. Er hatte gar nicht bemerkt, wie er hinter ihn getreten war. Doch dann wurde auch schon an seinen Shirt gezerrt und es riss.
 

Die Fetzen fielen von seinen Schultern und legten seinen Oberkörper frei. Tyson sah geschockt auf seinen freien Oberkörper und dann wieder nach vorne wo jetzt Ozuma stand. Er klatschte mit der Peitsche gegen seine Handfläche.
 

„Mal sehen, wie lange es braucht, bis du gesprächig wirst.“

Tyson spürte wie das Blut aus seinem Gesicht wich. Das meinte er doch nicht ernst!? Wollten sie ihn etwa foltern, bis er ihnen alles sagte, was er wusste?
 

Ozuma holte nun mit der Peitsche aus, Tyson kniff die Augen zusammen, doch anstatt dem Schnellen der Peitsche, hörte er einen lauten Knall und schließlich einen Aufschrei. Er öffnete die Augen wieder und sah wie Ozuma nach hinten fiel, die eine Hand an sein Schlüsselbein gepresst.
 

Der Grobschlächtige Kerl wirbelte sofort herum und konnte gerade noch die Waffe aus der Hand des Angreifers schlagen, bevor sie auch auf ihm einen Schuss abgeben konnte.
 

Ray zischte auf als ihm die Waffe aus der Hand geschlagen wurde, aber er konnte den Schlag der gegen ihn gegangen war mühelos aufhalten und er setzte auch sofort mit einen Tritt in die Magengegend des Anderen hinterher.
 

Tyson wunderte sich über Rays plötzliches Auftauchen. Er sah zur Seite und konnte im Dunkel der Halle gerade noch die offene Tür erkennen. Auf diese Weise hatte sich Ray unbemerkt im Schatten anschleichen können.
 

Wieder nach vorne gewandt sah er den Kampf der beiden. Der Größere war Ray in Stärke sicherlich überlegen, aber Ray war flinker und als er sich unter einen Schlag wegduckte und gleich darauf einen weiteren Schlag in die Magengegend landete, spuckte der Große Kerl aus, aber das reichte dem Chinesen noch nicht.
 

Er setzte sofort hinterher und verpasste ihn von unten auch noch einem Kinnhacken. Die Augen drehten sich nach oben und schlussendlich sackte der Andere zusammen. Verächtlich schaute Ray auf ihn herab. Seine Goldenen Augen waren Schlitze.
 

Und als sich Ray kurz mit dem Rücken zu ihm drehte, um in der Halle noch nach weiteren Leuten Ausschau zu halten und Tyson somit seine Kehrseite erkannte, wurde ihm auch klar, warum ihm Ray damals so bekannt vorgekommen war. Alles ergab einen Sinn. Ray war es damals gewesen, der an ihn vorbeigerannt war in der Nacht, in der er Kai traf.
 

Ray warf einen Blick auf Tyson und schritt dann ohne ein Wort zu sagen auf Ozuma zu. Dabei hob er auch seine Waffe vom Boden auf. Ozuma versuchte sich gerade unter Schmerzen aufzurichten, doch als Ray bei ihm war drückte er ihn mit einen Fuß auf die Wunde wieder runter. Ozuma biss die Zähne zusammen. Das musste sicherlich sehr wehtun.
 

„Ihr werdet den Jungen niemals wieder anrühren“, sagte der Chinese mit dunkler Stimme und entsicherte dabei seine Waffe. „Ansonsten ziele ich das nächste Mal auf deinen Kopf.“
 

Zur Warnung gab Ray noch einen Schuss ab und Tyson blieb das Herz stehen. Doch neben Ozumas Kopf war nur ein Loch zu sehen. Ozumas Gesicht war eine vor Hassverzehrte Maske. Die Einschüchterung schien ihn wenig auszumachen.

Dann holte Ray mit der Waffe aus und verpasste ihm damit einen Schlag gegen den Kopf. Er fiel ohnmächtig nach hinten.
 

Ray beugte sich zu ihm herunter und holte einen Schlüssel aus einer Tasche, dann kam er endlich auf Tyson zu und sah ihn mit Besorgnis an.

„Tut mir leid, ich konnte nicht schneller sein“, sagte er entschuldigend und öffnete mit den Schlüssel die Ketten die Tyson hielten. Tyson fiel nach vorne als ihn nichts mehr hielt.
 

Ray fing ihn sanft auf. „Ich wusste nur, dass sie dich wahrscheinlich in eine leere Halle gebracht haben, aber davon gibt es ja leider genug.“

„Nicht so schlimm“, sagte Tyson beruhigend und versuchte von alleine zu stehen, was aber nicht so einfach war. Dadurch, dass er den Boden kaum berührt hatte während er an der Decke gehangen war, waren seine Fersen überspannt. „Bisher ist nichts passiert.“
 

Ray half Tyson noch ein wenig beim Aufrechtstehen und sah dabei ernst in seine Augen.

„Ich könnte Kai umbringen, dass er nicht daran gedacht hat, dass sie hinter dir her sein werden.“

„Ich hatte heute schon genug Informationen, deshalb frage ich jetzt nicht, wer diese Typen überhaupt sind“, meinte Tyson schwermütig und war dankbar dafür, dass Ray ihn immer noch hielt.
 

**^^**
 

Währenddessen schritt ein großgewachsener Vampir mit grausilbernen Haaren, an einen ganz anderen Ort, in einen Raum. Er sah sich um und schüttelte genervt den Kopf.

„Ich bring dir Essen zur Heilung und nicht zum spielen.“
 

Brooklyn sah auf und schenkte ihn nur einen bösen Blick, danach fing er wieder an am Arm seines Opfers zu knabbern. Nur langsam und gemächlich saugte er das Blut aus der Pulsader am Gelenk, während das junge Mädchen in seinen Armen vor sich hin schluchzte.
 

„Hast du endlich sinnvolle Informationen“, fragte Brooklyn und leckte ein Rinnsal Blut auf, das am Arm herunterlief.

„Der Junge bleibt dabei. Eine Affäre!“, sagte der Silberhaarige und sah geringschätzend auf das Mädchen das Hilfesuchend seine Augen auf ihn richtete.
 

Brooklyn hörte auf das Blut des Mädchens zu saugen. Er sah sie angewidert an, dann umfasste er mit einer Hand ihren Hals, brach ihr das Genick, und schmiss den toten Körper einfach weg.

„Bring mir das nächste Mal eine Jungfrau“, sagte er zum Anderen.
 

„Ich bring dir gar nichts mehr, wenn du die Sache nicht endlich ernst nimmst. Kai hätte dich beinahe getötet“, bekam er zur Antwort. „Er war nur eine Affäre. Du hast ihn gebissen, Kai hat ihn gerettet. Können wir jetzt fortfahren.“
 

„Er hat nicht geschmeckt, wie eine Hure“, sagte Brooklyn und lehnte sich zurück. „Zu unschuldig für eine Hure, aber zu süß für eine Affäre. Er war sehr lecker.“

Genießerisch lehnte er sich zurück und erinnerte sich voller Wonne an das Blut, welches er Tyson ausgesaugt hatte.
 

Dann legte er die Hand auf seinen Bauch und konnte spüren wie die Wunde, die Kai ihm zugefügt hatte, langsam heilte. Es würde noch dauern bis er wieder voll genesen war.
 

„Ich kann versuchen, ihn persönlich zu verhören“, schlug der Andere vor und leckte sich dabei genießerisch über die Lippen. Wenn er seinem Anführer glauben konnte, dann war der kleine Japaner bestimmt eine Köstlichkeit.

Brooklyn überlegte und strich sich dabei über das Kinn.
 

„Tu das“, sagte er schließlich. „Wenn er wirklich nicht mehr als ein Betthäschen sein sollte, dann schenk ich ihn dir sogar.“

„Und wenn nicht?“
 

Brooklyn bekam ein böses funkeln in seinen Augen und sein Mund verzerrte sich zu einem irren Grinsen.

„Begingen wir mit Runde 2!“
 


 

Ähm, was lässt sich zu diesem Kapitel sagen. Das gleiche wie zu den letzten zweien. Ich habe die Szenen schon ewig im Kopf gehabt, aber als es zum schreiben kam, waren sie einfach weg. Ich hoffe es war ertragbar.

Noch zu Ozuma: Glaubt mir, ich hatte die Idee ihn zu nehmen, erst in den Moment wo ich den Satz schrieb. Davor habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht und als es dann darum ging die Person zu beschreiben, dachte ich mir. Nimm Ozuma, der passt in die Rolle. Auch die Idee, dass er Tyson anmacht kam mir erst beim schreiben. Ich hoffe nur, es war eine gute Spontanidee.

Ich wünsch euch dann noch besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr ^^

Wertlose Menschen

Ja, ich weiß. Ich bin furchtbar und habe ne halbe Ewigkeit für deas neue Kapitel gebraucht. Aber nun ist es da,k un dnach ein bisschen Überarbeitung entspricht es auch genau meinen vorstellungen. Okay, ich muss zugeben, es hätte ein bisschen mehr drin vorkommen sollen, aber im großen und ganzen bin ich zufrieden und ich hoffe ihre auch ^^
 


 


 

Nachdem er den Anruf von Ray erhalten hatte war Kai sofort zu dessen Wohnung losgestürmt. Noch während er über die Dächer der Innenstadt sprang, spielten sich in seinen Kopf die schlimmsten Szenarien ab.
 

Tyson voller Wunden, Tyson entstellt, Tyson auf ewig traumatisiert, und und und…

Der Orden der Avatar… Er war froh gewesen, Tyson vor Brooklyn gerettet zu haben und dann war er besorgt gewesen, weil er trotz des hohen Blutverlustes weg gelaufen war.
 

Hinzu kamen seine eigenen Gefühle von denen Tyson wusste und die er sich einfach nicht vor dem selbigen eingestehen wollte. Sein ganzes Dasein drehte sich im Moment nur um die Angst Brooklyn könnte Tyson noch viel Schlimmeres antun. Wie konnte er dies riskieren indem er ihn gestand, dass er ihn über alles liebte?!
 

Brooklyn hatte schon bei Tala bewiesen, was mit Menschen passierte, die Kai zu nahe kamen. Das blutgetränkte Lacken, der kalte Körper in seinen Armen, die ängstlichen Zurückweichungen.
 

Tala hatte wie er gelernt, seine wahren Gefühle unter einer dicken Schicht aus Gelassenheit und Gleichgültigkeit zu vergraben, aber die Wunden die Brooklyn ihm seelisch zugefügt hatte, waren trotzdem noch lange sichtbar gewesen.
 

Tyson war da anders. Er war fröhlich, ausgelassen und offen. Sollte er ihm in die Hände fallen, würde dieses Monster alles zerstören, was Kai an ihn liebte. Das durfte auf keinen Fall geschehen!
 

Dann endlich bei Rays Wohnung angekommen, stieß er die Tür mit voller Wucht auf. Weil aber dennoch abgeschlossen war, gab es einen lauten Knall und das Schloss der Tür war hinüber.

„Wo ist er?“, rief Kai sofort in den Raum und Ray stürmte mit schreckensstarren Augen aus der Küche.
 

„Was hast du mit meiner Tür gemacht?!“, sagte er empört und schaute auf eben genannte Tür, welche Kai hinter sich zufallen lies, die aber gleich wieder einen Spalt weit aufging, weil das Schloss kaputt war.
 

„Oh, `tschuldigung“, murmelte Kai und schaute sich sofort in der Wohnung um. Er stand mitten im Wohnzimmer. Auf dem Sofa lagen eine Decke und ein Kissen, diese schienen aber noch nicht benutzt worden zu sein. Sein Blick ging wieder zu Ray, der ihn inzwischen entrüstet ansah.
 

„Deine Sorge in allen Ehren, aber das“, dabei zeigte Ray auf die nicht mehr schließbare Tür, „hätte echt nicht sein müssen.“

Kai sah hinter sich und versuchte ein weiteres Mal die Türe wieder endgültig zu schließen, aber mit einen Quietschen glitt sie wieder einen Spalt breit auf. Daraufhin versuchte er es erneut und schob gleichzeitig einen kleinen Stelltisch neben der Tür davor. Geschlossen war anders, aber wenigstens blieb die Türe nun zu.
 

Ray stöhnte genervt und nickte mit dem Kopf zu einer Tür zu seiner Rechten.

„Er schläft bereits.“

Sofort ging Kai schnellen Schrittes auf die Türe zu und öffnete diese.

Das Zimmer war mit Vorhängen zugezogen, aber durch den Lichtschimmer der durch die Tür fiel sah man einen Jungen friedlich schlafen.
 

Durch seine Vampiraugen konnte Kai im dunklen genauso gut sehen wie im hellen Licht. Daher erkannte er sofort die mit einem Pflaster provisorisch verarztete Platzwunde am Kopf und die eingekringelte Lage in der Tyson schlief.
 

Ohne lange zu fackeln trat er in den Raum, ging zum Bett und schob seine Hände unter Tysons Körper um ihn hochzuheben, doch auf einmal war Ray neben ihn und versuchte seine Hände zurückzuziehen.
 

„Was soll denn das?“, zischte Ray ihm zu.

„Er kommt wieder zu mir! Oder was denkst du?“, sagte Kai laut und deutlich und versuchte Rays Hände wegzudrücken, die seine immer noch festhielten. „Er ist bei mir tausendmal sicherer als bei dir.“

Mit einen Knurren und einem ordentlich Kraftaufwand schaffte es Ray Kai aus dem Raum zu zerren und die Türe wieder zu schließen.
 

„Sicherer?“, höhnte Ray nachdem er Kai ein paar Meter von der Tür weggeschubst hat. „Sicher ist es bei dir nur, wenn du nicht wieder versuchst ihn Angst zu machen. Das hat ihn nämlich einen größeren Schock versetzt als alle Ereignisse der letzten Tage zusammen.“
 

„Woher willst du das wissen?“, fragte Kai überheblich. Er ließ seinen Blick wieder zur Schlafzimmertür gleiten, aber Ray bemerkte dies und stellte sich demonstrativ davor.
 

„Das hat er mir erzählt“, sagte der Chinese und nickte mit dem Kopf zur Tür. „Er war total entkräftet und müde als wir hier ankamen. Er wollte nichts mehr wissen und hören, aber als ich ihn fragte, warum er allein zu Hause war, hat er gesagt, dass du ihn angegriffen hättest.“
 

„Ich wollte ihm nur Angst machen, damit er die Hoffnung auf mich aufgibt.“

„Du bist so ein großer Holzkopf, Kai!“

Ray bewegte sich nun von der Tür weg und zurück in die Küche. Als Kai ihn darin rumwerken hörte, überlegte er sich, schnell in den Raum zu rennen und Tyson einfach rauszuholen. Aber noch während er seine Flucht plante kehrte Ray aus der Küche zurück und drückte ihn eine eiskalte Flasche Bier in die Hand. Kai sah ihn verwundert an.
 

„Du hast den Jungen schlichtweg nicht verdient“, sagte Ray. Kai besah sich seine Flasche und nahm dann einen Schluck daraus. Was sollte er auch antworten? Ray hatte Recht!
 

„Aber nicht weil du ein Vampir bist.“

Diese Worte überraschten Kai jetzt aber. Ray ließ sich auf sein Sofa fallen und deutete Kai an, sich ebenfalls zu setzen, aber Kai blieb stehen. Ray hob nur resignierend die Schultern.
 

„Schon wenn er nur deinen Namen ausspricht, sieht man wie seinen Augen leuchten. Wenn er an dich denkt, ist der versonnene Blick nicht zu übersehen. Und die traurigen Augen, wenn er erzählt, was du ihm schon alles angetan hast.“ Ray schüttelte den Kopf.
 

„Der Junge ist genau das, was dein verschlossenes Herz braucht und du stößt ihn immer nur weg. Dabei würde jeder Blinde erkennen, dass du selbige Merkmale wie er aufweist, wenn es um ihn geht. Und ein versonnener Blick ist bei dir schon fast unheimlich.“
 

„Es ist alles meine Schuld“, sagte Kai und ließ sich nun doch auf das Sofa nieder. Dabei sah er müde und traurig auf seine Flasche. „Alles was ihm zugestoßen ist, ist meine Schuld.“

„Jetzt spinn nicht rum!“, antwortete Ray energisch. „Brooklyn beißt auch Leute denen du nie begegnet bist und der Orden der Avatar quält jeden, der schon mal von einem Vampir schräg angesehen wurde.“
 

Kais Blick ging von der Flasche zu Ray. In seinen Augen waren immer noch die Zweifel zu lesen. Er wünschte sich wirklich Tyson könnte sein werden. Die warmen Gefühlen, die er in ihm auslöste, die warmen Berührungen von ihm, die braunen verständnisvollen Augen, das kecke Lächeln. Er würde alles dafür geben, wenn er dies Sein nennen könnte. Aber gleichzeitig konnte er die Sorgen in sich einfach nicht abschalten.
 

„Egal ob Mensch oder Vampir… Beziehungen sind NIE einfach, Kai.“

Kai sah in Rays goldene Augen und versuchte den Sinn hinter diesen Worten zu verstehen und als diese Augen ihre Ernsthaftigkeit nicht verloren und weiterhin in seine roten Rubine starrten, wurde ihm klar was Ray meinte.

Mit einem Kopfnicken bedeutete ihn der Schwarzhaarige, dass es nun an der Zeit war zu gehen.
 

**^^**
 

Müde und entkräftet öffnete Tyson seine Augen und schloss sie gleich wieder, weil ein Sonnenstrahl ihn in die Augen leuchtete. Er drehte sich zur Seite und zog sich die Decke bis unter die Nasenspitze. Es musste Montagmorgen sein und wenn schon die Sonne schien, dann würde bestimmt jede Sekunde sein Wecker klingeln und ihn somit endgültig aus dem Schlaf zerren.
 

Noch immer mit zusammengekniffen Augen zog er die Hand unter der Decke hervor und versuchte nach seinen Wecker auf den Nachtisch zu greifen. Doch irgendwie fand er den Nachtisch nicht. Er tapste mit der Hand ins Leere. Okay, irgendwo musste dieser vermaledeite Tisch doch sein. Er schlug jetzt regelrecht mit der Hand in der Luft herum. Als er sie dann einmal runterfallen lies und wieder auf nichts traf, war der Schwung so stark, dass es ihn doch tatsächlich aus dem Bett haute.
 

Völlig überrascht lag Tyson mit aufgerissen Augen auf den Boden und starrte an eine Decke die nicht seine war.

„Oh!“, machte Tyson nur, als ihm wieder alles einfiel. Stimmte ja, er war nicht zu Hause. Kais Freund und Vampirjägerkumpel Ray hatte ihn mit zu sich nach Hause genommen. Er sah sich immer noch auf den Rücken liegend etwas im Zimmer um. Er konnte sich nicht daran erinnern in diesen Raum eingeschlafen zu sein.
 

Im Grunde erinnerte er sich an kaum etwas. Ray hatte ihn schon fast aus der Lagerhalle getragen, weil er komplett entkräftet gewesen war. Draußen hatte er ihn dann seine Jacke übergeworfen und auf ein Motorrad verfrachtet, gesagt er solle sich gut festhalten und sie waren eine Weile durch die Stadt gefahren. Sie waren ziemlich weit außerhalb gewesen.
 

Irgendwann waren sie dann in einer etwas ärmlicheren Gegend, mit vielen heruntergekommenen Häusern, angekommen, wo bestimmt nicht mehr viele Menschen wohnten und Ray hatte ihn in seine Wohnung gebracht. Selbst in seinen vernebelten Zustand hatte Tyson noch wahrgenommen, dass die Wohnung nicht gerade… freundlich… war.
 

Wäre Ray nicht Vampirjäger, sondern ein Junkies gewesen, hätte ihn dies nach dem ersten Eindruck auf die Wohnung auch nicht gewundert.

Er hatte Ray die ganze Zeit über keine einzige Frage gestellt. Die Eindrücke des Tages lagen zu schwer auf seiner Seele und er wollte nur noch ruhen.
 

Was hatte er nicht alles erfahren über Vampire, Vampirjäger und allgemein über Kais Vergangenheit. Er war gestern einfach voll gewesen. Voll mit Informationen von denen er nicht wusste, ob er sie überhaupt alle wollte.

Er rappelte sich nun auf und suchte nicht weiter nach seinen nicht vorhandenen Wecker, sondern schaute direkt auf seine Armbanduhr.
 

7 Uhr. Seine erste Vorlesung begann heute um 10Uhr. Es war also noch nicht zu spät um den normalen Unialltag und somit seinem normalen Leben nachzugehen.

Traurig schaute Tyson auf den Boden. Sein normales Leben existierte nach wie vor, aber es kam ihm im Moment so surreal vor, wie ihn vor zwei Tagen noch Vampire surreal vorgekommen sind.
 

Darüber grübeln brachte ihn aber im Moment nicht weiter und ewig wollte er nicht auf den Boden sitzen. Er stand auf und ging zur Tür. Dabei fiel ihm auf, dass er nur Shorts trug. Ein bisschen unangenehm war ihm das schon, aber er war auch gestern den halben Tag lang nur in einem Hemd rumgelaufen. Er ergriff die Klinke und atmete noch mal tief durch.
 

Er umklammerte die Klinke etwas mehr, aber noch wollte er nicht wieder in den Tag treten. Er ließ den Blick ein weiteres Mal im Zimmer umher schweifen. Ein altes durchgelegenes Bett, verschlissene Vorhänge, eine zerknautschte Kommode.
 

Er wusste, es war falsch so etwas zu denken, aber… das Zimmer wirkte so erbärmlich wie der Rest der Wohnung. Er zog tief Luft ein und dieses Mal schaffte er es die Türe zu öffnen. Dies machte er so leise wie möglich, falls Ray noch schlafen sollte, doch er war wach. Das wurde Tyson klar, sobald er aus dem Zimmer trat.
 

Ray stand mitten im Raum, nur ein paar Meter von ihm entfernt. Weil Ray aber mit dem Rücken zu ihm stand, hatte er ihn noch nicht wahrgenommen. Ray schien gerade dabei sich zu bekleiden, denn er trug sein Hemd noch nicht, sondern hielt es nur in den Händen und so erhaschte Tyson einen Blick auf den nackten Rücken und was er da sah, ließ ihn laut die Luft einziehen.
 

Rays gesamter Rücken war übersät mit Narben. Lange und tiefe Narben. Manche sahen aus wie von Peitschen, andere wirkten tief wie von einem Messer.

Aber diesen Anblick sah Tyson nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn dann wurde auch schon das Hemd über den Rücken geschwungen und Ray drehte sich zu Tyson um.
 

Und wieder sah Tyson für den Moment etwas Merkwürdiges. Zwar hielt Ray, das Hemd nun vorne zu, aber er könnte schwören, auf Rays linkem Schlüsselbein war etwas, das wie eine Brandwunde aussah. Ray sah ihn verwundert an und knöpfte sein Hemd zu.
 

Tyson fragte sich, ob Ray bemerkt hatte, dass er die Wunden gesehen hatte und jetzt sauer auf ihn war, aber Ray wirkte wirklich nur verwundert.

„Du bist schon wach?“, fragte Ray und war nun damit fertig, sein Hemd zuzuknöpfen. Keine einzige der Wunden war mehr zu sehen.
 

„Es… es ist sieben Uhr. Warum nicht?“, meinte Tyson ein wenig unsicher.

„Ich war mir sicher, du würdest bis Mittag schlafen“, erklärte der Schwarzhaarige, „schließlich bist du gestern auch sofort auf dem Sofa eingepennt, nachdem du dich hingesetzt hast.“
 

„Wenn ich auf den Sofa eingeschlafen bin, warum war ich dann in deinen Bett“, fragte Tyson ehrlich verwundert und zeigte zuerst auf das Sofa und dann in Richtung Schlafzimmer. „Ich hoffe doch, du hast meinetwegen nicht auf dem Sofa geschlafen.“
 

„Ich schlafe nachts nicht.“ Ray bewegte sich nun zur Küche und Tyson folgte ihm. Nicht weiter auf die Bemerkung eingehend. Die Küche wirkte im Gegensatz zum Rest der Wohnung gepflegt und gut erhalten. Tyson meinte sich zu erinnern, dass Kai einmal erzählt hätte, dass er einen Freund habe, der gut kochen könne.
 

Vielleicht hatte er ja damit Ray gemeint, denn über Talas Kochkünste hatte sich Kai bei ihm immer beschwert. Er hatte oft bei ihm gegessen und hatte dies damit begründet, dass selbst Tysons aufgewärmte Reste aus der Mikrowelle besser seien, als das Zeug, dass ihm zu Hause erwarte.
 

Tyson überkam wieder ein mulmiges Gefühl im Magen, als er diese Erinnerung hervorrief. Die Zeit, als Kai noch jeden Tag bei ihm war und ihre Beziehung noch keine wirklich klare Richtung anzeigte, war im Grunde die einzig schöne Zeit mit Kai gewesen.
 

„Du denkst gerade an Kai, oder?“, fragte Ray. Er langte gerade ein paar Sachen aus dem Kühlschrank und schritt dann zur Anrichte. Tyson sah ihn fragend an, doch bevor er selbst in Worte fassen konnte, was ihm gerade durch den Kopf ging, beantwortete Ray schon seine eben gestellte Frage von selbst. „Kai schaut genauso traurig aus der Wäsche, wenn dein Name fällt.“
 

„Traurig oder genervt?“, höhnte Tyson und schritt zur Anrichte. „Wie kann ich dir helfen?“

„Bloß schnell das Thema wechseln“, nuschelte Ray und entzog Tyson gerade den Reis nachdem dieser gelangt hatte. „Warum gehst du nicht ins Bad und duscht dich. Das wird dir sicher gut tun und ich mache solange das Frühstück.“
 

„Ich würde lieber hel…“

„Keine Widerworte“, sagte Ray, packte Tyson bei den Schultern und führte ihn aus der Küche und in Richtung einer Türe, hinter der Tyson das Badezimmer vermutete.

„Dusch dich, putz dir die Zähne und zieh dir was Frisches an“, sagte Ray und stellte sich mannsgroß vor ihm auf.

„Ich habe keine Klamotten zum wechse…“

„Ich leih dir was von mir.“

„Keine Zahnbürste…“

„Ich habe immer eine Gästezahnbürste im Schrank.“
 

Tyson schaute verloren zu Ray hinauf. Der Chinese meinte es gut mit ihm und er wusste es zu schätzen, dass er ihm half, aber ihm war immer noch nicht gut dabei. Doch im Moment konnte Tyson seine Gefühle noch nicht richtig ordnen. In den letzten zwei Tagen war einfach zu viel passiert.
 

Er sah hinter sich auf die Tür des vermeintlichen Badezimmers. Vielleicht sollte er sich wirklich mal gründlich duschen und sich darüber klar werden, was ihn wirklich bedrückte. Denn im Augenblick spürte er nur diesen unangenehmen Knoten in seiner Brust, die Rastlosigkeit die von ihm besitzen ergriffen hatte und ein Haufen ungeordneter Gefühle im Bezug auf eine gewisse Person.
 

Er verschnaufte, sah wieder zu Ray hinauf und brachte ein klares und deutliches Danke hervor. Ray lächelte freundlich zu ihm hinunter und Tyson verschwand im Badezimmer.
 

**^^**
 

Als Tyson fast eine Stunde später - frisch geduscht, gewaschen und mit einem, vielleicht ein wenig zu großen T-Shirt von Ray bekleidet - aus dem Badezimmer trat fühlte er sich etwas wohler. Er hatte nicht nur den Schmutz der letzten Tage von sich gewaschen, sondern auch den Stress.
 

Während er das warme Wasser hatte auf sich runter prasseln lassen, hatte er sich so seine Gedanken gemacht. Und jetzt wusste er, was er dem Chinesen alles fragen konnte und was er nicht mit ihm zu bereden hatte. Aber erst einmal musste er etwas ganz wichtiges los werden.
 

Ray setzte gerade eine Tasse Kaffee auf eine kleine Platte mit Frühstück als er Tyson bemerkte. Der kleine Wohnzimmerbeistelltisch war kurzerhand zum Esstisch umfunktioniert worden. Tyson nahm auf einem Sitzkissen Platz, genauso wie Ray ihm gegenüber. Tyson schaute scheu zu Ray hinauf, der ihm aufmunternd auf das Essen hinwies.
 

„Vielen Dank“, sagte Tyson und saß sich dabei aufrecht hin. „Danke für die Rettung, dass du mich hier hast schlafen lassen und auch für das Frühstück.“

Ray kicherte ein wenig und schaute auf sein eigenes Mahl.
 

„Gern geschehen“, meinte er gut gelaunt. „Aber danke mir erst für das Frühstück, wenn du es probiert hast.“ Eine weitere Geste mit der Hand zum Tablett mit Misosuppe, Fisch, Reis und dem Kaffee. Tyson nahm die Stäbchen und kostete sogleich vom Fisch. Der Fisch war perfekt gegart, genauso wie der Reis herrlich und frisch schmeckte. Während des Essens schaute er immer wieder zu Ray, doch dieser schien seine Blicke nicht zu bemerken, oder wollte ihn nur nicht darauf ansprechen.
 

„Ähm…“

„Du kannst ruhig mit mir reden, während es Essens“, sagte Ray und trank vom Kaffee. „Diese Stille erinnert mich zu sehr an eine nette Gesellschaftsrunde mit den beiden Redemuffeln Tala und Kai.“

Tyson musste unwillkürlich glucksen und er bemerkte mit Freunde, dass auch Ray sich das schmunzeln nicht verkneifen konnte.
 

„Es ist nur nicht das Thema fürs Frühstück“, meinte Tyson schüchtern.

„Wir können auch über so belanglose Dinge wie das Wetter oder die Politik reden, wenn du meinst, dass seien Frühstücksthemen.“
 

Diesmal zierte ein Hauch von Rot Tysons Wangen. Er fühlte sich, als wäre er total steif und würde Ray mit seinem Geziere mehr Beleidigen als mit den Fragen, die ihm auf der Seele brannten. Aber schließlich gab er sich einen Ruck und stellte seine Frage.
 

„Gestern wollte ich es nicht wissen, weil es mir zu viel war, doch inzwischen… will ich schon wissen, wer diese Typen waren, die mich entführt haben.“

Ray sah von seiner Reisschale zu Tyson auf. Diese goldenen Augen hatten etwas Katzenartiges an sich.
 

Besonders jetzt wo sie sich wieder zu Schlitzen verengt hatten. Der Blauhaarige hatte schon Angst doch die falsche Frage gestellt zu haben, doch Ray stellte ruhig seine Schüssel ab und atmete einmal tief durch.
 

„Orden der Avatar“, begann er, „so viel hast du ja schon mitgekriegt.“

Tyson nickte nur und versuchte nicht den Blick von Rays Augen abzuwenden. Wie jemand der wusste, dass es noch gefährlicher war einer Raubkatze nicht in die Augen zu sehen.
 

„Eine Ansammlung von Sadisten und selbstgefälligen Menschen“, Ray sagte dies in einer Art und Weise, die Tyson mehr hinter den gesagten Worten vermuten ließ. „Es gibt sie wahrscheinlich schon mindestens so lange, wie es mystische Wesen gibt, welche die Menschen bedrohen. Sie jagen wie ich und Kai auch Vampire… und anderes. Nur ist ihre Vorgehensweise eine andere. Eine… die ich nicht gut heißen kann.“
 

Ray verschloss seine Lippen mit zwei Fingerspitzen. Es schien so, als wolle er eine bestimmte Wortwahl für sich behalten und suche jetzt nach angemesseneren Worten.

„Für sie zählt nur das Wesen des Bösen zu finden und auszurotten.“

„Dann gehören sie zu den Guten.“
 

Ray schaute wieder mit diesen Katzenartigen Augen zu Tyson und dieser wusste, jetzt kam etwas, dass ihm die Sache von gestern erklären würde.
 

„Sie tun alles um ihren Auftrag zu erfüllen. Und wenn ich alles sage, dann meine ich auch alles! Eine aufwendige Art der Ermittlung kommt für sich nicht in Frage. Sie nehmen den schnellen und grausameren Weg. Jeder der irgendwie Kontakt mit einem Vampir hatte, selbst wenn derjenige nur ein ahnungsloses Opfer ist, dann kommt der Orden der Avatar und holt alle Informationen aus diesen Menschen heraus. Egal ob diese Person nun wirklich etwas weiß oder nicht.“
 

„Holt die Information aus ihm heraus.“, wiederholte Tyson. „Wie?“, dabei lag ein Zittern in seiner Stimme.

„Folter“, antwortete Ray sofort. „Stundenlange Verhöre, gepaart mit Auspeitschungen, Misshandlungen und jeglicher Art von Menschenunwürdigen Verfahren.“
 

Nun wurde Tyson klar was ihn gestern erwartet hätte, wenn Ray nicht gekommen wäre. Aber eins war ihm immer noch nicht klar.

„Warum?“, sagte er mit Zittern in der Stimme. „Warum tun sie dies auf so grausame Weise? Du kannst mir nicht sagen, dass alle Leute die mit Vampiren zu tun hatten nicht freiwillig Zeugnis darüber ablegen.“
 

Rays Hand wanderte automatisch an sein Schlüsselbein. An die Stelle, wo Tyson geglaubt hatte etwas zu sehen.
 

„Die meisten Menschen die mit den Mystischen in Berührung kommen, können nicht glauben, was sie gesehen haben. Wollen es nicht glauben. Oder sie stehen zu sehr unter Schock um die einfachsten Fragen beantworten zu können. Ich weiß wovon ich rede.“ Ray schien etwas sagen zu wollen. Öffnete den Mund schloss ihn aber wieder. Erst dann sprach er weiter. „Ich weiß es von Opfern, mit denen ich selber Kontakt hatte. Die meisten reden nicht, weil sie hoffen, dass so Geschehene somit verschwinden zu lassen.“
 

„Verstehe. Es ist also schwer Informationen von Zivilisten über Vampire zu bekommen.“

„Nur wenige Reden. Aber das interessiert den Orden der Avatar nicht. Jeder Mensch, der in irgendeiner Art und Weise Kontakt mit einen Vampir hatte, ist für sie ein entwerteter Mensch.“
 

Tyson sah gleichzeitig geschockt und sprachlos zu Ray.

„Der Biss eines Vampirs ist wie Gift. Auch wenn Wunden verheilen und Erinnerungen verblassen, so bleibt doch das Erlebnis immer vorhanden. Eine Narbe auf der Seele eines Menschen. Und durch diese Tatsache glaubt der Orden, der Mensch sei es nicht mehr Wert beschützt zu werden. Sei es nicht mehr wert geschont oder sogar respektiert zu werden. Sie quälen diese Menschen bis sie alle Informationen aus ihnen heraus gepeinigt haben und dann kennzeichnen sie den Menschen. Damit jeder weiß, dass es sich dabei um einen geschändeten Menschen handelt.“
 

Ray nahm die Hand von seinem Schlüsselbein, aber nur um es sie an die Knöpfe seines Hemdes zu führen. Er öffnete die oberen und enthüllte Tyson sein linkes Schlüsselbein. Tyson schluckte schwer, als er das Brandmal sah. Es war ein „A“, wahrscheinlich das gleiche „A“, wie auf dem Brandeisen, dass Ozuma gestern in der Hand gehalten hatte.
 

„Meine Eltern wurden von Vampiren getötet. Ich entkam knapp. Ich habe nichts gesehen außer einem Schatten, der mich auf den Boden gepresst hatte und versuchte mein Blut zu saugen. Ich hatte keine Bißspuren. Nur ein paar kleine Kratzer. Entkommen war ich, weil ein Nachbar die Todesschreie meiner Eltern gehört hatte und ins Haus gestürmt war. Mit einer Schrottflinte“, fügte er noch lässig hinzu. „Nur ein paar kleine Kratzer. Aber am nächsten Tag wurde ich schon von ein paar Unbekannten verschleppt und verbrachte ein paar Tage später einen Monat meines Lebens in einem Krankenhaus wo Knochenbrüche, Abschürfungen und Brandwunden geheilt werden mussten. Und wofür das Ganze. Für die detaillierte Beschreibung eines Schattens.“
 

Es trat Schweigen ein. Tyson war schockiert über diese Enthüllung. Sein erstes Gefühl war Mitgefühl für Ray, dann Entsetzen über das, was dieser Orden Menschen antat und dann Angst, weil er selbst in das Visier dieser Leute geraten war. Dann folgte schließlich seine Schlussfolgerung zu dem Ganzen.
 

„Das ist ein total kranker Haufen, oder?“, Ray sah ihn total perplex an. „Ich meine, ihre Menschenverachtende Art ist ja schon ziemlich heftig, aber dieser Ozuma hatte ja dann auch noch versucht sich an mich ranzumachen. Echt krank.“
 

Ray verzog sein Gesicht zuerst zu einem Lächeln und fing dann an zu lachen.

„Ich verstehe Kai voll und ganz“, sagte er, nachdem er sich von seinem Lachen erholt hat. „Du bist so süß und unschuldig.“ Tyson wurde ganz rot um die Nasenspitze. „Die meisten Menschen schauen peinlich berührt drein, entschuldigen sich, wenden sich ab oder tun so, als hätten sie nichts gehört. Doch du sagst frei und ohne Hemmungen heraus, was wohl jeder denkt.“
 

Ray stützte einen Arm auf der Tischplatte ab und setzte seinen Kopf darauf ab. „Du hast ein abgrundtief reines Herz.“

Tyson wusste, dass er im Moment total bedröppelt dreinschaute. Doch jetzt gerade war es ihm total egal und er lächelte nur geschmeichelt zurück.
 

**^^**
 

„Ooooh, Ty-chan. Du musst mir echt mal verraten, wo du all diese süßen Jungs aufgabelst.“

Mit hochroten Wangen und nach unten gezogenen Mundwinkeln stieg Tyson vom Motorrad und schenkte Ray einen bösartigen Blick.

„Und ich dachte, du hättest deine Schwäche für die kühlen Jungs entdeckt.“

„Ich beneide dich.“
 

Drei Mädchen aus Tysons Semester standen neben ihn und schenkten Ray einen bewunderten Blick, der nun sein Motorrad in eine kleine Parklücke stellte und den Schlüssel zog. Dabei ließ er es sich nicht nehmen den Mädchen heiße Blicke zu schicken und ein nett-cooles Lächeln aufzusetzen. Als er ihnen auch noch zuzwinkerte seufzten und kreischten die Mädchen auch noch und Tyson verdrehte nur die Augen.
 

Wie konnte es nur so weit kommen? Ach ja. Ray hatte sich geweigert ihn zur Universität gehen zu lassen.
 

„Soll ich jetzt etwa mein Leben aufgeben, nur weil ein paar Bekloppte darin vorkommen?“

„Diese Bekloppten haben es unter anderen auf dein Leben abgesehen!“

„Soll ich mich jetzt deswegen ein paar Jahre lang in irgendeinen Loch unter der Erde verstecken???“

„…“

„Siehst du.“

„Okay, du kannst deinen normalen Alltag nachgehen, aber nur mit mir an deiner Seite.“
 

Ray hatte ihn nur erlaubt zur Universität zu gehen, wenn er mitkommen würde. Also waren sie kurz zu Tyson gefahren um seine Unterlagen abzuholen und waren dann zur Universität weiter.
 

Im Allgemeinen war das kein Problem. Tyson hatte nur zwei Vorlesungen in den großen Vorlesungssälen. Ein weiterer Zuhörer würde da nicht auffallen. Er hatte generell gedacht, Ray würde nicht auffallen, aber nun standen lauter Mädchen neben ihm, die er nun auch noch abstützen musste, weil sie fast in Ohnmacht beim Auftritt des Chinesen fielen.
 

Tyson schubste das Mädchen, dass sich an ihn lehnte weg, ging Schnurrstracks auf Ray zu und zerrte ihn sofort in das Innere des Gebäudes. Dort war so viel Trubel, dass er nun nicht mehr großartig auffiel.
 

„Die Show hättest du dir echt sparen können“, motzte ihn Tyson an und zerrte Ray weiter hinter sich her.

„Lass mir doch auch ein bisschen Spaß“, witzelte Ray und winkte gerade jemanden zu.
 

Langsam aber sicher bekam Tyson den Eindruck, dass alle Vampirjäger sexsüchtig waren. Tala und Kai holten sich ständig Affären aus irgendwelchen Bars und Ray war eine Flirtmaschine. Und da war noch dieser Ozuma. Foltern und Anmachen. Eine wirklich kranke Mischung.
 

Im Vorlesungssaal angekommen suchte sich Tyson gleich einen Platz in der Mitte aus. Diese waren sehr unbeliebt, da die Vorlesungssälen aus Klapptischen und Klappstühlen bestanden. Wenn man sich dann auch noch in die Mitte setze und links und rechts auch noch Leute saßen, dann kam man vor Ende der Vorlesung nicht mehr raus.
 

„Kein guter Platz für eine plötzliche Flucht“, meinte Ray und inspizierte den Raum.

„Egal ob Vampir oder Jäger“, sagte Tyson gereizt. „Die werden bessere Orte und Momente finden um mich anzugreifen, als in einer überfüllten Lesung.“

Ray ließ es sich trotzdem nicht nehmen jeden zu beäugen, der in den Saal kam und sich einen Platz suchte.
 

Mit Ray an seiner Seite wollte sich Tyson nicht in die Nähe von Bekannten setzen. Das hieß, seine einzige Unterhaltung bis die Vorlesung begann war für heute der Schwarzhaarige.

„Wie bist du eigentlich zum Vampirjäger geworden?“, fragte Tyson etwas leiser, damit niemand anderes ihn hörte.
 

„Nach dem Tod meiner Eltern und der Folter durch den Orden der Avatar wurde ich von einen Mitglied des Ordens in dem Kai und ich sind adoptiert. Er wollte mich eigentlich nicht zum Vampirjäger ausbilden, aber ich bat ihn darum. Ich will keine Rache!“
 

Bei den letzten Worten drehte sich Ray doch zu Tyson um und schaute ihn intensiv in die Augen.

„Ich will mich nicht an den Vampiren oder den Avataren rächen! Ich will nur verhindern, das jemanden das Selbe wiederfährt wie mir.“
 

Tyson nickte und fing damit an seine Unterlagen zu ordnen. Vielleicht war er jetzt schon wieder voll an Informationen.
 

**^^**
 

Tyson hätte an die Decke gehen können. Ray schien der reinste Frauenmagnet zu sein. Eigentlich hatte er sich den unbeliebtesten Platz überhaupt ausgesucht und trotzdem saßen links, rechts, unter und ober ihnen eine Menge Mädchen. Die ganze Zeit giggelten sie und flirteten mit Ray.
 

Versuchten ihn seine Hobbys, seine Handynummer und seine Vorlieben zu entlocken. Dabei spielten sie mit ihren Haaren und sahen ihn lasziv an. Sogar ein Schwuler, der sonst immer Tyson an flirtete, beugte sich über Tyson hinweg um in Rays Augen zu versinken.
 

Dem Dozenten, der mal wieder in der Zeit versunken war aus der er verzählte, schien das völlig zu entgehen. Irgendwann hatte sich Tyson Fetzen von Papiertaschentüchern in die Ohren gestopft und sich hinter einen dicken Wälzer versteckt. Am Ende der Stunde fragten alle Mädchen, ob Ray nicht Lust hätte mit ihnen in die Mensa essen zu gehen.
 

Ray warf einen fragenden Blick zu Tyson und dieser antwortete missmutig, dass sie auf keinen Fall in die Mensa gehen würden. Die Mädchen machten enttäuschend „oooohhh“ und sogar Ray sah unzufrieden aus.
 

„Ich muss mich nicht wundern warum Kai so missmutig ist. Wenn er dich öfters ertragen muss, dann wird schlechte Laune wahrscheinlich zum Dauerzustand“, meckerte Tyson und zerrte Ray wieder hinter sich her.

Eigentlich wollte er in ein dunkles, finsteres Eck, weit entfernt von allen weiblichen Geschöpfen, aber daraus wurde leider nichts.
 

„Tyson!“

Auf einmal wurde Tyson klar, was er den bisherigen Tag über vergessen hatte.

„Max!?“, sagte Tyson, als der blonde Haarschopf auf einmal auf ihn zugerannt kam. Jeden Morgen trafen sich die beiden und gingen zusammen zur Uni und verbrachten die Pausen miteinander. Heute hatte er ihn aber ganz und gar vergessen.
 

„Ich habe 20 Minuten am vereinbarten Treffpunkt gewartet und du bist nicht gekommen“, sagte Max und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich wäre fast zu spät in die Vorlesung gekommen und habe nur noch einen miesen Platz bekommen und… Hi!“

Auf einmal hellte sich Max‘ Miene wieder auf, als ihm Ray ins Auge fiel. Auch Ray musterte Max mit einen verblüfften, aber auch nervösen Blick.
 

„Wir sind uns schon einmal begegnet, stimmt’s?“, fragte Ray und von seiner Coolness fehlte plötzlich jede Spur.

„Na ja, es war weniger eine Begegnung als eher ein kurzer Blickkontakt“, sagte Max schüchtern und fuhr sich fahrig durch die Haare.
 

Tyson verdrehte die Augen und hätte seinen Kopf am liebsten gegen eine Wand gehauen. Weder Ray noch Max waren schwul. Wie konnte diese Szene also gerade wirklich geschehen?
 

Tyson konnte nichts tun als die beiden ihn in Richtung des Hofes bugsierten. Auf dem Gelände gab es eine Menge Sitzgelegenheiten auf denen sie Platz fanden und es dauerte keine halbe Stunde und schon wieder waren sie umringt von Mädchen.
 

Doch Ray schien auf einmal nur noch Augen für Max zu haben. Er hatte sogar ganz vergessen auf Tyson aufzupassen. Als dieser nämlich sagte, er gehe ihnen kurz was zum Essen holen, winkte Ray nur ab.
 

Bevor Tyson sich aber in die Mensa begab um zwischen verschiedenen Snacks zu entscheiden, ging er kurz auf eine kleine Rasenfläche zwischen zwei Gebäuden. Hier lag alles ein wenig im Schatten, deshalb saßen nur vereinzelt Leute auf Decken im Gras und lasen ihre Lektüre.
 

Tyson schloss die Augen und atmete tief durch. Er hätte nie gedacht, dass ihn viel Trubel auf einmal so viel ausmachen konnte. Er fühlte sich eingeengt und unwohl zwischen all diesen Personen. Aber vielleicht war das auch nur wegen der Ereignisse der letzten Tage.
 

Er hatte zwar schon Zeit für sich gehabt, aber immer noch wirkte alles so stark auf ihn ein, dass er noch Ruhe brauchte um alles zu verkraften. Er öffnete wieder die Augen und wollte nun schon weiter gehen. Doch auf irgendeine Art und Weise fühlte er sich beobachtet. Er schaute auf der Wiese umher, doch niemand schaute in seine Richtung. Er zuckte mit den Schultern und kam aus dem Schatten hervor.
 

Kai der auf dem Dach des Gebäudes stand, sah Tyson noch lange hinterher.
 


 

So und das war's nun schon wieder fürs erste. Natürlich werde ich mir Mühe gehben, das nächste Kapitel nicht allzu lange auf sich warten zu lassen. Aber versprechen kann ich nichts. Nur so viel. Weitergehen wird die Geschichte auf jeden Fall ^^

Womit es begann und wohin es führte

Hi,
 

ja, ich weiß. Es hat wieder ewig gedauert, aber ich gebe mir wirklich Mühe mit dem schreiben der Kapitel. In Anbetracht der Tatsache, was ich noch alles für die Uni machen muss, verwundert es mich ehrlich gesagt selbst, dass ich jetzt schon wieder ein Kapitel hochladen kann. Leider muss ich sagen, dass es mir nicht besonders gefällt. Eigentlich wollte ich es wieder länger gestalten, aber nachdem ich die Hälfte niedergeschrieben hatte, war es auch schon wieder ein ganzes Kapitel. Dies hat leider auch zur Folge, dass in diesen Kapitel nicht allzu viel passiert. Aber keine Sorge :) Die Semesterferien stehen vor der Tür, un auch wenn ich in dieser Zeit eine Menge zu tun habe, werde ich doch des öfteren wieder schreiben können. Schon allein deswegen, weil auch das nächste Kaptiel eines von denen ist, welche die Grundlage der Idee für die Story bildetetn und daher schon ewig in meinen Kopf rumspuckt und somit nur darauf wartet, niedergeschrieben zu werden.

Trotzdem wünsche ich euch jetzt schon mal einen schönen Sommer und viel Spaß beim lesen.
 


 


 

Kai stand weiterhin auf dem Dach des Gebäudes und schaute nach unten, obwohl Tyson schon längst weggegangen war. Was zum Teufel machte er bloß hier? Er wusste doch, dass er sich auf Ray verlassen konnte. Wenn er sagte, er würde auf den Blauhaarigen aufpassen, dann könnte er sich sichern sein, dass ihm kein Leid zustoßen konnte. Aber dennoch hatte wieder eine unsichtbare Macht ihn dazu gezwungen hierher zu kommen und selbst nach dem geliebten Wesen zu sehen.
 

Tyson hatte ziemlich normal gewirkt. Vielleicht ein wenig erschöpft, aber nicht verängstigt, entkräftet oder verstört. Für den Moment war alles gut. Zuerst hatte er so seine Zweifel gehabt, ob Tyson an die Universität gehen sollte, als Ray ihm anrief um ihm mitzuteilen wo sie hingehen wollten. Aber Ray hatte ihm erzählt, dass Tyson darauf bestand und Kai kannte den Starrkopf von dem Kleinen gut genug um zu wissen, dass er nicht umzustimmen war.
 

Aber natürlich hatte er es sich nicht verkneifen können ihnen doch noch hinterher zu schleichen. Vielleicht hatte Ray ihm wahrgenommen, aber die Tatsache, dass er die ganze Zeit von Mädchen und sogar einem Jungen umringt worden war, hatte wohl seine Aufmerksamkeit abgelenkt und er hatte nur noch nach potenziellen Gefahren Ausschau gehalten.
 

Doch was sollte nun weiteres passieren? Tala hatte ihm ein strenges Tyson-Verbot erteilt. Das heißt, er hatte ihn mit Schlägen und Prügeln gedroht, wenn er Tyson vorerst zu nahe kam.
 

Natürlich hatte sich Kai sofort darüber empört und gemeint, Tala hätte nicht das Recht ihm Vorschriften zu machen, aber dann hatte Tala ihm einfach daran erinnert, wer daran schuld gewesen ist, dass Tyson überhaupt weggerannt war. Diese Schuld konnte er natürlich niemand anderen in die Schuhe schieben und somit hatte er sich mit einen Murren erstmals dazu bereit erklärt, die Tyson-Schutz-Aktion ihm und Ray zu überlassen.
 

In ihm spielten im Moment sowieso zwei Gegensätze total verrückt. Zum einen wollte er weiterhin dafür sorgen, dass sich Tyson aus eigener Überzeugung von ihm fernhielt. Auf diese Weise hoffte Kai, dass Brooklyn das Interesse an ihm verlieren würde und Tyson in Ruhe ließ.
 

Aber der andere Gegensatz besagte das genaue Gegenteil. Er wollte Tyson unbedingt in seiner Nähe haben und das aus zwei Gründen. Der erste war ziemlich simpel. Brooklyn würde wohl kaum seinen Fehler einsehen und die Hände von Tyson lassen, nur weil sich dieser als harmlose Affäre entpuppte.
 

Brooklyn war durchgeknallt, skrupellos und gelangweilt. Er würde nicht eher ruhen, bis Tyson ein verstörtes Wrack war. Das alles machte er schon aus reinem Pietätgefühl heraus. Der andere Grund war, dass er Tyson schrecklich vermisste. Er wollte ihn wieder in seiner Nähe haben.
 

Er wollte ihm im Arm halten und ihn küssen. Er wollte vielleicht auch nur sein Lächeln sehen. Er vermisste den Japaner ungemein und auch wenn er glaubte, dass dieses Gefühl falsch war, so war es doch das stärkste das momentan in ihm herrschte.
 

**^^**
 

Tyson konnte mit gutem Recht behaupten mit der momentanen Situation unzufrieden zu sein. Den gesamten Tag an der Universität war Ray bei ihm gewesen und mit Ray zusammen ein Haufen seufzender Mädchen. Was Frauen anging war er jetzt für immer bedient. Und Max wollte er vorerst auch nicht mehr sehen. Wie hatte sein bester Freund nochmal auf seine Homosexualität reagiert? Mit weit aufgerissen Augen und der Überzeugung Tyson würde scherzen.
 

Und was hatte der Blondhaarige heute gemacht? Den ganzen Tag mit Ray geflirtet! Und das schlimmste war, Ray hatte sogar zurückgeflirtet. Max sollte unbedingt nochmal seine Sexualität überdenken, bevor er sich wieder Tyson unter die Augen traute. Knöpfe des Hemdes öffnen, weil ihm angeblich warm war; ständig die Haare zurechtrücken, weil der Wind sie angeblich zerzauste und dann auch noch die Frage, ob der andere Schwule, der ihnen aus dem Seminar gefolgt war, Männerparfum dabei hätte.
 

Tyson hätte kotzen können. Solch billige Anmachen von einem angeblich Heterosexuellen. Nein, für heute war er eindeutig bedient!

„Du wirkst schlecht gelaunt“, meinte Ray und musterte dabei die Karotten, welche Tyson in seinen Frust total zerhackt hatte.
 

„Ständig erzählst du mir, du müsstest auf mich aufpassen, doch das einzige was du heute getan hast war Telefonnummer abzustauben“, erklärte Tyson gereizt und schob die Karotten in einen Topf in dem schon Fleisch und Tomaten vor sich hin kochten.
 

Zum Essen hatte Ray vorgeschlagen sie könnten sich was gemeinsam kochen. Es war 18 Uhr und Tyson wünschte sich der Tag wäre endlich zu Ende.

„Ich hätte natürlich auch jeden K.O. schlagen können, der uns zu nahe kommt. Wäre dir das lieber gewesen?“, fragte Ray vergnügt und rührte im Topf herum. Daraufhin schnaufte Tyson nur und zerschnitt nun auch die zweite Karotte.

„Ich weiß doch, dass das alles im Moment nicht leicht für dich ist, aber willst du nicht wenigstens etwas Normalität im Leben.“
 

„Normal?!“, rief Tyson entrüstet. „Ich verstecke mich bei dir und du weigerst dich, mich nach Hause gehen zu lassen. Was ist daran bitte normal? Ich sehne mich nach meiner vereinsamten Wohnung! Das ist NICHT normal!“
 

Ray seufzte schwer und sah Tyson mitleidig an. „Wir können nicht sicher sein, dass du zu Hause nicht in großer Gefahr bist. Der Orden der Avatar hat dich dort schon aufgespürt und wer weiß, ob Brooklyn dort nicht auftaucht.“
 

„Und wie lange soll das noch so weitergehen?“, fragte der Blauhaarige gereizt und schmiss das Messer das er nun nicht mehr brauchte in die Spüle. „Bis alle Tod sind, die mich verfolgen? Oh, ich habe ja ganz vergessen. Vampire sind unsterblich. Dann geht es wohl nur bis zu meinen Tod. Vielleicht sollte ich mich auf die Straße stellen und warten, dann käme der Tod schon früh genug.“

Mit diesen letzten Worten verließ Tyson die Küche.
 

Normal würde sich Ray dieses Verhalten nur ungern gefallen lassen, aber was sollte er tun? Tyson für seine wahren Worte tadeln?! Er konnte doch selbst nicht sagen wie lange das noch gehen würde. Vielleicht hatte die Einschüchterung bei Ozuma ja Früchte getragen und sie würden Tyson wirklich in Ruhe lassen, aber früher oder später würden sie wohl doch wieder auftauchen. Diese Avatarspinner gaben doch niemals auf. Und was Brooklyn anging… Da hatte Tyson wirklich Pech.
 

Der orangehaarige Geistesgestörte hatte den kleinen Japaner auf den Kicker und er würde nicht eher Ruhe geben, bis er Tod war. Wobei; so nett war Brooklyn nicht zu Leuten die Kai etwas bedeuteten. Immerhin hatten sie immer noch die kleine Hoffnung, dass Brooklyn nichts von Kais wahren Gefühlen für Tyson wusste. Aber das war kein wirklicher Vorteil.
 

Anstatt ihn bis zur Unkenntlichkeit zu quälen, würde Brooklyn ihn nur grausam sterben lassen. Ray seufzte nochmals schwer. Die ganze Situation war einfach zu verzwickt.
 

Tyson hatte sich währenddessen auf das Sofa geschmissen und drückte sich ein Kissen auf den Kopf. Bloß nichts mehr mitkriegen von dieser vermurksten Welt. Wie gern wäre er jetzt in seiner Wohnung und würde auf seinem Sofa liegen. Und sich dort wahrscheinlich wegen Kai die Augen aus dem Kopf heulen.
 

Okay, das letzte war auch Mist, aber immer noch besser als diese Knastsituation hier. Es war wirklich ein Knast. Bevor sie angefangen hatten zu Kochen, war Ray aufgefallen, dass nicht mehr genügend Salz im Haus war. Als Tyson anbot einkaufen zu gehen, hatte er ihm das verboten und bevor Ray ging, verriegelte er Türen und Fenster.
 

„Fehlt nur noch die Sträflingskleidung“, murmelte Tyson in das Kissen.

„Ich glaube kaum, dass dir das stehen würde.“

Sofort riss sich Tyson das Kissen vom Kopf und machte einen Satz vom Sofa. Aber gleich darauf beruhigte er sich wieder.
 

Tala stand lässig vor ihm und musterte ihn mit einen gewissen Interesse in den Augen. Tyson atmete tief durch und schaute betrübt zu Boden. Er hatte sich gerade wirklich erschrocken. Das wirklich erschreckende aber war, dass er inzwischen so empfindlich auf die plötzliche Gegenwart eines anderen reagierte. Früher oder später würde er noch paranoid werden.
 

Tala legte nun den Kopf schief und begutachtete ihn mit seinen eisblauen Augen. Tyson hatte schon damals bei ihren One-Night-Stands Talas Augen bewundert. Dieses tiefe Blau wirkte geradezu einfrierend und hinter den Augen vermutete man meist eine Person, die von der Persönlichkeit her nicht weniger kalt war.
 

Aber bei Tala war dies nicht der Fall. Zwar wirkte er doch immer ein wenig Gleichgültig und Gefühlskalt, aber im Grunde verbarg sich hinter der Mauer eine Person mit mehr Ahnung von menschlichen Gefühlen wie man sie Kai zuschreiben konnte.
 

„Bitte sag mir nicht, dass Kai dich schickt um den Kleinen zu sich zu holen“, sagte Ray der nun aus der Küche kam. Das Tala plötzlich in seinen Wohnzimmer stand, schien ihn nicht zu überraschen. Vielmehr schockierte es Tyson, dass er es so lässig nahm. Zum einen verriegelte er alles, wenn er Tyson für 5 Minuten alleine lassen musste, aber das jemand einfach so in sein Wohnzimmer spazierte nahm er dann doch als völlig normal.
 

Im Moment interessierte ihn aber etwas anderes mehr. Hatte ihn Ray gerade „Kleiner“ genannt. Er kam sich sowieso schon vor wie eine kleine schwächliche Prinzessin, die vor dem bösen Wolf beschützt werden musste, aber dass ihn die anderen nun auch solche „Kosenamen“ zuteilten gab ihm den Rest.
 

Er war in seinen Leben noch nie so schwach gewesen wie bisher (zumindest nicht freiwillig. Das mit Kane war eine andere Geschichte) und jetzt behandelte man ihn wie wenn er aus Porzellan wäre. Das musste enden. Er konnte sich sehr wohl selbst verteidigen.
 

„Glaube mir, Kai und ich werden in Zukunft Gespräche vermeiden, die mit Tyson zu tun haben. Das gestern hatte mir gereicht. Ich will schließlich noch eine Weile länger leben.“
 

Bei diesen Worten fiel Tyson auf, dass Tala auf seiner Wange eine große Blessur hatte. Bisher war sie ihm noch nicht aufgefallen, weil Tala etwas im Schatten gestanden hatte und erst jetzt daraus hervortrat. Er wollte lieber nicht wissen, woher die Blessur kam, aber seinen Worten nach zu urteilen, könnte es auch Kai gewesen sein, der ihn dermaßen eine verpasst hat.
 

„Was hat Kai denn getan, damit da immer noch ein blauer Fleck ist?“, fragte Ray, der anscheinend dieselben Gedanken hatte wie er.

„Hat mir das Jochbein gebrochen.“

Lässig gesagt, wie wenn man von einem abgebrochenen Fingernagel sprach. Tyson erschauerte, aber dann fand er endlich seine Sprache wieder.
 

„Wenn du wegen mir hier bist, dann kannst du gleich wieder gehen“, blaffte Tyson in Talas Richtung. Im Grunde entsprach es nicht seiner Art jemanden anzufahren, der ihm noch nichts getan hatte, aber er glaubte kaum, dass Tala wegen einer Tasse Tee mit Ray hier war.
 

„Das könnte ich tun, aber ich wüsste nicht wieso“, antwortete Tala gleichgültig. „Jetzt wo ich schon mal hier bin.“

„Bist du wegen Ray hier“, fragte der Japaner giftig, „oder wegen mir?“

„Wegen dir!“, antwortete er knapp. „Aber keine Sorge. Kai weiß davon nichts. Der hätte mich nur massakriert wenn er wüsste, dass ich hier bin um nach dir zu sehen.“
 

„Wieso denn nach mir sehen?“, fuhr er weiter giftig fort, dann zeigte er auf Ray. „Der Anstandswauwau erlaubt mir nicht mal alleine aufs Klo zu gehen, dich brauch ich nicht auch noch hier.“

„Du scheinst gereizt.“
 

„Wie könnte ich anders. Ich werde hier behandelt wie ein hilfloses Baby. Ich bin ein erwachsener Mann und lebe schon seit Monaten alleine. Nur weil ein paar Durchgeknallte hinter mir her sind, werde ich doch nicht automatisch hilflos.“

„Diese Durchgeknallten können dich schneller töten als du ,Ich bin erwachsen‘ sagen kannst.“ Diese Verteidigung kam nun von Ray, der sich wohl beleidigt fühlte, weil Tyson seine Schutzmaßnahmen für unnötig hielt.
 

„Genauso gut könnte ich von einen Auto überfahren werden, wenn ich über die Straße gehe“, meinte Tyson sarkastisch.

„Aber auch nur dann, wenn es jemand auf dich abgesehen hätte.“

„Es gab schon genug Leute, die ich genug verärgert hätte, dass sie einen Grund dafür hätten.“

„Gleich kannst du mich noch dazu zählen.“
 

Ray und Tyson bedachten sich mit blitzenden Augen. Tala der sich vergessen vorkam räusperte sich und erhielt somit wieder ein bisschen Aufmerksamkeit.

„Ich mach dir einen Vorschlag, Tyson“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Eigentlich war ich nur hier um ein paar Informationen von dir zu erhalten, aber wenn du unbedingt darauf bestehst, besser behandelt zu werden“, dabei warf er einen scharfen Blick auf Ray, der schon protestieren wollte, „dann nehme ich dich einfach mit zur Recherche.“
 

Tyson verstand zwar nicht ganz, aber dennoch blühte er ein wenig auf.

„Moment mal“, protestierte Ray nun doch. „Ich passe nicht den ganzen Tag auf ihn auf, damit du ihn förmlich zur Schlachtbank führst.“
 

„Reg dich ab“, sagte Tala und nun fixierten seine blauen Augen Ray mit dieser gewissen Kälte. „Ich gehe nicht in irgendein Milieu, sondern nur in die Bar, wo er arbeitet.“

„In die Moonlight-Bar?“, fragte Tyson perplex.

Tala nickte. „Irgendjemand muss Brooklyn doch erzählt haben, dass du eine Affäre von Kai bist.“
 

„Warum?“

„Weil Brooklyn dich nur angegriffen hat, weil er wusste, dass zwischen dir und Kai eine Verbindung besteht und diese Fehlinformation muss er irgendwo her haben. Der einzige Ort, den er aber mit dir und Kai verbinden konnte ist die Moonlightbar.“
 

„Jetzt wo du es sagst, er hat mich dort ja auch angesprochen“, sagte Tyson nachdenklich und stützte seinen Kopf auf seinen Arm. Das kam ihm jetzt schon irgendwie merkwürdig vor. Warum war Brooklyn dort aufgetaucht? Er hatte schon damals so eine Bemerkung gemacht, als würde er nur eine Affäre zwischen ihm und Kai vermuten.
 

„Ich weiß, dass du Kai Hiwataris Spielzeug bist.“

Wie konnte er sich dessen so sicher sein. Damals hatte er vermutet, dass Kai ihm das selbst erzählt hätte, aber das konnte er wohl ausschließen.

„Er hat mal gesehen, wie Kai die Moonlightbar beobachtete. Deshalb hat er dort wahrscheinlich einen seiner Spione hingeschickt.“
 

Eine seltsame Frage regte sich in Tyson. „Warum hat Kai die Bar beobachtet?“

„Natürlich weil er dich vermisst hat. Der sitzt seitdem er dich abserviert hat zu Hause rum wie ein Häufchen Elend. Er geht dich ständig heimlich beobachten.“

Tyson spürte das erröten seiner Wangen. Kai sah ständig nach ihm!? Der kleine Hoffnungsschimmer - der wuchs seitdem er die Wahrheit über Kai wusste - bekam gerade wieder erneute Nahrung.
 

„Ich vermute, irgendjemand dort hat eure Beziehung missverstanden und rumerzählt ihr hättet eine Affäre.“

Tyson dachte angestrengt nach. „Mehrere haben mich dort mit Kai gesehen, aber wer würde schon sicher behaupten wir hätten eine Affäre!?“

Der Blauschopf dachte angestrengt nach und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

„Shuichi!“
 

**^^**
 

„Groß, silberne Haare, sportlich. Kam mir persönlich etwas zu blass vor.“

Shuichi, Tysons Freund aus der Bar, versuchte sich gerade daran zu erinnern, wie der Typ ausgesehen hatte, dem er erzählt hätte, Tyson und Kai hätten eine Affäre.

„Kannst du dich an mehr erinnern?“ Tyson stand mit bittendem Blick vor ihm und sah ihn eindringlich in die Augen.
 

Sie hatten noch bei Ray gegessen und dann waren er und Tala zur Bar aufgebrochen. Im Moment war noch nicht viel los und somit hatten sie Shuichi der heute Dienst hatte, kurz in eine Ecke zum Sprechen ziehen können.
 

„Er hatte einen … ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll“, sagte Shuichi und legte den Kopf nun schief. „Seine Augen schienen einen gefangen zu nehmen. Hypnotisierend vielleicht.“

„Ich weiß schon um wen es sich handelt“, unterbrach ihn Tala. „Der Kerl heißt Garland.“
 

„Ein Bekannter von dir?“, fragte Shuichi und begutachtete Tala mit unverhohlenem Interesse. Tyson brummte und sah genervt zur Seite. Shuichi hatte eine sehr gesunde Libido. Alles was nicht zu lange fackelte landete in ihn. Anfangs hatten die beiden so ihre Probleme miteinander gehabt, schließlich war Shuichi Kanes Affäre gewesen.
 

Zumindest war Tyson klar geworden, dass nur Shuichi es gewesen sein konnte, der Gerüchte um eine Affäre hätte entfachen können. Als eines Nachts Kai wieder in der Bar aufgetaucht war um Tyson zu besuchen, hatte Shuichi auch Kai mit gierigen Blicken aufgegessen. Damals war die Beziehung zwischen Kai und ihm noch unklar und so wollte er vor dem Anderen nicht behaupten, Kai wäre sein Freund.
 

Daher sagte er ihm einfach nur, sie hätten eine leidenschaftliche Affäre. Da Shuichi sich mit ihm gut stellen wollte, hatte er also die gierigen Augen auf jemand anderen gelenkt.
 

„Warum hast du ihm überhaupt das von mir und Kai erzählt?“, motzte Tyson, der Shuichis Plappermaul verfluchte. „Das geht die Gäste doch nichts an. Auch deine Affären geht es nichts an, falls du mit ihm in die Kiste gesprungen bist.“

„Der Kerl kam mir zu suspekt vor, als das ich eine heiße Nacht mit ihm verbracht hätte“, sagte Shuichi und er schien zu frösteln. „Der hat mir sogar ein wenig Angst gemacht.“
 

„Und warum hast du es dann verzählt?“

„Ich… ich…“, begann Shuchi, „ich weiß es nicht. Ich wollte eigentlich gar nicht mit ihm reden, aber als er mich nach Kai fragte, habe ich irgendwie alles erzählt was ich über ihn und dich wusste. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, dann verstehe ich mich selber nicht.“
 

Er sah nun Schuldbewusst auf den Boden. Anscheinend zermarterte er sich gerade den Kopf, warum er überhaupt mit diesen Garland geredet hat. Dabei suchte er verzweifelt den Boden nach Antworten ab. Tyson bekam augenblicklich ein schlechtes Gewissen, weil er ihm so angefahren hatte, denn Shuichis Qual schien echt zu sein.
 

„Ich wollte dich nicht anfahren, aber…“

„Dich trifft keine Schuld“, sagte Tala und legte seine Hand auf Shuichis Schulter ab. Dieser sah verwundert zu ihm auf. „Aber wenn er wieder auftaucht. Dann halte dich von ihm fern. Sag das auch den anderen Mitarbeitern hier.“

Shuichi wollte zu einer Frage ansetzen, aber Tala packte Tyson sofort am Handgelenk und zerrte ihn wieder vor die Bar.
 

„Was hat es mit diesen Garland auf sich?“, wollte Tyson gleich wissen, als sie draußen waren. „Warum erzählt Shuichi ihm etwas ohne es zu wollen?“

„Garland ist Brooklyns treuester Gefolgsmann und er ist ein Empath.“

In Tysons Kopf regte sich gar nichts bei dem Begriff „Emphat“.
 

„Er kann die Gefühle von Leuten erspüren“, erklärte Tala ausführlicher, „selbst wenn sie einen starken Willen haben. Er kann auch irgendwie in ihren Gedanken rumpfuschen. So etwas Ähnliches wie Hypnose. Ich kann das nicht richtig erklären, aber er ist auf jeden Fall gefährlich.“
 

Tyson konnte den Rest selbst schlussfolgern. Brooklyn hatte Kai vor der Bar entdeckt und hatte die Vermutung, dort gebe es etwas Interessantes. Also hat er diesen Garland dort bezüglich Kai rumfragen lassen und Shuichi der dachte, dass Kai und er eine Affäre hätten, hat das dann Garland erzählt, der es wiederrum Brooklyn erzählte.
 

„Aber dann kann Brooklyn im Grunde nicht wissen, dass Kai mehr für mich empfindet als nur… ach, wie soll ich es nennen? Lust?“

„Bist du dir sicher, dass Kais Gefühle tiefer gehen?“ Der Rothaarige wollte Tyson nicht verwirren oder von Kai abringen, aber er wollte testen, wie ernst es Tyson mit Kai war.
 

Er wünschte sich wirklich Kai würde endlich zu seinen Gefühlen stehen und Tyson nicht immer wieder von sich wegschubsen. Aber das konnte nur passieren, wenn er hartnäckig blieb, deshalb musste er den Blauschopf testen. Waren seine Worte nur Phantasie, oder wollte er wirklich um den Russen kämpfen.
 

Tyson dachte kurz nach, doch dann antwortete er mit fester Stimme und seine braunen Augen fixierten Talas eisblaue mit aller Stärke. „Es steht mir vielleicht nicht zu über Kais Gefühle zu reden, aber ich weiß, dass er mehr für mich empfindet, als er zugeben will. Und endlich weiß ich auch, warum er mich trotzdem so abgefertigt hat. Ich will nicht, dass Kai seine Gefühle verbirgt nur weil er glaubt mich beschützen zu müssen!“
 

Tala hielt weiter seinen kalten Blick, aber trotzdem hielt Tyson dem mit seinen trotzigen braunen Augen stand. Dann schloss der Russe seine Augen und lächelte. Kai war bei Tyson in guten Händen.
 

„Zurück zum eigentlich Thema“, sagte er und sah in den Nachthimmel empor. „Vielleicht haben wir Glück und Brooklyn schenkt dir kein Interesse mehr, weil er dich für eine unwichtige Affäre hält. Mit dem Biss hat er schon mehr Aufwand betrieben, als sonst für ihn üblich wäre. Schließlich hat Kai haufenweise Affären.“
 

Nur für den Bruchteil einer Sekunde schimmerte in Tysons Augen Schmerz auf.

„Ich habe aber mehr die Befürchtung, dass er schon von Anfang an mehr dahinter vermutet hat“, murmelte Tala.
 

Und dann lief es Tyson eiskalt den Rücken runter. An diesen Abend in der Bar…

„Willst du mir nicht ein wenig Gesellschaft leisten, Tyson?“

„Ich würde mit dir gern über einen gemeinsamen Bekannten reden.“

„Ich weiß nicht, was Kai dir über mich erzählt hat, aber ich bin keine schnelle Nummer für notgeile, selbstverliebte Egomanen.“
 

Du meine Güte. Brooklyn war nicht hinter ihm her gewesen! Er wollte nur Informationen über Kai aus ihm raus locken. Er selbst hatte ihn auf seine Fährte gebracht, als er ihm deutlich machte, dass Kai ihn anscheinend verletzt hatte.

„Ich habe mir mein eigenes Grab geschaufelt“, stotterte Tyson und Tala wurde so aus seinen Gedanken gerissen. „Ich dachte, Brooklyn wäre ein Freund von Kai und ich habe ihm klar gemacht, dass ich nicht nur ein One-Night-Stand bin. Davor wollte er nur mit mir reden. Über Kai.“
 

Tala starrte ihn fassungslos an. In seinem Gehirn setzten sich die Rädchen zu einer Lösung zusammen. Seine Hand zuckte als wolle er Tyson eine Ohrfeige verpassen. Instinktiv wich Tyson zurück und schaute ihn aus ängstlichen Augen an.
 

Durch diese Aktion hielt Tala an sich und ballte stattdessen die Hand zu einer Faust und ließ sie zur Seite zucken. Tyson gab einen erstickten Laut von sich, als die Faust auf die Wand traf und dort eine eindeutige Delle hinterließ und leicht bröckelte.
 

„Man kann von dir nicht verlangen jedem Gegenüber misstrauisch zu sein. Du konntest es nicht wissen und es war dein gutes Recht deine Ehre zu verteidigen.“ Er zog die Hand zurück und rieb sich die Knöchel. „Außerdem scheint er trotz allen nicht hinter eure wahre Beziehung gekommen zu sein. Sonst hätte er dicht nicht einfach nur gebissen.“
 

Sie standen noch einen Moment ruhig da. Jeder seinen Gedanken nachschweifend.

„Wir sollten zurückgehen. Es ist schon dunkel.“

Dann machte er einen Schritt auf Tyson zu und umfasste seine Schulter und schob eine Hand unter seine Beine als Tyson instinktiv zurückwich.

„He, was wird das?“, fragte Tyson perplex.
 

„Ich trage dich. Was denn sonst?“

„Kommt jetzt wieder die Beschützernummer?“, entrüstete er sich.

„Nein, ich habe nur keinen Bock, das wir ewig brauchen, weil du lahm bist. Ich kann lässig über die Häuser springen. Wenn du das auch kannst, darfst du gerne selber laufen.“
 

„Ähm… öhm… Ich kann es ja versuchen?!“

Talas spöttischer und auf ihn herabschauender Blick ließ ihn vermuten, dass er ihn nicht glaubte.

„Ich will trotzdem nicht, dass du mich auf den Armen trägst.“
 

Talas Mundwinkel zuckten und ohne das Tyson auch nur einen Ansatz zum Protest machen konnte, packte Tala seine Beine, warf ihn über seine Schulter und sprang auf den Balkon des nächsten Hauses, sprang auch noch die anderen hinauf und schon ging es von Hausdach zu Hausdach. Tyson war zu schockiert um zu schreien.
 

**^^**
 

Seine Lungen brannten, seine Füße fühlten sich an, als wären sie im Schnee erfroren. Und dennoch, trotz dieser Qualen rannte er weiter. Er drückte die Hand auf die Wunde an seiner Seite. Es war kein tiefer Schnitt und er konnte mit der Versorgung warten bis er in Sicherheit war. Aber es war noch ein weiter Weg durch den Wald und bis zu seinem Dorf.
 

Während er rannte und ihm unter anderem Zweige ins Gesicht peitschten, versuchte er die Hoffnung zu fassen, dass sie beide es geschafft hatten. Nachdem er verwundet worden war und somit einen anderen Weg einschlagen musste, hatte er ihn aus den Augen verloren.
 

Er hatte ihm zum Schluss noch ein aufmunterndes Lächeln zugeworfen. Das mochte er an den anderen sehr. Selbst in den schlimmsten Momenten raffte er sich zu einem Lächeln auf um anderen Mut zu schenken.
 

Plötzlich spürte er einen Zug am Bein. Er hatte sich mit den Fuß in einer Wurzel verfangen und konnte den Sturz nicht mehr verhindern. Mit dem Gesicht voraus fiel er in den tiefen Schnee. Geschockt und vom Schmerz geblendet blieb er für den Moment liegen.
 

Er lauschte in die Stille des Waldes hinein. Hier hörte er einen Vogel sein Nachtlied singen, dort hörte er einen Wolf heulen. Weder Schritte noch Rufe waren zu hören. Mühsam stemmte er die Hände in den Schnee und rappelte sich wieder auf.
 

Als er stand, ließ er sich erstmal gegen einen Baum fallen und atmete die kühle Nachtluft in seine brennenden Lungen. Nun da er nicht mehr rannte, fühlte er die Kälte um sich herum noch mehr und die Wunde an seiner Seite pochte so intensiv, dass es fast seinen gesamten Körper erschütterte.
 

Dennoch fühlte er sich erstmals sicher. Wenn seine Verfolger noch hinter ihm her wären, dann hätten sie ihn schon gepackt noch bevor er auf den Boden aufgeschlagen wäre. Er stieß sich vom Baum ab, erhöhte den Druck auf seine Wunde und humpelte durch den Wald. Sein Fuß war wohl jetzt auch noch verstaucht.
 

Wenn er es bis zum Dorf schaffen würde, dann wäre alles gut. Er hatte schon schlimmere Wunden gehabt und sein Vater hatte schon von schlechteren Situationen erzählt. Er würde es schaffen und er sicher auch.
 

Nach ein paar Minuten hörte er auf einmal ein schweres Atmen. Es kam von der Seite und mit geweiteten Augen und zitternden Körper drehte er sich langsam zum Geräusch hin. Das Atmen ging rasselnd, die Gestalt war nur Schemenhaft zu erkennen. Den Konturen her konnte es sich nicht um ein Tier handeln.
 

