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Of what we really are

The worst part of you is me II
von

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And soon the world will cease to be

Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Fanfic eine etwas zeitversetzte Fortsetzung zu "The worst part of you is me" http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/72226/178798/ darstellt. Man muss die Vorgeschichte nicht zwingend gelesen haben, natürlich wäre es für das Verständnis einiger Geschehnisse sicherlich von Vorteil ;) Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Lesen!
 

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1. Kapitel - And soon the world will cease to be
 

Ein greller Blitz erhellte den Abendhimmel St. Erpelsburgs und tauchte Eddie Erpels Wohnzimmer in ein schwaches Licht. Starker Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Es war inzwischen April.

„Ich verstehe wirklich nicht, was du an dieser hirnverbrannten Sendung findest“, seufzte Eddie resigniert und fuhr sich durch die Federn. Auf der Mattscheibe flimmerte ein großes Kreuzfahrtschiff nahe einer Lagune auf.

„Aber Eddie, das ist die brandneue Staffel von „Schaumschiff“! Endlich wird sich entscheiden, ob die Heirat des zweiten Steuermannes an Bord gefeiert, und der Kapitän seinen Schiffskoch wirklich feuern wird!“, erklärte Quack euphorisch.

„Ergreifend!“, seufzte Eddie und streckte theatralisch den Arm aus, „wenigstens kommen Herb und Binky nicht wieder auf die wahnwitzige Idee, sich die Sendung bei uns anzusehen“, knurrte er.

Ein wohlbekanntes Geräusch ließ ihn herumfahren. Einer seiner blauen, dem Transport dienenden Sessel hatte sich gedreht und im nächsten Moment erhob sich ein Erpel in gelben Anzug daraus.

Fiesoduck.

Seit er ihn bei sich aufgenommen hatte waren vier Monate vergangen, dennoch kam es ihm wie gestern vor, dass er mit ihm in der einsamen Lagerhalle gestanden hatte. Fiesoduck nickte ihm grüßend zu und bahnte sich seinen Weg in die Küche. Eddie seufzte erneut. Die meiste Zeit hielt Fiesoduck sich im Darkwing Tower auf und er selbst bekam ihn nur selten zu Gesicht. Er wusste nicht wo er sich sonst noch rum trieb oder was er den ganzen Tag lang tat. Er wusste nur eins: Fiesoduck war noch nie einsamer gewesen.
 

Kaum war der Abspann von „Schaumschiff“ über den Bildschirm geflimmert, klingelte das Telefon. Darkwing nickte Quack zu, sodass dieser zum Hörer griff. Er selbst machte sich auf den Weg in die Küche. Langsam drückte er die Türe auf und lugte hinein.

„Hey Fiesoduck, hast du vielleicht Hunger? Wir haben noch Kotelett vom Abendessen übrig, Quack hat zwar gekocht und es ist auch etwas scharf, aber man kann es diesmal zur Abwechslung wirklich essen…“

Doch Fiesoduck war verschwunden.
 

„Wirklich? Also wissen sie, ich habe in St. Erpelburg eine Arbeitsstelle gefunden und mein Erscheinen dort ist wirklich enorm wichtig…“, brabbelte Quack entschuldigend in den Hörer. „Ja ich weiß, dass ich gesagt habe, dass ich zurückkehren werde, wenn sie mich benötigen. Ja… als Aushilfe? Acht Monate?“, runzelte Quack die Stirn und schien ernsthaft zu überlegen. „In Ordnung“, stimmte er schließlich zu, „erwarten sie mich morgen früh in Entenhausen.“
 

Kalter Regen prasselte auf seinen Schnabel und lief in dünnen Rinnsalen an ihm hinab. Seine blauen Augen blickten leer in den dunklen Abendhimmel und betrachteten gebannt die düsteren Wolken, die ein Spiegel seiner Seele zu sein schienen. Vier Monate waren seit dem Wendepunkt seines Lebens vergangen. Er schluckte und starrte weiter zum Himmel hinauf. Nun, da er bei Darkwing wohnte, war ihm mehr den je bewusst geworden, wie er sein Leben vergeudet hatte. Dass Darkwing all das verkörperte, was er in seinem Dasein missen musste. Er musste zugeben, dass ihm sein jetziges Leben durchaus gefiel, dennoch fühlte er sich… unwohl. Unfähig mit anderen zu kommunizieren. Befehle hatte er gegeben und mit Freude gesehen, wie sie furchtsam befolgt worden waren. Er konnte nicht auf andere eingehen, deswegen flüchtete er vor ihnen. Und vor sich selbst. Nahezu den ganzen Tag trieb er sich in Darkwings Geheimversteck rum, nicht selten zog es ihn auch zurück in die verruchten Viertel der Stadt; Orte seiner verbrecherischen Vergangenheit. Doch er musste aufpassen, langsam sprach es sich rum, dass er Darkwing gefolgt war und seine ehemaligen Gefährten verraten hatte. Von den einen akzeptiert, von den anderen auf Grund seiner Wandlung gehasst, verbrachte Fiesoduck sein neues Leben in tiefer Unsicherheit. Und voll dunkler Ahnungen.

Ein lautes Donnern erfüllte die Nacht.
 

Eddie sah sich irritiert um. War Fiesoduck nicht in die Küche gegangen?, wunderte er sich und fuhr aus den Federn als die Tür, welche hinaus zum Garten führte, vom starken Wind getrieben gegen den Rahmen schlug.

„Fiesoduck?“, rief er und streckte irritiert den Kopf durch die Tür. Fiesoduck würde doch bei diesem Unwetter nicht in den Garten gegangen sein?

Doch seiner unberechenbaren Natur entsprechend hatte er genau das getan, Eddie sah ihn nicht unweit der Tür entfernt auf einer Bank sitzen. Langsam näherte er sich ihm, betrachte ihn aus der Nähe. Was war nur aus seinem einstigen Erzfeind geworden? Er war ein skrupelloser, grausamer Verbrecher gewesen… und nun war er lediglich ein fahles Abbild des Erpels, den er Jahre lang bekämpft hatte. Der Regen durchnässte Fiesoducks schwarzen Umhang und tropfte seine Hutspitze hinab auf seinen Schnabel.

„Fiesoduck?“, fragte er noch mal, doch seine Stimme wurde vom grollenden Donner verschluckt. Er packte ihn an der Schulter. Zunächst rührte er sich nicht, dann drehte er sich schließlich zu ihm herum. Darkwing blickte in die blauen Augen seines Ebenbildes. Eine stille Träne rann Fiesoducks Wange hinab.
 

„Und du hast "Ja" gesagt?!“, empörte sich Eddie, nachdem Fiesoduck und er zurück im trockenen Haus waren. Dieser hatte auf seinen Befehl sofort den Weg ins Badezimmer eingeschlagen, um sich abzutrocknen. Fiesoduck erging es schlecht genug, Eddie wollte nicht, dass er sich auch noch den Tod holte. Oder wünschte sich Fiesoduck diesen etwa so sehnlich herbei? So sehr die beiden auch miteinander verbunden waren, vermochte Eddie sich nicht in ihn hineinzuversetzen. Dafür war sein Leben zu anders verlaufen.

„Ich habe es ihm damals versprochen“, versuchte Quack sich zu verteidigen und holte Eddie damit aus seinen Gedanken zurück.

„Dein früherer Arbeitgeber ruft hier einfach so an, fragt dich nach Jahren ob du zurückkommst und du stimmst einfach zu?“, fuhr er ihn harsch an. „Wer soll denn den Donnerquack fliegen?!“

„Es sind doch nur acht Monate und…“

Acht Monate?“, schrie Eddie entsetzt auf und ließ sich aufs Sofa fallen. “Entschuldige Quack. Aber die üblen Missetäter St. Erpelsburgs werden mir meine schöne Stadt auseinander nehmen und ich kann mich nicht auf die Hilfe meines Gefährten verlassen“.

„Aber Darkwing, früher hast du doch auch allein gearbeitet. Außerdem hast du den Rattenfänger und allein dein Name versetzt Schurken in Angst und Schrecken!“, beschwichtigte Quack ihn.

„Ja ja ja, ach… natürlich bin ich auch allein gegen alle räudigen Raubzüge der ruchlosen Ruhestifter und ihren vermeintlichen Verbrechen gefeit!“, beweihräucherte Eddie sich sogleich selbst und sprang auf den Sofabezug, sich in heroische Posen werfend.

„Immerhin bin ich der Schrecken, der die Nacht durchflattert, ich bin der festgedrehte Verschluss deiner Colaflasche, ich bin… dann vollkommen allein zu Haus“, stelle er abschließend seiner heldenhaften Rede nüchtern fest. Seine Kiki und auch Alfred besuchten seit den Weihnachtsferien ein Internat. Zuerst war er sehr skeptisch gewesen, Kiki alleine zu lassen, denn er brauchte seinen kleinen Wirbelwind um sich. Auch wenn diese oftmals nichts Besseres zu tun hatte, als ihre favorisierten Sportarten in seinem Wohnzimmer zu betreiben und dabei die Einrichtung in Mitleidenschaft zu ziehen. Doch er wollte natürlich auch das Beste für sie und eine gute Ausbildung würde einmal einen wichtigen Bestanteil ihres zukünftigen Lebens darstellen. Nur deshalb hatte er sie schweren Herzens ziehen lassen. Aber nun auch noch Quack? Die nächsten Monate würden für ihn gewiss einsame Stunden werden.

Mit dieser Vermutung lag er nur bedingt richtig.
 

Die große Standuhr in Eddies Wohnzimmer schlug Punkt 6 Uhr morgens, als das blaue Auto vor seinem Heim vorfuhr.

„Quack, da ist dein Abholdienst“, rief Eddie leicht spöttisch die Treppe hinauf.

„Ich komme schon!“, hörte er Quack die Treppe hinunter rufen und ein Poltern verkündete dessen Aufbruch. Eddie schüttelte den Kopf; er vermutete, dass dies der Blumentopf mit den neuen Begonien gewesen war, den er erst letzte Woche gekauft hatte.

„Da bin ich auch schon!“, rief Quack freudestrahlend. „Ach Eddie, der Blumentopf dort oben auf der Fensterbank…“

„Kein Problem, Gefährte“, seufzte Eddie und lächelte unwillkürlich. Quack würde ihm fehlen, das wusste er ganz bestimmt.

„Nun ja Quack, dann lass deinen Fahrer nicht warten!“, muntere Eddie ihn auf. „Aber du meldest dich in der Zwischenzeit doch sicher, oder?“

„Ach Eddie!“, fiel Quack ihm schluchzend in die Arme, „ich bin so schlecht im Abschied nehmen!“, schniefte er und drückte Eddie derartig fest an sich, dass dieser schon drauf und dran war sich nicht nur von Quack, sondern auch von seinem restlichen Leben zu verabschieden.

„Ist ja gut… du hast zu viele von deinen schnulzigen Seifenopern gesehen“, klopfte er ihm beschwichtigend auf die Schulter, während Quack ihn mit verweintem Gesicht ansah. „In acht Monaten stehen wir hier und die Welt sieht schon wieder ganz anders aus!“

Quack zwang sich zu einem leichten Lächeln und mit einem letzten lauten Schniefen verabschiedete er sich von Eddie und marschierte die Tür hinaus.

Eddie lehnte sich an den Türrahmen und sah dem blauen Auto hinterher, bis es in die Hauptstraße abgebogen war.

Und er sollte Recht behalten.

In acht Monaten sollten sie tatsächlich wieder hier stehen und die Welt würde anders aussehen.

My twin of disorder

2. Kapitel - My twin of disorder
 

Fiesoduck gab einen missgelaunten Ton von sich und zog die Decke hinauf bis zu seinem Schnabel, um sich anschließend auf der Matratze herumzuwälzen. Er hatte auch diese Nacht unruhig geschlafen, Alpträume hatten ihn verfolgt und gequält; Schweißperlen standen auf seinem Gefieder. Missmutig murmelte er einige Flüche vor sich hin, sich anschließend wieder auf den Rücken drehend. Er schien den ganzen Tag lang geschlafen zu haben, es dunkelte bereits draußen.

Fiesoduck seufzte.

Darkwing ließ ihn vollkommen in Ruhe und er war dankbar dafür. Er brauchte diese Zeit für sich um sich zu ordnen, zu orientieren in dieser für ihn neuen Welt. Er wusste, dass es gleichermaßen nicht gut war, sich derartig zurückzuziehen. Fiesoduck schlug die Decke zurück und richtete sich auf. Länger konnte er nicht davon rennen, Darkwing hatte ihm eine neue Chance gegeben ein würdigeres Leben zu führen.

Und er würde diese Chance nutzen.
 

Eddie Erpel hingegen saß friedlich in seinem Wohnzimmer und starrte die flimmernde Mattscheibe an. Wild schaltete er durch die Kanäle, dabei jedoch kein passendes Programm findend. Quack hätte sicherlich irgendetwas geschaut, und wäre es eine noch so idiotische Sendung gewesen. Eddie schaltete den Fernseher aus. Schon jetzt fehlte ihm Quack und auch seine Kiki, diese sich über das Haus legende Ruhe störte ihn. Gerade wollte er sich von dem Sofa erheben um nach Fiesoduck zu schauen, dessen langer Schlaf ihn mittlerweile besorgt stimmte, als dieser die Treppe herunter kam.

„Guten Morgen, Eduard“, grinste Eddie und deute eine leichte Verbeugung an.

„Nenn mich gefälligst nicht so“, knurrte Fiesoduck und nahm die letzten Stufen der Treppe.

„Dein langer Schlaf hat anscheinend nichts an deiner Laune geändert“, bemerkte Eddie schlicht und verschränkte die Arme vor der Brust.

Fiesoduck zuckte. Er war wirklich nicht fähig mit anderen zu kommunizieren ohne sie gegen sich aufzubringen. Betrübt starrte er die Tapete an, sich selbst für seine Art scheltend. Doch Eddie verstand.

„Möchtest du etwas zum „Frühstück“? Ich denke, es wird sich noch etwas im Kühlschrank finden“, fragte er beschwichtigend und wollte schon den Weg dorthin einschlagen, als plötzlich ein schrilles Signal ertönte.

„Mein ultimatives Verbrechens-Aufspürungs-Programm meldet Alarm!“, rief er und stürmte in die Ecke des Zimmers, aus dessen Wand sich plötzlich ein riesiger Aperrat hervortat. Eddie sprang auf den Sessel und begann die Mittelung auf dem Bildschirm zu lesen.

„Direktor Julius Ganter braucht mich! Er beruft mich schnellstens in mein Versteck zu kommen und Kontakt mit ihm aufzunehmen. Das riecht nach einem Fall für Darkwing Duck!“.

Fiesoduck verdrehte theatralisch die Augen. Soviel zu meinem Frühstück, dachte er und schielte zu Darkwing hinüber.

„Kommst du mit?“, fragte dieser ihn beinah beiläufig und ließ sich auf seinem blauen Sessel nieder.

Ob er mitkäme? Doch nicht etwa auf seine Mission? Fiesoduck lächelte leicht. Darkwing wollte ihn wirklich von seinen finsteren Gedanken abbringen.

Er nickte leicht und ließ sich neben Darkwing in den Sessel fallen.

„Gut, dann… Zwo, Eins, Risiko!“, rief Darkwing euphorisch und schlug enthusiastisch mit seiner Faust auf die Statue.
 

„Was? Schläuche?“, fragte Darkwing, der sich mittlerweile in seinen Anzug geworfen hatte, das große Abbild Julius Ganters auf seinem Bildschirm.

„In der Tat Darkwing, eine sehr beunruhigende Entwicklung“, bestätigte dieser. „Salpetra Schniefschnabel hat bisher zwei Fabriken ausgeraubt um Schläuche zu stehlen, wir vermuten, F.O.W.L werden diese für die Produktion einer neuen Geheimwaffe verwenden. Unsere Agenten berichten, dass sie vor rund einer halben Stunde auf der Hauptstraße gesehen wurde, vermutlich ist sie auf dem Weg in die Schlauch & Strauch Produktionshalle um einen neuen Überfall zu begehen. Dies muss unbedingt verhindert werden, Darkwing.“

„Kein Problem, Direktor Ganter! Diese kernsaubere Putzfanatikerin wird sich schneller in meiner Verwahrung wieder finden als sich ihr Reiniger mit Wasser vermengen kann!“, versicherte Darkwing und kappte die Verbindung zur Zentrale.

„Auf zur Schlauch & Strauch Halle, Fiesoduck!“, rief Darkwing und sprang von der Plattform, zum Rattenfänger laufend.

„Wieso fliegen wir nicht?“, fragte Fiesoduck hingegen und deute zum Donnerquack hin.

„Ich ähm… ich ziehe die kühnere Fortbewegung des Rattenfängers vor“, brabbelte dieser und setzte sich den Helm auf.

„Du meinst, du kannst nicht fliegen“, grinste Fiesoduck und starrte Darkwing an, dessen Gesicht zu einer Maske gefror.

„Nein, es ist nur…“, setzte er nach Erklärungen suchend an und geriet ins Stocken, „…ja gut, ich kann nicht fliegen! Bist du jetzt zufrieden?“, meckerte er schließlich.

„Nein.“

Darkwing knirschte mit den Zähnen. „Was ist denn jetzt noch?“

Fiesoduck ging auf den Donnerquack zu und sprang ins Cockpit.

„Rein mit dir, Darkwing. Und dann auf zur Schlauch & Strauch Produktionshalle.“

Darkwing schüttelte den Kopf und setzte sich in Bewegung.

Schlimmer als ein Flug mit Quack konnte dies nicht werden.
 

„Da wären wir“, sprach Fiesoduck, nachdem er den Donnerquack unerwartet weich vor der Halle gelandet hatte. Anscheinend waren Quacks Flugkünste doch etwas… Einzigartiges.

Darkwing hopste aus Cockpit und setzte sich in Bewegung, während Fiesoduck sich in den Sitz zurücklehnte.

„Komm schon, Fiesoduck!“

„Was?“, fragte dieser irritiert und öffnete seine Augen wieder. „Ich nahm an, dieser Fall wäre etwas für den heroischen Darkwing Duck höchstpersönlich“, erwiderte er und kräuselte seinen Schnabel zu einem schiefen Lächeln.

„Ja ja, natürlich… aber jeder Held braucht einen Gefährten! Und da Quack derzeit in Entenhausen ist…“

Ein lauter Knall ließ die beiden Erpel zusammenfahren.

„Salpetra Schniefschnabel! Julius Ganter hatte Recht, sie hat tatsächlich hier zugeschlagen. Nun kommt schon, Gefährte!“, rief Darkwing und rannte voraus.

Was für ein grotesker Schwenk des Schicksals war dies nur… er als Darkwings Gefährte? Bedenklich verzog Fiesoduck das Gesicht und schwang sich aus dem Cockpit.
 

„…zehn der langen fünf Meter Schläuche und drei kurze… das sollte genügen“, summte Salpetra zuversichtlich und packte die Schläuche in ihren Beutel. Das F.O.W.L Oberkommando würde sicherlich sehr zufrieden mit ihrer Arbeit sein, vielleicht würde sogar eine kleine Prämie für sie dabei raus springen… Sie grinste zufrieden und war dabei, die letzten Schläuche in ihren Sack zu packen, als sie plötzlich von aufziehendem Rauch und einem Donnern gestört wurde.

„Halt ein in deinen missratenen Missetaten, du penetranter Putzlappen! Denn ich bin der Schrecken, der die Nacht durchflattert, ich bin der ausgefranste Rand deines Lieblingsstaubtuchs, ich bin…!“

Ein lauter Knall, kurz gefolgt von einer weiteren Explosion, schreckte beide auf.

„Friss Blei, du elende Wischtante!“, schrie Fiesoduck, dessen Gestalt langsam in dem Rauch der Explosion erkenntlich wurde. Ehe Salpetra irgendwas erwidern konnte, eröffnete er das Feuer.

