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Fragmente

Kurzstory-Sammlung
von

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Durst

Die Frau war jung... zwanzig, vielleicht einundzwanzig. Ziemlich mutig, sich nachts in so eine Gegend zu begeben. Sie trug Bluejeans, schwere Schuhe und eine schwarze Lederjacke. Ihr langes, dunkelbraunes Haar lag verführerisch um ihre Schultern gelegt und sie lief schnellen Schrittes über das nass glänzende Pflaster.
 

Die Kreatur saß auf einem Fenstersims, etwa vier Meter über der schmalen Gasse. Ein Eindringling. Gefahr oder Beute? Ein Pistolenlauf richtete sich auf die junge Frau, wurde dann aber gesenkt. Beute. Die Waffe würde nicht nötig sein...

Sie sah noch etwas aus dem Augenwinkel, öffnete den Mund zum Schreien als die Kreatur sie ansprang – zu spät. Der lange Mantel flappte im Fallen, starke Arme hielten sie fest und behandschuhte Finger legten sich auf ihren Mund. Irgendwie hatte sie erkannt, was sie da angriff: sie riss ihre Jacke auf, entblößte ein goldenes Kreuz und hielt es abwehrend hoch. Die Kreatur grinste nur schief. Die Menschen würden nie begreifen, dass christliche Symbole keine Wirkung auf ihresgleichen hatten.

„Keine Sorge“, sagte die Kreatur, „ich werde dich nicht umbringen. Würde nur Ärger machen.“ Ein sachter Druck legte den Kopf der jungen Frau zur Seite um ihren weißen Hals freizulegen. Die Kreatur entblößte zufrieden zwei nadelspitze Eckzähne und biss zu.
 

Kurz darauf lehnte er die bewusstlose Frau sanft gegen die Hauswand. Nur zwei saubere Löcher in ihrem Hals und die etwas bleichere Gesichtsfarbe zeugten von ihrem Blutverlust. Er sah sich um, achtete darauf, dass niemand ihn sehen konnte und sprang dann mit zwei unmenschlichen Sätzen auf das Dach des Hauses gegenüber. Von dort aus würde er noch eine Weile auf die Kleine aufpassen, eine Lektion die ihn sein Mentor gelehrt hatte: Nachts sind immer noch mehr zwielichtige Gestalten unterwegs, die eine bewusstlose Frau um mehr erleichtern könnten als um einen halben Liter Blut. Oder ihre Hilflosigkeit anders ausnutzen...
 

Der Vampir auf dem Dach machte es sich bequem so gut es ging. Der Kleinen da unten würde niemand etwas antun. Sein Blick schweifte kurz richtung Osten ab. Ein schmaler, blutroter Streifen am Horizont kündigte die den Morgen an. Die Uhr zeigte 04:26. Früher wäre das Grund zur Beunruhigung gewesen, aber heute... Die Menschen hatten Leute wie ihn nie wirklich verstanden. Kein Vampir war jemals in Flammen aufgegangen nachdem er mit Sonnenlicht in Berührung gekommen war.
 

Der wichtigste Grund, warum man sie nie tagsüber gesehen hatte, lag in der Natur ihrer Augen. Sehorgane die an die Dunkelheit angepasst sind, sind vom Tageslicht einfach blind. So wie Menschen nachts ohne Hilfsmittel beinahe blind sind. Er grinste. Hilfsmittel. Unwillkürlich fand seine Hand die Sonnenbrille in seiner Manteltasche. Ja, damit hatte der Tag viel von seinem Schrecken verloren. Was noch störte war der Hang zu Sonnenbränden – kein Wunder, besaßen sie doch keine Pigmentierung die UV-Strahlen abhalten konnte – und die stetigen stechenden Kopfschmerzen die man durch direktes Sonnenlicht bekam. Dummerweise wusste niemand....
 

Ein scharfes Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Brechendes Holz? Kontrollblick zu seinem schönen Opfer. Alles sicher. Dann ein schmerzerfüllter Schrei, vermutlich eine Straßen weiter. Er sprang auf und suchte den Ursprung der Störung.

Longinus

Mit einem scharfen Jaulen kam meine PPK online. Die mechanische Kralle, die meine linke Hand darstellte, krallte sich in den Felsen und ich wuchtete mich auf das Plateau. Steine zerbarsten knirschend zu Staub als eineinhalb Tonnen Gefechtsrüstung auf sie krachten und die zwei Elementare vor mir drehten sich erschrocken um. Damit hatten die wohl nicht gerechnet, dass ein Ranger sich die Flanke des Passes hocharbeiten konnte. Schade für sie.
 

Die Kondensatoren der leichten PPK sangen und ein gleißender Energieblitz spießte den rechten Elementar auf. Trotz seiner durch genetische Verbesserungen bedingte Zähigkeit war der Clankrieger auf der Stelle tot. Der andere agierte mit der reflexartigen Reaktion von Kampftraining das bereits im Kindesalter begonnen hatte. Der Armlaser flammte auf und sengte eine tiefe Schmelzspur in meine Beinpanzerung. Ich taumelte leicht unter dem Einschlag, dann hatte ich das KSR-Paket aktiviert das auf meinem Rücken montiert war.
 

Eine panzerbrechende Kurzstreckenrakete fegte aus ihrem Startrohr und detonierte auf der Brust des Elementars. Die schiere Wucht der Detonation katapultierte die gepanzerte Gestalt vom Plateau hinunter. Ich sah dem Clanner nach wie er, sich überschlagend, in die Tiefe stürzte. Seine Rüstung würde den Aufschlag vermutlich sogar ziemlich unbeschadet überstehen.... für ihren Träger galt das nicht. Mir war das aber ziemlich egal. Wenn Clan Jadefalke diesen Planeten überfallen wollte mussten sie mit den Konsequenzen fertig werden.
 

Ich richtete mich auf und sah auf den Pass hinab. Ein kurzer Funkspruch informierte das Kampfschiff im Orbit darüber, dass die Gegend sauber war. Eine halbe Stunde später setzte das erste, riesige Landungsschiff auf. Die 1. Thorin Rangers waren hier.