Aber war es ein Mensch? Auf jeden Fall schien die Person ihn noch nicht wahrgenommen zu haben. Leise und bedacht ging er ein paar Schritte näher heran. Der Schnee dämpfte zwar seine Geräusche, aber machte dabei andere knirschende Laute. In ihm regte sich der Instinkt des Weglaufens, aber wer auch immer da vor ihm stand; er schien verletzt.
 

Nun näher, konnte er erkennen, wie die Gestalt sich an die Brust fasste und sich mit einer Hand vom Baum abstützte. Auf dem Schnee im Boden bildete sich eine Blutlache. Er schluckte schwer und trat einen weiteren Schritt nach vorne. Nun schien die Person die Geräusche des Schnees gehört zu haben. Durch die Gestalt ging ein Zucken und das rasselnde Atmen hatte sich eingestellt. Er blieb in seiner Position stehen.
 

Im selben Augenblick schoben sich die Wolken am Himmel weiter und der Mond warf einen Lichtstrahl durch den Wald und er erkannte das flammende orange Haar. Sofort stützte er nach vorne, vergaß seine eigenen Schmerzen und fasste den anderen an der Schulter.
 

„Was ist los mit dir?“, fragte er voller Panik in der Stimme. „Du bist schwer verletzt!? Schnell sag mir was passiert ist!“

Die Gestalt drehte nun den Kopf ein wenig in seine Richtung und der Atem ging wieder rasselnd. Nun fiel sein Blick auf den Hals der Person und er erkannte, dass die eine Seite Blutverschmiert war und nur ganz schwach nahm er die zwei kleinen, runden Wunden war.
 

„Brooklyn?“

Er trat einen Schritt zurück, aber in dem Moment drehte sich die Gestalt gänzlich zu ihm um, riss den Mund auf, offenbarte die spitzen Zähne, die Augen weit aufgerissen und rot glühend. Und schon packten ihn Hände und mit einem unmenschlichen Schrei stürzte es sich auf ihn.
 


 

Kai schreckte augenblicklich hoch. In Hast und Not sah er sich im Raum um. Das Wohnzimmer. Er selbst saß auf dem Sofa. Draußen war es bereits dunkel. Er muss eingenickt sein. Sein Atem ging genauso schnell wie eben im Traum. Schwer und schmerzhaft. Er fasste sich an seinen Hals.
 

Dort wo keine Narbe zu sehen war, fühlte er den Schmerz von vor 150 Jahren. Wäre dies alles doch nur ein furchtbarer Albtraum geblieben, aber es war die Vergangenheit. Die Zeit als sich sein Leben gedreht hatte und er nicht nur einen Freund verlor, sondern auch einen Feind bekam.
 

Mit zitternden Händen fuhr er sich über das Gesicht und rieb sich die Augen. Er spürte die Unruhe die ihn trieb seitdem er nicht mehr regelmäßig auf die Jagd ging. Ihm fehlte die Genugtuung Gutes zu tun und Menschen zu schützen. Im Moment schaffte er es aber nicht mal den Menschen zu schützen, der ihm am nächsten stand.
 

„Du kannst dich doch überhaupt nicht auf die Jagd konzentrieren. Überlass es mir für die nächsten Nächte.“

Das war Rays Antwort gewesen, als er ihm wegen der nächsten Schicht gefragt hatte. Diesen Anruf hatte er vor vielleicht einer Stunde getätigt, wie er wahrnahm als er jetzt auf die Uhr schaute.
 

Tala hätte Tyson mitgenommen um ein paar Informationen zu sammeln. Er hatte geknurrt als ihm klar wurde, dass der Rothaarige mit Tyson zusammen war. Er hatte ihm das Jochbein gebrochen und dafür hatte ihn Tala das Tyson-Verbot erteilt. Gespräche über den Blauhaarigen liefen nicht gut, da Tala es nicht lassen konnte ihn aufzuziehen und zu provozieren und er reagierte schlichtweg empfindlich auf dieses Thema.
 

Er fühlte sich immer noch unruhig und beschloss daher, kurz vor die Tür zu gehen und frische Luft zu schnappen. Er schritt in den Gang und dann auf die Eingangstür zu. Er ließ sie hinter sich offen und lehnte sich an den Rahmen. Durch die Nacht schauend rieb er sich wieder Mals über die Augen. Er sah jede Einzelheit in der dunklen Gegend.
 

Sie wohnten am Stadtrand und daher gab es hier nur vereinzelt Häuser. Sie fielen als ruhige Nachbar nicht auf und es interessierte sich auch keiner für sie. Das Haus gehörte dem Orden dem sie angehörten, daher war es für die Menschen hier nicht ungewöhnlich, dass die Bewohner stets Nachtaktiv waren. Vor ihnen hat ein anderes Vampirjäger Team hier gewohnt, aber diese wurden nach Europa versetzt, weil sie einer bestimmten Gruppe hinterherjagten.
 

Da Kais Vater japanischer Abstammung gewesen war, sprach er selbst sehr gut Japanisch neben dem Russisch. Er erklärte sich also ziemlich schnell dafür bereit, den Posten zu übernehmen und aus Russland wegzuziehen, wo es im Moment sowieso genug Vampirjäger gab, da ihr Orden dort seine Wurzeln hatte. Als neuer Partner für ihn und Tala wurde ihnen Ray zugeteilt.
 

Kai wusste noch von seinem anfänglichen Misstrauen gegenüber dem Chinesen. Er hatte Partner stets gemieden und billigte nur Tala an seiner Seite. Aber irgendwie hatte es der Chinese mit seiner coolen und gleichzeitig spitzbübischen Art geschafft in ihr Team zu kommen und auch willkommen zu sein. Inzwischen war Kai froh, Ray zu haben.
 

Wenn es nicht seine Fähigkeiten als Vampirjäger waren – welche ausgesprochen bemerkenswert waren – so war es doch seine Art Dinge immer auf den Punkt zu bringen und nicht drum herum zu sprechen. Es war gut jemanden zu haben, der einen immer alles klipp und klar sagte. Tala tat das zwar auch, aber dabei versuchte er immer gleichzeitig ziemlich gehässig zu sein.
 

Gerade als Kai an den Rothaarigen mit seinem fiesen Grinsen dachte, landete dieser plötzlich direkt vor seinen Füßen. Mit einem lauten Rums landete Tala auf seinen Füßen und stützte gleichzeitig seinen Stoß mit einer Hand ab. Dann richtete er sich auf und grinste Kai entgegen.
 

„Oh, Abend, Kai! Beim frische Luft schnappen?“

Kai wollten gerade dem Mund aufmachen um zu fragen, wo Tala gerade herkam, denn seines Wissens nach müsste doch Tyson bei ihm sein, aber bevor er auch nur den Gedanken an ein Wort fassen konnte, streckte Tala schon die Arme aus und keine Sekunden später, fing er schon jemanden darin.
 

Jetzt stockte Kai der Atem als er sah, dass das Bündel, welches völlig verängstigt und zitternd in Talas Armen lag, Tyson war.

„Ich konnte es einfach nicht lassen ihn noch ein wenig zu ärgern“, grinste Tala flachsig und bedachte den schockierten Tyson in seinen Armen. Dieser hatte die Arme und Beine starr an den Körper gezogen, starrte mit weit aufgerissen Augen gerade aus und seine Zähne klapperten unaufhörlich aufeinander.
 

„Bist du wahnsinnig?!“, blaffte ihn der Graublauhaarige an und überwand den Abstand zwischen ihnen.

„Ach komm“, meinte Tala und lächelte den anderen unschuldig an. „Ich hab schon aufgepasst, dass ihm nichts passiert. Aber gegen Schluss hat Tyson plötzlich wieder angefangen zu meckern, weil ich ihn mir über die Schulter geworfen hatte und da dachte ich mir, ich bring ihn wieder zum Schweigen.“
 

Kais Händen zuckten schon wieder bedrohlich, doch statt sich zu einem weiteren Schlag hinreißen zu lassen, atmete er lieber tief durch und versuchte seine Gelassenheit wieder zu erlangen. Tyson schien sich allmählich auch zu beruhigen, denn er hörte auf zu zittern, schaute kurz empört zu Tala hoch, wälzte sich aus dessen Armen und als er wieder am Boden stand, trat er Tala so kräftig gegen das Schienbein, dass dieser sogar kurz aufschrie.
 

„Was soll das denn?“, fragte Tala, der sich scheinbar wirklich fragte, warum Tyson ihm gegenüber so undankbar war.

„Mach das nie wieder!“, keifte Tyson ihn an. „Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen.“ Tyson sah sich nun um und anscheinend realisierte er jetzt erst Kai, denn als er sich bewusst wurde, wie nah sie sich im Moment standen, zuckte er merklich zusammen und bewegte sich sofort von Kai weg indem er ein paar Ausfallschritte zur Seite machte.
 

Kai bemerkte dieses verschreckte Tun und unterdrückte schmerzlich die aufkommende Trauer in seinen Augen.

„Wieso bringst du ihn überhaupt hierher?“, fragte Kai und zeigte mit dem Finger auf Tyson. „Sollte er nicht noch ein paar Tage bei Ray bleiben.“

„Tja, Ray hat noch einen anderen Job und muss auf die Jagd gehen“, sagte Tala beiläufig.
 

Das verstand Kai. Auch wenn Brooklyn ein Riesenproblem war. Er war nicht das einzige Monster auf der Welt. „Er sagt, in den Westblockruinen sei es in letzter Zeit zu mehr Unfällen gekommen. Wir sehen uns das an.“

„Wir?“, fragte Kai misstrauisch.
 

„Ray will, dass ich ihn begleite. Was ich will, interessiert natürlich niemanden.“

Tyson schaute zwischen Tala und Kai hin und her und als er den skeptischen Blick auf Kais Gesicht bemerkte, wurde ihm klar, was das alles für ihn bedeutete. Im Grunde kam er bei dem Gespräch kaum mit, aber den Schluss konnte er selber ziehen.
 

„Soll das heißen, ich soll hier bleiben? Mit Kai?“, fragte er völlig überrumpelt und sah nun direkt zu Kai. Der verzog nur das Gesicht und starrte stur in eine andere Richtung.
 

„Leider ja“, seufzte Tala, aber echt klang das nicht wirklich. „Kai!“, sagte er nun etwas strenger und zwang Kai sich wieder ihm zuzuwenden. „Das Verbot besteht weiterhin. Wenn ich wiederkomme, will ich einfach nur ins Bett fallen und nicht erst eure Überreste aufräumen, weil ihr euch gefetzt habt.“

Er warf noch einen letzten bösen Blick auf Kai und rannte dann schon wieder davon. Auf einen Fenstersims eines Hauses, auf das Dach und schon war er wieder in der Dunkelheit verschwunden.
 

Tyson drehte sich zu Kai um und Kai wandte nach einer kurzen Zeit auch den Kopf wieder zu ihm. Fetzen würden sie sich ganz bestimmt nicht, aber dennoch würde dies eine lange Nacht werden. Dessen waren sich die beiden sicher, als sie die gegenseitige Sehnsucht in ihren Augen sahen.
 


 

Was kann ich noch großartig sagen. Ähm, ich hoffe es hat euch gefallen. Wie schon am Anfang erwähnt, dasss ist nur die Hälfte des Kapitels. Ich hoffe, euch hat die Sequenz von Kais Vergangenheit gefallen. Die Idee war mir eher spontan gekommen. Alles immer nur über Erzählungne erklären zu lassen, fand ich doof, deswegen habe ich diese kleine Erinnerungssequenz eingebaut. Vielleicht wirft sie fragen auf, vielleicht fand es jemand total überflüssig. Ihr könnt euch in den Kommentaren ruhig austoben. Bis zum nächsten Mal *winkewinke*

Jeder verdient ein wenig Glück

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

There is no world without worries

Nachdem ist das letzte Kapitel etwas schneller fertig hatte, habe ich für dieses wieder länger gebraucht. Allerdings habe ich es beibehalten, dass Kapitel an einen Stück zu schreiben, was die Qualität um einiges verbessert.
 


 


 

Kai hielt den warmen Körper in seinen Armen und streichelte über den verschwitzten Rücken. Tyson war gegen seine Brust gesunken und atmete zwar gleichmäßig, aber immer noch schwer. Für ihn war klar, dies war nun doch kein Fehler gewesen. Lange hatte er sich dagegen gewährt dieses Gefühl zu genießen. Die Nähe eines wichtigen Menschen. Doch jetzt, da er Tyson im Arm hatte, er immer noch die Nachwirkungen des eben geschehenen spürte, so konnte er sich einfach nicht verwehren, dass dies ein perfekter Augenblick war.
 

Sachte hob er den Körper des anderen hoch, damit er aus ihm gleiten konnte, und legte ihn neben sich. Er langte nach der Decke und breitete sie über Tyson aus. Dann betrachtete er weiter versonnen das hübsche Gesicht. Mit streichelnden Bewegungen wischte er die verirrten Haarsträhnen aus dem Antlitz seines Geliebten und setzte auf die Stirn einen sanften Kuss.
 

Nach ein paar Minuten schien dann der Blauhaarige wieder zu Bewusstsein zu kommen. Er drückte die Augen zuerst noch mehr zusammen bevor er sie langsam öffnete. Die verhangenen Augen mussten erst zweimal blinzeln, bevor sie, zuerst etwas verwundert, doch dann voller Glück, zu Kai hochschauten.

„Du bist geblieben“, hauchte er erschöpft.
 

Kai lächelte auf diese Bemerkung hin und legte eine seiner Hände an Tysons Wange. Tyson legte seine Hand darüber und schmiegte sich an die Hand.

„Genau das habe ich damals so sehnlichst vermisst“, sagte er und zog Kais Hand runter zu seinen Lippen um einen Kuss in die Handinnenfläche zu hauchen.
 

Kai beugte sich daraufhin weiter zu Tyson herunter und verschloss nun seinen Lippen mit den rosigen Gegenpaar. Nach den eben noch heißen Küssen wirkte dieser Kuss gerade zu leicht wie eine Feder und einfach nur beruhigend. Als er ihre Lippen wieder trennte schaute er mit etwas verunsicherten Augen zu Tyson.
 

Tyson wurde sofort wieder ängstlich und hielt Kais Hand fester in seiner eigenen.

„Bitte“, sagte er flehentlich „sag mir nicht wieder, dass dies ein Fehler war.“

Kai entzog Tyson seine Hand und drehte sich mit dem Rücken zu ihm. Tyson setzte sich hinter ihm auf und wollte schon etwas sagen, aber dann besann er sich und legte Kai nur die Hand auf die Schulter.
 

Kai fühlte die warme tröstende Hand auf seiner Schulter und legte seine darüber. Er wünschte sich nichts sehnlicher als die Nähe dieses Menschen für immer zu spüren.

„Es wird nie einfach und normal sein“, sagte er müde. Nicht müde vom Tag, sondern müde von über hundert Jahren weglaufen.
 

Tyson schmiegte sich an seinen Rücken und setzte einen Kuss auf das Schulterblatt.

„Wann sind Beziehungen schon einfach?!“

„Und ich habe viele Feinde.“

„Wer hat das nicht?“
 

Kai lächelte, drehte sich wieder Tyson zu und nahm in den Arm. Tyson kuschelte sich an die Brust, während ihm Kai schützend umfing.

„Inzwischen ist mir eines ganz klar geworden“, erklärte Kai leise. „Wenn ich dich weggeschubst habe, weil ich die eigentlich beschützen wollte, so war ich derjenige der das an dir zerstörte, was ich so sehr an dir liebe.“

„Und was ist das?“, fragte der Japaner und schaute mit fragenden Augen zu Kai hoch. Doch Kai grinste nur zurück.
 

„Die Tatsache, dass du dies noch fragen musst.“

Tyson blinzelte verwirrt und schaute nun zur Seite.

„Kapier ich nicht.“
 

Kai drückte den Körper mehr an sich. Ja, diesen Menschen würde er bis zu seinen letzten Atemzug beschützen. Sollte Brooklyn doch nur kommen, er würde nicht zulassen, dass er ihm etwas antat. Tyson war sein Licht der Hoffnung in der Jahrelangen Enge aus Blut und Hass.
 

Er war derjenige der ihm Liebe brachte von welcher er gedacht hatte, er könne sie nicht empfinden. Er war die Unschuld die ihm das Gefühl gab, irgendwo in sich doch noch menschlich zu sein. Und bei Gott, dass schwor er sich, er würde nicht zulassen dass man diese Wesen zerstörte. Vor allem Brooklyn würde es nicht nochmal gelingen, einen Menschen das Leben zu nehmen, so wie er es damals bei Tala getan hatte.
 

„Was liebst du denn so an mir, dass du so hartnäckig geblieben bist?“, fragte Kai nun seinerseits. Im Grunde waren ihm solche Dinge nicht wichtig, aber es interessierte ihm schon warum dieser Junge so hartnäckig bei ihm geblieben ist, obwohl er ihm so weh getan hatte. Tyson kicherte und vergrub sich in Kais Brust.
 

„Jetzt sag bitte nicht der Sex“, meinte Kai ein wenig entsetzt.

„Nein, du Depp“, sagte Tyson und sah nun mit unschuldigen Augen zu Kai empor. „Ich steh einfach nur auf coole Jungs.“

Kai sah mehr als entsetzt auf Tyson herab. „Das ist alles?“
 

„Natürlich nicht alles“, sagte Tyson und winkte ab. „Es war auch die Tatsache, dass du, obwohl du so cool warst, auch einfach diese anderen Seiten an dir hattest. Du warst eifersüchtig, fürsorglich, sanft, erotisch, verlangend, hilfsbereit, arrogant, …“
 

„Hei, das bin ich überhaupt nicht alles“, empörte sich Kai.

„Und das alles versuchst du hinter deiner coolen Maske zu verstecken“, beendete Tyson seine Erklärung. „Es ist toll, wenn jemand so Gefühlvoll ist, ohne seine Gefühle vor sich her zu tragen.“

Kai grinste schelmisch. „Kapier ich nicht.“

Beide mussten daraufhin lächeln.
 

„Aber weißt du was“, sagte Tyson und begann nun an Kais Brustwarze herumzuspielen. „Der Sex ist natürlich auch ein guter Grund.“ Daraufhin nahm Tyson Kais Brustwarze zwischen die Lippen und begann an ihr zu saugen. Kai zog scharf die Luft ein und drückte Tyson von sich weg und in die Kissen, dann platzierte er sich über ihn. Tyson war zuerst ein wenig überrascht so plötzlich wieder unter Kai zu liegen, doch er lächelte nur und seine Hände wanderten zu Kais Mitte. Kai knurrte und krampfte seine Hände in die Laken.
 

„Ich habe eine Menge Ausdauer“, sagte er mit dunkler Stimme zu Tyson hinunter. „Ich hoffe doch, du auch.“
 

**^^**
 

Nach ca. 10 Minuten kehrte Tala wieder aus dem Obergeschoss zurück.

„Und? Hat jeder brav in seinen Bettchen gelegen?“, fragte Ray. Tala setzte sich zu ihm auf das Sofa.

„Zuerst nahm ich ja das schlimmste an“, sagte Tala. „Ich habe Tysons Kleidung im Bad des Gästezimmers entdeckt. Sie lagen im Waschbecken und wurden gerade eingeweicht. Von Tyson keine Spur.“
 

„Okay“, sagte Ray langsam und kombinierte. „Die Küche ist aufs feinste gesäubert.“

„So sauber war sie noch nie“, setzte Tala hinzu.

„Tyson ist nicht in seinen Zimmer, aber seine Kleidung schon mal in Wasser eingeweicht. Ich würde nun vermuten, die beiden haben sich gezankt, Kai ist ausgerastet und hat daraufhin versucht alle Beweise zu vernichten.“
 

„Von seiner Laune her, wäre das gar nicht mal so abwegig“, meinte Tala und wiegte ein wenig den Kopf hin und her.

Natürlich scherzten sie beide nur. Aber sie waren wirklich überrascht gewesen, als sie gegen 4 Uhr morgens zurückkehrten und weder Kai noch Tyson hielten sich im unteren Bereich des Hauses auf.
 

Tala hätte darum gewettet, dass Kai in der Küche oder im Wohnzimmer finster die Wand anstarren würde, während Tyson verzweifelt versuchte ein Gespräch mit ihm zu begingen. Das beide friedlich in ihren Betten schlafen würden, wäre das letzte gewesen was er angenommen hätte.
 

„Also wo steckt jetzt Tyson“, fragte Ray und in seiner Stimme schwang schon etwas Besorgnis. „Wenn Kai ihn wieder aus dem Haus geekelt hat, dann will ich lieber nicht wissen, wo er gerade ist. Mit viel Glück, irrt er einfach nur durch die Stadt.“
 

„Ich denke er ist in Kais Zimmer“, sagte Tala und man sah eindeutig, dass er versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. „Zumindest habe ich kurz in Kais Zimmer geschielt.“

„Und was sollen die beiden da gemacht habe. Karten gespielt?“, brummte Ray, der sich nicht vorstellen konnte, dass der Obersturkopf Kai endlich zur Vernunft gekommen war.
 

„Also entweder Tyson war bei ihm im Bett“, sagte Tala und nun sah Ray ihn ungläubig an. „Oder Kai ist dazu übergegangen Liegestützen im Bett zu machen. Nackt!“
 

**^^**
 

Es war acht Uhr morgens als Kai das erste Mal sein Zimmer verließ. Er schielte den Gang entlang. Kein Anzeichen von Tala. Gut so, er wollte sich hämische Kommentare ersparen. Leise wie eine Maus trabte er nun den Korridor entlang.

„Habt ihr es bis jetzt getrieben?“
 

Mit einem knurren drehte sich Kai zu Tala herum, der im Türrahmen seines Zimmers stand und ihn neugierig musterte.

„Seit wann bist du zurück?“, fragte Kai und versuchte dabei alltäglich zu klingen. Talas Frage ignorierte er vollkommen.

„Seit ein paar Stunden. Habe sogar schon geschlafen. Es wundert mich nicht, dass du es nicht mitgekriegt hast.“
 

„Gab es Probleme bei der Jagd?“

„Nur ein kleiner Vampir. Der war schnell erledigt“, nun linste Tala wieder zu Kai hoch. „Ich habe ja zumindest eine Aussprache erwartet, aber ich hätte nicht gedacht, dass Tyson dich gleich knackt. In jeder Hinsicht.“

Kai schnaufte und wollte Tala eigentlich eine seiner üblichen gemeinen Antworten entgegenwerfen, aber er war es leid. „Auch ich habe meine Grenzen“, mit traurigen Augen fügte er noch hinzu. „Und ich liebe ihn nun einmal.“
 

Tala musterte seinen Freund mit fürsorglichen Augen. Er liebte Kai ebenfalls, nur auf eine andere Art und Weise wie Tyson. Ihm war das Wohl dieses Vampirs sehr wichtig. Kai hatte ihn ein neues Leben geschenkt und hatte sich stets um ihn gekümmert. Und in all dieser Zeit hatte er immer wieder bemerkt, wie schwer sich Kai mit der Liebe tat.
 

Im Grunde hatte er nie welche gehabt, aber sich gleichzeitig danach gesehnt. Zahlreiche Affären bedeuten nicht unbedingt notgeil zu sein, es ist mehr ein Beweis dafür, dass man versuchte das Loch in sich zu füllen. Auch Tala war ein Versuch das Loch zu füllen. Aber Tala konnte es nur hin und wieder überdecken.
 

„Mit meinen zweimal kann ich jetzt wohl nicht mehr angeben“, meinte Tala und kratzte sich am Hinterkopf.

Kai machte nur „Hm“ und ging weiter, doch im Gehen sagte er noch. „Du hattest übrigens Recht. Die Reiterstellung ist gut. Aber noch lange nicht die beste.“

Tala schnaufte und nuschelte „Angeber“.
 

Kai konnte es sich einfach nicht verkneifen selig zu lächeln. Ja, sie hatten es viele Male getan in dieser Nacht. Irgendwo war Kai sogar Dankbar, dass Tyson schon vor ihm eine Beziehung hatte, denn deswegen war Tyson ein exzellenter Liebhaber.
 

Er war vor nichts zurückgeschreckt und wusste genau, wie er Kai entgegenkommen konnte auch wenn dieser mal die Oberhand hatte. Dabei hatte Tyson eine ungewöhnliche Ausdauer an den Tag gelegt, doch nun war er eingeschlafen und Kai wollte Frühstück für ihn machen. Außerdem musste er Tyson Kleidung bringen. Er wollte gar nicht daran denken was passierte, wenn Tala seinen Engel so sah, wie Gott ihn schuf.
 

In der Küche sammelte er Brötchen zusammen, goss Kaffee auf und trank sein morgendliches Blut gleich hier unten.

„Kannst du mir mal erklären, warum die Küche so verdammt sauber ist.“ Tala betrat die Küche mit einer Bettfrisur und barfuß.

„Geh pennen!“

„Verrecke!“
 

Kai murmelte russisch und legte Brötchen samt Aufstrich auf ein Tablett.

„Du bringst ihn Frühstück ans Bett?“, fragte Tala geschockt. „Okay, wo ist Kai und was hast du mit ihm gemacht?“

„So was nennt man Beziehung. Eine Hure wie du hat davon natürlich keine Ahnung.“

„Ich möchte nur mal daran erinnern, wer mich immer böse angrummelte er wolle sein Morgenblut, nachdem er mich die ganze Nacht durchgevögelt hatte. Wie ich dich kenne, wird Tyson den ganzen Tag über nicht laufen können.“
 

Es herrschte Stille während Kai darauf warten musste, dass der Kaffee durch war.

„Und Brooklyn“, tastete sich Tala nun in ein gefährlicheres Gebiet vor.

„Der wird ihm kein Haar krümmen“, zischte Kai zwischen zusammengepressten Lippen. „Ich werde es nicht zulassen, dass er nochmal das Blut von jemand vergießt, den ich liebe.“
 

Der Kaffee war nun fertig und Kai stellte auch die Kanne auf das Tablett und gesellte dazu zwei Tassen.

„Der Schmerz über den Tod deiner Familie heilt wohl nie“, sagte Tala sanft.

Kai nahm das Tablett und ging auf die Tür zu. Im Türrahmen blieb er nochmals stehen und wandte sich zu Tala um.

„Gerade meinte ich nicht meine Familie.“
 

Sie sahen sich in die Augen und Tala wusste, was Kai wirklich meinte. Liebe hat viele Gesichter. Tala lächelte noch nachdem Kai schon die Treppe hochstieg.

„Aber nur für Tyson empfindest du die eine Liebe.“
 

Kai ging wieder zurück zu seinen Zimmer, mit den Ellbogen öffnete er vorsichtig die Türe, darauf bedacht, nichts von dem guten Frühstück zu verschütten und betrat den Raum. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, als er erkannte, dass Tyson immer noch schlief. Nachdem sie sich mehrere Male geliebt hatten, war Tyson schlussendlich eingeschlafen. Er hatte ihn dabei fest in den Arm genommen und sich ebenfalls ein wenig ins Land der Träume begeben. Doch er hatte nicht viel Schlaf gebraucht.
 

Er stellte das Tablett auf den Nachttisch ab und betrachtete die friedliche Gestalt in seinem Bett. Nachdem er aufgestanden war hatte sich Tyson auf die andere Seite gelegt und einfach ein Kissen zum schmusen herangezogen.
 

Die Decke war nur ein Laken, dass den zierlichen und doch kräftigen Körper perfekt umschmiegte und dabei nichts der Fantasie überlies. Doch selbst das Laken lag nur auf den unteren Bereich.
 

Der Oberkörper war frei ersichtlich und nur von der blauen Haarpracht überdeckt, die jedoch jetzt zur Seite rutschte, als Tyson sich im Schlaf etwas regte. Als die blaue Haarpracht sich teilte, hatte Kai freien Blick auf Tysons Rücken und nun sah er etwas, was ihn stocken lies.
 

Selbstverständlich war dies nicht das erste Mal, dass er den Rücken des Blauhaarigen sah, aber es war das erste Mal, dass er ihm dabei so nah war und nicht mit etwas anderen beschäftigt war.
 

Kai legte die Hand auf die weiße, leicht erhobene Stelle. Eine Narbe. Klein, aber in merkwürdiger Form. Fast wie ein Rechteck. Sie war unterhalb der linken Schulter und gleich daneben befand sich eine weitere Narbe. Genau dieselbe Form. Kai erkundete den Rücken weiter.
 

Hier und da entdeckte er weitere dieser Narben. Er zählte 6 Stück. Manche intensiver als die andere, aber sie schienen alle durch dasselbe verursacht worden zu sein.

Durch die Finger an seinen Rücken wurde Tyson wach. Er rieb sich über die Augen und sah Kai mit müden Augen an.
 

„Jetzt bin ich aber doch müde“, murmelte er und glaubte wohl, Kai hatte ihn wieder erregen wollen. Dabei setzte er sich auf und drehte sich zu dem Graublauhaarigen.

„Hm“, machte Kai nur und fasste Tyson an die Schulter um ihn wieder mit den Rücken zu sich zu drehen.

„Hei, was soll denn das?“, fragte Tyson belustigt und ließ es zu, dass Kai nun wieder seinen Rücken musterte.

„Woher hast du die Narben?“
 

Sofort drehte sich Tyson wieder mit seinen vorderen Oberkörper zu Kai und schlug dessen Hand weg. Seine Augen waren weit aufgerissen und in ihnen spiegelte sich Angst. Als er Kais verwunderten Gesichtsausdruck sah, wurde ihm jedoch die merkwürdige Art seiner Handlung bewusst.
 

„Das… das kommt nur vom Kendo“, stotterte er und konnte Kai dabei nicht in die Augen sehen. „Wenn ich keinen Schutzanzug trage und dann einen Schlag auf den Rücken bekomme. Unvorsichtigkeit eben.“

„Vom Kendo?“, meinte Kai ungläubig. Er glaubte dieser Aussage nicht so richtig. Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, woher die Narben sonst kämen. Von der Größe her könnte es von der Spitze eines Bambusschwertes kommen. Aber Schläge die so hart sind, dass man sich derart verwundert?
 

„Und die Narbe an deiner Hüfte. Ist etwas zu groß für eine Verletzung aus dem Training.“

Diese Narben hatte Kai natürlich schon bei ihren ersten Mal bemerkt, sich aber nichts dabei gedacht, doch jetzt fragte er sich schon woher sie kam.

Tyson suchte hilflos mit dem Blick das Laken ab, das unter ihm lag.

„Das ist nur eine Schramme. Bin mal gegen ein Auto gelaufen. War nichts Schlimmes.“
 

Es könnte wirklich so gewesen sein, aber trotzdem hatte Kai das Gefühl, dass Tyson ihn hier etwas vorschwindelte. Die hilflosen Augen, das erschrecken. Irgendetwas war hier im Busch, aber er wusste einfach nicht was. Narben auf den Rücken… Er kannte es von Ray.
 

Nur noch viel schlimmer. Sie stammten also nicht von einer Folterung. Aber vom Kendo? Und wieso hatte Tyson so fahrig auf die Frage nach seiner Narbe auf der Hüfte reagiert. Tyson sah nun wieder zu ihm hoch und in seinen Blick lag etwas Bittendes. Die Bitte nicht weiter zu fragen. Kai schloss die Augen und beschloss, dass es in ihrer Beziehung schon genug Komplikationen gab.
 

Er gab Tyson einen Kuss auf die Stirn um ihm zu zeigen, dass alles wieder in Ordnung war. Er zog ihn auf seinen Schoß und präsentierte ihm das Frühstück. Sofort war Tyson wieder gutgelaunt und stürzte sich auf das Essen.
 

**^^**
 

Es war Mittag und Tala kam gerade vom einkaufen zurück. Er stellte eine Tüte mit Lebensmitteln auf den Tisch und stützte sich mit der anderen Hand auf den Tisch ab. Schwer seufzte er und verfluchte seine Gutmütigkeit. Kai war im Grunde mit dem Einkaufen für diese Woche dran, aber er wollte die gerade junge Liebe nicht stören und hatte es daher aufopferungsvoll übernommen.
 

Im Grunde hatte er aber nur Angst, dass Kai, wenn er zu lange von Tyson getrennt war, nur wieder Zweifel bekam und das Theater wieder von vorne losging. Als er beginnen wollte die Lebensmittel auszupacken, kam Kai mit Tyson in die Küche.
 

„Oh, du kannst noch laufen? Ich bin überrascht“, sagte er und sah Tyson an, der sofort rot anlief. Dann ging er zu einem Stuhl, legte ein Kissen darauf ab und ließ sich langsam nieder. Als er saß wurde er von einem Schmerzblitz durchzuckt und schaute vorwurfsvoll zu Kai.
 

„Oder zumindest so gut wie“, setzte Tala nach und langte gerade eine Tüte Reis heraus.

„Sag mal, soll das ein Witz sein“, sagte Kai und schaute in die Tüte, dann zog er eine Packung mit Instant-Curry heraus. „So einen Fraß esse ich nicht.“

„Das ist auch ziemlich billiger Reis“, bemerkte Tyson, der die Packung Reis zur Hand genommen hatte.
 

„Ich wollte eigentlich gerade etwas zu essen machen, aber von machen kann man bei dem Pappzeug ja nicht reden“, motzte Kai und pfefferte eine Instant-Suppe wieder in die Einkaufstüte.

„Unser Budget ist knapp und ich musste eben die billigeren Produkte kaufen“, sagte Tala trotzig und langte die Suppe wieder raus.
 

„Das ist nicht billig, das ist eklig“, bemerkte Tyson und las die Inhaltsangaben auf der Reispackung. „Ich glaube, das ist nicht mal echter Reis.“

„Unser Budget ist bestimmt nicht zu knapp“, meckerte Kai Tala an und Tyson war anscheinend heilfroh, nun nicht mehr das Ziel von Kais Gehässigkeiten zu sein, denn Tala sah ihn verschmitzt lächeln. „Wir haben jeden Monat die gleiche Menge an Haushaltsgeld und wir hatten diesen Monat keine Mehrkosten.“

„Du vergisst wohl, dass ich fast alle Gläser und Tassen neu kaufen musste“, antwortete der Rothaarige spitz.
 

Kai wollte schon zu einer neuen Schimpfparade anlegen, doch dann schaute er als sei ihm ein Licht aufgegangen und er sagte er nur kurz „Oh“ und war verstummt. Tyson sah natürlich fragend in die Runde. Kai sah jetzt aber stur in eine andere Richtung und hüstelte gekünstelt.
 

„In einem Eifersuchtsanfall - dich betreffend - hat Kai unser halbes Geschirr zerdeppert“, sagte Tala leichtfüßig an Tyson gewandt und hinter ihm bekam Kai nun wieder einen teuflischen Blick.

„Tala~“, sagte er langgezogen und gefährlich.
 

„Ich verstehe, aber das Zeug taugt lediglich zum vergiften und nicht zum essen“, sagte Tyson verständnisvoll und schob die „Reis“-Packung von sich weg.

Tala seufzte und machte einen resignierten Blick.

„Wenn wir nicht mehr genug Haushaltsgeld haben, dann besorg eben Geld!“, meckerte Kai Tala an. „Los, mach schon!“
 

„Ach und wie soll das bitte schön gehen?“, zeterte Tala zurück. „Soll ich jemanden bestehlen?“

„Du könntest anschaffen gehen“, bemerkte Kai kühl. „Für einen netten Trip kriegst du bestimmt noch gut Kohle. Bist schließlich immer noch jung und knackig.“

Tyson saß mit einem geschockten Blick da und konnte nicht glauben, was er da gerade hörte.
 

„Ein oder zwei Freier sollten reichen, damit wir für den Rest des Monats über die Runden kommen.“

Tyson traute sich kaum in Talas Gesicht zu sehen. Er konnte sich vorstellen, dass dieser gleich auf Kai losging, aber eigentlich… sah Tala ziemlich ruhig aus und grinste Kai sogar an.
 

„Tut mir leid, aber für das Gewerbe bin ich inzwischen doch wirklich zu alt“, bemerkte er lässig. „Wer will schon einen 60-jährigen alten Knacker ficken.“ Mit einem überheblichen Blick auf Kai fügte er noch hinzu. „Außerdem haben wir doch noch den Notgroschen.“

„Stimmt“, sagte Kai und dachte angestrengt nach. „Wo war der doch gleich?“

"Keine Ahnung, du verwaltest doch sonst unsere Finanzen.“
 

Kai warf wieder einen giftigen Blick auf Tala und Tala sah mit einen überheblichen zurück. Auch wenn das Gespräch zwischen den beiden doch recht amüsant war, so knurrte Tysons Magen inzwischen doch schon ziemlich. Nach dem Frühstück hatte er sich noch ein bisschen schlafen gelegt und war danach lange und ausgiebig duschen gegangen. Allerdings ohne Kai.
 

Schließlich machte es keinen Sinn sich zu duschen, wenn sie gleich wieder schmutzig wurden. Danach hatte sich Tyson, die ein wenig zu großen Sachen von Kai angezogen und diesen angejammert, dass er Hunger habe. Kai hatte die Augen verdreht und etwas gemurmelt von „Haare vom Kopf fressen“, aber schließlich hatte er sich bereit erklärt für Tyson ein Mittagessen zuzubereiten.
 

„Ähm, ich will ja nicht stören“, sofort richteten sich die gefährlichen Blicke von Tala und Kai auf ihn, aber Kais Blick wurde bei seinen Anblick auch schon etwas zärtlicher. „Aber ich habe wirklich Hunger. Auf richtiges Essen“, fügte er noch hinzu und schielte dabei auf die Einkaufstüte und die bereits ausgepackten Artikel. Alles Instantkram mit mehr Geschmacksverstärker als natürlichen Zutaten.
 

Kai stöhnte und fasste sich an die Stirn. „Ich glaube, ich habe den Notgroschen irgendwo bei mir im Zimmer versteckt. Das sollte auch dafür reichen, dass wir uns vorerst etwas vom Lieferservice bringen lassen, bis jemand“, dabei sah er Tala in die Augen, „wieder einkaufen gegangen ist.“
 

Kai wandte sich schon zur Tür um und wollte gerade rausgehen, als er nochmal kurz innehielt und an Tala gewandt meinte: „Ich will dich noch kurz etwas fragen, wegen der Jagd von letzter Nacht. Beweg dich also!“

Mit einen Kopfschütteln, wegen Kais kein bisschen netter Bitte, folgte ihm Tala aus der Tür und die Treppe hinauf. Tyson zog gerade eine weitere Packung Instant-Nudeln zu sich, roch daran und ließ sie dann angewidert fallen.
 

Als sie im oberen Stockwerk ankamen, ging Kai in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich ab und wandte sich dann mit einen ernsten Blick an Tala.

„Was willst du wirklich“, fragte dieser mit wissendem Blick. Er hatte gleich geahnt, dass es nicht um die letzte Nacht ging. Allerdings konnte sich Tala auch nicht vorstellen, was Kai sonst von ihm wollte.
 

„Ich glaube nicht, dass ich dich das wirklich fragen will“, begann Kai und schüttelte den Kopf, „aber kennst du die Narbe auf Tysons Hüfte.“

Tala schaute Kai nun wirklich überrascht an. Tysons Hüfte? Das war nun wirklich ein Bereich, den er nur zu einem Zeitpunkt gesehen haben konnte. Und sonst hatte Kai dieses Thema doch immer gehasst. Doch Kais ernster Blick verriet Tala, das es hierbei nicht um eine Eifersuchtsnummer ging, sondern er wollte etwas wissen, was nur er ihm beantworten konnte. Tala dachte angestrengt nach.
 

„Linke Hüfte?“, sagte er und versuchte sich an Tyson zu erinnern, als sie vor ungefähr einen halben Jahr miteinander geschlafen haben. Er schloss die Augen und sah den zierlichen Körper mit den feinen Muskeln vor sich. Er hatte Tyson das Hemd hochgezogen und dann etwas entdeckt.
 

„Muss ich deswegen aufpassen?“
 

„Ja, er hatte damals eine Narbe auf der Hüfte“, sagte Tala und öffnete wieder die Augen. „Ich habe ihn sogar darauf angesprochen, da sie noch relativ neu wirkte. Ich wollte nicht, dass sie ihm plötzlich aufgeht und er mir mittendrin verblutet. Schließlich mag ich es wild und he…“
 

„So genau, wollte ich das gar nicht wissen“, sagte Kai hastig und schüttelte den Kopf. Sein Tyson mit Tala im Bett. Das wollte er sich gar nicht vorstellen. „Hatte er damals gesagt, woher er die Narbe hatte?“

„Ich glaube, ich habe ihm danach gefragt“, grübelte Tala und versuchte sich noch mehr an jene Nacht zu erinnern. „Warte eine Sekunde… Er hat mich erschreckt angesehen und etwas gemurmelt. Was war es noch gleich?“
 

„Ist nur von einer OP und schon wieder ganz verheilt.“
 

„Ja, er sagte, es wäre von einer OP. Von was für einer habe ich nicht nachgefragt. Schließlich interessierte es mich nicht.“

Kai stöhnte schon wieder genervt auf. Tala hielt nichts von Smalltalk bevor er richtig zur Sache kam. Das war wahrscheinlich noch ein Überbleibsel von seinen Beruf. Da hat es schließlich auch niemanden interessiert, wenn er was zu sagen hatte.
 

Doch nun wurde Kai mulmig zumute. OP-Narbe? Ihm hatte Tyson was von einem Autounfall erzählt. Okay, er könnte von einen Auto angefahren worden sein und musste daraufhin operiert werden, aber irgendwie hatte er ihm das mit dem Auto nicht abgekauft. Deshalb hatte er Tala ja überhaupt danach gefragt. Manchmal erzählte man jemanden, den man nur für eine Nacht sah, die Wahrheit, die man vor einen Menschen, zu dem man eine engere Beziehung hatte, verheimlichte.
 

„Tyson hat dir eine andere Story erzählt. Hab ich Recht?“, erkannte der Rothaarige, nachdem er lange genug Kais Blick gemustert hatte.

„Hast du auch Narben auf seinen Rücken gesehen? Sie sind klein und fein“, fragte Kai ohne auf die Feststellung von Tala einzugehen. Tala versuchte sich wieder zu erinnern, aber im Grunde hatte er nie wirklich einen genauen Blick auf Tysons Rücken gehabt. Auch weil seine langen Haare das meiste immer verdeckt hatten.

„Daran kann ich mich nicht erinnern“, sagte er schließlich.
 

Kais Blick war gen Boden gerichtet und er sah dabei sehr verdrossen aus.

„Ist dir auch aufgefallen, dass er manchmal zurückschreckt?“

„Ach Kai“, sagte Tala genervt. „Das kannst du ihm doch wirklich nicht verübeln. Auch wenn er so tut als würde es ihm nichts ausmachen, aber er hat immer noch daran zu kauen, dass du ein Vampir bist. Gib ihm noch etwas Zeit.“

„Er verheimlicht mir etwas“, flüsterte Kai und sah traurig zu Tala. „Warum tut er das? Vertraut er mir nicht?“
 

„Nun spinn nicht rum“, sagte Tala und gab den Graublauhaarigen absichtlich einen härteren Klaps auf den Rücken. Kai stolperte ein paar Schritten nach vorne und funkelte ihn sofort böse an. „Du bist ein untotes Wesen! Ich glaube, eure Probleme haben sich in letzter Zeit nur darum gedreht. Sobald das ein wenig abgekühlt ist, wird er dich bestimmt mit seinen Problemen überhäufen. Aber im Moment erscheinen die ihm vermutlich nur lächerlich und er hat Angst, dass du bei dem kleinsten Kieselstein, der eurer Beziehung im Weg steht, sofort wieder einen Rückzug machst.“
 

Mit einen Augenzwinkern verließ Tala nun Kais Zimmer und sah mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, dass Kai wirklich erleichtert durchatmete.
 

**^^**
 

Tyson las sich gerade die Inhaltsangabe des Instant-Currys durch, als Tala in die Küche zurückkehrte.

„Wo hast du das Zeug überhaupt her?“, fragte er ihn. „Die ganzen Zutatenangaben sind in Anführungsstrichen geschrieben und der Rest sind irgendwelche chemischen Begriffe.“
 

Tala langte sich aus dem Kühlschrank einen Beutel mit Blut, ließ etwas davon in eine Tasse fliesen, stellte den Beutel zurück und setzte sich schließlich an den Tisch.

„Wenn dir was nicht passt, kannst du ja nach Hause gehen“, antwortete Tala schließlich gelangweilt und ließ sich sein Blut schmecken.
 

Tyson machte einen Schmollmund und brummte etwas Ähnliches wie: „Darf ich ja nicht.“

Tyson schielte zu Tala rüber, der ihm gegenüber saß. Tala schielte über seine Tasse hinweg zu Tyson.

„Was?!“

„Stört es dich nicht, wenn Kai dich behandelt wie… na ja… wie…“

„Eine Hure?“

„Ich wollte Prostituierter sagen.“
 

„Nein“, sagte der Rothaarige knapp und er sah wie Tyson verwundert das Gesicht verzog, seufzte und zur Seite schaute. Tala seufzte ebenfalls schwer. „Ich war mal eine Hure. Oder Prostituierter.“

Wenn überhaupt möglich, so wurde Tysons Gesichtsausdruck noch verwunderter.

„Als Mensch“, fügte Tala hinzu, „also vor gut 40 – 50 Jahren lebte ich in Moskau und überlebte nur, indem ich meinen Körper verkaufte.“
 

Nun sah Tyson etwas beschämt aus. „Tut mir leid“, stammelte er dann und sah mit aufrichtigen Augen zu Tala. „Hätte ich das gewusst, hätte ich nicht gefragt.“

Tala schnaufte missbilligend. „Du meinst also, ich lasse mich derart von Kai behandeln und flippe dann aus, wenn du nach dem Grund fragst?“
 

Tyson machte mit den Händen eine Geste als wolle er etwas abwiegen. Natürlich glaubte er nicht, dass Tala wegen seiner Frage pikiert war, aber für sein Verständnis fragte man sowas einfach nicht. Es war unhöflich. Und er konnte sich eine schönere Vergangenheit vorstellen, als die eines Prostituierten. Dennoch hatte ihn das nun neugierig gemacht.
 

Er wusste quasi nichts von Tala, außer dass er gut im Bett und wie Kai ein Vampir mit Seele war. Er wollte ihn nicht auf ein solches Thema ansprechen. Schließlich redete er auch nie über Kane und wenn Max es ansprach, dann lenkte er das Gespräch immer schnell in eine andere Richtung.
 

„Du bist neugierig, habe ich Recht?“, fragte Tala, der anscheinend seine Gedanken lesen konnte. Man sah ihm auf dem Gesicht auch bestimmt den Kampf zwischen Neugier und Höflichkeit an.

„Na ja, ich weiß einfach nichts über dich“, meinte Tyson nach ein paar weiteren Überlegungen.

Tala seufzte und schien einen Moment zu überlegen.
 

„Über mich gibt es auch nicht viel zu erzählen“, begann an der schließlich. „Ich lebte im Russland der Nachkriegszeit. Kannst dir wohl vorstellen, dass das nicht schön war. Mein Vater war im Krieg gefallen und meine Mutter starb an einer Krankheit als ich 10 war. Daraufhin kam ich ins Waisenheim.“
 

Tala schloss die Augen. Es fühlte sich an, als wäre dies die Geschichte eines anderen und nicht seine eigene. Es war schon länger her und er war noch klein gewesen als seine Eltern starben. Nur ganz schwach konnte er sich an das Gesicht seiner Mutter erinnern und so gut wie gar nicht, fühlte er den Schmerz, den ihr Tod verursacht hatte.
 

„Das Waisenhaus war nicht viel besser als die Straße selbst. Schlechtes Essen, eine grausame Hierarchie und mit spätestens 15 wurdest du an Fabriken zum Arbeiten verkauft.“

Tyson zog scharf die Luft ein und sah zur Seite. Vor 40 – 50 Jahren. Er hätte eigentlich gedacht, damals wäre es in der Welt schon gerechter zugegangen.
 

„Mit 13 Jahren hatte ich schließlich genug Mumm um von dort abzuhauen. Ich lebte ein paar Monate, indem ich kleinere Taschendiebstehle beging, doch zum überleben reichte das kaum. Und Leben konnte man das schon zweimal nicht nennen. Also geriet ich an einen Zuhälter. Mein erstes Mal hatte ich mit einen brutalen Kerl, der mir dreckige Wörter an den Kopf warf.“
 

Tyson schaute ganz beschämt zur Seite, hielt sich die Hand vor dem Mund. Ja, er war Neugierig gewesen, aber diese Neugier war ihm nun vergangen. Tala hatte eine schlechte Vergangenheit und er sollte sie ihm nicht entlocken.

„Das tut mir Leid“, nuschelte er zwischen den Fingern hervor, aber Tala wischte die Bemerkung weg.
 

„Keiner hat mich dazu gezwungen. Um ehrlich zu sein. So war es mir lieber, als mit den Leben jeden Tag auf der Schippe zu stehen. Ich hatte nun eine Unterkunft. Na ja, es war das mieseste Viertel in der miesesten Gegend, aber immerhin ein Dach über den Kopf. Ich musste nicht hungern und habe unter den anderen Strichern auch ein paar Freunde gemacht. Im Grunde waren wir zwar Konkurrenten, aber das Leben dort ist so mies, da freust du dich über jeden Menschen, der dir nicht nur Feind ist.“
 

Es herrschte einen kurzen Moment Stille zwischen ihnen. Tyson verdaute das alles erst mal, aber Tala versuchte sich an die Gefühle von damals zu erinnern. Scham, Angst, aber auch Träume und Hoffnung… Ihm erschien sein Leben von früher so unwirklich, aber an diese Zeit konnte er sich noch gut erinnern.
 

Im Gegensatz zu der Zeit im Waisenhaus war das Leben als Stricher ein Paradies gewesen. Sein Zuhälter war Jähzornig, aber wollte natürlich nicht, dass wertvolle Ware zugrunde ging. Und er hatte damals einen guten Freund gehabt. Sie hatten sich gegenseitig umeinander gekümmert. Er verzog das Gesicht zu einer Maske als ihm klar wurde, das Bryan wahrscheinlich nicht mehr lebte.
 

„Und wie hast du dann Kai kennengelernt?“, fragte Tyson der hoffte, dass dies eine schönere Geschichte sein würde.

Tala begann sogar wirklich zu lächeln. „Einer meiner Freier entpuppte sich als Vampir, der mehr Interesse an meinen ,inneren‘ Werten hatte. Kai tauchte aber noch rechtzeitig auf und hat ihn gepflockt. Er wollte natürlich, cool wie er ist, mit einem schnellen Abgang verschwinden, aber ich ließ ihn nicht. Ich wollte mich bei ihm bedanken. Allerdings hatte ich nur eins zu bieten und du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm seine Belohnung geben wollte.“
 

Tyson musste auch unbeabsichtigt lächeln.

„Du musst verstehen, er stand damals noch nicht wirklich auf Männer. Ich mag sogar behaupten, er war noch Jungfrau. 100 Jahre war er damals schon alt gewesen und selbstverständlich hatte er sich alle Menschen vom Leib gehalten. Und da tauche ich auf einmal auf und biete ihm meinen Körper als Lohn an. Auf jeden Fall entstand dann daraus unsere Freundschaft, weil ich Kai nicht aus den Augen gelassen habe, bis er endlich seine Belohnung annahm.“
 

Tyson lächelte immer noch etwas scheu. Also hatte Tala auch schöne Erinnerungen an seine Zeit als Mensch. Aber dennoch fragte er sich, wie er zum Vampir geworden war. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kai ihn verwandelt hatte.

„Es war wirklich eine nette Zeit“, sagte Tala, doch dann wurde sein Gesicht ernster. „Zumindest bis Brooklyn kam.“
 

Talas Gesichtsausdruck hatte sich nun verfinstert und Tyson wusste, dass er heute nichts weiteres mehr erfahren konnte. Er schaute traurig zur Seite und wurde sich wieder einmal bewusst, wie viel Leid es auf der Welt gab. Seine eigenen Probleme kamen ihn so unbedeutend vor.
 

So lächerlich waren doch seine Probleme mit Kane gewesen, wenn er daran dachte, wie viel Freunde und Familie ihn damals wieder auf die Beine geholfen haben. Und im Grunde war es seine eigene Schuld gewesen. Schließlich hatte er sich nicht von ihm trennen wollen.
 

Tala bemerkte seinen traurigen Blick.

„Tyson“, sagte er deutlich, „für Leid gibt es keinen Maßstab.“

Tyson verstand nicht was Tala ihm damit sagen wollte. Aber Tala wusste eines gewiss. Das hatte er schon damals geahnt, als er Tyson zum ersten Mal getroffen hatte.
 

Mit einen zufriedenen Lächeln fuhr er die wohlgeformte Brust ab. Schon lange hatte er nicht mehr so ein schönes Sahneschnittchen gehabt. Der Kopf hing seit seiner Frage zu der Narbe etwas nach unten. Mit den Fingerspitzen hob er den Kopf an. Die braunen Augen waren wunderschön und tiefgründig, doch nun wirkten sie traurig und verunsichert. Er beugte sich vor und setzte einen vorerst sanften Kuss auf die Lippen, den er aber schnell intensivierte. Dabei strichen seine Hände die Seiten hinab bis zum Hosenbund. Dann wanderten sie nach vorne, öffneten Gürtel, Knopf und Reisverschluss und streiften die Hose schließlich etwas nach unten. Seine Hände wanderten nun nach hinten und umfassten die knackigen Backen. Er beendete den Kuss und schaute wieder in die Augen, die schon einen gewissen Hunger in sich hatten und schließlich löste sich von den feuchten Lippen eine leise Bitte.

„Könntest du sanft sein?“
 

Tala hatte damals nicht gefragt und er würde es auch jetzt nicht tun.

„Endlich gefunden“, sagte Kai, der eben wieder zur Tür hereinkam und einen Umschlag in der Hand hielt. Er wirkte leicht außer Atem. „Es war in der hintersten Ecke, meines hintersten Schreibtisches, im hintersten Eck meines Zimmers.“
 

„Du hast das Zeug versteckt, nicht ich.“

Während Tyson nun seine Wünsche äußerte was er essen wollte, und während Kai sich darüber beschwerte, dass Tyson ein Vielfraß war, beäugte Tala die beiden mit gemischten Gefühle.
 

Es war schwer über manche Dinge zu reden. Tysons Worte damals ließen ihn nur vermuten, was ihm zugestoßen war, aber es war nicht seine Aufgabe es Kai zu erzählen. Tyson musste das selbst tun. Aber Tala wusste wie schwer es war darüber zu reden, wenn man misshandelt und missbraucht worden war.
 


 

Für mich leitet dieses Kapitel auch einen neuen Teil der Fanfic ein. Denn nun sind und bleiben Tyson und Kai auch zusammen. Doch wie der der Titel des Kapitels schon sagt: There is no world without worries.

Verunreinigt und geschändet (Teil 1)

Wer auf den Titel geachtet hat, wird merken, dass dies wieder ein aufgeteiltes Kapitel ist. Eigentlich sollte es eins werden, aber ich habe dann mehr Hintergrundinformationen hineingepackt als vorher beachbsichtigt und mit einem Kapitel wäre es dann zu voll geworden. Ich denke aber, dass das nächste Kapitel nicht allzu lange auf sich warten lassen wird, da es ja eng mit diesen verknüpft ist. Viel Spaß beim lesen.
 


 


 

Max machte einen dunklen Gesichtsausdruck. Es war eine Mischung aus Unglauben, Zweifel und Misstrauen.

„Ich weiß, wie sich das für dich anhören muss“, versuchte Tyson ihn zu beschwichtigen, „aber glaub mir, ich bin mir der Liebe zu Kai sicher und er wird mich nicht mehr verletzen.“
 

„Vor ein paar Tagen hast du mir gesagt, er hätte ein komisches Geheimnis und nun sagst du mir, ihr seid zusammen“, sagte Max mit sarkastischem Unterton. „Entschuldige, aber ich kann mein Misstrauen nicht vollständig ausschalten.“

„Er liebt mich, Max“, sagte Tyson nachdrücklich. „Und ich liebe ihn. Er wird mir niemals wehtun. Er ist nicht der Typ dafür.“
 

Max seufzte. „Ich habe auch nicht das Gefühl, dass er eine dunkle Seite hinter seinen Sunnyboy-Sein verbirgt. Denn seine dunkle Seite trägt er schon offen vor sich her. Ich bin zwar noch etwas skeptisch, aber das kommt eher daher, dass ich ihn für etwas skurril halte.“

Tyson grinste und umarmte Max. Max war zwar etwas überrascht, aber er drückte Tyson ebenfalls an sich.
 

Tyson war die Zustimmung des Blondhaarigen wichtig. Schließlich war er sein bester Freund und er vertraute ihm blind. Er hatte ihm immer zur Seite gestanden und wenn Max seinen Segen für die Beziehung mit Kai gab, dann hatte auch Tyson ein besseres Gefühl bei der ganzen Sache.
 

Tyson entließ Max aus der Umarmung und wendete sich wieder seinen Sachen zu. Er würde noch ein paar Tage bei Kai bleiben. Zum einen wollten sie ihre Beziehung auskosten, zum anderen fand es Kai so sicherer. Er wusste noch nicht genau, ob Brooklyn von Tyson ablassen würde oder ob nur für kurze Zeit Ruhe eingekehrt war.
 

Außerdem fühlte sich Tyson zu Hause nicht mehr sicher, seitdem dieser Ozuma einfach eingestiegen war. Nachdem sie also ihr Bestellessen vom Chinesen genossen hatten und Ray bei ihnen rein geschneit war, hatte Kai ihn gebeten Tyson mit nach Hause zu begleiten, die wichtigsten Sachen zu holen und neue Schlösser an den Türen anzubringen. Natürlich dieses Mal auch mit Vampirsicherung.
 

Wenn man Amulette und Mixturen an den richtigen Stellen einsetzte, dann konnten Vampire nicht mehr in diese Häuser gelangen. Eigentlich hatte Kai selber mit Tyson gehen wollen, aber mit der Vampirsicherung kannte sich Ray nun einmal besser aus und außerdem hatten er und Tala sich einen Streit geliefert, weil Tala es nicht einsah nochmal alleine einkaufen zu gehen, wenn Kai eigentlich an der Reihe war.
 

Und sie mussten alles nochmal einkaufen, denn in einen Wutanfall hatte Kai den gesamten Kram, den Tala gekauft hatte, aus dem Fenster geworfen, weil er ihn sogar für den Müll zu schlecht war. Also hatte Ray Tyson mit dem Motorrad hierhergefahren. Zuvor hatte Tyson aber noch Max angerufen und gesagt, dass er jetzt für einen Moment zu Hause wäre und er doch bitte vorbei kommen sollte, weil er ihm was erzählen wollte.
 

Und jetzt, während sich Ray den Schlössern im Haus widmete, hatte sich Tyson das Okay von Max eingeholt und suchte nun auch noch seine Unisachen für den morgigen Tag zusammen.
 

Max stand ein wenig unsicher im Raum und als Tyson gerade die Bücher zusammensuchte, die er für morgen benötigte, kam Max schließlich mit seiner größten Sorgen heraus.

„Und hast du es ihm schon gesagt?“, fragte er zaghaft.

Tyson drehte sich zu Max und schaute ihn ein wenig verwundert an. Er legte die Bücher zu den anderen Sachen und wand sich dann wieder ganz an Max.
 

„Was genau meinst du?“, fragte er ratlos. Im Gegensatz zu Kai wuchsen Tyson keine längeren Eckzähne, was sollte er ihm also zu erzählen haben. Dass er ein Nimmersatt war, hatte Kai schon am eigenen Leib erfahren; dass er aufbrausend war ebenfalls. Dann war da noch seine Dickköpfigkeit, die Kai von zwei Wochen ohne Sex kannte und seine Schmollaktionen, an die er sich noch erinnern musste, als er Max mal zu einen „romantischen“ Abend eingeladen hatte.
 

Komische Sexpraktiken kannte er nicht und Max wäre auch der letzte, der davon erfahren sollte. Also wusste Tyson wirklich nicht, was er Kai noch zu erzählen hatte.

„Ich finde“, begann Max und schaute dabei streng in Tysons Augen. „du solltest ihm erzählen, wie das damals mit Kane war.“
 

Sofort weiteten sich Tysons Augen und er ließ einen Stapel Hemden fallen, die er gerade aus dem Schrank geholt hatte. Er schüttelte kurz den Kopf und kniete sich um die Hemden wieder aufzuheben. Max ging ebenfalls in die Knie und half ihm. Er versuchte dabei wieder Augenkontakt zu Tyson herzustellen, aber die braunen Augen waren gen Boden gerichtet.
 

„Wenn du eine ernsthafte Beziehung zu ihm aufbauen willst, dann muss er das wissen.“ Max versuchte den vorigen Gesprächsgegenstand wieder aufzunehmen, aber Tyson schüttelte nur den Kopf. Packte schnell das letzte Hemd und schmiss sie achtlos auf das Bett. Dann ließ er sich darauf nieder.
 

„Ich kann ihm das unmöglich erzählen“, sagte er kraftlos. Mit großen und ängstlichen Augen sah er zu Max, doch der stand fest vor ihm. „Wenn er das erfährt… er wird mich verachten.“
 

Tyson fühlte wieder diesen Klos in seinen Hals. Diesen Klos den er gefühlt hatte, als er seinen Großvater und Hiro hatte alles erzählen müssen. Ihre mitleidigen Blicke würde er nie vergessen. Genauso wenig wie die vorwurfsvollen von Max, als er alles erfahren hatte und er sich weigerte sich von Kane zu trennen.
 

Nachdem Kane verschwunden war und er endlich wieder seinen normalen Leben nachgehen konnte, hatte er sich geschworen die ganze Sache hinter sich zu lassen. Aber so einfach war das nicht. Es war jetzt fast ein Jahr her und noch immer… noch immer…
 

„Du kannst es unmöglich für dich behalten, Tyson“, sagte Max streng und verschränkte nun auch die Arme vor der Brust. „Du hast immer noch Albträume.“

„Die hat man auch so“, sagte der Blauhaarige fest, aber er konnte Max einfach nicht ansehen. Sonst hatte Max immer ein Grinsen auf seinem Gesicht und die blauen Augen wirkten stets einfühlsam, doch auch den harten Blick hatte er drauf und mit diesen strafte er nun Tyson.
 

„Normale Albträume, ja. Aber du wachst immer noch schreiend auf und schlägst um dich.“

Tyson biss sich auf die Unterlippe und blickte nun zur Seite.

„So schlimm ist es doch gar nicht mehr“, sagte er dennoch trotzig.
 

Von Max kam nun ein hohes, freudloses lachen. „Als ich vor zwei Wochen bei dir übernachtet habe, hast du ganz schön geschrien bis ich dich wach hatte. Und als du vor circa zwei Monaten bei mir übernachtet hast, hast du mir sogar ein blaues Auge geschlagen, als ich versuchte dich zu wecken.“
 

Tyson schloss gequält die Augen. Er wusste, er konnte es nicht ewig vor Kai verstecken. Zwar hatte er wirklich nicht mehr so oft Albträume wie früher und er konnte auch wieder normal damit umgehen, wenn jemand vor ihm sauer wurde oder harsche Bewegungen machte.
 

Er hatte wieder ein ganz normales Leben geführt und nur die Albträume blieben. Aber was wenn Kai auffallen würde, wie er oft er immer noch Albträume hatte und was er dann schreien würde. Was wenn er sich einen Reim daraus machen konnte? Wenn er hinter die Wahrheit käme?
 

Max setzte sich nun zu Tyson aufs Bett und legte einen Arm um ihn.

„Ich weiß, dass dir das schwer fällt. Aber er wird es doch merken. Die Narben… wenn ihr euch nahe seid, dann wird er sie früher oder später entdecken.“

Tyson schreckte auf, doch dann drehte er den Kopf auf die andere Seite, dass Max ihm nicht mehr ins Gesicht sehen konnte.
 

„Tyson?“, sagte Max nun wieder strenger, „er hat sie doch nicht etwa schon entdeckt?“

Anstatt zu antworten stand Tyson auf und ging zur Tür. Er wollte weg von der Situation bevor die Erinnerungen wieder hochkamen. Er umfasste die Türklinke, öffnete die Tür einen Spaltbreit, doch schon war Max da und schlug die Türe wieder zu. Dann schaute er wütend in Tysons Gesicht.
 

„Du hast ihm irgendeine Lüge aufgetischt. Habe ich Recht?!“, brauste er auf und seine Hand die auf der Tür lag wurde zur Faust.

„Er hat die Narben auf meinen Rücken entdeckt. Die auf meiner Hüfte kannte er schon. Und ja, er hat gefragt“, murmelte Tyson, doch dann schaute auch er hoch in Max‘ Gesicht. „Verdammt, wir sind doch gerade erst mit vielen hin und her zusammengekommen. Ich wollte das nicht gleich wieder mit meinen Problemen belasten. Ich habe ihm erzählt, dass die Narben auf den Rücken vom Kendotraining kommen.“
 

Tyson wurde nun auch lauter. Aber er fühlte sich im Moment im Recht. Was hätte er denn auch tun sollen? Gerade hatte ihm Kai gestanden, dass er ihm liebte und dann sollte er schon mit seiner Vergangenheit einhergehen. Kai hatte viel größere Probleme als er. Und schlussendlich war es seine eigene Schuld gewesen. Er hatte es zugelassen. Er hatte sich nicht von Kane trennen wollen. Er hatte sich nicht gewehrt.
 

„Vom Kendotraining?“, fragte Max und seine Stimme vibrierte nun vor Wut. Die blauen Augen wurden zu Schlitzen und er zitterte sogar vor Wut. „Du hast die Narben, weil Kane dich mit einem Gürtel ausgepeitscht hat! Sogar mit der Verschlussseite.“ Bei diesen Worten torkelte Tyson zurück an die Wand. Die Worte, die Max aussprach, brachten die verdrängten Erinnerungen wieder hoch. „Du hattest drei gebrochene Rippen!“
 

Tyson stieß an die Wand und sah Max aus bittenden Augen an. Er wollte es nicht hören. Er wollte nicht daran erinnert werden, doch die Erinnerung wurde immer stärker.

„Und warum hat er das getan? Weil du ihm widersprochen hast? Weil du dich mit jemand anderen unterhalten hast? Weil du seiner Meinung nach zu spät gekommen bist?“
 

Tysons Kopf flog aufgrund des festen Schlages zur Seite. Er hielt sich die Wange und sah in Kanes wutentbranntes Gesicht. Er hatte es ausgesprochen. Er hatte Kane gesagt, dass er ihn nicht schlagen sollte. Und was hatte Kane geantwortet? Gar nichts! Er hatte nur mit der Hand ausgeholt und ihn wieder geschlagen. Dann kam Kane auf ihn zu und packte ihn grob bei den Schultern.
 

„Ich und dich schlagen?“, fragte er und es hörte sich an wie ein Witz, nachdem er es doch gerade wieder getan hatte. Kane schüttelte ihn und Tyson wusste, er musste nun aufsehen, sonst würde der nächste Schlag folgen. Er versuchte tapfer die Tränen zu unterdrücken, als er seine rehbraunen Augen öffnete und in die dunklen von Kane sah.
 

„Ich gebe dir nur was du verdienst, nachdem du wieder in der ganzen Stadt herumgehurt bist.“

„Ich war nur mit einen alten Freund einen Kaffee trinken“, versuchte Tyson mit fester Stimme zu sagen. „Wir haben uns zufällig getroffen.“
 

Kane sah immer noch verachtungsvoll in Tysons Augen, die nicht so aussahen als würden sie sich wie sonst immer in Demut abwenden. Kane packte nun Tyson fester bei den Schultern und zog ihn so zu sich heran, so dass er seine Lippen auf die von Tyson drücken konnte. Tyson wollte sich aus dem Kuss winden, doch Kane hatte ihm an Hinterkopf gepackt und ließ nicht zu, dass Tyson entkam.
 

Doch, als der Kuss brutaler wurde, weil Kane ihm auf die Lippe biss, da er seine Lippen nicht teilen wollte, drückte er seine Hände gegen Kanes Brust und schaffte es schließlich ihn von sich weg zu drücken. Doch er war zu unaufmerksam gewesen und im nächsten Moment verpasste ihn Kane einen Schlag mit der Faust gegen die Schläfe. Tyson konnte sein Gleichgewicht nicht mehr halten und fiel aufs Bett.
 

Sein Kopf hämmerte und er drehte sich zu Kane um, der wie ein wütender Rächer über ihn stand und verachtend auf ihn herabsah. Tyson war verängstigt. Er kannte diesen Blick von Kane. Er wollte aufstehen und versuchen aus dem Zimmer zu rennen, doch Kane war schneller und drückte ihn an den Schultern auf das Bett, so dass er ihm den Rücken zugewandt hatte. Dann machte es einen Ruck und Tyson wurde das Hemd von den Schultern gerissen.
 

Er japste erschreckt auf und versuchte aufzustehen, doch Kane drückte ihm nun am Nacken auf das Bett und er hörte seine Stimme nah an seinem Ohr. Es war ein gefährliches Zischen. „Wag es ja nicht aufzustehen!“ Zum Nachdruck übte er etwas mehr Druck auf den Nacken aus und Tyson keuchte Schmerzvoll. Dann ließ der Druck nach und er spürte Kane nicht mehr. Er lag auf dem Bett und zitterte, weil er nicht wusste was als nächstes kam. Er hörte wie Kane ein paar Schritte zurückging, dann vernahm er ein ziehen. Was tat Kane?
 

„10 Schläge sollten reichen um dir deine Stellung klar zu machen.“

Tyson dachte verängstigt nach was Kane meinen könnte, doch schon im nächsten Moment hörte er etwas durch die Luft zischen und dann spürte er den ersten Schlag der Gürtelschnalle, die auf seinen Rücken knallte, die Haut aufriss und ihm die erste Rippe brach.
 

Tyson umfasste sich mit den Händen und versuchte wieder ruhig zu atmen. Er versuchte die Erinnerung wieder zu verdrängen. Versuchte sich nicht seine Schreie in Erinnerung zu rufen. Oder die Tatsache, dass er es ihm verziehen hatte…
 

„Du wurdest über Monate hinweg misshandelt, Tyson!“, sagte Max, der ihm nun ganz nahe stand. Tyson umfasste nun mit den Händen seinen Kopf und sank auf den Boden zusammen.
 

Er konnte nicht mehr. Die Erinnerungen, Max‘ Worte. Er hatte gedacht, er hätte es hinter sich gelassen, aber nun kam alles wieder hoch. „Kane hat dich geschlagen und missbraucht, und das obwohl du ihn geliebt hast. Wie lange glaubst du, kannst du das vor Kai geheim halten.“
 

Tysons Körper wurde nun von Schluchzern erschüttert und Max wurde klar, dass er nicht weiter machen durfte. Er kniete sich nun zu Tyson auf den Boden und nahm ihn in den Arm. Sofort klammerte sich Tyson wie in Ertrinkender an Max.
 

„Ich hasse mich für meine Schwäche“, sagte Tyson zwischen den Schluchzern, „und Kai wird mich dafür auch hassen. Er wird mich verachten, weil ich beschmutzt wurde.“
 

„Man kann dir nur vorwerfen, dass du zu gutmütig warst. Du hast immer an das Gute in Kane geglaubt. Nur leider war da nichts“, sagte Max mit ruhiger Stimme und streichelte Tyson über den Kopf. „Und du bist nicht beschmutzt. Kane konnte dir dein gutes Herz nicht nehmen.“
 

Nach einer Weile beruhigte sich Tyson und richtete sich wieder auf. Max half ihm, sich auf das Bett zu setzen, er selbst ging vor ihm in die Hocke und legte seine Händen auf Tysons Knie ab.
 

„Ich verlange nicht, dass du es ihm sofort sagst“, sagte Max eindringlich zu Tyson, aber er versuchte dabei behutsam auf ihn einzureden. Er hatte schon die Mauer des Ignorierens von Tyson durchbrochen, würde er ihm weiter traktieren, könnte das zu viel für Tyson sein. „Aber belüg ihn wenigsten nicht. Das könnte er dir wirklich vorwerfen, aber niemals wird er dich dafür verachten, weil du jemanden mehr liebtest als gut für dich war. Und weißt du auch, woher ich das weiß.“
 

Tyson schaute fragend zu Max runter. Woher wollte er irgendwas von Kai wissen. Er kannte ihn doch so gut wie gar nicht. Doch dann grinste Max. „Als du ihn eifersüchtig machen wolltest, wollte er mich lediglich aus den Haus schmeißen und hat dich nicht einmal hart angefahren. Ihm ist es fremd dir physische Gewalt anzutun und er würde somit auch nie demjenigen verzeihen, der er es dir angetan hat.“
 

Tyson schaute noch einen Moment verdutzt zu Max, aber dann huschte ein schwaches Lächeln über sein Gesicht.
 

**^^**
 

Tyson überprüfte die Vordertür. Sie sah nicht anders aus als früher. Er schaute skeptisch zu Ray.

„Soll ich vielleicht eine Vodoopuppe und Kruzifixe dran nageln?“, fragte Ray und sah ihn säuerlich an.
 

„Na ja, mir würde schon eine Erklärung reichen, was daran jetzt groß anders sein soll“, meinte Tyson und warf die Tür wieder ins Schloss.

Ray seufzte genervt und ließ einen Hammer wieder in einer Tasche verschwinden, in der auch verschiedene Gläser mit merkwürdigen Flüssigkeiten drin waren. „Ich habe das Schloss etwas kniffliger gestaltet – keine Sorge, du brauchst keinen neuen Schlüssel“, fügte er schnell hinzu als Tyson schon den Mund öffnete, „und ich habe den Türrahmen mit einen Trank eingerieben, der verhindert das Vampire dein Haus betreten können.“
 

Wieder wollte Tyson den Mund öffnen, aber bevor er fragen konnte, beantworte Ray auch diese Frage. „Kai und Tala können eintreten, nachdem du sie einmal direkt dazu aufgefordert hast.“
 

Tyson schaute kurz etwas skeptisch und besah sich dann seinen Türrahmen. „Das heißt, dass was du da hingeschmiert hast ist keine Chemie, sondern irgendeine Hexerei.“
 

„Natürlich. Wie soll man sich denn sonst Vampire vom Hals halten?!“

/Natürlich/, dachte Tyson und wünschte sich nie gefragt zu haben. Das es Vampire gab hatte Tyson inzwischen verdaut, dass Kai ein Vampir war, damit fand er sich ab, aber das er immer und überall mit okkulten Zeug und Hexerei in Verbindung kam, damit würde er sich wohl nie anfreunden können.
 

„So ich gehe dann mal wieder“, sagte Max und kam herbei geschlendert. Seine blauen Augen waren aber nicht auf Tyson, sondern auf Ray gerichtet. „Finde ich echt nett von dir, dass du Tyson mit den Schlössern geholfen hast“, sagte er an Ray gewandt und zwinkerte ihm zu. Damit Max sich nicht wunderte, warum Ray im Haus war, hatte Tyson ihm einen Teil der Wahrheit erzählt.
 

Nämlich dass Ray sein altes Schloss erneuerte. Da Max sowieso meinte, der Dojo sei das reinste Openhouse hatte er nicht weiter gefragt. Tyson war noch nicht bereit Max die ganze Wahrheit über Kai zu erzählen. Nämlich dass er ein Vampir war. Wer weiß, wann er sich dazu bereit fühlte seinen besten Freund die Wahrheit zu sagen, aber zur Zeit hatte er selbst noch das Gefühl, er müsste alles verdauen und dann wäre es natürlich töricht schon anderen davon zu erzählen.
 

In der kurzen Zeit, wo er in Gedanken versunken war, hatte Max ein Gespräch mit Ray begonnen. Die beiden sahen sich tief in die Augen und redeten über irgendetwas Belangloses. Tyson stöhnte genervt auf und ging etwas weg von den beiden. Für zwei heterosexuelle benahmen sich die beiden aber ziemlich verknallt, fand Tyson. Aber es war nicht seine Angelegenheit, ob sie es selber merkten oder nicht.
 

Er schritt den Gang entlang und hielt vor der Tür zum Dojo und dachte einen Moment nach. Er sah nach hinten und versicherte sich, dass Max und Ray noch in ihr Gespräch vertieft waren. Dann schob er die Türe zum Dojo auf und sah in den großen Raum. Er ließ den Blick schweifen und blieb schließlich an einer Stelle auf den Boden hängen.
 

Seit der Sache damals, war er fast täglich wieder im Dojo gewesen. Hier erinnerte auch nichts an die schreckliche Tat die Kane damals in diesen Raum vollführt hatte. Tyson fasste sich an die Hüfte und ertastete die Stelle, an welcher sich die Narbe befand. Es war eine OP-Narbe.
 

Ihm musste die Milz entfernt werden, weil sie geplatzt war und er drohte innerlich zu verbluten. Es war nichts, was ihm im Leben großartig einschränkte, aber die Narbe würde ihn für immer daran erinnern. Tyson seufzte und schob die Türe wieder zu. Es war schon länger her und er hatte jetzt Kai. Er sollte nicht mehr an Kane und seine Taten denken.
 

„Ihr zwei hört jetzt sofort auf mit den flirten“, sagte Tyson an Max und Ray gewandt, weil er endlich zurück zu Kai wollte. Die beiden sahen ihn mit hochroten Köpfen an und begangen sofort zu erklären, dass sie überhaupt nicht miteinander geflirtet hätten und Tyson einfach kein normales Gespräch erkennen könnte.
 

**^^**
 

Diese Bemerkung vom Vortag klang Tyson auch am Mittwochmittag noch in den Ohren, als er auf den Campus der Universität saß und Ray und Max sich wieder mit großen Augen gegenseitig anhimmelten und dabei Sandwiches verschlangen die Ray für sie am Morgen gemacht hatte.
 

Tyson stöhnte und versuchte verzweifelt in seinem Buch über die großen Kriege zu lesen, welche im nächsten Seminar zur Sprache kommen würden. Es waren aber nicht nur Max und Ray die störten. Rays Fanclub war auch wieder vertreten und himmelte ihm die ganze Zeit an.
 

Am Abend zuvor noch hatte Kai darauf bestanden Tyson am nächsten Tag zur Uni zu begleiten.

„Es kann immer noch sein, dass der Orden der Avatar und Brooklyn hinter dir her sind. Ich will deshalb, dass du auf keinen Fall alleine zur Universität gehst“, beharrte Kai beim Abendessen. Er und Tala waren mit „echten“ Lebensmitteln von ihrer Einkaufstour zurückgekehrt.
 