„Wie schmeckt dir das!?“, rief er und feuerte weiter wild um sich, dabei auch unfreiwilligerweise Salpetras überdimensionalen Spezial-Schniefschnabel-Putzwassertank treffend. Mit einem schallenden Knacks zersprang dieser und das Putzwasser ergoss sich über den in der Nähe stehenden Darkwing, ihn mit sich wegreißend. Salpetra, die zum Schutz hinter einen Behälter mit Produktionsmaterialien gesprungen war, wimmerte laut. Fiesoduck trat langsam näher, schritt um das Behältnis herum und packte sie am Kragen ihrer Uniform, ihr eine seiner Waffen unter den Schnabel haltend.

„Hab’ ich dich“, grinste er triumphierend in ihr Gesicht, während Salpetra erschlaffte und bewusstlos vor ihm auf den Boden sank.

„Was für eine Flasche.“

Darkwing prustete laut und schüttelte sich. „Fiesoduck!“, fuhr er ihn erbost an und rappelte sich auf, „was in aller Welt war das?!“

„Du hast doch gesagt, dass ich dein Gefährte bin, da bin ich tatkräftig herbei geeilt“, sagte er, blies lässig den Rauch von seiner Pistolenmündung und steckte die Waffe fort.

Darkwing biss die Zähne aufeinander und ballte seine Hände zu Fäusten. „Das verstehst du also unter helfen“, zischte er gefährlich leise und sah an sich hinab. Sein Anzug war ruiniert, Salpetras Putzwasser tropfte von seiner Hutkrempe.

Fiesoduck hüstelte.

„Nun gut, vielleicht bin ich an die Sache etwas zuviel Tatendrang gegangen. Aber um es mit den Worten des wagemutigen Darkwing Ducks zu sagen: „Zwo, Eins, Risiko!“, feixte Fiesoduck und verschränkte die Arme.

„Soviel Risiko musste es auch nicht sein!“, murrte Darkwing und wrang seinen Hut aus. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, Fiesoduck zu seinem neuen Gefährten zu erklären.

„Ich werde jedenfalls nun die Polizei benachrichtigen, um Salpetra abzuholen. Und du rührst dich nicht von der Stelle, geschweige denn wirst du noch einmal deine Knarren hervorholen!“, schimpfte Darkwing und drehte sich um.

„Sicherlich, Darkwing…“, nuschelte er, „allerdings nur über meine Leiche.“
 

Geräuschvoll ertönte das Triebwerk, als Fiesoduck den Donnerquack startklar machte.

„Du bist immer noch aufgebracht, nicht wahr?“, versuchte dieser Darkwing zu beschwichtigen.

Darkwing seufzte.

„Nein, ist schon in Ordnung“, entgegnete er und blickte seinen mit Putzwasser versauten und ihm am Gefieder klebenden Anzug angewidert an, „bring uns einfach nur schnell nach Hause.“

„Hinten liegt noch ein Anzug, nimm ihn dir“, sagte Fiesoduck und deutete auf die Rückbank.

„Wieso führst du denn bitteschön einen zusätzlichen Anzug mit dir durch die Gegend? Pflegst du neuerdings eine besonders ausgewählte Art von Modebewusstsein?“, fragte Darkwing skeptisch, griff jedoch bereits auf die Rückbank.

„.Wenn du wüsstest wie oft ich schon auf Grund verunglückter Verbrechen und missratener Verkleidungsaktionen in Boxershorts durch die nächtlichen Straßen St. Erpelsburgs gewandert bin, könntest du meinen Bedacht eventuell nachvollziehen.“

Darkwing zog eine Augenbraue hoch, erwiderte jedoch nichts weiter und griff nach Fiesoducks Ersatzanzug.

„Ach und Darkwing, wenn wir zu Hause sind…“

„Weggucken!“, rief Darkwing, der sich gerade aus seinem durchnässten Anzug quälte.

„Um Gottes Willen“, verdrehte Fiesoduck die Augen und drehte sich zurück zur Windschutzscheibe, „du siehst doch sowieso aus wie ich.“

Darkwing hielt in seiner Bewegung inne. Fiesoduck hatte Recht, in der Tat waren sie beide identisch… doch so sehr hatte er sich das nie ins Gedächtnis gerufen. Seine simple Bemerkung berührte ihn auf eine seltsame Weise zutiefst und plötzlich bereute er, Fiesoduck vorhin dermaßen angefahren zu haben. Er wusste, dass Fiesoduck ihn wirklich hatte unterstützen wollen; ebenso wie er wusste, dass dieser seiner Art gemäß nicht anders handeln konnte.

„Können wir?“, fragte Fiesoduck an, „der Donnerquack ist startklar.“

„Sag mal, findest du nicht auch, dass gelb mich dick macht?“, fragte Darkwing stattdessen, nachdem er wieder von der Rückbank nach vorne geklettert war und sich neben Fiesoduck niederließ.

„Darkwing, bitte verschone mich“, stöhnte Fiesoduck und erhob den Donnerquack in die Lüfte.

Doch sollte nur einer der Beiden an diesem Abend heimkehren.
 

„Sie haben wirklich hervorragende Arbeit geleistet, Darkwing“, lobte Julius Ganter ihn von dem Bildschirm des kleinen Bordcomputers aus.

„Natürlich! Alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit ausgeführt“, schwafelte Darkwing stolz vor sich hin und Fiesoducks Gesichtsausdruck entgleiste in ungeahnte Züge.

Diese Labertasche… wer hat denn letzten Endes dafür gesorgt, dass Salperta derartig schnell dingfest gemacht wurde?, dachte er brummig, grinste jedoch unwillkürlich. So war Darkwing, ein durch und durch selbstverliebter Erpel. Was ihn früher zur Weißglut getrieben hatte, belustigte ihn heute teilweise. Und im Gegensatz zu damals wusste er, dass sich hinter Darkwings eingebildeter Attitüde ein ganz im Gegenteil einfühlsamer Erpel verbarg.

„…aber selbstverständlich! Ende und Over!“, hörte Fiesoduck Darkwing noch sagen, bevor der Bildschirm erlosch. Darkwing lehnte sich zufrieden in seinem Sitz zurück und legte die Füße auf das Armaturenbrett.

„Du bist dir der Platzierung deiner Füße nahe des Knopfes für den Schleudersitz durchaus bewusst, oder?“, fragte Fiesoduck, der keinerlei Verlangen danach verspürte, Darkwing nach seiner vermeintlichen Bruchlandung in St. Erpelsburg wieder aufzugabeln.

„Ich ähm… ja natürlich!“, entgegnete Darkwing irritiert und nahm seine Füße wieder herunter. Sein Blick fiel seitlich aus der Windschutzscheibe des Donnerquacks und er erblickte etwas Seltsames.

„Fiesoduck, Stopp!“

Er hatte elektrische Spannungen in einer Lagerhalle unter ihnen wahrgenommen, die den Raum für einige Minuten erhellt hatten. Nun legte sich Dunkelheit über die Halle als auch über das gesamte Stadtviertel, sämtliche Straßenbeleuchtungen waren innerhalb von Sekunden erloschen.

„Was denn? Spiegelt die Windschutzscheibe gerade eine besonders imponierende Reflektion deines Antlitzes wieder?“, fragte Fiesoduck sarkastisch an Darkwing gewand und erntete dafür einen bitterbösen Blick.

„Sieh doch mal!“, forderte Darkwing ihn auf und deutete aus dem Fenster.

„Ich muss fliegen.“

„Dann lande jetzt“, forderte Darkwing ihn auf, „dort unten geht irgendwas vor sich. Dies riecht nach einem weiteren famosen Fall für Darkwing Duck!“

„Glaub’ mir Darkwing, ich kann es kaum erwarten.“
 

„Glaubst du, es hat ihn angelockt?“, fragte eine blubbernde Stimme in die Dunkelheit hinein.

„Sicherlich hat es das! Diesem eingebildeten Schnösel wird meine Aktion schon nicht entgangen sein“, erwiderte eine andere Gestalt und trat aus dem Dunkel.

„Mach uns wenigstens wieder ein bisschen Licht! Gewächse benötigen das!“, bat ihn ein Wesen, das eine Mischung aus Erpel und Pflanze darstellte.

Megavolt ließ eine Birne aufglühen und blickte in die Gesichter seiner Kumpane.

Quackerjack, Buxbaum, der Liquidator und er.

Die „Verderblichen Vier“.

Einst waren sie ein Team von großartigen Verbrechern gewesen, die St. Erpelsburg unsicher gemacht hatten, zusammengeschlossen als die „Fürchterlichen Fünf“ unter Fiesoducks drakonischem Kommando.

Doch Fiesoduck war fort gegangen.

„Er wird dafür bezahlen, dass er sich von uns abgewandt hat“, maulte Megavolt und erntete ein zustimmendes Nicken der Anderen.

Fiesoduck, der Verräter.

Er war immer der Grausamste und Skrupelloseste unter ihnen gewesen, bereit, alles und jeden für seine Pläne aus dem Weg zu räumen. Er hatte niemand vertraut und sie alle verachtet. Doch einen hatte er gehasst.

Und dieser jemand war Darkwing Duck gewesen.

Wie konnte es bloß geschehen, dass er nun an dessen Seite gegen seine einstigen Komplizen kämpfte? Zunächst hatten sie den Gerüchten keinerlei Glauben geschenkt; selbst als es ihnen gewahr wurde, hatten sie noch mit einem seiner brillanten Pläne gerechnet. Doch es waren Monate vergangen und Fiesoduck war nicht zu ihnen zurückgekehrt.

„Meinst du… meinst du auch, dass alles gut gehen wird?“, meldete sich Buxbaum wieder unsicher zu Wort. Seine Blätter zitterten angespannt.

„Brokkolibirne, selbstredend wird alles gut gehen. Wir werden Darkwing und Fiesoduck hier her locken und ihn uns schnappen. Und dann wird er sich wünschen, niemals in diese Stadt gekommen zu sein.“

„Wir werden diesen Erpel rupfen! Rupfen, hiahahaha!“, kicherte Quackerjack und wedelte Meister Bananengrips aufgeregt in seiner Hand hin und her, „Zeit zum Spieeeeelen!“

„Richtig, Quackerjack. Doch werden wir nicht sehr lange mit ihm spielen…“, kicherte Megavolt und rieb seine Hände, sodass Funken sprangen.

Sie würden Fiesoduck töten.

Sometimes in the night

3. Kapitel - Sometimes in the night
 

“Du siehst Gespenster, Darkwing. Hier unten ist nichts.“

„Hier geht irgendetwas vor sich. Oder denkst du, die Straßenbeleuchtung des ganzen Viertels fällt einfach so aus?“, fragte Darkwing und schritt auf die Halle zu.

„Vielleicht eine Überlastung des Stromkraftwerks? Nicht alle Geschehnisse deuten direkt auf Verbrechen hin!“, brummte Fiesoduck missmutig; sein nicht zu sich genommenes „Frühstück“ ließ seinen Magen mittlerweile gewaltig knurren.

„Darkwing Duck, rechtschaffener Rächer des Rechts, spürt jegliche Art von unleidigen Überfällen und profaner Pflichtverletzung! Und ich sagte dir, hier ist etwas nicht stimmig!“

„Es könnte sich hierbei um dein Gespür für diese unstimmigen Dinge handeln“, entgegnete Fiesoduck spöttisch und ging hinter Darkwing her.

Doch Darkwing öffnete bereits das große Tor der Lagerhalle.

„Siehst du, da ist nichts, was auf…“

„Psst! Wir teilen uns auf, ich gehe hier lang und du dort“, befahl Darkwing und griff nach seiner Gaspistole.

Fiesoduck seufzte lautstark auf. Die Paranoia dieses Erpels trieb ihn noch in den Wahnsinn. Darkwing jedoch hatte sich bereits seinen Weg durch die Gerüste gebahnt und verschwand im Zwielicht der Lagerhalle.

„Dann werden wir eben in dieser staubigen Halle herumirren und nichts finden, wenn es ihn zufrieden stimmt“, sagte Fiesoduck und ging voran. Instinktiv griff er jedoch auch nach seinen Waffen und umschloss die kalten Griffe seiner Pistolen. Die Augen zusammenkneifend stierte er in die Dunkelheit, langsam voranschreitend.

Ein lauter Knall schreckte ihn auf.

„Alles in Ordnung?“, rief er aufgeschreckt und umfasste seine Knarren fester.

„Ja, es war nur ein Karton“, rief Darkwing ihm aus dem anderen Ende der Halle zu.

Dieser Tollpatsch… Doch kaum war er fünf weitere Meter gegangen hörte er erneuten Krach, diesmal jedoch wesentlich lauter als zuvor.

Und er hörte Stimmen.

Das Schlimmste jedoch war, dass sie ihm bekannt vorkamen.

Fiesoduck rannte los, sämtliche ihm im Weg stehenden Kartons missachtend, und preschte vorwärts. Er rief ein paar Mal nach Darkwing, erhielt jedoch keine Antwort mehr. Fiesoduck rannte orientierungslos weiter durch die Lagerhalle; mittlerweile war er vollkommen von seinem Weg abgekommen.

Schließlich hörte er keine Stimmen mehr.

Endlich fand Fiesoduck eine der Wände und tastete sich an ihr entlang. Er hatte nicht so falsch gelegen mit seiner Vermutung, kam er doch an einem rissigen Karton vorbei, bei dem es sich wahrscheinlich um den von Darkwing demolierten handelte. Fiesoduck ging weiter in die Richtung, aus der er die Stimmen vernommen hatte. Sein rasselnder Atem störte die Stille, doch abgesehen von diesem nahm er nichts mehr wahr.

Er war zu spät gekommen. Beinah ebenfalls über einen Behälter fallend erreichte er die Ecke der Halle und sah seinen Hut auf dem Boden liegen, den er Darkwing geliehen hatte. Von ihm selbst war keine Spur. Durcheinander nahm Fiesoduck den Hut in seine Hand und fuhr mit seinem Finger über den roten Stoff. Diese Stimmen… wem mochten sie wohl gehört haben? Er hatte sie zu leise gehört um sie identifizieren zu können, doch sie waren ihm wohlbekannt vorgekommen. Fiesoduck wollte sich gerade zum Gehen wenden, als sein Blick erneut über den Boden glitt. Er bückte sich und griff nach dem Gegenstand, den er zunächst übersehen hatte. Fiesoduck hielt ihn vor seinen Schnabel und plötzlich wurde ihm klar, wem zumindest eine der Stimmen gehört haben musste. Er ließ das Stück Kabel durch seine Finger auf den Boden gleiten und lief nervös zurück zum Donnerquack.
 

Sie haben Darkwing entführt!, hämmerte es immer noch in Fiesoducks Kopf, als er zurück im Darkwing Tower angekommen war. Doch wieso nur? Normalerweise hatte es diesen leichtgläubigen Idioten genügt ihren schlichten Gaunereien nachzugehen und sie waren immer darauf bedacht gewesen, sich schleunigst aus dem Staub zu machen, wenn Darkwing aufkreuzte. Was also hatte sie heute dazu getrieben ihn zu entführen?

Fiesoduck kletterte die Leiter zur Plattform hinauf. Es wurde Zeit Darkwings Gerätschaften ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht konnte er seine einstigen Gefolgsleute mit einem der Verbrechensbekämpfungsprogramme aufspüren.

Fiesoduck drückte auf einen großen roten Knopf, von dem er vermutete, dass er den Computer in Gang setzen würde. In der Tat flackerte der Bildschirm auf und ein blaues Bild verkündete das Hochfahren des Programms. Er ließ sich auf den roten Sessel sinken. Hoffentlich konnte er Darkwing aufspüren.

Der Bildschirm wurde schwarz, um kurz darauf wieder aufzuleuchten.

„Bitte Passwort eingeben“, verkündete die weiße Schrift beinah höhnisch und Fiesoduck schrie wütend auf. Wie sollte er Darkwing nur ausfindig machen? Gereizt schlug er auf die Tasten ein, bis schließlich eine mechanische Stimme „unautorisierte Identifizierung, Programm wird heruntergefahren“, verkündete. Fiesoduck, mittlerweile am Rande des Wahnsinns angekommen, zog seine Knarre und wollte just auf den Bildschirm einschießen, überlegte es sich jedoch anders. Erschöpft ließ er sich in das Polster zurückfallen. Er schloss die Augen, immer noch verzweifelt nach einem Grund für das Vergehen seiner einstigen Komplizen suchend. Seinen Hut ausziehend, legte er ihn danach auf sein Knie und strich sich durch das Gefieder. Das Bild der Lagerhalle tauchte vor seinem inneren Auge auf, wie er in die Ecke gestolpert war und schließlich den Hut auf dem Boden entdeckt hatte… Der Hut!

Fiesoduck schreckte auf. Natürlich, wie hatte er das nur übersehen können? Darkwing hatte nach Salpetras Putzwasser Debakel seine Kleidung getragen. Sie mussten Darkwing für ihn gehalten haben. Die Feststellung traf ihn wie ein Schlag. Seine einstigen Kumpane hatten ihn entführen wollen. Diese Erkenntnis beunruhigte Fiesoduck jedoch noch mehr. Ihn hatten sie haben wollen… sicherlich um Rache zu üben für seine Konversion. Was würden sie Darkwing anstelle seiner nur antun? Fiesoduck schüttelte den Kopf und rappelte sich auf.

Er musste Darkwing so schnell wie möglich finden.
 

Sein Kopf brummte, nur schwerlich konnte er die Augen öffnen. Das Zimmer um ihn begann sich zu drehen, als er den Kopf leicht anhob. Langsam stabilisierte sich das Bild und er versuchte sich zu rühren.

Er bemerkte, dass er gefesselt war.

Darkwings Augen öffneten sich nun ganz und er fand sich in einem grün tapezierten Zimmer wieder. Seine Arme, sowie seine Beine, waren mit grauem Kabel an einem Stuhl befestigt.

„Er ist aufgewacht“, hörte er eine Stimme sagen und versuchte seinen Kopf nach hinten zu drehen um den Sprecher ausfindig zu machen, wurde jedoch hart zurückgestoßen.

„Wurde aber auch Zeit.“

Aus dem Schatten des Raumes kamen zwei weitere Gestalten hervor, die sich vor ihm aufbauten.

„Willkommen zurück“, begrüßte Megavolt ihn kalt und sah auf ihn herab.

Darkwing erwiderte nichts, sein Umfeld hatte sich wieder zu drehen begonnen.

„Du scheinst wohl schon so sehr von ihm eingenommen zu sein, dass du es vorziehst auch nicht mehr mit uns zu sprechen.“

„Nein…“, hauchte Darkwing und deutete ein Kopfschütteln an. Was auch immer sie von ihm wollten, diesmal schienen sie sich ihrer Sache sicher zu sein.

Ein helles Klingeln ertönte, dessen Quelle Darkwing in Quackerjacks Glöckchen vermutete.

„Spielen wir jetzt mit ihm, machen wir das?“, trällerte er aufgeregt und hopste um den Stuhl herum. „Meister Bananengrips will unbedingt unser neues Spielzeug testen.“

Megavolt schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, wandte sich jedoch sofort wieder Darkwing zu.

„Du hast uns verraten“, spie er ihn erzürnt an, „wie konntest du uns nur jemals verlassen und dich mit diesem maskiertem Idioten einlassen? Du weißt hoffentlich, was dir dafür blüht.“

„Blühen? Wir könnten ihn in eine bezaubernde Gartenhecke verwandeln!“, schlug Buxbaum vor und begann bereits vorfreudig einige Triebe aus seinen Armen sprießen zu lassen.

„Seid ihr eigentlich nur hirnverbrannt?“, rang Megavolt mit der Fassung, „sind sie doch, oder nicht, mein süßes Glühbirnchen?“, fragte er eine seiner Birnen um Zustimmung suchend.

Ich muss hier weg, dachte Darkwing verzweifelt und zerrte an den ihn gefangen haltenden Kabeln. Er schrie leicht auf, als diese sich ihm in die Handgelenke bohrten.

„Gib es auf, Fiesoduck. Du entkommst uns nicht, dies wird deine letzte Nacht sein“, grinste Megavolt und schob seine ihn beratende Glühbirne zurück in die Tasche.