Legion

Er stieg gemäßigten Schrittes die Rampe hinauf. Noch höher, als ob achtundzwanzig Meter nicht schon genug gewesen wären. Von hier oben sah das Servicepersonal des Mechanicus mehr nach Insekten denn nach Menschen und Servitoren aus. Und sobald er in seinem Thron säße würden sie auch nicht viel mehr sein als das. Ein Techpriester sprach die erste Litanei der Erweckung und öffnete das typisch spitz zulaufende Tor. Der Priester wartete bis sein Kommandant durch das Tor geschritten war und folgte ihm dann. Den beiden Männern folgten noch zwei Moderati und einige Servoschädel, dann wurde das Tor wieder geschlossen. Einige laute, metallische Schläge ertönten, als meterdicke Panzerplatten sich davor schlossen. Niemand konnte wissen, dass sie sich nie wieder öffnen sollten....
 

Er schritt langsam durch die Eingeweide der gewaltigen Maschine, bis er seinen Thron hinter dem schmalen Panzerglasfenster erreichte. Eine geübte Handbewegung schlug seinen Umhang zurück und er nahm genüsslich Platz. Endlich wieder hier. Endlich wieder vereint mit dem Maschinengeist. Seinem Maschinengeist. Ein scharfes Klicken als er sich zurücklehnte und die Implantate sich mit dem Thron verbanden. Dann eine vertraute Kälte die in sein Gehirn eindrang und die uralte Stimme die ihn willkommen hieß. Er schloss die Augen und als er sie wieder öffnete sah er nicht mehr mit ihnen. Er war auch nicht mehr ganz Mensch. Seine Augen waren in schwindelerregenden dreißig Metern Höhe und um seine gewaltigen Füße schwirrten winzige Gestalten, beeilten sich, den Hangar zu räumen und ihm Platz zu machen.
 

Neben ihm nahmen seine Moderati ihre Plätze ein und überprüften die gewaltigen Geschütze. Irgendwo im Bauch der gigantischen Maschine sprach der Techpriester die Litanei der Erweckung. Langsam kamen alle Systeme online, die vier riesigen Waffensysteme wurden von Energie erfüllt und die Deflektorgeneratoren luden auf. Der Maschinengeist war nun vollständig erwacht und der Princeps musste bereits die Kälte zurückdrängen die seinen Geist zu überschwemmen begann. Würde er das nicht tun, würde seine Seele von der Maschine zerfressen werden und sein Körper sterben. Dies war der Preis für die Macht die er besaß, nun da sein Warlord - Kampftitan erwacht war. Nun war er ein Halbgott des Schlachtfeldes. Er war der Titan. Er war Legion.

Die Endergonen

[Fluff zu einem für einen eigenen Codexeintrag von mir erdachten Volk. ]
 

Die Endergonen sind ein friedliches Volk von Waldbewohnern aus der Nordregion des Damokles-Golfes. Während der Rückeroberungsphase der Tau nach dem Damokles-Kreuzzug entdeckte eine Sippe der Kroot die primitiv anmutenden Städte der Endergonen auf einem kleinen Waldmond auf dem sie einen imperialen Horchposten vermutet hatten. Sie waren sehr überrascht, als die Spur der Energiesignaturen sie zu einer kunstvoll um die gigantischen Bäume geschlungenen Stadt führte. Noch überraschter aber waren sie, als die auf den ersten Blick primitiven Einwohner die schwer bewaffneten Kroot freundlich empfingen.

Wie die Kroot später erst feststellten, waren sie die ganze Zeit bereits von Kriegern der Endergonen beschattet worden. Die Kroot waren schwer beeindruckt. Weder ihre auf den Wald abgestimmten Sinne noch ihr modernstes, Tau-Inspiriertes Sensorequipment hatten sie aufspüren können.

Wie sich herausstellte, sind die Endergonen eine technologisch hochentwickelte Kultur, doch wegen dem dichten Blätterdach ihres Waldes hatten sie nie Luftfahrzeuge entwickelt und ohne den freien Blick auf einen Sternenhimmel hatte es sie nie in den Weltraum gezogen.

Ihre Technologie ist größtenteils verborgen. Schlanke Antigravmotoren, versteckt unter hölzernen Plattformen, halten die kühneren Konstruktionen in den Baumwipfeln und schwach bläulich schimmernde Lichtsäulen tragen Liftplattformen aller Größen, die von den Städten in den Wipfeln bis hinunter auf den Waldboden reichen.

Die Endergonen selbst sind schlaksige Erscheinungen, sie wirken fragil mit ihren schlanken Gliedmaßen und der blassen Haut und bewegen sich anmutig. Einzig ihre glühend orangenen Augen stören das Bild.

Die meisten Endergonen sind offene und herzliche Charakter, doch wenn sie über ein gewisses Maß gereizt werden verfallen sie in eine gefährliche Ruhe in der sie kalt und berechnend jeden auslöschen der sich ihnen entgegenstellt. Dazu verwenden sie meistens kraftverstärkende Bögen mit einer enormen Reichweite. Die Federn der Pfeile sind winzige Antigravtriebwerke und treiben die tödlichen Explosivspitzen wie ein Propeller voran. Diese Spitzen sind selbst kleine Wunderwerke der Technik. Zwei kleine Plasmatriebwerkszellen treiben die Spitze nach dem Einschlag tiefer in das Ziel, bevor der starke Sprengkopf detoniert und das Ziel von innen zerreißt. Gegen schwer gepanzerte Ziele sind diese Pfeilspitzen eher ineffektiv, da sie meist nur an ihrer Oberfläche detonieren. Trotzdem flößt das infernalische Kreischen der Plasmatriebwerke kurz vor der Detonation feinden einen guten Schub Angst ein.

Einige wagemutige Endergonen schlossen sich der 1. Ke‘lshan RKG an und fungieren jetzt als vorgeschobene Späher und Kundschafter. Sie mischen sich selten direkt in eine Schlacht ein sondern bleiben meistens versteckt und geben Feindbewegungen an die Jagdkader durch, leiten abspringende Krisis zu ihren Landungskoordinaten oder feuern aus dem Hinterhalt ihre Pfeile auf unvorsichtige Feinde.