„Aber meine Kommilitonen werden mich langsam für eine männliche Schlampe halten, wenn ich wieder mit einen neuen Typen auftauche. Die halten Ray nämlich für meinen Lover.“

Kai verzog darauf das Gesicht.

„Ich bin doch kein völlig Fremder. Ich habe dich auch schon mal zur Universität begleitet.“
 

„Du hast mich nur dort abgesetzt und mir noch was unanständiges hinterhergerufen“, brauste Tyson auf. „Niemand der das mitgekriegt hat, würde dich als meinen ,festen‘ Freund bezeichnen.“
 

„Dann wird Ray dich eben auch morgen wieder begleiten“, sagte Kai daraufhin säuerlich. „Ich würde mich in den Vorlesungen eh nur langweilen. Ich frage mich wie du so etwas Langweiliges studieren kannst.“
 

Daraufhin war eine lange Diskussion darüber entstanden, dass Tyson sein Studium der Geschichte überhaupt nicht als langweilig empfand und Kai als Teil der Geschichte (schließlich war er schon 150 Jahre alt) sich gerade selbst beleidigt hätte.
 

Die Streiterei hatte aber aufgehört als sie schlafen gehen wollten. Um Kai nicht zu lange von Tyson zu trennen, hatte sich Tala auch in dieser Nacht wieder für die Patrouille bereit erklärt und Tyson war nach nur einer Minibedenkpause wieder zu Kai ins Bett geschlüpft.
 

Weil Tyson am nächsten Morgen früh raus musste, hatten sie in dieser Nacht auf Sex verzichtet, aber Tyson hatte sich in Kais Armen wohl genug gefühlt um eine traumlose Nacht zu haben.
 

Als er zum Himmel hochschaute bemerkte Tyson wie sich langsam grauen Wolken zusammenzogen. Wahrscheinlich würde es heute noch zu Regnen anfangen. Ray und Max hatten sich kurz entschuldigt und waren verschwunden. Angeblich mussten die beiden gleichzeitig aufs Klo.
 

Tyson vergrub sich genervt in seinem Buch und versuchte die Fragen seiner Kommilitonen zu ignorieren, die versuchten Rays Telefonnummer aus ihm rauszukitzeln. Als Ray und Max nach 10 Minuten zurückkamen wurde Tysons Laune noch um einiges schlechter und er funkelte Max bösartig an.
 

„Was ist, Tyson?“, fragte Max, der unter Tysons Blick ganz klein wurde.

„Ray hatte das Sandwiche mit der Mayonnaise und du das mit dem Ketchup“, knirschte Tyson.

„Ja, na und“, meinte Max pikiert und scharrte nervös mit den Füßen.

„Du hast Mayonnaise am Mundwinkel.“
 

**^^**
 

„Du glaubst echt, die beiden haben auf der Toilette rumgeknutscht?“, fragte Kai ungläubig und reichte Tyson einen Teller zum abtrocknen.

„Das meine ich nicht nur, ich bin mir hundertprozentig sicher“, erklärte Tyson, rubbelte den Teller trocken und legte ihn auf einen bereits ebenfalls trockenen Stapel ab.
 

Die Hausordnung im Haus war Tyson inzwischen klar. Zwar gab es einen Haushaltsplan, aber dieser wurde nur ab und zu eingehalten. Zumeist stritten sich Tala und Kai darum, wer für was zuständig war. Das ging über Sticheleien, Beleidigungen und gegenseitiges Aufzählen.
 

Irgendwann gab dann einer nach und es wurde sich darauf geeignet, dass der andere dafür eine andere Aufgabe erledigen musste. Heute hatte Tala gekocht und daher mussten Kai und Tyson abtrocknen. Talas Kochkünste waren ganz okay. Kai hatte zwar gemeint, Tala könnte nicht mal eine Suppe aufwärmen, aber da Tyson ebenfalls nicht der beste Koch war, fand er das Curry welches Tala zubereitet hatte ganz okay. Er hatte auf jeden Fall schon schlimmer gegessen.
 

„Ray ist hetero!“, betonte Kai und gab nun die letzte Gabel an Tyson weiter. „Glaub mir doch, ich habe ihn schon mit einigen Mädchen verschwinden sehen, wenn wir alle auf Tour waren.“

Tyson legte die Gabel weg und schaute Kai verdrießt an. Musste ihn dieser daran erinnern, dass er ein ausschweifendes Sexleben gehabt hatte, bevor er Tyson kennenlernte.
 

„Lass den Blick“, sagte der Grauhaarige und wandte sich von Tyson ab. „Du bist auch nicht die heilige Jungfrau Maria. Ich sage nur Tala.“

Tyson schmiss das Handtuch in eine Ecke, verließ die Küche und ging in Richtung der Schlafzimmer davon. Dort begab er sich in das Gästezimmer und schmiss die Türe hinter sich zu. Aber Kai kam ihm sogleich hinterher.
 

„Was?!“, fragte Kai, aber Tyson drehte sich nicht zu ihm herum, sondern stand immer noch mit dem Rücken zur Tür.

„Ich hatte einmal etwas mit Jemanden aus einer Bar“, sagte der Blauhaarige mit Nachdruck. „Wie viele Kerle hast du denn bitte abgeschleppt?“
 

„Das waren zu viele um sie zu zählen“, sagte Kai und er wusste sogleich, dass er etwas Falsches gesagt hatte, denn Tyson drehte sich mit wütendem Gesicht zu ihm herum. „Das wusstest du auch schon vorher“, sagte Kai mit arrogantem Tonfall. „Kannst du mir mal bitte verraten, warum dich das plötzlich stört?“
 

Tyson drehte wieder den Rücken zu ihm und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Es stört mich einfach, wenn du darüber redest als sei es das normalste der Welt“, war seine klare Antwort. „Ich sehe doch ständig wie die Kerle, die Jungen aus der Bar immer abschleppen, weil sie ihnen irgendwelche leeren Versprechungen gemacht haben. Mir gefällt es nicht, dass du dazugehört hast.“
 

Plötzlich umfingen Tyson starke Arme und er wurde an Kais warmen Körper gezogen. Der Russe verteilte sanfte Küsse in Tysons Nacken.

„Ich hatte zwar meine Affären“, hauchte er ihm ins Ohr. „Aber ich habe nie naiven Jungen irgendwelche Versprechungen gemacht. Die waren genauso auf heiße Nächte aus wie ich“, erklärte Kai und Tyson wurde in seinen Armen ganz sanft.
 

Tyson drehte sich zu ihm um und sie gaben sich einen kurzen sanften Kuss.

„Aber ehrlich gesagt“, sagte dann Kai und schaute Tyson skeptisch an, „hätte ich mehr Grund für Kritik. Schließlich hattest du schon mal eine richtige Beziehung. Woher soll ich wissen, dass du mir nicht irgendwann mit Vorhaltungen kommst. Mein erster Freund hat dies gemacht und du nicht; oder, mein erster Freund war viel besser im Bett als du.“
 

Bei diesen Worten grinste Kai zwar schelmisch, aber Tyson boxte ihm trotzdem für die Bemerkung in die Seite.
 

„Glaub mir, ich werde dich nie mit Kane vergleichen“, sagte Tyson und dachte sogleich, dass er auch nicht hoffte das je machen zu müssen. Schließlich hoffte er, dass Kai ihn niemals weh tun würde. Kai bemerkte die Veränderung in Tysons Gesicht und schaute ihn besorgt an. Tyson wand sich nun aus Kais Umarmung und ging ein paar Schritte zurück.
 

„Ich habe doch nichts Unangemessenes gesagt?“, fragte Kai. Er wusste selbst, dass er manchmal die falschen Dinge sagte ohne es zu merken. Normalerweise war ihm das egal, aber eben nicht bei Tyson.
 

„Es war nichts“, versuchte ihn der Japaner zu beruhigen, aber der Graublauhaarige merkte sofort die Veränderung in seinen Verhalten. Tyson wirkte sehr nachdenklich und machte nervöse Bewegungen. Er kibbelte mit den Fingern, scharrte mit den Füßen und sah auf den Boden anstatt direkt zu ihm.
 

Kai fragte sich, woher dieser Wandel kommen könnte und dachte nach was er über Tysons Ex wusste. Im Grunde nur, dass er Tysons erste richtige Beziehung gewesen war und dass die Beziehung in die Brüche ging, weil Kane ihn betrogen hatte. Aber wenn er sich jetzt an das Gespräch von damals erinnerte, dann fiel ihm ein, dass Tyson auch schon damals etwas komisch auf das Thema reagiert hatte. Er hatte das Gefühl, der Japaner hatte ihm damals etwas verschwiegen.
 

Zu dem Zeitpunkt war ihm das egal gewesen, aber inzwischen interessierte es ihm doch mehr. Und dann war da noch etwas, was er erst vor kurzen erwähnt hatte. Als er Kai davon überzeugen wollte, dass das mit ihnen beiden kein Fehler war.
 

Tyson hatte es im Streitgespräch nur kurz erwähnt und Kai hatte nicht allzu sehr auf seine Worte geachtet, aber nun konnte er sich erinnern, dass Tyson erwähnt hätte, dass sein Ex auch nur ein Psychopath war. Hatte er das damals nur gesagt um Kai zu überzeugen, oder waren seine Worte ehrlich gewesen?
 

„Tyson“, sagte er und Tyson sah verschreckt zu ihm auf. Er war total in Gedanken gewesen und hatte Kai völlig vergessen. „Gibt es etwas, dass ich über deinen Ex wissen sollte.“
 

Tysons schlimmste Befürchtungen wurden gerade wahr. Kai ahnte, dass Tyson etwas wegen Kane verschwiegen hatte. Ihm kamen Max‘ Worte in den Sinn. Er musste Kai nicht gleich alles sagen, aber er sollte ihn nicht belügen. Nur wie sollte das gehen? Wie konnte er Kai mit einer halbgaren Antwort abspeisen, ohne ihn zu belügen.
 

„Kane war ständig eifersüchtig.“ Das war die Wahrheit. Tyson konnte ihn von Kanes Eifersucht erzählen und die Schläge einfach unerwähnt lassen. Damit würde er Kai nicht belügen, aber die Tatsache seiner Misshandlung vorerst ausklammern. „Das hat unsere Beziehung sehr belastet. Seine Eifersucht war schon paranoid. Umso wütender war ich natürlich, als er mich dann betrogen hatte. Pah, das war ja schon fast ein schlechter Witz.“
 

Kai war nicht ganz zufrieden mit der Antwort. Er beschaute Tyson schräg von der Seite. Tyson war dieser durchdringende Blick total unangenehm. Er wendete sich ab, aber Kai ging sofort auf ihn zu und umfasste ihn bei den Schultern und drehte ihn zu sich. Tyson senkte den Blick, aber Kai hob sein Kinn an und zwang ihn, dass die braunen Augen in die roten sahen. Die sonst so freudigen Augen wirkten verängstigt.
 

„Da war doch noch etwas“, sagte er eindringlich und er spürte deutlich wie ein Zittern durch Tyson ging. „Was ist zwischen euch passiert?“

Tyson fing noch mehr an zu zittern. Er überlegte fieberhaft, aber ihm fiel nichts ein außer ein Haufen Lügen. Aber er wollte nicht! Er wollte Kai nicht erzählen, dass er misshandelt worden war. Dass er sich hatte schlagen lassen.
 

Dass er vergewaltigt worden war.
 

Er riss sich von Kai los und schubste ihn weg. Er warf ihn einen letzten verzweifelten Blick zu und sah gleichzeitig Kais fragenden. Er ertrug die Situation nicht mehr und rannte aus dem Zimmer.

Verunreinigt und geschändet (Teil 2)

Hier ist nun der zweite Teil zum vorigen Kapitel. Ich habe es nicht so gemacht, wie manche vielleicht vermutet hatten. Es wird einige überraschen, wie das ganze nun verläuft. Ausser Tysons Vergangenheit wird auch wieder ein Teil aus Talas Vergangenheit aufgedeckt. Aber genug der schönen Worte. Viel Spaß beim lesen.
 


 


 

Tyson war nicht nur aus dem Zimmer, sondern zugleich noch aus dem Haus gerannt. Sein letzter Blick auf Kai hatte ihm in der Seele weh getan. Der Vampir war völlig ratlos vor ihm gestanden und wollte die Hand ausstrecken um ihn zu erreichen, aber da war Tyson schon an der Tür gewesen und ist diese zugleich hinausgestürmt. Wie von ihm schon am Mittag geahnt, hatte es inzwischen angefangen zu regnen.
 

Wie typisch für einen Sommerregen, war es ein starker Prassel der Tyson sofort durchnässt hatte als er die Haustür verlassen hatte. Der Himmel war düster und von weit her hörte er ein Donnergrollen. Er wusste nicht, wie lange er schon rannte, aber dann geriet er auf einmal ins Schlittern durch die überfluteten Wege.
 

Er konnte sich aber gerade noch so an einen Laternenpfahl festhalten und so verhindern, dass er hinfiel. Er hörte auf den Mast zu umklammern, blieb aber daran gestützt stehen. Er zog rasselnd die Luft ein und schaute zum Himmel hinauf, konnte aber nur die Tropfen sehen, die wie Messerstiche auf seine Haut niedersausten und nun, da die Panik allmählich von ihm abfiel, spürte er die klamme Kälte und seine durchweichten Klamotten klebten wie eine zweite Haut an ihm. Er senkte den Kopf wieder und unterdrückte den Schluchzer, der sich seine Kehle hochwand.
 

Einfach wegzurennen war dumm gewesen, aber in dieser Situation mit Kai hatte er nicht bleiben wollen. Er hatte zu viel Angst gehabt er könnte nichts mehr vor ihm verheimlichen, denn die Erinnerungen hatten sich an die Oberfläche gekämpft und drückten nun auf sein Gemüt.
 

Max hatte leicht reden gehabt. Kai nicht belügen, aber es ihm auch nicht unbedingt sagen. Wie sollte das gehen? Er hatte gehofft, sie könnten das Thema Kane einfach aus ihrem Leben raushalten, aber Kai musste ja sofort drauf zu sprechen kommen. Wie viel Pech konnte man schon haben? Aber es brauchte ihn auch nicht wirklich zu wundern.
 

Da er Kai zuerst nicht nahe war und ihn dann endlich dazu bringen wollte, sich zu seiner Liebe zu bekennen, hatte Tyson unabsichtlich die Steine für den Weg geebnet, den Kai jetzt ging. Nämlich den Weg der Fragen:
 

Warum war Tyson auf seine erste Beziehung so schlecht zu sprechen? Warum musste er mit einen Typen in einer Bar schlafen um sein Selbstbewusstsein zu verbessern? Warum wollte er auf keinen Fall mit Jemand schlafen, mit dem er nicht eine Beziehung wollte? Und warum hatte er gemeint, Kane sei auch nur ein Psychopath gewesen?
 

Natürlich konnten manche dieser Fragen auch mit anderen Dingen erklärt werden, aber zusammengesetzt ergaben sie das Bild einer Person, die eine schwierige Beziehung hinter sich hatte.
 

Nun musste sich Tyson die Hand auf den Mund drücken um die Schluchzer nicht daraus hervordringen zu lassen. Er hatte doch alles hinter sich lassen wollen. Als er damals beschlossen hatte, in eine Bar zu gehen und sich auch mal einen Aufriss zu gönnen, hatte er sich geschworen nie wieder an die schreckliche Vergangenheit zu denken.
 

Doch nun brach sie über ihn herein. Warum konnte Kai in dieser Beziehung nicht seine „Ist-mir-doch-egal“-Masche durchziehen und die Vergangenheit ruhen lassen. Warum musste er davon anfangen?
 

„Tyson!“ Tyson sah neben sich und erschrak, als plötzlich Kai neben ihn auf den Boden sprang. Da er angesprungen kam, vermutete Tyson, dass er wieder über die Hausdächer gesprungen war. Sofort kam Kai auf ihn zu, zog seinen Mantel aus und legte ihn den verwundert dreinblicken Tyson um die Schultern.
 

„Weißt du eigentlich, wie gefährlich es für dich ist hier alleine rumzurennen“, blaffte Kai ihn an und Tyson erschreckten diese barschen Worte. „Dir könnte sonst was passieren. Und damit meine ich nicht die Erkältung, wegen der du mir dann in den Ohren liegst.“
 

Kai schien Tysons Zurückzucken nicht bemerkt zu haben, denn plötzlich packte er ihn am Handgelenk und wollte ihn zu sich ziehen, doch Tyson entwand sich dem harten Griff und trat verschreckt ein paar Schritte zurück.
 

Kai schaute ihn nun doch verwundert an, aber in dem Regen konnte er Tysons Gesicht, welches sowieso von dem blauen Haar verhangen war, kaum ausmachen. Also versuchte er wieder das Handgelenk zu packen, aber diesmal wich Tyson so erschrocken zurück, dass er auch noch über seine eigenen Füße stolperte und auf den Hintern landete. Dann sah er mit ängstlichen Augen zu Kai hoch. Dieser grobe Griff, die harten Worte.
 

Es war ein Albtraum für ihn. Auf einmal hatte er Angst, dass Kai ihn schlagen könnte, weil er sich weigerte mit ihm zu kommen. Und nun begriff auch endlich Kai, dass Tysons Verweigerung nicht auf Wut oder Starrköpfigkeit beruhte, sondern auf etwas ganz anderen. Langsam und bedacht ging er vor Tyson in die Hocke, doch dieser wich plötzlich ängstlich zurück.
 

Dabei rutschte ihm der Mantel, dem ihm Kai umgelegt hatte von den Schultern. Als Kai sah, wie Tyson zitterte und wie er ihn ängstlich anschaute, war es wie eine kalte Hand, die sich um sein Herz klammerte und zudrückte. Für den Augenblick zögerte er noch, doch dann streckte er seine Hand aus und nahm mit seelischen Qualen wahr, wie Tyson ängstlich die Augen zusammendrückte.
 

Tyson war völlig gefangen in seiner angst, doch dann spürte er keinen harten Schlag, wie er schon befürchtet hatte, sondern das sanfte Streicheln einer Hand auf seiner Wange. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Kais trauriges Gesicht vor seinen. Keine Wut und kein Zorn waren in diesem schönen Antlitz zu sehen.
 

„Hast du Angst, ich könnte dir wehtun?“ Eine simple Frage, auf die Tyson nur eine Antwort geben könnte. „Ja.“ Aber er sprach es nicht aus, sondern schüttelte nur den Kopf. Er musste sich klar werden, dass hier Kai und nicht Kane vor ihm kniete. Kai war ein Vampir, ein untotes Wesen und mindestens zehnmal stärker als Kane. Und dennoch hatte er ihm nie ein Haar gekrümmt.
 

Kai langte wieder nach seinen Mantel auf den Boden und legte ihm erneut Tyson um die Schultern. Dann nahm er ihn sanft aber bestimmt an den Schultern und half ihm beim aufstehen. Als sie sich gegenüberstanden und Tyson einen entschuldigend Blick auf Kai warf, konnte dieser nicht mehr an sich halten und schloss Tyson in seine Arme.
 

Eng drückte er das geliebte Wesen an sich, das nun doch von Schluchzern erschüttert wurde und sich wie ein Verzweifelter an ihn klammerte. Sie standen noch einen Augenblick so da, doch dann wurde sich Kai wieder dem kalten Regen gewahr und dass sie auf einer offenen Straße standen. Langsam und ohne wirklich die Umarmung zu lösen, nahm Kai einen seiner Arme und schob ihn unter Tysons Knie.
 

Mit einem kurzen Ruck lag Tyson in seinen Armen. Er hatte immer noch den Kopf an Kais Brust vergraben. Kai warf noch einen letzten Blick auf ihn, bevor er Anlauf nahm und auf das nächste Dach sprang.
 

**^^**
 

Kai trug Tyson durch die Haustür, nach oben in sein Schlafzimmer und in das angrenzende Bad. Im Haus hatte jedes Zimmer ein eigenes kleines Bad. Tyson hatte die ganze Zeit seine Arme um Kais Hals geschlungen gehabt und sein Gesicht an der Schulter seines Geliebten verborgen. Ihm graute vor dem Moment, wenn Kai ihn wieder absetzte und in die Augen sehen würde.
 

Es wäre der Moment an dem sie wieder auf das Thema zurückkämen, welches sie besprochen hatten bevor er abgehauen war. Und dieses Mal würde es kein Entkommen für ihn geben. Wenn Kai jetzt fragen würde, müsste er ihm die Wahrheit sagen. Er hatte furchtbare Angst vor diesen Moment.
 

Im Bad ging Kai auf die Badewanne zu und setzte Tyson auf den Rand ab. Dann ging er vor ihm in die Knie und sah erst einmal auf den Boden. Tyson fasste an die Seiten von Kais Mantel und zog ihn fester um sich. Nun im Haus fröstelte es ihn wieder aufgrund der nassen Klamotten. Er hörte wie Kai tief Luft holte.
 

Tyson sah auf die graublauen Haare, die nass schimmerten und das Gesicht seines Liebsten vor ihm verbargen. Schließlich sah Kai wieder hoch in die braunen Augen des Japaners und legte seine Hände auf dessen Knie ab. In Tyson breitete sich bei dieser Geste ein warmes wohliges Gefühl aus.
 

„Es gibt Dinge von mir, Tyson, die will ich dir niemals erzählen“, begann Kai dann auf einmal zu erklären. Tyson verstand zwar nicht, was Kai auf einmal damit meinte, aber er hörte aufmerksam zu. „Ich habe … so viel Schreckliches in meinen Leben gesehen und … und auch getan.“ Kai schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. Um ihm Mut zu machen, legte Tyson seine Hände auf die von Kai, welche immer noch auf seinen Knien ruhten.
 

„Ich habe mich nie darum gekümmert, was die Leute von mir dachten oder denken könnten, wenn sie von allen wüssten, von dem ich weiß. Selbst Tala konnte ich vieles nie anvertrauen, obwohl wir uns schon Jahrzehnte lang kennen.“ Kai sah nun wieder auf in Tysons Gesicht und ihm schmerzte das Herz bei Kais traurigen Augen. Und zum ersten Mal wurde ihm klar: er ist nicht der einzige der seine Vergangenheit am liebsten ungeschehen machen möchte.
 

„Doch ich weiß, dass ich dir all das irgendwann anvertrauen muss. In einer Beziehung können Geheimnisse wie Gift sein.“ Der Graublauhaarige legte seine Hand nun wieder an Tysons Wange und strich mit den Daumen über die Lippen. Tyson schloss die Augen und schmiegte sich an die Hand. „Du musst mir nicht heute alles anvertrauen. Auch nicht morgen. Und ich will mir auch nicht vorstellen, was du durchgemacht hast.
 

In meinen Kopf sammeln sich alle möglichen Ideen und eine ist unsinniger als die andere. Deshalb, irgendwann, wenn du den Mut dazu gefunden hast, dann werde ich dir zuhören und du musst keine Angst davor haben was ich dann tun werde. Denn nichts ist stärker als die Liebe die ich für dich empfinde.“
 

Eine Träne bahnte sich den Weg über Tysons Wange und er rutschte vom Badewannenrand auf den Boden zu Kai und zog ihn in eine innige Umarmung. Dabei blieb er still. Nicht heute würde er ihm alles erzählen. Aber irgendwann, da war er sich sicher, würde er die Kraft dazu finden.
 

**^^**
 

„Du weißt, was du zu tun hast?“, fragte Kai Tala und sah ihn dabei fest in die Augen.

„Ein Schild draußen aufhängen auf den steht: Kai ist weg. Holt euch den Jungen!

„Wie wäre es mit: 5.000 Yen pro Fick.“
 

Kai und Tala knurrten sich wieder bösartig an, bis Tyson sich räusperte.

„Ich will eine eurer herzlichen Unterhaltungen ja nicht stören, aber ich muss morgen früh raus und würde daher gerne ins Bett gehen. Kai, entweder du gibst mir nun einen Abschiedskuss oder du kannst drauf verzichten.“
 

Nur ungern unterbrach Kai sein Blickduell mit Tala, aber ohne Kuss von Tyson wollte er nun auch nicht gehen. Leider hatte sich Tala nicht bereit erklärt auch nur eine weitere Nacht für Kai die Patrouille zu übernehmen.
 

Ich habe seit Tagen nicht mehr geschlafen. Ich habe überall Schrammen. Es regnet. Ich habe keine Lust. Stundenlang hat Tala Kai mit solchen Bemerkungen belagert, bis dieser sich schließlich geschlagen gab und zusagte, von nun an wieder auf Jagd zu gehen. Ihm war nicht wohl dabei Tyson allein zu lassen.
 

Aber es war sehr unwahrscheinlich, dass Tyson Gefahr drohte, solange er im Haus blieb. Und Tala würde schon aufpassen. Trotzdem war es für ihn ein mulmiges Gefühl Tyson so lange allein zu wissen. Nur mit Tala. Der schon seit einiger Zeit enthaltsam lebte.
 

Wer weiß, auf was für Gedanken er kommen könnte? Doch nun holte sich Kai erst mal seinen Kuss ab. Es war nun ungefähr 2 Stunden her seit dem Gespräch im Bad. Er und Tyson hatten zusammen ein gemütliches Bad genommen und nur geschwiegen. Kai wollte ihn nicht in die Ecke drängen.
 

Nach einer Stunde der Ruhe hatten sie dann wieder gewagt ein Gespräch zu begingen, aber es ging um Belangloses, wie zum Beispiel Tysons Meinung zum Haushaltsplan. Auf die Info, dass im Haus keine Ordnung sondern Chaos herrschte, hätte Kai allerdings auch verzichten können.
 

Er hob nun das Gesicht des Blauhaarigen an und versank in den braunen Augen. Sein Liebster lächelte selig zu ihm auf. Dann kamen sie sich näher und ihre Lippen trafen sich zuerst federleicht zu einem Kuss. Sie gingen gleich wieder auseinander, nur damit sie ihre Münder öffnen konnten und sich sofort wieder trafen.
 

Ihre Zungen verschlangen in der Mitte miteinander, liebkosten und streichelten sich. Dann versuchten sie in die gegenseitige Mundhöhle vorzudringen. Wie so oft gewann Kai das feurige und mit Leidenschaft beladene Duell und räuberte die Mundhöhle aus. Tysons Hände lagen an Kais Wangen und dessen Hände schlangen sich um den zierlichen Körper und drückten ihn an sich. Eine Hand wanderte dabei zu Tysons Hintern und streichelte ihn.
 

„Oh bitte~! Kein Trockensex vor meinen Augen!“, stöhnte Tala hinter ihnen und durchbrach somit die erotische Stimmung.

Die beiden lösten sie sich wieder und auf Tysons Gesicht breitete sich sofort ein roter Schimmer aus. Er hatte sich einfach zu sehr hinreißen lassen. Kai gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn. Dann löste er sich von ihm und drehte sich zu Tala um. Er zischte irgendwas in seine Richtung was Tyson nicht verstand. Er vermutete es war Russisch.
 

„Ich liebe dich auch, Kai-chan“, säuselte Tala dazu nur, doch seine Augen bekamen einen rötlichen Stich und sahen ungeheuer gefährlich aus. Tyson wollte lieber nicht wissen, was für eine Unterhaltung die beiden da gerade wieder führten.
 

Kai ging nun auf die Treppe zu. Die beiden standen im oberen Flur. Schon nach kurzen hörten sie das auf- und schließlich das zugehen der Haustür. Es fühlte sich komisch für Tyson an, dass Kai gerade ging um einen ungeheuer gefährlichen Job nachzugehen. Aber merkwürdigerweise hatte er keine Angst um ihn. Er wusste einfach, dass Kai stärker war. Er wusste, dass Kai sich nicht so einfach von ihm verabschieden würde, wenn er nicht hundertprozentig wüsste, dass er zurückkommen würde.
 

„Nach diesen Abschied gehe ich mal davon aus, dass du Kai nicht erzählst hast, dass du in deiner vorigen Beziehung misshandelt worden bist.“

Tyson lief ein kalter Schauer über den Rücken und er wandte sich von der Treppe ab und sah zu Tala, der an der Wand lehnte und nicht in seine Richtung, sondern in Richtung der Treppe sah.
 

Er schaute starr vor Angst auf den Rothaarigen, nicht wissend wie er davon erfahren haben könnte. Tala sah noch lange auf die Treppe. Vermutete er, dass Kai zurückkommen könnte? Nach einer gewissen Zeit, wandte er sich dann doch zu Tyson.
 

„Du schreckst bei ruckartigen Bewegungen zurück. Du lügst in Bezug auf Verletzungen. Du meidest Gespräche über deine vorige Beziehung. Du hast mich bei unseren One-Night-Stand gebeten sanft zu sein. Und als du glaubtest Kai würde dich vergewaltigen, bist du panisch aus dem Haus gerannt. Im Gegensatz zu Kai, kenne ich derartige Symptome.“
 

Tyson schwankte, fiel gegen die Wand und stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab.

„Wenn du dahinter gekommen bist, dann ist es nur eine Frage der Zeit bis Kai es auch erfahren wird“, sagte er verzweifelt. Er dachte, er hätte noch eine Schonfrist bekommen, doch nun zerbrach seine Hoffnung in tausend Teile.
 

„Kai wird nie von selbst dahinter kommen“, sagte Tala und sah Tyson dabei mit einen durchdringenden Blick an. Diese Eisblauen Augen wirkten wieder wie Stacheln, welche durch alles durchsehen konnten. „Er ist zu naiv dafür.“ Tala sah wieder auf den Treppenabgang. „Er denkt, jeder Mensch hat es immer leichter als ein Vampir. Daher kommt er nicht auf den Gedanken, dass ein Mensch Gewalt ausgesetzt sein könnte.
 

Er war immer total schockiert, wenn er sah wie elend es mir manchmal ging. Er konnte sich das einfach nicht erklären, obwohl er genau wusste was ich bin und womit ich mein Geld verdiene. Er kann sich vorstellen, dass du schlecht behandelst wurdest, dass du betrogen und belogen wurdest. Aber niemals würde er vermuten, dass man dir Gewalt angetan hat. Das passt einfach nicht in sein Weltbild. Wenn du es ihm nicht sagst. Dann wird er es nie erfahren.“
 

Tyson schielte zu Tala. Es war schwer zu erkennen was er gerade dachte. Er holte tiefe Luft.

„Kane hat mich geschlagen“, sprudelte es ihm heraus. „Am Anfang war alles noch so schön zwischen uns gewesen, aber dann war er irgendwann ausgerastet, weil ich bei einem Freund von der Schule übernachtet hatte ohne es ihm zu sagen. Da hat er mich das erste Mal geschlagen und danach hat es nicht mehr aufgehört. Immer und immer wieder. Und das wegen irgendwelchen Kleinigkeiten. Weil ich zu spät kam, weil ich mit Freunden unterwegs war, weil ich ihm wiedersprach.“
 

Tyson drückte seine Fäuste gegen die Stirn und schämte sich nicht für die Tränen, die sich nun seinen Weg bahnten. Aus irgendeinem Grund konnte er all dies Tala erzählen. Irgendwie hatte er bei ihm das Gefühl einen Leidensgenossen vor sich zu haben. „Nach den Schlägen hat er meistens so getan, als wäre nichts gewesen. Er hat danach oft mit mir geschlafen. Er meinte, dass würde als Entschuldigung reichen und es sei alles wieder gut. Irgendwann, habe ich mich ihm dann verweigert und er hat … er hat mich …“
 

„Du wurdest vergewaltigt!“ Talas Stimme war leise und beruhigend gewesen und trotzdem schluchzte Tyson nun noch mehr und er drückte sich die Hand auf den Mund um die Schluchzer zu unterdrücken.
 

„Es hat so … wehgetan und ich habe … so geschrien und ihn gedroht, ich würde … ich würde ihn verlassen, … aber er hat trotzdem immer … weiter gemacht. Ich konnte hören, wie es … wie es ihm sogar gefiel.“
 

Tyson versuchte sich wieder zu beruhigen bevor er weitererzählte. Er schafft es die Schluchzer zu unterdrücken, aber die Tränen flossen noch immer. „Ich bin danach zu meinen Freund Max geflohen. Er hat meine Wunden versorgt und ich habe ihm alles erzählt. Er hatte schon so etwas vermutet, aber ich habe immer alles abgestritten.
 

Behauptet die Wunden kämen vom Kendo oder von Stürzen und all so einen Mist. Damit niemand Fragen stellte, war ich sogar die meiste Zeit bei Kane gewesen. Ich wollte nicht, dass mein Großvater oder mein Bruder etwas von den Misshandlungen mitkriegten. Max sagte mir dann, ich müsse Kane verlassen und ich wollte dies auch.
 

Aber als Kane dann kam und sich entschuldigte und beteuerte, dass dies nie wieder vorkommen würde, da… da habe ich ihm geglaubt und bin zu ihm zurückgegangen. Doch von da an wurde alles noch viel schlimmer. Er hatte nun keine Hemmungen mehr. Die Schläge wurden immer schlimmer und er vergewaltigte mich auch wenn ich mich ihm verweigerte. Natürlich habe ich das irgendwann nicht mehr getan. Lieber lag ich reglos da und ließ es über mich ergehen, als immer und immer wieder diese Schmerzen zu spüren.“
 

Tyson schämte sich so sehr über das was er eben Tala erzählte. Dass er jegliche Würde verloren hatte und mit Kane geschlafen hatte, obwohl er es nicht wollte. Aber es tat so verdammt gut sich das alles von der Seele zu reden.
 

„Erst als ich erfuhr, dass er mich betrog fand ich den Mut ihn endlich zu verlassen. Ich war damals so wütend. So entsetzlich wütend. Denn ich habe mich nie gegen die Schläge gewehrt und ich habe mich selbst dafür gehasst, dass ich all meine Würde über den Haufen geworfen hatte, aber ich dachte immer, ich würde es für einen geliebten Menschen tun. Doch als er mich betrog, nachdem er mich in seiner blinden Eifersucht immer Misshandelt hatte, da wurde mir plötzlich klar, dass dieser Mensch nicht wirklich lieben kann. Als ich ihm klar machte, dass ich ihn verließ und es für immer sei, da hat er mich… Krankenhausreif geschlagen.“
 

Die Wahrheit war, dass Kane ihn halb tot geschlagen hatte. Aber das konnte er einfach nicht sagen. „Während ich im Krankenhaus lag hat mein Bruder die ganze Wahrheit erfahren und Kane gedroht, dass er dafür sorgen würde, dass er Lebenslang in den Knast käme, wenn er nicht sofort die Stadt verlassen würde. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen und ich will ihn auch nie wieder sehen.“
 

„Aber das kannst du Kai doch erzählen“, sagte Tala und seine Stimme hatte einen sanften Klang, den Tyson noch nie bei ihm gehört hatte. Er wendete sein Tränennasses Gesicht Tala zu und er sah in den Augen wirklich Verständnis. Dennoch schüttelte er den Kopf.
 

„Ich habe mich nie gegen Kane gewehrt. Ich habe meine Familie und meine Freunde belogen, nur weil ich blind war vor Liebe. Wie soll ich Kai klar machen, dass ich keinerlei Menschenwürde mehr besitze.“

Tala atmete einmal tief ein und blies die Luft dann wieder laut aus. Er schaute gen Boden, verschränkte die Arme, krallte die Nägel in den Stoff seines Shirts, schaute zur Decke und dann wieder auf den Boden.
 

„Ich kannte Kai ungefähr ein Jahr, als Brooklyn in die Stadt kam“, fing er an zu erzählen. Tyson schaute auf. Er wusste, dass Tala ein schreckliches Schicksal mit Brooklyn verband, aber niemand hatte es ihm erzählen wollen. „Ich weiß noch, wie nervös Kai deswegen war. Wir waren gute Freunde und er wollte nicht, dass ich alleine auf den Straßen bin. Pah, als hätte ich mir das leisten können.
 

Ich ging einfach weiter anschaffen und blieb in der Nähe der anderen Stricher. Aber das ging natürlich nicht, wenn ich einen Kunden hatte. Einer der Kunden war ein Orangehaariger komischer Typ. Kai hatte mir leider nie erzählt wie Brooklyn aussah, sonst wäre ich nie mit ihm mitgegangen. Ich kannte nur den Namen und als er mir diesen nannte war es schon zu spät. Er schlug mich bewusstlos, verschleppte mich, sperrte mich ein und verging sich drei Tage lang an mir.“
 

Tyson riss geschockt die Augen auf. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber ihm fiel nichts ein, was man in dieser Situation hätte sagen können. Tala starrte weiterhin auf den Boden.

„Fit hielt er sich, indem er immer wieder kleine Wunden in meine Haut ritzte und das Blut daraus trank. Keine der Wunden war lebensgefährlich, aber nach drei Tagen war mein Körper mit Schnitten übersät und ich hatte auch keine Kraft mehr.
 

Ich wusste, dass ich bald sterben würde und Brooklyn wusste es natürlich auch. Schließlich wollte er mich endgültig töten indem er mir auch noch das letzte Blut aussaugte. Ich war schon richtig dankbar nach dieser dreitägigen Tortur endlich sterben zu können. Doch im letzten Moment kam Kai und er brachte mich von dort weg. Nur um zu erkennen, dass er mich nicht mehr retten konnte. Ich hatte keine Bisswunden, deshalb wirkte das Elixier nicht.“
 

In Tysons Gehirn fingen sich die Rädchen an schneller zu drehen und dann ergriff es ihn wie ein kalter Schock.

„Soll das heißen, Kai hat dich in einen Vampir verwandelt?“, sagte er mit heiserer Stimme. Im Grunde hatte er es immer schon geahnt. Wer sonst hätte Tala in einen Vampir verwandeln können, der ebenfalls eine Seele besitzt. Aber dennoch hatte ihn Kai immer das Gefühl vermittelt, keine Menschen zu beißen.
 

Talas Blick war immer noch starr auf die Wand vor ihm gerichtet und sein Mund war zu einem dünnen Strich gezogen. „Freiwillig hat er das nicht getan“, erzählte er weiter, „aber was für eine Wahl hatte er in diesen Moment schon. Beißen oder sterben lassen. Er konnte mich nicht sterben lassen. Aber“, Talas Blick ging wieder gen Boden, „ich glaube, damals ist etwas in ihn gestorben. Ich habe es ihm nie übel genommen.
 

Wie könnte ich auch? Bei meinen beschissenen Leben konnte es doch kaum schlimmer kommen. Um ehrlich zu sein, mein Leben als Vampir ist tausend Mal mehr wert, als mein menschliches Leben es je wert war. Ich habe jetzt eine richtige Aufgabe und muss mir das Geld nicht verdienen indem ich eklige Kerle an mich ran lasse. Dennoch, das was mir Brooklyn angetan hat, werde ich niemals vergessen können.“
 

Tyson schwieg erst einmal. Talas Geschichte hat ihn noch deprimierter gemacht. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schaute auf seine eigenen Füße, während er vergessen an seinen Haarsträhnen rumnestelte, welche auf seiner Schulter lagen. Durch diese Geschichte wurde ihm auch wieder klar, wie glimpflich er noch davon gekommen war.
 

Vergewaltigung, Folter, Tod. Er war nur gebissen und verschleppt worden. Aus. Weder wurde er so misshandelt wie Tala, noch so gefoltert wie Ray. Wie konnte er wegen Kane so einen Aufstand machen, wo es ihm doch im Grunde gut genug ging.
 

„Ich habe dir doch schon einmal gesagt, Tyson, für Leid gebe es keine Messlatte“, hörte er Talas Stimme gereizt und schaute wieder zu ihm. Tala schubste sich jetzt von der Wand ab und kam auf ihn zu. „Du bist genauso naiv wie Kai. Du glaubst, dein menschliches Leben ist zu schön um sich Gewalt darin vorzustellen.“ Tala blieb nun vor ihm stehen, aber Tysons Blick wandte sich zur Seite.
 

„Du und Ray, und auch Kai. Ihr habt alle so viel durchgemacht. Und ihr konntet nichts dafür. Ich bin an dem, was mir geschehen ist, selbst schuld.“

Ein Finger legte sich unter sein Kinn und hob seinen Kopf hoch. Er sah nun in Talas eisblaue Augen, die seinen ganz nahe waren.
 

„Je nachdem was man kennt und was einen begegnet, ist etwas schlimmer oder schöner. Für einen Prostituierten ist es furchtbar mit Gewalt dem letzten bisschen Würde beraubt zu werden, aber es ist nicht schlimmer, als von dem misshandelt zu werden, dem man aufrichtig liebt. Und du hattest bisher ein normales Leben. Plötzlich in diese Welt aus Blut und Tod zu geraten muss schockierend für dich sein. Ich bewundere ehrlich gesagt, wie ruhig du das alles wegsteckst.“
 

Tala nahm seine Hand wieder von seinem Kinn und lehnte sich etwas zurück. Für einen Moment schwiegen sie, doch dann.

„Ich kann Kai trotzdem nicht sagen, was zwischen mir und Kane war“, sagte Tyson, während er den Kopf schüttelte. „Er wird mich verachten.“
 

Tala schnaufte und schüttelte ebenfalls den Kopf: „Ich dachte auch immer, Kai müsste von mir angewidert sein, nachdem was Brooklyn mir angetan hat. Aber im Grunde hat er immer sich selbst mehr dafür gehasst. Vielleicht sogar mehr als Brooklyn. Und Außerdem… auch unsere Fehler machen uns zu den Menschen, die wir heute sind. Und dein Fehler hat dich zu der Person gemacht, in die sich Kai verliebte.“ Tyson sah zu ihm auf. „Vergiss das niemals!“
 

**^^**
 

Es war schon fast früher Morgen, als Kai endlich von der Patrouille zurückkam. Aufgrund eines Tipps den sie von ihren Orden erhielten, hatten sie die ganze Nacht einen Gestaltwandler gejagt, nur um herauszufinden, dass es sich um eine neurotische Transe handelte.
 

Der Nachrichtendienst ihrer Organisation ist auch nicht mehr das, was er mal war. Viel lieber hätte er die Stadt weiter nach Brooklyns Versteck durchsucht, obwohl er wusste, dass dies sinnlos wäre. Brooklyn ist ein Profi, wenn es darum geht unsichtbar zu sein.
 

Immer wenn Brooklyn in seiner Nähe aufgetaucht war, hatte er nach dem Versteck gesucht und es nie rechtzeitig gefunden um das schlimmste zu verhindern. Aber darüber wollte er nun nicht mehr nachdenken. Er war pitschnass, weil es immer noch regnete und war deswegen ziemlich genervt. Er wollte in sein Zimmer gehen, sich in sein Bett legen und Tyson fest an sich ziehen, seinen Duft einatmen und schlafen. Das würde ihn beruhigen.
 

Kai betrat also sein Zimmer und schmiss schon mal achtlos seine Jacke, die wie ein nasses Tier um seine Schulter lag in die nächste Ecke, doch als er vor seinem Bett stand gefror ihn das Blut in den Adern. Sein Bett war leer. Hecktisch sah er sich in seinem Zimmer um, aber niemand war zu sehen. Er rannte in das Bad, aber auch hier war niemand. Er riss seine Tür auf, rannte auf den Flur hinaus und Schnurrstracks auf das Gästezimmer zu.
 

Dort riss er die Tür mit ebensolcher immens auf und starrte hecktisch in das Zimmer. Sofort erkannte er die Umrisse einer Person im Bett. Er atmete erleichtert durch und ging mit wütenden Schritten auf das Bett zu. Alle möglichen Gedanken waren ihm durch den Kopf gegangen, dabei hatte Tyson einfach nur wieder das falsche Zimmer gewählt.
 

Eigentlich sollte er inzwischen wissen, dass er gefälligst immer in Kais Zimmer zu sein hatte. Besonders wenn dieser genervt von einer Jagd zurückkam. Dieses eine Mal würde er es ihm durchgehen lassen. Sie hatten ja noch genug Zeit solche Dinge klar zu stellen. Also ging Kai auf das Bett zu und in dem Moment wo er sich zu Tyson runter beugen und ihn hochheben wollte, hörte er etwas unter sich knacken.
 

Er sah auf den Boden und hob leicht den Fuß. Er war auf Glasscherben getreten. Bei genaueren hinsehen erkannte er, dass es eins der Gläser aus der Küche war. Der Flüssigkeit nach war es mit Wasser gefüllt gewesen. Stimmte ja, Tyson schlief immer mit einen Glas Wasser auf dem Nachttisch. Doch was machte es nun zerbrochen auf den Boden.
 

Sein Blick wanderte zum Nachttisch. Nicht nur das Glas, auch alle anderen Gegenstände darauf waren nicht mehr so, wie sie eigentlich hätten sein sollen. Der Wecker war umgekippt und die Lampe lag ebenfalls schräg. Sein Blick ging nun wieder zu Tyson und nun bemerkte er auch, dass die Decke, die ihm eigentlich wärmen sollte, zerknittert auf der Seite lag.
 

Tysons selbst hatte sich ein eingekugelt und auf seiner Stirn schimmerte kalter Schweiß im Mondlicht. Kai spürte einen Stich in seinen Herzen. Was war passiert? Hatte Tyson einen Albtraum gehabt? War es wegen ihren Streit am frühen Abend?
 

Seine Wut auf den Kleinen, weil er nicht in seinen Zimmer gewesen war, war verpufft. Kai zog sich die Schuhe und die nassen Klamotten aus, stieg zu Tyson in das Bett und legte die Decke wieder ordentlich über sie beide. Dann legte er einen Arm um Tyson und fasste dabei seine Hand und verflocht ihre Finger miteinander. Egal vor was sich Tyson fürchtete. Er würde ihn vor allen beschützen.
 


 


 

Tja, er hat es ihm nicht gesagt. Ich habe aber ganz bewusst diese Geschichte um Kane rausgelassen. Tysons Vorgeschichte gehört einfach zur Fanfic, weil sie Tyson zu der Person macht, die er nun mal ist, aber gleichzeitig würde es den Verlauf der Geschichte zu sehr beeinflussen, wenn Kai davon erfahren würde. In den nächsten Kapitel haben dann auch wieder die Bösen ihren Auftritt. Außerdem will ich versuchen, Kais Art wieder von der Softieart in die Arschlochart umzufunktionerien. Im Moment ist er mir ein bisschen zu nett. Keine Sorge, die beiden bleiben zusammen, aber Kai wird eben wieder mehr den Tiefkühlblock raushängen lassen ^^

Kabale und Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Wiedersehen mit Ozuma

Ein Kompromiss ist immer noch besser als ein verlorener Kampf. Und bei Kompromissen musste man eben auch Dinge hinnehmen, mit denen man nicht immer glücklich war. Die Tatsache, dass er einen Kompromiss erzielt hatte, war für Tyson ein großer Sieg.
 

Kai war ein verdammter Sturrkopf und vielleicht ein wenig paranoid, wenn es um Tysons Sicherheit ging. Dies versuchte sich Tyson immer wieder einzureden, aber dennoch kam ihn seine Arbeit heute nicht ganz so normal vor, wie sonst. Normalerweise stressten ihn nur aufdringliche Kunden oder lallende Typen, die nicht genug Alkohol in sich hineinschütten konnten.
 

Heute sahen seine Augen aber nur eine Person streng an. Und diese Person inspizierte jeden, der bei Tyson bestellte mit einem bösen Blick und fing an zu knurren, sobald jemand zu lange Tysons Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Nein! Diese Person war nicht Kai. Es war Tala!
 

„Ich habe mich so angestrengt, dass du mit mir mitkommst, aber im Grunde bist du schlimmer als Kai“, sagte Tyson zu Tala und sah dem Jungen entschuldigend hinterher, den Tala gerade weggeekelt hatte.

„Ich hab einfach nur keinen Bock auf einen eifersüchtigen Kai“, murrte Tala und lies seinen Blick wieder durch die Bar wandern. „Daher spiel ich eben auch Anstandsdame. Der riecht jedes einzelne Männerparfüm an dir und eins kannst du mir glauben. Seine Coolness fällt von ihm ab, wenn er glauben könnte, jemand anderes wäre dir zu nahe gekommen.“
 

Tyson verdrehte die Augen und mixte die bestellten Drinks. Um ihn besser im Auge behalten zu können, hatte ihn Tala dazu überredet heute an der Bar zu bedienen. Er fand dies hundertmal sicherer, wie wenn sich Tyson ständig zwischen Tischen und Leuten hindurch schlängelte und dabei für ein paar Sekunden nicht zu sehen war. Tyson versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Schon nach einer Woche, in der er gebissen und verschleppt worden war und die große Liebe gefunden hatte, wieder hinterm Tresen stehen zu können, wäre ihn vor ein paar Tagen noch mehr als Merkwürdig vorgekommen.
 

Rückblickend auf diese Woche, hatte sich sein Leben ziemlich stark verändert. Eine Veränderung die bei manchen mehrere Wochen dauerte, hatte sich bei ihm auf einmal ergeben. Kaum zu glauben, dass es gerade mal 5 Tage her war, als er Brooklyn an einen Tisch nicht weit von der Bar, kennengelernt hatte. Auf ihn hatte er ein wenig verrückt gewirkt, aber nicht wirklich gefährlich. Ganz anders als Ozuma. Dieser hatte stets eine gefährliche Aura ausgestrahlt.
 

Doch dies war eine ruhige gefährliche Aura. Selbst als er mit einer Peitsche vor ihm gestanden hatte und bedauerte Tysons Haut zerstören zu müssen, hatte er noch vollkommen ruhig gewirkt. Brooklyn hingegen, hatte sich von einer Sekunde auf die nächste vom komischen Kauz zum Monster gewandelt. Die Tatsache wie er ihm durch das Parkhaus gejagt hatte, entsprach mehr den Szenen aus einem Actionfilm, als dem wirklichen Leben. Aber das härteste an der Woche war immer noch die Entwicklung mit Kai.
 

Vor nicht mal einer Woche, hatte er diesen noch verabscheut. Er hatte ihn dafür verachtet, dass er ihn wie eine billige Hure abgespeist und ihm Gefühle vorgeheuchelt hatte, oder zumindest den Ansatz von Gefühlen. Großartig liebevoll war Kai ihm gegenüber nie gewesen, aber zumindest war er nicht völlig kalt. Er war eben sehr introvertiert und stark gezeichnet durch seine Vergangenheit.
 

Diese hatte er Tyson schließlich vorgelegt und Tyson war dann klar gewesen, warum Kai ihn von sich stieß. Weil er ihn liebte. Und nach unzähligen Versuchen und einer ziemlich heißen Offensive, hatte er es schlussendlich geschafft den kühlen Vampir doch noch für sich zu gewinnen. Wenn Kai Blut trank, oder etwas mit einer für einen Menschen schier unmöglichen Kraft bewerkstelligte, dann spürte Tyson immer noch einen gewissen Schauder. Es war aber nicht wirklich Angst, die ihn dann durchzuckte. Es war eine Art Unglauben und Ehrfurcht.
 

Aber dennoch. Trotz all dieser Veränderungen und Entwicklungen, stand er wieder hinter dem Tresen, mixte Drinks und scherzte mit seinen Kollegen. Fast tat Tyson Tala auch Leid. Er war bisher schon zweimal offensiv angemacht worden und Tyson wusste, dass er gerne mit einen der süßen Jungs in den Hinterzimmern verschwinden würde, aber er nahm seine Aufgabe sehr ernst und blieb brav neben Tyson sitzen. Den Jungs war dies natürlich zu langweilig und sie gingen dann nach einer Weile wieder.
 

„Wegen mir musst du nicht Zölibat halten“, sagte Tyson zu ihm, als wieder ein enttäuschter Junge von dannen zog. Dieser hätte sogar Tyson irgendwie angemacht.

„Ich habe Kai aber versprochen auf dich aufzupassen.“, bemerkte Tala brüsk. „Was, wenn ich nur für eine Sekunde nicht aufpasse? Diese Zeit reicht für manche um dich für immer verschwinden zu lassen.“
 

„Um ehrlich zu sein“, begann Tysons, „bist du der einzige der so denkt. Ray begleitet mich jeden Tag zur Universität und da flirten ihm immer mindestens 5 Mädchen auf einmal an. Aber weißt du was, er hat nur Augen für Max, meinen besten Freund.“

Nur für eine Sekunde zog Tala die Augenbrauen hoch, dann verfiel er in ein Grinsen.

„Scheint dich nicht zu überraschen.“
 

„Nun ja“, sagte Tala langsam und rührte mit einem Stäbchen in seinem Drink, „es wundert mich nicht ganz so sehr wie man eigentlich erwarten könnte. Du musst wissen, ich vermute schon seit längeren, dass er nicht ganz abgeneigt ist vom anderen Ufer.“ Dabei blinzelte Tala neckisch und

Tyson beugte sich etwas weiter zu ihm vor um ja nichts zu verpassen. „Der gute Ray hat nämlich mal mich und Kai bei einem Intermezzo überrascht. Das war natürlich lange bevor er dich kennenlernte“, beschwichtigte Tala noch schnell. „Auf jeden Fall, er hat eine Sekunde zu lange auf uns gestarrt bis er endlich beschämt wegsah. Du musst wissen, dass war eine sehr heikle Lage in der er uns erwischt hatte. Keine Kleidung, keine Decken und wir beide waren auch nicht gerade leise. Wenn du mich fragst, dass hat ihn angemacht.“
 

Tyson konnte sich ein Lächeln nicht ganz verkneifen. Ray und Max hatten stets versucht ein gegenseitiges Interesse abzustreiten, aber zumindest schien Ray der Neugierige von beiden zu sein. Wie es mit Max war konnte er allerdings immer noch nicht sagen. Dieser war in dieser Hinsicht völlig undurchsichtig.
 

Er hatte bei seinen Freund noch keine homosexuellen Neigungen erkennen können. Allerdings schien Max was Beziehungen angeht, ganz allgemein kein Vorreiter zu sein. Seine letzte Freundin, Mariam, hatte er verlassen, weil es zwischen ihnen zu viele Konflikte gab. Max war einfach ein Sonnenschein und wenn es ständig Streit gab, dann konnte eine Beziehung eben nicht funktionieren.
 

Tyson bevorzugte Leidenschaft in einer Beziehung, Max war eher der ruhige Typ, der Eintracht und Ruhe bevorzugte. Aber ob er dies in Ray sah, konnte er nicht sagen. Der Chinese war eindeutig ein ruhe Pol. Stets konzentriert und gelassen. Aber reichte das aus, um einen hetero zu verführen. Tyson wusste es nicht. Und die beiden benahmen sich zu schreckhaft um sich selbst eine gewisse Anziehung einzugestehen.
 

**^^**
 

Es verging die erste Stunde und das erste Mal seit langen hatte Tyson wieder das Gefühl, dass sein Leben in einen geregelten Gang verlief. Sicherlich war das nur ein trügerisches Gefühl, aber dennoch ging er hier einer routinierten Arbeit nach und weder seine Stimmung noch die Menschen um ihn herum, verhielten sich allzu merkwürdig. Auch Tala hatte sich nach gutem Zureden von Tyson ein wenig entspannt.
 

Zwar war er immer noch stets in seiner Nähe und lies jedes Mal ein gefährliches Brummen hören, wenn jemand versuchte in ein intensiveres Gespräch mit ihm zu kommen, aber dennoch hatte er sich zumindest inzwischen eine kleine „Schnitte“ angelacht und flirtete munter mit einen brünetten Jungen mit zu vielen Piercings und einer schrägen Friseur. Ein One-Night-Stand. Auch wenn Tyson innerlich den Kopf schüttelte, so freute er sich doch, dass auch Tala etwas lockerer zu werden schien.
 

Diese ständige Anspannung hatte ihn ganz kirre gemacht. Als würde sich Tala auf jeden stürzen, der nur eine zu schnelle Bewegung machte, wie schlagen oder niesen. So dachte sich Tyson auch nichts Böses als ihn sein Kollege plötzlich ansprach.

„Ich glaube, der Zapfhahn ist verstopft“, bemerkte sein Kollege, der mit ihm an der Bar stand. Genau wie er ein junger Student. „Leer kann das Fass zumindest noch nicht sein.“ Er drückte den Hahn immer wieder nach vorn, mal schneller mal langsamer, aber es erklang immer nur ein kurzer Pfiff.
 

„Meiner Meinung nach“, sagte Tyson und testete auch ein wenig am Hahn herum, „sieht es mehr so als wäre das Fass leer.“ Tyson wusste, dass bei einen verstopften Schlauch oder Ventil, der Hahn schon schwerer zu bewegen sei, aber dieser ging leicht und flüssig. Es musste also daran liegen, dass das Ventil am Ende nur noch Luft liefern konnte.
 

„Das Fass wurde aber erst heute angebracht und so viel haben wir noch nicht ausgeschenkt“, meinte der andere wieder und stierte kritisch auf das leere Glas unter dem Hahn. Ein leeres Fass war keine Tragödie, es müsste nur ausgewechselt werden und sie hatten immer ein halbes Dutzend von jedem Getränk im Keller. Das Problem war eher, dass sie immer dafür sorgten, dass die Fässer bei Beginn des Abends gefüllt waren, damit sie nicht während der Stoßzeit in den großräumigen Keller mussten. Zudem waren nicht alle die hier arbeiteten mit dem System vertraut.
 

Er konnte ein Fass wechseln, beziehungsweise die Technik überprüfen und noch zwei weitere. Diese beiden weiteren waren heute aber als Kellner zwischen den Tischen unterwegs. Wenn dann müsste Tyson kurz in den Keller runter und alles checken. Er schaute kurz zu Tala. Er war immer mehr in den Flirt mit seinen Partner vertieft und die beiden hatten auch schon mit eindeutigen Berührungen begonnen.
 

Doch nach dem Blick auf seinen „Aufpasser“ schüttelte er nur den Kopf. Ständig beschwerte er sich über den übertriebenen Schutz, den ihn Kai, Tala und Ray zukommen ließen und nun zögerte er doch tatsächlich in den Keller zu gehen. Er hatte noch nie an die Monster im Keller geglaubt und er würde jetzt bestimmt nicht damit anfangen.

„Halt hier kurz die Stellung“, sagte Tyson und suchte den Schlüssel für die Kellertür unter dem Tresen hervor, „ich sehe mal nach ob sich vielleicht nur das Ventil gelöst hat.“
 

„Geht klar“, sagte der andere Junge, richtete entschuldigende Worte an seinen Kunden, der nach dem Getränk verlangt hatte und bot für ihn für die Wartezeit einen Kurzen an. Mit einem letzten Blick auf Tala ging Tyson ohne ein weiteres Wort zum Ende des Tresens und betrat die hinteren Räume. Vielleicht hätte er Tala Bescheid sagen sollen, aber das fand er doch zu albern.
 

Tala, ich geh in den Keller. Wenn ich in fünf Minuten nicht zurück bin, dann~…

So ein alberner Quatsch. Er würde sich sicher nicht von der Paranoia der anderen anstecken lassen. Dennoch musste er aus Sicherheitsgründen die Kellertür wieder hinter sich abschließen nachdem er die Tür durchquert hatte. Das war eine Sicherheitsmaßnahme um Diebstehlen vorzubeugen, aber dennoch fühlte sich Tysons heute beim Absperren irgendwie sicherer. Er vertrieb die komischen Gedanken und schritt die Treppe hinab. Dabei kam er einmal kurz ins Stolpern. Seine leidenschaftliche Verführungskunst für Kai hatte ihn schon mehrmals am Abend zusammenzucken lassen. Auch wenn er immer noch darüber grinsen musste.
 

Der Keller war sporadisch eingerichtete. Er diente als Lager für Dekorationen und für die Getränke. Er musste ein wenig nach hinten laufen und zwei Türen durchqueren, dann erreichte er einen langen Raum, der sich genau unter dem Tresen befand. Die Musik von oben kam nur gedämpft durch den dicken Boden und die Beleuchtung war etwas spärlich. Dennoch entdeckte er das Problemfass. Eine Anzeige am Fass gab an, wie viel noch enthalten war. Wie der andere schon angemerkt hatte, war das Fass noch mehr als Halbvoll.
 

Es kann also nicht daran gelegen haben. Als Tyson sich wieder von der Anzeige aufrichtete, viel ihm aber sofort etwas auf. Der Verschluss, welcher mit dem Fass verbunden war, lag unangeschlossen auf dem Deckel des Fasses. Langsam und bedacht ergriff Tyson das Ventil und brachte es wieder an. Ein paar Sekunden später ertönte ein Zischgeräusch und er wusste, dass nun oben wieder das gewünschte Getränk gezapft wurde. Er sah kritisch auf das Ventil. Natürlich konnten sich solche Ventile mit der Zeit lösen, wenn sie alt und verbraucht waren, aber er konnte nicht die üblichen Verschleißmerkmale entdecken.
 

Ebenso wackelte das Ventil nicht, jetzt wo es wieder in ständiger Benutzung war. Es war im Grunde unmöglich, dass es sich von selbst gelöst hatte. Tyson kniff den Mund zusammen und verengte die Augen zu schlitzen. Er sollte lieber wieder hochgehen. Er drehte den Körper schon etwas, behielt sein Kopf aber auf das Ventil gerichtet, als er diesen dann hinterher zog, schaute er sofort in grüne Augen. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber dann wurde ihm schon eine Hand auf den Mund gelegt und er gegen die Wand gepresst.
 

**^^**
 

Die Hände in den Taschen, der Schritt lässig und die Augen gelangweilt. Nichts an Kais Art und Gang lies auf seine innere Anspannung schließen. Die Art und Weise wie er durch die Straßen schritt und in die dunkelsten Gassen starrte, hatte etwas von einen Spaziergang, aber Ray bemerkte dennoch, dass Kais Gedanken an einen anderen Ort waren.
 

„Die ganze Woche über hatten wir Ruhe. Vielleicht glätten sich ja die Wogen“, meinte Ray beschwichtigend und sah durch ein verdrecktes Fenster in eine Lagerhalle.

„Vielleicht ist es ja auch nur die Ruhe vor dem Sturm“, brummte Kai und lies sein Blick an der Fassade der Fabrik entlang gleiten. „Allerdings ist Brooklyn vielleicht immer noch zu sehr angeschlagen. Ich habe ihn den gesamten Torso aufgeschlitzt. Selbst bei einen Vampir braucht die Wunde lange um zu heilen.“
 

„Eine andere Gefahrenquelle könnte der Orden der Avatar sein“, meinte Ray, zog seine Waffe und entsicherte sie. Kai stellte sich an die andere Seite des Fensters, „aber normalerweise machen die keinen größeren Aufwand, wenn es sich nur um einen Zeugen handelt. Vielleicht können wir doch ganz beruhigt sein.“

„Hm“, machte Kai und mit einem letzten Blick auf Ray, schlug er die Scheibe ein und die beiden stürmten ein Nest voller Vampire.
 

**^^**
 

Tysons gesamter Körper wurde mit einer enormen Wucht gegen die Wand geprallt, er hätte geschrien, wenn die Hand auf seinen Mund nicht gewesen wäre. Er war für einen Augenblick benommen und sah Sternchen, daher konnte er auch nichts dagegen tun, dass Ozuma seine beiden Händen packte, und überkreuzt an seine Brust drückte. Dafür das Ozuma genauso groß war wie er und im Grunde nicht allzu gefährlich aussah, musste Tyson doch wieder über seine Stärke staunen. Er schien keine Mühe zu haben, ihn gegen die Wand zu pressen und dabei seine Hände festzuhalten.
 

„Ssshh“, machte Ozuma überflüssigerweise. Er hielt Tyson den Mund zu, so dass dieser gar nichts sagen konnte. Was hätte er auch tun sollen? Er hätte so laut schreien können wie er wollte und trotzdem hätte ihn niemand gehört. Zwischen dem Keller und der Bar war eine dicke Betonschicht und oben dröhnte die Musik.

Tysons warme braune Augen schauten ängstlich in die unergründlichen grünen von Ozuma. Was wollte der andere nur von ihm? Wollte er ihn wieder verschleppen und dieses Mal mit der Folter ernst machen oder war er nur gekommen um ihn das Brandmal zu verpassen? Wenn er an Rays entstelltes Schlüsselbein dachte, dann lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter.
 

Doch auf Ozumas Gesicht zeigte sich auf einmal ein fieses Lächeln.

„Keine Sorge. Weder will ich dich quälen noch kennzeichnen“, sagte er und nahm schließlich die Hand von Tysons Mund, doch der Griff an Tysons Handgelenken verstärkte sich und er musste schon mit den ersten Schmerztränen kämpfen.

„Wenn du hier zum Party machen bist, dann hast du dich im Stockwerk geirrt“, presste Tyson heraus und starrte Ozuma finster an.

Ozuma ließ ein freudloses Lachen hören und strich mit den Fingern seiner freien Hand über Tysons Wange. Angewidert drehte Tyson seinen Kopf weg.
 

„Auch wenn es mir gefallen würde ein bisschen zu chillen und dich dabei zu beobachten, so bin ich dennoch geschäftlich hier“, säuselte er und schaute intensiv in Tysons Augen, doch die sonst so braunen Seen hatten sich zusammengezogen und sahen ihn finster an. Zum einen musste Tyson die Augen wegen des Schmerzes zusammenkneifen, zum anderen löste es Wut und Unbehagen in ihn aus, jemanden so nahe zu sein, der, wer weiß, wie viele Menschen schon gequält und entstellt hat.
 

„Geschäftlich?“, fragte Tyson spöttisch und wurde dabei lauter. „Hast du etwa ein Taschenbrenneisen dabei, oder willst du mich allein mit deiner Arroganz foltern.“

Ozuma grinste nur, doch sogleich legte er sanft seine Fingerspitzen an Tysons Lippen. Am liebsten hätte Tyson ihm die Finger abgebissen, doch das kalte Lächeln schien ihn zu paralysieren.

„Du antwortest nur, wenn ich dir eine Frage stelle“, sagte Ozuma ihn einen kalten Ton. „Und nein, ich will dich weder foltern, noch entstellen. Ich will nur mit dir reden.“
 

Tyson glaubte ihm kein Wort. Nur reden? Das letzte Mal hatten sie ihn entführt und an die Decke gekettet. Auf einen kleinen Tisch haben die kranksten Geräte gelegen. Wenn es doch nur um eine kleine Unterhaltung ging, warum haben sie das dann nicht schon beim ersten Mal gemacht. Wäre doch um einiges einfacher gewesen.

„Und bevor du dich wunderst“, setzte Ozuma an um Tysons ungestellte Frage zu beantworten, „keiner vom Orden weiß, dass ich hier bin.“

Nun spiegelte sich auf Tysons Gesicht doch Verwunderung. Wenn das hier kein „offizieller“ Besuch vom Orden der Avatar war, was tat Ozuma dann hier.
 

„Weil du seit ein paar Tagen verschwunden bist, haben die anderen beschlossen, die Sache mit dir erst einmal ruhen zu lassen. Wir haben besseres zu tun, als jeden x-beliebigen Lover von Kai hinterherzujagen.“

„Kai? Muss ich den kennen?“, sagte Tyson mit einer gelangweilten Miene. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie weh seine Arme schon taten, auch wenn er schwören könnte, dass Ozuma diese gerade zerquetschte. „Ich sagte doch bereits, dass ich nur einen Tai kenne. Mein Gott, muss ich mich denn für jeden Flirt rechtfertigen.“
 

Bevor Tyson auch nur merken konnte, dass Ozuma mit seiner Hand ausholte, fühlte er dessen Faust gegen sein Gesicht donnern. Sein Kopf flog zur Seite und er schmeckte Blut im Mund. Seine Lippe war aufgeplatzt.

„Glaubst du echt, du könntest so unverschämt Lügen“, sagte Ozuma und dabei war nichts freundliches mehr in seiner Stimme.Tysons fröstelte es immer mehr und er hoffte inständig, dass Tala inzwischen doch bemerkt hatte, dass er schon länger nicht mehr da war. Warum zum Teufel war er nur so unvorsichtig gewesen?! Doch bei diesen Gedanken regte sich auch noch etwas anderen in ihm. Sollte so in Zukunft sein Leben aussehen? Ständig bedroht und in der Hoffnung jemand anderes würde ihn retten?
 

Nein! Nein, dass wollte er auf keinen Fall! Er hatte sich nicht schmerzhaft von Kane getrennt um jetzt schon wieder von jemand anderen bestimmt zu werden und er hatte sich nicht gegenüber Kai durchgesetzt um ihn doch noch eingestehen zu müssen, dass er recht hatte. Er hatte sich eine Woche lang hinter Ray in der Uni versteckt und das sollte jetzt ein Ende finden. Er war kein hilfloser Junge mehr, der sich alles gefallen lies nur um geliebt zu werden. Jetzt würde er endlich wieder selber für sich einstehen.
 

Er drehte sein Gesicht wieder Ozuma zu und er legte all seinen Trotz in den Blick mit der ihm nun gegenüberstand. Egal ob Ozuma ihn immer noch festhielt, egal wie sehr seine Handgelenke schmerzten und egal, wie sehr seine Lippe blutete. Sogar Ozuma musste kurz über diese neu gewonnene Aufsässigkeit staunen, doch sofort legte sich wieder ein hinterlistiges Lächeln auf seine Lippen.

„Heute geht es nicht um deine Liaison mit einem Vampir“, sagte Ozuma mit einen geschäftsmäßigen Grinsen. „Ich will vielmehr etwas über Brooklyn erfahren. Schlimm genug, dass sich dieser Psychopath in einer Großstadt breit macht, aber ich möchte einschätzen können, was seine Ziele sind.“
 

Tyson legte den Kopf leicht schief und legte ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. „Wie soll ich dir dabei denn helfen können?“, meinte Tyson arrogant. „Ist euer Netzwerk etwa eingerostet? Vielleicht habt ihr ja Glück und Brooklyn twittert seine Pläne.“

Ozuma schnaufte kurz über diese Aufmüpfigkeit. Tyson konnte nicht sagen, ob es ein anerkennendes oder ein empörtes Schnaufen war.

„Es geht mir mehr darum, ob es Zufall oder Absicht ist, dass er in derselben Stadt wie Kai auftaucht“, sagte Ozuma nun wieder ganz der Geschäftsmann. „Es macht einen Riesenunterschied ob er hier ist, um Kai hinter herzustellen, oder ob einfach nur seinen Spaß haben will.“
 

„Der Kerl hat mich gebissen“, schimpfte Tyson und wand sich dabei etwas in Ozumas Griff, aber dieser ließ kein bisschen locker. „Glaubst du allen Ernstes, der hätte mir noch groß was erzählt. Das hier ist doch kein Hollywoodstreifen, wo der Böse seine Pläne ausplaudert bevor er den Helden killt. Warum zum Teufel hätte er mir noch groß was erzählen sollen, wenn er nur an einen kleinen Mitternachtssnack interessiert war? Zumal ich selbst an keine große Lust hatte mich mit ihm zu unterhalten. Vielleicht ist es euch ja noch nicht aufgefallen, aber der Kerl hat einen eindeutigen Dachschaden.“
 

Ozuma schaute zur Seite, zuerst streng nachdenkend, doch dann legte sich ein sanftes Lächeln auf seine Züge. „Stimmt. Warum hätte er dir was erzählen sollen, wenn er dich nur töten wollte.“ Er drehte seinen Kopf wieder zu Tyson. „Ich hatte mir mehr erhofft, aber mehr werde ich wohl kaum von dir bekommen.“ Bei den letzten Worten fing er wieder an mit seinen Fingern Tysons Gesicht zu streicheln. Tyson versuchte dieses Mal gar nicht wieder sinnlos auszuweichen, sondern er sah Ozuma nur wütend an. „Zu schade, dass du dich auf einen Vampir einlassen musstest“, die Finger strichen, nah an seinen Augen entlang, „diese tiefbraunen Augen“, die Finger bewegten sich auf seinen Mund zu, „und diese sinnlichen Lippen.“
 

Und ohne das Tyson etwas dagegen tun konnte, legte Ozuma seine Lippen auf die seinen. Tyson kniff sofort die Augen zu und presste die Lippen zusammen. Dieses gewisse Verlangen von Ozuma, hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung wahrgenommen, doch er hatte gehofft, dass es nur eine Art seiner Folter war. Tyson hätte sich gewünscht, Ozuma würde den Kuss sofort wieder abbrechen, doch im Gegenteil. Er packte Tysons Kinn, übte einen starken Druck daraus aus und zwang Tyson sogar seinen Mund zu öffnen.
 

Sofort schob sich Ozumas Zunge in seine Mundhöhle und räuberte diese aus. Tysons hätte ihm am liebsten die Zunge abgebissen, aber dieser Mistkerl hielt seinen Kiefer so fest, dass er ihn nicht mehr zusammenpressen konnte. Er wollte auch schreien, aber jeder Schrei erstickte in den aufgezwungenen Kuss. Schließlich reichte es Tyson aber doch. Mit einer schnellen Bewegung zog er die Knie an die Brust und mit einem gezielten Stoß drückte, oder mehr er schubste, Ozuma von sich weg. Dabei zog er seine beiden Arme blitzschnell nach unten. Durch diese beiden Bewegungen konnte Ozuma ihn nicht mehr halten und stolperte ein paar Schritte zurück.
 

Tyson konnte seine Beine rechtzeitig wieder in die Ausgangslage bringen und knickte somit nur ein wenig ein. Sofort sah er zornesentbrannt zu Ozuma. Dieser wirkte etwas verwirrt. Er hätte wohl nicht erwartet, dass es Tysons schaffte sich aus seinen Griff zu befreien. Tyson richtete sich auf und spuckte zur Seite. Den Geschmack von Ozuma wollte er nicht mehr in seinen Mund haben.
 

Ozuma sah ihn immer noch verdutzt an, doch dann umspielte ein melancholisches Lächeln seine Gesichtszüge. „Es wird noch andere Gelegenheiten geben.“

Tyson wunderte sich etwas über diese schnelle Aufgabe, doch dann hörte er sich hinter sich auf einmal jemanden seinen Namen rufen. Er drehte sich zur Stimme um, konnte aber noch niemanden erkennen. Schnell wurde ihm klar, dass er sich jetzt gerade wohl lieber nicht umdrehen sollte, wo doch Ozuma noch so nah bei ihm war. Eilends drehte er seinen Kopf wieder zu seinen Angreifer, doch dort wo Ozuma gerade noch gestanden hatte, war niemand mehr.
 

Hektisch blickte er jetzt in jeden Winkel des Raumes, doch niemand war mehr zu sehen. Wie war Ozuma so schnell und lautlos verschwunden und vor allen: Wohin? Wieder hörte er hinter sich, wie jemand seinen Namen rief und zwar schon eindringlicher als beim ersten Mal. Da die Stimme auch inzwischen näher gekommen war, erkannte er, zu wem sie gehörte. Er hörte auf sich Gedanken um Ozuma zu machen und suchte lieber nach einer Möglichkeiten seinen langen Kelleraufenthalt zu erklären. Er sah die Chance in einen großen Kanister der Eistee enthielt.
 

Schnell öffnete er diesen und mit einem Ruck warf er ihn um und das Getränk verteilte sich auf den ganzen Boden. Weil die Schritte der anderen Person schon ganz nahe waren, schnappte er sich noch hastig einen Lappen, von einem der Regale, kniete sich nieder und begann die Flüssigkeit aufzuwischen.

„Tyson?“, keinen Moment später kam auch Tala in sein Blickfeld und sah wie Tyson auf den Boden mit wischen beschäftigt war. „Was machst du denn da?“, fragte er und beäugte misstrauisch Tysons Tun.
 

„Das sollte ich wohl eher dich fragen“, meinte Tyson und tat so, als wäre er überrascht Tala zu sehen. „Du hast hier unten nichts zu suchen“, tadelte er und erhob dazu noch den Zeigefinger.

„Du verschwindest in den Keller ohne mir was zu sagen und kommst nicht wieder hoch“, meinte Tala und strafte Tyson mit bösen Blicken, „ und das obwohl das Problem laut deinen Kollegen doch gelöst sein sollte. Ist doch logisch, dass ich mir da Sorgen mache.“
 

„Ich hatte ausversehen noch einen Kanister mit Eistee umgekippt“, sagte Tyson, wobei er versuchte beschämt zu wirken, „natürlich musst ich das erst einmal wieder aufwischen.“

Tala schaute misstrauisch auf die Lache am Boden und dann in Tysons unschuldig wirkendes Gesicht. Sein Misstrauen war ihm eindeutig anzusehen. Tyson erinnerte sich, dass Ozuma ihn ja geschlagen hatte.
 

Er hoffte, er hätte kein blaues Auge oder so. Die aufgeplatzte Lippe hatte inzwischen aufgehört zu bluten, aber auch das könnte dennoch immer noch zu erkennen sein. Ohne weitere Worte zu sagen, lief Tala zu der Stelle, wo Ozuma gestanden hatte und sah sich ein wenig um. Er ahnte wohl was.
 

„Wie bist du überhaupt hier runtergekommen“, sagte Tyson, um so locker wie möglich zu wirken. „Ich habe hinter mir abgeschlossen.“

„Ich habe stets einen Dietrich bei mir“, sagte Tala ohne sich ihm dabei zuzuwenden, er schritt nun auch noch die anderen Teile des Kellers ab, aber anscheinend fand er niemanden. Er warf Tyson noch einen letzten vorwurfsvollen Blick zu. Tyson spürte, dass Tala seine Lüge durchschaut hatte, aber zugeben würde er dies nie.
 

Wenn er Tala sagen würde, dass Ozuma hier war um ihn zu befragen, dann müsste er zugeben, dass es gefährlich gewesen war wieder arbeiten zu gehen und das würde das Ende jeglicher Freiheiten bedeuten. Er war sicher nicht lebensmüde und würde es bestimmt nicht drauf anlegen von Ozuma oder sonst wen überfallen zu werden, aber durch das, was Ozuma gesagt hatte, hatte er das Gefühl, dass er in nächster Zeit nichts mehr von ihm zu befürchten hatte. Außerdem war ja nicht wirklich was passiert. Eine schmerzende Wange und das Gefühl, doch nicht ganz so schutzlos zu sein, das ist alles, was Ozuma mit seinen Erscheinen bewirkt hat. Dafür würde er nicht noch Wochenlang unter Quarantäne stehen.
 

Tyson wrang den Lappen mit dem aufgewischten Eistee über einen Abfluss aus und erhob sich.

„Ich muss zurück an die Arbeit“, sagte er herausfordernd zu Tala und schritt an ihm vorbei. Nichts wie raus aus diesem Keller. Hinter sich hörte er Tala knurren. Er drehte sich um, um zu sehen, ob Tala ihn wohl doch noch eine Standpauke halten würde, doch Talas kalter Blick war nicht auf ihn gerichtet, sondern auf die Stelle, wo Ozuma noch vor ein paar Minuten gestanden hatte.
 

