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Dschungel-Tod

von Jason Dark (:D) etwas zum gruseln
von

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Kapitel 1

Tabea Sanchez schrie erbärmlich auf, als das Geschwür wieder mal aufplatzte. Die verdammten Schmerzen waren jedes Mal schlimmer. Immer dann, wenn sich die Geschwüre aufblähten und anschließend auseinandergerissen wurden. So wie jetzt. Eigentlich wie immer. Wie fast in jeder Nacht und manchmal auch bei Tag.

Die Frau lag in ihrem primitiven Bett und stöhnte. Alles um sie herum war primitiv. Die Hütte, das Dorf, die Menschen, die vor ihr Angst hatten und sie als Verflucht bezeichneten.

Sie lag auf dem Rücken. Bis auf einem Ledenschurz war sie nackt. Sie wollte keine Kleidung tragen. Kein Druck auf ihre Geschwüre, das wäre schlimm gewesen. Nur ein dünnes laken bedeckte ihren Körper. Es sah aus wie ein fleckiges Leichentuch ...
 

Sie war allein. Eingetlich war sie immer allein. Ihre Eltern hatten sie verlassen. Sie wollten sie nicht mehr sehen. Sie hatten nur von hier weg gewollt und nichts mehr wissen wollen von dem Ort, in dem sie und ihre Tochter aufgewachsen waren.

Auch die Verwandten hatten sich von ihr abgewandt. Nur nicht mit dieser Verfluchten und Aussätzigen in Verbindung gebracht werden. Das wäre fatal gewesen.

Der letzte Schutz war dahin. Jetzt gab es nur noch die Fremden im Ort. Die Bewohner des Dorfes, die mit ihr nichts am Hut hatten. Sie waren mit ihr weder verwandt noch verschwägert. Sie brachten einer Aussätzigen wie ihr keine Gefühle entgegen. Wie auch? Man hasste sie. Sie war der Schandfleck, den man verstecken musste.

Auch darunter litt Tabea. Sie wusste nicht, wie es mit ihr weitergehen sollte. Man hatte ihr gesagt, dass es zu einem Ende kommen würde, aber wie das aussah, wusste Tabea nicht.

Es stand dicht bevor.

Die Bewohner hatten sich bereits vor der Hütte versammelt. Wie viele es genau waren, wusste sie nicht. Aber mehr als drei, das entnahm sie dem Klang der Stimmen.

Die Dunkeljeit war längst hereingebrochen. Nur hatte es die Nacht nicht geschafft, die schwüle Hitze zu vertreiben. Sie lastete wie eine gewaltige Steinplatte über dem Ort und dem nahen Dschungel.

"Sie kann nicht mehr unter uns bleiben!", keifte eine Frauenstimme. "Sie steckt uns alle an. Die Geschwüre hat der Teufel hinterlassen. Er hat sie gezeichnet. Sie gehört nicht zu uns, verflucht noch mal! Wir müssen sie wegjagen. Selbst der Schamane hat es nicht geschafft, sie zu reinigen, und ein Priester brachte es auch nicht fertig. Wir sind verflucht. Erst wenn sie nicht mehr da ist, haben wir unsere Ruhe. Habt ihr das verstanden?"

"Ja."

Die Frau keifte weiter. "Selbst ihre Eltern haben sie verlassen. Sie hat keine Verwandte, keine Freunde, und ich sehe nicht ein, dass wir uns um sie kümmern."

"Willst du sie töten?", fragte jemand.

"Bin ich eine Mörderin?"

"Was dann?"

"Das habe ich schon gesagt. Sie soll aus dem Dorf verschwinden. Wir werden sie fortjagen. Sie muss in den Dschungel. Ja, da soll sie sich allein durchschlagen. Vielleicht lauert dort der Teufel auf sie."

"Wer geht rein?"

"Ich"

"Du, Rita?"

"Ja, ich werde es tun. Ich werde ihr zeigen, wer sie ist. Ich werde sie rausholen."