Alpha

"Vorbereiten!" Die Stimme deines Truppführers klingt angespannt.
 

Deine Hände bewegen sich wie von selbst. Jahrelang eingeübte Bewegungen machen dein Gewehr feuerbereit. Es liegt kühl und schwer in deinen Händen. Normalerweise beruhigt dich sein vertrautes Gewicht aber heute ist es anders.
 

Heute hat dein Zugführer, unter dem du seit zwei Jahren dienst und dem du blind vertraust, zum ersten Mal keine detaillierte Planung für den Einsatz vorgelegt.
 

Deine Hände überprüfen die schwere Panzerung deines Kameraden vor dir. Sie sitzt perfekt, wie immer. Ihr dreht euch beide um, damit er deine Schutzplatten festzurren kann. Du hast den rechten Schultergurt vergessen. Wie immer. Normalerweise beruhigt dich der scharfe Zug mit dem er angezogen wird, aber heute ist alles anders.
 

Heute liegt dein Zugführer, unter dem du seit zwei Jahren dienst und dem du blind vertraust, zum ersten Mal als verdrehter und blutiger Haufen vor einem Raum. Einem Raum den du und deine Kameraden gleich stürmen werden.
 

Du lehnst dich an die Wand und wartest auf das Tippen ans Bein, mit dem dein Vordermann seine Bereitschaft anzeigt. Als es kommt erwiederst du es reflexartig, denn du bist der Letzte in der Reihe. Normalerweise beruhigt dich eine solide Wand an der du lehnen kannst, aber heute ist alles anders.
 

Heute weißt du nicht, was hinter dieser Wand auf dich und deine Kameraden wartet. Du weißt nur, dass es schon zwei von ihnen getötet hat. Ein weiterer hat überlebt, zumindest bis sein Geist realisiert hatte, dass ihm die kompletten Eingeweide fehlten. Der letzte war unversehrt aus dem unscheinbaren Reihenhaus gelaufen und hatte sich dann lachend selbst gerichtet.
 

Du stützt also dein Gewehr an die Schulter, versuchst deine Atmung unter Kontrolle zu bekommen und wartest auf den Moment.
 

"Stürmen!"
 

Das einzelne Wort treibt Adrenalin durch deine Adern und bringt dein Gehirn auf Höchstleistung.

Alles scheint langsamer zu werden.

Wie dein Truppführer die Tür eintritt.

Wie dein Kamerad vor dir eine Blendgranate hindurch wirft.

Wie er den betäubenden Knall abwartet und dann durch die Tür ins Ungewisse tritt.
 

Aber auch wie ihn eine unsichtbare Hand packt, ihn wieder aus dem Zimmer schleudert und mit einem ekelhaften Geräusch gegen die Wand schmettert, so stark, dass die Ziegelmauer eingedrückt wird.
 

Wie dein Truppführer in die Tür tritt und seine automatische Schrotflinte in den Raum feuert.
 

Wie er mit seiner leergeschossenen Waffe in den Händen und mit zitternder Stimme zu sprechen anfängt: "Es ist ein Kind! Ein verdammtes Kind!"
 

Wie ihm ein grauer Schleier entgegenschießt der rot wird als er ihm in einem Wimpernschlag alle Haut, Muskeln, Organe vom Skelett schmirgelt.
 

Wie das gebleichte Skelett noch eine scheinbare Ewigkeit steht bis es unweigerlich in seine Einzelteile zerfällt.
 

Spätestens jetzt solltest du Angst haben, aber dein adrenalinüberfluteter Körper sieht das nicht ein.
 

Dein letzter Kanerad ruft dir etwas zu. Du verstehst seine Worte nicht mehr, aber du weißt was er sagt. Gleichzeitig hakt ihr Splitterganaten von euren Koppeln, befreit sie von Stiften und Sicherungsbügeln und zählt drei quälend lange Sekunden ab.
 

Du schleuderst den tödlichen Sprengkörper in den Raum.

Wartest.

Knall. Splitter. Rauch.

"Rein!"

Schwäche

Eine Marktstraße irgendwo im Imperium. Überall Menschen, die ihr tägliches Leben führten, ohne Wissen über die Schrecken des Warp. Manchmal beneidete Ralei sie. Als Inquisitor hatte er exklusives Wissen über Dämonen und andere Warpwesen. Wissen, dass einen untrainierten Geist in den Wahnsinn treiben könnte.

Aber diese Leute, durch deren geschäftiges Treiben er sich gerade unerkannt einen Weg bahnte - Diese Leute wachten jeden Morgen auf, gingen zur Arbeit, kehrten abends nach Hause zurück, stets im festen Glauben, dass ihre Welt unerschütterlich sicher war.

Krieg war immer nur auf anderen Welten. Dort, wo die Zehntregimenter hingeschickt wurden. Nie würde hier etwas derartiges...

Ein dumpfer Einschlag an seinem Bein riss ihn aus seinen Gedanken.

Er blickte nach unten und sah ein kleines blondes Mädchen am Boden liegen, das sich den Kopf rieb, mit dem es gerade von der Keramikplatte unter Raleis langem Mantel abgeprallt war.

"Mirija!"

Eine junge Frau elite an ihre Seite und schimpfte das Kind während sie es wieder auf die Beine stellte. Sie hatte die selbe Haarfarbe wie das Mädchen und ihre abgerissene Kleidung bildete einen starken Kontrast zu Raleis edlem Ledermantel.

Noch bevor sie eine Entschuldigung hervorbringen konnte kniete der fremde Mann schon vor ihrer verschreckten Tochter, hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt und redete beruhigend auf sie ein.

Als er sich wieder aufrichtete hatte sie sich beruhigt und knabberte glücklich an einer knallroten Süßfrucht.

Der jungen Frau stockte der Atem.

Nicht nur, dass die Frucht sehr teuer war. Sie kannte diesen Mann. Und er erkannte sie.

"M- Milord..." Begann sie zu stammeln.

Ralei hob seine freie Hand: "Nicht. Es gibt Gestalten, die nicht wissen müssen, wer ich bin."

Sie verstand.