Aber da war niemand. Dem Blauhaarigen lief ein Schauer über den Rücken, aber er straffte die Schulter und ging weiter. Tala folgte ihm.
 

**^^**
 

Das Haus, welches dem Eingang der Moonlight-Bar gegenüberstand, war perfekt um Beobachtungen anzustellen. Das Dach war eine großzügige Terrasse und man konnte von dort die ein- und ausgehenden Menschen beobachten ohne selber gesehen zu werden. Kai hatte schon dort gestanden um sehnsüchtig nach Tyson zu schauen und heute Nacht stand dort jemand, der auch schon gesehen hatte, wie der Blauhaarige mit den braunen Augen dort herauskam und seinen Heimatweg antrat. Einmal war er ihm dabei sogar gefolgt.
 

„Was hast du als nächstes vor?“, fragte Garland, welcher sich über die Brüstung lehnte und mit hungrigem Blick die Leute betrachtete, welche die Bar verließen.

„Die besten Informationen kriegt man immer noch von den betroffenen Personen selbst“, sagte Brooklyn und sah mit einen gelangweilten Blick auf die Straße herunter. Bisher war niemand vorbeigekommen, der seinem erlesenen Geschmack entsprach.
 

Er sehnte sich nach der Süße des Japaners oder nach dem starken Blut des Rothaarigen Russen. Nur selten konnte er Blut kosten, das für ihn auch wirklich sättigend war. Die meiste Zeit trank er nur um sich am Leben zu erhalten. Wirklich genießen konnte er nur selten.

„Die Tatsache, dass er von Tala begleitet wird, sollte doch Beweis genug sein, dass er Kai wichtig ist“, sagte Garland genervt und drehte sich von der Straße weg. Auch für seinen Geschmack war bisher nichts dabei gewesen.
 

„Ich will aber genau wissen, was für eine Beziehung die beiden miteinander verbindet“, zischte Brooklyn und seine Augen färbten sich rot. „Wie soll ich sonst wissen, was ich mit ihm anstellen soll?“

Garland schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. Brooklyn war ein Pedant, wenn es um solche Dinge ging. „Schon gut. Ich nimm ihn mir vor.“

Ein bisschen Normalität

Tyson lag schon längere Zeit friedlich im Bett als er von unten die Tür hörte. Da er bisher keinen Schlaf gefunden hatte horchte er sofort auf und erkannte die mürrische Stimme seines Liebsten, der über irgendetwas grummelte.Er musste unwillkürlich lächeln und war schon voller Vorfreude auf die starken Arme die ihm gleich wieder umfassen würden. Er wollte die Augen nicht öffnen und konnte somit nicht wissen, wie viel Uhr es war. Er selbst war erst um 1Uhr mit Tala aus der Bar zurückgekehrt.
 

Tala hatte ihn kein weiteres Mal auf die Sache im Keller angesprochen, aber Tyson konnte es an seinem Verhalten erkennen, dass er anscheinend nicht glaubte, dass Nichts passiert war. Tyson würde niemals zugeben, dass Ozuma ihn aufgelauert hatte. Wenn Tala das rausbekam, oder schlimmer noch Kai, dann würden ihn die beiden wahrscheinlich für den Rest seines Lebens doch noch in ein dunkles Kellerverließ werfen. Natürlich nur zu seinen Schutz…
 

Die Tatsache, dass er heute überhaupt hatte arbeiten gehen dürfen, war der erste Schritt in Richtung Normalität gewesen und er würde nur noch weitere Schritte nach vorne machen und keinen mehr zurück. Dennoch beschäftigte ihn die Sache mit Ozuma unbewusst. Tala hatte ihn den Rest des Abends nicht mehr aus den Augen gelassen und als Tyson mal kurz unter dem Tresen verschwinden wollte, weil ihm ein Löffel runtergefallen war, hatte ihn der Rothaarige sofort angezischt und gemeint, das solle ein anderer machen.
 

Tyson war sich inzwischen klar, dass Tala im Grunde nicht weniger paranoid war als Kai. Zugegeben, von Vampiren verfolgt zu werden war ein bisschen gefährlicher als der normale Alltag, aber im Grunde könnte er morgen aus dem Haus gehen und von einen Betrunkenen Autofahrer überfahren werden. Das Leben war nun einmal vergänglich und er hatte bestimmt nicht vor, dieses endliche Leben im Haus zu verbringen. Nein, er wollte Leben, und nicht Überleben. Und trotz alledem, fand er heute Nacht einfach keinen Schlaf.
 

Irgendwas vor sich her grummelnd betrat schließlich Kai das Zimmer. Tyson konnte nicht verstehen, was Kai da laberte. Entweder grummelte er unverständliches oder es war russisch. Er kannte da keinen Unterschied. Er wollte die Augen nicht öffnen und hoffte einfach, dass Kai ihn wie jeden Abend fest in die Arme schließen würde und auch er endlich die verdiente Ruhe fand.
 

Er vernahm das Rascheln von Kleidung und nahm dann war, wie sich Kai in das Bett fallen ließ. Er wartete auf die starken Hände, doch sie blieben aus. Schließlich öffnete Tyson doch die Augen und richtete sich auf. Er sah zu Kai hinunter der nur noch in Shorts bekleidet auf dem Bett lag und einen Arm über die Augen gelegt hatte.
 

„Ähm, harte Nacht?“, fragte Tyson um auf sich aufmerksam zu machen. Ansonsten flippte Kai immer sofort aus, wenn er nicht in dessen Zimmer war und heute hatte er ihn anscheinend noch überhaupt nicht wahrgenommen.

„Nur ein Nest“, meinte Kai erschöpft und sagte nichts zur Begrüßung seines Liebsten.

Tyson verzog das Gesicht, aber versuchte dann doch eine Konversation zustande zu bringen.
 

„Ein Nest? Du meinst ein Nest voller Vampire.“

Kai nahm jetzt doch die Hand von den Augen und drehte sein Gesicht zu Tyson. In dem schwachen Mondlicht, welches durch die Fenster fiel, konnte Tyson erkennen, dass Kai Kratzer im Gesicht hatte. „Was denn sonst?“

Tyson verdrehte die Augen, weil Kai schon wieder schlechte Laune hatte und anscheinend vor hatte, wieder alle anderen mit runter zu ziehen.
 

„Die Vampire hatten auch Gefangene bei sich. So eine Art Vorratskammer“, erklärte Kai weiter, ohne das Tyson fragen musste.

„Habt ihr es nicht geschafft, alle zu befreien“, fragte Tyson sanft und konnte sich schon denken, dass der Russe so fertig war, weil er einen schlechten Tag gehabt hatte.

„Pah, denen geht’s prächtig“, sagte Kai verächtlich und legte den Arm wieder über die Augen. „Aber die hatten vor mir und Ray auch Angst. Nachdem wir sie aus einem Lagerraum befreit hatten, waren die auch auf uns losgegangen. Irgend so eine hysterische Kuh hat versucht mich mit ihren Stileto-Nägeln zu Tode zu kratzen.“
 

Tyson musste grinsen. Die Vorstellung war einfach zu ulkig, auch wenn Kai anscheinend der Meinung war, dass sie die Gefangenen lieber hätten verrotten lassen sollen.

„Ich bin für heute durch“, brummte Kai. „Also verschon mich bitte mit langweiligen Geschichten aus einer Bar.“
 

Für den Moment huschte ein bedrückter Ausdruck über Tysons Gesicht, doch dann lächelte er sanft und legte sich zurück ins Bett. Doch diesmal an Kai geschmiegt, den er mit seinen Armen umfing. So war Kai nun einmal. Und im Grunde war Tyson auch froh, dass Kai nicht nach seinen Arbeitstag fragte, denn er wusste nicht, ob er schaffen es würde ihn zu belügen.
 

**^^**
 

Tyson kam es so vor, als hätte er nur ein paar wenige Stunden geschlafen und trotzdem saß er schon wieder früh morgens am Tisch in der Küche. Kai war ein verdammter Frühaufsteher, egal wie spät er nach Hause kam. Das nervige daran war nur, da Tyson bei ihm im Zimmer schlief, schmiss ihn Kai jeden Morgen mit aus dem Bett.
 

Anfangs hatte er ihn noch ein bisschen schlafen lassen, doch jetzt wo ihre Beziehung gerade mal eine Woche alt war, da meinte Kai anscheinend, dass die Schonzeit längst vorbei wäre und er hatte Tyson so lange an der Schulter gerüttelt, bis dieser sich doch aus dem Bett gequält hatte.

„Wenn das so weitergeht leide ich irgendwann unter Schlafmangel“, meckerte er Kai an, der neben der Mikrowelle stand und gerade sein Blut aufwärmte.
 

„Ein Vampir braucht nur circa 4 Stunden Schlaf um sich zu erholen“, meinte Kai desinteressiert. „Und wir können bis zu 5 Tage am Stück wach bleiben ohne Ermüdung zu spüren.“

Um einiges an bösen Bemerkungen nicht raus zulassen, biss Tyson in sein Brötchen, auf welches er kaum Bock hatte, und grummelte die Wörter einfach nur vor sich hin. Er wusste nicht ob Kai einfach nur angeben wollte oder er ihn aus Vergnügen quälte.
 

Er vermutete einfach, dass Kai zu den Personen gehörte, die meinten, alle müssten sich nach ihnen richten. Oder er hatte einfach eine sadistische Ader. Als sich Tyson diese Gedanken machte, kam ihm die Option mit der sadistischen Ader irgendwie noch am realistischsten vor.
 

Es machte Ping und Kai nahm das warme Blut aus der Mikrowelle. Tyson beäugte das ein bisschen skeptisch. Inzwischen hatte er genügend Zeit mit Tala und Kai verbracht um erkannt zu haben, dass nur Kai sein Blut jeden Tag aufwärme. Tala trank es kalt aus dem Kühlschrank oder kippte es zu einen anderen Getränk. Er fragte sich, ob dies ganz normale unterschiedliche Vorlieben waren, oder ob es einen Grund für diese verschiedenen Geschmäcker gäbe.
 

Er wandte den Blick wieder ab als Kai die Tasse an seine Lippen führte, doch Kai hatte in den Moment auch zu Tyson gesehen und ließ die Tasse wieder sinken bevor er davon kosten konnte. Er stellte die Tasse auf den Tisch ab und kam zu Tyson. Dieser schaute etwas verwundert auf, weil Kais Platz eigentlich seinem Gegenüber war, aber da hob ihn Kai schon hoch, setzte sich selbst auf den Stuhl und zog Tyson auf seinen Schoß.
 

Etwas überrascht war er schon über diese Aktion, aber dennoch schlang er sofort seine Arme um den Hals des Größeren. Kai hingegen streichelte über die Wange seines Liebsten, während die andere sich um seine Taille legte. Der Blauhaarige dachte nicht lange nach und beugte sich etwas vor, damit sie beide sich zu einem Kuss fanden. Tyson öffnete sofort seinen Mund um Kais Zunge in seine Mundhöhle zu lassen.
 

Selbst so früh am Morgen, wo er eigentlich noch müde war, war er schon fit genug um mit Kais Zunge ein Duell auszufechten. Kais Hand an seiner Wange wanderte zum Hinterkopf um ihn näher an sich zu drücken und nicht wegzulassen. So kalt Kai auch manchmal sein konnte, seine Küssen waren einfach nur heiß. Er war unersättlich, gierig und immer darauf aus, den Kampf der Leidenschaft für sich zu gewinnen.
 

Immer wenn sie sich küssten hatte Tyson das Gefühl besonders begehrenswert zu sein, als hätte er Kai in der Hand, weil er nach ihm hungerte. Zugleich war aber auch er es, der sich nach nichts mehr sehnte als Kais Bemühungen um seine Gunst. Im Bett war meistens er derjenige der sich etwas sträubte. Wenn Kai zu ihm unter die Dusche wollte, ging er raus und wenn Kai ihn küsste, war immer er derjenige der den Kus wieder unterbrach. Doch heute ließ er es mal zu und genoss einfach nur.
 

Um kurz nach Luft zu schnappen, ließen sie immer für ein paar Sekunden voneinander ab, nur um sich nach einen Blick in die Augen wieder zu einem neuen Kuss zu finden.

„Wagt es ja nicht, es in der Küche zu treiben.“ Erschrocken beendete Tyson den Kuss und drehte sich zu der Stimme um, die gerade so bedrohlich gezischt hatte. Mit einem wütenden Blick stand Tala in der Tür.
 

Kai verzog kaum das Gesicht, stand aber auf und setzte Tyson selbst wieder auf den Stuhl ab.

„Für eine ehemalige Hure bist du ganz schön spießig.“

Tyson warf Kai einen bösen Blick zu. Ihm passte es nicht wenn Kai ständig so mit Tala redete, auch wenn dieser immer wieder meinte, dass es ihm nicht störe.

„Mir geht’s hier nicht um spießig“, sagte Tala wütend und ließ sich am Tisch nieder, „sondern darum, dass wir an diesen Tisch essen.“
 

„Das hat dich nicht gestört, als wir beide es mal auf den Tisch getrieben haben.“

Tyson verschluckte sich sofort an seinen Kaffee, den er gerade zu sich genommen hatte und musste aushusten. Kai klopfte ihn teilnahmslos auf den Rücken, während ihn Tala mit Blicken aufspießte. Während er aushustete, dachte sich Tyson, dass er liebe nicht weiter darauf eingehen wollte.
 

Die lockere Affäre zwischen Tala und Kai, die angehalten hatte bis Kai ihn traf, wollte er lieber nicht zum Gesprächsthema machen. Einmal hatte er es angesprochen und Kai hatte darauf nur wieder seine Nacht mit Tala zum Gespräch gemacht, bis sie sich alle drei angezickt haben. Auf eine weitere so giftige Konversation konnte er verzichten, deshalb hustete er einfach nur und hielt den Mund.
 

Kai setzte sich ebenfalls, nun wieder still, an seinen Platz und nahm sich seine Tasse Blut zur Hand. Tyson atmete tief durch und hoffte auf ein ruhiges Frühstück ohne weitere Wortgefechte. Tala stand dann schließlich auf marschierte zur Kaffemaschine um sich ebenfalls eine Tasse zu gönnen.
 

„Willst du eigentlich gar nicht wissen, wie es gestern bei mir und Tyson in der Bar lief?“, fragte Tala auf einmal. Tyson spannte sich sofort an. Was sprach Tala denn jetzt das Thema an? Wollte er Kai irgendwelche Mutmaßungen erzählen? Wollte er einfach nur sagen, dass nichts Auffälliges geschehen ist? Wollte er einfach nur ein neues Thema anfangen, um von vorigen abzulenken?
 

Tyson Magen hatte sich zu einem unruhigen Knäuel zusammengezogen, welches in seinen Inneren rumorte. Er kam sich plötzlich eingeengt vor und sein Herz pochte schmerzhaft gegen seine Rippen. Er hoffte, Kai würde seine Anspannung nicht merken. Vorsichtig richtete er seinen Kopf auf und sah zu diesen herüber. Kai hatte den Blick nach unten gesenkt und gab schließlich seine Antwort.

„Kein Interesse.“ Tyson glaubte kaum seinen Ohren. „Ich hatte eine anstrengende Nacht und glaube kaum, dass ich jetzt hören will, wie du andere Typen angegraben hast während Tyson Getränke servierte.“
 

Von Flur aus hörten sie auf einmal ein klapperndes Geräusch.

„Endlich die Zeitung“, sagte Kai und stand ohne weitere Umschweife auf. Tyson, der dankbar war, dass Kai für einen Moment verschwand, schaute geschockt zu Tala hinüber. Der stand mit einem verbissenen Blick an der Kaffemaschine und schenkte sich nun eine Tasse voll ein.

„Wieso hast das angesprochen?“, sagte Tyson sofort.
 

„Weil ich wusste, dass er jetzt nicht in der Stimmung ist darüber zu reden. Sei mir dankbar.“

Tyson weitete verwundert die Augen.

Kai kam mit der Zeitung zurück in die Küche und schlug sie sogleich auf, aber die Schlagzeilen las er nicht. Er hatte die Zeitung sehr weit hinten aufgeschlagen bei den kleineren unwichtigen Nachrichten. Dieses Verhalten war Tyson schon früher aufgefallen. Anfangs hatte er sich noch darüber gewundert, aber inzwischen glaubte er einfach, dass Kai Themen wie Politik und Wirtschaft, welche es immer auf die Schlagzeile schafften, einfach nicht interessierten. Die lokalen Nachrichten schienen aber immer sein größtes Interesse zu wecken.
 

Er vermutete dahinter schon fast ein systematisches Suchen nach ungewöhnlichen Todesfällen oder merkwürdigen Vorkommnissen. Die etwas bedrückende Stille am Frühstückstisch machte ihm etwas mulmig und er wollte gerade ein Gespräch anfangen, als es in seiner Hosentasche auf einmal anfing zu vibrieren. Er zog verwundert sein Handy aus der Tasche und fragte sich, wer ihn zu so früher Stunde anrief. Ein Blick auf das Display und er entschuldigte sich kurz und ging in den Flur hinaus.
 

Kai und Tala blieben schweigend in der Küche zurück. Es verstrich eine Minute in der kein Laut zu hören war. Etwas skeptisch über diese Stille linste Kai über seine Zeitung. Tala hingegen schielte zur Tür.

„Diese Ruhe…“, begann Tala.

„Ist irgendwie ungewohnt.“, beendete Kai den Satz. Seit Tyson bei ihnen hauste, war keines der Essen mehr ruhig verlaufen. Anfangs hatten sich Kai und Tala mehr darüber aufgeregt, weil sie sonst meist schweigend beieinander saßen oder sich nur angifteten. Doch nach ein paar Tagen hatten sie sich anscheinend schon völlig umgewöhnt.
 

Tysons ständiges Geplapper konnte einen schon auf die Nerven gehen, aber diese Stille war jetzt doch ein wenig unangenehm. Als hätte man sich nichts mehr zu sagen wie ein altes Ehepaar. Doch lange konnten sich Tala und Kai nicht dieser Atmosphäre schämen, denn plötzlich hörten sie wie Tysons wütende Stimme durch das Haus dröhnte.
 

„Ich bin keine 10 mehr … der Dojo wird wohl kaum geklaut werden … was interessiert mich deine Handyrechnung … dein Problem, wenn du nie nach Hause kommst … ich verbringe heiße Nächte mit meinen Geliebten … hältst du mich für total bescheuert? Ach vergiss es … das wagst du nicht … das ist Erpressung … hoffentlich wirst du von nem wilden Tier gefressen!“

Mit verwunderten Blicken schauten Kai und Tala in den Gang und fragten sich, was für ein Gespräch Tyson gerade führte. Wobei es inzwischen kein Gespräch mehr war, sondern eine Aneinanderreihung von Schimpfwörtern und Drohungen.
 

„Mit wem streitet er sich denn da?“, wollte Tala wissen und beugte sich etwas vor um besser durch die Tür zu schielen.

„So wie ich Tyson einschätze, könnte das jeder sein“, murrte Kai der auch von Tyson schon so einige Schimpftiraden ertragen musste, einfach weil der Japaner sehr temperamentvoll war und sich schnell aufregte.
 

Ein letztes geschrienes Schimpfwort hallte durch das Haus, als sie auch schon hörten wie Tyson zurück in die Küche stapfte. Im Türrahmen blieb er wie angewurzelt stehen, schaute die beiden an, als würde er sie zum ersten Mal wahrnehmen und kratzte sich dann verlegen an der Wange.

„Ähm, dass eben habt ihr doch nicht etwa mitgekriegt?“
 

„Nein“, sagte Tala langgezogen und in so einen ironischen Ton, dass Tyson sofort rot um die Nasenspitze wurde und sich beschämt wieder hinsetzte. Tala sah interessiert zu Tyson, während Kai so tat als würde er die Zeitung lesen, aber insgeheim auch darauf wartete, dass Tyson das Telefongespräch erklärte. Im Grunde interessierte es ihm wenig mit wem Tyson irgendwas besprach, aber dieser Wutausbruch war wohl kaum eine Lappalie.

„Ich muss zurück nach Hause“, sagte Tyson knapp.
 

„Nichts da, du bleibst hier!“, antwortete Kai schlicht und hielt die Besprechung damit für beendet.

„Du versteht nicht, Kai. Ich will nicht nach Hause, ich muss“, betonte Tyson. „Wobei aber auch ein bisschen wollen mit dabei ist.“

Kai faltete die Zeitung zusammen und sah Tyson tief in die Augen. „Brooklyn weiß wo du wohnst. Er könnte dich jederzeit dort überfallen. Selbst du müsstest genug Grips besitzen um zu wissen, dass wir dieses Risiko nicht eingehen können.“
 

Der Jüngere zog eine Schnute, weil Kai ihn wieder indirekt als Idioten bezeichnet hatte. Natürlich wusste er um die Gefahr.

„Das eben am Handy war mein älterer Bruder“, begann er zu erklären „und er ist stinksauer, weil er mich seit Tagen nicht mehr im Dojo erreichen kann.“

„Du bist doch erst seit einer Woche hier“, konterte Kai. „Und außerdem hast du doch einen AB, oder?“
 

„Darum geht es nicht“, meinte Tyson. Er war eindeutig kleiner geworden in seinen Stuhl, aber er versuchte seine Worte wohl geordnet auszusprechen. Ihm war die Situation, in welcher er sich gerade befand, äußerst unbehaglich. „Hiro war ehrlich besorgt, nachdem er mehrere Tage hintereinander nur den AB ran bekommen hat.“

„Dann hab ich eine nette Erfindung für ihn“, feixte Kai. „Handys.“
 

Tyson kratzte sich verzweifelt am Kopf. „Ach, ich hab dir doch schon gesagt, dass es nicht darum geht. Ihm passt es schlichtweg nicht, wenn ich mehrere Tage nicht zu Hause bin und als ich dann auch noch ausplapperte, dass ich die Zeit bei dir, meinen neuen Freund, verbringe, ist er total durchgedreht.“

Ein Zucken ging durch Talas Gesicht, das aber von Kai unbemerkt blieb. Er konnte sich denken, was Hiros wahres Problem war.
 

„Was stimmt denn mit dem nicht“, mokierte sich Kai. „Soweit ich weiß tourt er durch die Welt und lässt sich kaum bei dir blicken.“ Kai konnte sich noch gut daran erinnern, wie Tyson mal von seinen Bruder angerufen worden war und dieser ihm mitteilte, dass er länger wegbleiben würde. Tyson hatte damals geweint. Kai konnte sich nicht erklären, wie die gleiche Person jetzt so einen Aufstand machen konnte, nur weil Tyson ein paar Tage lang nicht zu Hause war.
 

„Er meinte, es sei auch meine Pflicht auf den Dojo aufzupassen, ich müsse für die Uni lernen und blablabla…“, sagte Tyson und machte dabei Plapperbewegungen mit seiner Hand. „Im Grunde ist er nur ein Kontrollfreak, der genau wissen will, wo ich mich mit wem und warum aufhalte.“

„Na und, dann ignorier ihn doch einfach“, konterte Kai. „Er ist wo? Am anderen Ende der Welt? Was will er denn machen, wenn du nicht nach Hause gehst? Wieder anrufen?“
 

Kai kam die ganze Unterhaltung lächerlich vor. Tyson konnte noch nicht nach Hause gehen, ihm war die Gefahr, dass Brooklyn dort auftauchen könnte, einfach zu groß. Andererseits war ihm auch klar, dass er Tyson nicht für immer und ewig bei sich behalten könnte. Der Japaner hatte ein Leben, welches er auch weiterführen sollte. Mit Tala war es nicht anders gewesen. Auch dieser hatte nicht einfach zu Hause bleiben können als damals Brooklyn in Russland aufgetaucht war, da er sonst mit seinen Zuhälter Probleme bekommen hätte. Aber was sollte er tun? Die ganze Situation war verfahren.
 

„Hiro sagte, wenn er noch einmal im Dojo anruft und nur den AB ran bekommt, dann gibt er bei der Polizei eine vermissten Meldung auf, mit der Anmerkung ich wäre geistig verwirrt.“

„Ist das nicht ein bisschen lächerlich“, meinte Tala und verdrehte die Augen.

„Du kennst Hiro nicht“, sagte Tyson resignierend. „Der sieht mich lieber in der Gummizelle als durch die Gegend stromern.“
 

**^^**
 

Kai wusste nicht, wie er sich dazu hatte breitschlagen lassen, aber tatsächlich waren sie gegen Mittag bei Tyson zu Hause und Kai trug bei sich eine Reisetasche, weil sie wohl für ein paar Tage bleiben würden. Tyson hatte zwar immer wieder gesagt, dass es allein wegen Hiro wäre, aber dennoch konnte dieser nicht aufhören zu lächeln, nachdem sie durch die Tür getreten waren.
 

Tyson hatte sofort die Post reingeholt und durchgesehen und sich danach die Nachrichten auf den AB abgehört. Allein von Hiro befanden sich 10 Nachrichten darauf und mit jeder weiteren hörte er sich wütender an. Natürlich hätte sein großer Bruder gleich auf seinen Handy anrufen können, aber Hiro war in dieser Hinsicht noch etwas altmodisch. Außerdem wollte er immer sicher gehen, dass sich Tyson nicht in der Gegend herumtrieb.
 

Wenn er auf dem Handy anrief, dann könnte Tyson sonst was behaupten, wo er sich gerade aufhielt. Ansonsten war auf dem AB nur noch eine Nachricht von seinen Großvater (der in keinster Weise beunruhigt darüber war, dass Tyson nicht persönlich abnahm). Heutzutage redete sowieso niemand mehr auf den Anrufbeantworter. Wenn man jemanden erreichen wollte, dann war das Handy dazu immer noch die beste Möglichkeit. Kai war derzeit durch das gesamte Haus gelaufen, hatte alle Türen und Fenster überprüft und in jeden Schrank doppelt rein gesehen.
 

„Brooklyn mag zwar ein Vampir sein, aber ganz sicher ist er nicht das Monster aus dem Schrank“, merkte Tyson an, als Kai den Wäscheschrank systematisch untersuchte.

„Vor allem ist er ein Psychopath“, brummte Kai und machte die Türe zum Schrank wieder zu. „Wie es scheint ist niemand hier gewesen in den letzten Tagen.“
 

„Natürlich nicht, ich war ja bei dir!“, bemerkte Tyson schnippisch und wandte Kai den Rücken zu. Er wollte nicht streiten, aber diese ständige Vorsicht, dieses Misstrauen, … mit der Zeit wurde es ermüdend und frustrierend. Besonders wenn man die Tatsache bedachte, dass Brooklyn seit dem einen Abend, wo er ihn gebissen hatte, nichts mehr unternommen hatte. Was wenn er schon längst die Lust an ihm verloren hatte und sich darüber lustig macht, wie Kai hier einen Veitstanz aufführte an Sicherheitsmaßnahmen und Personenschutz, welcher überhaupt nicht nötig war. Die Situation war verfahren und unberechenbar.
 

Selbstverständlich hatte er auch Angst, dass Brooklyn ihn nochmal auflauern und bedrohen könnte, aber nach einer Woche Überwachung - für nichts - war er einfach an einen Punkt angekommen, wo ihm das alles lächerlich erschien. Zwar hatte ihn Ozuma gestern wirklich aufgelauert, aber nicht mal im Traum würde er es Kai auf die Nase binden. Am Schluss würde der ihm noch in einen Bunker 10 Meter unter der Erde verschanzen. Der Hauptgrund, warum er von Ozuma nichts erzählte, war aber wohl eher der, dass nicht wirklich was passiert war.
 

Ja, er hatte ihn aufgelauert und festgehalten und ihn auch geschlagen. Aber mal ehrlich. Er hatte kein Brandmal und auch die Peitschen und alles andere war weggeblieben. Wenn man von Rays Geschichten ausging, dann war die Unterredung mit Ozuma am Vorabend nichts weiter als ein Kaffeepläuschchen.

„Sag mal“, begann dann Kai auf einmal, ihn aus seinen Gedanken holend. „Du und dein Bruder. Habt ihr ein gutes Verhältnis zueinander?“
 

Tyson musste Kai nun doch sehr verwundert ansehen. „Was interessiert dich das?“

„Eigentlich wäre es mir egal, aber zum einen lässt er dich hier für Monate allein, zum anderen macht er einen Riesenaufstand, wenn er dich nicht erreichen kann. Kommt mir einfach etwas seltsam vor.“

Tyson seufzte schwer und lehnte sich gegen die Wand.
 

„Wir haben im Grunde ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Meine Mutter starb als ich noch ganz klein war und wie oft ich meinen Vater gesehen habe, kann ich an einer Hand abzählen. Mein Großvater und Hiro haben mich im Grunde großgezogen.“

„Du hast mir nie erzählt, dass deine Mutter gestorben ist“, sagte Kai mit sachter Stimme, schaute Tyson dabei aber nicht an.
 

„Hast du dich denn nie gewundert, dass sie nicht hier ist?“, fragte Tyson. Kai verzog das Gesicht. Es hatte ihn schlichtweg nicht interessiert, doch jetzt tat ihm diese Vernachlässigung leid. Er wollte keine alten Wunden aufbrechen.
 

„Auf jeden Fall ist Hiro dann auswärts studieren gegangen, nachdem er mit der Schule fertig war. Dass war für ungefähr 4 Jahre, dann kam er wieder zurück. Ich selbst war dann schon bereits 16 und Hiro hatte nun auch nicht mehr das Gefühl er müsste ständig für mich da sein. Er konnte streng und fordernd sein, aber im Grunde konnte ich mich immer auf ihn verlassen.“

Tyson setzte kurz aus. Er kniff die Lippen zusammen, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Kai merkte die Anspannung, welche durch den kleineren Körper ging. Etwas hatte wohl die Beziehung zwischen seinen Bruder und ihn verändert.
 

„Dann kam ich mit Kane zusammen und Hiro fand somit raus, dass ich schwul bin. Ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll, aber darüber gefreut hat er sich nicht.

Das Problem hatte ich auch mit anderen Freunden. Wobei ich es natürlich auch nicht an die große Glocke hängte Homosexuell zu sein, aber ich wollte mich auch nicht ständig verstecken müssen. Nur meine engsten Freunde wissen eigentlich davon.“
 

„Du arbeitest in einer Bar für Homosexuelle“, merkte Kai an, der sich nicht vorstellen konnte, dass dies unauffällig sei.

„Ich erzähle den Leuten nur, dass ich in einer Bar arbeite. Ich binde ihnen nicht auf die Nase, was für Leute dort verkehren. Zumindest wollte ich meinen Bruder und meinen Großvater diese Neuigkeit nicht vorenthalten. Eigentlich hatte ich die größte Sorge, dass mein Großvater es nicht gut aufnehmen würde, aber er zuckte nur mit den Schultern und meinte, ich solle das tun, was mich glücklich macht.“
 

„Und Hiro?“

Wieder herrschte ein Moment des Schweigens zwischen ihnen und dieses Mal verzog Tyson das Gesicht schmerzhaft. „Er sagte, ich solle ihn mit meinem Beziehungskram bloß in Ruhe lassen. Er hatte so seine Probleme damit, es zu akzeptieren.“ Kurzes Schweigen. „Inzwischen kommt er zwar etwas besser damit klar, aber… als ich am Telefon sagte, dass ich einen neuen Freund habe, ist er komplett ausgetickt. Hat mich angeschrien, was ich mir dabei gedacht habe und ob ich mir sicher wäre, dass dies das richtige für mich sei.“
 

Kai wusste nicht was er darauf antworten sollte. Er kannte derartige Probleme nicht. Seine Familie war seit über hundert Jahren tot und seine engsten Freunde waren Tala und Ray. Tala, welcher ihn erst zur Homosexualität verführte und Ray, der anscheinend selber eine Schwäche für Jungs hegte. Zumindest hatte Tyson sowas angesprochen. Irgendwas ging angeblich vor zwischen dem Chinesen und seinem Grinsefratzenfreund.
 

Tyson hing währenddessen seinen ganz eigenen Erinnerungen hinterher. Auch wenn sich das alles jetzt schlimm anhörte, er wusste, dass ihn sein Bruder immer zur Seite stehen würde und dass er ihn liebte. Das hatte nie außer Frage gestanden, aber es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Hiro gewisse Themen gemieden. Heute wusste Tyson, dass er Hiro alles erzählen konnte. Hiro mochte zwar nicht begeistert davon sein, dass sein kleiner Bruder die Gesellschaft von Männern vorzog, aber er bereute auch vieles was er während der Beziehung von Tyson und Kane getan hatte.
 

Deshalb war er auch so ausgerastet als er erfuhr, dass Tyson einen neuen Freund hatte. Er befürchtete, dass es wieder eine Beziehung wie die damals mit Kane sein würde. Doch dem war bei weiten nicht so. Tyson sah zu Kai hinauf. Nein, Kai würde ihm nie weh tun. Auch wenn er ihn anfangs immer wieder von sich weggeschubst hatte, nirgendwo fühlte er sich sicherer, als in der Nähe des Vampirs.
 

Tyson löste sich wieder von den unangenehmeren Gedanken und stapfte in die Küche. Er überprüfte die Lebensmittel und musste sogleich ein paar wegwerfen, weil sie nicht mehr gut waren.

„Wir müssen unbedingt einkaufen gehen, sonst verhungern wir noch“, merkte er an und schenkte Kai dabei einen mahnenden Blick, der sich darauf bezog, dass er die lästige Arbeit des einkaufen ganz sicher nicht alleine bewältigen würde. Kai würde mitkommen und gefälligst auch beim tragen helfen.
 

„Wenn das deine einzige Sorge ist“, brummte Kai und verschränkte die Arme vor der Brust.

Um Tysons Mundwinkel stahl sich ein kleines Grinsen. Er musste einkaufen, staub wischen, die Post sortieren und Rasen mähen. Es war zwar nur eine Woche, aber dennoch hatten ihn diese simplen Arbeiten gefehlt und er würde es genießen sie jetzt auszuführen.
 

Sein größtes Problem war es die Arbeiten mit der Uni und dem Job in der Bar unter einen Hut zu bringen. Der gestörte Psychopath der ihm nach dem Leben trachten könnte, wurde immer mehr aus dem Licht gerückt.

„Ich halte es immer noch für Verantwortungslos hier zu sein“, wechselte Kai auf einmal das Thema. „Außerdem. Was ist hieran bitte normaler als bei mir?“

Tyson lächelte mild und ergriff Kais Hand. „Komm mal mit.“
 

Kai ließ sich widerstandslos mitziehen, aber er konnte es sich nicht verkneifen dabei eines seiner bekannten „Hm’s“ zu vergeben. Tyson führte ihn zu einer Tür am Ende des Ganges und schubste ihn ohne groß Abzuwarten hinein. Kai sah sich im Raum um und erkannte ihn auch ziemlich schnell.
 

„Dein Zimmer“, brummte er. „Viel kleiner als das in meinen Haus“, setzte er noch hinten dran.

„Ja, aber das erste Mal, dass du es offiziell betreten darfst“, merkte Tyson an und schmiegte sich verführerisch an Kai. „In der ganzen Zeit die du bei mir warst, habe ich dir diesen Raum immer vorenthalten“, schnurrte er. „Ich wollte nicht, dass du auf falsche Gedanken kommst.“

Kai wollte eigentlich hart bleiben, aber Tyson schmiegte sich so verführerisch an ihn und das Bett stand gerade so nahe bei ihnen. Trotzdem unternahm er noch einen weiteren Versuch.

„Das Bett ist viel zu klein. Ich hab keine Lust die ganze Nacht zu kuscheln“, brummte er und schob Tyson energisch von sich weg.
 

Tyson aber tänzelte mit einen teuflischen Lächeln um ihn herum und setzte sich auf dem Bett nieder, dabei lehnte er sich ein wenig zurück.

„Wer hat den von Kuscheln gesprochen?“

100 Jahre Enthaltsamkeit und 150 Jahre Selbstbeherrschung. Tyson machte all dies Zunichte.

Erinnerungen des Körper

Tyson lag auf der Seite. Seine blauen Haarsträhnen fielen ihm fahrig ins Gesicht und gaben ihm somit ein weicheres und wehrloseres Aussehen. Der Mund war leicht geöffnet und seine Brust hob und senkte sich im gleichmäßigen Rhythmus seines Atmens. Eine der Hände war um die Bettdecke geschlossen, welche bis zur Brust hochgezogen war, die andere Hand ruhte neben seinen Kopf.
 

Kai lag nicht neben seinen Geliebten im Bett, sondern saß auf einen Stuhl der neben dem Bett stand. Seine Arme lagen auf der Lehne des gedrehten Stuhls, sein Kopf wiederrum auf seinen Armen. Er überwachte schon seit längerer Zeit den Schlaf seines Liebsten. Es war die dritte Nacht, in der sie wieder in dessen Haus waren.
 

Tyson wurde immer umgänglicher, weil er froh war endlich wieder Normalität in seinem Leben zu haben. Max war zum Essen vorbeigekommen, Tyson hatte ein paar Anrufe getätigt und unter anderen seinen Bruder versichert, dass er ihm das nächste Mal Bescheid gäbe, wenn er längere Zeit aus dem Haus wäre. Auch in der Universität verlief für Tyson alles normal. Hausaufgaben, Lerngruppen, Arbeiten. Zwar musste er dies alles unter den vorsichtigen Augen von Ray verrichten, aber selbst Ray merkte langsam an, dass er selbst etwas ruhiger wurde.
 

An der Universität war stets ein reges Treiben und somit war es eher unwahrscheinlich, dass Tyson an einen so belebten Ort Opfer eines Angriffs werden könne. Aber auch wenn alles darauf hindeutete dass Brooklyn schlichtweg das Interesse an Tyson verloren hatte, konnte Kai inzwischen keine ruhige Nacht mehr verbringen.
 

In den letzten Tagen waren in ihm immer wieder die Erinnerungen hochgekommen, was Brooklyn Tala angetan hatte. Er hatte ihn gequält und getötet, weil sie befreundet waren. Damals konnte Brooklyn auch nur spärliche Informationen über ihre Beziehung zu einander gehabt haben. Kai machte es jeden Tag mehr Angst, dass Brooklyn sich nicht blicken ließ. Keine Meldungen über Massaker, keine drohenden Schatten in Tysons Umgebung und keine Anzeichen dafür, dass Brooklyn überhaupt noch in der Stadt war.
 

Kai kannte Brooklyn besser als es jeder andere tat. Wenn er sich ruhig verhielt und keinerlei Anzeichen von sich gab, dann bedeutete das, dass er etwas plante. Es ging hier nicht um eine seiner überstürzten Aktionen und er lief auch nicht Amok. Er saß irgendwo im Stillen und überlegte sich genau seine nächsten Schritte. Schon als sie noch Menschen waren, war Kai dieses Verhalten befremdlich.
 

Brooklyn war vielleicht schon immer ruhig gewesen, aber er war nur selten nachdenklich. Wenn er seine Stirn in Falten legte und den Kopf auf seine Fingerknöcheln abstützte um sich seine nächsten Schritte genau zu überlegen, dann hatte Kai schon immer gewusst, dass jetzt etwas großes kam. Und genau dies befürchtete er jetzt auch. Was wenn Brooklyn nur so ruhig blieb, weil er nichts überstürzen wollte.
 

Er hatte Kais Ausdruck gesehen, als er Tyson angriff. Was wenn er schon allein daraus schloss, dass ihm Tyson wichtiger war, als ein Freund, eine Affäre oder beides zusammen? Wenn er dahinter käme, dass er Kai, in Tyson verliebt wäre, dann wäre es Brooklyn bei weiten nicht genug Tyson nur umzubringen. Er würde etwas viel schlimmeres finden. Er würde dafür sorgen, dass Kai nie wieder auch nur den Gedanken daran verschwenden würde, sich mit einem Menschen einzulassen.
 

Kai seufzte und sah auf seinen Geliebten. Tyson schlief ruhig und entspannt, aber er war weder Müde noch entspannt. Er fühlte sich ruhelos und nervös. Früher oder später musste er wieder schlafen. Er sah auf die Uhr und erkannte, dass es bereits 4 Uhr morgens war. Um 7 Uhr würde Tysons Wecker klingeln. 3 Stunden Schlaf würden ihm gut tun. Wenn er doch nur schläfrig wäre. Er stand auf und öffnete vorsichtig die Tür um sich in den Flur zu schleichen.
 

Er würde es zwar niemals jemanden verraten, aber ihm half tatsächlich warme Milch beim einschlafen. Wenn er nicht einschlafen konnte schlich er sich immer in die Küche, wärmte sich etwas Milch auf und prompt war er wieder im Bett, schlief er sofort ein. Er begab sich in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Gleich neben einer Konserve mit Schweineblut stand ein Glas mit frischer Milch.
 

Er langte sich noch eine Tasse aus einem der Schränke, goss sich Milch ein und stellte das Ganze für eine Minute in die Mikrowelle. Während er auf das Piep der Mikrowelle wartete, schweiften seine Gedanken wieder zurück zu Brooklyn und zu dem Tag, als der Krieg zwischen ihnen begann.
 

„Wo willst du hin, Kai?“, sagte Brooklyn, der sich den Arm mit der klaffenden Wunde hielt. Sein gesamter Mantel war schon von Blut durchtränkt.

Kai blieb stehen und wandte sein Gesicht seinem ehemaligen besten Freund zu. Über sein Auge zog sich ein blutiger Riss und aus seinem Mundwinkel tropfte Blut.

„Ich gehe zurück“, antwortete er knapp.
 

„Wohin zurück?“, spottete Brooklyn und spuckte aus. „In unser Dorf? Zu den Menschen? Zu unseren Familien?“

Kai senkte den Blick und schaute in den Schnee in welchen immer noch ihr beider Blut tropfte. Zurück? Er konnte nicht zurück. Er war ein Vampir. Sein Vater würde ihm ein Pflock durchs Herz stoßen, noch bevor er ihm erklären konnte, dass er anders war.
 

„Glaubst du vielleicht jemanden interessiert es, dass du noch eine Seele hast?“, fragte Brooklyn und kam zwei Schritte auf ihn zugetorkelt. „Sie werden dich abschlachten.“

„Das werden andere Vampire auch“, erklärte Kai leise und wollte sich schon wieder abwenden. „So wie ich bin, bin ich nirgends willkommen.“
 

„Deshalb sollst du ja bei mir bleiben“, sprach Brooklyn verzweifelt aus. Kai wandte sich wieder zu ihm um, nun lag in seinen Augen ein ungeahnter Schmerz. „Wir gründen unseren eigenen Clan. Wir vernichten jeden der uns im Weg steht und sind endlich frei. Frei von Verpflichtungen und dem Fluch der uns ereilt hat.“
 

Kai lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf. „Hörst du dich eigentlich reden? Frei? Vielleicht jagen wir keine Vampire mehr, aber wir werden von den Menschen gejagt. Und wir müssen Menschen töten um zu überleben. Und ich bin ehrlich gesagt nicht geneigt mein Leben mit Morden weiterzuführen.“ Die letzten Worte hatte Kai nur flüsternd gesagt. Er konnte den Fluch, dem er verfallen war, selbst nicht glauben.
 

Ein Vampir mit Seele. Er musste töten um zu überleben, aber der Gedanke einen Menschen zu töten kam ihm total absurd vor und der Gedanke, jemanden seine Zähne in den Hals zu schlagen, erfüllte ihn auch nur mit Abscheu. Dies war schlimmer als sein bisheriges Leben in der Verpflichtung, der einzige Sohn in einer Familie von Vampirjägern zu sein.
 

„Ich bin der einzige, der dich aufnimmt“, schrie Brooklyn auf. „Du wirst niemals Menschen finden, die dich in ihrer Nähe wollen. Entweder du kommst mit mir oder du wirst für immer einsam sein. Und ich werde dich immer daran erinnern.
 

Es machte Ping und Kai wurde aus seiner Erinnerung gerissen. Die Drohung von Brooklyn hatte sich über die 150 Jahre immer wieder bestätigt. Zuerst hatte dieser seine Familie umgebracht und dann hatte er Tala angegriffen. Wann immer sich Kai einen Menschen annäherte, tauchte Brooklyn auf. Er würde es niemals zulassen, dass Kai mit dem Leben, das er für sich selbst gewählt hatte, glücklich werden könnte. Aber Kai hat sich schon nach dem Tod seiner Familie geschworen, dass er Brooklyn niemals nachgeben würde.
 

Kai blies einmal über die dampfende Milch und gönnte sich dann einen ersten Schluck. Das warme Getränk rann seine Kehle herunter und wärmte ihn von innen. Diese wärme erfüllte langsam seinen ganzen Körper. Er nahm einen weiteren Schluck und lehnte sich schon ein wenig entspannter gegen die Küchenzeile, dabei schloss er genießerisch die Augen. Er musste zwar ständig in Habachtstellung bleiben, aber wenn er sich überhaupt nicht mehr entspannte, würde ihn die Anspannung noch um den Verstand bringen und vielleicht war es ja auch das, was Brooklyn mit seiner Ruhe bezweckte. Ihn so mürbe zu machen, dass er einen Angriff nicht mehr von einem normalen Gespräch unterscheiden konnte.
 

Während sich sein Körper mit einer angenehmen Wärme füllte und sein Verstand langsam in einen ruhigeren Zustand überging, beschloss er gerade zu seinen Geliebten ins Bett zu steigen und sich keine Sorgen mehr zu machen, als plötzlich ein Schrei die Stille durchbrach.

Die halbleere Tasse fiel klirrend zu Boden und bevor sie auf diesen zerschellte, war Kai auch schon zur Tür draußen und flog in rasenden Schritten über den Flur. Er riss die Tür zu Tysons Zimmer auf.
 

Mit einem Blick konnte er selbst im Dunkeln erkennen, dass sich niemand im Zimmer befand und auch die Verandatür immer noch fest verschlossen war. Dennoch krümmte sich Tyson auf den Bett hin und her. Kai eilte sofort zu ihm und packte ihn an den Schultern.

„Tyson! Tyson!!! Wach auf!“

Tyson schien die Worte von Kai nicht zu hören, denn als Kai seine Schulter packte, schien er noch mehr in Panik zu geraten und fing an, mit seinen Armen um sich zu schlagen.
 

„Tys-„ Kai brachte den Satz nicht zu Ende, da eine von Tysons geballten Fäuste ihn am Auge erwischt hatte. Er hielt sich das schmerzende Auge, aber fasste sich gleich wieder und hielt jetzt Tysons schwingende Fäuste fest.

„Nein, bitte nicht. Lass mich los!“, schrie Tyson verzweifelt im Schlaf. „Lass mich gehen!“
 

„TYSON!!! WACH AUF!!!!“, brüllte Kai seinen Geliebten an, der im Traum gerade schreckliches erleben musste. Kais brüllende Worte schienen Tyson auch zu erreichen, denn er hörte auf einmal auf, wie wild um sich zu schlagen und schwer atmend öffnete er langsam seine Augen.

„Kai?“, fragte er verblüfft und blinzelte verwundert. Kai ließ eine seiner Fäuste los und schaltete die Nachttischlampe an. Mit einem Satz saß Tyson kerzengerade im Bett und sah sich geschockt im Raum um. Dann sah er zu seinen Geliebten. Zuerst musterte er ihn höchst verwundert, dann erkannte er das geschwollene Auge und seine Augen weiteten sich erschreckt.
 

„Kai, dass… Es tut mir Leid“, brachte er entsetzt hervor. „Ich… Ich hatte einen Alptraum. Ich wollte dich nicht schlagen.“

„Das ist nichts“, wischte Kai ab und hatte wieder seine alte Coolness zurück. Er war aber auch etwas verwundert. Tyson schien nicht lange gebraucht zu haben, um zu merken, dass er einen Alptraum hatte. Manche Menschen brauchten immer einen Moment um die Realität wieder zu erkennen, aber Tyson schien schnell begriffen zu haben, was passiert war. War das vielleicht schon öfters passiert?
 

„Sag mir lieber“, begann Kai wieder zu sprechen und setzte sich zu Tyson aufs Bett, „von was du geträumt hast. Du hast geschrien und um dich geschlagen.“

Tyson sah erschreckt zu ihm hoch und senkte dann schnell den Blick auf die Bettdecke. „Das weiß ich nicht mehr“, kam es schließlich wie aus der Pistole geschossen.

Eine Lüge! Dass erkannte Kai sofort. Er beugte sich ein wenig zu ihm herunter und umschloss sanft Tysons Hand. „Wenn es ein Alptraum mit Brooklyn, oder… oder mit mir war, dann kannst du mir das sagen.“
 

Tyson schaute erschreckt zu ihm rauf. „Nein, das ist es nicht“, sage er bestürzt und dieses Mal erkannte Kai die Wahrheit in seinen Worten. Doch gleichzeitig konnte er auch erkennen, dass Tyson ihm die ganze Wahrheit nicht anvertrauen würde. Denn als Kai versuchte ihm in die Augen zu sehen, senkte er wieder den Blick und seine freie Hand krampfte sich in die Bettdecke. Kai erinnerte sich an das Geheimnis, dass Tyson ihm noch nicht anvertrauen wollte.
 

Wieder kamen wilde Theorien in seinen Kopf hoch, doch er versuchte sie beiseite zu schieben. Er nahm seinen Liebsten in den Arm und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Er musste warten bis Tyson bereit war, von sich selbst auf ihn zuzukommen. Bis dahin, würde er einfach nur für ihn da sein.
 

**^^**
 

Trotz des Alptraums und des Gefühls, Kai würde ihm seine Ausreden nur zur Hälfte glauben, konnte Tyson am nächsten Morgen doch recht fit aus dem Bett aufstehen und sich für die Universität fertig machen. Wie jeden Morgen holte ihn Ray mit dem Motorrad ab. Max war zwar etwas pikiert darüber, dass sie auf diese Weise nicht mehr zusammen zur Universität laufen konnten, doch da sie sowieso unterschiedliche Vorlesungen hatten und daher nicht immer zur selben Zeit an der Uni eintreffen mussten, hatte das nur geringe Auswirkungen. Außerdem schien Max zu denjenigen zu gehören, auf die ein Motorrad mächtigen Eindruck machte.
 

Wenn Ray vom Motorrad stieg, den Helm abnahm und dann seine schwarze Mähne schüttelte, gehörte er zu denjenigen die daraufhin fast wegschmolzen. Trotz dieser offensichtlichen Begebenheiten, beharrte Max aber weiterhin darauf, dass zwischen ihm und Ray nur eine kumpelhafte Beziehung bestand.

„Mit dem langen Haar und den grazilen Körperbau hat er eben was Feminines an sich“, hatte Max einmal erklärt. „Da ist es nicht verwunderlich, dass meine männlichen Hormone ein wenig aktiv werden.“
 

Tyson hatte die Augen verdreht und den Kopf geschüttelt. So ein homophobes Geschwafel musste er sich wirklich nicht antun und er würde nicht mal im Traum daran denken, Ray als Feminin zu bezeichnen. Ray war aber, was dieses Thema anging, auch nicht viel besser. Zwar versuchte er nicht billige Ausreden zu finden, aber er tat dafür so, als würde zwischen ihm und Max überhaupt nichts laufen.
 

„Ich rede nur mit ihm“, flüsterte Ray Tyson während der Vorlesung zu. Es war mal wieder die langweilige Geschichtevorlesung bei ihren steinalten Dozenten. Dieses Seminar schaffte man auch, wenn man einfach am Ende des Semesters eine Hausarbeit abgab.

„Ich unterhalte mich auch mit Tala und Kai, trotzdem habe ich mit keinen von beiden eine Affäre.“ Ray klang dabei etwas giftiger als sonst, daher vermutete Tyson, dass er einen Nerv bei Ray getroffen hatte. Entweder weil Ray etwas für Max empfand und sich das einfach nicht eingestehen konnte, oder weil er tatsächlich nichts für Männer übrig hatte und Tyson einfach zu viel in ihre Unterhaltungen rein interpretierte. Er konnte beides nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber ihm ging es auch allmählich auf die Nerven, dass Max und Ray nur Augen füreinander hatten, wenn sie sich trafen.
 

„Kai und Tala schaust dabei aber nicht so an“, meinte Tyson etwas zickiger.

„Ach, wie sehe ich Max denn an“, giftete Ray nicht weniger gereizt zurück.

„Schlafzimmerblick“, beantwortete Tyson die Frage und den Rest der Stunde verbrachten die beiden daraufhin schweigend. Als die Stunde schließlich zu Ende war, stand Ray mit einem eindeutig sauren Blick am Treppenabsatz des Vorlesungssaales und wartete darauf, dass Tyson sich endlich zu ihm hochbequemte. Tyson musste aber noch kurz etwas mit seinem Dozenten besprechen, wegen des Themas seiner Hausarbeit, und ging auch stattdessen nicht zu Ray nach oben sondern nach unten zum Lehrerpult.
 

Zwei seiner Kommilitonen waren noch vor ihm dran, bis sich sein Dozent dann ihm zuwenden konnte.

„Ah, Kinomiya-san. Ich vermute es geht um das Thema ihrer Hausarbeit“, meinte der alte Herr und senkte dabei den Blick auf ein Blatt, auf welchen alle Teilnehmer des Seminars mit ihren Hausarbeitsthemen aufgelistet waren.

„Es geht um die Schwerpunktsetzung“, meinte Tyson und ihm fiel auf, dass ihr Dozent heute ein wenig müde wirkte. Vielleicht hatte er es jetzt endlich geschafft auch sich selbst ins Koma zu reden. Auf jeden Fall waren seine Lider nur zur Hälfte offen und seine Haut wirkte fahl.
 

„Ja, ja“, leierte der alte Mann abwesend. „Ich hätte da noch ein wenig Sekundärliteratur in meinem Büro. Vielleicht sollten sie mehr auf die weniger offensichtlichen Ereignisse eingehen und weniger auf die bekannten Fakten. Kommen sie doch gleich mit in mein Büro.“

„Ähm…“ Tyson warf einen Blick auf den entnervt dreinblickenden Ray, der soeben auch noch mit der Zunge schnalzte um Tyson auf seine Gereiztheit aufmerksam zu machen. „Ich muss noch kurz jemanden Bescheid sagen, dann komme ich sofort. Raum 3.056, richtig?“
 

„Richtig“, meinte der alte Herr abwesend, packte seine Sachen zusammen und verließ den Raum durch den unteren Eingang, welcher zum Untergeschoss führte. Tyson sah ihm noch einen Moment verwundert nach, aber da der Dozent schon um die 70 oder älter war, dachte er sich nichts bei dessen resignierenden Eindruck. Er lief die Treppe zu Ray hoch, der anscheinend immer noch angepisst war, wegen ihrer Unterhaltung von vorhin.

„Können wir jetzt endlich gehen. Ich hab Hunger“, sagte er in einem genervten Tonfall und auch bei Tyson kam wieder der Ärger hoch.
 

„Geh schon mal vor, ich muss noch zu meinen Dozenten ins Büro.“

Ray stöhnte genervt auf, doch anstatt wie so oft darauf zu beharren, dass Tyson nicht allein sein sollte, wandte er sich einfach ab und ging durch die Tür nach draußen. Tyson zog eine Schnute und gab ein grummelndes Geräusch von sich. Dass Ray auch so sein konnte hätte er nicht gedacht. Wenn er das vorher gewusst hätte, dann wäre er nie auf die Idee gekommen, die Sache mit Max anzusprechen. Er ging die Treppe wieder runter und nahm ebenfalls den unteren Ausgang.
 

Im Untergeschoss war nie viel Trubel. Hier gab es nur die Büros der Dozenten und da es jetzt Mittagszeit war, war eh nicht viel los. Die meisten Dozenten waren beim Mittagessen oder noch in Vorlesungen. Das Büro des Dozenten befand sich zwei Ecken weiter und als er vor der Tür stand, klopfte Tyson an. Von innen hörte er ein dumpfes „Kommen sie rein“ und er betrat das Büro.
 

Sein alter Dozent stand mit dem Rücken zu ihm und Tyson glaubte zu erkennen, dass vor ihm noch jemand stand, doch er musste nicht erst um die Ecke sehen, um das herauszufinden. Denn kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, legte sich auf einmal eine Hand auf den Kopf seines Dozenten, es tat sich ein Ruck, der Kopf wurde herum gedreht, ein Knacken war zu hören und sein Dozent fiel leblos auf den Boden.
 

Die Person, die nun zu erkennen war, sah nicht einmal zu der leblosen Gestalt am Boden. Die graublauen Augen blickten unverwandt zu Tyson. Außerdem hatte die Person langes graues Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war und ein Bindi auf der Stirn. Tyson fühlte sich wie gelähmt von dem eben geschehenen, aber gleichzeitig meldete sich auch ein innerer Instinkt, der ihm sagte, dass er sofort weglaufen sollte. Er schaffte es gerade noch sich umzudrehen und die Türklinke zu ergreifen, doch bevor er sie auch nur einen Millimeter nach unten drücken konnte, wurde er an den Schultern gepackt und von einer unmenschlichen Kraft nach hinten gezerrt und durch den Raum geschmissen.
 

Wahr genommen hatte er nur ein Rascheln. Er landete unbequem auf den Schreibtisch des toten Mannes im Raum und bevor er diesmal auch nur einen Fluchtgedanken fassen konnte, wurde er auch schon an den Schultern nach unten gepresst und die blauen Augen fixierten ihn sofort wieder. Doch auf einmal färbten sich die Augen Blutrot und durch Tysons Körper ging ein Zucken. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl, dass sein Körper durch eine unnatürliche Kraft nach unten gedrückt wurde. Er konnte keinen Muskel mehr bewegen und auch sein Mund wollte sich zu keinen Laut öffnen. Die Person ließ ihn wieder los und stand aufrecht vor ihm hin, verschränkte dabei die Arme voreinander und sah abwertend zu ihm herab.
 

„Ein kleiner Junge mit großen braunen Augen. Hübsch, aber nichts Besonderes“, war seine Zusammenfassung von Tysons Äußeren. Tyson wollte etwas darauf erwidern, den Eindruck, vermitteln, dass er keine Angst vor seinem Gegenüber hatte, aber er brachte keinen Laut heraus und außer Zucken konnte er auch nichts mit seinen Körper anstellen.

„Gib dir keine Mühe. Aus meinen Bann kann sich keiner befreien“, meinte sein Gegenüber lässig. „Außerdem werde ich hier der einzige sein, der Fragen stellt.“ Der Fremde sah nun von Tysons Augen ab und begann den gesamten Körper mit Blicken abzutasten. Dies machte er sehr langsam und gemächlich und bis zu seinen Füßen herab.
 

„Für dein junges Alter scheinst du schon viel erlebt zu haben“, sagte er schließlich und Tyson wurde das ganze immer unheimlicher. Er hatte ihn doch nur angesehen, wie konnte er also so eine Schlussfolgerung ziehen. Und dann fiel es Tyson wieder ein. Groß, silbernes Haar und hypnotisierende Augen. Das über ihn musste Garland sein. Die vampirtypischen roten Augen hatte er ebenfalls. Das musste der Kerl sein, der Shuichi nach ihm ausgefragt hatte und den Tala als Empath bezeichnet hatte.
 

Er erinnerte sich das Tala ihn als gefährlich bezeichnet hatte, dass er Gefühle von anderen erspüren konnte und sogar Gedanken manipulierte. Aber was ihm besonders in Erinnerung geblieben war – er war Brooklyns Gefolgsmann. Wenn Tysons Körper ihm gehorcht hätte, dann hätte er jetzt angefangen zu zittern, aber keiner seinen Muskeln schien noch von ihm kontrolliert zu werden. Garland legte eine seiner Hände auf sein Bein und da Tyson nicht körperlich zusammenzucken konnte, tat er dies innerlich. Garland fuhr von seinem unteren Schienbein hinauf zu seinen Knie, dort hielt er kurz inne.
 

„Du warst ein sehr lebhaftes Kind. Bist oft hingefallen, aber immer gleich aufgestanden. Außerdem hast du kräftige Beine.“ Mit einen süffisanten Lächeln sah er zu Tyson hinauf. „Na ja, das nützt dir im Moment nichts.“ Er fuhr wieder etwas weiter hoch, hielt aber schon nach kurzen bei seinem Oberschenkel wieder inne. „Im Kendotraining warst du mal unvorsichtig und jemand hat einen Schlag auf deinen Oberschenkel erzielt. Die Folge, Bruch. Du spürst heute noch ein leichtes Ziehen, wenn du den Oberschenkel zu stark belastet.“

Das war passiert als Tyson 10 Jahre alt war. Er konnte sich nicht erklären, wie der Kerl das wissen konnte.

„Jeder Körper speichert Erinnerungen wie auch unser Gehirn. Ich bin in der Lage diese Erinnerungen zu lesen.“
 

Immer mehr und mehr Angst breitete sich in Tyson aus. Der Kerl las in ihm wie in einen Buch. Er musste seinen Geist befreien und hoffen, dass es Winkel in seinen Gedanken und Erinnerungen gab, die er nicht erreichen konnte. Währenddessen setzte Garland seine Reise fort und gelangte schließlich bei seinem Schritt an. Tyson wurde übel und versuchte wieder vergebens Kraft zu mobilisieren. Der Silberhaarige strich ein paar Mal über seinen Schritt bevor er süffisant zu Tyson empor sah.
 

„Viel Leidenschaft steckt in dir, aber auch Schmerz und Scham haben sich hier angeheftet. Ich sehe auch die schlechten Erinnerungen, welche du zu verdrängen versuchst. Das wichtigste aber ist, dass Kai nicht nur eine einmalige Sache war. Interessant.“

Endlich bewegte Garland seine Hand weiter, aber nur um sie dann auf Tysons Hüfte abzulegen, genau an der Stelle, wo sich seine Narbe befand. Er versuchte weiterhin seinen Geist frei zu machen und seine Gedanken gleichzeitig zu verschließen. Dieser Mistkerl hatte eindeutig zu leichtes Spiel mit ihm und er wollte nicht, dass er in seinen empfindlichsten Erinnerungen rumwühlte, wie ein Finger in einer Wunde.
 

„So ist das also“, meinte Garland fachmännisch und strich nochmal über die Narbe, dann fuhr er weiter und tastete ein paar seiner Rippen ab. „Hier und hier auch“, murmelte er dabei. „Dein Ex hat dir ganz schön viel angetan. Ich fühle seine Verletzungen überall an deinen Körper. Kaum ein Körperteil blieb verschont.
 

Merkwürdig, dass du dich auf einen Vampir einlassen konntest. Wusstest du denn nicht, dass die Gewalt mit unserem Schicksal verbunden ist? Doch das wichtigste ist dieser Teil.“ Dabei hob er seine Hand und strich Tyson sanft über die Augen. Ihn beunruhigte diese Behutsamkeit mehr, als es ein Schlag getan hätte. „Deine Augen haben einen besonderen Glanz. Du bist eindeutig verliebt. Sie beinhalten Lebenslust und Freude. Du bist eindeutig in Kai verliebt.“
 

In Tyson breitete sich Panik aus. Gleichzeitig versuchte er sich zu beruhigen. Das Tyson in Kai verliebt war musste noch nicht viel bedeuten. Was interessierte es Brooklyn wie viele Typen für Kai schwärmten. Wenn Kai diese Personen egal wären, dann hätte Brooklyn keinem Vorteil davon sie umzubringen. Okay, anscheinend war Brooklyn ein durchgeknallter Psychopath, der schon aus weniger tiefgründigen Gründen Menschen auf brutale und abscheuliche Weise umgebracht hatte. Aber dennoch. Er hatte Tala geschändigt, nur weil dieser mit Kai befreundet war. Was würde er mit der Person machen, in die Kai verliebt war.
 

„Brooklyn interessieren deine Gefühle aber recht wenig“, meinte Garland und seine Finger wanderten zu den Lippen und drückten diese Auseinander. „Es ist wichtig zu wissen, was Kai für dich empfindet und das kriege ich nur über diesen Weg heraus.“

Damit senkte Garland sein Gesicht über Tysons und presste seine Lippen auf die von Tyson. Dieser riss geschockt die Augen auf. Auch wenn er keinen Finger rühren konnte, so konnte er doch alles spüren.
 

Sein Körper durchlief ein Zittern und die kalten Lippen fühlten sich auf seinen wie Eisklötze an. Seine Gedanken währenddessen schienen Karussell zu fahren. Ihn wirbelten tausend Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf, doch keiner schien greifbar. Durchforstete Garland etwa gerade diese Gedanken, und wenn ja, konnte er etwas daraus erkennen. Doch leider beließ es Garland nicht bei einem einfachen Kuss. Er biss Tyson in die Lippe und zog das Blut daraus. In Tyson kam Übelkeit hervor. Wenn er noch die Gewalt über seinen Körper hätte, dann würde er sich jetzt wahrscheinlich übergeben.
 

Viel zu lange befand er, dauerte der Kuss, als sich Garland schließlich von ihm löste und ihn sogleich triumphierend und überrascht in die Augen sah.

„So ist das also“, sprach er überrascht aus und leckte sich dabei Tysons Blut von den Lippen. Tyson nahm das schlimmste an. Garland ging ein paar Schritte von Tyson weg, drehte ihm den Rücken zu und kramte ein Handy aus seiner Tasche. Er wählte eine Nummer und hielt sich dann das Handy an das Ohr.
 

Während er wartete, dass der andere abnahm, nahm Tyson war, dass seine Hand stärker zitterte als noch einen Moment davor. Er versuchte die Finger zu krümmen und unter schweren Aufwand gelang es ihm auch. Anscheinend hatte Garlands Einfluss auf ihn nachgelassen, weil er ihm weniger Aufmerksamkeit widmete, aber leider hatte Tyson nicht genug Kraft um aufzustehen und einen Fluchtversuch zu wagen. Fieberhaft dachte er nach, was er mit so wenig Bewegungsfähigkeit anstellen konnte. Inzwischen schien Garland endlich durchgekommen zu sein.
 

„Hast du mal wieder dein Handy verlegt, oder warum hat das so lange gedauert? … Nein ich bin nicht zickig, ich habe nur keine Lust immer eine halbe Ewigkeit zu warten, bis du dich bequemst abzunehmen.“

Tyson versuchte den Kopf ein wenig zu drehen und somit mehr vom Schreibtisch wahrzunehmen. Dabei fiel ihm ein silberner Brieföffner ins Auge. Er lag ein paar Zentimeter von seiner rechten Hand entfernt. Würde er die Hand soweit bewegen können? Er musste es wagen.
 

„Ich habe eine Überraschung für dich. Wohl eher ein Geschenk … Nein, ich werde keine Schleife drumbinden … Hab Geduld, ich erkläre dir alles, wenn ich zurück bin.“

Noch ein wenig, dachte sich Tyson und versuchte weiter seine Hand in Richtung des Brieföffners zu bewegen. Es fühlte sich an, als würde seine Hand Tonnen wiegen oder als hätte sie keinerlei Kraft in sich, doch schließlich schaffte er es, an den Brieföffner zu gelangen und mit gedanklichen Kraftaufwand, schaffte er es sogar die Hand darum zu schließen.

„Ich bin bald zurück. Versuche bis dahin deine Vorfreude zu zügeln.“
 

Garland wandte sich wieder Tyson zu und dieser sah nur eine Chance für einen Fluchtversuch. Garland kam ihm näher und stützte sich mit den Armen zu beiden Seiten von Tysons Kopf ab. „Ich warte noch ein bisschen bis ich dich zu Brooklyn bringe. Dein Blut ist süß und ich will noch ein bisschen davon naschen. Damit senkte er seinen Kopf zu Tysons Hals hinunter. Der Japaner spürte den heißen Atem an seiner Kehle und wie eine Zunge über die empfindliche Stelle strich, wo ihn einst schon Brooklyn gebissen hatte.
 

Tyson hatte immer noch ein wenig Macht über seinen Körper. Er schloss die Finger kräftiger um den Brieföffner. Nochmal leckte Garland über die gleiche Stelle. Tyson konnte spüren wie seine Halsschlagader pulsierte und als er fühlte wie sich etwas spitzes gerade da durchbohren wollte, bekam er genügend Kraft zusammen für einen gezielten Stoß. Er stieß mit der Klinge zu und auch wenn er Garland nicht richtig sehen konnte, so hatte er doch perfekt dessen Hals getroffen. Dieser stieß einen Schrei aus und sprang weg von Tyson. Geschockt tastete er nach dem Brieföffner der immer noch in seinen Hals steckte.
 

Als Garland so erschreckt weggesprungen war, schien auch der Bann von Tyson zu fallen. Er setzte sich augenblicklich auf und hastete sofort zur Tür. Dabei bemerkte er, dass der Schlüssel steckte. Der Vampir unterdessen zog sich den Brieföffner aus dem Hals und schaute mit glühenden Augen und gefletschten Zähnen zu Tyson.
 

„Du Hure!“, schrie er und wollte auf Tyson zu stürmen. Dieser zog schnell den Schlüssel aus dem Schloss, schoss durch die Tür und schloss sie wieder. Keine Sekunde zu spät, denn schon hörte er Garland dagegen knallen. Blitzschnell steckte er den Schlüssel ins Schloss und schloss die Türe noch ab. Garland versuchte vergeblich die Klinke nach unten zu drücken. Tyson lehnte sich für den Augenblick gegen die Tür und versuchte nach Luft zu schnappen. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Herz schlug mit doppelter Geschwindigkeit. An seinen Lippen hing getrocknetes Blut und seine Hände zitterten unkontrolliert.
 

Die Versuche die Türklinke runter zudrücken hörten auf einmal auf. Für einen Moment war es still und Tyson versuchte angestrengt darüber nachzudenken, ob es ein Fenster im Zimmer gab. Doch keine Sekunde später, gab es von innen einen Ohrenbetäubenden Schlag und das Holz neben seinen Kopf splitterte. Garland würde durch diese Tür kommen und wenn er sie dafür zerbersten müsse. Sofort rannte Tyson wieder los.
 

Der schnellste Weg nach draußen und somit auf offenes Gelände mit vielen Leuten, führte seines Erachtens wieder durch den Vorlesungssaal. Wenn er nur wo hingelangen würde, wo viele Leute sind, dann würde ihn Garland in der Menge sicher verlieren und Ray würde dann ein eventueller Aufruhr sofort auffallen. Er stellte natürlich die Sicherheit seiner Kommilitonen in Frage, wenn ein gestörter Vampir in der Menge herumlief, aber wenn es Brooklyn oder Garland bisher nicht gewagt hatten, ihn aus einer Menge von Studenten heraus zu entführen, dann würde es Garland allein sicher nicht wagen, mit zufälligen Todesopfern auf sich aufmerksam zu machen.
 

Hinter sich nahm er noch schwach das bersten von Holz wahr. Wenn er es jetzt schnell genug die Treppen nach oben schaffen würde, wäre er in Sicherheit. Er öffnete die Tür, trat die ersten Schritte rein, warf dabei einen Blick hinter sich und traf schon auf ein Hindernis. Er fiel mit dem Hintern auf den Boden und schaute geschockt zu der Person vor ihm empor. Einen schrecklichen Moment hatte er befürchtet Garland hätte sich überschnell bewegt und wäre schon vor ihm aufgetaucht, doch als er die blonden Haare erkannte, wurde ihm schon etwas leichter ums Herz. Es war Max.
 

„Kannst du mir mal sagen, was so ewig lange dauert?“, meckerte er und stemmte die Hände in die Hüften. „Du weißt genau, ich warte mit dem Essen immer auf dich und …“

Hinter sich hörte Tyson, dass bersten von Holz und etwas Schweres schien gegen die Wand zu schlagen.

„Was zum Teufel…“ wollte Max ansetzen, doch da hatte ihn Tyson schon an der Hand gegriffen und rannte mit ihm die Stufen empor. „Tyson, was…“
 

„Sei still“, ermahnte ihn Tyson. Vielleicht würde Garland nicht wissen, welchen Weg er genommen hatte. Schließlich hatte er nicht den gleichen Heimvorteil wie Tyson. Als sie fast das obere Ende der Treppe erreichten, hörte er hinter sich das Quietschen der Tür.

„Mist“, zischte er. Sie waren noch nicht ganz oben und bis nach draußen auf den Hof führte noch ein langer, meist menschenleerer Gang. Das konnte er nicht riskieren, besonders nicht mit Max, der sich gegen seinen harten Griff wehrte. Kurz entschlossen kickte er Max in eine der Stuhlreihen und sprang gerade noch rechtzeitig hinter ihm her, denn schon wurde die Tür mit einen Knall aufgestoßen.
 

Max wollte wieder zu einer Frage ansetzen, doch Tyson hielt ihn den Mund zu und verwies ihn mit der anderen Hand darauf ruhig zu sein. Max verstummte und Tyson wartete. Die Reihen waren hier so dicht und durch die Abstufung, sollte Garland von unten nicht in der Lage sein, sie zu entdecken. Tyson konnte sein schweres Atmen den Raum erfüllen hören.

„Komm raus, du Mistkerl!“, dröhnte es durch den Saal und bei der Stimme lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Der Kerl war wirklich sauer. „Ich finde dich ja doch und dann zerhacke ich dich in Einzelteile, bevor ich dich zu meinen Herrn bringe.“
 

Max verzog fragend das Gesicht und machte eine geschockte Miene, aber Tyson bedeutete ihn immer noch ruhig zu sein. Er nahm dann langsame Schritte wahr, die sich nach oben zu bewegen schienen. Schnell bedeutete Tyson Max, auf die andere Seite der Reihe zu krabbeln. Wenn sie erst die andere Seite erreicht hätten, könnten sie dort in Deckung gehen. Vielleicht hatten sie Glück und Garland würde vermuten, Tyson wäre schon längst nach draußen gerannt. Doch er erinnerte sich, dass er sich auch mal vor Brooklyn versteckt und dies nichts genutzt hatte. So leise wie möglich krabbelten er und Max im Schutz der Bänke auf die andere Seite.
 

Dabei wurden Garlands Schritte immer lauter und kamen somit bedrohlich näher. Wenn er auf gleicher Höhe war, müsste er nur einen Blick seitlich in die Reihe werfen und hätte sie dann schon entdeckt. Doch schließlich erreichte Max, dass Ende der Reihe und presste sich gleich geistesanwesend immer noch in knieender Position an die untere Seite. Tyson folgte ihm und drückte sich bei der oberen Stuhlreihe auf die Seite. Die Schritte waren nun, da sie sich auf der anderen Seite des Saals befanden, nur noch schwach wahrnehmbar.
 

Tyson wusste also im Moment nicht, wo genau sich Garland befand und beurteilte es als zu gefährlich den Kopf zu heben, oder zwischen den Stuhlreihen durchzuschauen. Still saßen er und Max also in der Hocke und warteten. Auf einmal war der ganze Saal von einer unheimlichen Stille erfüllt. Er warf einen Blick zu Max rüber, der nur mit den Achseln zuckte. Tyson schluckte schwer und wagte einen Blick durch die Reihe, durch die sie eben gekommen waren. Niemand zu sehen.
 

Er warf einen Blick die Reihe über ihnen entlang. Ebenfalls niemand. Aber sie hatten keine Tür oder so gehört. Garland musste also noch im Raum sein. Auf einmal durchschnitt ein Knurren die Stille und Tyson warf einen geschockten Blick in die obere Mitte. Am oberen Ende des Raums stand ein Podium mit einem alten Projektor, mit welchen früher Dias abgespielt worden waren. Aber was nun auf dem Podium stand war Garland. Um den ganzen Raum überblicken zu können, hatte er sich auf das Podium gestellt und hatte sie somit sofort entdeckt.
 

Mit seinen glühenden Augen fixierte er Tyson. Aus seiner Wunde am Hals tropfte immer noch Blut. Tyson stand sofort auf den Beinen, aber nicht schnell genug. Mit einem mächtigen Sprung stand Garland plötzlich vor ihm.

„Was…?!“, konnte er noch von Max hören, da packte ihn der Silberhaarige schon an den Schultern. Tyson hatte nur eine Wahl. Er ließ sich nach hinten fallen und packte dabei die Arme des anderen. Durch die abschüssigen Stufen im Raum hatte er mehr Schwung nach hinten und kurz bevor er mit den Rücken auf den Stufen aufschlug, zog er Garlands Arme nach hinten.
 

Sein Plan ging auf, Garland fiel durch seine eigene Kraft und die des nach hintenfallens über ihn hinweg. Der Nachteil an der ganzen Sache war allerdings, dass Tyson hart mit den Rücken auf den Stufen aufkam, doch er scherte sich nicht um seine Schmerzen. Er rappelte sich sofort wieder auf und schaute sich suchend im Raum um. Er brauchte eine Waffe, oder etwas ähnliches, aber hier gab es nichts. Da erblickte er ein 30 cm Holzlineal auf einem der Tische, welches wohl dort vergessen worden war. Garland hatte sich inzwischen ebenfalls wieder aufgerappelt und kam mit einen Kampfschrei auf Tyson zu.
 

Tyson fackelte nicht lange. Er griff nach dem Lineal, welches nicht länger war als sein Unterarm und schlug damit aus, dabei zielte er genau auf die Wunde an Garlands Hals. Dieser zuckte zusammen und Tyson nutzte die Chance um ihn noch ein Schlag auf den Kopf zu verpassen. Das Holzlineal hatte einen guten Schwung und nach dem Schlag auf den Kopf, taumelte Garland tatsächlich ein paar Schritte nach hinten, doch das konnte ihn selbstverständlich nicht aufhalten. Sofort richtete er seine hasserfüllten Augen wieder auf Tyson, der sich nicht mehr zu helfen wusste.
 

Max der noch immer mit Schockmiene neben ihn stand, würde ihm keine Hilfe sein. Tyson machte nur ängstlich einen Schritt zurück, als er plötzlich spürte wie etwas Nasses seine Wange strich. Doch das Wasser war nicht auf ihn geworfen worden, sondern an ihm vorbei und als es schließlich auf Garlands Gesicht traf, schrie dieser schmerzvoll auf und schlug die Hände in sein Gesicht von welchen Dampf aufstieg. Tyson warf einen Blick hinter sich und erkannte gerade noch wie Ray an ihm vorbeirannte. Als er auf Garland zuhielt zog er einen Pflock aus der Tasche und zielte genau auf Garlands Herz, welcher sich immer noch das qualmende Gesicht hielt und umher torkelte.
 

Ray setzte an und schaffte es die Spitze des Pflockes in Garlands linke Brust zu stoßen, doch bevor er den Stoß vollenden konnte, hatte der andere plötzlich seinen Arm gepackt und hielt ihn fest. Dabei kam Garlands Gesicht wieder zum Vorschein. Es war furchtbar entstellt, als wäre es verbrannt. Es entstand ein Machtkampf zwischen den beiden. Ray der versuchte den Pflock weiter in Garlands Herz zu treiben, und Garland der versuchte, Ray von sich wegzudrücken. Als der Pflock einen weiteren Ruck in Richtung Garlands Herz machte, nahm dieser auf einmal all seine Kraft zusammen, packte Rays Arme kräftiger und mit einen mächtigen Schwinger beförderte er ihn an das untere Ende des Raumes.
 