Sekundenlang herrschte Schweigen, und auch Tabea Sanchez hielt den Atem an. Töten wollte man sie nicht, das war schon mal ein Vorteil. Aber man würde sie in den Dschungel jagen, und wenn sie von dort zurückkehren würde, war es mit ihr vorbei.

"Na los, geh schon, Rita."

"Ja, ja ..."

Tabea schaute zur Tür. Das Flackerlicht der Fackeln tanzte hin und her. Der Widerschein drang durch die Ritzen und Spalten des Hauses. Er hinterließ huschende Muster auf dem Boden, als wären Geister dabei, sich in der Hütte zu verteilen.

Ein kräftige Hand riss die Tür auf. Jetzt hatte der Lichtschein freie Bahn. Er huschte zuckend in die Behausung und traf Tabea Sanchez, die sich in ihrem Bett aufgerichtet hatte.

Hinter der Tür drängten sich die Bewohner des Dorfes, die jetzt zu neugierigen Gaffern geworden waren. Es traute sich keiner so recht vor- bis auf eine Person.

Die alte Rita.

Sie war mal eine Schamanin gewesen, aber das lag lange zurück. Jetzt gehörte sie zu den weisen Frauen, bei denen man sich Rat holte. Der große Zauberer war jetzt ein anderer, aber für Rita gab es noch genügend andere Aufgaben.

Sie betrat die Hütte. Mit beiden Händen hielt sie einen rechteckigen Gegenstand fest, von dem die im bett sitzende Tabea nur die Rückseite sah. Die vordere blieb ihr verborgen, doch auf sie schaute Rita und saah sich selbst in der Spiegelfläche.

"Hast du uns gehört, Tabea?"

"Ja."

"Dann weißt du ja, dass du nicht mehr bleiben kannst. Wir wollen dich nicht. Du bist keiner mehr von uns. Du bist besessen. Wir haben es nicht gewollt, du bestimmt auch nicht, aber wer so aussieht wie du, der kann nur besessen sein. In dich ist ein Dämon gefahren und hat dich gezeichnet. Nicht nur die Kinder haben Angst vor dir, wenn sie dich sehen. Wir alle wollen nicht, dass du noch länger hier im Dorf bleibst. Heute wirst du vertrieben. Aber ich werde dir zuvor zeigen, wie du aussiehst. Du sollst dich über dich selbst erschrecken."

Die alte Rita hatte die Sätze kaum ausgesprochen, da hob sie den Spiegel an und drehte ihn um, sodass abea hineinschauen musste, es sei denn, sie schloss die Augen.

Das tat sie nicht.

Sie blickte hinein- und sah sich selbst!

Der Schrei erstickte in ihrer Kehle. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie sich sah. Aber in der letzteb Zeit hatte sie darauf verzichtet. Und nun musste sie sehen, dass es sehr viel schlimmer geworden war.

Ihr Gesicht mit dem leicht indianischen Einschlag hatte sich in der letzten Zeit stark verändert. Die Geschwüre waren mehr geworden. Sie verteilten sich vom Kopf bis zum Kinn. Aber sie hatte sich auch schon auf dem Körper und den Gliedmaßen ausgebreitet. An ihren Armen malten sie sich ab. Auf den Brüsten ebenso, und der Bauch und die Beine waren auch nicht verschont worden. Das wusste di Gezeichnete, nur dass ihr Gesicht schon stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, sah sie als schlimm an.

Die dicken Pusteln schimmerteb feucht. Sie blähten sich immer wieder auf, nachdem sie zerstört worden waren. Es roch nach Eiter, und eine bräunlichgelbe Flüssigkeit verteilte sich an den Rändern. Man konnte sie nur als eklig und wiederwärtig bezeichnen.

"Siehst du dich, Tabea?"

Sie nickte.