"Entschuldigt vielmals. Es ist nur... Seit mein Mann mit Euch gegangen ist wurde das Leben schwerer. Der Krieg vor zwei Jahren." Sie seufzte. "Mir ist nur unsere Tochter geblieben."

Während sie noch redete, ging Ralei seine Erinnerungen durch. Er war sicher, dass er einen seiner persönlichen Gardisten von diesem Planeten rekrutiert hatte. Nur welcher der dutzenden Soldaten, die ihn die letzten drei Jahre begleitet hatten, war ihr Ehemann?

"Slivio hat von Euch in höchsten Tönen gesprochen, darum ließ ich ihn auch gehen. Aber nun flehe ich Euch an, gebt ihn..."
 

Sie sprach weiter, doch Ralei hörte sie nicht mehr.

Er hörte nur seine eigene Stimme, zornig und unnahbar:

"Soldat Slivio! Für das Verbrechen der Feigheit vor dem Feind verurteile ich dich zum Tod!"
 

Ihre Lippen bewegten sich, doch Ralei sah ihr Gesicht nicht mehr.

Er sah nur das Gesicht des Gardisten, den er soeben zum Tode verurteilt hatte.

Wie er sich danach umdrehte um feige die Flucht anzutreten, wie er es einen Moment zuvor bereits versucht hatte.

Ralei, der Mensch konnte es verstehen. Die Horden des Erzfeinds waren schreckliche Gegner.

Doch Ralei, der Inquisitor, der Feldherr, konnte keine Schwäche in seinen Reihen dulden.
 

Seine Hand lag noch immer auf der Schulter ihrer Tochter, doch er fühlte den groben Stoff nicht.

Er fühlte das Leder, das den Griff seiner Boltpistole umgab.

Den kühlen Stahl des Abzugs.

Den scharfen Ruck als die Waffe das Leben eines Mannes beendete.
 

Ralei realisierte, dass er noch immer die Hand auf der Schulter des Mädchens liegen hatte. Dieselbe Hand mit der er ihren Vater erschossen hatte.

Späne

Klappernd fiel das Stück Holz zu Boden. Norvald grunzte genervt und hob es mit seiner gesunden Hand wieder auf. Nachdem er es auf den Tisch gelegt hatte justierte er zum fünften Mal heute Morgen seine stählerne Prothese.

Das klobige Ding ersetzte jetzt schon seit einigen Wochen seine rechte Hand. Angeblich war es ein vollwertiger Ersatz aber bisher machte es mehr Probleme als es löste.

Durch einen Schlag mit der flachen Hand brachte er die klemmende Abdeckung dazu, sich zu schließen. Damit hatte sich vermutlich wieder irgendeine wichtige Schraube gelöst aber ihm war es egal.
 

Er spannte sein Holzteil in die Drehbank ein und ließ seinen Blick über die dutzenden Drechselmesser wandern, die vor ihm an der Wand hingen.

Er stutzte.

Seit wann hing das Bayonett dort? Und warum?

Skeptisch griff er nach der Waffe und wog sie in der Hand. Die Rückseite der Klinge war blutverschmiert.

Eine Erinnerung blitzte auf:

Er, wie er mit einer ebensolchen Waffe wieder und wieder auf das Monster einstach, das gerade aus dem Boden gebrochen war und einem seiner Kameraden mühelos den Bauch aufgeschlitzt hatte.

Das enttäuschende Klacken mit dem das Bayonett immer wieder von dem blau schillernden Chitinpanzer abprallte und die schrillen, unmenschlichen Schmerzensschreie des Soldaten, den das Monster zerfleischte bis jemand seine Muskete aus kürzester Entfernung in den Kopf des Monsters feuerte.

Mit einem Aufschrei ließ er das Bayonett fallen.
 

"Norvald?", rief seine Frau mit besorgter Stimme.

"Es... Es ist alles in Ordnung!", antwortete er, ohne den Blick von dem Schnitzmesser zu nehmen, das zitternd im Boden steckte.

Natürlich. Milizionären war es verboten, Ausrüstung der salestrischen Armee zu behalten.

Vorsichtig zog er das Messer aus den Holzdiehlen. Vielleicht war heute kein guter Tag zum Drechseln.
 

Er atmete tief durch und stellte sich an die Hobelbank. Schließlich brauchte der Stuhl, an dem er arbeitete, noch eine Rückenlehne.

Vorsichtig nahm er den Hobel aus dem Regal. Beinahe erwartete er eine weitere Kapriole seines Verstandes, aber nichts geschah.

Die Klinge schnitt mühelos in das Holz und hob eine Schicht nach der anderen ab. Beim fünften Zug brach plötzlich ein grelles Kreischen aus dem Holzblock. Orangenes Blut verschmierte das Holz und zog geifernde Fäden von der Hobelklinge. Beißender Gestank nach dem Pulver der Musketen und Kanonen erfüllte seine Wahrnehmung. Nach dem Blut seiner Mitstreiter. Den ätzenden Körpersäften der vielgliedrigen Monster, deren Körper sich vor den Mauern der Nordfeste türmten.

Norvald unterdrückte einen weiteren Schrei als er rückwärts taumelte.

Sein Arm stieß gegen etwas, das klappernd zu Boden fiel, und ein stechender Schmerz schoss durch seinen Unterarm.

Zögerlich drehte er seinen Arm bis er sehen konnte, was den Schmerz verursachte. Diesmal konnte er den Schrei nicht unterdrücken.

Ein fetter schwarzer Wurm klebte an seinem Arm und fraß sich mit hässlichem Schmatzen in sein Fleisch. Rot leuchtende Augen sahen ihn mit unnatürlichem Hunger an und erfreuten sich an seiner Angst.

Einen unendlich langen Augenblick starrte Norvald die rasiermesserscharfen Mundwerkzeuge an, die gierig sein Fleisch in die immer fetter werdende Made stopften.

Endlich überwand er seine Schockstarre, packte den nächstbesten Gegenstand und schlug auf das Höllentier ein. Dass die Schläge mit dem schweren Spachtel seine Haut unnatürlich eindellten fiel ihm gar nicht auf. Erst als der Wurm mit einem ekelerregendem Geräusch aufplatzte und sein Inneres über den Boden verteilte, hatte er einen Moment Zeit, sich über die Deformierung zu wundern.