Ray schlug mit den Rücken gegen die Tafel und sackte auf den Boden zusammen. Dann wandte sich das wutverzerrte Gesicht von Garland wieder Tyson zu. Er zog den Pflock aus seiner Brust und machte einen Schritt auf Tyson zu. Doch in dem Moment ertönten von unten Schüsse. Ray hatte sich wieder berappelt und schoss mit einer Colt auf Garland. Ray zielte mit jeden Schuss auf Garlands Kopf.
 

Das kranke an der Sache, obwohl jeder Schuss saß und Garlands Gesicht durch die Schüsse entstellt wurde, stand er immer noch aufrecht und warf all seinen Hass Ray entgegen. Er warf noch einen letzten Blick auf Tyson, doch dann sprang er plötzlich empor und landete am oberen Ende des Raums. Er riss die Tür auf und verschwand durch diese. Ray stürmte ihn hinterher. Tyson ließ sich geschockt auf den Boden sinken und atmete so schwer, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Max stand immer noch schockstarr neben ihm.

„Kannst du mir mal erklären, was hier eben passiert ist?“

Der Unterschied zwischen Liebe und Leidenschaft

„Das kannst du nicht alleine bestimmen!“, rief Tyson Kai hinterher, der gerade wieder in dessen Zimmer verschwand. „Ich habe immer noch Rechte.“

„Deine Rechte interessieren mich einen Scheiß“, rief Kai aus dem Zimmer und Tyson konnte hören, wie er Schränke aufriss und Klamotten daraus hervorkramte.
 

„Meine Güte“, seufzte Tyson und legte sich die Hand an die Wange. Da hatte er endlich geglaubt, er würde wieder normal leben können und dann machte ein einziger Vorfall alles zunichte. Kaum waren er, Ray und Max bei ihm zuhause angekommen, hatte Kai anscheinend schon geahnt, dass etwas passiert sein musste. Naja, allzu schwer war das auch nicht zu erkennen gewesen. Tyson hatte zwar wie immer locker und unbeschwert gewirkt, aber Max war bleich wie eine Leiche und hatte immer noch diesen ungläubigen Gesichtsausdruck auf dem Gesicht. Ray allerdings war ein eindeutiger Beweis.
 

Er hinkte, hatte eine Schramme im Gesicht und atmete sehr schwerfällig. Kai hatte Ray mit einem tödlichen Blick angestarrt, Tyson sofort in eines der Zimmer gezerrt und hatte dann darauf bestanden die ganze Wahrheit zu erfahren. Natürlich hatte Tyson versucht, dass ganze nicht allzu gefährlich klingen zu lassen. Er hatte sich kurz gefasst, seine Empfindungen ausgelassen und hatte alles beendet mit dem Satz. „Du siehst also, im Grunde ist gar nichts passiert.“
 

Der sonst so ruhige Kai hatte aber in diesen Moment einen tollwütigen Blick aufgesetzt und während er Tyson anblaffte, er solle für einen Moment hier warten, stürmte er aus dem Zimmer. Ein paar Augenblicke später wurde Max unsanft zu ihm ins Zimmer gestoßen und dann brach draußen im Gang ein Donnerwetter los. Kai und Ray schrien sich gegenseitig so laut an, dass Tyson befürchten musste, die Nachbarn würden die Polizei rufen. Das war auch gar nicht so abwegig bei den Worten die zwischen den beiden flogen. Kai sprach Verwünschungen aus gegen Brooklyn, Garland und bezeichnete Ray als unnützen Taugenichts, während Ray ihn einen paranoiden Kontrollfreak nannte und ihn als Sklaventreiber bezeichnete. Schlussendlich hatte Kai alle Wut aus sich rausgeschrien und Ray aus dem Haus geworfen. Dann war er zurück zu Tyson gegangen und hatte ihm, ohne weiter auf Max zu achten, klargemacht, dass er von nun an wieder bei ihm wohnen würde und keine Freigänge mehr erlaubt waren. Und jetzt versuchte Tyson schon seit einer Viertelstunde Argumente gegen Kais Entscheidung zu finden, während dieser unaufhaltsam Tysons Kram zusammenpackte. Max war die ganze Zeit über ruhig geblieben.
 

Nachdem Ray Garland hinterher gestürmt war, waren er und Max allein im Vorlesungssaal zurückgeblieben. Max war natürlich durch die Ereignisse geschockt gewesen und hatte von Tyson eine Erklärung verlangt, welche das eben Geschehene erklären könnte. Tyson musste ihm also wohl oder übel endlich die Wahrheit anvertrauen. Doch nachdem er mit seiner Erklärung geendet hatte, war Max in Schweigen verfallen, welches bis jetzt andauerte. Er hatte kein Wort von sich gegeben als Ray zurückkam um zu erklären, dass Garland entkommen war, er hatte kein Wort auf den gemeinsamen Heimweg gesprochen, als Ray die ganze Zeit wie ein aufgeschrecktes Tier um die Ecken starrte, und er hatte während Kais Donnerwetter keinen Mucks von sich gegeben. Doch jetzt schaute er Tyson das erste Mal wieder direkt ins Gesicht und die ersten Worte seit über einer Stunde kamen über seine Lippen.
 

„Irgendwo hat Kai Recht“, meinte er kleinlaut und starrte zu dem Zimmer, aus dem sie immer noch hören konnten, wie Kai darin rumorte.

Tyson schaute seinen besten Freund geschockt an. „Das erste was du sagst und dann ist es ausgerechnet eine Unterstützung für Kai?“, fragte er schockiert.

„Was soll ich denn sonst sagen, Tyson?“, fragte Max und setzte seine belehrende Miene auf, die Tyson schon von ihm kannte.

„Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass du das alles ohne weiteres glaubst.“

„Ja, es gibt natürlich auch tausend andere Erklärungen warum ein Kerl Meterweit durch die Luft springen kann, eine Kraft wie ein Tier besitzt und Kugeln in den Kopf wegsteckt, als wären es simple Ohrfeigen“, zählte Max sarkastisch auf.

„Vergiss nicht die Reaktion auf Weihwasser“, setzte Tyson noch hinzu.
 

„Das war nur Wasser? Ich hatte geglaubt, dass sei Säure“, meinte Max dann doch geschockt. Er wendete sich ab und lehnte sich schwerfällig gegen die Wand. „Ein langweiliger Freund, dessen einzige Abartigkeit das sammeln von Briefmarken wäre. Was wäre so schlimm daran, Tyson?“

Tyson konnte nicht anders als bei dieser Bemerkung zu lächeln. Er hatte zwar gute Gründe gehabt, warum er Max nicht schon vorher eingeweiht hatte, aber ihm fiel dennoch ein großer Stein vom Herzen, dass Max das alles auf diese Weise aufnahm.

„Ich bin auf jeden Fall nicht Kais Meinung“, meinte Tyson und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was soll denn gut daran sein, wenn ich in seinen Haus eingesperrt bin, für sagen wir mal, den Rest meines Lebens.“
 

„Immer noch besser als diesen Psychopathen in die Hände zu fallen“, sagte Kai, der gerade wieder an Tyson vorbeistürmte und im Badezimmer verschwand. Tyson hörte wie Kai ein Schränkchen aufmachte und anscheinend den gesamten Inhalt daraus in eine Tasche kippte.

„Für mich hört sich das alles auch sehr gefährlich an“, meinte Max, aber in einen um vieles ruhigeren Ton als Kai. „Du hast mir schließlich erzählt, dass dieser Kerl dich schon mal angegriffen hat und wer weiß, was dieser andere Kerl jetzt alles weiß.“

„Er weiß alles“, sagte Kai, der wieder aus dem Bad kam mit einer klobigen Tasche unter den Arm. „Du warst dem Kerl hilflos ausgeliefert und er konnte somit in dir lesen, wie in einem offenen Buch. Als würdest du deine Emotionen nicht ohnehin schon vor dir hertragen.“ Der letzte Satz war zwar nur gemurmelt, aber dennoch verstand Tyson ihn gut genug und sofort schwoll wieder Wut in ihn an.
 

„Entschuldige, dass ich nicht so ein eiskaltes Arschloch bin wie andere in diesen Raum“, und als Kai schon wieder in Tysons Zimmer verschwand rief er noch hinterher. „ Außerdem will ich darauf hinweisen, dass ich es ganz allein geschafft habe, mich von seinen Bann zu befreien und ihn mir erst einmal vom Hals zu halten.“

„Wäre Ray wenig später aber nicht aufgetaucht, wärst du inzwischen bestimmt bei diesen Brooklyn und ich eine blutleere Leiche“, meinte Max mit ruhiger Stimme. Tyson fragte sich, ob es von dem Schock käme, dass sein Freund immer noch so ruhig war, oder ob er Max‘ gute Laune um ein vielfaches unterschätzt hatte.

„Fest steht, dass ich keinen weiteren Angriff zulassen werde“, sagte Kai, der mit einen Koffer, welchen er unter den Arm trug aus Tysons Zimmer kam. Nun schaute Max aber doch etwas verwundert drein. Man konnte nicht sagen woran es lag. Entweder war er erstaunt darüber, dass Kai einen doch recht großen Koffer so einfach unter den Arm trug oder es verblüffte ihn, dass Kai den Koffer tatsächlich zubekommen hatte, denn der Koffer war auf beiden Seiten ausgebeult und es schauten überall noch Stücke von Tysons Kleidung raus. Tyson wollte schon zu einer Schimpftirade ansetzen, doch da kam Kai schon auf ihn zu, packte ihn um die Taille und warf ihn sich kurzerhand über die Schulter.
 

„Kai, das geht zu weit“, fauchte ihn der Blauhaarige sofort an, doch der Russe achtete nicht auf ihn. „Ich werde nicht zulassen, dass du mich wie ein Tier für den Rest meines Lebens wegsperrst.“ Er zappelte dabei so wild mit den Armen und den Beiden, dass es ihm tatsächlich gelang Kai kurz ins Wanken zu bringen, so dass dieser ihn wieder absetzte.

„Ach, und was schlägst du dann vor“, knurrte Kai ihn an. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, aber die unordentliche Frisur und sein gehetzte Gesicht verrieten, dass seine Coolness schon längst von ihm abgefallen war. „Bleibst du weiter schön brav hier wohnen, gehst brav zur Schule, zur Arbeit und irgendwann, sagen wir, in ein oder zwei Tagen, findet dann deine Beerdigung statt. Was sollen wir dann auf deinen Grabstein meißeln? Wenigstens hatte er die letzten Tage ein normales Lebens.“
 

Max machte jetzt ein betretenes Gesicht. Er kannte Kai noch nicht allzu gut, aber diese verletzliche Seite an ihn verwunderte ihn doch sehr. Niemals hätte er gedacht, dass Kai seine Fassung verlieren könnte und zu einem derart traurigen Zynismus fähig wäre. Ja, er war sarkastisch und konnte manchmal richtig verletzend sein mit Worten, aber diese Angst um Tyson… Er hätte nie vermutet, dass Kais Schwachpunkt, anscheinend sein bester Freund war.

„Ich habe ja auch Angst“, sagte Tyson und er stand fest vor Kai, seine Augen voller Mitgefühl für seine Situation, „aber dies kann nicht die Lösung sein. Was wäre denn das für ein Leben? Und würde Brooklyn dadurch nicht auch gewinnen?! Glaubst du denn, dass macht mich oder dich glücklich, wenn wir beide ständig in Angst vor dem nächsten Angriff leben.“

Es geschah eine Regung in Kais Gesicht und er wandte betreten den Blick ab.
 

„Ich mache dir einen Vorschlag.“ Tyson ging auf Kai zu und drehte sanft sein Gesicht zu ihm, damit er ihm wieder in die Augen sah. „Wir ziehen wieder zu dir, dann musst du zumindest dort nicht ständig auf mich aufpassen und wir können unsere gemeinsame Zeit genießen. Und während ich an der Uni und auf der Arbeit bin, bleiben weiterhin Ray und Tala bei mir. Nur dieses Mal im Hintergrund. Wenn sie nicht sofort auffallen, dann kann man mich auch nicht von ihnen weglocken oder den richtigen Moment abpassen. Garland konnte mich heute doch auch nur angreifen, weil er wusste, dass Ray da war und er somit wusste, wie er mich von ihm weglocken konnte.“

Der Russe seufzte resigniert, ließ den Koffer auf den Boden fallen, wandte sich ab und strich sich durch die Haare. „Mir gefällt die ganze Sache nicht.“ Dann sah er mit seinen roten Augen wieder auf seinen Liebsten und in seinen Blick lag etwas unheimlich sanftes. „Aber mir ist nichts wichtiger als dein Glück.“
 

**^^**
 

Tyson kam es irgendwie lächerlich vor, dass er seine Hemden wieder in Kais Schrank verstaute, nachdem er sie erst ein paar Tage zuvor dort ausgeräumt hatte. Die paar Tage bei ihm zu Hause waren wie ein Test um zu sehen, ob jetzt alles wieder sicher war und leider hatte das Ergebnis dazu geführt, dass sie nun wieder bei Kai waren. Warum er aber ausgerechnet von zu Hause wieder ausziehen musste, wo er doch an der Universität angegriffen wurde, ist ihm immer noch ein Rätsel. Es war natürlich eine reine Vorsichtsmaßnahme. Brooklyn wusste wo er wohnte und es könnte gut sein, dass er ihm auch dort auflauern würde. Kai meinte, dass Haus in dem Tala und er wohnten, sei durch mächtigere Zauber geschützt und könnte nur gefunden werden, wenn jemand verraten würde, wo es sich befindet.
 

Für Tyson klang das extrem kurios, aber allmählich gewöhnte er sich daran hier nicht mehr an Wissenschaft zu glauben, sondern sich mit den größten Absurditäten auseinanderzusetzen. Tala hatte nur kurz mit der Schulter gezuckt, als sie wieder vor der Tür standen. Ray hätte ihn schon informiert und dann fiel sein strafender Blick auf Kai und er meinte, dass Ray sauer auf ihn wäre, weil er ihn so angefahren hatte. Kai hingegen zog nur die Mundwinkel runter und stolzierte einfach an Tala vorbei. Tyson fühlte in dem Moment ein grausiges Schuldgefühl in sich hochkrabbeln. Wenn er Ray nicht auf die Nerven gegangen wäre, dann hätte er nie seine Aufsicht vernachlässigt. Aber Ray hatte die ständigen Fragen und Andeutungen zum Thema Max satt gehabt und hatte daher Abstand von Tyson nehmen wollen und nur aus diesem Grund hatte er nicht darauf bestanden, in seiner Nähe zu bleiben. Wenn Ray in der Nähe geblieben wäre, dann hätte er vielleicht schneller gemerkt, dass etwas nicht stimmte und wäre noch rechtzeitig gekommen um zu verhindern, dass Garland hinter die wahre Beziehung zwischen Kai und ihm sehen konnte. Er wollte nicht, dass Kai die Schuld allein auf Ray abwälzte.
 

Dieser hatte seine Pflicht immer ernst genommen. Und auch wenn es Tyson niemals zugeben würde. Er hatte sich doch immer sicher gefühlt, wenn Ray an seiner Seite war, auch wenn er den Schutz als überflüssig empfunden hatte.

So, beim Einräumen seiner Sachen, wurde ihm wieder schmerzhaft bewusst, wie sich sein Leben doch verändert hatte in den letzten Wochen. Es war zu einer Zitterpartie geworden. Er musste in Achtung vor Angriffen und in Vorsicht vor Fremden leben. Doch bereute er, dass es so gekommen ist? Nein! Auch wenn sein Leben einen Riesen Grad an Sicherheit verloren hat, so hat er doch auch sein Glück gefunden. Kai machte ihm glücklich. In seiner Gegenwart fühlte er immer noch die Schmetterlinge in seinen Bauch, auch wenn die erste Verliebtheit zwischen ihnen schon längst vorbei war. Seine Haut kribbelte immer noch an den Stellen, die Kai erst vor kurzen berührt hatte, und wenn er ihn nachts im Arm hielt, dann fühlte er eine Geborgenheit, die er nie zuvor empfunden hatte. Und was das Detail eines verrückten Vampirs anging, der ihm anscheinend nach dem Leben trachtete? Vielleicht lag es an der vorigen Beziehung mit Kane, aber aus irgendeinem Grund schockierte ihn das noch lange nicht so sehr wie man hätte annehmen können.
 

Während er Gedanken versunken weiter seine Klamotten in den Schrank räumte, hörte er erst nach dem dritten Klingeln, wie sein Handy sich meldete. Er schritt zu dem Schreibtisch, welcher in Kais Zimmer stand. Als er das erste Mal im Haus war, hatte der Schreibtisch nur einen Notizblock und ein paar Stifte beherbergt. Inzwischen hatte er ihn aber zu seinen Arbeitsplatz umfunktioniert, denn schließlich musste er seine Uniarbeiten erledigen und Kai brauchte den Schreibtisch ja ansonsten nicht groß. Er las den Namen vom Display ab und nahm den Anruf entgegen.

„Hey Kou, was gibt es?“, fragte er seinen Freund von der Uni. Tyson hörte sich die Nachricht seines Freundes an und wurde immer blasser im Gesicht, im nächsten Moment trat er ein paar Schritte zurück und setzte sich aufs Bett. Er fasste sich an die Brust und spürte wie sein Herz so stark pochte, als wolle es seine Brust durchbrechen.
 

„Und sie wissen bisher noch nichts genaues?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Ein Unfall, verstehe. Ja, das ist … schrecklich … Danke, für deinen Anruf. Bis morgen.“

Tyson legte auf und ließ das Handy sinken, dann starrte er mit geschockten Augen auf den Boden. Er hörte wie die Tür aufging, nahm Schritte wahr und dann sah er Kais Füße vor sich auftauchen.

„Wieder dein Bruder der will, dass du nach Hause kommst?“, hörte er Kais schlecht gelaunte Stimme und hob schwerfällig den Kopf. Kai stand grimmig vor ihm, aber als er Tysons Gesichtsausdruck wahrnahm, verstand er sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Kais Blick fiel wieder auf das Handy in seiner Hand. „Wer hat dich eben angerufen?“, fragte er misstrauisch.

Tyson schaute erschreckt auf sein Handy und dann wieder zu Kai. „Nur ein Freund von der Universität“, erklärte er ruhig. „Er hat mich darüber informiert, dass unser Professor tot in seinem Büro aufgefunden wurde. Man vermutet einen Unfall. Er soll wohl hingefallen sein und hat sich beim Aufprall auf einen Stuhl, dass Genick gebrochen.“ Kai kniff den Mund zusammen und starrte auf die Seite. „Das Garland ihn getötet hat, hab ich in der ganzen Aufregung total vergessen. Was bin ich nur für ein egoistischer Mensch.“
 

Kai nahm die Betretenheit in Tysons Blick wahr und setzte sich zu ihm aufs Bett. Dann zog er ihn in eine innige Umarmung und kraulte ihm hintern Ohr.

„Du bist gerade selbst noch so davongekommen“, begann Kai, „da ist es doch verständlich, dass du es kurz vergessen hast.“

„Er wurde wegen mir getötet“, murmelte Tyson und vergrub seine Finger in Kais Jacke, dabei versuchte er die Tränen, die schon in seinen Augen brannten, wegzuhalten. Das Schuldgefühl schien seine Brust einzudrücken wie ein gewaltiger Schraubstock.

Kai umfasste sein Gesicht und zog es auf die Selbe Höhe wie seins. „Jetzt hör mir mal gut zu. Niemand wird hier wegen dir getötet. Garland hätte den alten Mann auch K.O. schlagen können oder mit seinen Fähigkeiten soweit in Trance versetzen, dass er nichts mitbekommen hätte. Er hat ihn nur getötet, weil er menschliches Leben für verachtenswert hält. Er hat schon aus niedereren Gründen getötet und das hatte mit niemanden etwas zu tun.“
 

Tyson schaute wieder zu ihm hinauf. Die roten Augen spendeten ihn Wärme und er fühlte den Druck in seiner Brust kleiner werden. Aber ganz abschütteln konnte er das Schuldgefühl nicht. Das wollte er auch nicht. Das hätte er als falsch empfunden. Aber dennoch, glaubte er Kais Worten, dass Garland nicht dazu gezwungen war, den alten Mann zu töten um Tyson zu befragen, sondern dass er es nur getan hatte, weil er es wollte und nicht weil er musste.

Kai strich ihm über den Rücken und die Schultern.

„Du wirkst ziemlich verspannt“, meinte er fachkundig und tastete mit stärkeren Druck Tysons Schultern ab.

„Wundert dich das?“, meinte Tyson, richtete sich wieder auf und sah Kai schuldzuweisend von der Seite an. „Bei dem Stress ist es ein Wunder, dass ich überhaupt noch einen Muskel rühren kann.“

Kai seufzte und massierte sich selber die Stirn. Immer diese Schuldzuweisungen. „Dann nimm ein warmes Bad. Das entspannt.“
 

Tyson verschränkte die Arme voreinander und weigerte sich partout in Kais Richtung zu sehen. „Wenn wir noch bei mir zu Hause wären, dann könnten wir jetzt in meinem großen Badezimmer ein ganz angenehmes Bad nehmen. Du könntest mir den Rücken schrubben und ich wäre superentspannt.“

Kais Lippen verzogen sich sofort wieder zu einer schmalen Linie. „Selbst wenn wir bei dir wären, hätte ich dir nicht den Rücken geschrubbt. Ich bin nicht dein persönlicher Diener.“

„Hier müsste das mit den Rücken schrubben, aber auch gut funktionieren“, meinte Tyson ohne auf Kais Worte zu achten und schielte zum Badezimmer rüber.

„Hast du mir eben nicht zugehört?“, erwiderte Kai kühl. „Wir sind doch keine Kleinkinder mehr, die zusammen in die Wanne steigen.“
 

„Du willst doch sicherlich auch, dass ich entspannt bin“, meinte Tyson und fasste sich dabei an die Schultern. Mit einer Schulterdrehung nach hinten und mit den neigen des Kopfes brachte er seinen Knochen zum knacksen. „Wenn ich entspannt bin, bin ich doch viel umgänglicher, oder?“
 

**^^**
 

Tala saß in seinem Zimmer und las in aller Gemütsruhe ein Buch. Die Ereignisse, welche er von Ray geschildert bekommen hatte, waren natürlich nicht spurlos an ihm vorbeigezogen, aber er kannte Garland und Brooklyn leider zu gut, um sich falschen Illusionen hinzugeben. Diese Tat war vorauszusehen gewesen und im Grunde hatte er nur die ganze Zeit darauf gewartet, dass so etwas passierte. Er war heilfroh, dass Tyson nichts passiert war. Aber nun, da Brooklyn offenbar die Wahrheit wusste, nämlich das Kai Tyson liebte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder selbst in Aktion treten würde. Wenn es soweit war, dann würde er natürlich mit Kai Seite an Seite kämpfen um den jungen Japaner zu beschützen. Niemals wieder sollte jemand das gleiche Schicksal erleiden wie er.
 

Tala klappte gerade das Buch zu und fragte sich, ob er Kai nicht mal auf das Thema Ray ansprechen sollte. Nachdem was Ray am Telefon erzählt hatte, dann war Kai nicht sehr gut auf ihn zu sprechen. Er war fuchsteufelswild weil er zugelassen hatte, dass Garland an Tyson herankam. Tala musste Kai zugestehen, dass Ray vielleicht nicht so vorsichtig war, wie er es hätte sein sollen, aber andererseits hätte Garland früher oder später einen Weg gefunden, Tyson in seine Gewalt zu bringen. Er wusste, dass wenn er Kai auf das Thema Ray ansprach, dieser ihn vermutlich mit Schweigen strafen würde. Aber das letzte, was sie sich jetzt leisten konnten war Streit in der Gruppe. Selbst Tyson schien das einzusehen, denn als er ankam und einen Augenblick mit Tala allein war, hatte er angemerkt, dass Ray ihn gerettet hatte und dies das einzige war was zählte. Nach Rays Erzählungen hatte sich Tyson anscheinend gut bewiesen beim Kampf gegen Garland. Natürlich war er kein ausgebildeter Vampirjäger, aber dafür, dass er noch nie zuvor gegen einen Vampir antreten musste, hatte er doch einiges an Mumm und Standfestigkeit bewiesen. Hier durfte natürlich nicht vergessen werden, dass Tyson Kendo beherrschte. Dennoch. Wenn er an seine Begegnung mit Vampiren zurückdachte, als er noch ein Mensch war. Er musste schmunzeln. Man, er hatte echt Glück noch zu Leben.
 

Auf jeden Fall musste der Streit mit Ray aus der Welt geschafft werden. So verließ Tala sein Zimmer und betrat das von Kai. Anklopfen hielt er für unnötig, schließlich betrat Kai sein Zimmer auch immer ohne sich vorher anzukündigen und hatte ihn dabei auch schon bei sehr intimen Momenten gestört. Die beiden befanden sich nicht im Raum, aber aus dem Badezimmer konnte Tala Geräusche hören. Leisen Schrittes begab sich Tala zur Tür und öffnete diesen einen Spaltbreit. Die Szene, welche er jetzt zu Gesicht bekam, hätte bestimmt so manche zum lächeln gebracht. Kai hatte die Schuhe und die Jacke ausgezogen und seine Hosenbeine hochgekrempelt. Er saß auf einen Schemel am Kopfende der Badewanne und schäumte gerade Tysons Haare ein, welcher genüsslich in der mit Schaum und Wasser gefüllten Wanne saß und mit einen Fuß auf- und abwippte.

„Ein bisschen mehr Gefühl, Kai“, kommentierte Tyson. „Du willst mich massieren und dich nicht aufführen wie ein Raubvogel, der mich in sein Nest verschleppen will.“
 

Kai grummelte etwas vor sich hin und seine Augen schickten Speere auf Tysons herab, aber dennoch sah Tala, wie seine Hände sanfter durch die Haare fuhren und Tyson glücklich lächelte. Ohne einen Ton von sich zu geben, schlich sich Tala wieder aus dem Zimmer. Er ging ins Erdgeschoss, griff sich seine Jacke und trat aus dem Haus hinaus. Dabei hatte er die ganze Zeit einen bedrückten Gesichtsausdruck.
 

**^^**
 

Es war schon dunkel und Tala saß auf der Brüstung eines Daches in einer ruhigen Gegend der Stadt und schaute mit leerem Blick auf den Boden, welcher sich 10 Stockwerke unter ihm befand. Er verstand immer noch nicht so ganz, warum ihn der Anblick von Tyson und Kai so mitgenommen hatte. Es war ein seliger Moment zwischen den beiden gewesen, obwohl Tyson es sich nicht hatte nehmen lassen, Kai zu triezen und dieser mal wieder ausgesehen hatte, als würde er nichts lieber tun, als Tyson eine bissige Bemerkung an den Kopf zu werfen. Aber vielleicht war es ja gerade das, was ihn störte. Die Einfachheit der Beziehung zwischen ihnen. Seit Tyson in ihr Leben getreten war, hat Tala Seiten an Kai kennengelernt, die er zuvor nicht kannte. Kai der Eifersüchtig war. Kai der Verletzlich war. Kai der Einfühlsam war. Kai der Zurückhaltend war. Kai der mit Feuereifer versuchte, dass zu beschützen was er liebte.
 

So in diesen Gedanken versunken, schien es Tala auch klar zu werden, was ihn so betrübte. Er selbst war eifersüchtig. Es war keine Eifersucht, wie wenn er in Kai verliebt wäre. Die Eifersucht war auch nicht nur auf einen von den beiden bezogen. Es war die Beziehung zwischen den beiden, auf die er eifersüchtig war. Liebe und Vertrautheit. Das waren zwei Dinge, die er kaum kannte. Er konnte sich auch ehrlich gesagt nicht erinnern, jemals verliebt gewesen zu sein. Und Vertrauen? Ja, er vertraute Kai, aber war es das Selbe Vertrauen, welches ihm auch Tyson entgegen brachte? Oder war es eine andere Art von vertrauen, die nicht von Liebe, sondern von Erfahrung her rührte. Er kannte Kai! Er wusste, wie stark er war und er wusste, dass er sich stets auf in verlassen konnte. Es war aber keine Selbstverständlichkeit ihm dieses Vertrauen entgegen zu bringen. Sie waren jetzt schon seit ungefähr 50 Jahren befreundet. Es wäre schwer eine Freundschaft so lange aufrecht zu erhalten, wenn man den anderen nicht über den Weg traute und es war unmöglich zusammenzuarbeiten, wenn man sich auf den anderen nicht verlassen konnte.
 

Arbeit…

Bei diesem Wort musste er unwillkürlich schmunzeln. Er und Kai haben sich bei der Arbeit kennengelernt, aber nicht weil sie denselben Job hatten, sondern weil Tala bei der Arbeit überfallen wurde und es Kais Aufgabe gewesen war, ihn zu retten. Und damit hatte auch ihre Freundschaft begonnen. Nicht mit der Rettung, sondern mit Talas Belohnung für Kai.
 


 

Tala schob die Tür zu seiner Wohnung auf. Die Tür knarzte wie üblich und bei einer Stelle musste er ein bisschen stärker drücken um sie aufzubekommen. Die Feuchtigkeit hatte in jede Ritze des Holzfußbodens gefunden und ihn somit total verbeult und verbogen. Manchmal musste er sich gegen die Tür werfen um sie aufzubekommen. Er hatte auch die Möglichkeit einen Teil der Tür abzusägen, damit sie kürzer war und somit nicht mehr über den Boden schleifte, aber die Isolierung der Wohnung war ohnehin schlecht und er wollte die Situation nicht noch verschlimmern, indem er den Wind eine weitere Ritze darbot, durch die er ziehen konnte. Aus der Wohnung drangen der gewohnte Geruch von Feuchtigkeit und das Geräusch der scheppernden Heizung. Er wagte es nicht die Heizung auszuschalten, aus Angst, er würde sie dann nicht mehr anbekommen. Außerdem war die Wohnung sowieso schon kalt genug, ohne dass er auf Heizungsanlagen verzichten musste. Tala warf einen Blick zurück und entdeckte den Unbekannten am Ende des Flurs.
 

Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah sich mit zusammengekniffenen Augen im Gang um. Er hatte eindrucksvolle rote Augen. Ein Rubinrot, wie man es nur selten sah. Aber immer noch könnte Tala schwören, dass sie für einen Moment leuchtend rot gewesen waren. In dem Moment, wo er diesen abartigen Kerl von ihm runterzog. Tala durchlief ein Schauer, wenn er an die Situation zurück dachte. Ihm war sein Kunde sowieso schon suspekt vorgekommen, als er ihn angesprochen hatte. Er war furchtbar bleich gewesen, hatte gezittert und nur wenige Worte gesprochen um ihn klarzumachen. Tala hatte ihn für einen Junkie gehalten, der es unbedingt nötig hatte. Der Kunde hatte ihn schließlich, als sie eine Gasse durchquerten, an den Schultern gepackt und gegen die Wand gedrückt. Auch hier war ihm die Sache noch nicht allzu gefährlich vorgekommen. Manche liebten es, es im freien zu machen, mit dem Kick, dass jeden Moment jemand vorbeikommen könnte. Einmal hatte ihn jemand auf einer Toilette genommen. Einer stark besuchten Bahnhofstoilette! Jetzt wenn er so darüber nachdachte, war dies einer der Tiefpunkte in seinen Leben gewesen.
 

Auf jeden Fall hatte er die Augen verdreht und gehofft, der Typ würde es schnell hinter sich bringen. Aber anstatt sich an der Hose rumzunesteln, hatte der Kerl plötzlich den Mund weit aufgerissen und überlange Eckzähne offenbart. Dies war der Moment, in dem er zum ersten Mal panisch wurde. Er wollte den Kerl wegdrücken, doch sein Griff war eisenhart und ließ kein Entkommen zu. Wie in Zeitlupe hatte er gesehen, wie der Kunde diese enorm langen Eckzähne in Richtung seines Halses bewegte. Er hatte schon die Augen geschlossen und mit dem Schmerz gerechnet, als der Kunde plötzlich von ihm weggezogen wurde. Er hatte die Augen sofort wieder geöffnet und gerade noch gesehen, wie der andere Unbekannte, den Kunden an die Wand warf und ihn ein Holzpflock in die Brust stieß, woraufhin dieser zu Staub zerbröckelte.

Jetzt gut eine halbe Stunde später, konnte Tala immer noch nicht glauben, was sich vor ihm abgespielt hatte. Er hatte den Unbekannten noch überredet mit zu ihm zu kommen, um ihn eine Belohnung als Dank zu geben. Er hatte zwar Anfangs abgelehnt, aber Tala hatte nicht locker gelassen und nun standen sie hier.
 

„Jetzt steh da nicht rum“, sagte Tala zu den Unbekannten. „Komm rein.“

Der Unbekannte bewegte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und ging langsam auf Tala zu, er warf ihn noch einen letzten Blick zu und betrat die Wohnung. Tala folgte ihm, schloss die Tür wieder und verriegelte sie mit der Kette. Eine nötige Vorsichtsmaßnahme, aber nützen würde sie im Ernstfall bestimmt nicht. Die Tür war derart vermodert, dass man sie nur mit einen Tritt zum brechen bringen konnte. Dennoch war die Gegend so gefährlich, dass man sich schon überhaupt über eine Tür freuen konnte. Er trat in den Wohnraum und sah wie der Unbekannte sich gerade umsah. Es war ein kleiner Raum. An der einen Wand stand ein durchgesessenes Sofa und neben der Tür, stand ein einzelner Hand mit einem Schrank, der darüber hing. Ein verbeulter Holzkohleofen verbreitete eine stickige Wärme im Raum. Eine Tür führte in sein Schlafzimmer, welches gerade mal so groß war wie ein Wandschrank und eine weitere Tür führte in ein Bad. Tala sah, wie das Gesicht des Unbekannten sich zu einer Miene des Ekels verzogen hatte.

„Ich weiß, es ist nichts besonderes“, meinte Tala, „aber immer noch besser als ein Pappkarton auf der Straße.“
 

„Hab schon schlimmeres gesehen“, meinte der Unbekannte und ging zum Fenster, von welchen der Schmutz schon gar nicht mehr runterging, um rauzusehen. Tala konnte sich keinen Reim auf die Antwort machen. Der Unbekannte trug saubere, gute Kleidung. Er wirkte nicht unbedingt wie jemand, der sich öfters in Elendsvierteln aufhielt. Außerdem war Tala aufgefallen, das er zwar perfekt russisch sprach, aber bei manchen Worten eine etwas nuschelige Aussprache hatte. Er vermutete, dass der Fremde zwar gebürtiger Russe war, aber auch viel Zeit im Ausland verbracht hatte. Er beobachtete ihn noch einen Moment, wie er anscheinend die Gegend vor dem Fenster absuchte, dann ging er auf ihn zu. Er fasste ihn an der Schulter, damit der Unbekannte ihn ansah. Dieser richtete seinen roten Augen fragend auf ihn. Diese Augen waren wirklich wunderschön. Er würde die ganze Zeit zu ihm aufsehen, während er ihm seine Belohnung gab. Nur selten wurde ihm etwas so schönes zu teil. Er legte die Hände auf die Schultern des Unbekannten und bugsierte ihn jetzt auf das Sofa zu. Der Unbekannte, sah ihn zwar überrascht an, aber unternahm nichts. Mit einem sanften Schubs beförderte Tala ihn auf das Sofa. Der Fremde sah fragend zu ihm, aber Tala kniete sich einfach zwischen seine Beine.

„Entspann dich einfach“, raunte er ihm noch zu, bevor seine Hände zu dessen Hose wanderten und den Reißverschluss ergriffen. Sofort sprang der Unbekannte auf und bewegte sich eilends an das andere Ende des Raumes.
 

„Was soll das?“, fragte er perplex.

„Ich blas dir einen“, sagte Tala ungeniert und er musste unwillkürlich lächeln, als er sah, dass der Fremde sofort rot um die Wangen wurde. „Das ist die Belohnung dafür, dass du mich gerettet hast.“

„Ich habe mich eh schon gefragt, was einer wie du mir anbieten will“, meinte der Fremde, „aber mit sowas habe ich nun wirklich nicht gerechnet.“

„Einer wie ich“, wiederholte Tala, aber wischte die Bemerkung sofort wieder weg. Er hatte ja recht. Aber dennoch hatte es ihn auch leicht verletzt. „Vielleicht wäre dir ja ein Fick lieber, aber so viel ist mein Leben dann auch nicht wert.“

Die Augen des Unbekannten wurden jetzt groß wie Tennisbälle. Es machte den Eindruck, als würde er zum ersten Mal so eine Unterhaltung führen. Tala wunderte sich ein wenig. Der Unbekannte war gut gebaut, hatte ein schönes Gesicht, wirkte gepflegt und dann diese eindrucksvollen Augen. Dem mussten die Frauen doch scharrenweise hinterherrennen, aber seine Reaktionen waren wie die einer Jungfrau.

„Ich habe dein Leben nicht gerettet, damit du mir etwas geben musst“, erklärte er und hob dabei die Hand, als wolle er Tala damit auf Abstand halten. „Allein die Tatsache, dass du mir dankst ist genug.“
 

„Oh, wie edel“, höhnte Tala und sah ihn mit wütenden Augen an. „Du kannst ruhig dazu stehen, dass ich dir nicht gut genug bin. Weißt du was, schließ einfach die Augen und stell dir vor, ich wäre eine Frau, dann wird’s trotzdem schön.“ Tala kam wieder näher auf ihn zu.

Der Unbekannte hob nun beide Hände und schien nach Worten zu ringen. „Ich brauch wirklich keine Belohnung“, erklärte er mit fester Stimme. „Ich hätte dich auch gerettet, wenn du mir danach eine gescheuert hättest. Ist übrigens auch schon vorgekommen.“ Der letzte Satz war nur gemurmelt gewesen, aber Tala interessierte es nicht, denn allmählich wurde er ungeduldig.

„Jetzt hör mal zu, die meisten hätten, wenn sie gesehen hätten wie ich angegriffen werde, einfach auf den Absatz kehrt gemacht und hätten so getan, als hätten sie nichts gesehen“, erklärte er wütend. „Ein paar hätten vielleicht sogar gewartet bis ich Tod bin, damit sie meine Leiche plündern können. Gerettet zu werden, von jemanden der nicht mal eine Belohnung dafür will, ist mir ehrlich gesagt etwas zu eigenartig.“

„Das ist mein Job, okay“, erklärte der Fremde. „Ich unterscheide dabei nicht zwischen Arm und Reich, oder in welcher Gegend es passiert. Und nur mal zur Info. Dein Leben ist sehr viel mehr wert als ein Fick. Jedes Leben ist kostbar.“
 

Damit drehte er sich um und ging auf die Tür zu. Tala stand noch einen Moment geschockt da, aber dann raffte er sich auf und sprintete ihn hinterher und packte ihn am Arm.

„Moment, bitte geh noch nicht“, sagte er und als der Fremde sich zu ihm drehte, versank er für einen Moment wieder in den schönen roten Augen. „Meinst du das ehrlich? Das was du eben gesagt hast.“

„Wieso sollte ich lügen“, meinte der Unbekannte, riss sich von Tala los, aber dieser packte wieder seine Hand. Tala konnte sich selbst nicht erklären warum er das tat. Aber die Worte hatten etwas in ihn berührt. Noch nie hatte ihn jemand als wertvoll bezeichnet. „Sag mir doch bitte deine Namen“, bedrängte er ihn und versuchte weiter, die Augen des anderen einzufangen, aber er weigerte sich Tala ein weiteres Mal anzusehen.

„Du brauchst meine Namen nicht! Wir werden uns nie wieder sehen.“

„Ich will dich aber wiedersehen.“

„Das geht nicht!“

„Warum? Bist du nicht mehr lange in der Stadt?“

„Das ist nicht gut für dich.“

„Ich bin ein Stricher! Viel Gutes gibt es in meinen Leben sowieso nicht.“

„Lass mich los!“

„Erst wenn du mir deinen Namen gesagt hast.“
 

Mit einen mal riss sich der Unbekannte mit einen starken Ruck von ihm los, drehte sich zu ihm um und dann glühten seine Augen auf einmal wieder rot, er riss den Mund auf, offenbarte lange Eckzähne und er spie einen knurrenden Laut aus. Genauso plötzlich wie dies gekommen war, endete es auch wieder und der Unbekannte wendete sich auf einmal wieder ab. Anscheinend erschreckt von seiner eigenen Reaktion. Tala war zwar verdutzt über die Reaktion, aber dann verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Mein Zuhälter sieht viel gefährlicher aus als du, sollte die Kasse mal nicht stimmen.“

Der Unbekannte drehte sich überrascht wieder zu ihm und sah ihn ungläubig an. Dann setzte er auf einmal eine gleichgültige Miene auf. Es herrschte ein Moment eisigen Schweigens zwischen ihnen.

„Ich heiße Kai.“
 


 

Tala lächelte wenn er daran zurückdachte. Kai war zu einen seiner besten Freund geworden. Und mehr, sie wurden zu Liebhabern. Auch wenn er Kai, und Kai nie ihn, geliebt hatte, so teilten sie doch etwas miteinander und so war es über 50 Jahre lang gewesen. Zwar war nachdem er selbst zum Vampir geworden war, ihre Affäre immer lockerer und unbedeutender geworden, aber bis Kai Tyson kennen lernte, hatten sie doch hin und wieder eine leidenschaftliche Nacht zusammen verbracht. Und genau dies war der Unterschied zwischen der Beziehung zwischen Tyson und ihm. Liebe und Leidenschaft. Zwar gab es in der Liebe auch Leidenschaft und in der Leidenschaft konnte auch Liebe dabei sein, aber wenn der Ausgangspunkt ein anderer war, dann war das für die Beziehung ein riesen Unterschied.
 

War es dies was Tala so nachdenklich machte? Hätte er sich gewünscht, dass er und Kai sich in einander verliebt hätten, oder sehnte er sich nach Liebe im Allgemeinen? Wohl eher das Zweite. Denn wenn er so zurück dachte, an die Freundschaft mit Kai, dann wusste er eins genau. Ihm hatte es an nichts gefehlt. Er lächelte augenblicklich wieder selig. Er hatte jetzt einfach diese Ruhe und Abgeschiedenheit gebraucht um in Ruhe nachdenken zu können, aber jetzt wollte er lieber wieder zurück nach Hause. Wer weiß, vielleicht hatten sich Tyson und Kai inzwischen wieder in die Haare gekriegt und es war an ihm, ein Machtwort zu sprechen. Dafür waren Freunde schließlich da. Er erhob sich und drehte sich um.

„Hi Tala.“
 

Sofort blieb ihm das Herz in der Brust stehen. Als er sich umgedreht hatte stand plötzlich - keine Handbreit von ihm entfernt - Garland. Er war im ersten Moment zu geschockt um zu reagieren. Garland grinste auf einmal dreckig und dann wurde er an den Schultern gepackt und grob nach hinten gestoßen. Tala riss geschockt die Augen auf. Hinter ihm war nichts als der Abgrund! Er fiel hinten über und sah den Himmel immer weiter von sich wegrücken. Er versuchte im Fallen die Hauswand zu fassen zu bekommen, aber er war zu weit weg und nur ein paar Sekunden später, spürte er schon den Schmerz des Aufpralls, welcher seinen gesamten Rücken und seinen Kopf erfasste. Er blickte nach oben und sah immer noch Garland auf den Dach stehen, dann wurde alles um ihn rum schwarz.

Vergangenheit und Gegenwart

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Die verschiedenen Arten von Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Der Fluch der Seele

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Die Bürde eines Jägers

Klirr

Das schrille Geräusch weckte ihn aus dem Schlaf. Sofort waren seine Augen geöffnet und seine Sinne hellwach. Er brauchte einen Moment um zu realisieren wo er war und zu welcher ungefähren Uhrzeit. Nachdem er sein dunkles Zimmer registriert hatte, wanderten seine Augen zu seinen Nachttisch wo ein im Dunkeln leuchtender Wecker verkündete, es sei 2 Uhr morgens.
 

Er musste um 7Uhr aufstehen um sich für die Schule zu richten, also war es noch viel zu früh. Er hörte in die Nacht hinein. Jetzt, in einen etwas wacheren Zustand, konnte er zuordnen, dass das Geräusch welches er gehört hatte, wohl zerbrechendes Glas gewesen war. Merkwürdig. Seine Eltern würden ebenfalls früh aufstehen müssen, also konnte er sich nicht vorstellen, dass sie noch wach waren und eventuell ein Trinkglas zu Bruch gegangen ist. Aber vielleicht war das Geräusch auch nur in einen Traum von ihm vorgekommen.
 

Er lauschte in die Nacht hinein. Er hörte nichts. Kein Tier, kein Wehen des Windes, keine Geräusche im Haus. An sich nichts ungewöhnliches, schließlich lebte er mit seinen Eltern in einen kleineren Dorf. Nicht so weit abgeschieden, dass man von fern der Zivilisation sprechen konnte, aber doch so abgesondert, dass es bei Nacht keinerlei Geräusche gab. Die Müdigkeit schien ihn wieder umfangen zu wollen. Kein Wunder. Er war erst 10 Jahre alt und er hatte den ganzen Tag mit seinen Freunden rumgetollt und sein Körper verlangte jetzt den nötigen Schlaf um noch einen weiteren solchen Tag erleben zu können. Seine Lieder fielen wieder zu. Langsam glitt er wieder in die Traumwelt über.

„Kyaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!!“
 

Der Schrei ließ ihn dieses Mal aufrecht im Bett sitzen und sofort suchte er fahrig nach dem Lichtschalter seiner Nachttischlampe. Als das Licht den Raum flutete saß er schweratmend im Bett. Die Stimme. War das seine Mutter gewesen? Der Schrei war nach kurzen verstummt. Seine Finger krallten sich in die Decke, er versuchte ruhig zu bleiben um eventuell weitere Geräusche zu hören. Und tatsächlich. Er hörte die tiefe Stimme seines Vaters, aber er konnte nichts verstehen von dem was er sagte. Er konnte rumpeln hören und dann das Fallen von etwas schweren auf den Boden. Er wusste, er musste aus seinen Zimmer und herausfinden was da vor sich ging, doch er war wie von Angst gelähmt.
 

Plötzlich hörte er einen weiteren Schrei. Dieses Mal von seinen Vater. Es war ein von Schmerz durchzogenener Laut.

Er konnte nicht länger sitzen bleiben, er stand auf und hastete zu seiner Tür und wollte die Klinke ergreifen, doch er zitterte so sehr, dass er es zuerst nicht schaffte, sie zu fassen zu kriegen. Er riss sich zusammen. Was wenn ein Einbrecher da war und seine Eltern bedrohte. Er war nur ein Kind, doch er konnte doch nicht einfach in seinem Zimmer hocken bleiben. Er ergriff die Klinke und drückte sie vorsichtig runter um kein Geräusch zu machen. In dem Moment wo er den Flur betrat, hörte er wieder das Fallen von etwas schweren auf den Boden. Nun wieder von einen Zittern erfasst, tastete er die Wand nach dem Lichtschalter ab.
 

Im Flur war es so dunkel. Das hereinfallende Mondlicht durch die Jalousien brachte nur spärliches Licht, welches bedrohliche Schatten an die Wand warf. Wieso fand er den verdammten Lichtschalter nicht?! Dies war doch nicht das erste Mal, dass er das Licht einschaltete. Sein Blick war auf die Tür vom Schlafzimmer seiner Eltern gerichtet, sie war geschlossen, doch auf einmal ging sie langsam quietschend auf. Er hörte auf den Lichtschalter an der Wand zu suchen. Sein Körper war auf einmal starr. Fluchtgedanken wurden in ihn wach. Aber vor was sollte er den flüchten? Bestimmt war dies nur sein Vater, der herauskam um zu berichten, dass seine Mutter einen Alptraum hatte, oder dass er ausversehen bei Dunkelheit über etwas gefallen war.
 

Es bestand kein Grund zur Sorge und trotzdem… als er die Schemen einer Gestalt aus dem Zimmer kommen sah, drehte er sich um und wollte wegrennen. Er setzte den ersten Fuß vor dem anderen, aber schon hörte er hinter sich ein Knurren. Ein Luftzug und plötzlich wurde er an den Schulter gepackt und zu Boden geworfen. Er landete unsanft auf den Boden, sein Kinn schlug auf und sofort durchzuckte Schmerz seinen Körper. Völlig geschockt, wandte er das Gesicht um, doch im Dunkeln konnte er nur die Schemen einer Person erkennen, welche ihn an den Schultern auf den Boden drückte und bedrohlich über ihn ragte. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, er konnte nicht einmal schreien. Doch ein anderer Laut zerstörte die Ruhe.
 

Ein Schuss. Die Kreatur über ihn heulte auf. Ein unmenschlicher Schrei. Gleich darauf fiel ein weiterer Schuss. Wieder der Schrei der Kreatur. Dann ließ sie endlich von ihm ab. Er konnte nicht wirklich erkennen was geschah. Er hörte nur das Trappeln von sich entfernenden Füßen, dann wieder das Klirren von Glas und schließlich spürte er einen Luftzug. Dann kamen schnelle Schritte auf ihn und jemand packte ihn an der Schulter und drehte ihn um. Im Dunkeln konnte er das Gesicht nicht erkennen, doch er erkannte die Stimme ihres Nachbarn.

„Ray! Bist du in Ordnung?“
 

**^^**
 

„Töten, Schwächen, bestimmte Schwachpunkte, Erkennungsmerkmale… Ich will alles wissen.“, beharrte Tyson wobei er Ray intensiv in die Augen schaute.

„Wofür zum Teufel willst du das denn wissen?“, fragte Ray und schwenkte die Bierdose in seiner Hand. „Wenn du jemanden mit rotglühenden Augen siehst, dann renn weg. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“
 

Tyson murrte und formte seine Lippen zu einem Schmollmund. Sie waren inzwischen bei Ray zu Hause. Bisher hatte sich Kai noch nicht gemeldet und somit stand fest, dass Tyson wohl auch die Nacht bei ihm verbringen musste. Tyson gefiel der Gedanke nicht. Er hatte nichts gegen Ray, aber er machte sich Sorgen um Tala und er wusste, dass Kai jetzt bestimmt wieder lauter miese Gedanken hegen würde. Er wollte bei ihm sein und ihm zur Seite stehen und nicht bei Ray vergammeln, der sich vehement weigerte, ihm etwas über Vampire zu erzählen. Nicht dass Ray sich allgemein weigerte. Er hatte immer seine Fragen beantwortet und für ihn das Vampirlexikon gespielt, doch jetzt da Tyson Dinge fragte, welche sich auf das spezifische Jagen bezogen, schaltete Ray auf einmal auf stur.
 

„Ich will doch kein Jäger werden“, erklärte Tyson ruhig, nachdem so lange Stille geherrscht hatte, dass er es nicht mehr aushielt, „aber ich will nicht länger hilflos sein. Wenn mich jemand angreift, will ich nicht erst darum bitten müssen, kurz einen Anruf an Kai absetzen zu dürfen.“

„Im Allgemeinen haben solche Leute wie du nichts zu befürchten vor Vampiren“, erklärte Ray kalt. Er saß entspannt auf seinem Sofa und genoss sein Feierabendbier. Er schien keinerlei Interesse daran zu haben, dieses Gespräch mit Tyson zu führen.

„Ja, das habe ich bemerkt“, sagte Tyson höhnisch und tippte auf seinen Nacken.

Ray seufzte und stellte sein Bier doch noch ab.
 

„Bei dir ist es ein besonderer Fall. Brooklyn ist durchgeknallt. Normalerweise suchen sich Vampire einsame Menschen in üblen Gegenden. Wenn die verschwinden fällt es nicht auf und man macht sich weniger Mühe um die genauen Umstände des Todes herauszufinden. Jemand wie du ist ein schlechtes Opfer. Dein Verschwinden würde schnell auffallen und man würde genauere Nachforschungen anstellen. Vampire fürchten sich zwar nicht vor dem menschlichen Rechtsstaat, aber sie sind auch nicht scharf auf Presse.“

„Na gut“, meinte Tyson resignierend, doch der Schalk zeigte sich sofort in seiner Stimme. „Dann erklär mir doch einfach, wie ich mir Brooklyn vom Leib halte.“

Auf Rays Stirn zeichnete sich eine Vene ab. Er war ja ein besonnener Mensch, aber Tyson war der mit Abstand größte Dickkopf, der ihm je begegnet ist.
 

„Warum kannst du nicht einfach darauf vertrauen, dass Kai, Tala und ich dich beschützen werden?“, fragte er und massierte sich die Stirn.

„Tala? Meinst du den Tala, der heute versucht hat mir die Hand abzubeißen?“, fragte der Japaner scheinheilig und gab Ray dabei einen scharfen Blick. Eigentlich wollte er Tala nicht denunzieren, aber vielleicht hätte er es geschafft, sich selbst aus der misslichen Lage zu befreien, wenn er ein paar Tipps und Kniffe gekannt hätte. Stattdessen hatte er nach Kai schreien müssen, während er nur starr vor Angst da liegen konnte.

„Warum… warum kannst du dich nicht einfach glücklich schätzen, dass Leute um dich herum sind, die das Vampire töten für dich übernehmen?“, fragte Ray nun schon am Rande seiner Weisheiten.
 

„Du konntest dich damit auch nicht zufrieden geben“, konterte Tyson und sofort bereute er seine Worte.

Durch Rays Körper war ein Zucken gegangen, doch er fing sich gleich wieder. Dennoch setzte er zu einer Erklärung an. „Ich habe mir dieses Leben nicht wirklich ausgesucht“, erklärte er.

Er wollte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und stand daher auf um in die Küche zu gehen. Tyson blieb zurück. Er hatte das nicht sagen wollen, aber die frustrierende Situation hat diese Worte in ihn aufkommen lassen. Er wollte doch nicht plötzlich Jagd machen auf Brooklyn. Aber wenn dieser oder Garland das nächste Mal vor ihm auftauchen sollten, dann sollte er schon mehr wissen um sich gegen diese wehren zu können.
 

Bei Brooklyn war er komplett hilflos gewesen und Garland konnte er nicht wirklich aufhalten. Er hatte ihn einen Briefaufschneider in den Hals gerammt und dies hatte ihn nur wütend gemacht. Er musste sich richtig wehren können, wenn sie wieder vor ihm auftauchten, doch Ray schaltete auf stur. Tyson blickte zur Küche und ihm gingen Rays Worte durch den Kopf. Wenn er dieses Leben nicht gewollt hatte, warum lebte er es dann? Er hatte ihm mal erzählt, dass er selbst hatte lernen wollen Vampire zu jagen. Was hatte ihn dazu bewogen, diese Aufgabe anzunehmen?
 

**^^**
 

Er saß auf der Parkbank vor dem Krankenhaus mit gesenkten Blick und dem Zettel vom Arzt in der Hand. Seine Augen waren starr geradeaus gerichtet, doch sein Blick war leer. An seinen Armen und auf der Wange verdeckten Pflaster Teile seiner Haut. Der Zettel, welchen er in der Hand hielt, berichtete nur von ein paar Blessuren und einen Schock. Natürlich war er geschockt. Er hatte die Leichen seiner Eltern gesehen. Weiß wie Papier und die Augen weit aufgerissen. Zwar hatte der Nachbar, welcher ihm gerettet hatte, ihn sofort gepackt und nach draußen gebracht, doch nur ein Augenblick hatte ausgereicht um dieses Bild für immer in seine Erinnerung zu brennen. Die Polizei hatte ein paar Fragen gestellt und dabei versucht nicht zu sehr nachzuhaken.
 

Es war ihm anzusehen gewesen, das aus ihm nicht viel rauszubekommen wäre. Als hätte er überhaupt viel gesehen. Er berichtete in abgehackten Sätzen von den Geräuschen und den Schreien seiner Eltern. Auch berichtete er von der Person, die ihn zu Boden geworfen hatte, doch er selbst konnte sich immer noch nicht erklären, wie das alles zusammenhing. Seine Eltern hatten nicht so ausgesehen, als hätte ein Messer oder eine Kugel sie getötet. Bei dem ganzen grausigen Bild das sich ihm geboten hatte, hatte er keinen Tropfen Blut gesehen. Als wären seine Eltern einfach nur tot umgefallen. Wenn es denn nun ein Einbrecher war, warum hatte er dann überhaupt seine Eltern getötet. Er hatte immer gedacht, Einbrecher wären so intelligent um den Einwohnern aus dem Weg zu gehen. Welcher Einbreche ist schon so doof in das Schlafzimmer einzusteigen um dann gleich auf die Einwohner zu treffen?
 

Und wie hatte er sie schließlich getötet? Mit bloßen Händen? Die Polizei hatte sich Antworten von ihm erhofft, aber im Grunde hatten sie nur bewirkt, dass in ihn noch mehr Fragen auftauchten. Schließlich hatten sie ihm erklärt, dass sie weiter nachforschen würden und dass sie alles daran setzen würden, den Mörder seiner Eltern zu finden. Ein schwacher Trost für einen 10jährigen der jetzt allein war. Er hatte zwar Freunde und seine Eltern hatten auch viele Bekannte gehabt, aber an weiterer Familie mangelte es ihm. Keine Großeltern, kein Onkel oder Tante. Er hatte immer nur seine Eltern gehabt. Und jetzt hatte er niemanden mehr.
 

Daher wartete er momentan auch hier auf der Parkbank. Jemand vom Jugendamt sollte ihn abholen und ihn zu einer Pflegefamilie bringen. Vielleicht hatte er Glück und einer der Freunde seiner Eltern würde sich bereit erklären, ihn zu sich zu nehmen, aber bis es soweit war, war er erst einmal ein Fall des Jugendamtes. Er sah auf die Uhr. Man hatte ihm gesagt, dass der Beamte um 12Uhr kommen würde um ihn vom Krankenhaus abzuholen und er vor dem Krankenhaus warten sollte. Momentan war 12:30Uhr und es war immer noch niemand da. Aber im Grunde interessierte ihn das nicht. Im Moment, war ihm alles egal.

Da er auf den Boden starrte, konnte er nicht sehen, dass ein Auto langsam heranfuhr und schließlich vor ihm stehen blieb. Er nahm nur den Schatten wahr, der sich plötzlich vor ihm aufbaute.
 

„Bist du Ray Kon?“, fragte eine dunkle Stimme und Ray hob doch noch den Blick. Vor ihm stand ein bärengroßer Mann mit rotem Haar und stechenden grünen Augen. Ray konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann vom Jugendamt war, aber wer sonst sollte etwas von ihm wollen, also nickte er. Der Mann verzog sein Gesicht zu einen Grinsen. Dann ging alles schnell. Der Mann packte ihn grob am Arm und zog ihn von der Parkbank hoch. Er erschreckte sich und wollte instinktiv schreien, aber schon hatte ihn der Mann die Hand auf den Mund gelegt und zog ihn zum hinteren Ende des Autos. Erst jetzt viel ihm auf, dass es ein schwarzer Lieferwagen war. Die Tür ging auf und er wurde in das dunkle Innere des Wagens geworfen. Dann weiß er nur noch wie ihm etwas über den Kopf gezogen wurde und plötzlich wurde ihn anders und er konnte sich danach an nichts mehr erinnern.
 

Als Ray wieder die Augen öffnete, war er nicht mehr im Lieferwagen. Sein Kopf tat ihm weh, ihm war schummrig und modriger Geruch stieg ihm in die Nase. Schwerfällig öffnete er die Augen. Seine Umgebung war ihm nicht bekannt. Ein ausgesessenes Sofa auf der einen Seite, ein schimmliger Schreibtisch auf der anderen. Von den Wänden hingen die Tapeten herunter und der Fußboden wirkte uneben. War dies ein verlassenes Büro? Er hatte keine Ahnung, aber vor allen; warum war er hier? Sein Blick war auf das Sofa gerichtet. Auf diesen saß der Mann von vorhin, der sich, nun da er wach war, aufrichtete und auf ihn zuschritt. Erst jetzt nahm Ray auch war, dass er selbst weder saß noch lag. Er stand und zwar an der Wand. Ein Blick nach oben verriet ihm, dass seine Hände in Ketten lagen, welche mit einen Bolzen in die Wand gehauen waren. Ray verstand gar nichts mehr. Verängstigt starrte er auf den Mann, der jetzt genau vor ihm stand. Er brachte keine Frage zustande, stattdessen stellte der Mann vor ihm eine.
 

„Ich würde gerne wissen, wie der Mann aussah, der vor ein paar Tagen in dein Haus eingebrochen ist?“, fragte er ohne Umschweife und hatte dabei immer noch dieses Grinsen im Gesicht.

Ray öffnete den Mund und schloss ihn wieder ohne dass ein Wort herauskam. Nicht dass er die Antwort auf die Frage nicht wusste, aber er verstand einfach die Gesamtsituation nicht. Anscheinend war sein Entführer nicht der geduldigste Mensch, denn er wartete nicht darauf, dass Ray die Antwort fand, sondern rammte ihm stattdessen die Faust in den Magen. Ray hatte das Gefühl, die gesamte Luft würde aus seinen Körper gepresst. Er japste nach Luft und hing in den Ketten. Was… was hatte er den falsches gemacht?
 

Während er in den Ketten hing, fiel ihm auf, dass der Mann einen Eisenring an der Hand trug, mit welcher er ihm geschlagen hatte. Was ging hier nur vor? Wieso? Warum? Wer? Er verstand die Welt nicht mehr. Was hatte er nur getan um das zu verdienen? Zuerst die Ermordung seiner Eltern und nun das. Er musste doch etwas falsch gemacht haben, oder?

„Das wird wohl etwas länger dauern?“

Das waren die letzten Worte die Ray hörte, bevor für ihn die Hölle auf Erden begann.
 

**^^**
 

Ray versicherte sich, dass Tyson auch wirklich eingeschlafen war. Er schob leise die Tür auf und betrachtete die schlafende Silhouette auf dem Bett. Der Körper hob und senkte sich in regelmäßigen Zügen, das Gesicht war entspannt. Noch lange hatte er Grummeln aus dem Zimmer vernommen. Tyson war überhaupt nicht glücklich damit, dass sich Ray strikt dagegen wehrte, ihm etwas über das Kämpfen gegen Vampire beizubringen. Tyson konnte ganz schön stur und nervig sein, wenn es um das Thema ging, aber Ray war hart geblieben.
 

Tyson hatte ihn gegen Ende frustriert klar gemacht, dass er nicht so schwach war, wie alle immer glaubten. Ray ging es auch nicht darum, dass er Tyson für schwach hielt. Es war sogar eher so, dass der Chinese ihn ein wenig bewunderte. Obwohl Tyson in all das mehr oder weniger glücklich hineingestolpert war, empfand er seine Ruhe und die Konzentration auf sein normales Leben, als ziemlich stark. Nicht viele würden es schaffen, sich so viel Normalität und Ruhe zu bewahren. Andererseits hatte er einen besonderen Grund, warum er ihm nichts über das Töten von Vampiren erzählen wollte.

Ray wollte ihn einfach nicht seiner Unschuld berauben.
 

Im ersten Moment denken viele, dass das Töten eines Vampirs eine emotional einfache Sache ist. Der Vampir ist im Grunde Untot, seelenlos und grausam. Warum sich also Gedanken darüber machen, dass man seinem sinnlosen Dasein ein Ende setzt. Es handelt sich ja auch um ein böses Wesen, das andere unschuldige Menschen tötet. So geht es vielen Vampirjägern am Anfang. Auch er hatte anfangs noch so gedacht. Die Wut über den Tod seiner Eltern hatte wenig Mitleid übrig gelassen, für den ersten Vampir den er jagte. Er war ihm gnadenlos gefolgt, hatte sich wacker mit ihm geschlagen. Doch als er dann den Pflock durch dessen Herz stieß und der Vampir seinen letzten Blick auf ihn warf, schmerzerfüllt und gepeinigt, da hatte es ihn bis ins Mark erschüttert.
 

Schließlich zerfiel der Vampir zu Staub und es war nichts mehr übrig. Er hatte damals noch lange vor diesen Häufchen gestanden und darauf herabgesehen. Schuld und Zweifel hatten sich in ihn breit gemacht. Was gab ihn das Recht ein anderes Wesen zu töten? Wurden andere Mörder nicht nur ins Gefängnis geworfen? Warum gab es kein Gefängnis für Vampire, dann wäre das Morden nicht nötig. Lange hatte er darüber philosophiert und mit seinen Lehrmeister darüber geredet. Irgendwann war er dann zu der Erkenntnis gekommen, dass es nun mal keine andere Möglichkeit gab. Monster töteten Menschen aus ihrer Natur heraus. Man konnte sie nicht einsperren, weil kein Gefängnis sie halten konnte, und viele dieser Wesen waren unsterblich, also würde man sie für die Ewigkeit einsperren müssen, was ebenfalls unmöglich war. Töte einen, rette viele. Das war von nun an sein Motto gewesen. Aber er hatte auch zu unterscheiden gelernt. Er lief nicht ziellos umher und tötete alles Übernatürliche. Er jagte nur das, welches auch wirklich Menschen bedrohte und nicht aufzuhalten war.
 

Er hatte seinen Weg gefunden um mit den Schuldgefühlen fertig zu werden. Aber Tyson… Der Japaner war eine Frohnatur und sehr viel verständnisvoller als andere Menschen. Er würde es sich nie verzeihen, ein anderes Wesen zu töten. Egal wie böse es war.

Ray seufzte und wählte einen Kontakt auf seinem Handy. Er hielt es sich ans Ohr und wartete auf das Freizeichen. Es klingelte ein paar Mal bevor ihn eine müde, mürrische Stimme antwortete.

„Ich bin‘s“, antwortete er knapp. „Wie läuft es bei dir?“
 

Er hörte ein erschöpftes Seufzen und musste ein paar Sekunden warten bis Kai antwortete.

„Ich musste ihn im Keller anketten, aus Angst, er würde sonst abhauen und andere Menschen anfallen.“ Kai hörte sich müde und erschöpft an. Seine Erklärung beinhaltete wohl nicht die Mühe die es gekostet hatte, Tala in den Keller einzusperren und auch dort drin zu behalten.

„Ich vermute mal, er ist noch nicht wieder bei klarem Verstand.“

Kai schnaufte abfällig: „Er ist völlig außer sich. Schreit ständig Verwünschungen und Ausdrücke in die Welt und zerrt wie ein wilder an den Ketten. Ich vermute, es muss erst einmal das ganze menschliche Blut aus seinen Körper raus, bevor er wieder zur Besinnung kommt.“
 

Ray seufzte schwer. Er hatte keine Ahnung wie mit den Symptomen von Tala umzugehen war, aber es verhielt sich wohl wie bei einen Junkie auf Entzug. Bis die Drogen aus dem Körper restlos verschwunden waren, würde der gesamte Organismus danach verlangen und alles tun, um an den benötigten Stoff zu kommen.

„Wie lange wird das wohl dauern?“, fragte er.

Am anderen Ende der Leitung hörte er nur ein schweres Seufzen. „Ich weiß es nicht? Ich hätte es schon gestern merken sollen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, aber ich vermute, weil Garland ihm die Kehle aufgeschlitzt hatte, war das meiste Menschenblut aus seinen Körper schon draußen und die Symptome somit nicht erkennbar. Selbst mir entgehen dann irgendwelche Kleinigkeiten.“ Es trat eine kurze Pause ein. „Was ist mit Tyson? Ich hoffe doch… er hat das ganze gut weggesteckt.“
 

„Er macht sich Sorgen um Tala“, antwortete Ray und musste unwillkürlich lächeln und er hörte es an Kais Stimme, dass auch er lächelte.

„Wäre es denn zu viel verlangt wenn er auch mal etwas Angst empfindet?“ Die Frage war im Scherz gemeint, doch sie hatte auch etwas Ernstes an sich. Egal was passierte, Tyson dachte immer zuerst an andere und erst danach an sich selbst. Würde das so weitergehen, könnte er noch in Schwierigkeiten geraten.

„Aber“, erklärte Ray auch weiter, „er will von mir unbedingt lernen, wie man sich gegen Vampire wehrt.“

„Dann erklär ihm doch ein paar Kniffe“, äußerte Kai lässig. Ray war verwundert. Sorgte sich Kai denn nicht um das Seelenheil seines Geliebten.

„Ich soll ihm einfach mal kurz erklären, wie man Vampire abschlachtet?“, fragte er zur Sicherheit nochmal nach. „Du hast kein Problem damit?“
 

„Natürlich nicht“, antwortete Kai selbstverständlich. Ray blieb fast die Spucke weg. Kai war es doch immer gewesen, der zu verstehen gab, dass sein Tyson die Unschuld in Person war. Und jetzt wollte er ihm zum Killer ausbilden lassen.

„Er wird sowieso niemanden töten. Warum also ihm nicht wenigstens zeigen, wie er sich ein wenig zur Wehr setzen kann.“

Diese Worte überraschten Ray nun doch. „Was meinst du damit?“

„So wie ich es sage“, erklärte Kai und er hatte immer noch die Ruhe weg. „Tyson würde niemals jemanden töten können. Egal ob Vampir, Mensch oder eine andere Kreatur. Das liegt in seiner Natur. Aber er sollte sich doch wehren können, oder?“
 

Ray dachte über diese Worte nach. Es stimmte. Tyson war die Art von Mensch, wo niemals jemanden töten würde. Er hatte Angst, er würde Tyson zeigen, wie man einen Vampir tötet und dieser würde es gleich in die Tat umsetzen, aber dies war nicht der Fall. Er würde ihm nur zeigen, wie man jemanden töten kann, nicht ihm den Befehl geben es auch zu tun.

In dieser Hinsicht, unterschied er sich sehr von Ray.
 

**^^**
 

Die weiße Decke anzustarren hatte etwas Bedrückendes an sich. Es war immer das gleiche. Nur wenn sich die Sonne hob und senkte, veränderten sich die Schatten, ansonsten war es immer dasselbe Bild. Aber selbst wenn er sich zur Seite wandte, hatte er nichts großartig Neues zu sehen. Weiße Wände, ein Tisch neben seinem Bett und eine Tür, welche sich ein paar Mal am Tag öffnete, wenn man ihm die Mahlzeiten brachte oder ein Arzt nach ihm sah. Wobei er aber die meiste Zeit an die Decke starrte. Auf den Rücken liegend und sich nicht bewegend, war die einzige Position die einigermaßen ertragbar war. Schmerzfrei war er allerdings auch in dieser Position nicht.
 

Lediglich das Atmen fiel ihm auf die Weise nicht allzu schwer, und auch die Wunden auf seiner Brust wurden von der leichten Decke nicht zu sehr belastet. Ray schloss die Augen. Er war schon seit zwei Wochen wieder im Krankenhaus. Der Kerl der ihn entführt hatte, hatte ihn zwei Tage lang verhört. Dabei hatte er immer dieselben Fragen gestellt, doch weil Ray keine Antwort darauf wusste, hat sich das Ganze in die Länge gezogen. Irgendwann hatte er aufgegeben dem Mann nur von dem zu erzählen, was er gesehen hatte. Er hatte ihn jedes einzelne Geräusch geschildert, jeden seiner Gedanken, selbst seine Vermutungen. Alles was irgendwie helfen würde, dieses Martyrium zu beenden. Irgendwann hatte der Mann dann aufgehört.
 

Sein Körper war zu dem Zeitpunkt schon ein einziger Schmerzkessel gewesen. Er wusste nicht, wie viele seiner Knochen gebrochen waren, wie viele Peitschenhiebe er hatte ertragen müssen, oder wie viele blaue Flecken seinen Körper überzogen. Schließlich hatte er noch wahrgenommen, wie der Mann ein Brandeisen zur Hand nahm, es über einer Flamme zum glühen brachte und es ihm schließlich auf die freiliegende Schulter drückte. Der Schmerz hatte ihn zuerst schreien und dann ohnmächtig werden lassen. Als er wieder aufwachte, war er im Krankenhaus, wo man ihm erzählte, dass man ihn in diesen Zustand auf der Straße vor dem Krankenhaus gefunden hatte.
 

Ray hatte gehofft, es war alles nur ein böser Alptraum gewesen, doch die Wunden an seinen Körper hatten keine schöne Illusion zugelassen. Die Polizei war gerufen worden und hatte versucht ihm Fragen zu stellen, aber Ray hatte bisher nicht geantwortet. Seit er wieder im Krankenhaus war, hat er kein einziges Wort gesagt. Er wusste selbst nicht, warum er schwieg, aber irgendwie wollte sich sein Mund einfach nicht öffnen. Er wusste aber auch nicht, was jetzt kommen würde. Er fürchtete sich regelrecht davor, irgendwann aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Was würde ihn draußen erwarten? Wer würde ihn erwarten?
 

Er schloss die Augen und versuchte zur Ruhe zu kommen, als sich die Tür öffnete. Er meinte, für das Mittagessen sei es etwas zu früh, daher drehte er vorsichtig den Kopf und sah nach, wer sein Zimmer betrat. Ein Mann stand im Türrahmen. Seine Gestalt war groß und er hatte schwarze Haare. Er wirkte noch nicht sehr alt. Vielleicht gerade mal Mitte zwanzig. Als er durch die Tür kam und auf Ray blickte, blieb er zuerst mitten im Raum stehen, doch er fing sich gleich wieder und trat weiter auf ihn zu.

Er setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl neben dem Bett und blieb erst einmal schweigend sitzen. Dann wandte er sein Gesicht an Ray und ein schüchternes Lächeln zeigte sich auf dem jungen Gesicht.

„Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst. Ich habe deinen Vater vor ein paar Jahren mal besucht, aber da warst du noch etwas jünger.“
 

Ray blinzelte. Er hatte schon gleich gedacht, dass ihm die Gestalt bekannt vorkam, aber er hatte sie noch nicht richtig einordnen können. Jetzt versuchte er eine Erinnerung zu fassen zu kriegen, von einem jungen Mann, der seinen Vater die Hand schüttelte und ihm freundlich zuwinkte, während er sich hinter seiner Mutter versteckte.

„Er und ich. Wir haben uns von seiner früheren… Arbeit aus gekannt“, erzählte der Mann weiter. „Wobei Arbeit nicht ganz das richtige Wort ist. Leben passt wohl eher.“

Der Mann schwieg einen Moment und schien nachzudenken. „Er hatte mir damals gesagt, dass wenn ihm irgendwann etwas zustoßen sollte, ich mich um dich kümmern soll.“
 

Ray blinzelte. Er verstand das nicht. Dieser Mann war noch recht jung und er wollte nicht verstehen, warum sein Vater diesem Jüngling dieses Versprechen abgenommen hatte. Der Mann schien in Gedanken und betrachtete dabei seine Füße.

„Manchmal kann man sein altes Leben einfach nicht hinter sich lassen“, murmelte der Mann vor sich hin. Dann sah er wieder in Rays Augen. „Ich weiß nicht, was du willst, aber wenn du nichts dagegen hast, dann werde ich mein Versprechen halten. Nicht, weil es ein Versprechen ist, sondern weil ich es so will. Dein Vater war ein fantastischer Mensch und ich will dir davon erzählen. Nicht nur von dem Mann den du kanntest, sondern auch von dem, den ich kannte. Was sagst du dazu?“
 

Nach Tagen der Taubheit kam auf einmal ein neues Gefühl in Ray auf. Neugier. Wenn er diesen Mann in die Augen sah, dann erkannte er darin eine Wahrheit und eine Bewunderung für seinen Vater, die ihn sehr interessierte. Aber mehr noch. Er fühlte eine Sicherheit von diesen Mann ausgehen und eine Stärke, die er nicht erklären konnte. Er wusste nicht, welches Leben ihn erwarten würde, aber er wusste, dass er es nicht bereuen würde. Er nickte.

Auf dem Gesicht des Mannes erschien ein erleichtertes Lächeln. „Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Lee.“
 

**^^**
 

Ray sah in die dunkle Nacht hinaus und hing seinen Erinnerungen nach. Lee war sein Lehrmeister geworden. Er hatte ihn, genau wie Tyson ihn, bedrängt ihn in das Handwerk des Jagens einzuführen. Warum? Weil er helfen wollte! Er hatte durch Lee erfahren, wie sehr Menschen leiden mussten unter den Vampiren. Lee wollte das zwar vor ihm verstecken, aber Ray hatte die Wahrheit gesucht. Auch die Grausamkeiten vom Orden des Avatar waren vor ihm nicht im Schatten geblieben. Wo man früher noch von mysteriösem Verschwinden von Leuten, von misshandelten Menschen und von merkwürdigen Todesfällen hörte, hatte Ray jetzt mehr dahinter gesehen. Er konnte und wollte davor nicht die Augen verschließen, aber vor allen wollte er helfen. Nicht die Opfer zu rächen, sondern helfen, neue Opfer zu verhindern. Waren seine Beweggründe denn so viel besser als die von Tyson…
 

Als Tyson am nächsten Morgen erwachte, trottete er in Shorts und mit verschlafenem Gesicht aus dem Zimmer heraus. Als er vor dem Esstisch stand, auf welchen die letzten Male als er bei Ray geschlafen hatte, das Essen gestanden hatte, musste er sich jetzt nochmal die Augen reiben. Auf den Tisch stand kein Essen bereit, sondern eine Ansammlung von Waffen, Gefäßen und anderen Objekten, die ihm mehr als Suspekt vorkamen.
 

„Äh“, brachte Tyson nur heraus, während Ray aus einen anderen Zimmer kam und jetzt auch noch einen Revolver mit zu den Gegenständen auf den Tisch legte. „Müssen wir das Frühstück erst jagen?“, brachte er verwundert hervor.

Ray schenkte ihm nur ein Grinsen. „Frühstück besteht heute nur aus einer Scheibe Brot. Für mehr haben wir keine Zeit.“

„Wieso?“, fragte Tyson verärgert. Wenn es ums Essen ging dann verstand er keinen Spaß. „Steht der dritte Weltkrieg vor der Tür“, bemerkte er noch und machte eine ausschweifende Geste mit der Hand über den mit Waffen überfüllten Tisch.

„Du wolltest doch lernen, wie man sich Vampire vom Hals hält“, erklärte Ray und breitete nun seinerseits seine Arme vor dem Tisch aus. „Die Ausbildung zum Jäger braucht Jahre, das kannst du also gleich mal vergessen. Aber ein bisschen Theorie schadet niemand. Das reicht zumindest aus um 5 Minuten zu überleben.“
 

Tyson blinzelte zu den Gegenständen auf den Tisch. Die Aussicht nur von einem Stück Brot am Morgen Leben zu müssen, stimmte ihn immer noch missmutig. Aber angesichts der Tatsache, dass Ray doch nicht ganz so widerwillig war wie Kai, formte sich doch ein Lächeln auf seinem Gesicht.