Fiesoduck? Waren diese Irren denn nun vollkommen verrückt geworden? Wieso sprachen sie ihn mit… Doch jäh wurde Darkwing die Ironie des Schicksals klar. Er trug Fiesoducks Anzug und im Dunkeln der Lagerhalle hatten sie ihn sicherlich für diesen gehalten. Er schluckte. Sie wollten also Rache an Fiesoduck üben. Darkwing ließ den Kopf hängen. Die Angst saß in seinem Nacken und er schreckte zusammen, als Quackerjack ein riesenhaftes Messer hervorzog, das er den anderen stolz als sein neues „Spielzeug“ vorstellte. Das war also sein Ende; Darkwing Duck, ermordet, da er das Kostüm seines einstigen Erzfeindes trug. Seine Augen wurden wässrig, jedoch nicht im Angesicht seines nahen Todes. Er trauerte um Fiesoduck, der eigentlich an seiner Stelle hier hatte sitzen sollen. Fiesoduck, der nie jemandem in seinem Leben gehabt hatte und nun von seinen einstigen Spießgesellen, die noch am ehesten seine Freunde hätten sein können, getötet werden sollte. Welch tiefe Abgründe mochten sich in Fiesoducks dunkler Seele aufgetan haben, dass sie ein solches Dasein die ganzen Jahre lang hatte verkraften können? Darkwing schloss die Augen, als er Quackerjack mit dem Messer auf sich zukommen sah.

Erst würden sie ihn nur quälen, büßen lassen für Fiesoducks angeblichen Verrat. Doch wie lange würde ihnen das genügen?

Darkwing hoffte, dass Fiesoduck ihn ausmachen würde, bevor er dies herausfinden könnte.
 

Fiesoduck hingegen tigerte weiter in Darkwings Geheimversteck umher, verzweifelnd nach einer Lösung suchend. Wohin konnten sie Darkwing nur verschleppt haben? Er kannte sämtliche verruchten Orte dieser Stadt, doch keiner erschien ihm passend genug. Fiesoduck raufte sich die Federn. Er musste Darkwing unbedingt finden! Auch um seines Willen… das Debakel des vergangenen Weihnachtsabends hatte gezeigt was passieren würde, wenn sie Darkwing töten würden. Auch er würde dann sterben. Wie konnten diese Flachbirnen überhaupt Darkwing trotz des Kostüms für ihn gehalten haben? Er hoffte nur es würde ihnen auffallen, was ihm eventuell eine kleine Frist verschaffen würde.

Ein Rauschen ertönte und der Bildschirm flackerte erneut auf. Fiesoduck drehte sich überrascht um und sah im nächsten Moment das S.H.U.S.H Logo auf diesem aufleuchten, das kurz darauf Direktor Ganters Gesicht wich.

„Darkwing Duck, bitte kommen!“, rief dieser unruhig.

Das fehlte mir jetzt noch, murrte Fiesoduck und sah sich wild um, schließlich entdeckend, wonach er gesucht hatte. Hastig sprang er hinter Darkwings Umkleidefaltwand und zog sich eins dessen Kostüme über. Wenn Direktor Ganter Darkwing Duck haben wollte, dann sollte er Darkwing Duck auch bekommen.

Fiesoduck hastete die Plattform hinauf.

„Darkwing Duck zur Stelle“, rief er und sprang in den Sessel vor Julius Ganters Nase.

„Ah, Darkwing!“, begrüßte er ihn, „ich bin erfreut, sie anzutreffen. Wir haben von Informanten Auskünfte über eine angebliche Entführung ihrer selbst erhalten.“

„In der Tat stimmt…“, biss Fiesoduck sich auf die Zunge. „Nein, wie sie sehen bin ich wohlbehalten in meinem Versteck“, korrigierte er sich eilig.

Wie hatte S.H.U.S.H nur derartig schnell Informationen über Darkwings Verschwinden erhalten können? Kein Wunder, dass Darkwing früher immer fähig gewesen war, seine Verbrechen zu vereiteln. Fiesoduck schmunzelte. Ohne S.H.U.S.Hs Informationsbeschaffung hätte er seine brillanten Pläne sicherlich niemals durchkreuzt.

„So so, ich bin also entführt worden… aber seien sie versichert Direktor Ganter, niemand entführt den verwegenen Darkwing Duck, den verlässlichen Vergelter des Verbrechens!“, deklamierte Fiesoduck Darkwings Phrasen.

„Sicherlich Darkwing, ich wollte mich nur vergewissern, dass sie wohlauf sind“, antworte Ganter ihm. Er schien anscheinend kein so schlechtes Darkwing Double anzugeben.

„Nun, Direktor Ganter…“, sagte Fiesoduck nonchalant und legte gemäß Darkwings Gehabe seine Füße auf dem Kontrollpult nieder, „nur rein Interessens halber: Welche Informationen haben ihre Kontaktpersonen ihnen zukommen lassen? Ich meine, selbstverständlich werde ich nach dem Rechten sehen müssen, denn höchstwahrscheinlich wurde statt mir ein unschuldiger Bürger verschleppt.“

„Nun ja, Darkwing“, sprach Ganter nun schon ein wenig kritischer, „Berichten zufolgen seien sie, oder wer auch immer, in der Nähe des St. Erpelsburger Towers gesehen worden.“

Fiesoduck stockte. Natürlich! Das sah diesen miesen Gaunern ähnlich; hatten sie doch geplant ihn in ihr ehemaliges Versteck zu verschleppen, von dem aus sie damals als die „Fürchterlichen Fünf“ über die Stadt geboten hatten. Fiesoduck feixte leicht anerkennend. Anscheinend hatte seine Abwendung die Niedertracht der Anderen gefördert.

„Ich werde mir die Sache zweifelsohne genauer ansehen, Direktor Ganter. Darkwing Ende und Over!“, sprach Fiesoduck nun kurz angebunden und schaltete den Bildschirm aus. Der St. Erpelsburger Tower also…

Er sprang das Podium herunter und rannte zu Darkwings geliebtem Motorrad, dem Rattenfänger. Während Darkwing als Fiesoduck sein Dasein in Gefangenschaft seiner alten Gaunergefährten fristete, würde Fiesoduck als Darkwing Duck durch die Straßen St. Erpelsburgs streifen.

Fiesoduck ließ den Motor aufheulen.

„Das werdet ihr mir bitter büßen, Kumpanen… Zwo, Eins, Risiko!“, spie er Darkwing gemäß aus und gab dröhnend Gas.

Until darkness unites us

4. Kapitel - Until darkness unites us
 

Darkwings Augen weiteten sich vor Schreck, als Quackerjack mit seinem Messer zu ihm trat. Sein irrer Blick fixierte seinen Hals und er fuhr mit der kalten Klinge an seinem Gefieder entlang. Darkwing schlucke, als er schließlich nur noch die Kuppe des Messers an seiner Kehle spürte und zuckte anschließend zusammen als Quackerjack begann, diese leicht einzuschneiden. Er zog das Messer zu Darkwings Schultern herunter, schließlich Fiesoducks Anzug durchtrennend.

„Sei bloß vorsichtig. Noch soll er nicht verenden“, mahnte der Liquidator ihn.

Quackerjack trat zur Seite und betrachtete sein Werk. Darkwing wollte schon erleichtert aufseufzen, als Quackerjack plötzlich erneut vorpreschte und ihm das Messer bis zum Haft in die Schulter rammte. Er stieß einen grausigen Schrei aus als Quackerjack anfing, es in seinem Fleisch herum zudrehen. Das Zimmer um ihn wurde schwarz, Darkwing selbst war der Besinnungslosigkeit nahe.

„So einfach machen wir es dir mit Sicherheit nicht, Fiesoduck!“, murrte Megavolt, streckte seine behandschuhten Finger aus und verpasste Darkwing einige Stromstöße, sodass dieser der sich gnädig über ihn legenden Ohnmacht entzogen wurde. Chancenlos versuchte Darkwing noch einmal an seinen Fesseln zu zerren und begann mit dem Stuhl zu wackeln.

„Buxbaum, halte ihn fest!“, befahl Quackerjack und schwang das Stilett in seiner Hand. Buxbaum trat hinter Darkwing und ließ einige Ranken aus seinen Armen sprießen, die sich sogleich um dessen Körper legten.

„Um seine Kehle auch. Sobald er anfängt sich zu wehren drückst du zu“, befahl Megavolt ihm.

Darkwing fühlte, wie sich Bumxbaums Triebe um seinen blutigen Hals legten.

„Und jetzt wollen wir sehen wie lange es dauert, einen Erpel zu rösten“, sprach Megavolt und knackste begierig mit den Fingern.
 

Fiesoduck donnerte zwischenzeitlich durch St. Erpelsburg. Sämtliche Verkehrszeichen missachtend jagte er den Rattenfänger durch die Straßen und erreichte kurze Zeit später den St. Erpelsburger Tower. Er sprang vom Rattenfänger und wollte schon die Treppen des Towers heraufstürmen, als er jäh aufschrie, stolperte und auf die kantigen Stufen knallte. Seine Schulter haltend blieb er einige Sekunden dort liegen; sich anschließend langsam wieder auf rappelnd. Sie folterten Darkwing, dank ihrer tiefen Verbindung spürte Fiesoduck dessen Qualen. Seine Zeit wurde knapp. Hastig stürzte er in das Gebäude um ihn zu befreien.
 

Der Duft von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Sein Gefieder war partiell braun angesengt, was Megavolt ein genugtuendes Grinsen entlockte.

„Es ist aus mit, Fiesoduck“, sagte er und beugte sich zu Darkwing herunter, diesem seinen Zeigefinger unter den Schnabel haltend und drückte Darkwings Kopf in die Höhe, sodass er ihm in die Augen blicken musste.

„Du darfst noch bei uns um Vergebung bitten, bevor du diese Welt verlässt“, grinste Megavolt boshaft und packte Darkwings Schnabel fester. Doch dieser riss seinen Kopf aus Megavolts Griff, blickte ihn hasserfüllt an und spuckte angewidert in dessen Gesicht.

„Du hattest schon immer eine abnorme Art des Umgangs“, bemerkte Megavolt trocken und fuhr sich über die Schnauze. „Quackerjack, du darfst dein Spiel beenden. Mach ihn kalt.“

Darkwings Nerven lagen blank, als er Quackerjack erneut mit dem Messer auf sich zukommen sah. Wild begann er mit dem Stuhl zu wanken, in der Hoffnung diesen umzukippen, doch Buxbaums sich ihm um den Hals gelegten Ranken schnürten ihm die Kehle zu. Angsterfüllt nach Luft röchelnd sah er das Messer aus sich zu rasen. Doch ohrenbetäubender Lärm ließ Quackerjack innehalten und sich, wie seine Kumpane, der Tür zuwenden. Darkwings Rettung war gekommen.
 

Die Tür sprang mit einem dröhnenden Knall aus den Angeln. Motorengeheul erfüllte den Raum. Eine dunkle Gestalt brach ins Zimmer ein, eingehüllt in blauen Rauch.

„Ich bin der Schrecken, der die Nacht durchflattert, ich bin das billige Düngemittel deiner Gartengewächse…“

„Oh nein, wie barbarisch“, jaulte Buxbaum blass auf.

„… ich bin bei weitem nicht der, für den ihr mich haltet!“, beendete Fiesoduck seine Darbietung. „Ihr hirnverbrannten Idioten! Schon damals wart ihr keine würdigen Partner für mich und meine kriminellen Machenschaften, anscheinend hat sich daran auch gegenwärtig nichts geändert. Euer grandioser Plan ist leider nicht ganz aufgegangen, ihr Narren. Anstatt meiner habt ihr euch Darkwing Duck geschnappt“, sprach Fiesoduck und trat auf die um Darkwing versammelte Gruppe zu. „Dieser Fehler wird euch jetzt bitterlich unerquicklich bekommen“, zischte er gefährlich und ließ seine Kettensäge aufheulen, „und glaubt mir, das wird ein Freudenfest. Seid herzlich eingeladen, euch zu diesem als meine Gäste herbeizugesellen.“
 

„Fiesoduck!“, schrieen die vier Gesetzesbrecher synchron fassungslos auf, als dieser Kettensägen schwingend auf sie zukam.

„Wir dachten, du… du wärst er…“, stammelte Buxbaum und deutete auf den am Stuhl gefesselten Darkwing.

„Soso, ihr dachtet also? Das ist vermutlich die größte Überraschung, die ich in meinem ganzen bisherigen Leben erfahren durfte“, bemerkte Fiesoduck süffisant und fletschte die Zähne. „Aber ich bin höchst erfreut, dass ihr diese entzückende Erfahrung in eurem beschämenden Dasein noch machen durftet. Jetzt werdet ihr nämlich keine Gelegenheit mehr dazu bekommen!“, sprach er und jagte mit seiner Kettensäge vorwärts.

„Pack ihn!“, befahl Megavolt und schleuderte einige Blitze auf Fiesoduck, die dieser jedoch mit dem Blatt seiner Säge abwehrte.

„Zeit zum Spieeelen!“, kam Quackerjack trällernd angehopst und warf das Messer nach Fiesoduck, das jedoch nur dessen Hut traf und diesen an die gegenüberliegende Wand nagelte. Buxbaum hingegen ließ einige weitere Zweige wachsen, in der Hoffnung, Fiesoduck so stoppen zu können.

„Das hast du dir so gedacht, Mickerspargel!“, schrie Fiesoduck und schwenkte seine Kettensäge, Buxbaums Triebe zerstückelnd. Dieser stieß einen entsetzten Schrei aus und stürmte blindlings aus dem Raum.

„Wunderbar, ein Idiot weniger“, quittierte Fiesoduck dessen Flucht und wandte sich wieder dem verbliebenen Trio zu. Quackerjack hatte das geschleuderte Messer in seiner Hand durch eine kleine Spielzeugaxt ersetzt und hackte nach ihm.

„Rühr eine Feder und du bist Geschnetzeltes“, knurrte Fiesoduck und durchsägte den Holzstiel der Axt, sodass die Schneide zu Boden fiel. Quackerjack blickte ihn verängstigt an.

„Und was nun, du hirnloser Harlekin?“

„Zeit für einen vorzeitigen Rückzug?“, fragte dieser gequält grinsend und schlug Buxbaums Fluchtweg ein.

„Du glaubst also, dass du damit durchkommst, Fiesoduck?“, brummte Megavolt wütend und schritt auf ihn zu.

„Es scheint mir zumindest bisher außergewöhnlich fabelhaft zu gelingen. Abgesehen davon seid ihr Hohlköpfe unfähig, mir zu irgendeinem Zeitpunkt etwas entgegensetzen.“

Ungeachtet Fiesoducks Ausbrüchen versuchten der Liquidator und Megavolt derweil ihn einzukreisen. Aufmerksam die Augenbraue in die Höhe ziehend wog Fiesoduck die Konstellation ab. Ein Grinsen huschte über seinen Schnabel.

„Mach dich auf ein Dasein als Grillente gefasst!“, schrie Megavolt auf und feuerte weitere elektrische Ladungen auf Fiesoduck. Geistesgegenwärtig wirbelte dieser seinen Körper herum, wehrte mit seiner Säge erneut Megavolts Blitze ab und rannte auf den hinter ihm stehenden Liquidator zu. Den Kopf einziehend glitt er durch dessen wässrigen Körper, wohingegen der ihn verfolgende Megavolt nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte und ebenfalls in den Liquidator schlitterte. Ein gewaltiges Zischen erschallte und sowohl er als auch der Liquidator sanken besinnungslos zu Boden.

„Ich hoffe, euch hat unsere vertraute Zusammenkunft gefallen. Auf das ihr nie wieder auf den törichte Gedanken kommen werdet, euch mit mir anzulegen“, grollte Fiesoduck und wandte sich zufrieden Darkwing zu. Doch in der Bewegung erstarrte er. Darkwings Kopf hing kraftlos nieder und seine Schulter blutete stark. Der geliehene Anzug hing in Fetzen an seinem Federkleid hinab und sein Gefieder war teils verbrannt. Oh Gott, Darkwing…, dachte Fiesoduck bang und stürzte zu ihm.

„Darkwing, hörst du mich? Darkwing!“, rief er ihn an und schlug mit der flachen Hand gegen dessen Wange. Nur sehr mühsam öffnete Darkwing seine blauen Augen.

„Fiesoduck… du hast mich gefunden“, hauchte er schwach und blickte leer in dessen Gesicht. Fiesoduck schluckte und zog einen Dolch aus seinem Umhang, mit dem er die Kabel um Darkwings Körper durchschnitt. Er fing ihn auf, als Darkwing entkräftet vom Stuhl sank und legte dessen Leib über seine Schulter. Ihn auf diese Weise tragend verschwand Fiesoduck ungesehen aus dem St. Erpelsburger Tower hinein in die schummerige Nacht.

Lost somewhere in between

5. Kapitel - Lost somewhere in between
 

Der Regen prasselte unablässig gegen die beschlagene Fensterscheibe des Schlafzimmers. Fiesoduck wandte sich von ihr ab und ließ seinen Blick über das Bett schweifen, in dem Darkwing lag. Er schlief.

Fiesoduck zog einen Hocker aus der Ecke des Zimmers und platzierte ihn neben dem Bett. Bekümmert ließ er sich auf diesen fallen, legte seine Arme auf der Bettdecke nieder und stützte seinen Kopf, während er in das Gesicht des vor ihm liegenden Erpels schaute.

Fiesoduck wusste, dass nicht viel gefehlt hätte und sowohl Darkwing als auch er hätten niemals in jenem verregneten Moment in diesem Zimmer verweilt. Und es wäre seine Schuld gewesen.

Er schloss die Augen und fuhr sich friedlos durch seine Federn.

Was suchte er eigentlich in dieser Welt? Warum war er je hier eingedrungen? Seine Vorsehung war die Beherrschung des Kontraversums gewesen, doch hatte ihm das genügt? Hatte ihm je in seinem Leben irgendetwas genügt? Die Antwort war nein. Fiesoduck wusste das. Nie war er zufrieden mit seinem Besitz gewesen, niemals glücklich in seinem ganzen Dasein. Aus diesem frevelhaften Verlangen nach Befriedigung war er in Darkwings Welt eingedrungen. Damit hatte ihrer beider Unheil begonnen.

Dass Darkwing ihn zu sich genommen hatte als er am Rande des Abgrunds stand, dafür war Fiesoduck ihm bis heute dankbar. Die Monate, die er bei ihm verbracht hatte, erschienen ihm trotz seiner beständigen Freudlosigkeit als die einzigartigsten seines Lebens.

Doch verdient hatte er sie nicht.

Fiesoduck sah wieder auf Darkwing hinab, dessen Augenlider unruhig flatterten. Welche Träume sich wohl hinter diesen verbargen, die ihm im Schlaf keinen Frieden gaben? Und wie mochte Darkwing ihn mit diesen Augen wahrnehmen? Ja, was hatte Darkwing nur all die Jahre ihm gesehen, seinem erbarmungslosesten Feind? Wie hatte er ihn nur aufnehmen können nach all dem, was er ihm angetan hatte?

Das war der Gedanke, der Fiesoduck in keiner Nacht Schlaf finden ließ. Eine einsame Träne rann seinen Schnabel auf Darkwings blauen Bettzug hinab, auf diesem sich in einen kleinen Fleck dunkleren Farbtons verwandelnd.

Und er hätte in dieser Nacht beinah den Tod des Erpels verschuldet, dem er sein verdammtes Leben verdankte. Darkwing hatte die Qualen und die Pein erleiden müssen, die ihm zugedacht gewesen waren. Fiesoducks Blick fiel auf dessen verletzte Schulter, die er behelfsmäßig verbunden hatte.

Er sollte dort im Bett liegen, nicht Darkwing. Wenn er sich nur vorstellte, dass Darkwing statt seiner in dieser Nacht ermordet werden sollte bekam er keine Luft mehr, auch wenn dessen Tod ebenso den seinen bedeutet hätte.

Darkwing musste ihn verflucht haben, als er dort an dem Stuhl gefesselt und gepeinigt worden war. Fiesoduck wollte sich nicht ausmalen, was in diesem Moment seine Gedanken gewesen sein mochten.