Dann schlossen sich zwei mächtige Krallen um seine Schultern. Anscheinend war die Mutter angekommen um die Brut zu retten. Ohne zu denken drehte Norvald sich um und schlug nach dem Monster, doch das fing seinen Schlag mühelos ab und wand ihm seine improvisierte Waffe aus der Hand.

Er versuchte sich zu befreien, doch er kam gegen die übermenschliche Macht nicht an.

Jetzt erst sah er dem Monster ins Gesicht. Er erstarrte als er die besorgte Miene seiner Frau erkannte, die ihn jetzt sicher in die Arme schloss. Er krallte sich mit seiner gesunden Hand in ihr weiches Kleid und Tränen der Verzweiflung benetzten seine Wangen während er hilflos wimmerte:

"Sie sind noch da draußen."

Power

Kortus' dröhnendes Gehirn brauchte einige Sekunden um festzustellen, dass seine Augen zwei sehr unterschiedliche Bilder wahrnahmen. Es dauerte einen weiteren Moment, bis er begriff, dass es kein gutes Zeichen war, wenn die Sonne durch eine Stelle schien, an der eigentlich das solide Ceramit seines Helmes sein sollte.

Seine Kampfinstinkte schalteten sich ein und überdeckten die Kopfschmerzen.

Vitalsystem. Leichte Gehirnerschütterung, sonst nicht beeinträchtigt.

Skelett. Keine Brüche. Stauchung im rechten Knöchel, geschient durch die Rüstung.

Sonstige. Einschnitt in Brust, verschorft, heilt bereits.

Körperhaltung. Auf dem Rücken liegend, ein Bein zur Seite verdreht.

Rüstung. Brustplatte und Helm durch einen Schlag schwer beschädigt.

Waffen. Unbekannt.

Umgebung. Zerstörte Hütte aus Lehmziegeln, keine Aktivität zu sehen oder zu hören.
 

Kortus richtete sich auf. Schutt polterte von seiner Rüstung und ein stechender Schmerz schoss durch seinen Kopf. Er erlaubte sich ein Stöhnen und blinzelte während seine zwei Herzen die schwarzen Ränder vertrieben, die sich in sein Gesichtsfeld schleichen wollten.

Eine seiner Helmlinsen war beschädigt, sodass die Anzeigen unbrauchbar waren. Die andere war einfach weg, zusammen mit dem Funkgerät. Ein mächtiger Hieb hatte den Helm gespalten und dann dem stolzen Adler auf seiner Brustplatte den Flügel gestutzt.
 

In diesem Zustand war der Helm eher Gefahr als Schutz, also zog Kortus ihn von seinem Kopf und legte ihn in den feinen Sand, der den Boden bedeckte. Dabei entdeckte er die vertraute Form seines Bolters unter den Trümmern und griff danach. Erinnerungen strömten in seinen Geist, als seine Finger die Waffe umfassten. Die Suche nach geeigneten Rekruten in einer Stadt mitten in der endlosen Wüste von Derenos III. Die wunderschöne Sonne. Dann plötzlich der Erzfeind. Nur Überläufer der Garde, mit denen er und die PVS gut zurechtkamen bis plötzlich ein Chaos Marine auftauchte. Und mit ihm das Schwert, das ihn beinahe seinen Kopf gekostet hatte.
 

Den Abschaum hatte Kortus mit seiner letzten Sprenggranate der Gnade des Imperators überlassen doch sein Bolter war im Ringkampf unter die Kämpfer geraten. Die nutzlos gewordene Waffe folgte dem Helm während Kortus seine Boltpistole zog. Der martialische Aquila auf der Oberseite präsentierte acht golden leuchtende Federn. Voll geladen.
 

Unter lautem Kirschen der Trümmer über seinen Beinen wuchtete sich der Marine auf seine Füße. Er ignorierte das Stechen im Knöchel und badete einen Moment in den warmen Sonnenstrahlen, die durch das Loch in der Wand fielen.

Dabei strengte er sein Lymansches Gehör an. Ein schwaches Knattern drang an sein Ohr. Möglicherweise ein schwerer Bolter, aber wegen dem Echo in den Gassen war die Richtung unmöglich zu bestimmen.
 

Doch da war noch etwas. Schritte, keine zwanzig Meter entfernt. Mit einer lautlosen Bewegung schmiegte sich Kortus neben das Fenster durch das er die Schritte gehört hatte.

Mehr Schritte, mindestens vier Individuen. Freund oder Feind?
 

Eine Stimme zischte einen Befehl, unverständlich durch eine Gasmaske, und Kortus hörte das vertraute Klicken als Autogewehre durchgeladen wurden.
 

Die Planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Derenos III verwendeten ausschließlich Lasergewehre; die meisten Projektilwaffen waren im ewigen Sand zu unzuverlässig.

Er schloss die Augen um sich voll auf sein Gehör konzentrieren zu können. Er konnte die Schritte von fünf Personen unterscheiden. Eine ging voraus, der Rest schien in dichter Formation zu folgen.
 

Unter normalen Umständen wären selbst zehn Soldaten keine größere Herausforderung gewesen, aber ohne Helm stellte schon ein einzelnes Sturmgewehr eine ernste Gefahr dar. Und Imperator wusste, was die Ketzer noch mit sich führten.
 

Kortus halfterte seine Pistole und zog sein Kampfmesser aus der Scheide im Rückenmodul. Leichter Wind kam auf und der Marine nahm eine Spur Prometheum wahr.

Mobile Infanterie?

Nein, zu feiner Brennstoff für Rückstände eines Panzermotors. Ein Flammenwerfer.
 

Er rutschte ein Stück die Wand entlang bis er auf halber Höhe zwischen der Tür und der Hausecke war. Das Überraschungsmoment war in dieser Situation sein hilfreichster Verbündeter, und hier kam ihm die Gensaat der Blazing Angels zu Hilfe. Sie alle hatten ein enorm gesteigertes Wahrnehmungsvermögen für Wärmestrahlung.