Die Entführung

Sein Körper wurde von schwerem Husten geschüttelt, dabei fühlte sich sein Brustkorb so an, als würde er jeden Moment zerbersten. Kleine Tropfen Blut fielen dabei ins Waschbecken und flossen schließlich als Rinnsal in den Abfluss. Ein Schluchzer drang aus seiner Kehle und er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. Sein Atem rasselte und seine Knie waren weich. Er glaubte gleich umkippen zu müssen. Da trommelte es auf einmal an der Tür. Erschreckt wendete er sich der Tür zu und blieb ganz ruhig. Vielleicht würde er glauben, er wäre nicht da und würde wieder gehen, obwohl er ganz genau wusste, dass dies nicht geschehen würde. Wo sollte er denn auch hin in seinen Zustand?

„Tyson!“, drang die Stimme von außen. „Du weißt es war nicht so gemeint, also komm wieder raus.“
 

Er hielt sich eine Hand vor dem Mund um die Schluchzer zu unterdrücken, die sich wieder nach oben kämpften, aber dies hatte zur Folge, dass sein Körper wieder von einen Hustreiz befallen wurde und er nicht anders konnte, als wieder zu husten und zuzusehen, wie das Blut in den Abfluss floss.

„Tyson!“, kam es augenblicklich wütender von draußen und das trommeln gegen die Tür wurde härter. Er würde die Türe auch eintreten, wenn es sein musste. Nichts und niemand konnte diese Bestie von ihm fernhalten. Diese Bestie die er immer noch zu lieben glaubte. Wie oft hatte er sich in den letzten Wochen vor ihm in Sicherheit gebracht, nur um ein paar Tage später wieder bei ihm zu sein und sich von ihm lieben zu lassen. Aber dies hatte immer nur kurz angehalten.
 

Bald darauf begannen wieder die Schläge und Beschimpfungen. Max hatte sich von ihm abgewandt und sein Bruder wollte nichts von seinen Beziehungsproblemen wissen. Sein Großvater war ein alter Mann und er wollte ihn nicht belasten. Wohin sollte er sich also noch wenden. Er musste hier allein durch und obwohl er das wusste und sich inzwischen schon selbst verachtete für seine Liebe, konnte er einfach keinen Schlussstrich unter all das setzen.

„Tyson! Mach die verdammte Tür auf!“, brüllende Worte von außen und Tyson wusste, dass diese Fäuste die jetzt noch gegen die Tür schlugen, gleich wieder auf seinen Körper niederprasseln würden.
 

Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie flossen zusammen mit seinem Blut in den Abfluss und blieben dort unerhört und ungesehen. Er zwang sich aufzusehen und sich selbst im Spiegel zu betrachten. Was er darin sah waren ein geschwollenes blaues Auge, Schrammen und aufgeplatzte Lippen.
 

**^^**
 

Tyson saß Tala gegenüber, welcher den Blick auf die Tischplatte gesenkt hatte. Seine Hände hatten sich in seinen Schoß verkrampft und seine Lippen sich zu einem dünnen Strich verformt. Nach seinen „Es tut mir so unendlich leid“, war kein Wort mehr über seine Lippen gekommen. Nicht das seine Entschuldigung nicht ernst gemeint war oder er schlicht und ergreifend Maulfaul war. Es gab einfach nichts, was man in dieser Situation sonst noch sagen konnte. Er hatte Tyson angefallen. Er hatte ihm ins Handgelenk gebissen und ihm das Blut aus dem Körper gezogen.
 

Hätte Tyson sich nicht gegen ihn gewehrt und wäre Kai nicht aufgetaucht, dann hätte er ihn mit großer Wahrscheinlichkeit getötet. Seit diesem Tag waren inzwischen zwei Wochen vergangen und Tala war endlich wieder soweit, nicht mehr Beleidigungen und Verwünschungen auszusprechen. Auch flehte er Kai nicht mehr verzweifelt an ihn doch Menschenblut zu bringen und er hatte auch irgendwann aufgehört, sich selbst wehzutun indem er so stark an den Ketten zog, dass sie ihm die Handgelenke brachen und seine Haut aufritzten. Das Menschenblut war aus seinen Organismus verschwunden und er hatte sich wieder an die Einnahme von Tierblut gewöhnt, so dass er jetzt nicht mehr nach Menschenblut verlangte. Doch so einfach war das alles auch wieder nicht. Den Reiz nach dem mundigen und frischen Menschenblut konnte er einfach nicht unterdrücken.
 

Immer noch dachte er mit Wohlwollen an das Gefühl, welches er verspürt hatte, als er das Blut frisch und rein aus den Venen saugte und immer noch schmeckte er den unschönen Nachgeschmack wenn er jetzt von dem Tierblut trank. Auch wollte er es nicht wie bisher kalt aus dem Kühlschrank. Kaltes Blut war für ihn ein Graus geworden. Es schmeckte falsch und fad. Er wärmte es jetzt wie Kai in der Mikrowelle vor und genoss das warme Blut, das seine Kehle hinunter rang. Für all diese Gefühle schämte er sich bis ins unendliche. Er war nicht mehr derselbe wie noch vor ein paar Wochen. Er machte sich keine Gedanken mehr über Kais mürrisches Gesicht, wenn er Blut trank, er verzog nicht mehr das Gesicht bei dem Geruch des warmen Blutes und er sagte kein böses Wort mehr, über Kais mürrische Laune und er verstand jetzt sogar, warum er Tyson von sich fern hatte halten wollen.
 

Tala hatte verstanden, dass das Aussaugen eines Menschen vieles veränderte. Er hatte von Anfang an von Tierblut gelebt und hatte so auch niemals den Drang verspürt einen Menschen auszusaugen. Doch nun konnte er sich gar nicht mehr vorstellen, wie er so empfunden haben konnte. Es war so eindeutig anders als Tierblut und es war um so vieles wohlschmeckender und kraftspendender. Als Garland ihm das Menschenblut mit Gewalt eingeflößt hatte, da hatte er noch ekel empfunden. Es war ihm zuwider gewesen dieses Blut zu schmecken, welches so rein und frisch schmeckte. Doch als Tyson sich in den Finger geschnitten hatte und der Geruch des jungen Blutes in seine Nase stieg, da hatte er ein Verlangen gespürt, das er bis dahin nicht gekannt hatte.
 

Er hörte auf einmal das Rauschen von Tysons Blut durch dessen Adern, er vernahm das Pochen der Wunde und das Schlagen des kräftigen Herzens. Alles was danach geschah, war wie wenn ihn ein anderer gesteuert hätte. Ein unbändiges Begehr hatte sich in ihn breitgemacht und er hatte Tyson gepackt und hatte nur noch einen Wunsch. Jeden Tropfen Blut aus diesem Körper zu saugen.

Er schämt sich so wahnsinnig dafür was er dem Jungen angetan hatte. Aber auch, dass er Kai angegriffen hatte. Okay, Kai hatte das alles mit einer Handbewegung weggewischt und gemeint, dass Tala ja eh nie eine wirkliche Gefahr für ihn darstellen konnte, doch Tala wusste, dass dies eine Lüge war. Während seines Entzugs hatte er sich mehrmals auf Kai gestürzt und er hatte es auch ein paar Mal geschafft, ihn zu erwischen. Er hatte dann auf ihn eingeschlagen, versucht ihm die Knochen zu brechen und das Gesicht zerkratzt. Er war nicht besser gewesen als ein wildes Tier, das versuchte frei zu kommen. Doch Kai hatte das alles über sich ergehen lassen und schlussendlich entschlossen, ihn wieder frei zu lassen und hatte sogar Tyson wieder in ihr Haus geholt.
 

Es war nur zwei Wochen her, aber trotzdem fühlte es sich für Tala an, als wären Jahre vergangen, denn Tyson wirkte auf ihn auch ganz anders. Er saß ihm aufrecht gegenüber und schien kein bisschen Angst vor ihm zu haben. Keinerlei Vergleich zu dem Jungen vor noch ein paar Wochen. Der Junge, der verschüchtert in der Tür gestanden hatte und mit ängstlichen Augen auf das Glas Blut in seiner Hand gestarrt hatte. Vielleicht waren diese Veränderungen auch schon vor seinen Angriff auf ihn aufgetreten, doch erst jetzt bemerkte Tala sie. Ansonsten war der Junge immer noch derselbe. Seine Augen strahlten immer noch dieses warme Gefühl aus und seine Lippen konnten sich immer noch zu diesem aufmunternden Lächeln formen, wie er es jetzt auch tat.
 

„Es gibt nichts zu entschuldigen“, sagte er. „Ich weiß, dass du nichts dafür konntest.“

Es war wie eine kalte Hand die sich um Talas Herz zusammenzog als er diese Worte hörte. „So einfach ist das nicht, Tyson“, versuchte er zu erklären und wagte es kaum, den Jungen in die Augen zu sehen. „Mit ein bisschen Willenskraft hätte ich das alles verhindern können.“
 

Tyson seufzte nur und schüttelte den Kopf. „Du und Kai, ihr fühlt euch in der Rolle der großen und starken ja so unendlich wohl.“, meckerte er und suchte Talas Blick und dieser sah nun wirklich wieder zu ihm auf. „Du hattest dich eben für einen Moment nicht unter Kontrolle. Ja und? Es ist ja nicht so, dass du das getan hast, weil du gerade einen schlechten Tag oder so hattest. Das waren nun mal deine Instinkte, welche die Oberhand übernahmen. Das ist wie sich überfressen, obwohl man schon satt ist.“

Nun war es an Tala zu seufzen. „Du willst doch nicht wirklich meinen Angriff auf dich, mit deinen Fressattacken vergleichen.“

„Ich glaube, es kommt dem ganz nahe“, meinte Tyson kennerisch und nickte sich selbst zu, doch Tala schlug nur die Hand gegen die Stirn.

„Aber du verletzt doch niemanden bei deinen Fressattacken. Ich hätte dich töten können.“

„Wenn ich anderen was wegfresse, dann ist das schon eine Art Verletzung.“
 

„Ich debattier doch mit dir nicht darüber, dass Fressattacken und Tötungsvorsätze das gleiche sind. Außerdem…“ Tala hielt in seiner Moralpredigt inne, als er das Grinsen auf Tysons Gesicht sah. Tala war zuerst verwundert und doch setzte er auch ein Lächeln auf. Tyson hatte es geschafft die merkwürdige Situation zwischen ihnen zu lockern und das mit seiner natürlichen unkonventionellen Art.

Er schloss die Augen, senkte den Kopf und schüttelte diesen. „Manchmal frage ich mich wirklich, wie du es immer wieder schaffst, alle so aus der Reserve zu locken.“

„Ist wohl meine Superkraft“, meinte Tyson immer noch grinsend und fühlte sich wohl ganz stolz.

„Aber ich will dass du verstehst, dass es für mich nicht ganz so einfach ist“, erklärte Tala weiter. „Auch wenn du mir nicht böse bist. Es tut mir so unendlich leid, was ich dir angetan habe und egal was du sagst, ich wüsste nicht, wie ich das wieder gut machen könnte.“
 

„Solange es dir Leid tut ist für mich alles okay“, erklärte Tyson nur und es formte sich ein etwas ernsterer Ausdruck auf seinem Gesicht. „Nicht jeder versteht, dass es falsch ist, jemand anderen wehzutun und nicht jeder entschuldigt sich dafür. Selbst wenn er es demjenigen antut, den er angeblich liebt.“

Tala wollte auf diese Worte etwas erwidern, doch er wusste nicht was. Er wusste aber sehr wohl wovon Tyson sprach. Im Gegensatz zu Kai kannte er die Vergangenheit des Japaners und wusste um dessen Angst vor Gewalt.

Er sah Tyson an, dass dieser mit seinen Gedanken zu unschöneren Momenten in seinen Leben abschweifte, daher wollte er schnell wieder zu einen anderen Thema wechseln.

„Wie war es eigentlichen die letzten Tage bei Ray?“, wendete er also das Thema ab. „Von Kai habe ich schon erfahren, dass es was Brooklyn betrifft keine Neuigkeiten gibt, aber was soll an diesen Training dran sein, von dem Kai gesprochen hat.“
 

„Ach das“, meinte Tyson auf einmal verlegen und kratzte sich am Hinterkopf, dann stieß er ein schüchternes Lachen hervor und senkte den Blick. „Na ja, ich wollte das Ray mir beibringt, wie ich mich gegen Vampire wehren kann.“

„Verständlich“, antwortete Tala und fragte sich sogleich, warum Tyson das auf einmal so peinlich zu sein schien. „Und… wie lief es?“

Tyson schüchternes Lachen hatte aufgehört und er sah mit einem traurigen Blick zu Tala. „Weißt du... ich bin wohl nicht zum Vampirjäger geboren.“

Tala sah ihn schräg an. Was mag da wohl passiert sein?

„Aber es waren nur die ersten paar Trainingsstunden. Inzwischen bin ich schon viel besser geworden.“

Talas Blick wurde eindringlicher und Tyson wurde unter den Blick immer kleiner, aber er wusste, er würde hier nicht rauskommen, ehe er Tala von seinen ersten missglückten Versuchen erzählt hat.

„Also Ray hatte da diesen alten Trainingsdummy besorgt, an dem ich ein paar Übungen machen sollte“, begann er dann seine Erzählungen über die peinlichsten Tage in seinem Leben. „Und vielleicht habe ich es erst beim fünften Versuch geschafft, den Pflock auch in die linke Brust zu rammen.“
 

Nun sah Tala aber ganz schön verdutzt zu Tyson.

„Du machst doch Kendo“, meinte er überrascht. „Soweit ich weiß sogar recht gut. Warum schaffst du es dann nicht einen Dummy einen Pflock ins Herz zu rammen?“

Tyson schmollte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Die aufgemalten Zähne haben mich abgelenkt. Außerdem war ich total aufgeregt“, brummelte er in sich hinein und Tala war nun neugierig geworden was noch passiert war.

„Vielleicht habe ich das mit den Weihwasser auch nicht ganz verstanden“, gestand Tyson dann weiter. „Ich dachte wirklich, man müsse das trinken. Und dass das mit den Kreuzen Schwachsinn ist, hätte man mir auch mal früher erzählen können. Und das ihr übermenschlich stark sein sollt ist ja mal der total unfaire Vorteil. Und warum verdammt nochmal heilt ihr so schnell. Und dann ist Ray auch noch so gemein und gibt mir jede Menge Bücher, die ich auch noch durchlesen soll. Ich kann mir Brooklyn bestimmt nicht vom Hals halten, wenn ich ihm erzähle, dass er auf Weidenholz besonders empfindlich reagiert.“
 

So ging das noch eine ganze Weile weiter. Irgendwann konnte Tala auch sein Lachen nicht mehr zurückhalten. Er wusste nicht, was ihn an diesen Tag half sich wieder wohl zu fühlen. War es die Tatsache, dass Tyson ihm verziehen hatte oder dass es nichts zu verzeihen gab?
 

**^^**
 

Kai warf zwischenzeitlich einen Blick in die Küche. Als er sah, dass Tala und Tyson schon wieder miteinander scherzten kehrte er ins Wohnzimmer zurück, wo er mit Ray über die derzeitige Lage sprach. Brooklyn war immerhin nicht ihr einziges Problem. Sie hatten auch die Aufsicht über andere übernatürliche Wesen und dann gab es da noch ein anderes Problem.

„Drei weitere Leute wurden mit einem Brandmal und mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Meine Quelle versichert mir, dass es das Brandmal vom Orden der Avatar war“, berichtete Ray und hatte dabei eine verbissene Miene. „Diese Gestörten gehen ziemlich schnell vor.“
 

„Selbst sie wissen, dass Brooklyn eine große Gefahr ist“, bemerkte Kai. Er schaute zum Fenster raus und suchte die Gegend ab, als könnte er hinter jeden Busch einen Feind erblicken. Aber in Wirklichkeit hoffte er nur auf ein Zeichen. Es war schon viel zu lange ruhig. Seit dem Angriff auf Tala war nichts mehr geschehen. Dabei war Tyson auch weiterhin zur Universität und zur Arbeit gegangen. Zwar immer in Begleitung von Ray, aber dass hatte die anderen bisher auch nicht groß aufgehalten. Er spürte, dass etwas in der Luft lag, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, was Brooklyn plante.

„Wahrscheinlich wollen sie ihn schnell erledigen. Soweit wir wissen, hat es zwischen den beiden Parteien doch einen ziemlich unschönen Kampf gegeben“, erklärte Kai und wendete sich schwer vom Fenster ab. Der Gedanke jemand könnte ihn beobachten ließ ihn einfach nicht los. „Ich denke mal, sie sind auch auf Rache aus.“

„Wenn sie Brooklyn platt machen wollen, bitte schön“, meinte Ray, „aber diese ganzen verstörten Menschen im Krankenhaus geben mir das ungute Gefühl, versagt zu haben.“
 

Kai seufzte. Er wusste ja selbst nicht, was sie gegen den Orden der Avatar unternehmen sollten. Es war eine ziemlich große Gruppe und noch dazu perfekt organisiert. Er war schon in mehreren Städten gewesen, wo auch diese stationiert waren. Bisher war es ihm nicht einmal gelungen sie ausfindig zu machen oder auch nur in ihre Nähe zu kommen. Und selbst wenn er einen gegenüber stehen würde, wüsste er nicht was er tun sollte. Sie waren trotz allen immer noch Menschen und er scheute sich davor Menschen zu töten. Nicht dass er sie nicht ordentlich zusammenschlagen würde, aber was wäre danach. Diese Kerle hatten sogar Beziehungen zur Polizei, weshalb sie sich nicht einmal vor dem Gesetz zu fürchten hatten. Dieser Orden war ein Problem, mit welchen er einfach nicht fertig wurde, allerdings hatten sie an ihm auch nur ein eher geringes Interesse. Zwar würde keiner aus dem Orden davor zurückschrecken ihm einen Pflock ins Herz zu jagen, wenn sie ihm über den Weg laufen würden, aber sie machten eigentlich nie direkt Jagd auf ihn. Sie wussten selbst, dass es Schlimmere gab und hielten es deswegen nicht für nötig, ihre Zeit mit Vampiren wie ihm oder Tala zu verschwenden.
 

„Die Tatsache, dass Brooklyn so ruhig war in den letzten Wochen, macht mir viel mehr Sorgen“, sprach Kai dann schließlich aus, was ihn am meisten bedrückte. „Er plant irgendwas, und wenn Brooklyn nicht einfach drauf los stürmt sondern plant, dann ist er um einiges gefährlicher als sonst.“
 

**^^**
 

Es freute Tyson, dass Tala wieder voll einsatzfähig war. Ray war kein besonders guter Begleiter für seine Arbeit in der Bar gewesen. Es nervte ihn schon, dass dieser an der Universität ständig angeschmachtet wurde, aber in der Bar war das um einiges schlimmer gewesen. Ray hat, wie er selbst behauptet, kein besonders großes Interesse an Männern und so flirtete er nicht mit den Männern, die ihn anschmachteten, sondern wies diese sogar schroff ab. Das war für Tyson in der Hinsicht schlecht, da sein Chef natürlich herausgefunden hatte, dass Ray ebenfalls zu ihm gehörte und somit Tyson indirekt dafür verantwortlich machte, dass ein verkappter Hetero den Weg in die Bar gefunden hatte.

„Der Rotschopf wirbelte wenigstens den Betrieb an, aber dieser Kerl ist einfach nur abschreckend“, hatte er sich grummelnd geäußert und Ray ständig mit den Augen aufgespießt. Doch Ray ließ sich natürlich eine derartige Behandlung nicht gefallen und hat nicht weniger grimmig zurückgeguckt, was natürlich dazu führte, dass die Stimmung von Tysons Chef und Ray immer gegen den Nullpunkt ging. Und wer hatte darunter zu leiden? Er!
 

Daher hatte er auch einen Luftsprung gemacht, als Tala verkündete, dass er ab heute wieder die Überwachung in der Bar übernahm. Kai hatte zuerst eine zerknirschte Miene gemacht, aber schließlich zugesagt. Er war wohl noch etwas unsicher, ob er Tala zu hundert Prozent vertrauen konnte, aber öffentlich denunzieren wollte er ihn noch weniger. Schließlich hatte er auch entschieden, dass er wieder topfit und normal war. Dann konnte er natürlich nicht plötzlich Begrenzungen aufstellen. Also waren sie gemütlich zur Bar stolziert und schließlich trat Tyson gut gelaunt und schon freudig auf die Arbeit ein. Heute würde er Thekendienst haben und da Tala die Männer anzog wie eine Lampe die Fliegen, würde er wieder ordentlich Trinkgeld abkassieren. Das lag zum größten Teil daran, dass die Kerle, sobald sie merkten, dass sich Tala und Tyson kannten, ihn über Tala ausfragten und dann natürlich ein paar Yen mehr Trinkgeld springen ließen, wenn er ihnen auch pikante Informationen lieferte.
 

Also trat er guter Dinge in den Barraum, doch sogleich blickte er sich verwirrt um. Heute hatte er die Frühschicht, weswegen er vor dem Barbetrieb schon kommen musste um beim Aufbau zu helfen, aber als er den Raum betrat, war keine Menschenseele zu sehen. Verwundert ließ er den Blick durch den leeren und noch völlig unberührten Raum gleiten.

„Sind wir etwa die ersten?“, fragte Tala, dem diese Leere auch aufgefallen war.

Tyson blickte auf seine Uhr am Handgelenk. Im Grunde hatte er es mal wieder geschafft sogar 10 Minuten zu spät zu sein. Er fragte sich wirklich wo alle waren. Zum aufbauen müssten immer ungefähr 4 Leute zuständig sein, inklusive seines Chefs, der meistens schon an der Bar stand und die Getränkebestände überprüfte.

„Hei, ich komme mal nicht als Letzter“, sagt er schließlich. „Das ist doch was Positives.“
 

Mit einen überlegenen Grinsen begab sich Tyson in Richtung des Büros um seine Jacke aufzuhängen und sein Arbeitshemd anzuziehen. Kurz bevor er die Tür zum Büro öffnete hielt er jedoch inne.

Wenn er der erste hier war, dann hätte die Vordertür eigentlich nicht auf sein sollen!

Nur der Chef hatte einen Schlüssel für die Räume. Er musste also irgendwo sein. Wieder ließ er den Blick durch den Club schweifen. Vielleicht war er auch im Keller oder in den hinteren Räumen. Aber dann war immer noch nicht geklärt, wo die anderen waren. Er wusste mit wem er heute arbeiten würde und alles waren zuverlässige Leute. Keiner von denen war je zu spät gekommen. Er blickte sich zu Tala um, der ebenfalls den Blick immer wieder durch den Raum gleiten ließ und dabei angespannt wirkte. Ließ er sich jetzt von der Paranoia der anderen anstecken, oder war die ganze Sache hier wirklich ein wenig zu eigenartig. Er beschloss sich erst mal nicht verrückt zu machen. Vielleicht gab es für alles eine harmlose Erklärung. Also ging er erst einmal in das Büro. Er legte seine Tasche und sein Oberteil ab, dann langte er nach seinem Hemd und streifte es über. Er knöpfte es noch zu, als er schon wieder aus dem Raum heraustrat. Allein in einen stillen Raum in einer (fast) Menschenlosenbar, war ihm doch zu unheimlich gewesen.
 

Tala bewegte sich inzwischen im Club herum. Er öffnete sogar die Türen zu den Toiletten und linste hinein. Tyson kam zu ihm und begann mit seiner Arbeit, welche darin bestand, zu aller erst die Stühle von den Tischen zu holen, welche am Vorabend darauf abgestellt wurden, damit die Putzfrauen den Boden ohne Hindernisse wischen konnten. Doch dabei fiel Tyson etwas auf. Der Boden war nicht gewischt worden. Hier und da sah er noch Flecken von verschütteten Getränken und anderen Schmutz. Es wirkte so, als wäre den gesamten Tag noch keiner hier gewesen. Allmählich wurde ihm doch mulmig zumute.

„Mir gefällt das nicht“, sagte Tala während er immer noch den Raum absuchte. „Wir sollten lieber wieder gehen.“

„Ich glaube, das können wir nicht zulassen.“
 

Die Stimme war vom Eingang her gekommen und sofort drehten sich beide blitzschnell um. Im Türrahmen standen zwei Kerle. Auf den ersten Blick wirkten sie wie zwei ganz normale Typen. Lässige Klamotten und gestylte Frisuren bestimmten ihr Aussehen und sie standen relaxt und mit einen breiten Grinsen im Eingang.

Tala schien sofort zu kapieren wer diese beiden waren. Er packte Tyson am Handgelenk und zerrte ihn hinter sich.

„Wie die Löwenmutter bei ihren Jungen“, höhnte wieder der eine, der schon vorhin gesprochen hatte. Der andere betrachtete Tyson mit einem gierigen Blick und leckte sich dabei über die Lippen.

„Bleib nah bei mir!“, wisperte ihm Tala zu und Tyson krallte sich sofort in den Ärmel von Talas Jacke. Diese beiden Kerle schickten ihn Schauer über den Rücken und Talas Angespanntheit machte ihm Sorgen.
 

„Wer sind die Kerle?“, fragte er leise an Tala gewandt. Er wollte nicht zu laut reden um die beiden nicht noch unnötig seine Angst spüren zu lassen.

„Leute von Brooklyn“, wisperte Tala zurück. Die beiden am Eingang hatten sich inzwischen von der Tür losgesagt und traten auf sie zu. „Sie gehören zu seinen ältesten und loyalsten Leuten.“

Tyson versteifte sich noch mehr und ihm lief ein Schauer über den Rücken, während die beiden näher kamen. Doch auch eine andere Angst kam in ihn hoch und eine gewisse Wut löste seine Angst für einen Moment ab.

„Was habt ihr mit den Leuten aus der Bar gemacht?“, fragte er mit lauter und fester Stimme an die beiden gewandt.

Während der andere von beiden antwortete, schritten sie weiter unbeirrt auf sie zu. „Mach dir keine Sorgen. Unser Boss wollte, dass wir die Sache diskret angehen, daher haben wir sie nur ausgeknockt und im Keller eingesperrt. Zu viele Opfer hätten nur die nervigen Avatar auf den Plan gerufen.“
 

Tala erinnerte sich an eine Bemerkung von Ray heute Morgen, dass die Avatare anscheinend intensive Jagd auf Brooklyn machten. War das vielleicht auch der Grund, warum sie in den letzten zwei Wochen so ruhig gewesen waren.

Die beiden waren jetzt bei ihnen angekommen und blieben zwei Meter vor ihnen stehen. Sie wirkten immer noch ruhig und entspannt, während Tala bis zum zerreißen angespannt war. Die ganze Situation gefiel Tyson nicht. Er versuchte sich alles in Erinnerung zu rufen, was ihm Ray in den letzten zwei Wochen beigebracht hatte, doch irgendwie schienen die Belehrungen wie in einen Strudel in seinen Kopf zu rotieren und er konnte nichts davon zu fassen kriegen.

„Mach es dir doch nicht unnötig schwer, Tala“, säuselte wieder er erste. „Du weißt, du hast keine Chance gegen zwei von uns.“

Tala knurrte und schon begannen seine Augen zu glühen. „Lieber verrecke ich, als vor euch kampflos in die Knie zu gehen.“
 

„Tala“, wisperte Tyson und packte dabei seinen Arm fester. Er wollte nicht, dass Tala so etwas sagte. Niemand sollte sich für ihn opfern oder auch nur leiden müssen.

„Unser Boss sagte, wenn wir können sollen wir dich auch noch mitbringen“, sprach wieder der Zweite. „Selbstverständlich hängt das von deiner Kooperation ab.“

„Hetz dich doch nicht unnötig ab. Du bist es doch gewohnt, dir jegliche Würde leicht nehmen zu lassen.“

Diese Worte hatten ausgereicht und Tala warf sich auf die beiden. Sofort entstand ein brutaler Kampf. Mit zwei auf einmal konnte es der Rothaarige kaum aufnehmen. Den ersten hatte er daher sofort einen harten Schlag verpasst, was diesen mit dem nächsten Tisch kollidieren ließ. Holz splitterte und durch die herunterfallenden Stühle, wurden auch noch umher stehende Tische in Mitleidenschaft gezogen.
 

Während beim ersten noch der Überraschungsmoment geholfen hatte, war dies beim zweiten nicht mehr möglich. Er parierte Talas Schlag und rammte seinerseits sein Knie in dessen Magen. Tala ächzte auf und knickte ein. Tyson wusste nicht wie viel er helfen konnte, doch er konnte nicht untätig rumstehen und wollte sogleich zu Tala rennen, als plötzlich der erste Kerl wieder vor ihm auftauchte. Er stellte sich vor Tyson auf und leckte sich wieder über die Lippen. Tyson spannte sich an und schaute sich schnell im Raum um. Er hatte im Moment keine Waffe am Körper, aber ohne Waffe konnte er gegen diesen Kerl nichts ausrichten. Er sah hinter den Kerl und erkannte den zertrümmerten Tisch.

Der Kerl vor ihm verzog den Mund zu einen Grinsen, entblößte seine spitzen Zähne und seine Augen begannen dieses unheimliche rote Leuchten. Mit einem Satz sprang er auf Tyson, doch dieser duckte sich unter ihm weg. Tyson hastete auf die Splitter vom Tisch zu und bekam ein zerbrochenes Tischbein zu fassen. Sofort schnellte er wieder herum, gerade noch rechtzeitig, denn der Vampir hatte nicht lange gebraucht, um sich wieder umzuwenden, und sich wieder auf ihn zu stürzen. Zu seinem Pech hatte aber Tyson in dem Moment den provisorischen Pflock angehoben und durch seine eigene Kraft und Geschwindigkeit spießte er sich selbst auf.
 

Tyson zog erschrocken die Luft ein und starrte geschockt auf seine Hände, die den Pflock noch hielten und ließ ihn sofort los. Doch er erkannte auch erschrocken, dass er wieder nicht richtig gezielt hatte. Der Pflock steckte nicht in der linken Seite, sondern genau in der Mitte. Der Vampir richtete sich mühevoll auf und zog den Pflock aus seiner Brust. Er sah auf das Blut, welches daran klebte und dann auf den geschockten Tyson. Von dem Grinsen von vorhin, war nichts mehr zu erkennen. Jetzt regierte Wut seine Mimik. Er packte den Blauhaarigen mühelos am Arm und schleuderte ihn herum. Tyson krachte gegen die harte Wand des Raumes. Von Kopf bis Fuß durchzog ihn ein Schmerz und als er auf den Boden aufschlug, fühlte er wie Blut über seine Schläfe lief und er kämpfte qualvoll gegen eine Ohnmacht an.
 

„Tyson!“, schrie Tala geschockt auf, welcher immer noch mit den anderen kämpfte. Zwischen den beiden war ein erbitterter Streit entstanden, bei welchen sie sich beide schwere Wunden zufügten. Tala könnte schwören, dass er vorhin schon vernommen hatte, wie eine seiner Rippen brach, während er dem anderen aber derart den Arm verdreht hatte, dass dieser nur noch schlaffe Schläge mit diesen ausführen konnte. Sie schenkten sich nichts und obwohl Tala alles versuchte, um den anderen von sich wegzubringen, schaffte er es nicht auch nur einen Zentimeter Land zu gewinnen und näher an Tyson heranzukommen. Während er ihn gerade die Hände festhielt und ihn einen Tritt in den Magen verpasste, erkannte er, wie der andere auf den am bodenliegenden Tyson zuging.
 

Tyson war noch zu benommen um sich zu wehren, aber er versuchte dennoch aufzustehen und zumindest von dem anderen wegzukommen, aber es war zu spät. Gerade als sich seine Sicht zu klären schien, wurde er gepackt, in die Luft gehoben und eine Sekunde später auf einen der Tische geschleudert. Er stöhnte auf, krümmte sich zusammen. Sämtliche seiner Knochen schmerzten und es fühlte sich so an, als würden tausend kleine Blitze auf ihn einpiksen. Doch er kam gar nicht dazu sich zu sammeln, denn schon wurde er wieder gepackt und grob auf den Bauch gedreht. Dann wurden seine Hände gepackt und auf seinen Rücken gedreht. Er spürte wie sich ein Seil um seine Handgelenke legte und diese auf den Rücken festschnürten.

In diesen Moment erwachte er aus seinen Schmerzen und fing sofort an zu zappeln, in der Hoffnung von den anderen wegzukommen, aber es war zu spät.
 

Tala erkannte geschockt, wie Tyson dem anderen hilflos ausgeliefert war. Er durfte nicht zulassen, dass der Japaner in Brooklyns Hände fiel. Die Erinnerung an seine Vergewaltigung durch Brooklyn und Garland kam ihn wieder in den Sinn. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass diese Tyson etwas Ähnliches antun würden. Er gab seinem Gegner einen Schubs und dieser krachte gegen einen der Tische. Schnell zog Tala ein Messer aus seinen Stiefel. Er wollte zu Tyson hinrennen und ihm helfen, aber so schnell kam er gar nicht dessen Nähe, da war der andere schon wieder da. Tala wollte sich nicht weiter aufhalten lassen und zog das Messer einmal herum, erreichte aber nur, dass er dem anderen einen Schnitt an der Brust beibrachte, dieser packte aber seinerseits die Hand, mit welcher Tala den Dolch hielt und rammte es den unvorsichtigen Tala in die Brust. Der Russe schrie auf.

„TALA!!!“, hörte er Tysons Schrei. Dann grinste sein gegenüber dreckig und vollführte mit dem Messer eine Drehung. Tala spürte das krachen seiner Rippen, das zerreißen von Blutgefäßen und Sehnen.
 

Tyson, dessen Hände auf seinen Rücken fest verschnürt waren, konnte nichts tun. Er zerrte an seinen Fesseln, aber er konnte sich kaum noch bewegen. Er wollte wieder nach Tala schreien, aber da wurde plötzlich ein Tuch um seinen Mund gelegt und hinter seinen Kopf festgebunden. Er schrie gegen den Knebel in seinen Mund, aber es entkamen ihn nur dumpfe Laute. Sein letzter Blick galt Tala, welcher auf die Knie sank, bevor ihn ein Sack über den Kopf gezogen wurde und die Welt um ihn herum schwarz wurde.

„Ich bring das hier schon mal zu unseren Boss“, hörte Tala die Stimme des Vampirs, der Tyson attackiert hatte.

„Ich denke, ich komme gleich nach“, sagte der andere und packte Tala an den Armen und zog ihn auf die Beine. Die Schmerzen verschleierten seinen Blick, doch Tala konnte noch erkennen, wie der andere sich Tyson über die Schulter warf, welcher hilflos mit den Beinen zappelte, und geschwind zur Tür hinaus huschte.
 

„Und was mach ich jetzt mit dir?“, fragte der Vampir. „Töten, ebenfalls zum Boss bringen, oder… vorher amüsieren.“

„Wie wäre es mit selber sterben“, brachte Tala mit bedrohlicher Stimme hervor. Bevor der andere auch nur einen Finger krümmen konnte, zog er sich selbst das Messer aus der Brust, ignorierend, dass ihm dabei das Blut aus der Wunde strömte und die Schmerzen ihm die Luft zum atmen raubten, und rammte es seinen Gegenüber ins Herz. Dann stellte Tala den anderen ein Bein und drückte ihn nach hinten, so dass dieser auf den Boden fiel und Tala sich auf das Messer fallen ließ und dieses bis zum Anschlag in das Herz des anderen trieb.
 

Der andere ächzte und seine Augen waren vor Schock über die plötzliche Wendung weit aufgerissen. Dann verblieb er in der Starre. Tala richtete sich mühevoll auf. Ein Dolch im Herz tötete einen Vampir nicht, aber es lähmte ihn.

Er konnte nur röchelnd nach Luft schnappen und seine Sicht war immer noch leicht verschwimmt. Aus der Wunde an seiner Brust floss das Blut unaufhaltsam und tröpfelte auf den Boden. Trotzdem riss er sich zusammen und stürmte zum Ausgang. Er stieß die Tür auf und rannte ins Freie. Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen und warf daher rötliche Schleier über den Himmel. Tala sah hektisch in die Straßen, dann auf die Dächer hinauf. Er ging zwei Schritte nach rechts, aber gleich wieder nach links. Er rannte auf ein Haus zu, nur um dann gleich wieder kehrt zu machen und auf ein anderes zuzurasen. Es war sinnlos! Der andere war entkommen - mit Tyson - und er hatte keine Ahnung, wohin sie gegangen waren. Tala sank auf die Knie und rammte die Faust in den Boden. Dort riss der Beton auf und dann entkam ein Schluchzen seiner Kehle. Er hatte versagt. Brooklyn hatte Tyson in seine Fänge bekommen.

Bright Shinning Eyes

Seine Lunge brannte, seine Brust schmerzte, seine Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment unter ihm zusammenbrechen und das zusätzliche Gewicht machte die ganze Sache auch nicht unbedingt leichter, doch er ging jeden einzelnen Schritt weiter. Inzwischen war er in dem Gebiet angekommen, ab dem er nur noch laufen konnte. Er sah vor sich schon das Haus und beschleunigte seine Schritte noch etwas mehr.
 

Jede Sekunde war kostbar und er hatte schon genug Zeit vertrödelt, weil er zuerst darüber nachgedacht hatte, wie es nun weitergehen sollte. Er war versucht, einfach einer Eingebung oder einen Gefühl zu folgen. Alles abzusuchen was möglich gewesen wäre. Doch das hätte nur Zeit verbraucht, die sie nicht hatten. Also war er in den Club zurückgekehrt und hatte sich den anderen über die Schulter geworfen. Er würde ihnen die Informationen geben, welche sie so dringend brauchten. Er kam an der Tür an.
 

Er hatte weder die Zeit noch die Kraft nach dem Schlüssel zu suchen, also trat er mit den Fuß mit aller Macht gegen die Tür. Am liebsten hätte er sie eingetreten nur um schneller zu sein, aber die Tür war mit speziellen Bannen belegt, damit gewaltsames Eindringen nicht möglich war. Er hörte hinter der Tür schon Gegrummel, vermutlich wegen seines brutalen Klopfens. Die Tür wurde aufgerissen und nur für eine Sekunde, war auf Kais Gesicht ein wütender Ausdruck, welcher sich dann sofort in eine zuerst überraschte und dann besorgte Miene umwandelte. Und mehr wusste er nicht, denn dann übermannte ihn eine Ohnmacht.
 

**^^**
 

„Tala. Hey, Tala!“

Tala spürte wie ihm jemand vorsichtig gegen die Wange klatschte, dann folgte eine harte Ohrfeige und er öffnete sofort die Augen. Über ihn gebeugt stand Kai. Er war kreidebleich im Gesicht und er wirkte ehrlich besorgt.

„Verzeih mir, Kai“, sagte Tala und sogar das Sprechen tat ihm weh. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. „Sie haben Tyson“, brachte er mühsam hervor. „Ich konnte… ich konnte es nicht verhindern.“

„Versuch ruhig zu bleiben. Ich habe die Blutung noch nicht stillen können“, sagte Kai und strich Tale eine Strähne aus dem Gesicht. Dabei merkte Tala, dass seine Stirn kalt und feucht war. Ein husten durchzuckte seinen Körper und er blickte auf seine schmerzende Brust hinab. Kai drückte ein Tuch auf seine Wunde, aber es war schon gänzlich durchgeblutet.
 

„Du weißt, ich kann dich erst versorgen, wenn ich sichergehen kann, dass kein Gift in der Wunde ist.“

Tala legte sich die Hand über die Augen. Seine Gedanken kreisten gerade nur um Tyson, was störte ihm seine eigene Wunde. Selbst wenn der Dolch in Gift oder so getränkt gewesen war, dann würde es seine Heilung nur verlangsamen, aber wenn sie nicht bald was unternahmen, würde Tyson vermutlich nicht mal die Nacht überleben. Gift war bei einem Kampf unter Vampiren eine beliebte Methode seine Waffen zu präparieren. Normale Waffen richteten zwar schon genug Schaden an, aber die schnelle Heilung setzte denjenigen nur für kurze Zeit außer Gefecht. Gifte bewirkten, dass sich die Heilung um einiges verlangsamte.
 

Er hörte wie jemand ins Zimmer gestürzt kam.

„Ich habe ihn drüben angebunden und das Messer noch drin gelassen. Der geht nirgendwo hin“, hörte er Rays Stimme. Selbst dieser sonst so ruhige Typ klang jetzt ehrlich besorgt. „Hier!“, sagte er noch. Da Tala immer noch die Augen geschlossen hatte und die Hand darüber, sah er nicht was Ray meinte, doch er spürte es.
 

„Aaaaaahhhhh“, er schrie gepeinigt auf, als eine Flüssigkeit über seine Wunde geleert wurde. Es fühlte sich an, als würde seine Haut unmittelbar verbrennen. Er versuchte die Augen zu öffnen und sah gerade noch wie die Wunde an seiner Brust dampfte. Dass die Flüssigkeit klar – außer von seinem Blut getränkt – abfloss, verriet ihnen, dass die Wunde nun gesäubert war und jegliche möglichen Giftrückstände entfernt waren. Das Mittel war praktisch. Es neutralisierte viele Gifte. Der Nachteil, es enthielt auch ein wenig Weihwasser, daher die Schmerzen und das Gefühl, die Haut würde mit heißen Wasser verbrüht. Kai drückte wieder den Lappen auf seine Wunde.
 

„Hol das Verbandszeug aus meinem Zimmer! Ich will ihn lieber nicht zu viel bewegen“, sagte er Ray, welcher sofort aus dem Zimmer stürzte. „Tala, was genau ist denn passiert?“, fragte er dann drängender an Tala.

„Sie… sie waren zu zweit“, sagte Tala, dem immer noch übel war. Die Schuldgefühle an die Erinnerung, dass er Tyson nicht hatte beschützen können, setzten ihm zusätzlich zu. „Sie mussten schon dort gewartet haben.“ Er hustete und seine Brust fühlte sich an, als würde seine Lunge gleich daraus hervorbrechen. „Ich… ich habe versucht, gegen sie zu kämpfen, aber sie ware …waren zu stark und … und einer hat dann … er hat Tyson mitgenommen. Es … es tut mir so leid, Kai.“
 

Kai strich Tala über das Gesicht und sah ihn tief in die Augen. „Ich weiß, du würdest alles tun um ihn zu beschützen. Ich sehe es an deinen Wunden. Ich selbst könnte nie verlangen, dass du dich so sehr verletzt um ihn zu schützen.“ Kai zog seine Hand zurück und schloss gequält die Augen. „Es wäre meine Aufgabe gewesen, dass zu verhindern. Nicht deine.“

Tala wollte noch etwas erwidern, aber dann kam schon Ray ins Zimmer gestürzt und überreichte Kai den Verbandskasten. Als Kai anfing, die Wunde an seiner Brust mit großen Stichen zusammenzunähen und Tala gepeinigt aufschrie, verlor er schon bald wieder das Bewusstsein.
 

**^^**
 

Tyson wusste nicht wo er hingebracht wurde. Weder sah er etwas, noch konnte er auch irgendwie erahnen, wie sie sich bewegten. Er hatte geglaubt, zuerst wieder über Häuserdächer getragen zu werden, aber zwischendurch fühlte es sich dann an, wie ein schneller Sprint. Seine Hände waren inzwischen taub. Das Blut stieg ihn in den Kopf, weil er über einer Schulter hing, und verursachte ihm Kopfschmerzen.

Er hatte Angst. Furchtbare Angst.
 

Was würde man mit ihm machen? Ihm zu Abendessen verspeisen? Ihn foltern? Oder ihn wie Tala erst demütigen? Er wusste es nicht, und das war wahrscheinlich die größte Folter. Irgendwann schien der Vampir, der ihn trug langsamer zu werden. Er versuchte mit seinem Gehör zu erkundigen wo er war. Er meinte Vogelgesang und Zikaden zu hören. Keine Autos. Vielleicht waren sie etwas außerhalb der Stadt. Das wäre auch allzu logisch, denn er glaubte kaum, dass Vampire es bevorzugten in einer Wohnsiedlung zu leben, oder sogar in einen Mehrparteienhaus.
 

Selbst die Geräusche, die er wahrnahm kamen nur gedämpft zu ihm hervor. Der Sack über seinen Kopf raubt ihm nicht nur die Sicht, sondern dämpfte auch die Geräusche seiner Umgebung. Als nächstes glaubte er aber, dass Knarren einer Tür zu hören. Welche Türen knarrten denn noch? Doch nur alte und verrostete. Aber in nächsten Moment glaubte er auch, dass es ein bisschen wärmer geworden war. Sie betraten wohl ein Haus. Sein Träger schritt gemächlich mit ihm voran. Es war fast so, als würde ihm das zusätzliche Gewicht über seiner Schulter nichts ausmachen.
 

„Ah, wie ich sehe hattest du Erfolg“, hörte er eine neue Stimme. „Wo hast du denn Mikail gelassen?“

„Der war noch mit den Rotfuchs beschäftigt“, erklärte sein Träger. Tyson begann unwillkürlich zu zittern. Seine Angst um Tala hatte wieder eingesetzt. Das letzte was er gesehen hatte war, dass er schwer verletzt wurde. Er wusste gar nicht, ob er hoffen sollte, dass sie ihn lebend brauchten. Er wollte nicht, dass man Tala etwas antat. Immer wenn Tala von Brooklyn erzählt hatte, dann war da dieser gequälte Gesichtsausdruck bei ihm erschienen. Der Kerl hatte ihn schon genug angetan.

„Und was passiert jetzt mit ihm?“, fragte wieder die neue Stimme und Tyson versteifte sich, als ihn jemand über den Arm strich. „Was für weiche Haut. Hoffentlich kriegen wir auch was von ihm ab.“
 

Er hatte Angst. So furchtbare, wahnsinnige Angst. Im Moment war er dankbar dafür, dass er nichts sah. Er wollte nicht wissen, was mit ihm geschah, wollte nicht noch mehr hungrige Blicke sehen.

„Ich glaube, der Boss hat etwas Besonderes für ihn vorbereitet. Bisher hat er aber nicht verraten was es sein wird.“

Tyson schluckte. Brooklyn liebte es Kai zu quälen. Egal was es war, es würde mehr Kai als ihm schaden. Er musste sich jetzt endlich zusammen reißen! Wenn Kai erfuhr, was geschehen war, dann würde er sich Sorgen machen. Und wer weiß, was mit Tala war. Es nützte hier niemanden, wenn er Brooklyn in die Hände spielte, indem er wie ein Opferlamm vor sich hin wimmerte.
 

Tyson spürte, wie sich der andere wieder zu bewegen begann. Er hörte keine Schritte, daher nahm er an, der Boden war mit Teppich oder Tatami-Matten ausgelegt. Moderne westliche Häuser bevorzugten heutzutage Parkett-Böden, auf denen man Schritte hören müsste. Hin und wieder nahm er an Stimmen zu hören. Nur gedämpft und ruhig. Sein Träger wurde kein weiteres Mal angesprochen. Ein Geruch stieg ihm in die Nase. Metallisch, kam in den Sinn. Einmal kam es ihm so vor, als wären sie eine Treppe hochgelaufen. Schließlich hielt der Kerl an. Tyson hörte nichts mehr. Weder Stimmen noch andere Geräusche. Plötzlich wurde er etwas angehoben und heruntergeschmissen. Er riss die Augen auf und wartete auf den harten Aufprall, aber dieser war weich.
 

Er war wohl auf etwas weichen gelandet. Noch während er versuchte, sein Herz wieder zu beruhigen, wurden plötzlich seine Beine gepackt und er etwas nach vorne gezogen. Er gab erschreckte Laute von sich, aber durch den Knebel kamen nur dumpfe Töne. Er spürte wie ein Seil um seine Beine gewickelt wurde. Es war so fest, dass es ihm wahrscheinlich die Blutzufuhr abdrückte. Er lag ganz ruhig und wartend da, als ihm der Sack vom Kopf gerissen wurde. Im ersten Moment blendete es etwas, aber das Zimmer war nur in schwaches Dämmerlicht getaucht und so gewöhnten sich seine Augen schnell daran.
 

Er war zuerst etwas erschreckt, als er das zufriedene Grinsen auf dem Gesicht des anderen sah, aber schnell kniff er die Augen zusammen und schaute seinen Gegenüber grimmig an. Er würde nicht länger von seiner Angst regiert werden, auch wenn er im Moment immer noch leicht zitterte. Mit einem schnellen Blick zur Seite versuchte er seine Umgebung zu erfassen. Er lag auf einen Bett. Das Zimmer wirkte sehr groß und bei einem tiefen Atemzug roch es auch sehr muffig. Die dicken Vorhänge waren zugezogen und die Tapete wirkte wie aus den Siebzigerjahren. In der einen Ecke stand ein Kamin, an der anderen Wand war ein Bücherregal, welches aber total leer war. Sein Gegenüber musterte ihn genauer, als würde er ihm zum ersten Mal wahrnehmen.
 

Er betrachtet stolz seine Beute, dachte Tyson und versuchte seinen trotzigen Blick aufrecht zu erhalten.

Auf einmal langte der andere nach seinem Hemd und zog es etwas hoch. Tyson erschreckte als sein Bauch auf einmal so frei lag, aber lange konnte er sich nicht über Scham Gedanken machen, denn der andere beugte sich zu ihm herunter und schlug seine Zähne in seine Seite. Tyson schrie in den Knebel als er spürte wie sein Blut aus der Wunde gezogen wurde. Der andere zog seine Zähne aus der Wunde zurück und sah zu, wie das Blut aus zwei kleinen Löchern strömte. Er leckte es auf. Tyson lief ein kalter Schauer über den Rücken und der andere seufzte wohlig auf.
 

„Yuriy“, kam es kalt von der Tür. Tyson wandte sofort seinen Kopf zur Tür und erblickte darin Brooklyn. Er lehnte am Türrahmen, die Augen streng zusammengezogen und auf sie beide gerichtet. Der angesprochene stand sofort wieder aufrecht, drehte sich zur Tür und verbeugte sich ehrfürchtig. „Niemand hat dir erlaubt zu naschen“, kam es tadelnd von Brooklyn und es war beängstigend ihn in solch einer Verfassung zu sehen. Tyson hat ihn nur auf zwei Weisen kennengelernt. Zuerst der etwas unheimliche Sonderling und dann das gefährliche Monster. Ihn ernsthaft und ruhig zu erleben, jagte ihn mehr Schauer über den Rücken als es das Monster vermocht hätte.
 

„Verzeih, Boss“, sagte Yuriy und ballte die Hände zu Fäusten um das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Zu sehen, dass selbst dieser Angst vor Brooklyn hatte, machte es Tyson nicht leichter seine eigene Angst unter Kontrolle zu halten.

Brooklyn schubste sich von der Tür ab und winkte mit der Hand ab. „Sieh es als Belohnung für deine gute Arbeit“, meinte er lässig und trat in das Zimmer ein.

Sofort erhob sich der andere wieder mit einen schüchternen lächeln. „Aber so was sollte nicht nochmal vorkommen“, dieser letzte Satz war nur ein bedrohliches Zischen und nach einer nochmaligen Verbeugung verschwand Yuriy schnell und leise durch die Tür.
 

Brooklyn ging weiter, bis er vor dem Bett stand und streng auf Tyson herabschaute. Schon allein seine Lage drückte völlige Hilflosigkeit aus. Er lag gefesselt auf einen Bett, konnte kaum einen Muskel rühren, weil diese aufgrund der Fesselung wehtaten und Brooklyn, ein mächtiger – und potentiell durchgeknallter – Vampir, ragte über ihn auf und blickte herablassend zu ihm runter. Er musterte Tyson eine, wie ihm vorkam, schiere Ewigkeit, bevor er schwer seufzte, Tyson an den Schultern packte und ihn in eine sitzende Position zog, dann setzte er sich ebenfalls auf das Bett. Das war eigentlich gut für Tyson gewesen, denn er fühlte sich in einer ähnlichen Position wie sein Gegenüber nicht mehr ganz so unwohl. Dennoch machte es ihn nicht mehr Mut. Trotzdem versuchte er weiterhin seine Angst zu unterdrücken und Brooklyn mit einem festen Blick nicht seine Angst anmerken zu lassen. Brooklyn packte ihn plötzlich unter dem Kinn. Kraftvoll, als wolle er seinen Kiefer zermalmen, hielt er ihn in Position und starrte ihn intensiv in die Augen. Tyson fragte sich, ob Brooklyn Kräfte wie Garland hätte, oder ob er nur ein Starrduell mit ihm ausfocht. Doch Brooklyn legte den Kopf schief und ließ ihn wieder los.
 

„Du bist gewöhnlich“, sagte er dann und wandte sich sogar ein wenig von ihm ab, aber ohne sich wirklich zu bewegen. „Ganz hübsch, aber nichts besonderes“, setzte er noch hinterher und sah dann wieder zu ihm hin. „Ist das der Grund, warum er dich liebt? Weil du gewöhnlich bist.“

Tyson verstand nicht ganz was sein Gegenüber meinte, weswegen auch er einen fragenden Gesichtsausdruck machte. Verstand Brooklyn etwa nicht, warum Kai mit ihm zusammen war?! Wenn er sprechen könnte, dann würde er dem anderen wahrscheinlich einfach frech ins Gesicht sagen, dass man nicht besonders sein musste, um geliebt zu werden. Aber das wäre bei einem Vampir vermutlich verschwendete Mühe. Wenn er Ray richtig verstanden hatte, dann war von Brooklyns Seele nur noch ein kümmerlicher Haufen übrig. Wie sollte so jemand überhaupt Liebe verstehen. Sie geschweige denn, nachvollziehen können.
 

Brooklyn wandte sich ihm wieder zu und strich ihm dieses Mal sanft über die Wange. Die Berührung war vorsichtig, aber dennoch hatte Tyson mehr Angst, wie wenn der andere ihn schlagen würde. „Wobei es auch hieran liegen könnte“, säuselte er und sah Tyson nur in die Augen. Er verstand mal wieder nicht, wovon er sprach. Das der Orangehaarige merkwürdig war, dass wusste er schon, aber er fragte sich inzwischen, wo der Übergang zum gefährlichen Monster lag. Wahrscheinlich war die Grenze schwindend gering.
 

Brooklyns Hand wanderte weiter runter. Er strich über Tysons Brust, in der sein Herz rasend schnell pochte und ging weiter, zu seinen immer noch freilegenden Bauch, wo sich ein Rinnsal von dem Blut der Wunde gebildet hatte. Schließlich gelangte er an seinen Beinen an. Tyson versteifte sich, als Brooklyn seine Hüfte entlang zu seinen Hintern strich. Talas Geschichte ging ihm durch den Kopf und schlimme Bilder rannten durch seinen Geist, aber Brooklyn langte nur in seine Gesäßtasche und holte schließlich sein Handy heraus. Er hatte ganz vergessen, dass er es noch bei sich trug. Selbst bei der Arbeit war er nie ohne sein Handy. Schon abartig wie abhängig man heute davon war. Aber das war gerade nicht wichtig. Brooklyn tippte gemächlich auf seinem Handy herum, fast so, als suche er etwas. Schließlich stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht und er drehte das Display zu Tyson hin. Dieser las darauf den Namen: Hiwatari Griesgram Kai.

Brooklyn legte den Kopf leicht schief. „Witzig, nicht wahr“, begann er, „egal von wessen Sichtweise aus man es betrachtet. Kai bleibt Kai.“
 

Er ließ das Handy die Nummer wählen und stellte es auf laut. Tyson hörte das Wählen der Nummer und schon nach dem ersten Tut, erklang der Klack des Entgegennehmens.

Tyson!“, drang Kais hektische Stimme aus dem Handy.

„Versuch es noch mal, Schätzchen“, spottete Brooklyn und lehnte sich gemütlich zurück.

Es war nur ein Knurren zu vernehmen und schließlich klang Kais Stimme wie Gift aus dem Lautsprecher.

Du widerwärtiger kranker Bastard.
 

„Charmant wie immer“, bemerkte Brooklyn. „Sag Kai, ich vermisse noch einen von meinen Männern. Hat Tala ihn als Häufchen Staub bei dir abgeladen oder spielen die beiden womöglich noch miteinander.“

Nicht nur Brooklyn interessierte dies. Auch Tyson lauschte sofort aufmerksam. Er hoffte inständig, dass es Tala gutging. Die Tatsache, dass Kai nicht überrascht schien, als sich Brooklyn am Handy meldete, gab Tyson ein wenig Hoffnung.

Die Qualen die dieser Haufen Vampirabschaum erleiden wird, ist nichts gegen das was ich mit dir machen werde. Lass Tyson sofort frei!
 

„Woher willst du wissen, dass ich ihn nicht schon längst getötet habe“, fragte Brooklyn lässig und es war ein scharfes Lufteinziehen vom anderen Ende der Leitung zu hören. Tyson wollte irgendeinen Laut von sich geben, damit Kai wusste, dass er noch am Leben war, aber Brooklyn hielt ihn noch zusätzlich den Mund zu, so dass nun wirklich kein Ton mehr von ihm kam. Er wartete erschreckend lange, bevor er seine Hand zurückzog und auflachte.
 

„Kleiner Scherz“, meinte er und wieder war das Knurren von Kai zu hören. „Als ob ich ihn einfach nur töten würde“, diese Worten waren mit dunkler Stimme gesprochen und Brooklyn sah Tyson mit verengten Augen an. Dann nahm er das Handy legte es auf den Tisch neben dem Bett ab und langte in die Innenseite seiner Jacke aus der er ein Messer holte. Für einen Moment riss Tyson erschrocken die Augen auf, aber sogleich setzte er wieder seinen aufständischen Blick auf. Er durfte ihm einfach keine Genugtuung schenken. Brooklyn fuhr mit den Messer über Tysons Gesicht.

„Sag Kai, was liebst du am meisten an ihm?“, fragte er ihn und fuhr zu seinen Mund. „Die samtigen Lippen“, er bewegte sich zu seinem Hals, „den schmalen Hals“, weiter runter zu seiner Brust, „oder etwa seinen Körper.“
 

Tyson spürte die kalte Messerspitze, aber Brooklyn hatte nicht vor ihm zu schneiden, noch nicht. Er schaute ihm die ganze Zeit in die Augen. Er wollte dass er Angst bekam. Aber so verängstigt wie Tyson auch im Moment war. Er zeigte es diesen Kerl nicht.

Brooklyn, bitte“, hörte er Kais flehende Stimme aus dem Handy. „Er stellt doch gar keine Bedrohung für dich dar. Lass ihn einfach gehen.

Brooklyn fuhr mit dem Messer wieder zu seinen Gesicht und hielt an seinen Augen an. Tyson traute sich nicht mal mehr zu blinzeln, solche Angst hatte er im Moment, aber auch wenn sein Körper zitterte, seine Augen sollten keine Angst wiederspiegeln.
 

„Ich wette, es sind seine Augen“, sprach er und legte den Kopf leicht schief. „Diese großen leuchtenden Augen. So voller Leben und Leidenschaft.“ Brooklyn fuhr mit der Messerspitze unter Tysons Augen entlang. „Antworte mir, Kai!“, befahl er wieder mit der dunklen Stimme. „Wenn du mir sagst, dass du sie am meisten an ihm liebst, schneide ich sie ihm raus und schick sie dir. Dann hast du für immer eine Erinnerung an ihm.“

Tyson ballte die gefesselten Hände zu Fäusten, sein Zittern konnte er gar nicht mehr kontrollieren, aber seine Augen strahlten immer noch Widerstand aus.

Ich werde dich finden und töten, Brooklyn“, war Kais Stimme zu hören, die nun genauso dunkel und tief klang, wie die von Brooklyn. „Ich werde diese Welt von deinem Antlitz befreien.
 

Brooklyns Gesicht drückte allmählich Wut aus und verwandelte sich in eine hassverzehrte Maske, während er immer noch in Tysons Augen starrte.

„Wir werden sehen“, sagte er noch ruhig, dann langte er neben sich und beendete den Anruf. Als die Verbindung beendet war, packte er Tyson am Kragen und zog ihn zu sich heran. Tyson starrte in seine jetzt rotglühenden Augen.

„Ich weiß nicht, woher du deinen Mut nimmst, aber ich werde ihn dir noch rauben, bevor ich dich für immer Kai entreiße.“ Damit rammte er das Messer in den Nachttisch, packte Tyson am Hinterkopf und schmetterte seinen Kopf gegen die Kante selben Tischchens. Tyson spürte die Schmerzen gar nicht mehr, bevor er das Bewusstsein verlor.
 

**^^**
 

Ray schaute besorgt auf Kai, der das noch immer tutende Handy in den Händen hielt. Seinen Gesichtsausdruck konnte er nicht erkennen, weil Kai zum Boden schaute. Er selbst schaute besorgt drein. Sie hatten nichts von Tyson gehört. Dennoch konnten sie wohl davon ausgehen, dass Brooklyn ihm noch nichts angetan hatte. Bisher.

Kai umfasste das Handy fester und schleuderte es schließlich gegen die Wand wo es zerschellte.

„Kai“, sagte Ray aufgebracht, „beruhige dich!“
 

Doch Kai hörte nicht auf Ray, sondern ging mit großen Schritten in das Zimmer, wo ihr Gefangener war. Nachdem Kai Tala hoch in sein Zimmer gebracht hatte, hatte er das Messer aus der Brust des Vampirs gezogen, doch bisher hatten sie ihm kaum Fragen gestellt, sondern nur seine höhnischen Kommentare schweigend hingenommen. Ray wusste, dass sich Kai nur für Tala zusammengerissen hatte. Als dieser vor der Tür zusammengebrochen war, mit einer großen Wunde in der Brust, war Kai sofort klar gewesen, was passiert sein musste. Er hatte versucht ruhig zu bleiben, aber in seinen Augen war die Angst um seinen Liebsten zu lesen gewesen. Nur um Tala zu schonen, hatte er sich zusammengerissen und versucht das ganze ruhig zu klären. Aber nun konnte er nicht mehr ruhig bleiben. Sie hatten keine Ahnung wo Brooklyns Versteck war und was dieser mit Tyson vor hatte. Aber sowohl Talas Verwundung, als auch der Anruf von eben, haben Kais Ruhe endgültig hinweg gespült. Er ging auf ihren Gefangen zu, der immer noch dreckig grinste und schlug ihm so hart ins Gesicht, dass Ray das Krachen von Knochen hören konnte.
 

„Wo ist euer Versteck“, zischte er seinen Gegenüber zu und schlug gleich nochmal zu. „Und was hat Brooklyn mit Tyson vor?“

Der andere grinste nur weiterhin und blieb ganz ruhig. Er gehörte zu Brooklyns Gefolgsleuten und war sehr alt. Folter, Drohungen, Tod. Diese Dinge machten ihm keine Angst mehr, weil er sie schon alle erlebt hatte. Je älter ein Vampir wird, desto egaler ist ihm alles.

„Reg dich ab, Kai“, sagte er schließlich. „Das Versteck werde dich dir eh nicht verraten und was das andere angeht“, er zuckte mit den Schultern, „der Boss hat selbst uns nicht gesagt, welche Pläne er mit den Jungen hat.“

Kai stand ruhig vor ihm und versuchte durchzuatmen. Mit roher Gewalt kam man bei dem nicht weit.
 

„Kann dir doch auch egal sein“, meinte ihr Gefangener dann, und auf seinem zerschrammten Gesicht, machte sich wieder ein dreckiges Grinsen breit. „Du hast doch noch deine Hure. Die war die letzten 50 Jahre doch auch gut genug.“

Kai schien sich beruhigt zu haben, denn er lehnte sich selbst lächelnd zu dem anderen hinunter und seine Stimme klang so ruhig, dass sie selbst Ray einen Schauer über den Rücken jagte. „Jetzt hör mal gut zu, Mikhail“, natürlich kannte Kai den Namen des anderen, schließlich hatten sie schon mehrmals gegeneinander gekämpft. „Niemand außer mir bezeichnet Tala als Hure, klar? Denn er gehört mir!“ Dann richtete er sich wieder auf. „Ich habe es nicht gern, wenn man mir etwas wegnimmt, was ich als mein Eigentum bezeichne, daher sollte sich auch dein Boss, auf die letzten Stunden seines Daseins gefasst machen.“

Er nahm die Hände zusammen und ließ die Knöchel knacksen. Ray aber schritt energisch zwischen die beiden und schob Kai bestimmt mit einer Hand zur Seite.

„Ich übernehme das“, sagte er mit kräftiger, aber ruhiger Stimme. „Wenn du so weitermachst, kriegen wir gar nichts aus ihm heraus, außer Sterbelaute.“

Kai wollte gerade wiedersprechen, als er in Rays festen Blick schaute. Dann sah er hinunter zu dessen geballten Fäusten und nickte nur.
 

„Hah“, schrie Mikhail herablassend, „mir doch egal, ob mich die Missgeburt oder der gebrandmarkte Snack verschlägt.“

Ray wandte sich zu Mikhail herum und legte so viel Verachtung in seinen Blick wie möglich. Es war schon unschön überhaupt von den Avataren gebrandmarkt zu werden, aber deswegen von einem Vampir verhöhnt zu werden, war noch viel schlimmer. Ray schritt auf ihn zu. Seine Miene verriet Abscheu, aber absolute Ruhe.

„Komm schon, Menschlein“, höhnte er weiter. „Lass mich mal ein bisschen knabbern, dann trägst du das Brandzeichen wenigstens zu Recht.“
 

Ray blieb vor dem gefesselten Vampir stehen, starrte auf ihn herab und dann ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, rammte er ihn die Faust in den Magen. Das Geräusch das Mikhail von sich gab erinnerte an ein Luftkissen, aus dem die Luft herausgelassen wurde. Als Ray sich wieder aufrichtete hustete er noch ein paar Mal. Kai selbst stand etwas abseits und schaute auf Rays linke Hand, die nun nicht mehr zu einer Faust geschlossen war. Dann langte Ray zu seiner Tasche und holte ein Messer hervor, er setzte es Mikhail an die Kehle, der sogar etwas erschrocken schaute, aber Kai ging dazwischen und schlug Ray, dass Messer aus der Hand. Mit einem Zack landete es auf dem Boden und blieb dort stecken.

„Was soll das?“, fragte Ray genervt.

„Wenn du ihm die Kehle durchschneidest, kriegen wir keine klaren Worte mehr aus ihm heraus“, beschwerte sich Kai.

„Hm“, machte Ray nur und starrte wieder auf den anderen hinab. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Grinsen. „Du wartest hier brav bis ich meine Folterausrüstung geholt habe.“
 

Damit schritt er aus der Tür und Kai folgte ihm. Die beiden bewegten sich in die Küche und schlossen die Tür hinter sich. Dann schaute Ray auf die Uhr. Es dauerte keine halbe Minute und sie hörten das Umfallen eines Stuhls und kurz darauf das zersplittern von Glas.

„Oh, nein“, sagte Ray mit gespielter Empörung, „er ist entkommen.“

„Hast du den Ortungschip auch gut versteckt?“, fragte Kai, der noch etwas angespannt an der Wand stand.

„In der Innentasche seiner Jacke. Er wird sie dort wohl nicht so schnell bemerken. Außer natürlich er schöpft Verdacht. Das mit dem Messer war vielleicht doch nicht subtil genug.“
 

Kai schnaubte verächtlich. „Glaub mir, er mag ziemlich stark sein, aber der hellste war er noch nie. Du hättest ihm auch die Fesseln persönlich durchschneiden können und er hätte keinen Verdacht geschöpft.“

„Wir sollten nicht länger als 5 Minuten warten“, sagte Ray und ging zu seiner Tasche, wo er ein Ortungsgerät herausholte, welches er sofort einschaltete. „Er bewegt sich schnell und die Reichweite für die Ortung ist nur begrenzt möglich.“

„Ich hole meine Sachen“, sagte Kai und ging zur Tür hinaus, nur um Tala gegenüber zu stehen. Tala warf Kai seine Tasche mit seinen wichtigsten Utensilien zu. Er selbst trug schon seinen Mantel und seinen Gurt mit den Waffen daran.

„Was wen ich fragen darf, soll das werden?“, fragte Kai ruhig und schaute in Talas entschlossenes Gesicht.

„Ich komme mit“, sagte Tala einfach nur.

„Du gehst wieder ins Bett“, sagte Kai streng und zog sich bereits seinen Mantel an. „Mit der Wunde bist du uns keine große Hilfe.“
 

„Dann bin ich eben nur eine kleine Hilfe“, sagte Tala und an seiner entschlossenen Miene änderte sich nichts.

„Entweder du gehst selber wieder brav ins Bett oder ich schlag dich k.o. und befördere dich selbst dahin“, drohte Kai und legte nun auch selbst seinen Waffengurt an.

„Wirklich?“, fragte Tala und schaute empört auf den Graublauhaarigen. „Du würdest einen schwerverwundeten schlagen.“

Kai knurrte, aber Ray unterbrach ihn. „Wir sollten langsam los, sonst verlieren wir ihn.“

Tala verschränkte die Arme vor der Brust um seinen Standpunkt zu festigen. „Tyson ist auch mein Freund“, sagte er entschlossen. „Und ich habe selbst noch eine offene Rechnung mit Brooklyn.“

Kai seufzte resigniert und schaute Tala tief in die Augen. „Wenn du zurückfällst, lassen wir dich aber auch zurück.“

„Kein Problem.“

Die rechte Hand des Monsters

Waren es Minuten gewesen? Stunden? Er wusste es schlichtweg nicht. An seiner Schläfe pochte der Schmerz. Seine Hände und Beine waren taub. Er öffnete die Augen einen Spalt breit, aber sofort kniff er sie wieder zusammen. Das Licht tat in den Augen weh. Er wusste noch genau wo er war. Ein Blick hatte gereicht um ihn gänzlich klar zu machen, dass dies nicht nur ein schlechter Traum gewesen war. Er zog sich etwas zusammen, bereute die Bewegung aber sofort wieder, weil der Schmerz im Kopf nur schlimmer wurde. Er ließ die Augen noch geschlossen und versuchte stattdessen Geräusche um sich herum wahrzunehmen.
 

Kaum ein Laut war zu hören. Als er in das Zimmer getragen wurde, hatte er gemeint, hier und da Gespräche aufzuschnappen, aber hier war es still. Das war fast noch schlimmer als zu wissen, dass ein Haufen blutrünstiger Vampire um ihn herum war. Er versuchte seine Finger zu bewegen. Er glaubte, sie ein wenig zusammenziehen zu können, war sich aber nicht sicher, weil sich alles so fremd und taub anfühlte. Als wären es gar nicht seine Finger. Auch mit den Zehen versuchte er zu wackeln, aber es war das gleiche Ergebnis. Innerlich seufzte er auf. Es war schon eine ziemlich schlechtaussehende Situation für ihn. Im Grunde war er froh überhaupt noch zu leben, aber wer weiß warum das so war.

Wahrscheinlich war es Brooklyn schlichtweg nicht genug ihn umzubringen.
 

Während er so lamentierte, hörte er hinter sich auf einmal ein quietschendes Geräusch. Sofort waren seine Augen offen und mit einer Kraft, die er sich selbst nicht mehr zugetraut hätte, brachte er seinen gefesselten Körper dazu, sich zu drehen und auf die andere Seite des Zimmers zu sehen. Bisher hatte er immer nur die Tür im Blickfeld gehabt, jetzt erkannte er Fenster mit zugezogenen Vorhängen und einen alten Lehnstuhl in dem sich ein ihm nicht ganz unbekannter Kerl, es sich bequem machte. Kurz musste er noch überlegen, doch dann kam ihn sofort der Name wieder in den Sinn. Vor ihm saß Garland. Er saß im entspannt im Sessel, sein einer Ellbogen ruhte auf der Lehne, auf welcher er auch seinen Kopf abstützte. Er schien ihn mit äußerstem Interesse zu mustern. Diese ebenfalls ruhige Art, genau wie Brooklyn sie an den Tag legte, ließ ihn schaudern.
 

Er wollte zurückrobben, aber er kam kaum einen Millimeterweit als er schon aufgehalten wurde. Er schaute auf seine Füße und erkannte, dass seine gefesselten Beine mit einen weiteren Seil am Bettgestell festgebunden waren. Sofort wand er seinen Blick davon ab und sah wieder zu Garland. Diese kalten grauen Augen. Es jagte ihn Schauer über den Rücken zu lange in diese Augen zu sehen. Auch schon allein deswegen, weil er wusste, dass Garland die Fähigkeit hatte Gefühle zu erkennen. Aber auch, wenn er gerade immense Angst hatte, so kam ihn wieder in den Sinn, was dieser Kerl Tala angetan hatte. Er hatte ihn Menschenblut eingeflößt und ihm die Kehle aufgeschlitzt. Wenn er hier nicht gefesselt wäre, dann hätte er sich schon längst auf ihn gestürzt, auch wenn er wusste, dass dies wahrscheinlich ein kurzer Kampf wäre und er nicht glimpflich für ihn ausgehen würde.
 

Bisher hatte sich Garland kaum gerührt und ihn nur angestarrt, doch jetzt stand er auf und kam auf ihn zu. Tyson zuckte kurz zusammen und sah zu dem großen Vampir auf, der nun vor ihm stand und ihn interessiert musterte. Sein Blick wanderte von Tysons Gesicht, zu dessen immer noch nicht ordentlich wieder runtergezogenen Shirt, bis hinab zu seinen gefesselten Beinen. Schließlich sah er wieder in dessen Gesicht und beugte sich vor. Tyson zuckte zurück, auch wenn er nicht fliehen konnte, aber Garland langte nur an seinen Hinterkopf, fummelte dort kurz herum und schließlich spürte Tyson wie der Knebel gelöst wurde. Der Silberhaarige zog das Tuch aus seinen Mund und Tyson spuckte auch kurz aus. Der Lappen hatte eklig in seinen Mund geschmeckt und sein Kiefer tat ihm weh.
 

„So lässt es sich gleich viel leichter unterhalten“, säuselte Garland und legte das Tuch zur Seite.

Tyson hatte keine große Lust sich mit ihm zu „unterhalten“, aber noch weniger Lust hatte er, wieder geknebelt zu werden, daher sagte er nichts und sah nur auf den Boden.

„Schön, dass du uns die Ehre erweist“, sagte der andere entspannt und setzte sich genau wie Brooklyn auf die Bettkannte, um nicht auf Tyson herabsehen zu müssen.

Tyson hatte diese Geste schon bei Brooklyn überrascht. Es war eigentlich nur etwas, was ihm zugutekam. Er verstand nicht warum Garland und Brooklyn sich anscheinend Gedanken darüber machten, wie sie mit ihm auf Augenhöhe reden konnten.
 

„Ich hätte auch drauf verzichten können“, beantwortete Tyson die Aussage von vorhin und wandte den Blick ab. Er hatte Angst dass Garland seine Angst erkennen könnte, wenn er ihm in die Augen sah, aber von der wusste er bestimmt schon längst.

Dieser langte unter sein Kinn und hob es so an, dass Tyson ihn wieder ins Gesicht sah.

„So einfach war das nicht“, meinte er nur. „Seit Brooklyn dich das erste Mal getroffen hat und es nicht schaffte dich zu töten, versuchen wir dich in unsere Finger zu kriegen, aber jedes Mal scheiterte es.“

In Tyson keimte Widerstand auf und er entzog sein Gesicht Garlands Griff. „Warum?“, schrie er diesen an. „Warum wollt ihr mir unbedingt etwas antun? Um Kai zu verletzen? Wieso? Warum zum Teufel nochmal ist Brooklyn so besessen von ihm?“
 

Diese Fragen hatten Tyson schon lange auf der Seele gelegen, aber weder Ray noch Tala konnten diese Fragen richtig beantworten. Dabei machte er ihnen aber keine Vorwürfe. Sie hatten ihm alles erzählt, was sie wussten, aber alles was er rausbekam war, dass Kai und Brooklyn sich anscheinend schon als Menschen gekannt hatten und das Brooklyn wohl derjenige war, der Kai verwandelt hatte. Aus Kai hatte er in dieser Hinsicht nichts Weiteres rausbekommen, aber an dem Schmerz in seinen Augen hatte er erkannt, dass er auch nicht weiter fragen sollte.
 

„Das ist eine etwas kompliziertere Geschichte“, meinte Garland und lehnte sich zurück.

„Ich habe genügend Zeit“, höhnte Tyson und zog zur Verdeutlichung an seinen Fesseln.

„Nicht im Sinne der Zeit“, sagte Garland, „sondern in der Verständnis.“

„Ich bin auch nicht blöd“, knurrte Tyson.

„Ich habe aber keine Lust, hier den Geschichtenerzähler für dich zu spielen.“ Dieses Mal war ein gefährlicher Unterton in Garlands Stimme. Tyson erwiderte nichts darauf. Es war wohl wirklich eine kompliziertere Sache. Aber gleich darauf seufzte Garland. „Aber ganz dumm sollst du ja auch nicht bleiben. Du bekommst die Kurzfassung.“

Jetzt hörte Tyson aber gut hin.
 

„Als Menschen waren Brooklyn und Kai befreundet. Sie waren beide die Söhne von Vampirjägern. Ihre Familien hatten eines Tages fast einen gesamten Clan ausgerottet, daraufhin schwor dieser Rache und wollte diese vollziehen, indem er Kai und Brooklyn ebenfalls in Vampire verwandelte. Es gelang ihn aber nur Brooklyn zu beißen und Kai entkam. Brooklyn aber, der nach dem Biss ebenfalls noch entkommen konnte und gerade im Begriff war, sich selber in einen Vampir zu verwandeln, traf auf Kai und biss ihn ebenfalls und wollte ihn verwandeln. Warum? - fragst du dich jetzt sicherlich. Ganz einfach. Brooklyn wollte nicht ein untotes Dasein führen ohne seinen besten Freund. Du verstehst das vielleicht nicht, aber auch Vampire sind nicht einfach nur auf ihre Triebe beschränkt.“
 

In diesen Augenblick schien Tyson zu glauben, er könnte sowas wie Schmerz in den Augen des anderen sehen. Natürlich wusste er, dass Vampire nicht ganz gefühllos waren, schließlich sah er es an Kai und Tala. Allerdings hatten diese beiden auch eine unberührte Seele. Wie viel machte die Seele wirklich aus, und was genau war mit der verstümmelten Seele der Vampire? Es war wirklich eine komplizierte Sache. Doch schon erzählte Garland weiter und er verschob die Gedankengänge auf einen anderen Zeitpunkt. „Auf jeden Fall, hatte Brooklyn aber mit einer Sache nicht gerechnet. Kai behielt seine Seele. Brooklyn war also ein Vampir der Menschen ohne Skrupel tötete und Kai konnte das nicht, weil ihn seine Seele daran hinderte.
 