Und das Allerschlimmste für ihn war: Er wusste, dass Darkwing ihm verziehe sobald er erwachen würde. Dass er Fiesoduck mit seinen blauen Augen ansähe und alles in Ordnung wäre.

Fiesoduck schluchzte erstickt auf und schlug seine Fäuste leicht auf die Bedecke. Wie konnte Darkwing ihm nur vergeben? Wie konnte dieser Erpel, der dort wehrlos vor ihm lag, nur das Herz besitzen, ihm, Fiesoduck, zu verzeihen? Was hatte er ihm jemals gegeben, dass er sich dieses Erbarmen verdient hätte?

Er hatte Angst, dass Darkwing sich in ihm geirrt hatte. Und dass es ihm auffallen würde, dass er ihn verachten und letzten Endes verstoßen würde.

Fiesoduck wusste, dass er ohne Darkwings Obhut nicht mehr leben konnte. Er lachte gequält auf. Nie hatte er ohne ihn existieren können, keine einzige Sekunde seines Lebens. Darkwing musste blind sein, blind in seinem Nachsehen mit ihm.

Behutsam strich Fiesoduck durch Darkwings weißes Gefieder, welches sich erstaunlich weich anfühlte, viel weicher, als es sein eigenes je gewesen war. Die Sanftheit der Federn unter seiner Handfläche und Darkwings gedemütigte Gestalt ließen ihn schwer schlucken.

Er konnte die Tränen nicht länger unterdrücken. Er weinte, weinte wie noch nie in seinem Leben. Er wusste, als Kind hatte er manchmal geweint, wenn die Nächte still und einsam gewesen waren. Wenn ihm gewahr worden war, das ihm irgendetwas fehlte.

Jetzt wusste er, dass es Darkwings Wesen gewesen war, dass er damals missen musste. Und heute, in dieser Nacht, in der an dessen Bett saß und beinah verloren hätte, was ihn endlich vollkommen gemacht hatte, weinte er wieder.

Er konnte ohne Darkwing nicht leben. Diese Erkenntnis traf ihn zutiefst, weinte er doch nicht nur aus Angst Darkwing beinahe verloren zu haben, sondern ebenso aus Glück, endlich gefunden zu haben, was er sein ganzen Leben lang unwissend ersehnt hatte. Er beweinte sein vergangenes Sein, den verbitterten Erpel, der er einst gewesen war.

Der Regen prasselte weiter unbarmherzig gegen die Scheiben. Fiesoduck vergrub seinen Kopf in seinen Armen und schluchzte erneut.

Eine gefiederte Hand legte sich auf sein Haupt. Doch anstatt aufzuschrecken hob Fiesoduck nur langsam den Schnabel und blickte mit verweinten Gesicht in Darkwings schattenbedecktes Antlitz.

„Fiesoduck“, hauchte Darkwing fast unhörbar in den stillen Raum. Fiesoduck blinzelte, während Darkwing ihn durchdringend ansah. Schließlich konnte er dem Blick nicht mehr standhalten und wandte sich ab.

„Du hast Angst, nicht wahr?“, fragte Darkwing leise und schob seine Hand unter Fiesoducks Schnabel, sodass dieser ihn abermals ansehen musste.

„Ja“, brachte Fiesoduck erstickt hervor, ehe seine Stimme versagte.

„Du weißt, dass du keine Furcht haben brauchst. Und du weißt auch, dass ich nichts, was an diesem Abend passiert ist, dir zur Last legen würde. Was ängstigt dich also?“

„Ich… fürchte, dass du dich irrst, Darkwing. Dass ich nicht derjenige bin, den du in mir siehst. Dass ich nur Leid über dich bringen werde, wie ich es mein Leben lang getan habe. Verstehst du nicht? Sie hätten dich getötet. Sie hätten dich umgebracht, dir dein Leben genommen, weil du mir ein neues geschenkt hast. Wie kannst du mich daher nur fragen, ob ich Angst habe?“, ächzte Fiesoduck und griff in den Stoff des Plumeaus.

„Wie kann ich mich in dir irren, wenn du ein Teil meiner bist, Fiesoduck? Wie könnten deine Fehler mir unentdeckt bleiben, wenn ich diese ebenfalls hätte mein Eigen nennen können, wäre mein Leben ähnlich deinem verlaufen? Ich hatte Gründe für mein Handeln. Ich habe dich bei mir aufgenommen, weil ich weiß, wer du wirklich bist. Und wie du wirklich bist. Erinnere dich daran“, sagte Darkwing, mit den Fingern über Fiesoducks gefiederte Wange fahrend. Langsam legte sich dessen Klagen und eine einnehmende Stille legte sich über die beiden Erpel.

„Danke, Darkwing“, wispere Fiesoduck zu ihm gewandt.

„Schlaf jetzt, Fiesoduck“, antwortete Darkwing stattdessen leise und zog seine Hand zurück. Fiesoduck nickte unmerklich und bettete seinen Kopf auf seine Ärmel.

Nur wenige Minuten später war er an Darkwings Bett eingeschlafen, während sein angespanntes Gesicht sich zu einem fast ruhigen Lächeln entspannte.

Doch der Schein sollte trügen. Darkwing mochte sich Fiesoducks rückhaltlosem Wesen gewahr geworden sein, doch die Konsequenzen seiner Handlung hätte keiner der beiden Erpel erahnen können.

Fiesoduck Augenbraue zuckte.

In Wirklichkeit würde dies die letzte Nacht sein, in der er ruhig schliefe.

Behind a sinful shade

6. Kapitel - Behind a sinful shade
 

Quälend das Gesicht verziehend streckte sich Fiesoduck auf dem hölzernen Hocker. Sein Blick streifte das leere Bett vor ihm, die Decke lag zerknittert an dessen Fußende. Er richtete sich auf und entdecke einige Blutflecke auf dem violetten Bettlaken. Es schien, als seien seine Verarztungskünste doch nicht die heilsamsten gewesen. Sich die Augen reibend machte er sich auf den Weg in die Küche, rief dabei einige Male nach Darkwing. Doch dieser befand sich augenscheinlich nicht im Hause. Schließlich fand er eine Notiz auf dem Küchentisch, in der Darkwing ihm mitteilte, dass er umgehend ins S.H.U.S.H Hauptquartier beordert worden war. Fiesoduck ließ den Zettel zurück auf den Tisch sinken und tat die Sache mit „das Übliche“ ab, während er sich einen Kaffee einschenkte. Die Sonne schien hell durch die Gartentüre in die Küche, doch der stetige Regen prasselte auch jetzt noch auf die Fliesen der Terrasse nieder. War das regnerische Wetter eigentlich nicht untypisch für diese Jahreszeit?

Fiesoduck trank seinen Kaffee in nahezu einem Zug aus und stellte die Tasse derart heftig auf den Tisch zurück, dass der verbliebene Inhalt in kleinen Tröpfchen auf die Platte spritzte. Er griff nach der Zeitung, schlug die Titelseite auf und begann zu lesen, bis sein Blick schließlich auf der übernächsten Seite gefangen blieb. Die Schlagzeile verkündete voluminös Salpetra Schniefschnabels Ausbruch aus der Haftanstalt St. Erpelsburgs, welche über einer großen Aufnahme der zersprengten Gefängniswand prangte. Mit einem leichten Brummen nahm Fiesoduck die Meldung zur Kenntnis, wahrscheinlich war dies der Grund gewesen, weshalb S.H.U.S.H Darkwing zu sich befohlen hatten. Die Zeitung auf den Zettel mit dessen Notiz werfend schnappte er sich seine Tasse und ging hinauf in seine Kammer.
 

„Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, Agent Eisenbeiß“, verkündete eine schemenhafte Gestalt von einer Bildschirmübertragung aus. „Agentin Schniefschnabel hat sich mittlerweile wieder in ihrem Quartier eingefunden.“

„Dies ist… außerordentlich erfreulich“, brachte Eisenbeiß Verzückung heuchelnd hervor. Seit seiner gemeinsamen Mission mit Salpetra zum Ausrauben einiger Banken war diese nicht mehr sonderlich gut auf ihn zu sprechen gewesen.

„Nach ihrer Beschaffung der Stahlrohre benötigt F.O.W.L noch einige weitere Materialen, die sie umgehend besorgen werden“, verkündete die weibliche Stimme bestimmt.

„Natürlich werden die Angelegenheiten schnellstens erledigt werden.“

„Das hoffe ich für sie, Agent Eisenbeiß. Anschließend steht ihnen nämlich ein weitaus umfangreicherer Auftrag bevor.“

„Was wird Gegenstand dieses Befehls sein, Nummer Eins?“, fragte Eisenbeiß wachsam, sich seine gelbe Fliege richtig rückend, und griff nach auf einem kleinen Beistelltisch stehenden Glas Sekt.

„Eine Entführung“, erklärte die Stimme schlicht.

Eisenbeiß’ Gesicht verzog sich zu einem unglücklichen Ausdruck.

„Darüber hinausgehende Details?“, erkundigte er sich.

„Das F.O.W.L Oberkommando ordnet die Entführung des ehemaligen Schurken Fiesoduck an.“

Eisenbeiß spuckte vom Donner gerührt seinen exquisiten Sekt aus und hustete.

„Eine… Entführung Fiesoducks?“, hakte er fassungslos nach.

„Sie haben sicher erfahren, dass Fiesoduck sich auf Darkwing Ducks Seite geschlagen hat und jenem bei seinen Steifzügen hilft“, bemerkte Nummer Eins Stimme kalt.

„Sicherlich, aber was soll diese Entführung? Dieser Darkwing Doofwing wird auch mit dessen Hilfe nicht in der Lage sein, unsere Pläne zu durchkreuzen.“

„Ich bitte sie sich an die Desaster der Vergangenheit zu erinnern; Darkwing Duck hat oft genug F.O.W.L’s Zielsetzungen behindert. Es handelt sich bei diesem Auftrag jedoch nicht nur um eine simple Prävention, da Fiesoduck durch seine verbrecherische Vergangenheit relevante Informationen über F.O.W.L’s Agitation besitzt. Im Gegenteil werden wir ihn für unser neues Experiment benötigen. Sie erinnern sich sicherlich an Torro Bulba?“

Eisenbeiß schluckte und dachte mit Schrecken daran, dass Torro Bulba ihn nach seinem Erwachen attackiert und beinah in ein flambiertes Hähnchen verwandelt hätte.

„Ja“, brachte er dumpf hervor.

„Nach dem herben Fehlschlag des letzten Versuchs planen wir eine Fortführung dessen. Bei unserem Testobjekt wird es sich um Fiesoduck handeln.“

„Und was ist ihre Intention hinter der Wiederauflebung dieses Versuchs? Dass er genauso miserabel endet wie der Vorherige?“, murrte Eisenbeiß und blickte in Nummer Eins’ schattenverdecktes Gesicht.

„Geben sie Acht auf ihre Ausdrucksweise, Agent Eisenbeiß. Wir erhoffen uns viel von diesem neuen Versuch. F.O.W.L’s Informationen zufolge ist Fiesoducks Bund zu Darkwing Duck von sehr zerbrechlicher Verbindung und beruht lediglich auf einer unglücklichen Verwicklung. Es sollte ihnen hoffentlich ein Leichtes sein, ihn für unsere Pläne und letzten Endes für unseren Versuch zu gewinnen. Zumal die Vermutung nahe liegt, dass er nach unserem Experiment uns nicht nur als ultimative Waffe, sondern auch als wichtige Informationsquelle dienlich sein wird. Wir gehen davon aus, dass er Darkwing Ducks wahre Identität kennt.“

Eisenbeiß grinste boshaft. Exakt das war der Habitus des F.O.W.L Oberkommandos und der Grund, weswegen er sich deren schadhaften Plänen verpflichtet hatte. Doch das Lächeln verschwand schnell aus seinem Gesicht.

„Und wenn Fiesoduck sich weigert mit uns zu kooperieren?“, gab er zu Bedenken.

„Nehmen sie ihn ohne Umschweife gefangen und bringen sie ihn ins Hauptquartier. Dieser Auftrag ist von äußerster Brisanz und gilt unbedingt erledigt zu werden, Agent Eisenbeiß. Nummer Eins, Ende.“

Eisenbeiß ließ ein gequältes Seufzen ertönen und warf die Fernbedienung des Fernsehgeräts auf den Tisch. Das F.O.W.L Oberkommando ließ ihm keine andere Wahl.

Er würde Fiesoduck entführen müssen.
 

Fiesoduck, von den ganzen sich im Hintergrund spinnenden Intrigen nichts ahnend, ließ sich mit dem Kaffee auf seinem Bett nieder. In Wirklichkeit handelte es sich bei diesem jedoch nur um eine auf dem Boden liegende Matratze, die provisorisch für ihn ausgelegt worden war. Er öffnete das Fenster leicht und lauschte eine Weile dem fallenden Regen. Seit seinem Einzug bei Darkwing lebte er auf dem Dachboden des Grundstücks. Darkwing selbst hatte ihm oft angeboten sich das Gästezimmer zu Eigen zu machen, ebenso wie den Dachboden etwas wohnlicher zu gestalten.

Fiesoduck hatte beide Vorschläge abgelehnt. Er kam sich immer noch wie ein Eindringling in Darkwings Leben vor, am Allerwenigsten wollte er es sich daher im Gästezimmer heimisch machen.

Deswegen verkroch er sich hier auf dem Dachboden, zwischen alten Elektronikgeräten und Kartons lebend. Er wusste selbst nicht wirklich, wieso er Darkwings Angebot zur Ausschmückung des Dachbodens nicht wahrgenommen hatte. Doch tief in ihm machte sich bei dem Gedanken immer wieder das Gefühl der Unsicherheit breit. Das Gefühl, dass sein Leben bei Darkwing nicht von langer Dauer sein würde.

Dennoch stand Fiesoduck auf, packte einen der Kartons und räumte ihn in die Ecke des kleinen Raumes. Vielleicht konnte er sich den Dachboden doch etwas behaglicher einrichten, zumindest würde es ihm die Zeit vertreiben, bis Darkwing wiederkäme. Doch bereits beim dritten Karton hörte er auf zu räumen, fiel doch aus diesem ein in Leder gebundenes Album heraus. Fiesoduck nahm es ihn die Hand und schlug es auf, kurz darauf in das Gesicht eines jungen Erpels schauend. Fiesoduck erkannte es sofort, er selbst hatte in jungen Jahren nicht wesentlich anders ausgesehen. Dem ungeachtet krümmte sich sein Schnabel zu einem leichten Lächeln, als er seinen Daumen durch die Seiten blättern ließ und diverse Fotos aus Darkwings Kindheit entdeckte. Einige Seiten waren frei, schließlich folgten Fotos von denen Fiesoduck vermutete, dass sie vor nicht allzu langer Zeit geschossen worden waren. Eine dieser Aufnahmen zeigte Darkwing als Eddie Erpel zusammen mit seiner Tochter und Quack auf dem Rasen seines Grundstücks. Fiesoduck lachte auf. Was für eine Familie! Doch beim Anblick Kikis schürte es ihm die Kehle zu.

Auch er war im Kontraversum Vater eines kleinen Mädchens gewesen; seiner Kiki. Gekümmert hatte er sich jedoch nie um sie, nur Quacks schlechtes Ebenbild hatte ab und zu einige Spielsachen für sie gestohlen. Er selbst hatte sie nur ignoriert, manchmal hatte er ihr einige Aufträge erteilt, damit sie aus seinen Augen verschwand. Doch eins hatte er ihr nie gegeben: Liebe. Fürsorge, die sie von einem Vater hätte erhalten sollen. Das arme Mädchen musste sehr unter seiner Antipathie gelitten haben, hatte sie doch niemanden gehabt, an den sie sich jemals hätte wenden können. Es war gut, dass er nie wieder ins Kontraversum zurückkehren würde.

Fiesoduck schlug das Album zu, er konnte den Anblick Kiki’s nicht länger ertragen. Er hatte niemals Wohlwollen für dieses Kind empfunden, hatte er doch sein Geld seine gesamte Zuneigung und Aufmerksamkeit benötigt. Im Nachhinein schmerzte ihn diese Erkenntnis; er hätte sich ein besseres Leben für die Kleine gewünscht. Doch auch jetzt, in diesem Moment der Reue, empfand er nichts für das kleine Mädchen, das seine Stieftochter gewesen war.

Er stand vom staubigen Boden des Dachstuhls auf. Wahrscheinlich war sie gestorben, nachdem er das zerfallende Kontraversum verlassen hatte, ebenso wie der Rest seiner einstigen Untertanen. Fiesoduck drehte seinen Kopf und starrte aus dem Fenster. Der Regen war nun einem starken Schneefall gewichen. Er schüttelte den Kopf. Die Witterungsverhältnisse waren dieses Jahr in der Tat absonderlich…

Doch auch der sich nun langsam über den Rasen legende, weiße Schnee würde ihn von seiner Schuld nicht reinwaschen.

Wrap your troubles into dreams

7. Kapitel - Wrap your troubles into dreams
 

Es war bereits später Abend, als Darkwing endlich aus dem S.H.U.S.H Hauptquartier entlassen worden war. Julius Ganter war außerordentlich besorgt über Salpetras Ausbruch gewesen, ebenso über die Tatsache, dass diverse kleinere, vermutlich von F.O.W.L geführte, Überfälle in den letzten Wochen stattgefunden hatten. Weitere Informationen hatten Ganters Agenten jedoch nicht in Erfahrung bringen können.

Darkwing, mittlerweile wieder in seine Rolle als harmloser Eddie Erpel geschlüpft, kämpfte sich durch den Zentimeter hohen Schnee seines Vorgartens. Überraschender Weise entdecke er einen Schneemann vor seinem Wohnzimmerfenster stehend. Normalerweise hatten Kiki und Quack immer einen Heidenspaß gehabt bei hinlänglichem Schneefall ganze Schneemannarmeen in seinem Garten zu bauen, doch da beide zurzeit nicht zu Hause verweilten, stimmte ihn der Anblick des Schneemanns höchst verwunderlich.

Die letzten Meter durch den hohen Schnee stampfend kramte er nach seinem Schlüssel und öffnete die Haustür. Wollige Wärme umfing ihn, als er in die Stube trat und er vernahm einige kreischende Geräusche aus dem Wohnzimmer, die wahrscheinlich von Darstellern aus einem drittklassigen Horrorstreifen stammten.

„Bin wieder da!“, rief Eddie in Richtung Wohnzimmer und trabte in die Küche, um sich eine Kleinigkeit aus dem Kühlschrank zu besorgen.

„Hab’s gehört!“, antworte Fiesoduck, was bei der Lautstärke des Fernsehers jedoch ein kleines Wunder war, und drehte sich sofort wieder der Mattscheibe zu, auf der ein Kettensägen schwingender Zombie durchs Bild taumelte.

„Hast du eine von Kikis Videokassetten gefunden oder was für einen Schund ziehst du dir da gerade rein?“, fragte Eddie die Stirn runzelnd und zog die Folie seines Joghurts vom Becher.

„Du hast keine Ahnung. Das ist ein exquisiter Horrorstreifen, „Die blutige Rückkehr der kettensägenden Zombies aus der Unterwelt“!, antworte Fiesoduck ihm empört und zur besonderen Untermalung des exzellenten Streifens ertönte das Kettensägengeheul besagter Untoter.

„Ich bin wahrlich beeindruckt“, erwiderte Eddie spitz und rührte seinen Fruchtjoghurt um.

„Was wollte Ganter von dir?“, wechselte Fiesoduck das Thema.

„Nichts besonderes, er machte mich auf den Ausbruch Salpetra Schniefschnabels aufmerksam und das F.O.W.L anscheinend irgendwas ausbrütet.“

Ein simples Brummen war Fiesoducks Antwort, als Darkwing sich auf dem Sofa niedersetze. Gerade als sein vorhin gelöffelter Joghurt ob der blutigen Bilder des Films seine Speiseröhre auf höchst unschöne Weise wieder verlassen wollte, wurde der Streifen glücklicherweise durch eine rettende Werbepause unterbrochen. Fiesoduck knurrte mürrisch vor sich hin, während Eddie seufzend aufatmete.