Regungslos wartete er darauf, dass er durch die Wand eine kleine aber kräftige Wärmequelle spürte.
 

Er spannte sich an, machte seine flache Hand zur Dampframme und stieß glatt durch die kompakten Lehmziegel. Ein erschrockener Schrei folgte, als der orangene Panzerhandschuh zwischen den Ketzern aus der Wand brach.
 

Kortus bekam etwas zu fassen. Er krallte seine Finger mit voller Kraft zusammen und riss seinen Arm zurück, was mit einem schmerzerfüllten Schrei quittiert wurde. Etwas unförmiges, blutiges hing zwischen seinen Fingern, zusammen mit einem Stück verbogenem Metall.
 

Der Mann mit dem Flammenwerfer schwankte gefährlich und starrte durch seine Gasmaske auf die Stelle wo bis eben noch sein Arm gewesen war. Prometheum strömte aus dem zerfetzten Schlauch und vermischte sich zu seinen Füßen mit seinem Blut. Beißende Dämpfe erfüllten die Luft.

Wie in Zeitlupe sackte der Soldat zusammen während der Schock ihn übermannte.

Er war gerade erst auf die Knie gefallen als die Zündflamme das brisante Luft-Treibstoffgemisch entzündete.

Ein lodernder Fußball fegte durch die Gasse und verbrannte in einem Wimpernschlag die Lunge von einem der Ketzer zu Asche. Die drei anderen überlebten das Inferno, geschützt durch ihre Rüstungen und schieres Glück.

Trotzdem waren sie von dem Hitzestoß für einen Augenblick geblendet.

Mehr als genug Zeit für den Space Marine um zuzuschlagen.

Er brach mit einem simplen Schulterstoß einfach durch die massive Wand und rammte dem ersten Ketzer, den er wahrnahm, seinen Schulterpanzer gegen Oberkörper und Kopf. Der Soldat knickte unter dem Einschlag wie ein Strohhalm, dann wurde er zwischen der nächsten Wand und einer halben Tonne aus genetisch gestähltem Mensch und Rüstung zermalmt.
 

Kortus nahm am Rande wahr, dass er in einer Pfütze aus brennendem Treibstoff stand und Flammen über seine Unterschenkel strichen, doch statt sich darum zu kümmern, schlug er dem nächsten Feind sein Kampfmesser in die Brust.

Die verunstaltete Garderüstung hatte der Ceramitklinge nichts entgegenzusetzen und wurde glatt durchstoßen. Blut spritzte über getrockneten Lehm als die breite Klinge am Rücken wieder austrat.
 

Mit vor Angst verzerrtem Gesicht wich der letzte Ketzer vor dem flammenumrahmten Monstrum zurück und in seiner Panik verkrampfte er seinen Finger um den Abzug seines Automatikgewehres. Kortus ließ reflexartig sein Messer los und riss seine Arme hoch um sein Gesicht und die verletzte Brust zu schützen.

Kugeln prallten wirkungslos von Ceramit ab, nur eine fand den dünneren Handgelenksschutz aber blieb im Aramidgeflecht stecken. Einen Schlag seiner zwei Herzen später war dem Ketzer auch schon die Munition ausgegangen und Kortus ging zum Angriff über:

Er riss dem Soldaten das Gewehr aus den Händen und schlug damit nach dessen Kopf. Der wich instinktiv nach hinten aus und stolperte, wodurch der Gewehrkolben seinen Helm verfehlte. Stattdessen hämmerte er mit unheimlicher Wucht in die Rüstung.

Das Armaplast fing viel Energie auf; trotzdem zertrümmerte der Schlag dem Soldaten den Brustkorb und trieb die Luft aus seinen Lungen.

Er stürzte zu Boden und wand sich vor Schmerz, und in seiner Tarnhose breitete sich ein nasser Fleck aus.

Kortus machte einen Schritt nach vorn, sah den wimmernden Mann mitleidslos von oben an und hob seinen schweren Stiefel.

Solitude

In einem tiefschwarzen Gewölbe aus grobem Stein steht eine mächtige Gestalt in undurchlässigen Roben.

Ein schmaler Sonnenstrahl schneidet wie eine Klinge aus Licht von einer Öffnung an der Decke durch einen klaren Kristall im Boden durch den Raum, in der staubfreien Luft unsichtbar für das menschliche Auge.
 

Doch der breitschulterige Mann ist schon lange nicht mehr ganz menschlich.

Sein Körper ist durch Operationen verändert, sein Genom zu großen Teilen umgeschrieben, alles um ihn für den Krieg zu stählen.

Eine biologische Waffe.

Der tödlichste Krieger, den die Menschheit erschaffen kann.

Hochintelligent, stark, schnell, beinahe unverwüstlich.

Er hat zwei Herzen, die einen Kreislauf antreiben, der fast alle Gifte unwirksam machen und Wunden in Sekunden verschließen kann.

Um seine Knochen zu brechen braucht es eine enorme Kraft.

Seine Haut ist so stabil, dass Klingen an ihr abgleiten können und offenes Feuer sie nicht verbrennt.
 

Und dennoch...
 

Er streift den schwarzen Stoff von seinem Arm und entblößt die weiße Haut darunter.

Der schwache Lichtstrahl streift die Porzellanhaut.
 

Und dennoch... Die Apothecarii hatten es ihm in allen Details erklärt. Ein Teil seiner neuen Gene hatte sich verzerrt, ein Fluch, der unter so jungen Brüdern eigentlich nie vorkam. Ein Fluch, der seinen ultimativen Körper völlig ungeschützt vor Sonnenlicht zurückgelassen hatte.
 

Die Haut verfärbt sich tiefrot als der Lichtstrahl sie streichelt. Uralte Instinkte schalten sich ein und drängen ihn, seine Hand aus dem sengenden Licht zu ziehen. Er hält eisern still.
 

Und dennoch hatte der Fluch etwas Gutes bewirkt: Demut hatte er lange nur als Wort gekannt. Seine gesamte Kindheit und Ausbildung über war er von seiner Überlegenheit überzeugt gewesen, hatte sogar die Meister seines Ordens in Frage gestellt.