"Erkennst du, was ein Dämon mit dir gemacht hat? Ich und die anderen hier wollen nicht, dass du noch länger bei uns bleibst. In dir steckt das Böse, ein eifel, und keiner von uns will angesteckt werden. Deshalb musst du weg!"

abea nickte. Es fiel ihr schwer, einen normalen Satz zu sprechen. Schließlich schaffte sie es doch.

"Wo sind meine Eltern?"

"Weg", erklärte Rita. "Sie sind verschwunden. Sie haben es nicht mehr ertragen, dich als Tochter zu haben. Sie sind über das große Wasser auf die Insel gefahren, wo Verwandte von euch leben. Dort sind sie aufgenommen worden. Dich haben sie hier bei uns gelassen, doch wir wollen dich auch nicht mehr, hörst du?"

"Ja."

"Dann steh auf."

"Und wohin soll ich gehen?"

"In den Dschungel. Lauf in den Dschungel und lass dich nie mehr hier blicken."

Tabea wusste, dass ihr keine andere Alternative blieb. Hätte sie sich geweigert, dann hätten die Bewohner zu anderen Mittel gegriffen und sie getötet. Mit einer derartigen Schande wollte niemand leben. Außerdem fürchteten sich die Menschen vor der Ansteckung.

Tabea schaute bewusst noch mal in den Spiegel, denn sie hatte den ziehenden Schmerz an der Stirn gespürt. Sie sah, dass sich ein Geschwür aufblähte und eine dünne Haut erhielt, di nicht lange halten würde.

So war es auch.

Sie platze auf- und der ziehende Schmerz verging. Dafür blieb auf der Siern eine nasse Stelle zurück. Einfach nur widerlich, denn auch der Gestank breitete sich aus.

"Gehst du freiwillig?"

"Ja."

"Gut, dann ziehe ich mich jetzt zurück." Rita drehte sich um. Sie nickte den vor der Hütte wartenden Leuten einige male zu und gesellte sich zu ihnen.

Tabea Sanchez bewegte sich auf dem Bett. Sie warf die Decke zurück und stand auf. Bekleidet war sie mit einem Lendenschutz, ansonsten was sie nackt. Vor dem Bett standen die Sandalen aus Bast. Sie schlüpfte hinein und erhob sich.

Draußen wichen die Leute zurück. Sie flüsterten miteinander, manche fluchten, einige Frauen beteten. Nicht wenige sahen die Aussätzige als eine Strafe des Himmels an, die über sie gekommen war.

Tabea verließ die Hütte. Sie sah, wie die Menschen vor ihr zurückwichen. Das Flackerlicht der Fackeln machte sie zu Gestalten, die wie ängstliche Gespenster wirkten.

"Geh, geh endlich!", schrie eine Frau.

"Geh zu deinen Dämonen! Lass uns hier in Ruhe!"

Tabea nickte. Ihr war klar, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie musste in den Dschungel, auch wnn es dort schwer zu überleben. Eine andere Möglichkeit hatte sie nicht.

sSie wandte sich nach links.

"Schneller!", brüllte jemand.

Eine warf einen Stein, der ihren nackten Rücken traf. Andere Auhen glotzten auf den fast nackten Körper und sahen die Geschwüre, wobei sie sich schüttelten.

Es gab im Ort keine normale Straße.

Der Untergrund betsand aus festgestampftem Lehm. Bei Regen war alles nur eine Schlammwüste.

Es war wie im Mittelalter. Nur wurde Tabea nicht aus dem Ort geprügelt. Sie bewegte sich von allein. Sie bekam auch keine Schläge mit, aber sie lief trotzdem immer schneller, als wäre die dunkle Wand, die sich hinter dem Dorf aufgebaute, ein Magnet, der sie anzog.

Weg, nur weg!

Und sie rannte hinein in den Dschungel. Die Stimmen der Leute verklangen. Nur einen Satz hörte sie noch, der hinter ihr her gellte.

"Komm nie zurück! Nie mehr, sonst werden wir dir das Herz aus dem Leib schneiden ..."