„…deswegen kaufen auch sie jetzt „Wischwasch“, das neue, strahlend weiße Waschpulver! Alles fein – Erpelrein!“, ging der Werbespot zu Ende, als auf dem Bildschirm plötzlich Fiesoducks schlimmster Alptraum, die Glückshäslibutzis, aufflimmerten.

„Werden sie jetzt Mitglied in unseren neuen Club! Erhalten sie informative Berichte über die Glückshäslibutzis, ihre Auftritte und vieles mehr! Wir bieten ihnen Häsli-Spaß und Vergnügen!“, verkündete der Werbesprecher strahlend und Eddie sah Fiesoducks Augen sich bereits gefährlich weiten; als jedoch das rote Häschen sich abschließend des Spots erkundigte, ob er heute schon umarmt worden sei, kamen blutdürstige Gelüste in Fiesoduck auf. Die Zähne fletschend griff er in seinen Umhang, zog eine seiner favorisierten Bomben heraus und warf sie in weitem Bogen gegen das Fernsehgerät, das mit einem solch ohrenbetäubenden Knall explodierte, der sicher auch Herb Wirrfuß im Nachbarhaus vom Sofa geholt hatte.

Eddie starrte währenddessen fassungslos die verkohlten Überreste seines einstigen Fernsehers an.

„Fiesoduck!“, brachte er schließlich gereizt hervor und starrte ihn vernichtend an.

Dieser schenkte ihm sein unschuldigstes Grinsen und verschränkte seine Hände hinter seinem Cape.

„Verdammte Glückshäslibutzis, jetzt werde ich nie wissen, wie die Zombies…“, begann er.

„Es reicht, Fiesoduck!“, rang Eddie mit der Fassung, „ich gehe ins Bett“, lärmte er und stand vom Sofa auf. Fiesoduck blickte ihm niedergeschlagen hinterher.

„Entschuldigung, Darkwing“, brachte er anschließend hervor, als Eddie bereits die Hälfte der Treppe hinter sich gelassen hatte. Dieser seufzte herzergreifend und mustere Fiesoduck mit strengem Blick. Wieso musste dieser Erpel nur so… wahnsinnig sein?

„Wer hat eigentlich diesen Schneemann im Vorgarten gebaut, hast du das zufällig mitgekriegt?“, fragte Eddie schließlich, um die Situation etwas zu entspannen.

„Ja.“

„Fiesoduck bitte, dein Wortschwall erstickt mich schier!“, maulte Eddie gereizt.

„Ich habe ihn gebaut.“

Hätte Eddie seine Hände nicht auf Treppengeländer gelegt gehabt, wäre er nun mit Sicherheit diese herunter gepurzelt.

„Was?! Wieso in aller Welt baust du einen Schneemann in meinem Vorgarten?“

„Mir war danach.“

Ihm war danach? Eddie blickte verstört die kokelnden Überreste des Fernsehers und anschließend durchs Fenster den in Garten stehenden Schneemann an, während er verzweifelt versuchte, diese beiden Aktionen in Einklang zu bringen.

Fiesoduck war absolut verrückt.

„Ich… gehe nun schlafen“, sagte Eddie kopfschüttelnd und ließ Fiesoduck im Wohnzimmer stehen.

„Ihm war danach… pah!“, murmelte er immer noch durcheinander, als er sich sein violettes Nachthemd überstreifte. Fiesoducks Persönlichkeit schien ebenso starken Wandlungen wie des Wetters zu unterliegen. Dass diese beiden Tatsachen in Verbindung miteinander standen sollte er erst wesentlich später erfahren.
 

Sie lebte noch. Wahrlich lebte sie und kam geradewegs anklagend auf ihn zu. Den Zeigerfinger ausstreckend deutete sie auf seinen Oberkörper und schrie einige Worte, die er nicht verstand. Ihre Haare waren strähnig und hingen in ihrem Gesicht, das voller schwarzer Rußflecken war. Hinter ihr stand St. Erpelsburg lodernd in Flammen, Hochhäuser waren umgestürzt und blockierten die Straßen. Dunkle Wolken schwebten über der Stadt.

Verstört wich er einige Schritte zurück und betrachtete das Inferno starr, riss seinen Blick schließlich von der brennenden Metropole los und sah, dass sie ihn nun fast erreicht hatte. Er schritt noch einige Meter nach hinten, sodass sie ihn nicht erreichen würde; fiel dabei jedoch über einen herumliegenden Stein und knickte nach hinten weg. Bevor er sich aufrappeln konnte war sie über ihm, starrte ihn beschuldigend aus ihren grünen Augen an.

Verräter, schallte es auf einmal in seinem Kopf, begleitet von einem stechenden Schmerz, sodass er sich an die Stirn fasste. Auf einmal waren sie alle da, sein gesamtes einstiges Gefolge. Ebenso anklagend wie sie starrten sie auf ihn nieder, beugten sich über ihn und musterten ihn vernichtend. Du hast uns im Stich gelassen, erklangen ihre Stimmen wieder. Er versuchte aufzustehen, einige belanglose Worte der Entschuldigung hervorzubringen, doch er wurde durch Fußtritte brutal zurückgehalten. Es kann keine Entschuldigung für dein Tun geben, dröhnten die Stimmen erneut in seinem Schädel und er kniff gepeinigt die Augen zusammen. Sie sollten aufhören zu sprechen, es schmerzte sie zu hören, ihren Anschuldigungen ausgesetzt zu sein. Und plötzlich war sie über ihm. Sie hielt einen langen Gegenstand in der Hand, er konnte nicht erkennen, was es war. Die Stimmen wurden lauter und lauter, ihm üble Verwünschungen entgegen werfend, während er wehrlos auf dem Boden kauerte und zu ihr hochblickte. Seine Augen fixierten den Gegenstand in ihrer Hand, der sich nun langsam seinem Körper näherte. In seinem Kopf tönte mittlerweile ein monotones Kreischen, das ihn ebenso aufschreien ließ, und er schrie, er schrie, bis sich der Gegenstand durch seinen Körper bohrte und… er schweißgebadet aufwachte.

Er kreischte noch immer. Schließlich durchlief ein Zucken seinen Körper und er riss die Augen auf. Mit einem gewaltigen Satz war er von seiner Matratze aufgesprungen und warf dabei einige Bücher um, die neben dieser gestapelt gewesen waren. Zitternd hielt er sich den Kopf und sank auf den kalten Fußboden nieder.

Verräter.

So hatte ihn sein einstiges Gefolge genannt. Und sie.

Seine Stieftochter.

Fiesoducks Nackenfedern stellten sich auf, sobald er nur an die Stimmen dachte. Es hatte sich alles so… real angefühlt.

Aufgewühlt ließ er sich zunächst wieder auf die Matratze fallen. Ihm war immer klar gewesen, dass er den Tod aller im Kontraversum verschuldet hatte, aber bisher hatte er es einigermaßen beiseite schieben können.

Für dein Tun kann es keine Entschuldigung geben, hatten sie gesagt.

Er wusste das.

Konnte er es tagsüber verdrängen, so suchte es ihn doch nachts heim, wenn er allein in seiner dunklen Kammer lag und träumte. Kontrolle, das war es, was er sein Leben lang ausgeübt hatte. Sein Bewusstsein konnte er kontrollieren, seine Träume jedoch nicht. Sie würden ihm jede Nacht aufzeigen, was er gewirkt hatte. Seine Vergangenheit würde ihn einholen, jederzeit, wenn er sich am wenigsten dagegen wehren konnte.

Fiesoduck sollte erst später begreifen, dass dies weit mehr als nur ein Traum gewesen war.
 

Als Eddie Erpel am späten Nachmittag endlich aus dem Bett gekrochen war, schlug er wie immer zuerst den Weg in die Küche ein, um sich einen starken Kaffee aufzubrühen. Kaum war er die Treppe heruntergekommen, entdeckte er einen neuen Fernseher dort stehen, wo er gestern die verkohlten Überreste des alten hatte liegen lassen. Er registrierte dies mit einem besorgten Seufzen, zeigte es doch nur, dass Fiesoduck, wie er es auch vermutet hatte, noch immer einigen seiner verbrecherischen Tätigkeiten nachging. Auch jetzt schien er nicht zu Hause zu sein; Eddie rief einige Male nach ihm, bevor er die Tür zur Küche auftat. Trotz des langen Schlafes immer noch ermüdet, ließ er sich auf die Eckbank sinken und griff nach der Tageszeitung, konnte sich jedoch nicht auf die Nachrichten konzentrieren.

Er hatte Schreie gehört letzte Nacht.

Und sie waren eindeutig von Fiesoduck gewesen.

Eddie hatte sie gestern vernommen, als er ebenfalls schlaflos im Bett gelegen hatte.

Doch er war nicht zu ihm hinaufgegangen. Er wusste nicht, was Fiesoduck letzte Nacht dermaßen erschreckt hatte, doch er hatte es als das Beste erachtet, ihn in diesem Moment nicht zu behelligen. Eddie griff nach der Dose mit Kaffeepulver und füllte dieses in den Filter der Maschine.

Vielleicht war dies ein Fehler gewesen.
 

Fiesoduck hingegen streifte immer noch durch St. Erpelsburg. Er war nur kurz Heim gegangen um den Fernseher abzuliefern, den er gestern bei Herstadt gestohlen hatte. Er ahnte, dass Eddie dies nicht willigen würde, doch hatte er sich nach seinem gestrigem „Ausrutscher“ dazu verpflichtet gefühlt. Außerdem hatte diese Tat ihn seit Monaten wirklich ausgefüllt. Es hatte sich angefühlt, als ob alles noch wie früher wäre.

Was es natürlich nicht war.

Es dämmerte bereits, als er den verruchten Teil St. Erpelsburgs durchkreuzte. Einst hatte er sich in diesem Viertel häufig aufgehalten, abends in den anstößigen Bars abgehangen und sich innerlich über die anderen jämmerlichen Gestalten dort amüsiert, die sich selbst als Verbrecher bezeichnet hatten. Weicheier waren sie gewesen, einfältige Nichtsnutze. Doch nun musste er genau diese fürchten.

Flugs quetschte er sich in eine der Seitengassen und an einigen Müllcontainern vorbei. Selbst in der finstersten Nacht hätte er diesen Weg gefunden, so viele Male hatte er sich hier herumgetrieben. Gerade wollte er in eine weitere Abzweigung einbiegen, als er hinter sich ein Klappern hörte. Gewand drehte er sich um und starrte in die dunkle Gasse, entdeckte jedoch niemanden. Mürrisch brummte er angesichts seiner Schreckhaftigkeit, wand sich erneut herum und wollte seinen Weg fortzusetzen; rannte jedoch geradewegs gegen eine große Gestalt, die sich vor ihm aufgebaut hatte. Durch die Wucht des Aufpralls nach hinten geschleudert fiel Fiesoduck auf seinen Bürzel und blickte erzürnt auf. Er wollte gerade einige üble Beschimpfungen loslassen, als ihm diese ihm Halse stecken blieben.

„Welch Zufall dich hier anzutreffen, Fiesoduck“, hörte er die Gestalt vor sich plaudern und in eine reizlose Lache ausbrechen.

Doch Fiesoduck wusste, dass dies kein Zufall war. Er hielte sich niemals zufällig hier auf, dafür war er viel zu distinguiert. Auch jetzt, in der frühen Dämmerung, glänzte sein blank polierter Schnabel in dem letzten schwachen Licht der untergehenden Sonne.

Eisenbeiß.

„Was willst du von mir?“, knurrte Fiesoduck misstrauisch und drückte sich vom staubigen Boden hoch.

„Ich dachte, es wäre mal an der Zeit sich ein wenig zu unterhalten, nicht?“, fragte ihn Eisenbeiß scheinbar lässig.

„In einer schmutzigen Seitengasse, natürlich“, sagte Fiesoduck süffisant und verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper, „Glaube nicht, dass du mich für dumm verkaufen kannst.“

Eisenbeiß’ Schnabel zuckte nervös.

„Ich möchte dir ein Angebot machen.“

„Du meinst F.O.W.L will mir ein Angebot machen“, stellte Fiesoduck die Sache klar und sah Eisenbeiß durchdringend an. „Ich lehne ab.“

„Du solltest dir die Sache gründlich überlegen, Fiesoduck.“

„Ach, was du nicht sagst, Eisenbeiß. Meine Aussage bleibt allerdings bestehen“, antwortete Fiesoduck kurz angebunden und an keinem weiteren Wortwechsel interessiert.

„Dann werde ich dich wohl… anderweitig überzeugen müssen“, lächelte Eisenbeiß auf ihn hinab und schnippte mit den Fingern. Für Fiesoduck war dies das Signal.

Er warf sich herum und rannte los.

Out to get you

8. Kapitel - Out to get you
 

Auf einmal waren sie da, umzingelten ihn. Eine Horde von Dotterköpfen blockierte den Ausgang der Gasse und hatten ihre Waffen auf Fiesoduck gerichtet. Dieser stieß angesichts der ausweglosen Situation einen unflätigen Fluch aus und griff unter sein Cape.

„Waffe stecken lassen“, befahl Eisenbeiß in einem kalten, ganz und gar nicht mehr umgänglichen Ton, während er selbst seine Pistole hervorzog und auf Fiesoducks Rücken richtete.

Dieser verharrte in seiner Bewegung.

„Eisenbeiß“, sprach er langsam, jedoch ohne sich umzudrehen.

„Ja?“, antwortete dieser fragend und hielt seine Schusswaffe weiter auf ihn gerichtet.

„Wann habe ich das letzte Mal eine Bitte erfüllt?“, fragte Fiesoduck leise und umschloss seine Knarre unter seinem Umhang.

„Ähm…“, brummte Eisenbeiß anscheinend ernsthaft darüber nachsinnend.

Fiesoduck wandte sich leicht zu ihm um und lächelte Zähne zeigend.

„Noch nie“, beantwortete er seine Frage selbst, drehte sich blitzartig zu dem von den Dotterköpfen versperrten Gasseneingang herum und zog seine Waffen hervor.

Jäh eröffnete er das Feuer.

Die überrumpelten Dotterköpfe sprangen auseinander, den Gassenausgang ein wenig freigebend. Fiesoduck rannte los, schoss sich weiter den Durchgang frei und wich dabei den Kugeln der Dotterköpfe aus, die nun ebenfalls das Feuer auf ihn eröffnet hatten. Fiesoduck hatte sich fast zum Ausgang der Gasse durchgekämpft, als ein Geschoss sich in seine Schulter bohrte und ihn grob zu Boden riss. Eisenbeiß hatte ihn von hinten getroffen.

Sofort hatten die Dotterköpfe ihn wieder umzingelt und traten den am Boden liegenden Fiesoduck, rissen ihn schließlich in die Höhe und hielten ihn fest. Eisenbeiß stolzierte seine Schwanzfedern schwingend die Gasse entlang zu den von seinen Gefolgsmannen festgehaltenem Fiesoduck und baute sich vor diesem auf.

„Außerordentlich bedauerlich, mir auf diese Art deine Zustimmung sichern zu müssen“, sagte er kopfschüttelnd und drückte mit seiner Hand Fiesoducks Schnabel in die Höhe. Eisenbeiß’ schwarze Augen musterten den ihn mit trotzigem Blick begegnenden Fiesoduck angespannt.

„F.O.W.L scheint sich auf ungewöhnliche Überzeugungstaktiken spezialisiert zu haben.“

„In deiner Situation würde ich es für ratsam erachten, deinen Schnabel nicht derartig weit aufzureißen“, entgegnete Eisenbeiß eisig und packte zur Unterstreichung seiner Warnung Fiesoducks Schnabel fester. „Wir werden uns jetzt ernsthaft unterhalten müssen.“

„Das bezweifle ich, Gockelchen“, knurrte Fiesoduck gefährlich und trat aus. Eisenbeiß’ Bein treffend zuckte dieser ärgerlich zusammen und ließ Fiesoducks Schnabel los. Nun weiter nach den Dotterköpfen austretend, kämpfte er sich frei und schlug zwei von ihnen gegeneinander, sodass diese bewusstlos auf den Boden sanken. Eisenbeiß hatte sich mittlerweile wieder aufgerappelt und packte Fiesoduck am Kragen.

„Das wirst du bitterlich bereuen, du…“, begann er, bevor Fiesoducks Faust ihn ins Gesicht traf. Doch statt wie von diesem Schlag geplant zurückzuweichen, biss Eisenbeiß zu. Fiesoduck stieß einen markenerschütternden Schrei aus, als Eisenbeiß’ scharfer Stahlschnabel sich in sein Handgelenk schnitt. Ein weiteres Mal gellend aufschreiend hörte er seine Knochen brechen.

Erst als er Eisenbeiß weiter trat und letztlich in günstigem Winkel sein Schienbein traf, riss dieser seinen Schnabel auf und stöhnte, dabei ihn freigebend. Fiesoduck zog den blutigen Klumpen, der einst seine Hand gewesen war, aus Eisenbeiß’ blutverschmierten Schnabel hervor, trat ein weiteres Mal nach ihm und rannte los; rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war.
 

Eddie Erpel ließ vor Schreck seine violette Lieblingstasse fallen, als ein schmerzhafter Krampf seine Hand durchzuckte und schließlich kriechend dumpf verklang. Die Augenbrauen hochziehend blickte er auf die am Boden liegenden Scherben, deren Glasur sein besorgtes Gesicht spiegelte. Er ahnte Übles.

Das Kehrblech aus der Abstellkammer holend trabte er in den Flur.

Er hätte Fiesoduck nicht alleine ziehen lassen sollen. Die Entführung der sich nun „Verderblichen Vier“ nennenden Bösewichte hätte ihn schon früher überzeugen sollen.

Fiesoduck musste etwas zugestoßen sein; seine Hand schmerzte sicherlich nicht jäh aus heiterem Himmel. Doch bevor Eddie seinen bedenklichen Gedanken weiter nachsinnen konnte, ertönte schrill der Verbrechermeldealarm aus dem Wohnzimmer. Das Kehrblech ebenso wie die Tasse vorhin fallen lassend, zwängte er sich in die Kammer und streifte gewandt sein Kostüm über bevor er ins Wohnzimmer eilte, den als Plastikbanane in einer auf dem Tisch stehenden Obstschale getarnten Schalter betätigte und somit einen großen Bildschirm aus der Wand fahren ließ. Julius Ganter erschien auf der Bildröhre.

„Darkwing Duck, ich bin erfreut, sie anzutreffen“, begrüßte er ihn.

„Sie haben immerhin nach mir gerufen“, antwortete Darkwing galant und lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Welche Neuigkeiten hat S.H.U.S.H für mich?“

Julius Ganter berichtete ihm ohne große Umschweife, dass seine Agenten endlich herausgefunden hatten, wofür F.O.W.L sämtliche gestohlenen Materialen benötigte. Ganters Ausführungen folgend nahm Darkwings Gefieder einen selbst für ihn unnatürlich weißen Farbton an. F.O.W.L wollte das Projekt Torro Bulba wieder aufleben lassen.

Darkwings Federn richteten sich unfreiwillig auf, als er den zur Maschine verwandelten Torro Bulba mit seinem wilden Blick an jenem steinigen Abgrund vor seinem innern Auge wieder auf sich zukommen sah.

Und F.O.W.L wollte Fiesoduck ebenfalls zu einem solchen Monstrum machen.

„…eine sehr kritische Entwicklung“, beendete Ganter seine Darstellung und ließ Darkwing in einem bedrückende Schweigen zurück.

„Darkwing, was ist mit ihnen los?“, fragte er schließlich und sah Darkwing durch seine Brillengläser besorgt an.

Einen Moment verharrte er.

„Fiesoduck ist verschwunden“, beendete Darkwing schließlich das Schweigen und blickte Ganter ahnend an. Dieser begegnete seinem Blick mit großer Besorgnis.