Dass er von den sanftesten Lichtstrahlen einer Sonne verbrannt und höllisch entstellt werden konnte hatte ihm schnell seine Überlegenheit zerstört.
 

Wie Rauch steigen Hautschuppen auf, abgestoßen von angezüchteten Schutzmechanismen. Genetisch veränderte Talgdrüsen sondern automatisch eine Schutzmembran ab um gegen die Sonnenstrahlen zu schützen als wären sie ein Feuerstrahl.

Die klare Flüssigkeit ist völlig wirkungslos.
 

Und dennoch konnte ein Teil von ihm die Schwäche nicht akzeptieren. Konnte sich nicht damit zufrieden geben, dass banales Sonnenlicht ihn besiegen konnte.

Er führte eine Vendetta. Sein Wille gegen seinen eigenen Körper, und eines Tages würde er triumphieren.

Der stählerne Wille, der seine Schlachtgebete befeuerte.

Der seine geliebten Brüder in Form von bloßen Worten zu noch größeren Leistungen beflügeln konnte als sie als Astartes ohnehin vermochten.
 

Aber nicht heute.

Der Berg von einem Mann zieht den Arm zurück, dessen Haut dunkelrot pulsiert. Seine Gesichtszüge sind entschlossen versteinert, doch seine Augen glänzen vor Schmerz und Zorn.

Zorn über ihn selbst.

Zorn über seinen so mächtigen Körper.

Zorn über seinen so schwachen Geist.

Zorn, den Ordenspriester Tyrael schon bald wieder seine Brüder hören und die Feinde der Menschheit spüren lassen wird.

Denn in der Schwärze seiner Einsamkeit sind die Flammen des Krieges das Einzige, das die Seele des mächtigen Champions der Menschheit zu erwärmen vermag.

Heimat

Der Wachmann an den dutzenden Kameramonitoren brauchte fast eine Viertelstunde um den Eindringling das erste Mal wahrzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits bis in den dritten Verteidigungsring vorgedrungen und hätte eigentlich von Anfang an ein Dutzend Bewegungsmelder und Lichtschranken auslösen und spätestens im dritten Ring von automatischen Lasergewehren und Wachservitoren attackiert werden müssen.

Dass der Eindringling nicht nur nicht als Aschehäufchen auf einem der Wege lag sondern noch nicht einmal einen einzigen Alarm ausgelöst hatte war schon sonderbar genug.

Noch merkwürdiger war, dass er sich nicht einmal die Mühe gab, sich zu verstecken. Die Gestalt in brauner Robe schritt mitten auf den Pfaden, die der ehrenwerte Lord vor über einhundert Jahren angelegt hatte um dort mit seinen zahlreichen Geliebten in Ruhe spazieren gehen zu können. Blieb vor Statuen und Plastiken stehen, schien sie ausgiebig zu betrachten bevor er weiter ging.
 

Der Wachmann schüttelte seine Verwirrtheit ab und besann sich auf das Wesentliche: Da war ein Fremder im Familiengarten.

Er legte einen Schalter auf seiner Kontrolltafel um und aktivierte damit die Wachservitoren.
 

Zwei verzierte Gestalten auf Ketten lösten sich aus ihren Alkoven, die Zwillings-Sturmgewehre feuerbereit.

Sie fuhren über den Steinweg auf den Fremden zu und führten die Laserzielvisiere der Waffen auf den breiten Brustkorb unter der Robe. Doch anstatt die vorprogrammierte Warnung abzugeben und im Zweifel das Feuer zu eröffnen sicherten die Servitoren ihre Waffen und machten dem Eindringling sogar respektvoll Platz als er dem Weg ungerührt weiter folgte.
 

Ihre Statusmeldungen zeigten, dass ihre Biosporenscanner angesprochen und den Eindringling als Familienmitglied identifiziert hatten.

Der Wachmann schüttelte ungläubig den Kopf, drückte auf den Knopf für allgemeinen Eindringlingsalarm und griff dann zögerlich nach der schweren Schrotflinte im Waffenschrank neben ihm.
 

Marchese Chianni Mossiano schreckte aus dem Mittagsschlaf als das Pfeifen des Hausalarms in seine Ohren stach.

Er schob seine Decke aus schwerer iocanthischer Seide beiseite und horchte auf die Geräusche von draußen während er aufstand und den Morgenmantel aus kostspieligem Samt enger um seinen durch dutzende Operationen junggebliebenen Körper zog.
 

Laute, aufgeregte Rufe von draußen ließen ihn nach dem Schwert greifen, welches die Wand über dem Sofa zierte, auf dem er gelegen hatte.

Die pingelig gepflegte Klinge glitt widerstandslos aus der kunstvollen Lederscheide und er drückte zweimal auf den Aktivierungsknopf.

Nichts geschah. Ardimentoso ließ sich noch immer nicht von ihm aktivieren. Eine lächerliche Marotte des Maschinengeistes, war die Waffe doch auf sein eigen Fleisch und Blut programmiert - den Gencode seines Sohnes!
 

Aber auch ohne das Energiefeld war das Schwert noch immer eine von Meisterhand geschmiedete Waffe und dementsprechend scharf. Mit Ardimentoso in der einen und einer verzierten Laserpistole in der anderen Hand traute sich Chianni auf den Gang hinaus.

Die beiden Leibwächter, die in voller Plattenrüstung vor seinem Schlafzimmer Wache gestanden hatten, traten sofort an seine Seite: "Marchese. Wir haben einen Eindringling vor der Pforte gestellt. Bitte bleibt in Euren Gemächern während wir uns um dieses vorübergehende Ärgernis kümmern."
 

"Unsinn. Ich werde mich doch nicht in meinem eigenen Haus verstecken!"

Nein, er würde ihm in die Augen sehen und Stärke zeigen bevor seine Wachen ihn erschossen. Sollte er es überhaupt durch die massiven ceramitverstärkten Tore schaffen.

Ein Krachen und Schreie von draußen ließ die beiden Wachen ihre kompakten Gewehre enger umgreifen. Chianni atmete durch und trat auf die Balustrade hinaus um auf die Eingangstür und den Eindringling herabsehen zu können.
 