Kapitel 2

Tabea kam nicht mehr zurück. Sie spürte die Peitsche der Angst, die sie immer weiter in die dunkle Welt des nächtlichen Urwalds trieb, wo es nicht ruhig war, denn jetzt hatten die iere der Nacht ihre große Zeit.

Sie hörte das Schreien, das Fauchen, das schrille Quitschen der zahlreichen Tierstimmen. Für einen Menschen, der sich hier nicht auskannte, war es wie eine Sinfonie des Schreckens, die ihn leicht in den Wahnsinn treiben konnte, wenn sie zu lange anhielt.

Tabea kannte die Laute. Sie lebte schon zu lange in der Nähe des Waldes. Und sie rannte, sie kämpfte sich vor, sie fiel zu Boden, sie raffte sich wieder hoch. Sie schreckte schlafende Tiere auf. Kleine Affen brüllten sie an. Mit den Händen schlug sie um sich, fegte gummiartige Zweige zur Seite, wurde von Hindernissen aufgehalten und schaffte es wie durch ein Wunder, unverletzt zu entkommen.

Bis sie nicht mehr konnte.

Sie war einen Weg hoch gelaufen, der sich an der dichte bewaldeten Flanke eines Hügels hinzog. Auf halber Strecke brach sie zusammen. Die Beine wollten ihr Gewicht nicht mehr tragen. Sie knickte einfach unter ihr weg, und sie landete bäuchlings auf dem weichen UNtergrund, auf dem der Humus eine dichte Schicht gebildet hatte.

Starr wie eine Tote lag Tabea da, und wäre nicht ihre heftigen und keuchenden Atemzüge gewesen, hätte man sie für tot halten können. Aber sie lebte, sie spürte es. Die Geschwüre juckten an ihrem Körper. Die Schmerzen blieben, wenn wieder mal eines zerplatzte.

Die Luft um sie herum hatte einen hohen Grad an Feuchtigkeit. Wenn sie atmete, hatte sie den Eindruck,die Luft trinken zu können. Ihr Körper schien zu dampfen, aber es war nur der feine Dunst, der sich über ihn gelegt hatte. Da schimmerte ihre Haut, als wäre sie mit Öl eingerieben worden.

War der Dschungel ihre Rettung? Konnte sie es schaffen, in diesem menschenfeindlichen Gebiet zu überleben?

Ja, es musste ihr gelingen. Sie kannte sich schon in ihrer Heimat aus, aber sie war verlassen worden und zum ersten Mal auf sich alleine gestellt. Es gab keinen Menschen, der noch zu ihr stand, und das machte sie so traurig. Ihre Eltern lebten bei den Verwandten im Übersee, die dort sehr einflussreich geworden waren, das wusste sie, und sie hatte man als missliebiges Anhängsel hier zurückgelassen.

Käfer krabbelten um sie herum, als warteten sie darauf, sich als Aasfresser betätigen zu können. Auch größere Tiere würden ihren Geruch aufnehmen. Sie dachte an Raubkatzen, denn sie wusste, dass der Jaguar in der Nacht unterwegs war. HIn und wieder drang er in die Dörfer ein und holte sich dort seine Opfer.

Tabea musste sich verstecken. Zumindest bis zum Tagesanbruch. Erst dann, wenn es hell war, konnte sie sich wieder auf den Weg machen, wobei sie nicht wusste, wo sie ein Versteck suchen sollte.

Am besten wäre es gewesen, wenn sie zur Küste gelaufen wäre. Dort gab es größere Orte, aber auch dort gab es Menschen, die Augen im Kopf hatten und sie anschauen würden. Ob die ihren Anblick besser ertragen würden, stand in den Sternen, und so blieb iht nichts anderes übrig, als sich zunächst mal hier ein Versteck zu suchen.

Wo das sein würde, wollte sie im Hellen herausfinden. Vielleicht fand sie eine der Höhlen, die es in diesem zerklüfteten Bergland zu Hunderten gab.