„Finden sie ihn, Darkwing“, sagte er fieberhaft, „und finden sie ihn schnell! Immerhin kennt er ihre wahre Identität und ich würde nicht wetten, dass er diese lange vor F.O.W.L verbergen kann.“
 

Fiesoduck taumelte durch die Allee, die Straße mit seinem dunklen Blut benetzend. Er hatte Eisenbeiß und die Dotterköpfe vorerst angehängt, war sich jedoch nicht sicher, wie weit er sie wirklich hinter sich gelassen hatte. Er blinzelte, die Schmerzen wurden langsam unerträglich. Er war froh, als seine Augen die „Knack & Back“ Bäckerei erblickten, denn nun wusste er, dass es bis zur Theodor-Erpelmann Brücke nicht mehr weit sein konnte. Sein Cape weiter fester um seine blutende Hand wickelnd schleppte er sich den Weg entlang.
 

Darkwing hatte sich inzwischen auf seinen Rattenfänger geschwungen und düste die Straße entlang. Er wusste nicht wo Fiesoduck war, also fuhr er auf gut Glück durch die Stadt und hoffte, ihn irgendwo zu erspähen.

Er hatte gerade die Kreuzung passiert, als die Hölle ausbrach.

Erst zitterte die Erde nur ein wenig, bis sie schließlich stark erbebte und die angrenzenden Häuser zum Schwanken brachte. Darkwing bremste hart und schlitterte über die Straße, geradewegs auf einen Laternenpfahl zu. Er sprang von seinem Motorrad, ehe es gegen diesen krachte und rollte sich mit seiner Schulter ab. Über die Straße kullernd landete er auf dem Bürgersteig und betrachtete verstört den demolierten Rattenfänger, als hinter ihm der Putz des Gebäudes in kleinen Bröckchen auf ihn herab rieselte. Er sprang auf und erstarrte vor Schreck, als die Erde ein weiteres Mal erbebte, die Straße vor ihm aufriss und sämtliche parkende Autos verschlang. Ohne weiter zu zögern wandte Darkwing sich um und rannte los.
 

Auch Fiesoduck hastete so schnell er konnte durch die Gassen. Er wusste nicht was plötzlich geschehen war, doch wusste er gewiss, dass es nicht ratsam war, lange hier draußen zu verweilen.

Er zuckte zusammen als in der Straße, die er gerade noch durchquert hatte, ein Haus mit einem ohrenbetäubenden Krachen in sich zusammenstürzte. Das Letzte was er sah war eine riesige, aufwirbelnde Staubwolke.

Er hustete laut und blickte mit tränenden Augen zum Nachthimmel, der einen gedrückten, roten Farbton angenommen hatte.

Jetzt hatte er fast die Theodor-Erpelmann Brücke erreicht, auch wenn er es nicht für das Gescheiteste hielt, sich bei einem solchen Erdbeben in einem Brückenpfeiler zu verkriechen.

Doch er hoffte inständig, dass Darkwing dort wäre.

Ungestüm eilte er die Auffahrt der Brücke hinauf und ließ die zitternde Stadt hinter sich.

The color of his dreams

9. Kapitel - The color of his dreams
 

Fiesoduck starrte den Brückenpfeiler hinunter auf das zerrüttete St. Erpelsburg. Rauch stieg aus den Straßen der Stadt; Gebäude standen in Flammen. Er hörte eine Feuerwehrsirene in der Ferne verhallen.

Was um Gottes Willen war passiert?

Er stützte sich schwer auf das Geländer des Turms, rutsche jedoch auf den Boden ab. Fiesoduck schloss die Augen, der Blutverlust seiner Verletzungen machte sich langsam bemerkbar. Er ahnte, dass er nicht mehr lange durchhielte.

Darkwing.

Er war dort draußen, Fiesoduck wusste das. Darkwing suchte ihn in der tosenden Stadt. Und er hatte sich hier in der Brücke verkrochen.

Was für ein Schwachkopf er doch war.

Vor seinem inneren Auge sah er Darkwing unter einem Gebäude eingequetscht auf der Straße liegen und sterben.

Es war das Letzte, das er wahrnahm, bevor die sich um ihn legende Dunkelheit ihn gnädig umschloss.
 

Er hatte ihn gefunden. Gerade noch rechtzeitig.

Auch er war nach dem Erdbeben zurück in den Turm gehastet, in der Hoffnung Fiesoduck dort anzutreffen. Und er hatte ihn vorgefunden. Jedoch nicht, wie er es sich ausgemalt hatte.

Nun lag er im Bett vor ihm, das das ärztliche Versorgungsabteil S.H.U.S.H’s darstellte. Darkwing hatte ihn nicht in ein öffentliches Krankenhaus bringen wollen, Eisenbeiß’ Schergen waren gewiss immer noch hinter Fiesoduck her, außerdem waren diese seit der Katastrophe mehr als überfüllt.

Es war das schlimmste Beben in der Geschichte St. Erpelsburgs gewesen. Ganze Viertel der Stadt waren teilweise völlig zerstört, es glich an ein Wunder, dass es dennoch keine Todesopfer gab.

Darkwings Blick wanderte zu Fiesoducks verbundener Hand, die in einer Schiene lag. Er schluckte schwer während er sich an dessen Anblick erinnerte, in dem er ihn vorgefunden hatte. Seine Hand war… nur noch ein blutender Auswuchs gewesen. Darkwing wusste nicht was Fiesoduck widerfahren war, doch musste es im Zusammenhang mit Eisenbeiß stehen. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, während er sich Eisenbeiß’ Gesicht in den Kopf rief.

Und nun stand er hier mit einem lächerlichen Strauß Blumen vor Fiesoducks Krankenbett und starrte auf diesen hinab, seinen verworrenen Gedanken nachhängend.

Drei Nächte lang hatte Darkwing fast ununterbrochen an seinem Bett gewacht.

„Was willst du mit dem albernen Strauß Blumen, Darkwing? Mir einen Heiratsantrag machen?“, fragte Fiesoduck plötzlich und drehte sich langsam zu Darkwing um.

Dieser fuhr erschrocken zusammen, als er Fiesoducks Stimme vernahm. Er blickte auf ihn hinab und lächelte. In Wirklichkeit verzog sich sein Mund jedoch zu seinem verstörten Grinsen; fassungslos ob der Tatsache, dass Fiesoduck endlich erwacht war. Darkwing stieß einen erstickten Laut hervor, bevor er in Tränen ausbrach.

„Fiesoduck“, brachte er schließlich erstickt hervor, ließ den Strauß zu Boden fallen und sank aufgezehrt an dessen Bett nieder, „ich dachte, du würdest nicht mehr erwachen. Du warst verschwunden und Ganter kontaktierte mich und sagte mir, dass Eisenbeiß hinter dir her sei und dann bin ich los um dich zu suchen und das Erdbeben und…“

„Ssssh, ganz ruhig, Darkwing“, säuselte Fiesoduck und drehte seinen Kopf den aufgelösten, am Boden knienden Erpel zu.

Darkwing weinte. Und er weinte wegen ihm.

Fiesoducks Herz war ihm noch nie schwerer gewesen als in diesem Moment. Er wusste, dass es niemanden gekümmert hätte, wäre er einst gestorben. Niemand hätte je ihn vermisst; für die Welt war er nur ein herumstreunender Bösewicht unter vielen. Sicherlich wäre er am Ende seines Lebens in einer einsamen Seitengasse verrottet.

Doch nun hatte er ihn. Darkwing war alles, was Fiesoduck besaß und wirklich je besessen hatte.

Darkwing hob seinen Kopf und starrte Fiesoduck mit seinen tränengefüllten, hellblauen Augen an. Fiesoduck streckte seine gesunde Hand nach ihm aus, erreichte ihn jedoch nicht.

„Steh auf.“

Darkwing erhob sich.

„Alles in Ordnung?“, fragte er den aufgewühlten Darkwing und erhielt ein leichtes Nicken. Die beiden Erpel verharrten eine Weile schweigend, obgleich es innerlich in ihnen loderte.

„Deine Hand…“, begann schließlich Darkwing.

„Das war Eisenbeiß“, unterbrach Fiesoduck ihn, „er hat versucht, mich für eine Sache von F.O.W.L zu überreden. Jeder Verbrecher weiß, dass sein Leben verwirkt ist, sobald F.O.W.L ein Auge auf dich geworfen hat.“

Darkwing verschwieg Fiesoduck, was F.O.W.L mit ihm vorhatte. Er hätte es auch angesichts dessen Zustands nicht über seine Lippen bringen können.

„Doktor Balsam sagt, dass deine Hand vielleicht nie wieder richtig heilen wird“, wich er stattdessen aus.

Fiesoduck sah aus dem Fenster. Der Himmel war grau und dicke Schneeflocken fielen. Mittlerweile war es August.

„Ich brauche sie nicht“, sprach Fiesoduck, „doch ich brauche dich, Darkwing. Sankt Erpelsburg braucht dich. Komm zu dir und hör gefälligst auf, weinend an meinem Bett zu stehen. Du bist der Schrecken, der die Nacht durchflattert, du bist der Streiter des Rechts, der jedem Schurken das Fürchten lehrt! Meine verletzte Hand wird mich nicht umbringen. Unkraut merzt man nicht derartig simpel aus.“

Darkwings Schnabel raffte sich nun zu einem aufrichtigen Lächeln. Er hob die Blumen von den weißen Fliesen des Zimmers auf und legte sie auf einen am Bett stehenden Beistelltisch.

„Hol mich hier raus“, bat Fiesoduck ihn unerwartet.

„Aber deine Genesung ist nicht…“, widersprach Darkwing ihm, doch Fiesoduck wehrte mit einem harschen Kopfschütteln ab.

„Ich will hier nicht sein, Darkwing. Hol mich hier raus. Nach Hause.“

Darkwing lächelte.

Fiesoduck hatte sein Zuhause endlich bei ihm im Avian Way gefunden.

„Ich werde sehen, was ich in die Wege leiten kann, Fiesoduck“, antwortete er.
 

Es schneite noch immer, mittlerweile war ganz St. Erpelsburg von einer flockigen Decke überzogen. Fiesoduck saß in Darkwings blauen Sessel und starrte gelangweilt aus dem mit Schneekristallen bedeckten Fenster. Unweit neben ihm prasselte knackend das Holz im lodernden Kaminfeuer und verbreitete eine wohlige Wärme. Er legte seine von Eisenbeiß’ zerfetzte Hand auf die Lehne des Sessels und schloss die Augen. Sie pochte in dumpfen Schmerz; Fiesoduck wusste nicht mehr, wie viele Schmerztabletten er für diese vergängliche Gnade geschluckt hatte. Er hörte ein leises Klappern gefolgt von dem knackenden Geräusch der Kellertreppen, als Eddie diese hinauf gewatschelt kam. Er trat einen Wäschekorb tragend ins Wohnzimmer und stellte diesen vor Fiesoducks Füßen ab.

„Herr Erpel ist aber arbeitswillig heute“, bemerkte Fiesoduck und betrachtete amüsiert Eddies lila Haushaltsschürze, die dieser um seine Hüfte gebunden hatte.

„Auch im Haushalt ist der eifrige Erpel der Emsigkeit stets zur Tat!“, bemerkte Eddie in heroischer Pose und entlockte Fiesoduck ob seiner Haltung und des Tragens seiner Schürze ein herzhaftes Lachen.

„Vergiss es“, nuschelte Eddie verlegen und entledigte sich der Binde, „sag mir lieber, was das hier ist!“, sprach er und hielt Fiesoduck eine seiner violetten, mit Herzchen bedruckten Boxershorts unter den Schnabel.

„Ein Teil der erlesenen Kollektion deines exquisiten Kleidungsstils?“, fragte Fiesoduck und beäugte differenziert Eddies Unterwäsche.

„Nein“, knirschte dieser mit den Zähnen, „sieh dir diese Flecken an! Die gehen nie wieder raus! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du deine Klamotten nicht mit meinen ausgesuchten Kleidungsstücken in die Wäschetrommel werfen sollst?“

Fiesoduck verdrehte die Augen und schob die Boxershorts unter seinem Schnabel weg.

„Es schneit schon wieder“, wechselte Darkwing plötzlich abrupt selbst das Thema und starrte aus dem Fenster. „Was ist nur los draußen in der Welt? Erst der ständige Regen, dann dieses katastrophale Erdbeben und nun der dauerhafte Schnee.“

„Ich weiß es nicht. Mich dünkt, die Welt um uns ist genauso aufgewühlt wie unser Innerstes, dem es letztlich doch nur verzagt nach Ruhe dürstet“, sagte Fiesoduck und sah mit seltsam leerem Blick in die flackernden Funken des Kamins. Eddie sah Fiesoduck nicht minder merkwürdig an, war er doch solche sinnende Worte aus dem streitsüchtigen Schnabel dieses Erpels nicht gewöhnt.

„Nur dieses Mal werde ich wohl keinen Schneemann bauen“, bemerkte Fiesoduck sarkastisch und legte seine gesunde Hand auf den Verband, als ob sich die sich darunter verbergenden Schmerzen so vertreiben ließen.

„Ich hoffe sowieso, dass das fortwährende Frostwetter bald aufhört“, bemerkte Eddie die Stirn in Falten legend, „irgendwann würde ich meine Wäsche auch gerne wieder draußen zum Trocknen aufhängen.“

„Deine „Probleme“ möchte ich haben“, bemerkte Fiesoduck harsch und ließ seinen Blick wieder kritisch zu der Boxershorts in Eddies Hand wandern, „deine Wäsche jedoch nicht.“
 

Er erblickte sie. Sie saß dort am Straßenrand in ihrem zerfetzten rosa Kleidchen und stocherte trostlos mit einem dünnen Zweig im frischen Schnee. Sie schien erbärmlich zu frieren, ihre Haare hingen, genau wie bei ihrer letzten Begegnung, strähnig ihren Kopf hinab. Einen ihrer Schuhe hatte sie verloren, ihr Fuß hatte angesichts der klirrenden Kälte bereits eine bläuliche Färbung angenommen.

Sein Blick wanderte hinüber zu den Häusern der Straße, deren Fassaden abgebröckelt und die Fenster zerborsten waren. Durch die Allee selbst zog sich ein großer Riss, der sie fast unbegehbar machte.

Sie hob den Kopf und blickte ihn an. Ihre grünen Augen fixierten ihn leblos und schwach, bis sie ihn erkannte. Unerwartet erhob sie sich wie in Trance und hinkte, sich dabei durch die dicke Schneedecke kämpfend, auf ihn zu. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen je näher sie ihm kam, schleimiger Speichel rann aus ihrem gebleckten Schnabel auf ihr Kinn hinab. Sie streckte ihren Arm nach ihm aus und fletschte ihre Zähne, dabei einen unmenschlichen Laut ausstoßend. Einst war sie nur ein kleines Mädchen, sein kleines Mädchen gewesen; nun kam sie unheilvoll näher und näher auf ihn zu.

Fiesoduck drehte sich um und rannte. Seine Kiki war nicht mehr. Das, was dort auf ihn zukam, war ein Monstrum.

Er passierte die Einfahrt der Straße und drehte sich stürmisch keuchend um.

Sie war ihm nicht gefolgt.

Durch diese Erkenntnis etwas gefasster wandte er sich um.

Und sah sie vor sich stehen.

Bevor er realisieren konnte was geschah, riss sie ihren Schnabel auf und kreischte; kreischte so laut, dass er sich die Ohren zuhielt. Sie sprang auf ihn, riss ihn zu Boden und rollte mit ihm durch den Schutt, bis sie schließlich gegen einen Pfahl knallten; Fiesoduck gegen das kalte Metal krachte und Blitze vor seinen Augen aufflackern sah. Sie warf sich auf ihn, krallte sich mit ihren kleinen Fingern in seinem Kostüm fest und sah ihm in die Augen.

Ihr Blick war leer.

Lediglich eine rohe Brutalität lag ihn ihm, doch von seiner wahren Kiki, ihrer Persönlichkeit und ihren Gefühlen war nichts geblieben.

Fiesoduck versuchte sie von seinem Brustkorb abzuschütteln. Es war ihm fast gelungen, als sie ihren Schnabel erneut aufriss und ihre Zähne in seinen Hals bohrte. Er erstarrte in seiner Bewegung und spürte sein warmes Blut seinen Hals hinab rinnen.

Er schrie, doch kein Laut schien über seine Lippen zu kommen.
 

Benommen öffnete er die Augen und hörte ihn schreien. Er dachte, dass es sich nun ändern würde, jetzt, wo Fiesoduck hier heimisch geworden war. Doch dem war nicht so.

Mit einem schwungvollen Ruck zog er die Bettdecke zurück und sprang aus dem Bett. Kaum hatte er sich seinen Morgenmantel übergestreift und die Schlafzimmertüre geöffnet, hörte er erst wie laut Fiesoducks Schreie tatsächlich waren. Sie waren so voll von Schmerz und Verzweiflung, dass seine Nackenfedern sich sträubten. Für Eddie war es unvorstellbar, was derartig selbstquälerische Aufschreie Fiesoducks Kehle entlocken konnte.

Er stieg die hölzerne Leiter zum Dachboden hinauf und öffnete die Luke.
 

Sie biss sich immer weiter in seinem Hals fest. Er wand sich unter ihr, versuchte sie wegzustoßen, doch er hatte keine Chance.

Plötzlich wurde sie von einer großen, dunklen Silhouette weggezogen. Mit Schrecken sah er, wie sie mit ihrer kleinen Zunge das Blut von ihrem Schnabel leckte und sich neben der Gestalt aufbaute.

Es war Quack. Genau genommen Quacks böses Ebenbild des Kontraversums.

„Du bist zurückgekommen“, sagte er und schaute mit verachtendem Blick auf Fiesoduck hinab.

Fiesoduck versuchte vergeblich etwas zu erwidern, doch nur ein heiseres Röcheln drang aus seiner zerbissenen Kehle.

„Wir sterben. Wir sterben wegen dir, während du dich versteckst. Warst du nicht unser Herrscher, Fiesoduck? Wo bist du jetzt? Sieh dich an, wie du dort im Dreck liegst, so wie dein ganzes Universum im Abgrund versinkt. Glaube mir, du wirst uns nicht entkommen, du wirst mit dieser verfluchten Welt untergehen.“

Quack packte ihm am Kragen und zog ihn zu sich heran, sodass er ihm direkt in die Augen sah. Fiesoduck betrachtete die feinen weißen Federn seiner Wangen, bevor Quack ihm seine Faust ins Gesicht schmetterte. Blut spritze aus seinen Nasenlöchern, als Quack ein weiteres Mal zuschlug. Die Wucht des Hiebes riss seinen Kopf nach hinten; sein Hut fiel in die schlammige Pfütze der Straße. Fiesoduck stöhnte leidvoll auf und war bereit, seinem Schnabel den letzten Lebenshauch zu entlocken.
 

Er bekam Panik. Fiesoducks Anblick hatte ihm das Blut in den Adern gefrieren lassen. Er lag verkrampft auf seiner Matratze, seine Finger hatten sich in das durchgeschwitzte Laken verkrallt und dieses stellenweise sogar zerrissen.

Eddie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn, ohrfeigte ihn, doch Fiesoduck erwachte nicht aus seiner Qual. Es dauerte einige Minuten, bis seine Schreie langsam verklangen und sein Körper zitternd zurück auf das Betttuch sank. Fiesoducks schweres Keuchen erfüllte den Raum; Eddie fühlte seinen heißen Atmen auf seinen Halsfedern, als er Fiesoducks Kopf anhob und ihn beruhigend an seine Brust presste. Sein Atem rasselte immer noch, als er schließlich die Augen öffnete.

„Darkwing… hilf mir“, keuchte er leise, scheinbar immer noch nicht bei Bewusstsein.

„Ich bin da, Fiesoduck, ich bin da…“, redete Eddie sanft auf ihn ein und fuhr ihm durch die Federn seiner Stirn. Fiesoduck hob aufgezehrt seinen Kopf leicht an und wollte zu Eddie aufsehen, doch dieser drückte ihn sachte wieder zurück.

„Ganz ruhig. Beweg dich nicht.“

Einige Minuten verharrten die beiden Erpel schweigend, bis ein lautes Donnergrollen die Stille brach. Dicke Regentropfen prasselten auf den Ziegel des Daches nieder und verklangen in dumpfen Ton.