Zum Entsetzen des Marcheses stand die Tür sperrangelweit offen, ohne das geringste Anzeichen von Gewaltanwendung - und auf dem Boden verteilt lagen seine Wachen mit verbeulten Rüstungen und schmerzerfüllten Gesichtern.

Vier Wachservitoren mit ihren schweren automatischen Waffen umgaben eine riesige Gestalt in einer braunen Robe.

Der einfache Stoff wurde nur von einem geflochtenen Ledergürtel zusammengehalten und die hohe Kapuze ließ das Gesicht ihres Trägers im Schatten.

Alle Waffen der Servitoren waren gesichert und ihre grauhäutigen Köpfe respektvoll gesenkt.
 

"Ihr müsst schwere Zeiten hinter Euch haben, Marchese Chianni Vittore Cristiano Natale Mossiano", begann der Mann in der Robe mit tiefem Bass zu sprechen, "denn sonst hätte die Qualität Eures Personals nicht so sehr abgenommen, dass die Servitoren mich erkennen und Eure Wachen nicht."
 

Chianni lief es eiskalt den Rücken hinab. Seinen dritten Vornamen kannte niemand außer seiner Familie und einer längst verstorbenen Bürokratin des Administratums. Außerdem kam ihm die Stimme bekannt vor.

Wer war dieser Mann? Könnte er etwa zur Inquisition gehören, die angeblich auf alle Register des Administratums Zugriff hatte und definitiv die Ausrüstung besaß, die man brauchte um einfach durch seine Verteidigung spazieren zu können?
 

Wie an einem Marionettenfaden gezogen und nicht ohne ein leichtes Zittern hob er die Laserpistole bis der holographische Visierpunkt auf dem Brustkorb der Gestalt lag.

"Niemand kennt diesen Namen. Wer bist du? Was willst du in meinem Haus? Maledetto stronzo! Zeige mir dein Gesicht!"
 

Die Gestalt machte urplötzlich und scheinbar ohne Schwung zu holen einen Satz nach oben.

Der Fremde war riesig, weit über zwei Meter groß und fast halb so breit. Trotzdem war er mühelos die vier Meter hinaufgesprungen.

Bevor Chianni sich von seinem Schreck über die unnatürliche Bewegung erholen und reagieren konnte flog seine Laserwaffe schon im hohen Bogen durch den Raum und der Fremde hatte Ardimentosos Klinge zwischen seinen schaufelgroßen Handflächen gepackt.

Ein scharfer Ruck und auch das Schwert wurde ihm aus der Hand gerissen.
 

Jetzt erst reagierten seine Leibwächter. Der Laserschuss des einen zog eine Schmelzspur über den dichten Stoff der Robe, konnte ihn aber aus irgendeinem Grund nicht durchdringen. Der andere Wächter feuerte in Panik aus seiner vollautomatischen Schrotflinte.

Er sein Ziel komplett, denn das hatte wieder begonnen, sich zu bewegen, und einen Augenblick später ließ der krachende Einschlag des gerüsteten Mannes den Putz von einer Säule splittern.
 

Das Lasergewehr erwachte erneut zum Leben, scheiterte aber auch diesmal am armaplastfaserverstärkten Stoff der Robe. Die Riposte bestand aus der flachen Seite des gerade eroberten Schwertes, die den Wächter so hart am Helm traf, dass der Mann einfach zusammenklappte.
 

Chianni war jetzt völlig schutzlos und wich angsterfüllt vor dem Eindringling zurück bis er an die Balustrade stieß und nicht weiter konnte.

"Imperatore mio, wer oder was bist du? Was willst du von mir?"
 

Wortlos umgriff der Eindringling Ardimentoso enger; sein Finger fand den in der Parierstange versenkten Knopf und drückte ihn.

Der primitive Maschinengeist erwachte, der Biosporenleser überprüfte ob die Hand, die ihn hielt, lebendig war und verglich ihren genetischen Code mit seinem Speicher.
 

Eine Entladung zuckte über das Schwert als das Energiefeld aufgebaut wurde und die feinen Verzierungen entlang der Klinge begannen in gespenstischem Blau zu leuchten.

Das Peitschen der Elektrizität ließ Chianni ängstlich aufschreien, er versuchte panisch zurückzuweichen doch in Fluchtrichtung ihm war nur die Balustrade und der Abgrund dahinter.

"Willst du Geld? Ich gebe dir soviel du willst! Alles! Aber bitte..." Seine Stimme erstarb in einem Quieken als der Fremde ausholte.
 

Die tödliche Klinge schwang direkt auf seinen Hals zu und Chianni wartete auf den Tod.
 

Doch der Tod kam nicht.
 

Die Klinge war vor seinem Hals zum Stehen gekommen, so nah, dass er das Kribbeln der Elektrizität auf seiner Haut spüren konnte. Er wollte Schlucken doch er traute sich nicht, aus Furcht, dadurch das zerstörerische Energiefeld zu berühren.
 

Ohne die Schwertspitze nur einen Millimeter zu bewegen richtete der Fremde sich zu voller Größe auf und streifte mit der freien Hand seine Kapuze nach hinten.
 

Aus dem Schatten erschien das Gesicht eines Mannes.

Ein Gesicht, welches - bis auf die tiefbraune Hautfarbe - dem Mann auf dem riesigen Gemälde an der Wand hinter ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war.
 

"Ich bin Bruder Victor vom ehrenwerten Orden der Blazing Angels. Doch bevor ich zum Astartes wurde war ich Ansghar Chianni Vittore Natale Mossiano von Malfi. Und jetzt bin ich gekommen um zu holen was meine Familie mir in ihrem Verrat schändlich verweigert hat. Vater."



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  SamanthaTomson
2008-10-12T16:43:58+00:00 12.10.2008 18:43
Jawohl! Anders wird man diese Dinger auch nicht los. Die können wahrhaft picksende Kletten sein. ^^
Von:  SamanthaTomson
2008-10-12T16:38:27+00:00 12.10.2008 18:38
Gefällt mir.Gute Kurzstory. Ich mag die Spezies Blutsauger zwar nicht so, aber deine Schreibweise hat mich überzeugt.


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