Dass sie verhungern oder verdursten würde, brauchte sie nicht zu befüchten. Der Dschungel bot ihr Nahrung genug, und es war auch genügend Wasser vorhanden.

Man hatte ihr keine KLeidung mitgegeben. Und sie besaß keine Waffe. Nicht mal ein Feuerzeug oder Zündhölzer. Nur mit dem eigenen Händen konnte sie sich verteidigen.

Sie schaute sich in ihrer Umgebung um.

Tabea richtete sich auf. Es war dunkel, aber trotzdem nicht finster, denn in ihrer Nähe schimmerten Augen in der Dunkelheit. Von allen Seiten wurde sie beobachtet. Sie hörte auch wieder die Schreie der Tiere. Es waren die kleinen Affen, die sich über die nächtliche Störung so aufregten und dies mit schrillen Schreien kundtaten.

Sie atmete heftig. Trotz der Schwüle lag eine Gänsehaut auf ihrem Körper. Auch ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich.

Sie dachte daran, wie grausam die Natur sein konnte, wenn es gegen Eindringlinge ging, und sie fürchtete sich am meisten vor den dünnen, giftigen Dschungelschlangen, die sich nicht nur über den Boden schlängelten, sondern auch auf Bäumen lauerten und manchmal wie leblose Gummikörper von den Ästen herabhingen.

Tabea überlegte, ob sie weiter den Hang hoch laufen sollte. In der Höhe war der Wald weniger dicht. Dort gab es auch einige Höhlen im Gestein, doch in der Dunkelheit würden sie nur schwer zu finden sein. So gut wie unmöglich. Deshalb wollte sie ihr den Rest der Nacht abwarten.

Da die Bäume über ihrem Kopf zusammenwuchsen und so ein dichtes Dach bildeten, sah sie den Himmel nicht.

Sie stellte sich hin. Etwas huschte über ihre nackten Füße hinweg underschreckte sie. Trotzdem blieb sie auf der Stelle stehen, denn woanders war es nicht besser.

"Tabea ..."

Die Frau erstarrte. Sie hatte den Ruf vernommen, sogar ihren Namen, der gerufen worden war. Aber war er das wirklich? Hatte sie sich nicht geirrt?

Ein kalter Schauer rieselte ihren Rücken hinab. Sie holte stockend Atem, und in ihrem Kopf verspürte sie scharfe Einsamkeit und stellte sich die Frage, ob sie sich den Ruf nicht eingebildet hatte.

Würde er sich wiederholen?

Ja, jetzt war die Stimme erneut da.

"Tabea- Tabea ..."

Sie musste zunächst mal schlucken, bevor sie in der Lage war, antworten zu können.

"Wer bist du?"

"Ich will dir helfen ..."

"Und wieso?"

"Ich bin ganz nah. Möchtest du zu mir gehören?"

Es war eine Suggestivfrage, das wusste sie sehr genau. Aber blieb ihr eine andere Wahl?

Friss Vogel- oder stirb!

Das war der richtige Vergleich, mit dem sie sich abfinden musste. Und auch danach handeln.

"Wer bist du denn?"

"Frag nicht. Ich bin da, um dich unter meinen Schutz zu nehmen. Die Menschen haben dich verstoßen. Ich aber habe mir vorgenommen, dich aufzufangen."

"Und was passiert dann?"

"Ich behüte dich. Ich mache dich gesund. Ich werde dafür sorgen, dass du dich rächen kannst."

Es waren Worte, die ihre Wirkung auf Tabea nicht verfehlten. Und sie befand sich in einer Situation, inder sie nach jedem Strohhalm griff. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig.

Sie drehte sich auf der Stelle, um die Person zu suchen, der die Stimme gehörte. Sie wusste nicht mal, ob ein weibliches oder männliches Wesen mit ihr gesprochen hatte.

Der Begriff Wesen war wichtig für sie. Es lebte hier im dichten Wald. Es konnte ein Mann sein, musste aber nicht. Es gab Geister, die sich den Menschen in der Regel nicht zeigten und nur in extremen Situationen erschienen, und eine solche war jetzt gegeben.