„Sie wollen mich tot sehen. Darkwing, sie wollen mich umbringen“, wehklagte Fiesoduck leise in Eddies Nachthemd.

Eddie wusste nicht wovon Fiesoduck sprach, vermutete er doch, dass es sich vielleicht um das Zusammentreffen seiner einstigen Schergen handeln könnte. Doch er lag falsch.
 

Er wusste nicht mehr, wie lange sie dort so gesessen hatten, doch Fiesoduck hatte ihm alles erzählt. All die grausamen Dinge, die er in seinen Träumen gesehen und hatte erleiden müssen.

Eddie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen musste.

Doch er konnte sich nicht in Fiesoduck hineinfühlen.

Einst hatte er über die dunklen Abgründe Fiesoducks Seele nachgesonnen, darüber, wie jener Erpel nur all die Jahre so hatte leben können. Die Antwort war einfach gewesen.

Er konnte es nicht.

Fiesoduck war verstummt. Alles, was er je gedacht, je gefühlt, doch niemals gesagt hatte, war nun seinem Schnabel entlockt worden. Eddie hatte seine Qualen vernommen und es stimmte ihn traurig, sodass er nichts erwidern konnte. Es erschreckte Eddie, was Fiesoduck hatte erleiden müssen, nur weil er sein schlechtes Ebenbild darstellte.

Fiesoduck war wieder zurück auf die Matratze gesunken und blickte Eddie aus seinen müden Augen an.

„Glaubst du, es wird jemals aufhören?“, fragte er ihn und legte seine verletzte Hand auf seinen fedrigen Bauch.

„Ich weiß es nicht“, seufzte Eddie, „aber ich wünschte, es würde. Ich kann nicht mit ansehen, wie du dich selbst vertilgst. Manchmal, wenn du nachts schläfst und schreist, dann denke ich an all die Dinge in deinen Träumen, die dir selbst in deinem Schlaf keinen Frieden geben.“

Eddie stockte und schaute in Fiesoducks Augen, während der Regen weiter unbarmherzig die Erde benässte. „Und manchmal wenn du schläfst bin ich glücklich, dass Regen fällt, sodass du nicht weinen brauchst.“

Fiesoduck schluckte. Er drehte sich zur Seite und versuchte, Kikis und Quacks Bild aus seinem Kopf zu verbannen.

Wenn er doch nur dessen fähig gewesen wäre.

Nie würde er ihren Anblick auf dem Bordstein vergessen, wie sie freudlos mit ihrem Zweig im Schnee der aufgerissenen Straße gesessen hatte; eingerahmt von verfallenen Häusern. Obwohl er sie niemals so leidend erlebt hatte, war ihm diese Beschauung bekannt erschienen. Er erinnerte sich an die zerstörte Allee, die rauchende Stadt… und schrie plötzlich in einem grausigen Schrei der Erkenntnis auf.

Silhouettes of a broken world

10. Kapitel – Silhouettes of a broken world
 

Eddie rutschte erschreckt von der Matratze und plumpste mit seinem Bürzel auf den Fußboden.

„Was ist los?“, fragte er erschaudert und drehte seinen Kopf dem auf dem Laken liegendem Fiesoduck zu. Eddie fürchtete sich, dass Fiesoduck nun vielleicht auch noch anfing Dinge zu sehen. Es reichte aus, dass er das Elend in seinen Träumen erdulden musste. Fiesoduck erwiderte nichts; saß er doch nur mit weit aufgerissenen Augen und geöffnetem Schnabel da.

„Fiesoduck?“, fragte Eddie erneut, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn leicht. Schließlich drehte er langsam den Kopf und starrte weiter fassungslos in die Dunkelheit.

„Was habe ich nur getan?“, flüsterte er entsetzt und wandte sein Haupt Eddie zu.

„Wovon sprichst du?“

„Das Kontraversum! Oh Gott, Darkwing…“, begann Fiesoduck, geriet jedoch ins Stocken. „Ich weiß nun, wieso dies alles passiert. Wieso mich diese Träume heimsuchen, wieso das Erdbeben St. Erpelsburg erschüttert hat, wieso es zu dieser Jahreszeit immer noch schneit!“

„Bitte, was?“, hakte Eddie irritiert nach und setzte sich beunruhigt zurück auf Fiesoducks Matratze.

„Das, was ich in meinen Träumen gesehen habe, ist die erbarmungslose Realität! Die Straße in meinem Traum, ich habe sie wieder erkannt. Dort bin ich entlang gelaufen, als ich auf der Flucht vor Eisenbeiß und seinen Dotterköpfen war. Wie konnte ich vorher nur so blind sein! Du hast mich bei dir aufgenommen, weil ich mich durch unser damaliges Zusammentreffen verändert habe. Weil diese Veränderung das Kontraversum so beeinträchtigt hat, dass es zerfällt.“

„Und weil du sterben wolltest“, sagte Eddie und blickte ihn ernst an.

Fiesoduck schluckte und erhob sich.

„Ich hätte sterben sollen!“, schrie er, „ich hätte verdammt noch mal zurück in meine Welt gehen müssen. Verstehst du nicht, Darkwing? Wir beide, wir sind miteinander verbunden. Was ich erleide, widerfährt auch dir. Scheidest du aus dem Leben, werde ich auch das meine aushauchen. Und… es ist dasselbe mit dem Kontraversum. Durch meinen Wandel zerstört es sich selbst. Und es wird dabei dein St. Erpelsburg mitreißen.“

Seinen Ausführungen folgend riss nun auch Eddie erschreckt die Augen auf. Fiesoduck nickte bejahend.

„Der ständige Regen, der Schnee, das Erdbeben! All dies waren die Zeichen des Niedergangs. Und sieh es dir nur an.“

Fiesoduck deutete zum Fenster hinaus.

„Es wird immer schlimmer werden. Bis es schließlich soweit sein wird. Durch unsere Taten, mein Versuch dich zu töten und deine Rettung meiner… haben wir das Schicksal beider Welten besiegelt.“

Er ließ sich erschöpft auf das Bett zurücksinken und sah Eddie verzweifelt an, der nur stumm vor Fassungslosigkeit da saß. Er hatte Fiesoduck helfen wollen, ihm das Zuhause bieten, das er nie gehabt hatte. Doch sie waren von Anfang an dazu bestimmt gewesen, Feinde zu sein. Sich zu verabscheuen und zu bekämpfen bis an das Ende ihrer Tage. Und was hatten sie getan in ihrer Gedankenlosigkeit? Sie hatten versucht, das Unumgängliche zu umgehen und bezahlten dafür nun den höchsten Preis.

Eddie schüttelte fassungslos den Kopf. Es fühlte sich so falsch an… seine Welt konnte nicht untergehen. Doch nicht ihretwegen. Sie hatten mit aller Macht versucht, das Beste aus ihren vergänglichen Leben zu machen. Sie hatten sich all die Jahre durch ihr Dasein gekämpft, immer in dem Wissen, dass sie sterblich waren. Eines Tages hätten sie diese Welt verlassen müssen… aber nicht so. Nicht auf diese Weise. Vom Schock betäubt saß er da. Fiesoduck zupfte nervös an seinem Verband.

„Was denkst du, wie viel Zeit wir noch haben werden?“, fragte Eddie niedergeschlagen und mit einer derartigen Zaghaftigkeit, die fühlbar verriet, dass er keine genaue Antwort haben wollte.

„Ich weiß es nicht, Darkwing. Aber nach diesem Erdbeben glaube ich, dass es nicht mehr lange dauern wird.“

Eddie stand auf und watschelte aufgewühlt im Zimmer umher, die Bestürzung hatte alle Worte seinem Schnabel entzogen.

„Haben wir denn keine verdammte Chance?“, fragte er schließlich, nachdem er eine Weile schweigend aus dem Fenster auf die zerstörte Stadt geschaut hatte. Sein St. Erpelsburg…

Eddie vernahm ein tiefes Brummen, gefolgt von einem leisen Rascheln der Bettdecke.

„Ich glaube, es gibt eine Aussicht. Nur eine einzige. Wir müssen die Verbindung der beiden Welten trennen.“
 

„… sollten wir das schaffen, müsste die Verknüpfung der Universen aufgehoben sein“, schloss Fiesoduck seinen Gedanken.

„Du meinst also, wir sollen durch das Portal steigen und die Verbindung durch das Herausziehen des Universalpropfens trennen?“, hakte Darkwing zweifelnd nach.

„Es ist unsere einzige Möglichkeit. Du weiß allerdings, dass dies gefährlich ist.“

Darkwing nickte, hatte er doch bereits seine Erfahrungen mit dem Kontraversum gemacht.

„Allerdings wohl unsere letzte Chance. Wir müssen es riskieren.“

„Wir können sowieso nichts mehr verlieren“, antwortete Fiesoduck düster und erhob sich vom Bett.
 

Lautlos schlichen die beiden maskierten Erpel durch die Nacht. Der seit Tagen niederprasselnde Regen hielt auch diese Nacht Einzug, tropfte in schnellen Rhythmus auf die Erde nieder und lief in arabesken Umrissen die Fensterscheiben herab. Rasch bildeten sich Pfützen auf den menschenleeren Straßen. Darkwing und Fiesoduck jedoch streiften weiter durch die Gassen, bis sie schließlich an ihrem Ziel angelangt waren.

Ihre Augen erblickten „Windbeutels Kuchen & Torten Paradies“, in dem sich das versteckte Portal ins Kontraversum befand.

Nun würde sich herausstellen, ob Fiesoducks ausgeheckter Ausweg aufgehen würde.

Sie huschten zur Eingangstür des Ladens und starrten hinein. Es schien keine Alarmanlage zu geben, was Darkwing sehr beruhigte. Er zupfte sich eine Feder aus seinem Bürzel und steckte den Federkiel ins Schlüsselloch, um dieses zu knacken.

„Was gibt das wenn du fertig bist?“, fragte Fiesoduck mürrisch und schaute auf den vor dem Schlüsselloch knienden Darkwing hinab.

„Ich knackte das Schloss, das siehst du doch! Und zwar nach einer spezielle Methode, die ich damals bei den Pfadfindern gelernt habe. Es sollte nicht lange dauern und…“, antwortete Darkwing, während ihm der Federkiel abbrach und im Schloss stecken blieb.

„Ich bin in tiefsten Maße beeindruckt“, bemerkte Fiesoduck stichelnd und griff in seinen Umhang, seine Waffe hervorziehend. Mit drei lauten Schüssen hatte er den Riegel der Tür zerbrochen.

Darkwing seufzte Augen verdrehend ob Fiesoducks Aktion, enthielt sich dieses Mal jedoch jeglichen Kommentars. Er schob die Eingangtür auf und schlich in den finsteren Laden. Langsam kämpften sie sich durch die Dunkelheit, bis sie schließlich im Nebenraum die große Torte erblicken, die das Portal des Kontraversums darstellte. Fiesoduck und Darkwing traten an sie heran, öffneten den Deckel und blickten in die verworrenen Tiefen des Tunnels. Schummriges Licht hatte Darkwings Gesicht in Schatten getaucht, als er Fiesoduck anblickte. Obwohl sie sich über die Gefahren ihres Unterfangens durchaus bewusst waren, standen sie dennoch zögerlich linsend an der großen Torte.

„Gehen wir?“, fragte Darkwing schließlich wachsam.

Fiesoduck sah Darkwing durchdringend an und schüttelte anschließend leicht den Kopf.

„Nein.“

„Was? Aber Fiesoduck, du hast doch gesagt…“, setzte Darkwing an, wurde jedoch harsch unterbrochen.

„Ich weiß, was ich gesagt habe. Dies ist unsere letzte Chance. Aber wir werden nicht gehen. Ich muss diese Angelegenheit selbst erledigen.“

„Nein Fiesoduck, das kommt überhaupt nicht in die Tüte! Es ist nicht alleine deine Pflicht, das hier zu wagen! Ich werde mit dir kommen; versuche nicht, mich davon abzuhalten “

„Spiel nicht den verdammten Helden, Darkwing!“, brüllte Fiesoduck und trat gefährlich nah an diesen heran, sodass er Darkwings Schnabel fast berührte. „Das ist keine Posse, es geht hier um unser nacktes Leben. Ich bitte dich Darkwing, komm nicht mit mir. Was wird aus deiner Kiki, wenn du in dem Sog des Kontraversums verloren gehst? Wie soll sie ohne ihren Vater aufwachsen? Bedenke dies! Sie braucht dich. Du kannst nicht mit mir kommen.“

Darkwing kniff die Augen zusammen und starrte auf den Boden. Fiesoduck hatte Recht, dennoch wollte er ihn nicht alleine gehen lassen. Fiesoduck legte seine Hände auf Darkwings Schultern und drückte diese leicht.

„Versuch ein Mal in deinem Leben nicht den Helden mimen zu müssen“, sagte er gequält lächelnd und ließ ihn schließlich los.

„Dann nimm wenigstens diese“, sagte Darkwing und hielt Fiesoduck unter Tränen seine Gaspistole hin, „vielleicht wird sie dir hilfreich sein.“

„Danke, Darkwing“, erwiderte Fiesoduck nach der Pistole greifend und wog sie in seiner Hand, bevor er sich zu dem Tortenportal wandte. Er drehte sich ein letztes Mal zu Darkwing um, bevor er in der Öffnung des Entrees verschwand.

Darkwing hätte schwören können, Tränen in Fiesoducks Augen gesehen zu haben.

While the city sleeps

11. Kapitel – While the city sleeps
 

Das rote Licht des Kanals umfing Fiesoduck, während er tiefer in den Tunnel eintauchte. Er öffnete die Augen und erblickte diverse um ihn schwebende Gegenstände. Langsam glitt er durch den Durchgang, dabei aufmerksam um sich blickend. Ein leises Grausen beschlich ihn; Angst, dass er den Universalpfropfen nicht fände; doch schließlich entdeckte er ihn hinter einem herumfliegenden Tisch. Hastig schwebte er zu dem Stöpsel, umfasste ihn mit seinen Händen und versuchte ihn herauszuziehen.

Doch der Stopfen bewegte sich nicht.

Fiesoduck zog erneut ein wenig fester, der Verschluss jedoch rührte sich immer noch keinen einzigen Zentimeter. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, mühevoll versuchte er weiterhin den Stopfen herauszureißen, doch seine Finger glitten nur erneut erfolglos von dem glatten Plastik ab. Die Hände zu Fäusten ballend stieß Fiesoduck einen cholerischen Schrei der Verzweiflung aus und zog erneut wild an dem Universalpfropfen. Schließlich, vor Anstrengung heftig keuchend, konnte er den Verschluss herausziehen.

Es brach die Hölle los.

Der Kanal des Kontraversums verflüchtigte sich langsam, bildete einen großen Strudel, der durch die Öffnung des Universalpfropfens gezogen wurde. Fiesoduck wurde von der Strömung mitgerissen und ruderte verzweifelt mit den Armen, um ihr zu entkommen. Er wusste, dass sobald er durch die Öffnung gesogen würde alles vorbei wäre, denn hinter dieser lag nur die ewige Vergessenheit.

Fiesoduck griff in sein Cape und zog Darkwings Gaspistole hervor. Er hoffte inbrünstig, dass er trotz der heftigen Strömung treffsicher bliebe und richtete die Mündung auf den Eingang des Tunnels aus. Er schoss, traf sein Ziel, und der aus der Pistole geschossene Widerhaken verhakte sich im Rahmen des Portals. Sich am Widerhaken befestigten Seil entlang hangelnd versuchte er, dem heftigen Sog zu entkommen. Die Zeit drängte, sein Körper näherte sich bereits gefährlich nahe dem Durchlass. Zentimeter für Zentimeter zog Fiesoduck sich an dem Seil zum Ausgang. Der Wind zerrte an seinem Umhang und wehte seinen Hut hinfort, während er sich mühselig dem Torweg näherte.

Er hatte fast die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der Strom an Stärke zunahm. Der Sog zerrte heftig an seinem Federkleid und riss stürmisch an seinem Körper, sodass das Seil seinen Händen entglitt. Schreiend flog Fiesoduck in Richtung Öffnung, schaffte es jedoch im letzten Moment, das Ende des Seils zu ergreifen. Unter Schmerzen sein Gesicht verziehend zog er sich ein weiteres Mal an diesem hoch. Doch seine Finger glitten erneut ab, seine verletzte Hand schmerzte und er ahnte, dass er sich nicht mehr lange halten konnte.

Er wusste, dass es keinen Zweck mehr hatte. Mit jeder weiteren Sekunde entglitt das Seil weiter seinen Händen.

Fiesoduck schluckte und verkrampfte seine Finger.

Er würde in ewiger Vergessenheit sterben.
 

Darkwing lief unterdessen ruhelos immer wieder um die große Torte und wartete auf Fiesoducks Rückkehr.

Er war schon viel zu lange fort.

Er nahm seinen Hut ab und knetete unruhig den lila Stoff in seinen Händen.

Es musste etwas schief gegangen sein.

Er hätte Fiesoduck niemals alleine gehen lassen dürfen, war er sich doch der Gefahren des Unternehmens bewusst gewesen. Und nun konnte er nichts weiter tun, als um diesen lächerlichen Kuchen zu laufen und auf seine Wiederkehr zu warten.

Plötzlich zersprang schallend das Fenster der Bäckerei.

Darkwing duckte sich schnell und spürte die Spliter der Scheibe auf seinen Umhang nieder regnen. Er blickte auf und starrte aus dem zerbrochenen Fenster, durch das nun ein heftiger Wind in die Backstube strömte. Er fegte seinen Hut hinfort und drückte ihn gegen die Ladentheke, während Darkwing gleichzeitig die sich im Sturm wiegenden Bäume der Allee sah.

Fiesoduck hatte es geschafft, den Universalpfropfen herauszuziehen. Fasziniert betrachtete Darkwing den sein Federkleid aufbauschenden Wirbelsturm.

Bis er mit Schrecken sah, dass die Torte sich aufzulösen begann.

Er rannte zum Portal und schlug wild mit seinen Armen um sich, als ob er so den Kuchen vom Entschwinden abhalten könnte. Seine Finger jedoch bekamen nur die abgestandene Luft des Raumes zu packen.

„NEEEIN!“, schrie er gellend und sank auf die Knie, während sich die letzten Tortenpartikel vor seinem Schnabel auflösten. Darkwing starrte fassungslos die kleine Plattform an, auf der sich eben noch der Durchgang des Portals befunden hatte.

Sanft strich ihm der nun langsam entschwindende Wind durch seine Federn. Darkwing schrie erneut aussichtslos auf und hämmerte mit seinen Fäusten verzweifelt auf den mit Splittern bedeckten Fußboden.

„Fiesoduck…nein…“, wimmerte er und schlug immer und immer wieder wie von Sinnen auf den Boden, bis seine Handballen sich blutig färbten.

Fiesoduck hatte sein Leben für Sankt Erpelsburg gegeben.

Und für ihn.

Darkwing schluchzte heiser auf und rollte sich seitlich auf den kalten Boden. Er spürte die Glasscherben unter ihm seinen Anzug durchschneidend, doch es kümmerte ihn nicht. Er lag wie betäubt dort und schloss seine tränenden, blauen Augen.

Und wünschte sich, dass Fiesoduck immer noch bei ihm wäre.
 

Schwer schleppte er sich durch die Straßen nach Hause. Darkwing wusste nicht, wie lange er dort auf dem Boden der Backstube verweilt hatte, doch der Morgengrauen nahte bereits. Der seit Monaten ständig niederprasselnde Regen hatte aufgehört auf die Erde nieder zu tropfen, doch Darkwing verfluchte es. Er wünschte, der Niederschlag würde seine Tränen hinfort waschen; wünschte, dass der Himmel mit ihm um Fiesoduck trauerte, wo er doch sein Leben für diese Welt gegeben hatte. Wie konnte nur jetzt höhnisch dort am Horizont die Sonne aufgehen und die Stadt in farbenfrohes Licht tauchen?