So zerbrach also die Freundschaft der beiden schlussendlich doch noch. Allerdings kann Brooklyn das nicht akzeptieren. Er hat es sich also zur Aufgabe gemacht, Kai doch noch davon zu überzeugen, dass es ein Fehler war seine Freundschaft einfach wegzuwerfen. Daher vernichtet er alles, was Kai wichtig ist. In dem Glauben, er würde irgendwann einsehen, dass ein Dasein als guter Vampir, keinen Sinn hat.“

Garland beendete die Erzählung und Tyson schnaufte verächtlich. „So kompliziert war das nicht“, meinte er nur unberührt.

„Das war auch nur die kurze Fassung für Einfältige“, erklärte Garland und fing sich einen wütenden Blick von Tyson ein. „Um die ganzen Hinter- und Beweggründe zu erklären, bräuchte ich mehr Zeit und du mehr Hirn.“
 

„Was fällt dir eigentlich ein, mich als Blöd zu bezeichnen“, brauste Tyson auf. „Du weißt doch gar nichts über mich.“

Garland packte wieder sein Kinn und zwang Tyson jetzt ihm tief in die Augen zu sehen. Tyson hatte wieder dieses Gefühl abgetastet zu werden.

„Ich weiß mehr über dich als du denkst“, säuselte er daraufhin und strich seine Wange entlang. „Ich weiß, dass du zwar nicht dumm bist, aber du gehörst auch nicht zu den Menschen, die über alles zu viel Nachdenken. Du bist kein Stratege, sondern ein Vorprescher und du verlässt dich stets auf dein Bauchgefühl. Du versuchst immer alles positiv zu sehen und willst damit nur verstecken, wie tief verletzt du in deinen Innersten bist.“

„Was fällt dir ein“, knurrte Tyson und versuchte dem Griff zu entkommen.
 

„Dein Vater interessiert sich mehr für alte verlassen Gräber als für dich, dein Großvater hat dich zwar großgezogen, aber er hat dich immer nur gefordert, und dein Bruder… pah… wenn er sich mal sehen lässt, dann nur um dich ebenfalls anzutreiben. Niemand hat sich je vor dich gestellt oder versucht dich zu schützen oder einfach nur für dich da zu sein. Dies ist einer der vielen Gründe, für deine immensen Gefühle für Kai. Er ist der erste, der einfach nur bei dir war. Er verlangt nichts von dir und er ist derjenige, an dem du dich stützen kannst.“

Schlussendlich ließ er doch wieder Tysons Kinn los, doch dieser senkte nur den Blick und zitterte. Wieso konnte dieser Kerl nur so in sein Innerstes sehen?! Er fühlte sich zutiefst beschämt, weil seine geheimsten Gefühle so offen da lagen für diesen Kerl.
 

„Nichts kann vor mir verheimlicht werden“, sagte Garland und es klang sehr hart. Als wäre dies nicht nur eine Gabe, sondern auch ein Fluch. „Nicht alles was ich sehe ist interessant und nutzbar. Wobei…“ Er streichelte wieder über Tysons Wange, und dieser schaute mit ängstlichen Augen zu den anderen hoch. Er konnte sich einfach nicht dagegen wehren. „Ein paar Dinge sind sehr interessant. Ich sehe zum Beispiel, dass du Angst hast, aber es dein Stolz einfach nicht zulässt, dass du dies auch nur eine Sekunde lang offen zeigst. Oder ein paar pikante Details.“ Er ging mit seiner Hand runter zu Tysons Schritt. Er wollte sich von dieser Hand wegbewegen, aber er konnte einfach nicht. Er war wie gelähmt und Garlands Augen schienen ihn zu durchbohren. „Du liebst zwar Kai, aber tief in deinen innersten weißt du, dass du den besten Sex deines Lebens mit Tala hattest.“
 

Tyson fühlte sich ertappt. Er wollte etwas sagen. Irgendwas. Aber aus seinen Mund, der sich öffnete und schloss, kam kein Laut. Garland schenkte ihn noch ein süffisantes Lächeln und ließ dann wieder von ihm ab und stand sogar auf. Tyson fühlte sich als würde eine Last von ihm abfallen, als Garlands Bann verschwand. Er schnaufte schwer und versuchte seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Diese Fähigkeit. Sie war grausam.

„Ich kann es dir aber gar nicht verübeln, dass du den rothaarigen Kai vorziehst“, meinte Garland lässig und zuckte mit den Schultern. Tyson sah fragend zu ihm auf. „Schließlich hatte ich mit ihm auch eine Menge Spaß.“

„Was…was meinst du damit?“, fragte Tyson und ein furchtbarer Gedanke kam ihn in den Sinn.
 

„Ach, hat Tala es dir nicht erzählt?“, fragte der andere unschuldig. „Wir haben letztens ein wenig gespielt. Oder besser gesagt, ich habe mit ihm gespielt.“ Tyson erbleichte und er schüttelte den Kopf. Doch Garlands Grinsen wurde nur breiter. „Er wollte dich eben unter allen Umständen schützen. Dafür war es ihm sogar wert, sich von mir vögeln zu lassen.“

Tyson zitterte und seine tauben Hände fühlten sich auf einmal wieder sehr bewusst an.
 

„Du Schwein“, schrie er Garland entgegen, der sogar überrascht wirkte durch den plötzlichen Ausbruch. „Wie konntest du ihm das nur antun? Wieso quält ihr ihn so?“ Tyson zerrte an seinen Fesseln auch wenn er sich dadurch nur ins Fleisch schnitt. „Tala ist mein Freund und nicht euer Spielzeug. Wenn ihr so notgeil seid, dann legt euch doch gegenseitig flach, aber lasst ihn in Ruhe!“

„Jetzt reicht es aber“, sagte Garland und verließ das Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Das Geschrei und Gezeter ging weiter, auch wenn es jetzt nur noch gedämpft bei ihm ankam.
 

**^^**
 

Als er den Gang entlang ging, versank Garland in Gedanken. Mit seinen ersten Eindruck von Tyson hatte er gar nicht so falsch gelegen. Der Junge war nicht wie andere. Obwohl er schon Narben auf seiner Seele hatte, war er weder verschlossen, noch vergramt. Er hatte eine offene Natur und hielt sich an die guten Dinge im Leben. Was ihn aber am meisten beschäftigte, war sein starker Wille. Der Junge war völlig verängstigt, weil er nicht wusste, was mit ihm geschehen würde, dennoch konnte er in ihn den Glauben erkennen, dass alles gut würde und obwohl es bisher keine Spur auf Rettung gab, war er nicht bereit auch nur ein Fünkchen Angst zuzulassen. Ja, er konnte sie nicht perfekt verbergen, aber er war auch nicht bereit, sie in irgendeiner Weise nach außen dringen zu lassen.
 

„Was hast du in dem Zimmer getan?“, kam eine frostige Frage von hinten.

Garland drehte sich langsam um und erkannte Brooklyn der an eine Säule gelehnt dastand und ihn mit kalten Augen ansah. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er ihn nicht bemerkt hatte.

„Darf ich mich etwa nicht mit ihm unterhalten?“, gab er eine giftige Antwort und hielt dem Blick seines Meisters und Freundes stand.
 

„Es ist nicht mehr nötig, dass du irgendwas über ihn herausfindest. Ich habe meine Entscheidung schon getroffen“, meinte Brooklyn ruhig und schaute in die Richtung von den Zimmer, welches er gerade verlassen hatte. Wenn Brooklyn schon länger dastand, dann muss er auch mitgekriegt haben, als der Kleine angefangen hatte zu schimpfen.

Garland sah seinen Anführer noch einen Augenblick ruhig an, dann senkte er den Blick und schüttelte den Kopf.

„Dein Plan wird dir nicht gelingen“, sagte er ruhig, obwohl er wusste, dass er gerade großen Zorn auf sich zog. Er spürte, dass Brooklyn seinen Blick wieder auf ihn sengte, und er spürte die Woge des Wutes, die sich gegen ihn richtete. „Er hat einen zu starken Willen. Es wird dir nicht gelingen, ihn zu unterwerfen.“
 

Die Gefühle die Brooklyn im Moment für ihn empfand, ließen ihn erschaudern, aber auch als Freund war es seine Aufgabe ihn über sein Scheitern aufzuklären. Nur ihm gegenüber hatte Brooklyn seinen Plan geäußert, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er ihm das wieder ausreden wollte.

„Niemand hat einen so starken Willen. Er wird mir gehorchen. Er muss“, spuckte Brooklyn aus.

„Und das sagst ausgerechnet du?“, sagte Garland jetzt mit fester Stimme und schaute ihm wieder direkt in die Augen. Die grünen Augen zogen sich zusammen und blitzten ihn wütend an, aber er wandte sich nicht wieder ab.

„Selbst wenn es mir nicht gelingt, ihn zu beherrschen, so wird es Kai trotz allen zerstören.“ Nach diesen Worten stieß sich Brooklyn von der Wand ab und er verschwand in eine andere Richtung.
 

Garland atmete aus und hoffte, dass er mit seinen Worten etwas bewirkt hatte. Es lag ihm fern, seinen Meister zu belehren, doch als Freund war es seine Aufgabe ihn über seine Fehler aufzuklären und Brooklyn würde einen großen Fehler begehen.

Kai zerstören? Es würde Kai zwar in tiefe Trauer stürzen, aber er würde all seinen Hass auf Brooklyn richten und Garland konnte sich denken, dass dies irgendwann in dem Tod eines der beiden enden würde, dabei wollten beide nicht, dass der jeweils andere durch ihre Hand starb. Er hatte dieses Spielchen schon lange genug gesehen. Kai hasste Brooklyn. Brooklyn verachtete Kai. Aber keiner der beiden, wollte den Tod des anderen. Es war eine kranke und komplizierte Beziehung, welche die beiden führte. Aber was sollte er selbst darüber urteilen. Im Grunde war er nicht viel besser.
 

Seine eigene Vergangenheit, die ihm heute zu dem machte, was er war, lag schon über hundert Jahre zurück.

Geboren mit besonderen Kräften, in einen Dorf mit weltverschlossenen Menschen, war sein Schicksal schon früh von Hass und Verachtung begleitet gewesen. Als seine Eltern erkannten, dass ihr jüngster Sohn merkwürdige Aussagen machte und anscheinend mit Leichtigkeit Geheimnisse erkannte, hatten sie begonnen ihn förmlich von der Welt abzuschirmen. Sie wollten nicht, dass jemand dahinter kam, was mit ihren Kind nicht stimmte. Gleichzeitig konnten sie ihn aber auch nicht verstoßen. Sie waren von angesehenem Adel und der Verstoß ihres jüngsten Sohnes hätte ihnen nur Getuschel eingebracht.
 

Oft wurde er gezüchtigt und eingesperrt, wenn er zum Beispiel anmerkte, wo verschollene Sachen zu finden waren oder wenn er den geheimen Gedanken eines anderen ausplauderte. Bereits im Alter von 10 Jahren war er deshalb zu einen Kind herangewachsen, dass nur selten sprach aus lauter Angst etwas falsches zu sagen. Als 15 jähriger galt er als Sonderling, weil er sich zurückzog und nie in die Nähe eines anderen Menschen kam, obwohl seine Eltern immer wieder Gesellschaften veranstalteten. Mit 20 Jahren dann, war er ein zurückgezogener junger Mann, der jeden mit hasserfüllten Blicken strafte, wenn er ihm zu nahe kam. Wie oft hatte er sich gewünscht alldem ein Ende zu setzen. Aber seine Eltern ließen ihn einfach nicht gehen und so war er gezwungen in der Nähe von Menschen zu bleiben, deren Gefühle und Gedanken er erspüren konnte.
 

Es waren hohe Lehnsherren wie seine Eltern. Dekadent und verdorben bis ins Innerste. Ihre Seelen so offen vor sich liegen zu haben war eine Qual. In ihren Geistern herrschten nur Gier, Verachtung und Arroganz. Doch das änderte sich, als er eines Nachts von Schreien aus dem Schlaf gerissen wurde. Außerhalb seines Zimmers hörte er Todesschreie und eine Welle von Angst und Verzweiflung brach über seinen Geist herein. All diese Gefühle ließen seinen Kopf fürchterlich Schmerzen und er trat erst aus seinem Zimmer hervor, als die Schreie verklangen und die verstörten Gedanken von ihm abfielen. Als er auf den Flur hinaustrat, war alles ganz still und lag im Dunkeln. Mit vorsichtigen Schritten ging er den Gang entlang, von dem er glaubte, dass die Schreie von dort gekommen waren und kam schließlich im großen Saal an. Vom Geländer des Balkons aus, sah er hinab in den Saal.
 

Was er dort sah, war seine Familie und die Bediensteten, welche dort auf den Boden lagen. Die Augen weit aufgerissen, die Münder noch wie zu einen Schrei geöffnet und die Haut so blass wie Schnee. Die einzige noch stehende Person drehte sich zu ihm herum und er erkannte einen jungen Mann mit orangen Haar und grünen Augen. Er starrte einfach nur zu ihm hervor und sagte kein Wort. Und er starrte nur zu ihm hinab. Er versuchte die Gefühle und Gedanken des Mannes zu erspüren, aber dieser war so ruhig, dass kaum etwas bei ihm ankam.
 

Irgendwann bewegte sich dann der Mann. Er kam einen Schritt auf ihn zu und was ihn schockierte. Mit einem Sprung war er auf einmal auf den Balkon. Er schnappte nach Luft und trat einen Schritt zurück.

„Stört es dich nicht, dass ich gerade deine Familie ermordet habe?“, fragte der Mann und schaute ihn interessiert an.

Garland hatte damals nichts zu erwidern gewusst und nur mit den Schultern gezuckt. Ja, es war seine Familie, die nun Tod da unten lag, aber inwiefern sollte er um sie trauern. Außer Leid hatten sie ihm doch nichts gebracht.

„Hast du keine Angst vor mir?“, kam die nächste Frage und wieder musste Garland angestrengt nachdenken. Jetzt so nah, versuchte er wieder die Gefühle des Fremden zu erkunden. Das was er erkannte, war so anders als das, was er bisher immer gespürt hatte bei Menschen. Es war… rein. Keine Hintergedanken, keine Geheimnisse, keine Verachtung. Dieser Mann hatte nur offene und ehrliche Gedanken. Auch wenn die Blutrünstigkeit nicht vor ihm verborgen blieb. Aber empfand er ihm gegenüber deswegen Angst?
 

„Du bist anders“, bemerkte der Grünäugige. „Du hörst weniger auf meine Fragen, als das du vielmehr versuchst, die Antworten in mir zu finden.“ Dann lächelte er ein Lächeln, dass Garland auch noch heute faszinierte. Es war ein Lächeln ohne jede Nettigkeit. Ein Lächeln, das nicht von Freude sprach. Es war ein neugieriges Lächeln, das einen auf mehr warten ließ.

„Möchtest du für mich arbeiten?“
 

Später erfuhr Garland, dass seine Familie vorgehabt hatte ein Grundstück zu kaufen, auf den Brooklyn zu dem Zeitpunkt mit seiner kleinen Gruppe von Anhängern gelebt hatte. Die Ermordung der gesamten Familie war für ihn leichter gewesen, als ein neues Heim zu suchen. Von Garlands besonderen Kräften hatte er nur Gerüchteweise gehört, aber er war neugierig auf sie gewesen und hatte ihn daher nicht sofort getötet. Garland hatte das Angebot von Brooklyn angenommen, weil ihn dieser Mann faszinierte. Er hatte ihn in einen Vampir verwandelt und ihn unter seine Fittiche genommen.
 

Garland selbst hatte sich schnell einen Namen gemacht, als Brooklyns rechte Hand und ein Vampir ohne jede Skrupel. Sie waren noch lange in dem Gebiet geblieben und er hatte nur Verachtung und Hass für die Menschen dort übrig gehabt, die ihn lange Zeit so gequält hatten. Sei es wegen ihres offenen Abscheus ihm gegenüber, oder weil er ihre Gedanken als so falsch und widerwärtig empfand. Mit 100 Jahren an Lebensjahren, war er zudem noch abgestumpft und tote Menschen kümmerten ihn immer weniger. Ob nun etwas starb oder lebte. Was interessierte es ihm? Zudem hat er Gefallen daran gefunden, andere zu quälen. Die Gedanken eines jeden der dem Tod entgegen schaute oder furchtbare Qualen litt, waren getränkt von reinen Emotionen. Es ging um das pure Überleben und das war so viel besser, als die Hintergedanken von Menschen, die sich nur darum sorgten, wie sie ihr eigenes Wohlergehen noch steigern konnten.
 

Doch jetzt war diese Zeit bedroht, denn Brooklyn hatte etwas vor, was alles verändern könnte. Er wusste, was sein Meister für Gefühle gegenüber Kai hegte. Keine Liebe, kein Hass. Es war etwas viel simpleres. Etwas, dass selbst 150 Jahre überdauert hatten. Und er wusste auch, dass Kai die gleichen Gefühle hatte. Ein empfindliches Gleichgewicht, das zerstört werden könnte, wenn Brooklyn jetzt zu emotional handelte. Dennoch hatte er einst einen Eid geleistet. Er hatte Brooklyn Treue geschworen. Treue zu der einen Person, die seine Fähigkeit nicht als Fluch verstand und der ihn dafür nicht verurteilte. Er würde ihn bis zum Ende zur Seite stehen, auch wenn dieses Ende, noch in dieser Nacht kommen würde.
 

**^^**
 

Woanders bewegten sich Tala und Kai über die Dächer der Stadt, während Ray auf seinem Motorrad durch die Straßen fuhr. Sie waren durch Headsets miteinander verbunden, so dass Ray ihnen immer genau sagen konnte, wo sie langzugehen hatten. Leider ging die Verfolgung des flüchtigen Vampirs nur langsam voran. Tala hatte ihn schwer verletzt und sie hatten ihm nichts zur Heilung gegeben, daher kam er nur langsam voran und musste auch hin und wieder Pause machen. Da sie nur in einen gegeben Abstand folgen konnten, weil sie sonst entdeckt worden wären, mussten auch sie immer wieder Pausen einlegen und darauf warten, dass er von selbst weiterging.
 

Die Befürchtung der Verfolgte könnte unterwegs jemanden anfallen um Kraftreserven aufzufüllen hatte sich zum Glück nicht bewahrheitet. Anscheinend war Mikhail schon belastet genug mit der Tatsache, dass er gefangengenommen worden war. Er würde es nicht wagen seinen Herrn länger warten zu lassen, indem er unterwegs vesperte. Hinzu kam noch, dass er wahrscheinlich immer noch entkräftet war und es sich auch nicht traute jemanden anzugreifen, der sich womöglich wehren konnte. In ihrem Versteck hatten sie bestimmt eine gut gefüllte Vorratskammer. Vielleicht sogar noch gefüllt mit lebenden Menschen.
 

“Wir müssen wieder kurz halten", drang Rays Stimme in Kais Ohr. Sofort hörten Tala und er auf zu laufen und Kai ging auf die Brüstung des Gebäudes zu. Er sah wie Ray unten auf der Straße ebenfalls stoppte.

„Das nervt“, sagte Kai ungeduldig. Jede Sekunde die sie warten mussten, bedeutete für Tyson eine weitere Sekunde in der Gewalt eines Psychopathen. „Musste die Wunde denn so schwer sein“, fragte er gereizt an Tala. Der schaute kurz verwundert und wurde dann sofort wütend.

„Entschuldige“, meinte er sarkastisch. „Das nächste Mal lass ich mich verprügeln und gebe ihm nur ein paar Ohrfeigen.“

Kai wandte sich beschämt ab und murmelte eine Entschuldigung. Er war froh, dass Tala nichts weiter passiert war, die Bemerkung war nur Ausdruck seiner Angst um Tyson gewesen. Tala verstand Kais Befürchtungen und ging daher nicht weiter darauf ein.
 

„Hört mal auf zu zanken, ich glaube, ich weiß was sein Ziel ist“, hörten sie wieder Rays Stimme in ihren Ohren. Beide waren sofort still und hörten auf. „Mikhail bewegt sich zielstrebig zum Rand der Stadt. Für Vampire ist das eigentlich kein besonders gutes Versteck, weil dort viele Familien leben. Aber wenn man weitergeht, dann kommt ein Hügel und auf diesen befinden sich ein paar alte Ferienhäuser. Früher waren sie häufig genutzt, doch das ist schon länger her und jetzt sind sie alt und renovierungsbedürftig. Weil die Abrissarbeiten aber teurer wären als die Erhaltung, haben die Besitzer die Häuser behalten und versorgen sie nur notdürftig. Leer stehende große Häuser, die nur selten oder gar nicht überprüft werden, in einer Gegend wo kaum noch jemand lebt. Das wäre doch perfekt für einen Clan.“
 

„Und würde zu Brooklyns Vorliebe passen, sich nicht in einer unwohnlichen Unterkunft nieder zu lassen“, erklärte Kai zu Ende. Er sah zu Tala und dieser nickte zustimmend. Dennoch mussten sie weiter Mikhail folgen, denn es waren gut ein Dutzend Häuser die sich dort befanden und sie durften keine Sekunde mit dem Absuchen von falschen Häusern verschwenden. Ray gab das Zeichen, dass es weitergehen könnte und sie rannten sofort wieder los.

Kampf der Überzeugungen

Er zog und zerrte, trat dagegen oder rüttelte daran. Es half alles nichts. Das Seil das seine Beine am Gitter gefesselt hielt wurde weder lockerer, noch brach das Gitter. Erschöpft von seinen aussichtlosen Kampf ließ er sich zurücksinken. Sein Blick glitt wieder zur Seite auf das Messer, welches Brooklyn in die Tischplatte gerammt hatte. Nachdem Garland verschwunden war, war ihn umso mehr klar geworden, dass er hier nicht nur rumsitzen und auf Rettung warten durfte. Er musste etwas tun. Er hatte sich im Raum umgesehen und schließlich das Messer entdeckt.
 

Zuerst dachte er, was für ein Idiot Brooklyn gewesen war und schließlich auch Garland, es hier in seiner Nähe zu lassen. Aber gleich darauf, als er hinrücken wollte, war ihm leider klar geworden, dass die beiden doch nicht ganz so dumm waren. Da seine Beine an das untere Gitter des Bettes gefesselt waren, war sein Bewegungsraum sehr eingegrenzt und leider reichte er nicht aus um an das Messer zu gelangen. Inzwischen glaubte er sogar, sie haben es nur dort gelassen um ihn zu verhöhnen. Denn wie es da so im Tisch steckte, war es einfach nur deprimierend, so nah dran zu sein und doch nicht ranzukommen.
 

„Mist“, schrie er aus und trat nochmal gegen das Gitter. Der gesamte Raum sah vermodert und abgenutzt aus, aber dieses verdammte Gitter war so hart wie Stahl.

Sinnlos rumzuhampeln und zu versuchen seine Beine durch Gewalt frei zu kriegen, war eine hoffnungslose Sache. Er musste sich was anderes einfallen lassen. Er sah wieder zu seinen Beinen herab. Das Seil war straff darum gewickelt und der Knoten sah kompliziert aus. Selbst wenn er so gelenkig wäre, mit seinen am Rücken gefesselten Händen da ran zu kommen, wirkte der Knoten zu fest um ihn mit fast tauben Fingern aufzuknüpfen. Er sah wieder zu dem Nachttischchen auf den das Messer steckte. Vielleicht, wenn er es schaffte das Schränkchen umzukippen, dann käme er leichter hin, wenn das Messer auf dem Boden läge. Das Messer konnte er nicht erreichen, aber das Schränkchen war zumindest in seiner Reichweite. Natürlich machte ihn auch hier wieder seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit zu schaffen, aber so was unkompliziertes wie ein Schränkchen umzustoßen müsste doch noch drin sein. Allerdings müsste er es auch noch in die richtige Richtung stoßen, so dass das Messer auch wirklich näher an ihn ran war, und nicht noch weiter weg. Hier lag die Schwierigkeit der Sache.
 

Tyson dachte noch einen Moment nach, ob es nicht doch noch eine andere Möglichkeit gebe. Er sah sich im Raum um und betrachtete dann nochmal seinen gefesselten Körper. Im Moment fiel ihm wirklich nichts ein und er hatte auch nicht die Geduld, sich noch eine weitere Ewigkeit Gedanken darüber zu machen. Seiner Meinung nach, war er schon viel zu lange hier und es war höchste Zeit, dass er wegkam. Er machte sich große Sorgen um Tala und hoffte, dass die Wunde die der andere ihm zugefügt hatte, nicht allzu schlimm war. Und was war mit Kai? Mal ganz davon abgesehen, dass sich Tyson sein Leben lang anhören durfte, dass er Recht hatte, war er bestimmt krank vor Sorge. Aber vor allen wollte er lieber nicht wissen, was diese Kerle mit ihm vorhatten. Als er von Garland erfahren hatte, dass dieser Tala Gewalt angetan hatte, war er ausgerastet vor Wut.
 

Wie konnte er Tala nur so etwas antun? Waren diese Kerle so notgeil, oder war es ihm nur darum gegangen ihn zu quälen? Die Antwort konnte er sich denken, aber sie machte ihn umso mehr Angst. Die Kerle waren nicht einfach nur Skrupellos. Sie genossen es jemanden Leid an zu Tun. Und anscheinend war Brooklyn der Schlimmste von allen. Auf eine weitere Aussprache mit ihm konnte er verzichten. Es ging darum zu entkommen.

Er sah nochmal zum Nachttischchen. Er musste sich darauf mit seinem gesamten Gewicht stürzen, nur so konnte er es schaffen es überhaupt zu erreichen und es auch so umzukippen, dass es richtig fiel. Wenn er es wagte, sich selbst vom Bett zu hieven und dabei die Kanten packte, dann müsste es theoretisch noch vorne kippen. Dann am Boden könnte er das Messer bestimmt aus der Tischplatte ziehen. Dann sollte es ein leichtes sein, das Seil an seinen Händen zu lösen und schließlich seine Füße zu befreien. Wenn er aber scheiterte, dann würde er nur auf den Boden liegen und das wäre noch unangenehmer als jetzt…
 

Nein, er hatte keine Wahl. Er nahm all seine Kraft zusammen, visierte die Tischplatte an und dann spannte er seine Muskeln und schwang sich selbst über die Bettkante. Es ging sehr schnell, er schaffte es zum Glück die Kante des Tischchens zu erwischen und wie von ihm geplant, stürzte es um. Allerdings hatte er sich zu wenig Gedanken über die Landung gemacht. Der Knall den er verursachte, war furchtbar laut und sofort als er auf den Boden ankam, durchfuhr ihn ein furchtbarer Schmerz. Er war mit dem Rücken auf dem harten Boden gelandete und sein Kopf war gegen das Nachttischchen, das umgekippt war, geknallt. Noch dazu zog es furchtbar an seinen Beinen, da diese unbequem nach oben gezogen wurden, weil sie natürlich noch am Bettrahmen gefesselt waren.

Durch den Schlag auf seinen Kopf sah er für einen Moment Sternchen. Er stöhnte schmerzhaft auf und drehte den Kopf zur Tür. Als sich sein Blick klärte, zuckte er sofort erschrocken zurück.
 

In der Tür stand eine Frau und er hatte keine Zweifel daran, dass sie ein Vampir war. Er fragte sich, wie viele Klischees diese Frau gerade erfüllte. Sie trug einen pechschwarzen Minirock über eine zerrissene Strumpfhose und hatte als Oberteil eine Korsage an. Ihre Haare waren ebenfalls schwarz und wirkten wild frisiert. Ihr Make Up war einfach zu viel des Guten. Blutrote Lippen und schwarz umrandete Augen. Ihr Blick ruhte auf Tyson.
 

Tyson wiederrum erholte sich von seinen Schock und suchte schnell mit seinen Fingern das Messer, dass nun unter seinen Rücken begraben sein musste. Er hoffte, dass sie nicht lange genug im Türrahmen stand um hinter seine Aktion gekommen zu sein.

„Man hatte mir ja schon gesagt, dass du ein lebhaftes Kerlchen sein sollst“, sagte sie mit einem süßen Lächeln, dass im krassen Widerspruch stand zu ihren Aussehen. Auch ihre Stimme klang samtig weich und als sie mit ihren dunklen Augen zu Tyson sah, erkannte er darin eine gewisse Wärme. Wer war sie wohl gewesen, bevor sie zu einem Vampir wurde, fragte sich Tyson.

Sie trat in den Raum und ging vor Tyson in die Hocke. Dieser zuckte noch mehr zusammen und bettete verzweifelt, dass er das Messer zu fassen kriegte.
 

„Ich bin Sakura“, sagte die Frau und streichelte über seine Wange. Ihre Hände waren eiskalt und seine Augen waren auf ihre überlangen spitz gefeilten Fingernägel gerichtet. „Du hast so schöne samtene Haut“, schnurrte sie weiter. „Der Boss meinte ich solle dir etwas Gesellschaft leisten.“

Sie beugte sich zu ihm runter und gab ihm einen Kuss auf seinen Hals. Tyson war starr vor Angst. Was bedeutete bei Vampiren Gesellschaft leisten? Das was er auch darunter verstand oder einfach nur eine nettere Art des Blutsaugens.

Er zuckte kurz zusammen, als er sich in den Finger schnitt. Das Messer! Er hatte es.

„Du musst keine Angst haben“, sagte Sakura und zog sich wieder von seinen Hals zurück. Ein Glück, sie hatte das zusammenzucken als Zeichen dafür gehalten, dass er sich vor ihr fürchtete.
 

„Ich bringe dich nicht um“, hauchte sie und auf einmal wurden ihre schönen Augen rot und er sah wie die Eckzähne in ihren Mund länger wurden. „Ich will nur ein wenig probieren.“

Damit stürzte sie sich wieder nach vorne und versenkte ihre Zähne in seiner Schulter. Tyson japste auf und rieb die Fesseln seiner Hände schnell gegen das Messer. Ein Glück das es extrem scharf war. Nach zweimal darüber gleiten, waren die Fesseln sofort durch. Der Schmerz in seiner Schulter war abscheulich. Es fühlte sich mehr so an, als wollte sie die Schulter abbeißen und das Gefühl des heraussaugenden Blutes war Übelkeiterregend. Er packte das Messer am Griff und ohne lange nachzudenken, stieß er es vor und rammte es dem weiblichen Vampir in die Brust. Diese ließ von seiner Schulter ab, schrie auf und torkelte dann ein paar Meter zurück, dabei glitt das Messer, welches Tyson immer noch fest hielt, wieder aus ihr heraus. Normal hätte Tyson dieser Anblick schockiert, aber er hatte keine Zeit nachzudenken. Im Nachhinein konnte er nicht mehr sagen wie, aber er hatte sich blitzschnell zurück auf das Bett gezogen, auch die Fesseln an seinen Beinen durchgeschnitten und stand nun, mit zwar wackeligen Beinen, aber mit einen Messer bewaffnet vor dem Vampir, welche ihn hasserfüllt anstarrte.
 

„Du hast es gewagt auf mich einzustechen“, keifte sie ihn an. Es war nichts Liebliches oder Nettes mehr in ihrer Stimme. Sie wirkte einfach nur noch wie eine Furie. In dieser absurden Situation wusste Tysons nichts anderes zu machen, außer mit den Schultern zu zucken und zu sagen. „Du hast mich in die Schulter gebissen.“

Der Hass, welcher in ihr Gesicht geschrieben stand, war furchterregend. Mit einem Schrei stürzte sie sich auf ihn. Tyson wusste nicht wie reagieren und sprang einfach nur zur Seite. Dabei landet er auf den Bett und rollte sich auf die andere Seite, so dass das Bett zwischen ihnen stand. Sie aber wandte sich ihm sofort wieder zu und fletschte ihn an. Tyson wusste, dass dies ein ungleicher Kampf werden würde. Seine Beine und Arme taten immer noch weh und er hatte nur ein „lausiges“ Messer. Er wusste von Ray, dass man mit einen Messer Vampiren zwar Schaden konnte, aber kaum töten.
 

Dazu bräuchte er einen Holzpflock. Die einzige Möglichkeit mit den Messer wäre, ihr den Kopf abzutrennen und er bezweifelte, dass er dazu die Kraft hätte und mal ganz abgesehen davon, auch den Mumm. Aber da war noch etwas mit dem Messer. Er erinnerte sich nur nicht mehr daran. Verdammt, was war es noch gleich.

Doch ihm blieb keine Zeit mehr zum nachdenken, denn Sakura hatte keine Lust darauf zu warten, dass er eine Antwort fand und stürzte sich einfach auf ihn. Tyson hatte keine Ahnung, als das Messer schützend vor seinen Körper zu halten und Sakura, die den Sturz nicht mehr abbremsen konnte, rammte sich das Messer selbst in die Brust. Und da fiel es Tyson wieder ein. Mit einem Messer im Herz konnte man den Vampir lähmen. Aber leider war das Messer in die Mitte der Brust gegangen und nicht ins Herz. Er stürzte nach hinten und die Vampirin auf ihn.
 

Sie war außer sich vor Schmerzen. Mit ihren Krallen kratzte sie schmerzhaft über Tysons Brust. Es tat furchtbar weh, aber er ließ sich nicht ablenken. Er wusste, was er tun musste. Er holte mit dem Arm aus und verpasste ihr einen Faustschlag mitten an die Schläfe, davon war sie für einen Moment benommen, welchen er für sich nutzte. Mit den richtigen Schwung schaffte er es sie beide zu drehen, so dass er jetzt oben saß und sie unten. Sie schaute noch verdutzt, wegen des plötzlichen Wechsels, aber er wartete nicht darauf, dass sie wieder zum Angriff über ging. Er zog das Messer aus ihrer Brust, was ihn selber einiges an Überwindung kostete, denn sofort spritzte Blut aus der Wunde, aber ohne zu zögern, rammte er das Messer in ihre linke Brust.
 

Sie gab ein Ächzen von sich, aber dann lag sie mit weit aufgerissenen Augen leblos da. Tyson stieg von ihr runter und betrachtete voller Abscheu sein Werk. Sie war nicht tot, aber es sah so aus. Er wand den Blick sofort ab und schaute zur Tür. Der Weg in die Freiheit war noch lang und schwer, denn das gesamte Haus war vermutlich voller Vampire und er hatte jetzt keine Waffe mehr, denn wenn er das Messer aus der Brust zog, dann würde die Lähmung sofort aufhören. Er langte an seine Schulter aus der ein kleines Rinnsal Blut floss und schaute auf seinen Bauch, wo getrocknetes Blut klebte. Er musste hier raus und zwar sofort.
 

**^^**
 

„Einen Moment“, trat Rays Stimme wieder an Kais Kopfhörer und er hielt sofort an. Inzwischen waren sie schon im Gebiet mit den einst edlen Häusern angekommen und da hier die Häuser zu weit voneinander entfernt standen, waren er und Tala am Boden weiter gelaufen. Trotzdem waren sie kaum langsamer als Ray, der immer noch auf seinen Motorrad fuhr. Ray befand sich nur ein paar Meter weiter vorne, und Kai überwand die letzten Meter mit gemächlichen Schritten, damit sie sich nicht über das Headset unterhalten mussten.

„Legt er wieder eine Pause ein?“, fragte Tala, der ebenfalls neben Ray auftauchte und auf dessen Lenker schaute, auf welchen Ray das Ortungsgerät befestigt hatte.
 

Kai warf Tala einen Blick zu. Er war besorgt um seinen Freund, schließlich war er verletzt worden und hätte eigentlich noch ruhen sollen. Tala versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber er atmete schwerer als üblich und immer wieder wandelte seine Hand zu der Wunde, welche ihm zugefügt worden war. Kai hatte ihn nicht überreden können zurückzubleiben und er hoffte, dass Talas eiserner Wille ihn auch Kraft verlieh. Anderseits wusste er, dass Tala niemals mitgekommen wäre, wenn er das Gefühl hätte eine Last zu sein.

„So ein verdammter Mist“, fluchte Ray, nachdem er den Radius auf den Ortungsgerät erweitert hatte und der sich blinkende Punkt immer noch nicht zeigte.

„Haben wir ihn verloren?“, war Kais einfache Frage.

„Nein!“, meinte Ray entschlossen. „So schnell hätte er nicht außer Reichweite sein können, ich vermute viel eher, dass Brooklyn so schlau war, einen Störsender in ihrem Versteck anzubringen.“
 

Kai schnaufte schwer und wandte sich ab. Er wirkte zwar ruhig, doch in Wirklichkeit war er so frustriert, dass er am liebsten irgendwas kurz und klein geschlagen hätte.

„Ich hasse diese digitalisierten Vampire“, klagte Ray und nahm das Gerät in die Hand und betätigte ein paar Knöpfe. „Hier“, sagte er dann und zeigte das Gerät Kai und Tala, „in diesen Umkreis muss er sich aufhalten.“

Kai starrte ruhig auf das Gerät und zeigte dann auf ein besonders großes Viereck mit weiteren kleineren. „Was ist das?“

Ray schaute kurz auf das Gerät und überlegte dann. „Keine Ahnung“, erklärte er. „Ich kenne mich hier auch nicht aus. Vielleicht eine ganze Häusergruppe mit einem Haupthaus.“

„Da sollten wir suchen“, bestimmte Kai und rannte sofort los. Tala und Ray sahen sich kurz verwundert an und gingen ihm dann sofort hinterher.
 

Nach weiteren 10 Minuten kamen sie am angegebenen Ort an. Kai stand schon mit verschränktem Armen und griesgrämigem Blick da und Tala gesellte sich neben ihn, während Ray sein Motorrad hinter einen Busch versteckte. Dann sah er ebenfalls auf das Gebäude. Es war ein monströses Herrenhaus. Mindestens so groß wie 3 Fußballfelder und auch wenn das verrostete Tor schon im Wind knarrte, Efeuranken das gesamte Haus einnahmen und die Fenster teils mit Bretter verrammelt waren, wirkte es einfach nur majestätisch. Der Blick der drei richtete sich auf etwas, dass rechts neben dem Haus stand. Eine Kapelle. Dieses Haus hatte tatsächlich seine eigene kleine Kapelle. Wobei klein nicht das richtige Wort war. Kai hatte schon Orte mit kleineren Kirchen gesehen.

„Das passt zu Brooklyn“, meinte er ruhig. „Seine Untaten vor dem Herr persönlich zu verrichten. Er hatte schon immer einen makaberen Humor.“
 

Ray hatte inzwischen schon wieder sein Gerät herangezogen und studierte es genau.

„Zu diesen Anwesen gehört anscheinend noch ein Haus im hinteren Teil, den wir gerade nicht einsehen können.“

„Wahrscheinlich das Heim der Bediensteten“, meinte Tala und suchte das gesamte Gelände nach Indizien auf Vampire ab. „So ein riesen Haus versorgt sich schließlich nicht von selbst. Inzwischen durfte es wahrscheinlich als Vorratskammer dienen.“

„Wie sicher können wir sein, dass sie hier sind?“, fragte Ray und beobachtete, dass alles noch skeptisch.
 

„Hundert pro“, meinte Kai und starrte dabei auf eine Fläche im Vorgarten, wo das Gras verdorrt war.

Tala und Ray folgten seinen Blick und verstanden sofort. Wenn in der ganzen Stadt blutleere Leichen auftauchten, dann erregte das immer aufsehen, daher vergruben organisierte Vampirgruppen ihre Leichen. Verdorrtes Gras und aufgewühlte Erde waren ein Anzeichen dafür, dass hier Leichen lagen. Wenn die Familie die hier früher gewohnte hatte, nicht ein sehr, sehr dunkles Geheimnis hatte, dann waren sie hier goldrichtig.

„Das wird schwer, dass gesamte Haus zu durchsuchen ohne aufzufallen“, sagte er und blickte zur Kapelle. „Außerdem gibt es mehr als ein Gebäude, wo er sich aufhalten könnte.“
 

Kai dachte kurz nach. „Am besten übernehmen ich und Tala das Haupthaus. Dort werden die meisten Vampire sein und sie würden einen Menschen sofort riechen. Du Ray, gehst zu dem Haus auf der anderen Seite. Wahrscheinlich halten sie dort wirklich Menschen gefangen. Eventuell auch Tyson.“

„Ich würde dann vermuten, wir teilen uns in Ost- und Westflügel auf“, sagte Tala und zeigte zugleich auf das Gebäude.

„Geht klar“, sagte Ray und sofort verschwand er im Dickicht, welches um das Haus herum gewachsen war, um sich unbemerkt auf die andere Seite begeben zu können. Tala und Kai würden versuchen einen Hintereingang oder so zu finden, um unbemerkt ins Haus zu gelangen. Das wichtigste war unbemerkt zu bleiben. Wer weiß, wie groß die Gruppe war, aber mit allen könnten sie es sowieso nicht aufnehmen. Gerade als Tala los wollte, packte ihn Kai nochmal am Arm und hielt ihn zurück. Er sah ihn fest in die Augen.
 

„Geh kein Risiko ein. Solltest du Tyson finden. Nimm ihn und flieh!“

„Und was wenn du auf Brooklyn triffst?“, fragte Tala und sah Kai genauso fest in die Augen.

Kai antwortete allerdings nicht sondern ließ Talas Arm wieder los und begab sich auf Schleichweg auf die Ostseite des Hauses zu.
 

**^^**
 

Tala nahm sich die westliche Seite vor. Wenn die Gruppe so schlau war einen Störsender für Peilsender anzubringen, dann hatten sie eventuell auch Kameras im Garten installiert um auf ungebetenen Besuch vorbereitet zu sein. Tala suchte hinter dem Stamm einer großen Eiche Schutz und suchte den Garten ab. Es standen nicht viele Bäume darin und die wenigen die noch standen wirkten windschief und verdorrt. Dies hier war wirklich eine verlassene Gegend. Selbst die Hausfassade wirkte so, als würde sie mehr als nur einen Anstrich benötigen. Die Fassade bröckelte an den meisten Stellen schon und ganz nach dem Klischee, wuchsen überall Ranken am Haus empor. Um eine Kamera zu verstecken, wären die Ranken perfekt. Bei dem ganzen Gestrüpp würde sie nicht sofort auffallen. Tala aber war nicht irgendwer, sondern ein Vampir.
 

Seine Augen waren schärfer als die der anderen und in der Nacht konnte er fast besser sehen, als bei hellen Tageslicht. Er brauchte auch nicht lange um sie zu entdecken. Ungefähr im zweiten Stock war sie angebracht. Eine Kamera, die den Bereich in dem er stand im Auge behielt. Er beobachtete die Kamera um zu erkennen, ob sie sich hin und her schwenkte oder festmontiert war und nur in eine Richtung sah. Die Kamera schien starr auf das Haupttor gerichtet zu sein. Gut, so konnte er sich zur Westseite vorankämpfen und dort nach einen Eingang suchen, ohne von der Kamera entdeckt zu werden. Er schaute sich auch noch die Fenster an. Wenn sie nicht mit Brettern verrammelt waren, so waren sie mit schweren Brokatvorhängen zugegezogen. Es bestand zwar die Möglichkeit das der Garten trotzdem von ein paar Wachvampiren beobachtet wurde, aber solange er gedeckt blieb, so hoffte er, könnte er einigermaßen unbemerkt bleiben. Sein Blick wanderte nun zur Westseite, die sein Ziel war.
 

Leider konnte er die Seite des Hauses nicht perfekt einsehen. Trotzdem meinte er eine mit Steinen sanierte Veranda zu erkennen. Das war gut. Das hieß, dass dort ein Eingang sein müsste. Er ließ seinen Blick noch mal durch den Garten schweifen. Alles ruhig und die Kamera auf die andere Seite gerichtet. Tief atmete er noch einmal durch und dann schlich er los. Auch wenn die Bäume nur noch ein Haufen Brennholz waren und die Büsche kaum noch Blätter trugen, so kam Tala voran, indem er immer wieder hinter ihnen Schutz suchte. Schließlich erreichte er die Seite des Hauses und suchte gerade wieder hinter einen Busch Schutz, als er nun endlich die Seite des Hauses untersuchen konnte. Das Anwesen war wirklich gigantisch.
 

Mal abgesehen von der Terrasse, zog sich das Haus noch einige Meter weiter nach hinten und offenbarte einen weitläufigen Garten welcher sogar einen Tennisplatz beherbergte. Tala widerte es an, dass Menschen so ein Anwesen besaßen und es dann vermodern ließen. Als er noch ein Mensch war besaß er eine kleine Einzimmerwohnung, in der es immer zog und auf der Straße vor dem Haus gab es nichts außer ein paar Drogenabhängigen, die dort ihren Rausch ausschliefen. Ein bisschen grün oder eine Wohnung, die groß genug war, um sich darin umdrehen zu können ohne etwas umzuwerfen, war ein Traum gewesen.

Tala erkannte, dass die Veranda eine Glastür hatte, welche in den Innenbereich führte. Dort drinnen war alles stockdüster. Er versuchte durch das gespiegelte Glas zu sehen, um zu erkennen, ob sich jemand darin befand. Er erkannte Regale und ein paar Tische, aber weder sah er eine weitere Person, noch konnte er etwas hören. Es war ein Risiko, doch er musste es eingehen.
 

Er straffte sich und rannte zur Verandatür. Sie hatte ein Schloss um ungebetene Besucher fernzuhalten. Tala ging in die Hocke und langte nach seinen Dietrich. In Windeseile hatte er das alte Schloss geknackt und begab sich in das Innere des Gebäudes. Sofort kam ihm modriger Geruch entgegen. Er sah sich genauer um, wo er sich befand. Eine Bibliothek. Eine ganze Reihe von Regalen erstreckte sich über den nicht gerade kleinen Raum und gab den Blick frei auf alte lederne Bände, welche schön aufgereiht in ihren Regalen standen. Eine Wendeltreppe führte auf eine weitere Ebene mit nicht weniger Regalen. Tala ließ seinen Blick über die ledernen Bände gleiten und las ein paar der Titel. Darunter waren einige bekannte Werke. Eine Schande, eine solche Bibliothek dem Zerfall zu überlassen.
 

Er überlegte wie er weiter vorgehen sollte. Er konnte vom Glück reden, bisher noch niemanden begegnet zu sein. Wenn er so drüber nachdachte, wäre es ziemlich töricht einfach so aus dem Raum zu spazieren. Er dachte darüber nach, wie diese Häuser aufgebaut waren. Meist war das Untergeschoß das, wo sich Gäste und Besucher aufhielten, also mussten sich außerhalb der Bibliothek ein Speisesaal und ein Wohnbereich befinden. Die oberen Stockwerke waren meistens privat und enthielten einzelne Zimmer.

Tyson war für Brooklyn wichtig. Er würde ihn nicht bei einer größeren Meute Vampire verstecken, wo ihn jeder mordlüstern anstarrte. Es war eher wahrscheinlich, dass er ihn in einen der oberen Zimmer eingesperrt hatte. Wenn es dort mehrere kleine Zimmer gab, dann konnte sich Tala dort auch besser voranschleichen, wie wenn er durch große Säle gehen müsste. Im oberen Teil der Bibliothek meinte er auch, einen Ausgang zu entdecken. Gut, er würde gleich den oberen Bereich des Hauses absuchen.
 

„Gar nicht mal so dumm die Idee“, als Tala die Stimme hinter sich hörte, drehte er sich sofort um, aber er war nicht schnell genug. Er erkannte gerade noch silbernes Haar, bevor er am Hinterkopf gepackt und zur Seite geschleudert wurde. Er prallte gegen eines der Regale. Obwohl seine Wunden wieder schmerzten, fing er sich schnell wieder und knickte nicht ein, sondern stand sofort wieder aufrecht da. Garland stand ungefähr 3 Meter vor ihm und schaute ihn missbilligend an.

„Hausfriedensbruch“, sagte er tadelnd, „Tala, schäm dich.“

Tala spuckte aus und starrte den Kerl voller Hass an. Sofort kamen in ihm die Erinnerungen hoch, was dieser Mistkerl ihm angetan hatte.

„Wo ist Tyson?“, fragte er fordernd und stand angespannt da. Das er gleich zu Anfang auf Garland treffen musste. Das lief alles so gar nicht gut ab.

„Mal nachdenken“, meinte Garland und sah nachdenklich nach oben. Diese Arroganz kotzte Tala an. Garland war völlig entspannt. Der Kerl empfand ihn in keinster Weise als Bedrohung. „Ich sage es mal in deinen Worten. Du bekommst den Jungen nicht!“
 

Tala knurrte und versuchte unauffällig an sein Messer zu langen, welches an der Seite seines Gurtes und unter dem Mantel versteckt war.

„Brooklyn hat es dieses Mal zu weit getrieben“, sprach er mit bedrohlicher Stimme. „Kai wird ihn in Stücke reißen und den gesamten Laden hier abfackeln. Wenn euch irgendwas an eurem Dasein liegt, dann solltest du mir Tyson geben. Vielleicht ist er dann milder gestimmt.“

Tatsächlich meinte Tala in Garlands Gesicht so etwas wie ein Zucken gesehen zu haben. Hatte er womöglich einen wunden Punkt getroffen? Doch was auch immer es gewesen war, nun war es schon wieder vorbei. Tala ertastete sein Messer und hielt den Griff fest umklammert. Er wollte lieber nicht einfach drauf los preschen. Ein offener Kampf mit Garland war zu gefährlich.

„Ich glaube, es ist nicht nur Kai, der hier den Berserker spielen wird“, sagte Garland auf einmal mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht.
 

„Ja, ich bin auch mit der Gesamtsituation ziemlich unzufrieden“, sagte Tala und suchte mit den Augenwinkeln den Raum ab. Er musste dabei gleichzeitig seine Gedanken verschließen, was ihm hohe Konzentration abverlangte, aber was nützte es sonst einen Plan zu schmieden, wenn Garland ihn sofort erkennen konnte.

„Die Gesamtsituation betrifft nicht zufällig auch die Tatsache, dass Kai den Jungen für sich eingenommen hat?“

Tala wand seinen Blick sofort wieder an Garland und schaute ihn perplex an.

„Was willst du denn damit sagen?“, fragte er und erkannte an Garlands Grinsen, dass er ihm gerade in die Karten gespielt hatte. Verdammt, er durfte sich nicht zu lange mit diesem Kerl aufhalten, sondern musste einen Weg finden, um ihn irgendwie auszuschalten und weiter zu kommen.
 

„Es muss dich doch rasend machen, dass Kai das erhalten hat, was du insgeheim selber begehrst“, sagte Garland mit einschmeichelnder Stimme und schaute ihn dabei spitzbübisch an.

Zuerst starrte ihn Tala perplex an und dann fing er auf einmal an laut loszulachen. Er brauchte eine Weile bis er sich wieder beruhigt hatte.

„Deine Tricks waren schon mal besser“, sagte Tala und wischte sich eine Lachträne aus den Augen. „Ich und Tyson begehren?“

„Verleugne es ruhig“, meinte Garland und machte einen weiteren Schritt auf Tala zu, dieser umfasste sein Messer fester. „Aber glaubst du wirklich, du hättest jeden so selbstverständlich beschützt? Denkst du wirklich, jeder Mensch könnte dir ständig so nahe sein, oder bist du wirklich der Meinung, du hättest bei jeden so ein schlechtes Gewissen gehabt, weil du ihn gebissen hast.“
 

Tala wurde gerade klar, dass er seine innere Abwehr hatte schwächeln lassen, woher wüsste der Kerl sonst, dass er Tyson gebissen hatte. Er versuchte sie wieder aufzubauen, aber dieser Moment der Unvorsichtigkeit wurde sofort bestraft. Garland überwand in einen Augenaufschlag die Distanz zwischen ihnen und rammte ihm die Faust in den Magen. Tala ächzte und klappte zusammen, aber er war nicht gänzlich unvorbereitet gewesen. Sofort zog er seine Hand unter dem Mantel hervor und zog das Messer nach oben. Garland hatte zwar versucht auszuweichen, aber er war nicht schnell genug gewesen und Tala hatte ihn noch eine unschöne tiefe Schnittwunde auf der Brust verursachen können.

Garland stolperte zurück und fasste sich an die Brust.
 

Tala wollte die Chance nutzen um einen größeren Abstand zwischen sie beide zu bringen. Er sprintete los, aber weit kam er nicht. Er spürte augenblicklich wie ihn jemand ins Kreuz sprang und er wurde unsanft auf den Boden gestoßen. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei als seine Wunde sofort anfing zu Schmerzen. Augenblick spürte er auch wie sein Hemd durchweicht wurde. Die Wunde war wohl aufgegangen. Das schlimmste war aber, dass Garland ihn mit den Knien im Kreuz auf den Boden drückte und auch seinen Kopf unten hielt.

„Du bist verdammt frech“, schnaufte Garland und ein Tropfen Blut landete auf Talas Gesicht, welches aus Garlands Wunde floss.

„Wegen dem kleinen Kratzer“, fragte Tala und grinste dabei, „oder wegen der Bemerkung, dass deine Kräfte langsam vor die Hunde gehen.“
 

Garland lachte ein freudloses Lachen. „Willst du etwa immer noch bestreiten, dass du tiefere Gefühle für Tyson hegst?“

Tala sammelte alle Kraft, welche er aufbringen konnte und stemmte sich in einer plötzlichen Aktion auf. Garland, welcher auf ihn gesessen hatte, verlor das Gleichgewicht und mit einer blitzschnellen Drehung, rammte Tala ihn den Ellbogen ins Gesicht. Der Grauhaarige wurde von ihm runter geschleudert und gegen ein Regal geschmettert, wo ein Schwall Bücher auf ihn runter prasselte. Tala stand auf, und brachte schnell ein paar Meter Abstand zwischen sie beide, dabei behielt er den anderen aber immer im Auge, wobei dieser ihn voller Hass anstarrte.

„Tyson ist ein Freund“, sagte Tala voller Überzeugung. „Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Deine Kräfte scheinen abzunehmen, wenn du diesen Unterschied noch nicht einmal bemerkst.“

Er tastete an seine Wunde an der Brust. Es sickerte zwar etwas Blut daraus, aber es war nicht so schlimm wie er befürchtet hatte. Die Nähte hielten noch.
 

Garland richtete sich wieder zu voller Größe auf und starrte seinerseits verächtlich auf Tala. „Schon klar, dass einer wie du, es nicht einmal bemerkt, wenn sich jemand in dein Herz schleicht. Du weißt nur, was es heißt jemanden zu begehren und du verwechselst das mit der lieblichen Zuneigung, die du langsam zu Tyson entwickelt hast.“

Tala biss die Zähne zusammen. Es stimmte, er fühlte sich zu Tyson hingezogen, aber für ihn war das stets sexueller Natur gewesen. Schließlich hatten sie zwei Abende voller Leidenschaft miteinander verbracht.

„Dabei ist es nicht einmal so, dass du deine eigenen Gefühle nicht erkennst“, nun stahl sich ein bitterböses Lächeln auf Garlands Gesicht und Tala lief dabei ein Schaudern über den Rücken. „Du kannst dir einfach nicht vorstellen, dass jemand wie du, zu solch einer Liebe fähig ist. Bisher kanntest du nur die freundschaftliche Liebe, welche du für Kai empfunden hast, aber diese Art der Liebe, jemanden wahrlich zu lieben, ist für dich so unbekannt, dass du es einfach nicht verstehen kannst.“
 

Tala versuchte die Worte nicht an sich heran kommen zu lassen, aber dennoch trafen sie ihn wie Speerspitzen. Ja, er hatte Gefühle für Tyson und es war welche, die er noch nie zuvor für jemanden empfunden hatte, aber es war keine Liebe. Daran wollte er fest glauben.

„Aber vielleicht kannst du es einfach nicht akzeptieren, dass du so etwas für dieses unschuldige und liebe Menschlein empfindest“, sprach Garland weiter, aber Tala wünschte sich, er würde einfach die Klappe halten. „Er ist so anders als du. Sein Leben ist erfüllt von Freude und Menschen, die ihn lieben und das können selbst noch so schlimme Ereignisse nicht überschatten. Du währenddessen, hast ein Leben geführt, welches immer am Scheideweg zum Tod stand. Du fühlst dich selbst beschmutzt und weißt, dass dieses Gefühl nie weichen wird, weil du dein Leben so gelebt hast, wie du es im Grunde selbst gewählt hast. Das Gefühl immer weniger wert zu sein als andere, unwürdiger zu sein als andere, wirst du für immer in dir tragen und deshalb, wirst du nie akzeptieren können, dass du so etwas reines begehrst.“
 

Tala hatte seine Hände zu Fäusten geballt um das Zittern dieser zu unterdrücken.

„Und, willst du immer noch alles abstreiten?“, fragte Garland.

„Nein“, antwortete Tala leise, „ich will nur noch dieses Grinsen aus deinem Gesicht haben.“

Garland konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Tala plötzlich zu ihm aufschloss. Er wollte noch ausweichen, aber dieses Mal war Tala schneller als er. Ein gezielter Schlag, und durch die Geschwindigkeit, rammte Tala seine Faust in Garlands Brust und dessen Rippen gaben nach. Er spürte deren zersplittern und Garland krächzte als jegliche Luft aus ihm raus gepresst wurde. Aber damit war er noch nicht fertig. Bei seinen Sturz vorhin hatte er das Messer fallen lassen, aber im Moment wollte er ihn auch lieber mit seinen Fäusten bearbeiten, solch eine Wut verspürte er.
 

Sein nächster Schlag mit den Ellbogen traf genau die Stelle an der Schläfe, welche er auch schon vorhin bearbeitet hatte um Garland von sich runter zu schmeißen. Zuerst torkelte dieser zur Seite, doch schon richtete er sich wieder auf und seine rotglühenden Augen trafen auf Talas Augen, welche ebenfalls glühten. Weniger als eine Sekunde lang starrten sie sich so verhasst an, aber dann schwang sich Tala um die eigene Achse und mit einen gezielten Tritt in Garlands Seite, beförderte er diesen durch den gesamten Raum und schließlich durch die Glastür, welche auf die Veranda führte. Es folgte ein ohrenbetäubendes Klirren und der Vampir landete staubaufwirbelnd auf der Veranda. Tala sprintete ihm sofort hinterher, doch als sich der Staub legte, war Garland nicht mehr da. Er erschreckte kurz und sah sich schnell um. Er war nicht zu sehen. Tala ging ein paar Schritte zurück in die Bibliothek.
 

Der andere war verdammt schnell verschwunden und Tala vermutete, dass er gleich aus einer Ecke wieder angreifen würde. Noch dazu war der Lärm bestimmt zu hören gewesen, und es waren vermutlich andere auf dem Weg hierher um nachzusehen was los war. Tala schaute zur Empore. Dort befand sich eine Tür. Er entschied sich, nicht das Risiko einzugehen, sich auf einen weiteren Kampf mit Garland oder anderen einzulassen. Er musste weiter.

Das schlimmste, das du dir vorstellen kannst

Er wusch sich die Hände mit kaltem Wasser ab und versuchte jegliche Blutspuren davon zu befreien. Er verwendete mehrmals die Seife und hoffte, dass sie keinen zu starken Eigengeruch hätte, aber alles war besser als nach Blut zu riechen. Als er glaubte, selbst nicht mehr den metallenen Geruch wahrzunehmen, stellte er das Wasser ab und sah in den Spiegel.
 

Tyson hatte es geschafft sich unbemerkt in ein Badezimmer zu schleichen, welches nicht weit von dem Zimmer entfernt war, in welchen er sich befunden hatte. Bisher hatte er niemanden den Gang entlang gehen hören und hoffte, dass es auch weiterhin so blieb. Die Badezimmertür hatte er vorsichtshalber natürlich abgeschlossen, aber er glaubte nicht, dass es lange halten würde, wenn ein Vampir ernsthaft versuchen würde einzudringen. Er hatte am Bauch und an der Schulter Bisswunden, zwar nicht schwer, aber dennoch hatte daran Blut geklebt. Ray hatte ihn erzählt, dass Vampire Blut sehr gut riechen konnten, daher hatte er versucht die Wunden zu reinigen und zu versorgen. Zur Verfügung hatte er nur Wasser, Seife und Klopapier gehabt.
 

Er hoffte, dass dies helfen würde. Seine Wunde am Kopf, als Brooklyn ihn gegen die Tischkante geschlagen hatte, stellte sich nur als Beule heraus und auch ansonsten hatte er nur ein paar Prellungen und blaue Flecken. Sollte es zu einem Kampf kommen, hätte er denkbar schlechte Karten, aber er wollte lieber darauf vertrauen sich unbemerkt rauschleichen zu können. Nur um nicht entdeckt zu werden, unterdrückte er das höhnische Lachen über sich selbst. Er käme hier nie unbemerkt raus. Aber sich hier im Badezimmer zu verstecken war keine Lösung. Es war klein und schmutzig und er nahm doch stark an, Brooklyns Leute wären intelligent genug um ihn hier drin zu vermuten, wenn sie seine Flucht bemerkten. Er wäre wieder ganz schnell gefesselt und zum anknabbern bereit in dem Zimmer, aus welchen er gerade geflüchtet war.
 

Doch wenn es wirklich dazu kommen sollte, dass er um einen Kampf nicht herum käme, dann sollte er sich mit mehr bewaffnen können als Seife. Er sah sich im Badezimmer nochmal genau um. Seife, Handtücher, Klopapier, eine Flasche mit Rasierwasser. Das alles war in keinster Weise praktisch und würde ihm nicht gegen einen Vampir helfen. Er ließ den Kopf hängen und sah auf das Tropfen des Wasserhahnes, dann hätte er sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wasser, natürlich. Ray hatte ihm erklärt, wie man Wasser weihen konnte und auf Vampire wirkte dieses wie Säure. Er nahm sich die Flasche mit Rasierwasser und schraubte den Deckel ab, dann leerte er den Inhalt in den Abfluss und spülte es ein paarmal aus, bevor er es mit Wasser ganz auffüllte.
 

Zum Glück war es keine allzu kleine Flasche. Vielleicht war ja ein Vampir hier besonders eitel und kippte sich dieses Zeug täglich über das gesamte Gesicht. In dem Spiegelschränkchen suchte er nach weiteren nützlichen Sachen und fand ein paar Reste Jodsalz zum desinfizieren, er aber gab eine Prise dazu zum Weihwasser. Laut Ray verstärkte es den Effekt, da Salz auch etwas Reinigendes an sich hätte. Dann stellte er das volle Fläschchen vor sich hin. Er hatte leider keinen Rosenkranz oder etwas Ähnliches bei sich, also hoffte er, dass zwei zu einem Kreuz gelegten Finger, dies ersetzen konnten. Ray hatte ihm einen einfachen Psalmspruch beigebracht, den er über dem Wasser aussprechen musste um es zu weihen. Tyson wiederholte diesen dreimal, dann ließ er die Finger wieder sinken und sah auf das Fläschchen. Für ihn sah es noch genauso aus, wie vorher. Nur ein Praxistest könnte ihn Sicherheit bringen, aber er würde gerne darauf verzichten.
 

Er schraubte den Deckel wieder auf das Fläschchen und sah sich ein letztes Mal im Raum um. Hier gab es wirklich nichts mehr, was er verwenden könnte. Er atmete noch einmal tief durch und öffnete langsam die Tür zum Flur. Er zuckte zusammen als sie ein wenig knarrte, aber als er nach links und rechts schielte, konnte er niemanden entdecken, wer auf das Geräusch aufmerksam werden würde. Er trat aus dem Raum heraus und schloss die Türe wieder hinter sich. Nach links und rechts erstreckten sich lange Gänge, die irgendwann um die Ecke bogen. Keine Treppe in Sicht. Er konnte sich leider nicht mehr erinnern, wie der Vampir gelaufen war, der ihn hierher gebracht hatte. Er wusste nur noch, dass dieser irgendwann eine Treppe hochgegangen war. Er horchte, ob er von irgendwo was hörte, aber es war still. Kurz noch unentschlossen, entschied er sich schließlich nach rechts zu gehen. Egal wohin, zumindest er stand nicht mehr da und wartete auf ein paar mordlüsterne Vampire.
 

**^^**
 

Kai hatte inzwischen auch seinen Weg ins Gebäude gefunden. Auf der Seite, welche er genommen hatte, war der Liefereingang zur Küche gewesen. Draußen standen nur Mülltonnen und von innen hatte er Stimmen gehört. Durch ein Fenster konnte er sehen, wie zwei Vampire sich unterhielten, während sie aus Tassen Blut tranken. Woran Kai erkannte, dass es Blut war, welches sie zu sich nahmen. Nun, auf dem Tisch, wo normalerweise das Essen zubereitet wurde, lag eine menschliche Leiche mit aufgeschlitzten Pulsadern. Ein Mann mittleren Alters, welcher nicht einmal so aussah, als würde er aus ärmlichen Verhältnissen kommen. Brooklyn scherte sich nicht darum, wem er brauchte um seine Meute bei Laune zu halten. Während andere Gruppen versuchten arme, einsame Leute zu töten, damit ihr Verschwinden nicht auffiel, griffen sich Brooklyns Leute einfach den, der gerade da war. Diese Arroganz kotzte Kai an. Es schien als hätten sie keinerlei Angst, von ihnen entdeckt zu werden.
 

Er musterte die zwei, welche in der Küche standen. Die Kerle sagten ihm nichts, also gehörten sie nicht zu Brooklyns bekannten Verbündeten. Eventuell waren es noch junge Vampire, also kein Problem für ihn. Sie standen ein wenig abgewandt von der Tür zum Hof. Er könnte sich rein schleichen und den ersten erledigen, ohne das sie was merkten.

Er öffnete sachte die Tür und schlich sie geduckt in die Küche. Nun im Raum, konnte er auch die Unterhaltung der beiden hören.

„Hach, ich liebe zwar frisches Blut, noch leicht warm, aber von so einem älteren Kerl“, beklagte sich der Erste und sah enttäuscht auf seine Tasse.
 

„Stell dich nicht so an, ich hatte letztens nur ein paar Blutkonserven aus dem Kühlschrank“, meinte der Zweite und nahm genussvoll einen weiteren Schluck. „Nur die Älteren dürfen sich ihre Beute aussuchen. Die schaffen es aber auch, jemanden den letzten Tropfen auszusaugen, ohne das die Person auch nur einen Fiep von sich geben kann.“

„Das würde mir auch gelingen, wenn ich ein bisschen üben dürfte“, sagte wieder der erste voller Selbstvertrauen. „Was ist mit dem Jungen den Yuriy mitgebracht hat? Der sah lecker aus und er soll sehr energisch sein. An dem könnte ich sicherlich gut üben.“
 

Dies waren die letzten Worte, die dieser Vampir von sich gegeben hatte, denn im nächsten Moment zerfiel er zu Staub. Sein Kumpel erblickte für einen Augenblick Kai, der mit einem Holzpflock hinter der Staubwolke auftauchte, bevor er auch diesen den Pflock ins Herz rammte und er ebenfalls zu Staub zerfiel.

Kai sah auf die beiden Häufchen herab. Sein Atem ging schwer, aber nicht wegen seiner Aktion gerade, sondern weil er versuchte, all seine Wut unter Kontrolle zu halten. Für ihn stand es außer Zweifel, dass sie über Tyson gesprochen hatten. Seinen Tyson.
 

Wie konnten sie es nur wagen über ihn zu reden, wie über eine Dummypuppe an der man Wiederbelebung übte. Seit Tala schwer verletzt zu Hause aufgetaucht war, staute sich in Kai Wut und Hass an. Er hasste Brooklyn aus dem tiefsten seiner unverwundeten Seele. Er hatte Tala gequält, er hatte ihn misshandelt und fast getötet und jetzt wollte er Tyson, seiner ersten Liebe, etwas noch schlimmeres antun. Er hatte alles versucht um Tyson zu schützen, aber es hatte nichts gebracht. Er könnte sagen, es läge daran, dass Tyson nicht auf ihn gehört hatte und arbeiten gegangen war, aber das war nicht wahr. Selbst wenn er Tyson im Haus eingesperrt hätte, so hätte Brooklyn einen Weg gefunden, ihn an sich zu reißen. Talas Entführung durch Garland war ja ein solcher Versuch gewesen, aber dieser war gescheitert.
 

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen hatte er seinen Liebsten nun in seiner Gewalt, aber lange würde das nicht mehr andauern. Tyson war Kais Engel. Seit er ihn kannte, war sein Leben, oder das was man Leben nennen konnte, um einiges heller geworden. Tyson brachte ihn dazu, aus sich rauszukommen und zum ersten Mal sein Überleben als etwas Nützliches zu sehen. Denn wenn er ein Mensch wäre, dann wäre er schon lange Tod und hätte Tyson niemals kennen lernen können. Kai glaubte, vieles ertragen zu können, aber Tyson zu verlieren… dies war die eine Sache, die er niemals überstehen würde. Er ging mit leisen Schritten auf die Türe zu, welche zu den weiteren Räumen des Hauses führte. Er würde sich schnell und leise voran kämpfen, um endlich wieder Tyson in seinen Armen zu halten.
 

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Tyson ging mit vorsichtigen und leisen Schritten voran. Am liebsten wäre er einfach weggerannt von diesen Ort, aber die Gefahr entdeckt und wieder eingesperrt zu werden, war zu groß und so kam er lieber langsam aber sicher voran. Bisher hatte er nichts gehört von sich nährenden Vampiren. Er hatte aber auch sonst nicht viel mitbekommen. Er wunderte sich selbst ein wenig darüber. Anderseits konnte er sich auch denken, dass Brooklyn ihn nicht einfach einem Haufen blutrünstiger Vampire aussetzen würde. Wer weiß wie gut diese Bestien sich unter Kontrolle hatten. Eventuell hatte er ihn mit Absicht in einen Teil des Hauses untergebracht, wo eher weniger Aktivitäten vor sich gingen um zu verhindern, dass jemand ihm im Blutrausch einfach aussagen würde. Er wiederholte in seinen Kopf immer wieder das, was Ray ihm beigebracht hatte und dazu gehörte auch, dass junge Vampire sich immer schlechter unter Kontrolle hatten mit ihren Blutrausch. Anfangs brauchten sie auch mehr Blut. Es würde Jahre dauern, bis sie sich soweit unter Kontrolle hatten und so erfahren waren, dass auch schon ein wenig Blut ausreichte um über Tage hinweg zu kommen.
 

Das Fläschchen mit dem Weihwasser hielt Tyson in seiner Hand bereit. Bei dem leisesten Anzeichen, dass sich jemand näherte, könnte er blitzschnell den Deckel auf schnippen und dem nächstbesten eine volle Portion Weihwasser ins Gesicht spritzen. Töten würde dies zwar keinen Vampir, aber es gebe ihm genug Zeit zum wegrennen. Genug Zeit zum entkommen würde es ihm wahrscheinlich nicht geben und was wäre wenn ihm mehrere angreifen würden. Dies alles waren Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, während er auf das Ende des Ganges zuging. Am Ende davon machte dieser einen Knick nach rechts. Er ging schon ein paar Minuten im Haus herum und dessen Größe überraschte ihn. War dies womöglich mal ein Hotel gewesen? Dies würde zumindest die langen Gänge und die vielen Zimmer erklären. Allerdings gab es keine Erklärung warum alles so verwahrlost war. Er hoffte inständig, dass das Haus aufgegeben worden war und nicht erst vor kurzen von Brooklyn ausgemerzt worden ist.
 

Er gelangte an das Ende des Ganges und drückte sich an die Wand. Bevor er einfach um die Ecke biegen würde, sollte er vielleicht mal einen kurzen Blick riskieren, was dahinter lag. Einfach so in der Gegend herumzulaufen, war doch sehr gefährlich. Er atmete noch einmal tief durch, als er langsam um die Ecke schielte. Er erhaschte nur für den Bruchteil einer Sekunden einen Blick auf einen ebenso langen Gang mit vielen Zimmern, als es schon vor ihm schwarz wurde. Jemand war vor ihm erschienen und dieser jemand packte ihn am Kragen, warf ihn herum und gegen die nächste Wand. Die Wucht mit der sein Körper gegen die Wand geworfen wurde war schmerzhaft und beinahe hätte er sein wertvolles Weihwassre fallen lassen, aber sofort biss er die Zähne zusammen und noch mit zusammengekniffen Augen wollte er schon das Fläschchen öffnen und den Inhalt seinen Gegenüber ins Gesicht schütten.
 

„Tyson!“ Die vertraute Stimme ließ ihn in seiner Bewegung inne halten und aufblicken. Vor ihm offenbarten sich ihm eisblaue Augen und rote Haare.

„Tala?“, flüsterte Tyson erschrocken.

Der rothaarige schloss ihn sofort in die Arme und Tyson blieb immer noch bewegungslos.

„Du lebst!“, sagte Tala erleichtert und ließ Tyson wieder los und drückte ihn jetzt etwas von sich weg, dabei musterte er ihn von oben bis unten. „Und anscheinend auch nicht allzu schwer verletzt. Ein Glück.“ Er drückte ihn wieder an sich und Tyson musste stark mit seinen Tränen kämpfen. Tala war hier. Dann bestimmt auch Kai. Sie hatten ihn gefunden, um ihn zu retten. Doch bevor Tyson sich völlig entspannen konnte in seiner Freude, fiel ihm wieder etwas ein und er drückte Tala weg von sich.
 

„Was ist mit deinen Wunden?“, fragte er Tala und schaute auf dessen Brust. Das letzte was er gesehen hatte war, dass Talas Gegner ihm einen Dolch in die Brust gerammt hatte. Und tatsächlich zeichneten sich auf Talas Hemd Blutflecken ab.

„Das ist nicht schlimm“, sagte Tala streng und verdeckte mit seiner Hand das Blut. „Wir müssen dich hier augenblicklich raus bringen, erst dann können wir unsere Wunden lecken.“

Tyson war hin und her gerissen zwischen seinem Wunsch von hier zu verschwinden und der Sorge um Tala. Dieser wirkte nämlich allgemein abgehetzt und Tyson vermutete, dass dieser im Gegensatz zu ihm schon ein paar von den Hausbewohnern begegnet war.
 

„Ich musste mich vorhin schon gegen Garland verteidigen und dieser konnte leider entkommen“, berichtete er schnell. „Wenn er rumerzählt, dass wir hier sind, haben wir bald den gesamten Clan auf den Fersen. Wir sollten verschwinden bevor-“

„Schon zu spät“, kam eine schnarrende Stimme aus dem Dunkel. Tala drehte sich sofort um und positionierte sich vor Tyson. Dieser umklammerte wieder sein Fläschchen und versuchte im Dunkeln etwas zu erkennen. Dann kamen vier Gestalten daraus hervor, eine davon war eine Frau.

„Ach, unser Ehrengast scheint sich auch schon rumzutreiben“, sagte der Vorderste mit einer arroganten Stimme und Tyson versuchte wieder nicht allzu ängstlich auszusehen.

„Lauf weg“, zischte ihm Tala zu, aber Tyson stand wie gelähmt da und konnte den Blick nicht von vier Vampiren abwenden. Er konnte Tala doch nicht mit ihnen allein lassen.
 

„Und schön auch dich zu sehen, Tala“, sagte der weibliche Vampir. „Der Boss hat uns versprochen, dass du unser Spielzeug werden darfst.“

Tala knurrte und zückte einen Dolch. „Lauf weg!“, sagte er jetzt lauter zu Tyson und packte ihn dabei an der Hand und schleuderte ihn in den leeren Gang, den Tyson gerade entlang gegangen war. Tyson musste aufpassen, dass er nicht fiel und als er sich wieder gefangen hatte, sah er wie der erste Vampir schon auf Tala zusprang. Tala ließ sich aber nicht umwerfen und stemmte sich ihm entgegen. Ein anderer kam um die Ecke und wollte Richtung Tyson stürmen, aber Tala packte ihn am Kragen und warf ihm auf den ersteren.
 

„Lauf!“, schrie ihm Tala entgegen und dieses Mal verstand Tyson, dass sein Weglaufen nicht bedeutete, dass er sich feige vor dem Kampf drückte, sondern dass er Tala nicht im Weg stehen und Sorgen machen sollte.

Mit viel Kraft wandte er den Blick von der Kampfszene ab und rannte mit dem was er noch an Kraft hatte. Die Kampfgeräusche hinter ihm wurden leiser, aber sein Atem wurde lauter. Es war eine lange Nacht gewesen und er hatte schon ein paar Wunden einzustecken gehabt. Bei jedem schweren Atemzug den er tat, hatte er das Gefühl, seine Lungen würden mit Nadeln durchbohrt werden. Irgendwann waren die Kampfgeräusche verstummt, aber er hörte Schritte hinter sich. Er traute sich gar nicht zurückzusehen, weil er sich bereits denken konnte, dass einer von den Vampiren sich an Tala vorbeigeschlichen hatte um ihn hinter herzujagen. Er erlaubte sich nicht, auf seine Schmerzen zu achten, er rannte einfach immer weiter.
 

Es ging mal links weg und dann wieder rechts. Die Szenerie veränderte sich und die Zimmer wurden weniger und die Gänge weniger elegant. Schließlich kam er aus dem Gang heraus und befand sich augenblicklich auf einer Empore. Eine große imposante Treppe führte in einen Raum mit hohen Decken und einem Kronleuchter als Mittelpunkt. Tyson vermutete den Eingangsbereich und sein Blick fiel sofort auf die große Tür, welche hoffentlich in die Freiheit führte. Er sprintete die ersten Stufen der Treppe hinab, aber schon auf den ersten Absatz, spürte er plötzlich wie ihm jemand ins Kreuz sprang. Tyson fiel die restlichen Stufen hinab und kam am Boden auf, er spürte wie seine Rippen furchtbar gestaucht wurden und jemand seinen Kopf auf den Boden drückte, so dass er nicht aufstehen konnte.

„Ende des Ausflugs“, sagte eine ihm unbekannte Stimme über ihn.
 

Tyson umklammerte sein Fläschchen, welches den Sturz unbeschadet überstanden hatte. Mit dem Daumen schnippte er den Verschluss auf und schüttete blind etwas des Inhalts dahin, wo er seinen Angreifer vermutete. Sofort ertönte ein Schmerzenslaut und der Vampir ließ von ihm ab. Tyson setzte sich sofort auf und sah, wie sein Angreifer zurücktaumelte und sich dabei die eine Seite seines Gesichts hielt. Doch im nächsten Moment nahm er die Hand wieder davon weg und enthüllte schlimme Verätzungen auf seiner linken Gesichtshälfte, die den Großteil seiner Haut weggeätzt hatten und das Fleisch darunter enthüllten.

„Du…“, der andere wollte gerade wieder auf ihn zustürmen als neben Tyson ein Schatten vorbeisprang und sich auf den Vampir stürzte. Sofort erkannte Tyson den lilafarbenen Umhang und die schwarz-grauen Haare.
 