"Was soll ich den tun?"

"Geh einfach vor."

"Und dann?"

"Geh nur vor."

Tabea Sanchez hob die Schultern. Genau in diesem Moment platzte wieder eines der verfluchten Geschwüre dicht unter ihrer rechten Brust. Der beißende Schmerz ließ sie aufstöhnen. Es war ihr, als wäre Säure in die Wunde geträufelt worden. Sie krümmte sich, stöhnte, richtete sich wieder auf, schaute nach vorn- und sah etwas.

Ja, da gab es jemanden!

Er stand in der Dunkelheit, aber sie erkannte nur einen schwachen Umriss, mehr nicht. Diese Gestalt erinnerte sie an ein Waldgespenst oder an einen Geist, der sich auf den Weg gemacht hatte, um zu töten.

Aber wollte er das wirklich?

Sie konnte es kaum glauben. Wenn ihr jemand etwas Böses wollte, sprach er nicht mit einer solchen Stimme und benutzte auch nicht derartige Worte.

Der Umriss war grau, vielleicht ein wenig heller. Aber es war nicht zu erkennen, ob es sich bei der Gestalt um einen Menschen handelte. Vielleicht hatte sich einer der Götter ihrer erbarmt und hatte seine Heimstatt verlassen, um sie zu umarmen?

"Komm, du wirst es nicht bereuen. Was bleibt dir sonst? Die Angst und die Flucht. Willst du das?"

"Nein."

"Dann zögere nicht länger. Verlass dich auf mich. Ich bin dein Freund, ich bin deine Lust, ich bin deine Rache. Ich werde dich durch meine Kraft wieder gesund machen, und du wirst dich wieder ganz normal unter die Menschen begeben können."

Tabea hatte sehr genau zugehört. Plötzlich war diese feindliche Umgebung zu einem kleinen Paradies geworden. Sie konnte es kaum begreifen. Sie hatte beinahe mit ihrem vorherigen Leben abgeschlossen, doch nun sah alles anders aus. Auch wenn sie sich in die Hand einer fremden Macht begeben musste, es war noch immer besser, als durch einen menschenfeindlichen Dschungel zu irren.

"Ja!", sagte sie, und dabei klang ihre Stimme fest. "Ich gehe mit dir- und ich vertraue dir ..."

Kapitel 3

Immer wenn Rita vor ihren kleinen Altar trat, der neben ihrem Bett stand, fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, Tabea aus dem Ort zu jagen. Es lag jetzt eine Woche zurück, und die Bwohner, die noch in den ersten Tagen darüber gesprochen hatten, widmeten sich wieder anderen Themen. Tabea war vergessen. Der Wald hatte sie gefressen, denn der Wald schluckte alles. Er war unerbittlich.

Ritas Altar stand auf einer schmalen Kommode. Der Mittelpunkt war eine Frau. Die heilige Maria. Aus Holz geschnitzt, mit einem etwas vergeistigten Gesicht. Betend die Hände zusammengelegt und den Betrachter in die Augen schauend. Sie trug ein langes Gewand, das Falten warf und zwei Farben zeigte.

Rot und gold.

Beide Farben warem im Laufe der Zeit verblasst, ebenso wie die grünbraunen der beiden anderen Figuren, die die kleine Marienstatue flankierten. Es waren Gestalten, die nicht zur christlichen Symbolik passten. Sie stellten zwei Schutzgötter der Mayas dar, als deren Nachfolgervolk sich die Menschen hier auf der Halbinsel Yukatan fühlten.

Götzen oder Götter, aufgeblasen durch ihre großen Köpfe, deren Münder weit geöffnet waren und so etwas wie breite Spalten in der unteren Gesichtshälfte darstellen. Aus ihnen sollte der gute Wind dringen, den sie über den Wolken einfingen, um ihn den Menschen zu bringen.