Darkwing fühlte sich so leer wie noch nie in seinem Leben zuvor. Durch die durchbrochene Verbindung des Kontraversums konnte er zwar nun ohne Fiesoduck weiter existieren, doch war ein Teil seiner selbst dort im Sog des Tunnels umgekommen. In all den Monaten, die er mit Fiesoduck verbracht hatte, hatte er sich so sehr an diesen griesgrämigen und missmutigen Erpel gewöhnt, dass er sich nun um ein Stück seiner selbst betrogen fühlte.

Mühsam schleppte er sich in die Einfahrt des Avian Way und sah sein Haus in der Ferne vor den weißen Wolken des Himmels aufragen.

Darkwings Blick wanderte hinauf zu dem roten Dach seines Hauses.

Unter dem Fiesoduck bis zum heutigen Tage fast ein Jahr lang gewohnt hatte.

The night is still awake

12. Kapitel – The night is still awake
 

Eddie Erpel hievte den gebratenen Truthahn aus dem Ofen. Es hatte wieder zu schneien begonnen, doch diesmal war das Wetter natürlichen Ursprungs.

Die Weihnachtszeit hatte in St. Erpelsburg Einzug gehalten.

Müde stellte Eddie den Truthahn auf dem Küchentisch ab, wischte sich den Schweiß von seiner Stirn und zog seine Schürze aus. Er würde sich beeilen müssen, denn bald würde Quack aus Entenhausen kommen, Kiki und Alfred abholen und schließlich heimkehren.

Eddie lächelte. Er freute sich wirklich, die beiden wieder zu sehen. Sein Alltag war so unausgefüllt ohne sie gewesen.

Vor allem, nachdem Fiesoduck von ihm gegangen war.

Eine Woche war seitdem verstrichen, doch er konnte es immer noch nicht verarbeiten. Jede Nacht wachte er verzweifelt nach Fiesoduck rufend auf, während er dessen Gesicht immer vor Augen hatte…

„Verdammt!“, schreckte Eddie auf, als er versehentlich mit dem Handrücken an das heiße Ofenblech kam. Er war seitdem einfach nicht mehr derselbe.

Quietschend schob er den Stuhl über die Küchenfliesen und bahnte sich seinen Weg ins Wohnzimmer, um den Weihnachtsbaum zu schmücken.
 

Die Lichterketten des Baumes leuchteten das Wohnzimmer in angenehm hellen Farben aus, während das Feuer wärmend im Kamin prasselte. Schnell legte Eddie die letzten Geschenke unter den Baum und betrachtete zufrieden sein Werk, als es auch schon an der Tür schellte. Einen Satz in den Flur machend riss er die Haustüre auf und blickte in die ihm herzlich entgegenstrahlenden Gesichter.

„Hey Eddie, altes Haus!“, begrüßte Quack ihn freudig und setzte Kiki ab, die er auf seinem Arm getragen hatte.

„Hallo Paps!“, rief sie und sprang ihren Vater lebhaft an. Eddie legte seine Arme um sie und drückte seine Tochter fest an sich.

„Es tut so gut, euch wieder zu sehen!“, sagte er und lachte das erste Mal seit langer Zeit. „Kommt rein in die gute Stube!“
 

„Irre! Die fleischfressenden, intergalaktischen Glibbermonster vom Mars, Teil 5!“, schrie Kiki aufgeregt, als sie fix das Geschenkpapier von der Videokassette abriss. Eddie linste grinsend vom Tisch zu ihr herüber und führte sich ein weiteres Stück Truthahn zum Schnabel.

„Das Essen… hast du wirklich… ausgezeichnet hinbekommen“, nuschelte Quack eifrig kauend und schaufelte sich bereits eine zweite Portion auf den Teller.

„Ja ja ja, hach… für Eddie Erpel, den kühnen Koch und fantastischen Feinschmecker der lukullischen Leckereien war dies eine bescheidene Bagatelle!“, übertrieb er stolz und erwähnte dabei nicht die Brandwunde seines Handrückens. Es dauerte nicht lange und Quack hatte auch seinen Nachschlag verschlungen; gesellte sich anschließend flugs zu Kiki unter die geschmückte Tanne, um seine Geschenke ebenfalls einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Genauso eifrig wie sie zerrupfte er das Geschenkpaper und starrte anschließend mit strahlenden Augen einem kuschelig weichen Teddybär entgegen.

„Danke, Darkwing!“, rief Quack erfreut und drückte den flauschigen Bär an sich, was bei Eddie ein leichtes Seufzen hervorrief. Eigentlich habe ich zwei Kinder, dachte er lächelnd und trank einen Schluck Wein aus seinem Glas. Es tat gut, die beiden dort fröhlich unter dem Baum sitzen zu sehen, es war, als würde in sein Leben fast wieder ein wenig Normalität einkehren.

„Lass uns den Film jetzt gucken!“, schrie Kiki unerwartet enthusiastisch auf und schob die Kassette in den Rekorder.

„Mmmmuss das sein?“, fragte Quack ängstlich und lugte mit besorgtem Blick in Richtung Fernsehgerät.

„Ich bin ebenfalls nicht der Meinung, dass das der besinnlichste Film für einen festlichen Weihnachtsabend ist“, sagte Eddie bestimmt und blickte streng in Kikis Richtung, die jedoch ungeachtet dessen auf den Play Knopf des Gerätes drückte.

Plötzlich klingelte es an der Tür.

„Mach mal auf, Paps! Das ist sicher Alfred mit seinen Eltern, ich habe ihm nämlich gesagt, dass er nach dem Essen schnell rüberkommen soll, schließlich müssen wir doch meine neuen Geschenke testen!“

„Jedes Jahr dasselbe Spiel…“, murrte Eddie und erhob sich vom Tisch, „eigentlich hatte ich gehofft, der gesellige Besuch der Wirrfußens würde mir ein einziges Weihnachten lang erspart bleiben.“

Ärgerlich riss er die Türe auf um Herb und Binky zu begrüßen, erstarrte jedoch in seiner Bewegung, als ihn hinter der halb geöffneten Türe zwei blaue Augen unter einer schwarzen Maske anstarrten.

Fiesoduck.

Eddie blickte in das Gesicht des tot geglaubten Erpels und schüttelte fassungslos sein Haupt; bis er schließlich gleichzeitig mit Fiesoduck die Arme ausstreckte und ihm in diese fiel. Immer noch völlig entgeistert drückte er den fedrigen Körper seines Pendants an sich; so eng, als ob er fürchtete, dass Fiesoduck sich wieder in Luft auflöse, hielte er ihn nicht fest genug.

„Fiesoduck, was machst du…“, wollte Eddie ansetzen, doch seine Stimme versagte. Freudentränen blitzen sowohl in seinen als auch in Fiesoducks Augenwinkeln auf, als sich die beiden Erpel voneinander lösten und ansahen.

„Ich habe dir schon einmal gesagt, dass Unkraut nicht so einfach verrottet“, antwortete Fiesoduck schlicht und schnupperte in der Luft, „und von dem Truthahn scheinst du mir noch etwas übrig gelassen zu haben.“

Eddie packte Fiesoduck am Arm, schloss die Haustüre hinter ihm und zog ihn ins Wohnzimmer an die festlich gedeckte Tafel. Fiesoducks Blick fiel auf die gebannt vor dem Fernseher liegende Kiki, sowohl als auch auf den sich an ein Kissen klammernden Quack, während die intergalaktischen Schleimmonster über die Mattscheibe glibberten.

„Und für die richtige Untermalung des Abends hast du auch gesorgt“, lachte Fiesoduck und ließ sich neben Eddie am Tisch nieder. Eddie schaufelte Fiesoduck die Reste des Truthahnbratens auf den Teller, während er sein Ebenbild immer noch vollkommen perplex anstarrte. Fiesoduck führte die Gabel zu seinem Schnabel und verschlang das auf seinem Teller liegende Fleisch.

„Du kannst aufhören zu starren, Darkwing. Ich bin nicht der Weihnachtsmann und Geschenke kriegst du von mir auch nicht“, griente Fiesoduck und schluckte den zerkauten Truthahn hinunter.

„Aber… aber Fiesoduck! Wie kommst du hier her, ich dachte du wärst tot… nachdem sich der Kuchen aufgelöst hatte“, beendete Eddie leise seinen Satz und fuchtelte hilflos mit den Händen in der Luft herum.

„Beinah wäre ich das auch gewesen“, gestand Fiesoduck und aß eifrig weiter, „aber das ist eine lange Geschichte, die ich dir allerdings erst erzählen werde, nachdem ich deinen vorzüglichen Braten vertilgt habe!“
 

Es war bereits spät in der Nacht, als Kiki endlich eingeschlafen war. Eddie blickte auf seine Tochter hinab, strich durch ihre roten Haare und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Er hörte Quacks lautes Schnarchen aus dem Flur in das Kinderzimmer dringen und schloss die Tür, als er Kikis Zimmer kurz darauf verließ. Leise ging er zurück ins Wohnzimmer, wo Fiesoduck immer noch schlafend auf der Couch lag, auf die er sich nach seinem Mahl gebettet hatte.

Eddie ging die knarrende Treppe herunter und blickte in Richtung Sofa, wo Fiesoduck sich gerade herumräkelte und zu ihm umdrehte. Er sah seine blauen Augen in der Dunkelheit aufleuchten.

„Kiki und Quack sind eingeschlafen“, sagte Eddie zu ihm gewandt und ließ sich neben Fiesoduck auf dem Polster nieder, „und ich würde nun zu gerne hören, wie du es geschafft hast zu mir zurück zu kommen.“

„Wie ich bereits erwähnt hatte ist es viel zu berichten“, antworte Fiesoduck und legte seinen Arm galant über die Rückenlehne der Couch, dabei seinen Kopf Eddie zuwendend, „aber die Nacht ist noch jung“, grinste er und begann zu erzählen.

Tomorrow has just begun

13. Kapitel – Tomorrow has just begun
 

„…dann habe ich den Universalpfropfen herausgezogen“, beendete Fiesoduck seinen Satz und sah Eddie an.

„Und der Sog hat dich mitgerissen?“, vermutete dieser.

„Genau“, bestätigte Fiesoduck, „jedoch konnte ich mich mit Hilfe deiner Gaspistole am Griff des Portals festhaken. Ich habe versucht mich an dem Seil entlang zu hangeln, doch der Sog war stärker. Du kannst dir denken, dass ich mehr als nur einmal abgerutscht bin.“

Eddie nickte leicht.

„Fakt ist, dass ich es letzten Endes doch geschafft habe, obwohl ich beinah aufgegeben hatte. Das Seil hat sich in meine Hände geschnitten“, sagte Fiesoduck und hielt zur Bekräftigung seine Handflächen vor Eddies Schnabel, „und ich wollte es loslassen… mich einfach dieser Strömung hingeben.“

Eddie schluckte ob Fiesoducks Ausführung und strich sich nervös durch die Federn.

„Mein Problem dabei war allerdings, dass ich letztlich viel zu lange gebraucht habe, um dem Wirbel zu entkommen.“

„Deswegen hat sich die Torte begonnen aufzulösen?“, vergewisserte sich Eddie.

„Ja“, bestätigte Fiesoduck, „ich war mir vorher dieser Beschaffenheit des Kontraversumtunnels nicht bewusst, doch ich weiß nun, wie dieser in die ewige Vergessenheit führt. Beziehungsweise in die Vergangenheit.“

„In die Vergangenheit?“

„Ja… die Vergessenheit führt in die Historie, bis an den Ursprung des Bestehens eines jeden Wesens zurück. Du existierst alleine, sobald der Sog dich vollkommen verschlungen hat. Und wenn du die einzig existierende Kreatur bist, wird sich nach deinem Tode niemand mehr an dich erinnern können. Das ist die wahre Vergessenheit, in die du gerätst. Du wirst vergessen, da niemand überhaupt Zeugnis von deiner einstigen Existenz ablegen kann“, erklärte Fiesoduck dem staunenden Darkwing. „Und da ich zu lange in dem Zeitstrom des Tunnels verweilt habe, bin auch ich bereits in die Vergangenheit geraten. So weit, dass in der Gegenwart, in der du auf mich gewartet hast, das Portal sich bereits aufzulösen begann.“

Eddie nickte eifrig und bat Fiesoduck weiter zu erzählen.

„Ich konnte mich schließlich durch das Portal retten, bevor ich in die Öffnung des Storms und somit zu dem Ursprung aller Dinge gesogen wurde. Doch ich verweilte natürlich nicht mehr in der Gegenwart.“

„Wo warst du?“, fragte Darkwing vor Neugierde leicht bebend.

„Glücklicherweise nicht allzu weit in der Vergangenheit“, antwortete Fiesoduck, „ich schätze, es waren an die sechs Jahre, die ich zurückgereist bin. Wir waren damals wirklich noch schmucke Erpel“, scherzte er.

Ich bin immer noch ein überaus adretter Erpel!“, empörte sich Eddie und stupste Fiesoduck an, der ihn Augen verdrehend angrinste.

„Ich stand jedenfalls vor einem schwerwiegendem Problem“, fuhr er anschließend fort, „überlebt hatte ich zwar, aber du weißt ja, dass Reisen in die Vergangenheit riskant sind. Ich hätte dort nicht bleiben können, die ganze Zukunft wäre aus den Fugen geraten. Und dort bist du ins Spiel gekommen.“

„Ich?“, fragte Eddie verwundert.

„Ja du, Darkwing Duck. Da ich ja glücklicherweise nun weiß, wo sich dein Geheimversteck befindet, habe ich mich dort eingeschlichen und…“

„Eingeschlichen?“, unterbrach ihn Eddie, „mein Geheimversteck ist mehrfach gesichert! Niemand kann sich dort einschleichen!“

Fiesoduck betrachtete ihn mit einem selbstgefälligen Blick und fuhr ungerührt fort: „Und rate mal, was mir dort von außerordentlichem Nutzen gewesen ist.“

„Meine Comicsammlung?“

„Nein, Quackerjacks Zeitkreisel“, grinste Fiesoduck und entlockte Darkwing ein anerkennendes Staunen, „wobei man diesen verrückten Irren für die Steuerung einsperren sollte. Aber es war meine einzige Möglichkeit, wieder hierhin zurückzukehren“, endete Fiesoduck seine Darstellung und erhob sich vom Sofa. Die Dunkelheit des Wohnzimmers hüllte die beiden nun schweigsamen Erpel ein, während Fiesoduck langsam durch den Raum schritt.

„Und ich bin froh darüber“, flüsterte er leise, als er sich hinter den auf dem Sofa sitzenden Darkwing stellte und das Landschaftsgemälde an der gegenüberliegenden Wand betrachtete. Eddie spürte Fiesoducks warmen Atem auf seinen Nackenfedern und schloss die Augen.

„Ich auch“, erwiderte er gedämpft und legte seinen Kopf in den Nacken, sodass er zu Fiesoduck aufsah.

„Es schneit schon wieder“, bemerkte dieser schließlich, als sein Blick zum Fenster hinaus glitt.

„Möchtest du diesmal keinen Schneemann bauen?“, scherzte Darkwing und schritt Fiesoduck folgend zum Fenster. Er legte seine Hand auf die kalte Scheibe und starrte in die dunkle Nacht hinaus.

„Es ist genau wie vor einem Jahr“, sagte Fiesoduck besinnlich und fuhr mit seinem Finger den hölzernen Fensterrahmen entlang, „dort drüben habe ich gesessen und zu dir hineingeschaut. Und du hast hier gestanden mit einem Blech in der Hand und Scherben aufgekehrt.“

„Und dieses Jahr stehst du selbst in diesem Raum und schaust nach draußen in die weiße Nacht“, sagte Darkwing und betrachtete Fiesoducks Schultern.

„Und ich möchte auch nie mehr dort in der Kälte verweilen müssen“, sprach Fiesoduck und wandte sich wieder zu Eddie um. „Ich habe es nie für möglich gehalten, aber hier in dieser Behausung habe ich mein Zuhause gefunden. Bei dir, Darkwing. Und ich möchte all dies nie wieder missen“, sagte er und schaute tief in Darkwings blaue Augen.

„Das wirst du nicht müssen, Fiesoduck. Du wirst für immer hier bleiben, hier bei mir“, erwiderte Darkwing und berührte leicht die Schulter seines Ebenbildes.

„Willkommen zu Hause, Fiesoduck“, lächelte er.
 

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Kommentare zu dieser Fanfic (33)
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Von:  ShadowKage
2017-08-14T06:35:17+00:00 14.08.2017 08:35
So und die Fortsetzung gelesen.
Als ich fand sie sehr interessant. Schade dass nicht noch mehr Fiesoduck und Darkwing Duck geschichten hast.
Ich fand es wiklich sehr interessant.
Von:  Yeiru
2011-01-08T08:47:19+00:00 08.01.2011 09:47
omg... BITTE schreib noch ne 3. Fortsetzung >< das is die beste FF die ich seit langem gelesen habe super ! :)
Von:  Negaduck
2010-08-29T22:22:56+00:00 30.08.2010 00:22
dude wie wärs mit noch ner fortsetung
nen 3-teiler oder so?
die story is so toll da müsste es mehr davon geben

*votet dafür*
Von:  Rose-de-Noire
2010-04-23T12:28:46+00:00 23.04.2010 14:28
Jou!
Hi!
Ich hab gleich beide FF's in einem Rutsch durchgelesen. Wow!
Ich bin geplättet.
Das Ende?
Schade, dass es da zu ende ist.
Ich find die beiden nämlich absolut niedlich.
Die passen so schön zusammen. Als Freunde und/oder was auch immer.

Greets dat Rose
Von:  Mad-Dental-Nurse
2009-10-27T21:11:50+00:00 27.10.2009 22:11
Also ich weiss nicht, was ich lieber tun sollte. Mitleid mit Darkwing haben, da Fieso ziemlich Temperamentvoll ist oder mich in in Fieso verknallen. Wie sehr man sich doch ändern kann. Das Ende hat mir richtig gut gefallen. Das wäre spitzen Stoff für ein Film. Ich sehe schon die Überschrift: Darkwing Duck, der Film. Untertitel. Zwei Welten, eine Freundhscfta, oder so. Weiss das klingt ziemlich verrückt. In manchen Scenen dachte ich, das artet jetzt in Shonen-Ai aus, weil du die Gefühle Darkwings und Fiesos so ausführlich geschildert hast und ehrlich gesagt, habe ich nur darauf gewartet, dass sie sich küssen *kicher*
Deine Einfälle was Darwkings Ankündigen angehen, hast du viele tolle Ideen gehabt. Respekt.
Es hat mir richtig Spass gemacht, die Fanfic zulesen und ich hoffe, das du weiter über den Schrecken der die Nacht durchflattert schreibst.

Von:  Mad-Dental-Nurse
2009-10-26T20:35:39+00:00 26.10.2009 21:35
"Sag mal, findest du nicht auch, dass gelb mich dick macht?“
Bwahahaha...Darkwing, wie ein Weib und das noch bei Fiesoducks geschmackvollen Klamotten. Oh, Fieso mus Nerven wie Kruppstahl habe. Ihn als Gefährten, ist mal was neues. *Gespannt weiter les*
Von:  NAEONNOIR
2009-02-21T13:19:30+00:00 21.02.2009 14:19
uiiiiiiih *___*
*wave*
Beide FF's sind so tolllll !!!
Und das Ende !
Wooow *_*
Von:  Darkflyduck
2008-04-07T21:50:23+00:00 07.04.2008 23:50
Ja das Ende hat mir gefallen, jetzt weiss Fiesoduck wo er bleiben kann.
Hat Spaß gemacht die Geschichte zu lesen.
Von:  Darkflyduck
2008-04-07T21:42:55+00:00 07.04.2008 23:42
Jetzt ist Fiesoduck wieder da und lebt. Wie hat er das geschafft.
Von:  LammL
2008-04-07T21:14:09+00:00 07.04.2008 23:14
Wie süüüßßßßß!!!!!!!!!!!!!!!
Das Ende war der Hammer!
(Da war der Zeitkreisel von Quackerjack doch zu etwas gut ^^)

XD


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