„Kai!“, schrie er, als sich sein Geliebter auf dem Vampir stürzte und diesen zu Boden riss. Der andere schmiss aber Kai gleich wieder von sich herunter. Kai fiel ein paar Schritte zurück und der andere wollte sich schon auf ihn stürzen als Kai schnell ein langes Messer aus seinen Gürtel zog. Als sein Angreifer nah genug war, verpasste Kai diesen einen Schlag genau auf die Brust. Der andere röchelte und unterbrach seinen Angriff und Kai packte ihn am Kragen und schleuderte ihn mit immenser Kraft auf den Boden, dabei zerbarsten sogar die Steinfließen. Kai holte mit den Messer aus und Tyson drückte die Augen zu und wandte sich ab. Ein letzter kurzer Schmerzenslaut kam von dem Vampir und dann war es ruhig. Zitternd wand sich Tyson wieder der Szenerie zu und öffnete die Augen. Von dem Vampir war nur noch staub übrig und Kais Messer befand sich da, wo eben noch der Hals des Vampires gewesen war. Kai stellte sich wieder aufrecht hin und sah zu Tyson.
 

Diesen ging soeben einiges durch den Kopf, aber wie von selbst bewegte er sich auf Kai zu und dieser zu ihm und schon befand er sich in einer starken Umarmung und die Tränen, welche er vorhin vor Tala noch hatten aufhalten können, bahnten sich nun ihren Weg und er schluchzte in Kais Brust.

„En… endlich bist du da“, schluchzte Tyson und klammerte sich dabei an die Brust seines Liebsten, während die Tränen nur so flossen. Er wusste, er könnte auch etwas Netteres sagen, aber das war das einzige was ihm einfiel. Er hatte Angst und Furcht durchgestanden und Kai war nun endlich gekommen.

„Sorry“, kam es von Kai, „ich kam so schnell ich konnte.“

Kai drückte Tyson fest an sich. Es tat schon fast weh, aber das war Tyson egal. Der Geruch seines Liebsten, diese starken Arme die ihn hielten. Nun fühlte er sich wirklich sicher.
 

„Das ist wirklich herzzerreißend.“

Tyson versteifte sich augenblicklich in Kais Armen und dieser hielt ihn nur fester. Tyson konnte nur Kais Brust sehen, aber die Stimme hörte sich sehr nahe an und er hatte sie auch sofort zuordnen können.

„Schön dass du es einrichten konntest, Kai“, kam es bittersüß von Brooklyn.

Tyson wand sich etwas aus Kais Umarmung um hinter sich sehen zu können. Brooklyn stand am unteren Ende der Treppe und lehnte am Geländer.

„Es war aber nicht geplant, dass dir dein Kleiner gleich in die Arme läuft.“

„War ja klar, dass du damit gerechnet hast, dass ich hier auftauche“, kam es knurrend von Kai und versuchte weiterhin Tyson an sich zu pressen, aber dieser wand sich endgültig aus seiner Umarmung und stellte sich neben ihn. Er wollte nicht das verängstigte Häschen spielen.
 

„Es war nicht wirklich geplant“, gab Brooklyn zu und machte eine ausladende Geste mit der Hand, „aber ich kenne dich gut genug um es zu erahnen. Außerdem hattest du einen meiner Leute gefangen genommen.“ Brooklyn schüttelte den Kopf. „Mikhail ist wirklich nicht der hellste, sonst hätte er sofort bemerkt, dass seine Flucht zu einfach war.“

„Ich lasse dir noch eine Chance, Brooklyn“, sagte Kai und in seiner Stimme schwang eine Art von Wut mit, die Tyson schaudern ließ. Er legte Kai seine Hand auf die Arme um ihn zu beruhigen. „Du lässt uns alle gehen, verschwindest von hier und dafür lass ich dich leben.“

Tyson war mehr als verwundert. Natürlich wollte er nicht mit ansehen wie Kai hier ein Blutbad anrichtete, aber andererseits fragte er sich, warum er es in Erwägung zog Brooklyn und seinen gesamten Clan ziehen zu lassen. Wiedersprach das nicht seinen Auftrag als Vampirjäger. In Tyson machte sich aber auf einmal Erkenntnis breit. Er erinnerte sich an alles, was ihn Tala, Ray und Garland erzählt hatten. Er sah zu Kais Gesicht und dann wieder zu Brooklyn. Es war, als könnte er endlich erkennen, was sich zwischen ihnen abspielte.
 

„Nein!“, kam die einfache Antwort von Brooklyn und seine Miene blieb unbewegt. Über sich hörten sie Schritte und als Tyson den Blick vom Orangehaarigen abwandte, erkannte er gut ein Dutzend weiterer Vampire, die von oben auf sie herab lauerten.

Kai packte Tyson an der Hand und zerrte ihn ein paar Schritte rückwärts.

„Es sind zu viele, Kai“, säuselte Brooklyn. „Du wirst nicht weit kommen.“

Die Augen des Vampirjägers huschten über die verschiedenen Vampire. Auch der Vampir der Tyson hergebracht hatte war darunter. Er konnte sich denken, dass dies alles Vampire einer höheren Klasse waren, welche auch für Kai nicht einfach zu besiegen waren. Vor allen nicht, wenn er auch noch Tyson beschützen musste. Tyson schaute auf sein Fläschchen, welches er immer noch umklammert hielt. Er klappte den Verschluss zu und umfasste es fester. Es war noch etwas mehr als die Hälfte darin, er würde es bestimmt noch brauchen und durfte keinen Tropfen verschwenden. Allerdings kam er sich mit seinen Fläschchen Weihwasser etwas albern vor, wenn er inzwischen schon 15 Vampire zählen konnte.
 

Kai machte noch einen Schritt rückwärts und Brooklyns Mund verzog sich zu einem bösartigen Grinsen.

„Schnappt sie euch!“

Mit diesen Worten, sprangen die Vampire, die auf der Empore standen, herunter. Kai schien nur eine Zehntelsekunde zu brauchen um sich zu entscheiden. Er drehte sich auf den Absatz um und rannte mit Tyson Richtung Ausgang. Sie nährten sich der Tür, aber kurz davor sprang ihnen ein Vampir in den Weg und tadelte sie mit ausgestrecktem Zeigefinger. Kai knurrte, schlug eine Harke und sprintete auf eine weitere Türe zu, welche Tyson bisher nicht bemerkt hatte. Tyson sah hinter sich und erkannte die Meute, die auf sie zustürmte, doch bevor einer in ihre Nähe kommen konnte, stieß Kai die Tür auf, sie rannten hindurch und gleich darauf verschloss Kai die Türe wieder und stemmte sich dagegen. Tyson starrte erschreckt auf die Türe, welche von der anderen Seite attackiert wurde. Kai hatte Probleme sie zuzuhalten und durch die harten Schläge dagegen, bröckelte sogar Putz von den Wänden. Sie waren in einen großen Raum gelandet mit einem riesigen Tisch in der Mitte. Der Speiseraum, wie sich Tyson denken konnte, außerdem schien dieser Raum auch noch in Benutzung. Er war nicht ganz so staubig wie der Rest des Gebäudes und auf den Tisch standen vereinzelt Teller und Gläser.
 

„Wenn du durch die Tür dort hinten läufst gelangst du durch die Küche nach draußen“, erklärte Kai, während er sich mit aller Macht gegen die Tür drückte. „Sobald du draußen bist, suchst du dir ein Versteck.“

„Ich soll dich hier zurücklassen?“, protestierte Tyson und funkelte Kai an. Er wusste selbst, dass er keine große Hilfe sein konnte, aber abhauen?

„Du bist mir nur im Weg“, sagte Kai streng und zwischen der Tür und den Rahmen tat sich beim nächsten Schlag ein Riss auf. Kai langte unter seinen Mantel und holte einen Revolver hervor. Gerade als sich eine Hand durch den Spalt streckte, zielte Kai durch den Spalt und drückte ab. Es war ein lauter Knall zu hören und gleich darauf ein schmerzhaftes Aufschreien, die Hand zog sich zurück.

„Ohne Kampf kommen wir hier nicht weg“, erklärte Kai gehetzt und jetzt sah er Tyson tief in die Augen. „Ich kann aber nicht kämpfen, wenn ich mir Sorgen um dich machen muss. Geh dich irgendwo verstecken. Versuch nicht vor ihnen wegzulaufen, sie würden dich sofort kriegen.“
 

Tyson haderte noch einen Moment, dann ging er auf Kai zu, schlang seine Arme um dessen Hals und gab ihm einen Kuss.

„Wehe du schaffst es nicht zurück.“ Damit löste sich Tyson wieder von Kai und rannte auf die andere Seite des Raumes. Als er die Tür auf der anderen Seite erreichte, wollte er sich noch einmal umdrehen, aber er unterdrückte den Impuls und ging durch die Tür. Gleich als er durch war schloss er auch diese wieder hinter sich. Er drückte die Augen zu und ballte die Fäuste. Feige wegrennen! Das war ganz sicher nicht seine Art, aber Kai hatte recht. Er war hier nutzlos. Tyson schwor sich in diesen Moment etwas. Wenn er hier lebend rauskam, dann würde er Tala, Ray und Kai dazu bringen, ihn mehr über das Vampirjagen beizubringen. Nie wieder wollte er wegrennen müssen um nicht im Weg zu sein.
 

Er öffnete wieder die Augen und sah zum ersten Mal die Küche, in welcher er jetzt stand klar. Geschockt hielt er sich die Hand vor den Mund. Auf der Arbeitsplatte in der Mitte des Raums lag eine Leiche. Tyson unterdrückte den Würgereiz und rannte schnell zum anderen Ausgang um aus dieser furchtbaren Küche zu entkommen. Er ging durch die Tür und befand sich sofort im Freien. Kühle Nachtluft schlug ihm entgegen und über sich konnte er die Sterne sehen. Er hatte keine Ahnung wie spät es war, aber es schien noch mitten in der Nacht zu sein. Er sah sich in der Gegend um. Etwas weiter weg von ihm erstreckte sich ein Wald. Kai hatte ihm gesagt, er solle sich schnell verstecken, aber er fragte sich, ob ihn der Wald genug Schutz bieten würde, oder ob er sich darin verirrte. Dann, nicht allzu weit entfernt, sah er ein weiteres Haus stehen, aber als er sich dem mehr zuwandte erkannte er, dass es kein Haus, sondern eine Kapelle war. Dieser Ort strahlte für Tyson sofort Sicherheit aus und geschwind ging er darauf zu.
 

Er erreichte das Tor und stellte mit aufkeimender Hoffnung fest, dass es nicht verschlossen war. Sofort ging er rein und schloss das Tor hinter sich. Er hatte es leise getan, damit auch niemand in der Nähe hören konnte, dass er hier drin war. Er ging sofort weiter in den Raum. Kapelle war vielleicht nicht der richtige Ausdruck für das Gebäude. Von außen hatte es klein gewirkt, doch er merkte, dass sich das Gebäude ziemlich in die Länge streckte. Es standen keine Bänke mehr darin und somit wirkte der Raum gleich noch größer. Zu beiden Seiten waren große dicke Säulen und am Ende konnte man den Altar erkennen, welcher vor einem wunderschönen Buntglasfenster stand.

Tyson war noch ganz fasziniert von diesen schönen verlassen Ort, so dass er nicht merkte, wie sich jemand von hinten an ihn ran schlich. Doch auf einmal wurden seine Hände gepackt und auf seinen Rücken verschränkt. Er holte erschrocken Luft und wollte sich aus dem Griff winden, aber er war zu fest, beim Versuch hinter sich zu sehen, erkannte er nur oranges Haar.
 

„Ein schöner Ort, nicht wahr?“, sprach Brooklyn Tyson ins Ohr. „Mag sein, dass ich an einen solchen Ort nicht willkommen bin, aber das stört mich nicht und Menschen sind so vorhersehbar. Ihr wandet euch schon immer an Gott, wenn ihr Schutz suchtet.“

Tyson kämpfte weiter gegen Brooklyn an, aber er kam nicht frei. Er hielt die Flasche mit dem Wasser immer noch in der Hand, doch Brooklyns Griff war so fest, dass seine Hand sich lockerte und die Flasche zu Boden fiel. Er hörte, wie sie dort aufkam, aber sie zerschellte nicht.

Er überlegte sich, wie er aus dieser Situation entkommen konnte, als er hörte wie das Tor aufgestoßen wurde. Herein kamen einige Vampire und immer zwei von ihnen hielten Tala, Ray und Kai fest. Sie waren alle gefangen. Tala und Ray sahen ziemlich zugerichtet aus, Kai hingegen wehrte sich noch heftig gegen seine Angreifer, so dass ein dritter herbeikam um ihn zu bändigen.
 

„Diesen hier haben wir erwischt wie er unseren Vorrat hat entkommen lassen“, sagte einer der Vampire, der Ray hielt und verpasste ihn einen Schlag in die Magengegend, weil er sich ebenfalls gegen seine Wachen wehrte.

„Dann haben wir ja alle beieinander“, sagte Brooklyn und Tyson war immer noch beschäftigt diesen Schock zu verarbeiten, aber gleichzeitig machte sich in ihn eine Frage breit. Was hatte Brooklyn jetzt vor? „Unser Hauptdarsteller, gibt uns ja schon seit längerem die Ehre.“ Bei diesen Worte strich der Obervampir über Tysons Wange und dieser versuchte den Fingern zu entkommen, aber er konnte sich in Brooklyns Griff kaum bewegen.

„Fass ihn nicht an“, hörte er Kais verzweifelten Aufschrei.
 

„Sag Kai, was ist das Schlimmste was du dir vorstellen kannst?“

Tyson, der bei Brooklyns Berührung die Augen zusammengekniffenen hatte, öffnete sie wieder und sah zu den anderen. Kai sah verblüfft aus, während sich Tala gegen seine Wachen wehrte und Ray nur böse jeden einzelnen anfunkelte.

„Du liebst diesen Jungen vom ganzen Herzen. Er ist weder ein Vampir, noch ein Jäger und auch keine solche dreckige Hure wie Tala.“ Tala knurrte und wehrte sich heftiger gegen seine Wachen, aber es half nichts. Womöglich lag es an seiner Verletzung und welchen, die er noch zusätzlich davon getragen hatte. Brooklyn sprach unbeirrt weiter. „Für dich ist er ein perfektes Abbild von Reinheit, Unschuld und blühenden Leben. Von seinen eigenwilligen Verhalten will ich erst gar nicht anfangen. Aber was, wenn ich ihm all das nehme.“
 

Tyson fing an zu zittern. Die Worte die Brooklyn sprach und die Art und Weise wie er es sagte, waren wie Messer, die sich in sein Herz bohrten. Er fühlte sich ihm hilflos ausgeliefert und die Ausweglosigkeit der Situation wurde ihn mit jeder Sekunde mehr bewusst.

„Was, wenn ich ihm die Seele raube?!“

Sein Herz setzte für einen Schlag aus und die Situation schien für ihn auf einmal unwirklich. Er sah die geschockten Gesichter seiner Freunde und er spürte, wie sich Brooklyn zu ihm runter beugte und über seine Halsbeugte leckte.

„Was, wenn ich ihn zu einen meiner Gefolgsleute mache und sein erster Auftrag lautet, euch zu töten?“

Das einzig Gute

Die Worte sorgten für Stille unter allen Anwesenden. Nicht nur die Freunde waren geschockt, selbst Brooklyns Anhänger schienen voller Ehrfurcht die Worte ihre Meisters aufzunehmen. Selbst Tysons Gegenwehr hatte aufgehört. Nur langsam drang zu ihm durch was Brooklyns Worte bedeuteten. Und natürlich stieg in ihn auch die Frage hoch, ob das auch wirklich passieren könnte.

„Das ist doch Wahnsinn“, durchdrang Rays Stimme die Stille. „Das ein Vampir jeden Befehl seines Schöpfer ausführen muss ist ein Mythos. Selbst wenn du ihn verwandelst, ist er dir nicht zu blinden Gehorsam verpflichtet. Und er hat keinerlei Grund uns zu töten.“
 

Tala und Kai stimmten sofort ein und die Gegenwehr aller begann von neuen. Aber Brooklyn lachte nur und drehte Tysons Gesicht zu ihm, damit er ihn die Augen sehen konnte.

„Es ist wahr, dass man seinem Schöpfer nicht gehorchen muss, das weiß ich selbst am besten.“ Brooklyn zeigte ein grausames Lächeln und offenbarte dabei seine spitzen Zähne. „Aber während und kurz nach der Verwandlung sind Vampire sehr leicht zu steuern. Jemand mit einen starken Willen kann ihn befehligen und das trau ich mir durchaus zu.“

Ray verzog das Gesicht zu einer tragischen Maske. Egal wie mächtig ein Vampir später sein würde, am Anfang waren sie alle wie auf einen Trip. Desorientiert und leicht zu manipulieren.
 

„Warum tust du das, Brooklyn?“, schrie Kai ihn an und man hörte eindeutig die Verzweiflung in der Stimme. „Was bringt es dir all das zu tun? Ist der Hass mir gegenüber so groß? Wirst du mir nie verzeihen?“

Tyson verstand die Worte, die Kai sagte nicht so richtig, aber Brooklyn wurde wütend und wand sich wieder Kai zu. Seine Miene war voller Wut.

„Wirst du es je verstehen, Kai? Niemand hat dich dazu gezwungen dich mit Menschen abzugeben. Du BIST ein Vampir. Warum gibst du dich immer nur mit diesen schwachen Menschen ab, wo du an meiner Seite zu einem der mächtigsten Vampire überhaupt hättest aufsteigen können.“

„Das ist nicht deine Entscheidung“, meldete sich Tala jetzt auch zu Wort. „Jeder hat das Recht seine eigenen Wege zu gehen, egal welcher Art er angehört.“
 

Brooklyn Miene verbitterte sich immer mehr.

„Mal sehen ob der Kleine hier deine Theorie gleich unterstützen wird. Er wird seine Seele verlieren und nur noch seinen Trieben nachgehen. Was bedeutet ihn dann noch Liebe und Freundschaft“

„Ich werde nichts tun was du mir befiehlst“, meldete sich Tysons Wiederwillen. Doch Brooklyn lachte nur böse.

„Bevor du wieder richtig zu sinnen kommst, werden deine Hände schon mit den Blut von deinen Freunden getränkt sein.“ Der Orangehaarige sah zu Kai. „Oder wird unser lieber Kai es nicht ertragen dich so zu sehen und dich erlösen. Ich bin echt auf den Ausgang des Ganzen gespannt.“
 

Nach diesen Worten fackelte er nicht mehr lange und schlug Tyson die Zähne in den Hals. Tyson gab nur ein Japsen von sich, zu intensiv waren die Schmerzen das er nicht mal schreien konnte. Doch er hörte den verzweifelten Aufschrei von Kai und das heftige Wehren von Tala und Ray gegen ihre Wachen. Das Blut wurde aus der Wunde gezogen, welche Brooklyn ihn zugeführt hatte, dabei hielt er ihn noch weiter eisern fest. Es war aber anders, wie als er ihn das erste Mal gebissen hatte. Damals hatte er das Gefühl, der Vampir wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er hatte ihn zwar auch gebissen, aber das Blut war damals fiel schneller aus ihm geflossen und nun schien er es langsam und genüsslich zu tun. Er spürte sein Herz heftiger schlagen, welches verzweifelt versuchte den Blutverlust auszugleichen und vor seinen Augen verschwamm die Welt, seine Beine wurden weich wie Pudding.
 

Kai sah voller Entsetzen wie Brooklyn genüsslich das Leben aus seinen Liebsten saugte. Er versuchte verzweifelt zu entkommen. Drei Wachen wurden benötigt um ihn zu halten, aber sie hatten schwer mit ihn zu kämpfen. Tala wehrte sich ebenfalls und sah entsetzt von Tyson zu Kai. Keiner von ihnen schien von allein loszukommen.

Als Brooklyn spürte das Tysons Herzschlag schwächer wurde, löste er sich von seinen Hals. Das Blut floss in kleinen Rinnsalen aus den zwei kreisrunden Wunden an Tysons Hals. Seine rechte Hand hielt den Jungen immer noch fest, der sich trotz der Schwäche immer noch leicht wehrte und seine Linke wanderte zu seinen Mund. An der Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger biss er sich in die Hand. Aus den zwei entstanden Löchern floss sofort Blut.
 

„Tyson, du darfst sein Blut auf keinen Fall trinken!“, hörte Tyson Rays Stimme wie durch einen Nebel.

Brooklyn drückte seine blutende Hand zwischen Tysons Lippen und das Blut floss in seinen Mund.

In dem Moment warf sich Tala mit all seiner Macht auf seine Wache, die Kai am nächsten stand. Zwar hielten die anderen beiden Tala immer noch fest, aber der Gestoßene fiel zur Seite und rammte Kai samt seiner Aufseher. Diese waren kurz perplex und Kai konnte sich mit schnellen und geschickten Bewegungen aus ihren Griffen wenden. Er machte nur einen kurzen Rundschlag um sie auf Abstand zu halten, doch dann stürzte er sich sofort auf Brooklyn. Dieser war von der plötzlichen Befreiung Kais überrumpelt und konnte somit nicht rechtzeitig ausweichen. Doch Kai wollte nicht sofort auf seinen Rivalen einschlagen, sondern er zerrte nur Tyson von ihm weg. Brooklyn stolperte ein paar Schritte zurück und Tyson fiel auf den Boden. Kai fackelte nicht lang und sprang sofort wieder auf Brooklyn zu. Er wusste selbst nicht ob es Wut oder Verzweiflung war.
 

Wahrscheinlich war es für seinen Liebsten schon zu spät. Tyson hingegen richtete sich in eine kniende Position und spuckte Blut aus. Er atmete schwer und sein Mund stand offen. Dann erblickte er sein Fläschchen mit den Weihwasser, welches nur ein paar Schritt von ihm entfernt am Boden lag und krabbelte darauf zu.

Inzwischen hatten es auch Ray und Tala geschafft sich etwas von ihren Angreifern loszureißen, nachdem nur noch zwei da gewesen waren die Tala hielten.

Tyson erreichte das Weihwasser. Er kippte sich dieses sofort in den Mund und achtete darauf nichts davon zu schlucken, dann spuckte er wieder aus. Das wiederholte er so oft bis nichts mehr von dem Wasser übrig war.

„Ich habe nichts davon geschluckt!“

Die laut gesprochene und feste Stimme ließ alle Anwesenden aufhören. Kai und Brooklyn hatten bisher verbissen miteinander gerungen, doch nun starrten beide verwirrt auf Tyson der schwer atmend auf dem Boden kniete.

„Ich habe keinen einzigen Tropfen Blut geschluckt“, sagte er den beiden zugewandt und Kai starrte in die braunen Augen seines Liebsten in denen nichts gebrochen war.
 

Brooklyn gab einen wütenden Schrei von sich. Kai war für einen Augenblick unachtsam gewesen und wurde somit von diesen hart auf den Boden gestoßen. Der Orangehaarige wollte sich auf Tyson stürzen, doch da kam ihm schon Tala dazwischen. Dieser hatte sich loseisen können und bevor der andere den Japaner erreichen konnte, war er bei ihm, hob ihn hoch und brachte ihn außer Reichweite des anderen. Ray setzte dem nach und rammte Brooklyn, damit Tala genug Zeit hatte Tyson in Sicherheit zu bringen. Brooklyn taumelte tatsächlich zurück, doch Tala kam nicht aus der Kapelle raus. Die anderen Vampire standen immer noch an der Tür und wollten sich schon auf ihn stürzen, da ergriff Tala die Flucht in die andere Richtung und rannte weiter in den Raum der Kirche.
 

„Nicht!“, schrie Brooklyn seinen Gefolgsleuten entgegen die ihnen schon hinterher hechten wollten.

Diese Unterbrechung nutzte Tala für sich. Er positionierte sich hinter einer der Säulen, langte in eine der vielen Taschen seines Mantels und holte daraus ein kleines Fläschchen hervor, welches er sofort Tyson zu trinken zwang. Tyson erkannte den einzigartigen Geschmack sofort. Es war das Exilier welches er auch schon einmal zu trinken bekommen hatte, als Brooklyn ihn das erstes Mal gebissen hatte. Sein Körper füllte sich augenblicklich mit Wärme und die Bisswunden zogen merkwürdig. Dann war es auch schon vorbei und er fühlte nur noch Erschöpfung. Tala hielt ihn in einer festen Umarmung, während er um die Säule herum linste um zu sehen was weiter vorne geschah. Ray und Kai nutzten auch die Gunst der Stunde und zogen sich ebenfalls hinter Säulen zurück.
 

Brooklyn stand vor seinen Leuten, er atmete schwer und seine Augen glühten wahnsinnig.

„Ihr verschwindet von hier und sorgt im Haus wieder für Ordnung. Ich knüpfe sie mir alleine vor.“

„Aber Boss…“, setzte einer der Vampire an.

„Haut ab!“, brüllte er ihnen entgegen. „Ich werde sie allein in Stücke reißen.“

Seine Leute schauderten und gingen rückwärts auf die Tür zu. In einen solchen Zustand stand man ihm lieber nicht im Weg und wandte ihm auch lieber nicht den Rücken zu. Als der letzte draußen war und die Tür hinter sich schloss, wandte er sich wieder den offenen Raum der Kirche zu. Er atmete immer noch schwer, doch sofort darauf schloss er die Augen und versuchte sich zu beruhigen, doch als er sie wieder öffnete, atmete er zwar ruhiger, doch der Wahnsinn war nicht aus den rotglühenden Augen gewichen.
 

Tyson schaute zu Kai und Ray, die hinter Säulen ihm gegenüber standen und die unruhig zu Brooklyn vorsahen, der mit gemächlichen Schritten auf sie zukam.

„Immer versucht du alle zu retten, Kai“, hörten sie Brooklyns ruhige Stimme, „und im Endeffekt machst du alles schlimmer. Du wolltest deiner Familie die Wahrheit ersparen und hast mich damit gezwungen sie zu töten; du konntest Tala nicht vor dem Tod retten und hast ihn somit in einen Vampir verwandelt. Sieh es endlich ein, du kannst niemanden retten.“

Tyson sah zu Talas Gesicht dessen Lippen zu einem schmalen Strich geworden waren.

„Dann wird der Junge eben nicht zu einen von uns. Egal, dann werde ich ihn eben die Haut vom Fleisch ziehen, ihn langsam ausbluten lassen und ihn vor seinen Tod aber noch richtig schreien lassen, bis er mich anfleht ihn zu töten. Aber davor, werde ich deinen Menschenfreund meinen Leuten zum Fraß vorwerfen und was Tala angeht. Mal sehen ob ihn seine Seele auch vor einem Bad in Weihwasser bewahrt.“
 

Tala drückte Tyson fester an sich. In seinen Augen las Tyson zwar die Angst, aber auch den Willen hier nicht kampflos unterzugehen.

„Aber vor alledem werde ich dir jeden einzelnen Knochen im Leib brechen damit du bei all dem auch hilflos zusehen musst.“

Tyson wandte seinen Blick wieder zu Kai, im gleichen Moment wo dieser auch wieder zu ihm sah. Ihre Blicke trafen sich und darin standen so viele Gefühle und die Gewissheit, dass keiner von ihnen den jeweils anderen verlieren wollte. Dann war Brooklyn nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt. Kai festigte seinen Blick und sprang hinter der Säule hervor. Sein Kontrahent hatte den Angriff aber kommen sehen und wehrte den ersten Schlag von Kai ab. Er hielt Kai auf Armlänge von sich entfernt und schmetterte ihn zu Boden. Kai schlug hart auf, aber rappelte sich sofort wieder auf, nichtsdestoweniger fackelte Brooklyn nicht lange und setzte augenblicklich nach. Kaum stand Kai auf beiden Beinen rammte er ihn die Faust in den Magen, packte ihm am Hinterkopf und zog ihn nach unten im selben Moment wie er sein Knie nach oben schnellte. Kais Gesicht machte unangenehme Bekanntschaft mit dessen Knie.
 

Tala zog erschrocken die Luft ein. Er stieß sich von der Säule ab, lehnte Tyson dagegen und sah ihm eindringlich in die Augen. „Bleib hier!“

Dann sprang er hinter der Säule hervor um seinen Freund beizustehen, auch Ray kam aus seiner Deckung hervor und rannte auf die beiden Kämpfenden zu.

Der Kampf den Tyson nun zu Gesicht bekam war ohne gleichen. Obwohl es drei gegen einen waren, hatten sie große Schwierigkeiten gegen diesen einen anzukommen. Aber die anderen hatten auch schon harte Kämpfe hinter sich und auch Talas Wunden vom Kampf in der Bar wurden nun immer deutlicher. Wann immer er die Zeit hatte, presste er die Hand auf seine Wunde an der Brust und auch Ray schien schon vieles seiner Kraft eingebüßt zu haben, weshalb er nach kurzen zu seiner Schusswaffe griff und wann immer er ein freies Feld hatte, auf Brooklyn schoss. Doch dieser war davon immer nur kurz abgelenkt. Sobald er sich wieder gesammelt hatte, schien die neu zugefügte Wunde nicht mehr zu sein als ein Kratzer den man ignorieren konnte. Einzig Kai schien ihn einigermaßen ebenbürtig. Die beiden schenkten sich nichts. Sie teilten harte Schläge aus, versuchten den anderen immer in eine Ecke oder auf den Boden zu zwingen oder hielten sich auf Armlänge Abstand während sie sich verhasst in die Augen starrten.
 

Als Brooklyn Kai mal wieder auf den Boden schleuderte dass die Platten barsten, war Tala sofort zu Stelle um zu übernehmen, er hatte inzwischen einen Dolch gezogen und rammte diesen Brooklyn auch in den Arm mit dem er Kai am Boden hielt. Dieser sprang mit einen Schmerzensschrei zurück, zog sich den Dolch heraus, schmiss ihn unachtsam auf den Boden und verpasste Tala sogleich einen Schlag auf seine Wunde. Tyson hörte das Knacken von Knochen und Tala sank stöhnend auf den Boden. Kai lag immer noch leicht benommen am Boden und Ray war gerade mit dem Nachladen seiner Waffe beschäftigt, also konnte Brooklyn in Ruhe nachsetzen und verpasste Tala auch noch ein Tritt ins Gesicht. Er rutschte ein paar Meter über den Boden und blieb schließlich mit schmerzverzerrter Miene liegen. Tyson sah dies mit Schrecken und auch wenn es gegen jede Vernunft sprach, kam er hinter seinem Versteck hervor.
 

„Bleib zurück“, rief ihn Tala röchelnd hinzu und Tyson blieb in der Bewegung stehen. Brooklyns Blick richtete sich allerdings auf ihn.

„Komm zu mir, mein süßer Kleiner“, sagte er mit raunender Stimme und ging langsam auf ihn zu. „Du willst deinen Freunden helfen?“, seine Stimme wurde auf einmal zu einen wutverzerrten Zischen. „Dann tu ihnen doch den Gefallen vom Antlitz dieser Erde zu verschwinden um sie nicht weiter an einen schwächlichen Menschen zu binden.“

Tyson wich ängstlich zurück, als Brooklyn immer näher kam.

„Du bist nichts weiter als ein wertloser Mensch. Ein Fehler der Natur. Zu schwach um allein zu überleben. Was kannst du schon ausrichten? Du kannst nur sterben!“
 

Als er nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war und Ray schon los sprinten wollte um ihn auch mit bloßen Händen beizustehen, erschien hinter dem Vampir auf einmal ein Schatten, packte ihn an den Schultern und warf ihn zur Seite. Brooklyn schlug gegen eine Säule. Ein brechender Laut ging durch das Gebäude und der Stein bröckelte von der Säule wo Brooklyn aufgekommen war. Der Schatten war Kai gewesen und er setzte ihm sofort nach. In seiner Hand blitzte der Dolch, welchen Brooklyn vorhin unachtsam auf den Boden geworfen hatte. Noch bevor dieser reagieren konnte rammte Kai ihm den Dolch in den Hals.

Tyson zog erschrocken die Luft ein und Brooklyn starrte voller Entsetzen in Kais rotglühende Augen.

„Was willst du mir noch nehmen, bis du zufrieden bist?“, schrie er ihm entgegen. „Ich hätte dich einfach ziehen lassen, aber immer wieder tauchst du auf und nimmst mir alles. Aber mein Licht in dieser dunklen Welt nimmst du mir nicht. NIEMALS!!!“
 

Tyson war noch ganz ergriffen, dass Kai ihn als sein Licht sah, da packte dieser auch wieder den anderen und schleuderte ihn gegen den Altar auf der leichten Anhöhe. Brooklyn krachte nicht nur dagegen, sondern der Altar zerbarst auch unter den Gewicht und Brooklyn lag in dem Schutt, wo der Staub zuerst in der Luft umher wirbelte und dann auf Brooklyn sank. Vor dem Wurf hatte Kai den Dolch wieder aus dessen Kehle gezogen und Brooklyn versuchte sich aufzurappeln, während das Blut in Strömen an ihm herunterlief. Kai ging auf ihn zu und zog jetzt einen Pflock aus seiner Tasche. In das Herz des Vampirs gerammt, würde es ihn endgültig töten. Wie in Zeitlupe sah Tyson wie sein Liebster auf den anderen zuging. Sein Gesicht war eine steinerne Maske ohne Emotionen und im Gesicht des anderen spiegelte sich Schmerz und Trauer. Als Kai vor dem anderen stand und mit der Hand mit dem Pflock ausholte tat er etwas, dass er selbst nicht recht verstand.
 

„NEIN!“ Tyson sprang zwischen die beiden und breitete schützend die Arme vor Brooklyn aus. Kai hielt sofort in seiner Bewegung inne und starrte ihn erschrocken an.“Bitte, töte ihn nicht.“

„Tyson, was…?“, stammelte Kai fassungslos. Diese Aktion kam völlig unerwartet und auch Tala und Ray standen vollkommen überrascht da und schauten auf Tyson der keinen Millimeter weichen wollte, damit Kai einen Jahrhundertelangen Kampf beendete.

„Ich habe es nun endlich verstanden“, sagte Tyson und rührte sich nicht von seiner schützenden Position weg. „Das zwischen euch, das ist kein Hass und auch keine Feindschaft zwischen Vampir und Jäger.“ Tyson blickte hinter sich zu Brooklyn der ihn nicht weniger perplex anstarrte. „Ihr wart Freunde und dann wurdet ihr beide zu Vampiren und auch wenn Brooklyn seine Seele verlor, er bewahrte sich das Gefühl, dass du sein Freund bist, aber du konntest nicht mit einen Vampir befreundet sein, der seelenlos war und somit auf Menschen jagt machte. Aber töten konntest du ihn auch nicht, weil er eben immer noch dein Freund war. Er nimmt dir alles wichtige, weil er es nicht ertragen kann, dass du mit der Entscheidung die du gegen ihn getroffen hast, ein glückliches Leben führen kannst. Der Wunsch nach eurer Freundschaft ist, so grausam er ihn auch ausführt, das einzig Gute in ihm. Das darfst du nicht töten.

„Tyson…“, sagte Kai immer noch um Worte ringend. „Er hat tausende getötet. Er ist ein Monster.“
 

Tyson schluckte schwer und schüttelte den Kopf. „Und trotzdem hast du ihn nie getötet. Du tatest es nicht für deine Familie und auch nicht für Tala. Glaubst du etwa, das will ich für dich sein? Der, für den du jemanden tötest, den du tief in dir immer noch als Freund betrachtest. Ich liebe dich für den der du bist, nicht für das was du für mich opferst.“

Kai ließ die Hand mit dem Pflock sinken. Für einen Moment herrschte vollkommene Stille, dann ertönte das Klackern des Holzes welches auf die Steinplatten fiel. Tyson ließ die Hände sinken und Kai sah an ihn vorbei auf Brooklyn der immer noch auf den Boden kauerte.

„Ist dir bewusst, dass sich für ihn nichts ändern wird?“
 

Tyson drehte sich zu Brooklyn um, der ihn immer noch fassungslos ansah, aber merkwürdigerweise empfand er im Moment keine Angst vor ihm. Egal was er ihm noch vor ein paar Minuten angetan hatte, im Moment tat ihm Brooklyn nur unendlich leid. Aber dieses Mitleid galt auch Kai. Einst haben sie gemeinsam gejagt, haben zusammen Menschen beschützt und dann kam der grausame Tag an dem sich das alles änderte und wo sie zu Feinden wurden, nur weil Brooklyn zu früh zugebissen hatte. Es war eine unglückliche Verkettung von Umständen, die sie zu denen machten die sie heute sind. Für Tyson ist es ein Glück, aber für Kai und Brooklyn war es der Verlust eines wertvollen Freundes. Und die Tatsache, dass Brooklyn dieser Umstand immer noch quält, beweist nur, dass er immer noch etwas Menschliches in sich hat. Wie könnte er zulassen, dass Kai dies vernichtete.
 

Während er noch seinen Gedanken nachhing zersprang auf einmal eines der Fenster und ein Schatten sprang zwischen Tyson und Brooklyn. Kai griff sofort nach Tyson und zog ihn hinter sich, doch der Schatten hatte es nicht auf ihn abgesehen.

Tyson erkannte die silbernen Haare und die eindrucksvollen Augen von Garland, welcher sich zu seinen verletzten Herrn bückte und eine von dessen Händen um seine Schultern legte. Er selbst schien auch schon einiges abbekommen zu haben. Seine Kleidung war an manchen Stellen aufgerissen und sein Gesicht zeigte Schrammen auf.

„Wenn ihr ohne weiteres Aufsehen verschwindet, werden wir euch gehen lassen“, sagte er mit kräftiger Stimme.

Kai nickte nur knapp, aber er schaute fest in Garlands Augen damit dieser nicht versuchen würde, zum Schluss noch jemanden von ihnen mit seinen Kräften zu manipulieren, wobei sein Körper angespannt blieb.
 

Tysons Blick wanderte zu Brooklyn. Dieser war von seiner Wunde immer noch geschwächt, obwohl schon viel weniger Blut aus der Wunde floss als vorhin. Sein Blick war nur für einen Moment auf ihn gerichtet, in dem immer noch so etwas wie Unglauben mitschwang und dann ging sein Blick zu Kai. Tyson glaubte darin so etwas wie Trauer oder Sehnsucht zu sehen, doch dann schwang sich Garland mit seinen Herrn wieder zum Fenster und dann nach draußen in die Nacht.

Kai blieb angespannt, doch er selbst atmete hörbar aus und fühlte sich für einen Moment schwindelig. Er wusste nicht, wie lange seine Beine ihn noch tragen würden.
 

„Lasst uns nach Hause gehen, bevor sie es sich anders überlegen“, hörte er wie von fern Talas Stimme. Er wollte gerade den ersten Schritt machen, als er stolperte und drohte nach vorne zu fallen, aber er spürte wie Hände ihn sanft auffingen. Er wusste, er sollte noch so lange wach bleiben bis sie von diesem Ort verschwunden waren, aber die Anstrengung der letzten Stunden verlangte ihren Tribut und ließ ihn sanft einschlafen. Die Arme die ihn noch hochhoben und die Wärme die von diesen ausgingen, gaben ihm die nötige Sicherheit um in einen traumlosen Schlaf zu gleiten.

Ein Kampf, den man nicht gewinnen kann

Die Anstrengungen der letzten Nacht, wenn nicht sogar der letzten Wochen, hatten nun endlich ihren Tribut eingefordert. Tyson lag tief schlafend im Bett. Kai hatte ihn warm in die Decken gewickelt und nur ganz vorsichtig die Wunden überprüft um abschätzen zu können ob eine davon schlimmer war. Es waren Schürfwunden, Prellungen und Bissspuren. Aber nichts davon war lebensbedrohlich und Tyson hatte die blutenden Stellen bereits notdürftig versorgt. Es würde reichen, wenn er sie behandelte wenn er wieder wach war, aber jetzt wollte er ihn schlafen lassen. Er blieb an der offenen Tür zu seinem Zimmer stehen um sofort da zu sein, falls Tyson aufwachte oder von Alpträumen geplagt wurde, doch bisher hatte er ruhig und friedlich geschlafen und die Stille, welche über dem Haus lag, war ungebrochen
 

„Hier“, sagte auf einmal Tala neben ihn und hielt ihn eine Tasse mit Blut hin. Kai nahm die Tasse entgegen und schaute sofort wieder zu Tyson. Er hatte Angst, wenn er ihn zu lange aus den Augen ließe, würde man ihm ihn wieder wegnehmen.

Er nippte an der Tasse und spürte augenblicklich wie wieder etwas Kraft in ihn zurückkam. Er, Tala und Ray hatten auch ihre Wunden notdürftig versorgt. Im Moment waren sie alle zu fix und fertig um noch irgendwelche große Aktionen zu starten. Ray befand sich unten im Wohnzimmer und hatte sich ein wenig hingelegt. Anfangs war es nicht aufgefallen, aber er hatte ganz schön einstecken müssen als er die von den Vampiren eingesperrten Leute befreit hatte. Er hatte einige üble Schläge abgekriegt und vermutlich waren ein paar seiner Rippen gebrochen. Kais Blick wanderte wieder zu seinen Liebsten.
 

„Glaubst du, es ist vorbei?“, stellte er die Frage an Tala.

Dieser wusste nichts darauf zu antworten. Es war schon merkwürdig, dass Kai überhaupt so eine Frage stellte. Aber wahrscheinlich konnte er nicht glauben, dass sie gerade noch so davongekommen sind. Es war aber auch alles sehr merkwürdig gewesen. Tyson, das Opfer in dieser Geschichte, hatte sich vor Brooklyn gestellt und diesen davor bewahrt von Kai getötet zu werden. Tala wusste selbst nicht was er davon halten sollte. Zum einen hätte er nichts lieber gehabt, als das dieser Alptraum mit Brooklyn zu Ende ging, aber gleichzeitig hatte ihn Tysons Ansprache auch berührt.

„Das hängt wohl auch von dir ab“, antwortete Tala schließlich. „Im Grunde sind wir Jäger und dürfen Brooklyn nicht davon kommen lassen, aber andererseits hast du ihn ziehen lassen.“
 

„Ich hätte ihn in diesen Moment nicht töten können“, gestand Kai und seine Lieder wurden schwer. „Ich hatte zu große Angst Tyson zu verlieren.“

„Weil er dir nicht verziehen hätte?“

„Er hätte es verstanden, aber niemals hätte er es ertragen können. Er will nicht dass jemand seinetwegen stirbt. Selbst wenn es sich dabei um ein Monster wie Brooklyn handelt.“

„So ist nun mal seine Natur“, sagte Tala und schaute an Kai vorbei zu den Schlafenden. „So naiv und unrealistisch seine Vorstellungen auch sind, man kann sie nicht erschüttern. Für ihn gibt es nichts Gutes mit dem Tod eines anderen. Er hatte mehr Angst um dein Seelenheil als um sein eigenes Leben.“
 

„Er ist eine Person in der nichts Böses ruht.“ Kais Augen öffneten sich wieder und er sah mit festem Blick nach vorne. „Und dafür liebe ich ihn.“

„Aber was wird nun aus Brooklyn?“, stellte Tala die Frage, welche ihn auf der Zunge lag. Selbst wenn er von Tyson abließe, war er immer noch ein gefährlicher Vampir, den sie nicht ignorieren können.

„Tyson hatte Recht“, erwiderte der andere. „Ich kann ihn nicht einfach so töten. Ich würde mich mein Leben lang fragen, ob es die richtige Entscheidung war. Und es ist ein verdammt langes Leben. Aber das heißt nicht, dass ich ihn einfach machen lasse was er will. Ich werde immer da sein um ihn aufzuhalten, aber ich werde ihn nicht töten. Ich werde aber auch niemand anderen daran hindern.“
 

Kai begab sich von der Tür in das Zimmer und setzte sich zu Tyson ans Bett. Liebevoll strich er ihm die Haare aus der Stirn und betrachtete sein ruhendes Gesicht. Tala blieb an der Tür stehen und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

Er konnte nicht zu fassen kriegen was er davon hielt, dass Kai Brooklyn nicht töten wollte und es anscheinend auch nicht konnte. Seit Brooklyn ihn misshandelt und an den Rand des Todes gebracht hatte, empfand er Hass auf ihn, aber durch Tyson hatte er eine andere Seite dieses Monsters entdeckt, die ihn in tiefe Gedanken stürzte. Er war weit davon entfernt ihn zu verstehen, zu bemitleiden oder ihn auch nur zu verzeihen, aber er konnte ihn auch nicht mehr hassen.
 

Sein Blick wanderte zu Tyson und zu Kai, der ihn voller Liebe ansah. Es gab weitaus schönere Gefühle mit denen er sein Leben erfüllen konnte, aber auch das füllte seine Gedankenwelt aus. Er konnte das, was Garland gesagt hatte nicht so einfach abschütteln. Das er angeblich Tyson liebte und zwar nicht nur platonisch. Er empfand etwas für den Japaner, das war ihm klar, aber er wollte nicht, dass es Liebe war. Es würde nur alles verkomplizieren. Aber dennoch… Wenn er in das Antlitz schaute und an die braunen Augen dachte, an das unschuldige Lachen und das verständnisvolle Lächeln, dann konnte er sich der warmen Gefühle nicht erwehren.
 

Aber vielleicht, so sagte er sich, waren es auch nur irgendwelche Restgefühle von seinen zwei Nächten mit dem Japaner. Schon damals hatte er ihn fasziniert und angezogen. Er hatte ihn aber danach nicht noch einmal wieder getroffen und hatte seine anfängliche Faszination darauf geschlossen, dass er etwas war, was er nicht haben konnte. Doch die letzten Wochen hatte er Tyson näher kennengelernt und das als Freund und nicht als Partner in leidenschaftlicher Weise und trotzdem blieb das Gefühl sich zu ihm hingezogen zu fühlen. Andererseits war er auch nur selten einen Menschen so nahe gewesen und das unter solchen Bedingungen.

Er seufzte und wandte sich ab. In den nächsten Tagen würde sich alles hoffentlich wieder beruhigen und es würde wieder Alltag einkehren. Wenn dem so war, dann konnte er auf dieses Weise seinen Kopf freibekommen und abwarten was mit seinen Gefühlen für Tyson passierte. Aber wer weiß schon, was die Zukunft noch so alles für sie bereithielt.
 

**^^**
 

„Du weißt schon, dass das alles klingt wie aus einem Film. Oder einen von diesen billigen Vampirschnulzen-Romanen.“

Tyson saß Max gegenüber und sah ihn mitleidvoll an. Vampirschnulzen… Wenn er eins in den letzten Monaten gelernt hatte, dann das diese Bücher nichts von der Wirklichkeit wussten. Vampire waren nicht arme unverstandene Wesen, sondern eiskalte Monster. Wenn er an Tala und Kai dachte, dann könnte er das eiskalt sogar beibehalten.

„Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich auch für den ersten Moment gehofft, es wäre alles nur ein böser Traum gewesen, aber dem war leider nicht so. Daran wurde ich schmerzhaft erinnert, als ich mich streckte und mir all meine Wunden wehtaten.“
 

Es waren erst zwei Tage seit dem vergangen. Die Bisswunden verheilten gut genauso wie die Abschürfungen. Nur leider wurden die Prellungen erst jetzt zu unschönen Blessuren und erinnerten ihn an die furchtbaren Ereignisse. Aber es war die letzten Tage ruhig gewesen. Max hatte sich natürlich gewundert warum Tyson so wortkarg in den letzten zwei Tagen gewesen war und Tyson hatte darauf bestanden, ihm die ganze Sache persönlich zu berichten. Am Telefon ließen sich die Ereignisse schlecht behandeln. Aber zuvor mussten andere Dinge geschehen. Er hatte sich Sorgen um die Leute in der Bar gemacht, aber zum Glück hatten die Vampire darauf verzichtet alle Angestellten zu töten. Es war wohl nicht viel Zeit dafür gewesen, daher hatten sie sie nur in den Keller eingesperrt.
 

Der Chef erklärte die ganze Aktion als Angriff eines anderen Clubs, der nicht weit weg von ihnen eröffnet hatte. Einer der Jungs hatte zwar gemeint, dass die Kerle nicht aussahen wie Schläger, aber sein Chef war einfach schon immer verbohrt gewesen und plante nun die Rache gegen den anderen Club. Man konnte nur hoffen, dass er Angebote für die Drinks machte und nicht auf den Gedanken kam, den Laden anzuzünden oder ebenfalls die gesamte Belegschaft in den Keller zu sperren. Die Menschen die Ray aus den Fängen der Vampire befreit hatte, waren alle wohlbehalten zu Hause angekommen. Ray hatte ihnen noch eingebläut, bei der Polizei nicht zu erzählen, sie seien von Vampiren entführt worden, damit der Orden der Avatar nicht auf sie aufmerksam wurde.
 

Die meisten hatten sowieso angenommen, es habe sich um eine rabiate Sekte gehandelt, daher war das kein so großes Problem gewesen. Auch das Haus, in dem die Vampire gehaust hatten, war inzwischen leer. Es war alles wie leergefegt, als wären sie nie dagewesen. Kai und Tala hatten dies am nächsten Tag aus sicherer Entfernung beobachtet. Die Vampire mussten noch in derselben Nacht verschwunden sein. Es war fast so, als war dies nur ein übler Traum gewesen.

„Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich“, gab Max gegenüber Tyson zu und schaute ihn mitleidvoll an. „Was, wenn sie wieder hinter dir her sind?“
 

Tysons Blick wanderte in den Garten in dem Kai auf der Veranda saß. Er selbst saß mit Max im Teezimmer über einer Tasse grünen Tee. Kai hatte gemeint, er bräuchte frische Luft, aber Tyson glaubte zu wissen dass er nur den Garten im Auge behalten wollte. Sie waren nur hergekommen um mit Max zu reden, danach ginge es wieder zurück zu Kai. Solange bis Kai wusste wo Brooklyn sich jetzt versteckte und das wirklich keine Gefahr mehr von ihm ausging.

„Keiner weiß was die Zukunft bringt. Aber ich werde nicht mehr in Angst leben.“ Er sah auf seine Hände und schloss sie zusammen. „Ich habe Ray gebeten mich etwas mehr in die Jagd einzuführen.“
 

Max Augen weiteten sich. „Du willst ebenfalls ein Vampirjäger werden?“

„Nein“, sagte Tyson gleich, „nur nicht mehr hilflos sein. Ich will mit Kai zusammen bleiben und dabei kann es nun einmal passieren, dass ich mit hinein gezogen werde, in so manche Gefahr. Ich will einfach nicht die wehrlose Prinzessin sein, welche auf ihre Rettung wartet.“

„Und was sagt Kai dazu?“, fragt Max genauer nach.
 

„Glücklich ist er darüber nicht. Er meint, ich solle mich aus den gefährlichen Leben heraushalten. Aber das hat er nicht mit viel Überzeugung gesagt. Ich denke, er wäre insgeheim froh, wenn er nicht ständig Angst haben müsste, wenn mir zufällig ein Vampir über den Weg läuft. Allerdings werde ich wohl auch kein richtiger Jäger.“

„Warum nicht.“

Tyson erinnerte sich zurück an den Kampf mit dem weiblichen Vampir. Damals hatte er sich geweigert sie zu töten. Auch wenn jemand untot war, so hatte er doch eine Existenz die genommen werden konnte. Er fühlte sich nicht in der Lage darüber zu entscheiden, wer nun Leben darf und wer nicht.
 

„Vergiss es“, wehrte Max ab und lehnte sich zurück. „Man, das war wirklich eine wilde Zeit. Und dabei bist du nur in irgendeinen arroganten Kerl reingelaufen.“

Tyson schreckte aus seinen Gedanken hoch und lächelte mild. Dabei sah er wieder zu Kai.

Ja, er war nur von einem arroganten Kerl über den Haufen gerannt worden und jetzt war daraus eine wilde Geschichte entstanden.
 

**^^**
 

Die Nacht war lau und der Himmel klar. Es tat gut in luftiger Höhe einen tiefen Atemzug zu nehmen auch um die Ruhe noch mehr zu genießen. Er spürte jede noch so kleine Bewegung und Veränderung in der Umgebung, daher nahm er auch sofort wahr, als sich jemand zu ihm gesellte. Er drehte sich langsam um und seine Hand wanderte automatisch zu seinem Dolch am Gürtel. Heute würde er sich nicht überrumpeln lassen. Er hatte schon geahnt, dass er irgendwann auftauchen würde und war daher hierhergekommen.
 

Er würde es auf keinen zweiten Versuch ankommen lassen, auch wenn er vermutete dass dies nicht der Grund für das Auftauchen des anderen war. Brooklyn schaute kurz in Richtung der Brüstung, aber er trat nicht näher um nach unten zu sehen. Stattdessen lehnte er sich an die Wand und wandte den Blick ab. Kai blieb in seiner Habachtstellung und wagte es nicht nach unten zu schauen. Tyson war in der Bar und Tala UND Ray waren bei ihm. Ray allerdings inkognito, schon allein weil Tyson diese zusätzliche Überwachung bestimmt wieder schwachsinnig finden würde. Kai war nicht wohl dabei gewesen Tyson zur Arbeit gehen zu lassen. Aber nun waren schon zwei Wochen vergangen, ohne dass etwas passiert war und Tysons Verletzungen waren verheilt. Es gab keinen offensichtlichen Grund mehr warum er weiter die Arbeit oder die Uni schwänzen konnte und auch Kai sah ein, dass ein ständiges Einsperren nicht sehr sinnvoll war. Schon allein deswegen weil Tyson angefangen hatte zu nerven.
 

Bei einer genaueren Betrachtung seines Gegenübers konnte Kai erkennen, das Brooklyn müde zu sein schien. Nicht im Sinne das er schlafen wollte. Es war eher so, als wäre er geschafft oder endlich mit einer langen Sache am Ende.

„Wir sind schon weiter in die nächste Stadt gezogen“, begann er schließlich zu reden. Kein Zischen und auch keine Wut lagen in seiner Stimme, er war ruhig und ernsthaft. „Eigentlich sollte ich dir böse sein, weil das Haus sehr schön und in einer ruhigen Gegend gelegen war. Jetzt müssen wir uns mit etwas kleineren zufrieden geben.“

„Oh, das tut mir aber gar nicht leid“, höhnte Kai kaltherzig.
 

„Natürlich tut es dir das nicht“, meinte Brooklyn und auch ein kleines trauriges Lächeln trat auf sein Gesicht. „Genauso wenig tut es mir leid, was ich deinen Kleinen angetan habe.“

Er schaute zu Kai und seine sonst so verrückten Augen wirkten nun ruhiger und ernsthafter. In Kai krampfte sich etwas zusammen, aber er ließ es nicht zu, Mitleid mit ihm zu haben.

„Nach allen was ich dir angetan habe, nach jeden den ich dir genommen habe, musste es nur ein gewöhnlicher Junge sein, der tiefer in mich blickt als du es je vermocht hättest“, er schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Wie beschämend.“

„Tyson ist nicht gewöhnlich“, antwortete Kai. „Sieh es ein und du wirst es verstehen.“
 

„Du wirst noch früh genug verstehen wie gewöhnlich er ist“, bei diesen Worten trat wieder ein böses Grinsen auf Brooklyns Gesicht, „spätestens wenn er alt und faltig ist und langsam vor sich hin stirbt.“

Kai ließen diese Worte kalt, aber er stellte trotzdem eine Frage dazu: „Du willst ihn also alt werden lassen. Was ist mit deiner Rache an mir?“
 

Brooklyn seufzte und wandte sich ab. „Wenn ich ihn töte, dann würde ich doch nur seine Theorie bestätigen, dass ich das alles nur mache, weil ich es nicht ertragen kann, dass du mit deinen selbsterwählten Leben glücklich wirst. Nichts ist mir mehr zuwider. Und wenn ich ihn doch noch in einen Vampir verwandle dann habe ich die Nervensäge an der Backe. Auch keine schönen Aussichten. Ich lass ihn leben und wie einen ganz gewöhnlichen Menschen sterben. Wie lange dauert das noch? Ca. 60 Jahre? Naja, vielleicht habe ich ja Glück und er stirbt schon früher wegen seiner Schusseligkeit. Auf jeden Fall ist das für mich keine lange Zeit. Danach kann ich ja wieder zu dir kommen und dich fragen, ob es das alles wert war. Aber wer weiß, vielleicht trennt ihr euch schon vorher. Dies ist ein Kampf den ich nicht gewinnen kann, daher lasse ich es auch nicht darauf ankommen und wähle den Weg des Wartens.“
 

„Was hast du davon?“, fragte Kai. „Ich kann dir nicht verzeihen und ich kann nicht einfach mit dir befreundet sein. Nicht solange du mordest.“

„Willst du mir etwa eine weitere Option damit eröffnen? Werde gut und wir können wieder befreundet sein?“

Es herrschte komplette Stille zwischen ihnen. 2 Minuten, 5 Minuten. Die Stille schien ewig anzudauern. Auch Kai hatte inzwischen den Kopf gegen den Boden gesenkt genau wie Brooklyn. In ihren beiden Augen stand die Antwort. Es könnte nie wieder so sein wie früher.
 

„Hätte ich doch nur ein wenig länger gewartet“, presste Brooklyn zwischen den Lippen hervor.

„Über ein wenn und aber nachzudenken bringt rein gar nichts“, meinte Kai mit belegter Zunge. „Die Dinge, die schon geschehen sind, sind nicht mehr umzukehren und es bringt nichts darüber nachzudenken was gewesen wäre, wenn man etwas anders gemacht hätte. Denn so ist es nicht passiert und man wird auch niemals wissen, was passiert wäre. Wir können nur das Beste aus dem Machen was uns gegeben wurde.“

„Gegeben?“ Brooklyn lachte ein freudloses Lachen. „Uns wurde doch nur alles genommen. Und das was ich dir geben wollte hast du weggeworfen.“
 

Der Orangehaarige stieß sich von der Wand ab. Kai hatte inzwischen seinen Dolch losgelassen, aber er umfasste ihn auch nicht wieder. Er fürchtete sich nicht vor einen weiteren Angriff des anderen.

„Wir werden uns wiedersehen. So ist es uns vorherbestimmt. Auf ewig.“

Wie oft haben sie sich schon so gegenüber gestanden wie jetzt in diesen Moment. Zuerst als Fremde, dann als Freunde und Kampfgefährten und schließlich als Feinde. Und wie oft würden sie sich noch so gegenüberstehen?

Auf ewig…

Epilog

Er stand in der Küche und während er mit der einen Hand das Telefon hielt, strich er mit der anderen über den Küchentisch. Staub wirbelte auf und kitzelte in seiner Nase. Er musste niesen.

„Bist du erkältet“, klang die besorgte Stimme seines Großvaters aus dem Hörer.

„Nein, nein“, antwortete Tyson und kratzte sich die immer noch juckende Nase. Er wich vom Tisch zurück und ging zum Kühlschrank. Er öffnete ihn und fand gähnende Leere vor. Außer ein paar Konserven und dem üblichen Bestandteilen eines Kühlschranks war darin nichts vorzufinden.
 

„Wenn du nicht erkältest bist, vernachlässigst du hoffentlich nicht dein Training.“ Die rügende Stimme seines Großvaters ließ ihn sich empört die Hand in die Seite stemmen.

„Nur zu deiner Information. Ich war gerade beim Training als du anriefst und mich dabei störtest.“

Tyson trug in der Tat immer noch seine traditionelle Schwertkampfkleidung und hatte erst beim Klingeln des Telefons das Bambusschwert zur Seite gelegt. Als er zu Hause angekommen war, war ihm sein Training im ersten Moment wichtiger gewesen als die Lage im Haus zu checken. Ihm war auch ohne nachschauen klar, dass seine Abwesenheit einiges hat liegen lassen. Überall war Staub, Pflanzen brauchten dringend Wasser und die Vorräte waren erschöpft. Nur die Post war immer wieder von Ray abgeholt worden. Dafür gab es allerdings einen Haufen von Zeitungen und Werbung.

„Hmm“, die Skepsis in der Stimme seines Großvaters war deutlich herauszuhören. „Wenn ich wiederkomme werde ich dich einer eindeutigen Probe unterziehen“, versprach er.
 

„Dann verspreche ich dir jetzt schon mal, dass du danach wieder Urlaub brauchst. Während du dich nämlich erholst hast, bin ich um vieles besser geworden.“

„Pah.“

Tyson wusste selbst, dass er aufpassen musste. Sein Großvater war ein Meister des Kendo. Er hatte ihm alles beigebracht und in seiner Jugend viele Wettbewerbe gewonnen. Doch Tyson hatte inzwischen auch viel gelernt und er hatte einen neuen Ansporn. Mit den Tricks die er von Ray lernte, wie man sich im echten Kampf verhielt, hatte er zudem einen zusätzlichen Vorteil erhalten.

„Ich weiß noch nicht genau wann ich zurückkomme“, gestand ihm sein Großvater. „Nach dem Mittelmeer habe ich vor noch einen Abstecher nach Kairo zu machen. Ich will versuchen deinen Vater mit nach Hause zu bringen.“

Die Erwähnung seines Vaters verursachte bei Tyson nur einen kurzen Moment des Schmerzes.

„Lass ihn doch. Ich bin erwachsen und will mir nicht anhören müssen, dass ich mich zwischen ihn und seine geliebten Mumien und Gräber stelle.“
 

„Von mir aus könntest du schon ein alter Mann sein“, protestierte sein Großvaters. „Er soll sich mal wieder blicken lassen. Genauso wie Hiro. Wo geistert er schon wieder rum? Südamerika.“

„Ich komme klar, Großvater“, sagte Tyson und musste lächeln. Er ging aus de Küche und Richtung Wohnzimmer. „Ich habe doch jetzt einen Freund.“

„Seit wann?“, fragte sein Großvater überrascht. „Und… und was für einer ist er?“

Die Sorge seines Großvaters rührte Tyson. Er wusste noch, was dieser sich für Vorwürfe gemacht hatte, weil er damals nichts von der Sache mit Kane mitbekommen hatte. Die Weltreise hatte er sich auch lange überlegt. Aber Tyson hatte damals darauf bestanden, dass sein Großvater dies noch machte solange er konnte.
 

„Er ist toll“, antwortete Tyson und blieb in der Wohnzimmertür stehen. Er sah auf Kai, der gelangweilt auf dem Sofa saß und in ein Buch vertieft war. Tyson hatte ihn verboten, ihm beim Training zu stören. Es hätte nur zu… sexuellen Spannungen geführt. „Er ist zwar etwas wortkarg und griesgrämig, aber dafür ehrlich und ohne Hintergedanken.“

Kai hob den Kopf und schaute ihn mit seinen roten Augen durchdringend an. Er hatte wohl erahnt, dass es um ihn ging.

„Ich vertraue deinem Urteil. Aber du weißt, dass ich jederzeit zurückkomme, wenn du mich brauchst.“

„Ich weiß.“
 

„Ich werde bald zurückkommen. Halte bis dahin die Stellung. Und vergiss nicht zu trainieren.“

Tyson lächelte und hauchte noch ein Wiedersehen in den Hörer. Dann legte er auf und stellte das Telefon auf dem Tischchen neben dem Sofa ab. Er gesellte sich zu Kai.

„Wir müssen noch einkaufen gehen. Der Kühlschrank ist leer.“ Er lehnte sich an Kai und wollte sich etwas Ruhe gönnen. Er hatte schon intensiv trainiert als das Telefon klingelte. Er würde am liebsten in die Wanne hüpfen. Am liebsten mit Kai.

„Ich gehe nirgendwohin. Ist doch dein zu Hause“, sagte Kai und wandte sich wieder dem Buch zu.

„Du hast doch gesagt, Brooklyn sei vorerst keine Gefahr mehr“, meinte Tyson. „Also könnten wir ruhig ein paar Tage hier verbringen. Und was willst du in den Tagen essen?“
 

„Hm.“ Kais typische Antwort, aber Tyson vermochte sie zu deuten. Sein Liebster war einverstanden, auch wenn es ihm nicht passte.

„Ich habe kein gutes Gefühl Tala solange allein zu lassen. Er kann einfach keine Ordnung halten und rafft sich dann nicht für die Jagd auf, wenn ich ihm nicht hinterher schaue.“

„Oder besser gesagt, er gönnt sich etwas Ruhe wenn du ihn nicht rumkommandierst.“

Die roten Augen sahen ihm abschätzend an. Tyson kannte seinen Liebsten gut genug um zu wissen, dass er einfach nur vorsichtig sein wollte. Auch wenn vorerst keine Gefahr bestand, hätte er es am liebsten, Tyson wäre immer noch an einen Ort, den man nicht so einfach finden konnte. Doch Tyson hatte sich durchgesetzt und Kai würde hoffentlich bald wieder etwas von seiner Coolheit zurückgewinnen und nicht hinter jeder Ecke eine Gefahr für ihn vermuten.

Tyson wollte es Kai aber leichter machen und strich mit seiner Hand über dessen Brust. Die Brustwarzen neckte er etwas mit seinen Fingerspitzen.
 

„Ich bin eh schon verschwitzt. Sollen wir uns etwas Entspannung gönnen, bevor wir einkaufen gehen.“

Kai beugte sich zu ihm vor und verschloss ihrer beider Lippen in einen innigen Kuss. Dabei führte er Tyson mit seinem Gewicht liegend auf das Sofa und strich schon verführerisch seine Seiten entlang. Tysons Hände wanderten unter das Shirt des Blaugrauhaarigen und fuhren die Muskeln nach.

„Aber ich muss trotzdem heute Abend noch weg“, sagte Kai als er den Kuss beendete. „Also nicht zu wild.“

Tyson verzog verwundert das Gesicht. „Aber Tala meinte, dass es anscheinend zur Zeit keine Vampirgruppen in der Stadt gäbe.“
 

„Keine Vampire. Ja“, antworte ihm Kai, „aber wir haben demnächst Vollmond und es gibt Hinweise auf Werwölfe.“

„Ähm“, machte Tyson und schaute zur Seite. Doch dann lächelte er und fing Kai wieder in einen Kuss ein. Werwölfe! Na gut, dann waren es jetzt eben Werwölfe. Solange er und Kai zusammen waren, war es ihm doch egal, welche Fabelwesen noch so durch die Stadt tollten.
 

---Ende---


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß nicht, ob ihr mit der Darstellung von Tala aus seiner Zeit als Mensch zufrieden seid. Ich finde Tala ist allgemein ein sehr schwer zu beschreibender Charakter, wenn man ihn mit Kai zusammensteckt. Im Grunde sind beide so still und in sich gekehrt, dass zwichen ihnen normalerweise keine Kommunikation zustande käme -.-°
Ich wollte ihn auch ein wenig anders darstellen, in seiner Erinnerung. Schließlich ist Tala durch seine Lebenserfahrung als Vampir ein anderer geworden, und so wollte ich auch aufzeigen, dass er als Mensch noch ein wenig anders war. Ich hoffe, ich konnte ihn so darstellen, dass kein Tala-Fan (würde mich wirklich interessiert ob es unter euch Tala-Fans gibt)mich lynchen will. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich muss ehrlich zugeben, ich selbst fand das Kapitel ein wenig langweilig zum schreiben. Es passiert jetzt doch nicht allzu viel. Und trotzdem fand ich es wichtig, dass auch Ray seine verdiente Aufmerksamkeit bekommt.
Wie es weitergeht? Hmmm. Ich kann nur so viel versprechen. Die nächsten Kapitel werden bestimmt nichts langweiliges mehr enthalten ;-) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielleicht ahnen es ja schon ein paar von euch, aber allzu lang wird diese Fanfic nicht mehr gehen. Ich schreibe jetzt schon fast 6 Jahre an ihr und ich nähere mich allmählich dem Höhepunkt und damit auch dem Ende. Keine sorge, ich werdet noch genügend zu lesen habe, aber ich wil euch damit auch versichern, dass diese Fanfic ein Ende hat.

Ich hoffe ihr bleibt mir bis zum Schluss treu und hinterlasst auch wieder Kommentare. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie ihr merkt, nähren wir uns langsam dem Showdown. Und ich kann versprechen, es wird wieder viel Gekämpfe geben und es wird bis zum Schluss spannend bleiben. Ich hoffe, dass Kapitel hat euch ebenfalls gefallen, auch wenn ich persönlich bei so manchen Stellen, doch ins Grübeln gekommen bin. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel wird es dann wieder Action geben. Versprochen.
Vielleicht noch eine kleine Ankündigung. Wie es nach dieser FF mit meiner Schreiberei weitergeht, weiß ich noch nicht. Ich habe viele Ideen im Kopf, aber bisher konnte ich noch keine wirklich festlegen.
Aber mal so aus Interesse: Unter meinen Ideen sind auch weiterführungen zu "Blutige Leidenschaft". Gebe es dafür überhaupt Interesse?

Bis zum nächsten Mal. Dann hoffentlich wieder pünktlich ^.^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich hoffe das Kapitel hat gefallen gefunden, auch wenn es nicht alle bis zum Schluss geschafft haben ^^°
Auch im nächsten Kapitel winkt wieder etwas Spannung und ich hoffe, dass ihr sie auch begrüßen werdet.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung zu meinen nächsten Projekt:
Schon während ich an dieser Fanfic schrieb, habe ich bemerkt, dass ich die Vergangenheiten der Charaktere zwar für mich sehr ausführlich gestaltet habe, ich die Fanfic aber nicht so lange hinziehen will, bis alles von jedem ins kleinste Detail erklärt werden kann. Daher habe ich entschieden, dass meine nächste Fanfic wahrscheinlich ein Prequel zu dieser hier werden wird, wo die Vergangenheiten von Kai, Tala, Ray und Tyson ausführlich behandelt werden.
Ich hoffe, manche können sich darüber freuen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, die große Enthüllung was es mit Brooklyns Plan auf sich hat. Vielleicht sind manche enttäuscht, weil sie Brooklyn für raffinierter hielten, aber ich finde, es ist schon hart was er vorhat. Ob es ihm auch gelingt verrate ich jetzt noch nicht. Ich werde mich auf jeden Fall bemühen demnächst wieder pünktlich hochzuladen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Epilog ist im Grunde typisch für mich. Alles ist bereits abgeschlossen und das Pärchen hat einen normalen Tag. Aber ich versuche auch immer im Epilog nichts mehr großartiges zu verarbeiten, weil es ja ein Ende sein soll.
Auf jeden Fall werde ich mich jetzt meinen neuen Projekt widmen. Und zwar den Vorgeschichten zu den Charakter aus "Blutige Leidenschaft". Kai, Tala, Ray und Tyson kommen also alle wieder und es wird erzählt, wie sie zu denen worden, die ihr hier in der Fanfic erleben durftet. Ich hoffe natürlich, dass ihr mir wieder folgen werdet und auch an meiner nächsten Fanfic Spaß findet. Komplett anzeigen

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Von: abgemeldet
2016-04-02T20:27:20+00:00 02.04.2016 22:27
alles gute hat irgendwann -leider gottes- mal ein ende *heul*
wobei ich das ende aber ziemlich passend fand ^^
ein schöner runder abgang :D

allerdings finde ich, dass die FF eine wundervolle vorlage für eine fortsetzung bietet *zwinker*

auf jeden fall halte ich nach neuen stories von dir ausschau *_*

LG
Antwort von:  Curin
11.04.2016 23:18
Jetzt folgt erst mal die Vorgeschichte von den Charakteren.
Aber ich habe tatsächlich auch schon Ideen für eine Fortsetzung ;-)
Von:  Nabiri
2016-03-19T08:45:46+00:00 19.03.2016 09:45
Wirklich schade, dass vorbei ist, aber auch veständlich. Die Geschichte ist erzählt und sie unnötig in die Länge zu sehen würde sie nur langweilig machen. Der Epilog war schön, schlicht und kurz, also passend :-)
Vielen Dank für die FF und mach weiter so ^^
LG
Nabiri
Von:  TyKa
2016-03-17T15:38:02+00:00 17.03.2016 16:38
Aww
schade, jetzt ist es tatsächlich zu Ende
T _ T
aber der Epilog rundet die wunderbare spannende Story total ab
^_^

vielen Dank für die hammer-geniale FF!!

Und ich werde die Augen nach weiteren, neuen Projekten von Dir aufhalten
^^

glg
TyKa ^^
Von:  mor
2016-03-16T16:47:23+00:00 16.03.2016 17:47
Das mit der Vorgeschichte hört such gut an ^^ Bekomme ich Ne Ens wenn es so weit ist?
Von:  jasuminu
2016-01-27T11:18:21+00:00 27.01.2016 12:18
Hallooo ^.^ zuerst.... ich bin von deiner ff richtig begeistert!!!!Ich war schon lange nicht mehr (Jahre) auf animexx... dennoch bin icj immer noch ein Fan von beyblade und wollte mal wieder paar fanfics lesen und bin auf deiner gestoßen. Ich mag dein Schreibstil sehr und wie du die Charaktere hast darstellen lassen. Eigentlich mag ich das pairing tyka nicht so aber diesmal hats mir richtig gefallen und der kampf am ende war ja mal der oberhammer so spannend!!! Hab mich extra angemeldet und alle Kapitel lesen zu können. Schade das es schon zu Ende geht mit der Geschichte obwohl sie ya recht lang war..*heuel* vielen dank mach weiter so !!!! ^.^
Von:  Nabiri
2016-01-25T19:46:16+00:00 25.01.2016 20:46
Oh nein, ich kann´s nicht glauben, dass die Geschichte fast zu Ende ist, schade :-(
Zum Kapitel selbst, finde ich es toll, dass du auf Brooklyn eingangen ist und er jetzt netter wirkt bzw. so etwas wie Einsicht zeigt (Tyson und sein Einfluss auf andere ^^) Ich freu mich, dass auch Max jetzt mehr oder weniger Bescheid weiß und alle versuchen, ihrem geregelten Leben nachzugehen. Ich frag mich schon, wie du die Geschichte letztendlich ausgehen lassen willst.
LG
Nabiri
Von:  mor
2016-01-25T17:40:41+00:00 25.01.2016 18:40
Nun ich bin mit diesen Kappie sehr zufrieden^^ es lässt Brooklyn in einen anderen Licht erscheinen ^^
Von:  TyKa
2016-01-25T15:01:53+00:00 25.01.2016 16:01
Hallo erstmal
und mach dir keinen Kopf dass das Kapitel zu kurz sein könnte
finde ich jetzt persönlich nicht, sondern genau richtig
^_^


es ist endlich Ruhe, Kami sei Dank
die FF war ja sowieso zum Nerven zerreißen spannend
dass ein bisschen "Normalität" sag ich mal, gut tut
^^

das Ende dieses Kapitels finde ich auf eine besondere Art und Weise richtig toll
vorher hätte man Brooklyn echt erschlagen und sonst was können
also ich ^^"
und jetzt, dieser Absatz in diesem Kapitel ... geht es mir anders wie Kai
ich hab doch mitleid
T _ T


aber echt mega hinbekommen
^_^
ich freu mich schon auf den Epilog
bin aber total traurig, und nicht nur ich, dass
die hammer-FF schon zu Ende ist
T _ T

wenn wir aber lieb betteln, kommt bestimmt wieder was Neues
oder?
XDDD


also
bis zum Epilog
ich freu mich darauf
^^

und schon mal jetzt an dieser Stelle:
vielen Dank für die super-FF
* _ *


lg
TyKa
Von:  natron
2015-12-13T14:20:38+00:00 13.12.2015 15:20
Ich muss gestehen ich habe mir das Kapitel nicht gleich durchgelesen als ich sah das es online war .... ich habe auf einen schönen freien, gemütlichen Abend gewartet um mir dieses absolut grandiose Kappi durchzulesen .
Vorfreude ist die doch schönste freude und hat meine Arbeitstage um einiges schöner gemacht und meine Laune zum quicken gebracht :-DDDD

Und es hat sich voll und ganz gelohnt !!!
Wie immer war es super geschrieben, man konnte sich alles sehr gut vorstellen !

Wohl wie die meisten habe ich mir sonst was für Szenarien ausgemalt aber diese Handlung war für mich so überraschend ... das Ty gebissen wird ---> aber es dennoch nicht zur Verwandlung kommt ... das war super !
Ich empfand die Situation zu ausweglos, ich hätte schon geglaubt Ozuma platzt dann als Retter herrein Ich fand Tala`s Manöver (das er sich auf Kai`s Wache stürzt)
einen geschickten Schachzug.
Es sind solche Kleinigkeiten die in der ganzen FF gut zum Einsatz kommen was sie von anderen unterscheidet.
Tysons Dialog zum Ende hin war super formuliert und damit hat er auch Recht .
Wobei eine Seite von mir auch meint das Kai es auch seiner Familie und Tala schuldet Brooklyn zu töten und Brooklyn wird sich bestimmt nicht besinnen und sich auch von Tierblut ernähren oder ... aber auch wenn ... er hat einfach zu viele auf den Gewissen .... ich kann mir fast nicht vorstellen das er Kai jetzt sein Glück gönnen wird.
Was wenn er noch mächtiger zurückkehren wird ? Tyson hat aber auch wiederum Recht mit dem was er gesagt hat aber ein ruhiges Auge könnte ich an seiner Stelle Nachts nicht zu machen ^^
Ich freue mich schon auf dein nächstes Kapitel und ich hoffe da kommt wieder viel über Tyson und Kai als Pärchen und viel Liebe und löst sich noch das mit Tala und Tyson irgendwie auf und kommt Kai endlich hinter das Geheimniss zwischen Tyson und Kane ???? Wäre das nicht interessant wenn Kane und der Zwischenzeit in der die beiden getrennt sind auch von einem Vampier gebissen und verwandelt wird O.o

Tut mir Leid wenn ich jetzt so ausschweifend geworden bin aber ich könnte dich den ganzen Tag mit Lob und Anerkennung überhäufen . Ich kann nicht genug von der Story bekommen und ich bin auch ein bisschen traurig das es bald endet :-( aber man kann ja von vorne dann alles lesen Hihi^^

Ich liebe deine Fanfiction !
Von:  Nabiri
2015-11-25T15:15:52+00:00 25.11.2015 16:15
Oh mein Gott, war das genial. Der Kampf war ja mal mega und als Tyson angegriffen und an Kai appelliert hat, so hammer. Ich finds gut, dass Brooklyn doch noch irgendwie/irgendwas Gutes in sich hat und ich hoffe, dass es noch mehr zum Vorschein kommt bzw. seine Freundschaft mit Kai gerettet werden kann. Ich bin ja mal gespannt, ob Tyson das hinkriegt oder vielleicht auch Kai über seinen Schatten springt und einen Schritt auf seinen ehemaligen (oder noch?) Freund zu geht und sie die Fehde beenden können.
Ich freu mich schon riesig auf das nächste Kapitel und wünsch dir gute Besserung, damit du schnell weiter schreiben kannst :-)
LG
Nabiri


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