Wie die meisten Leute hier war Rita Christin. Aber sie hatte auch die alten Götter nicht vergessen, uind es konnte nicht schaden, wenn sie sich doppelt absicherte.

Früher hatte sie vor ihrem kleinen Altar gekniet. Jetzt saß sie auf einem kleinen Hocker, und im Sitzen hatte sie auch die beiden Kerzen angezündet, die ihr weiches Licht über den kleinen Altar warfen.

Rita starrte ihn an.

Draußen war längst die Nacht angebrochen, und sie fühlte sich sehr allein. Die Leute im Dorf schliefen. Es waren auch keine Wachen mehr aufgestellt worden wie in den ersten Nächten nach dem Verschwinden der Aussätzigen.

War damit alles gut geworden?

Rita hatte daran geglaubt, zumindest in den ersten Tagen. Danach waren ihr Zweifel gekommen. Möglicherweise hatte sie sich auch geirrt. Tabea Sanchez war schließlich ein Mensch gewesen, auch wenn sie gezeichnet war. Man hätte sie in ein Krankenhaus bringen können, aber Rita hatte sich überreden lassen, weil die anderen meinten, dass Tabea von einem bösen Dämon besessen war. Der schreckliche Geist war in sie eingedrungen. Er hatte sie übernommen, um sie zu bestrafen. Sie war als Gastkörper ausersehen worden, weil die andere Kraft sie hatte leiden sehen wollen.

Und so hatte die ehemalige Schamanin zugestimmt, denn sie sah die Welt mit anderen Augen. Sie glaubte daran, dass viele Mächte über die Menschen bestimmten. Nicht nur gute, auch böse, und so hatten sie letztendlich dem Druck nachgegeben.

Sie betete jeden Abend. Zuerst still, wenn sie bei der Mutter Maria um Vergebung für ihre Sünden bat.

Später flehte sie die beiden Götter an. Dabei drangen ein kehliger Singsang aus ihrem Mund. Es war die alte Sprache der Mayas, die sie noch teilweise beherrschte, und durch ihre Gebete hoffte sie, die Götter besänftigen zu können.

Beide Gebete dauerten nicht länger als fünfzehn Minuten. Danach folgte immer das gleiche Ritual. Rita blies die Kerzen aus und legte sich in das nahe stehende Bett, um zu schlafen.

Das hatte sie auch an diesem Abend vor, aber etwas hielt sie davon ab. Sie spürte eine innere Unruhe. Sie konnte einfach nicht die Augen schließen und einschlafen. Etwas beschäftigte sie, aber Rita wusste nicht, was es genau war.

Ein schlechtes Gewissen?

Daran hatte sie schon gedacht. Bisher hatte sie sich nie damit herumplagen müssen. Jetzt war sie von dieser Unruhe befallen worden, und genau das bereitete ihr Probleme.

Eine schlaflose Nacht. Ein starker Druck, Schweißausbrüche. Ein schlechtes Gewissen eben, das für eine gewisse Angst sorgte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ.

Rita legte sich erst gar nicht hin. Sie wohnte alleine im Haus, das eigentlich mehr eine Hütte mit zwei Zimmern war. In dem kleinem schlief sie, das größere beherbergte die Küche, in der auch der alte Fernseher stand. Direkt neben dem Fenster, durch das sie schaute und in die Dunkelheit hinein blickte, die so tief war und von keinem Lichtfunken erhellt wurde.

Eine Dunkelheit, wie sie nur die tropische Nacht schaffen konnte. Die alles unter sich verbarg, das Gute und das Böse.

In der Nacht war das Böse unterwegs. Die alte Frau am Fenster spürte es. Sie fror plötzlich und wickelte sich enger in ihren Poncho. Ihr von Falten durchfurchtes Gesicht zeigte einen gespannten Ausdruck, wie bei einem Menschen, der seiner Umgebung nicht traute und darauf wartete, dass etwas Schreckliches aus ihr hervortrat und unvermittelt brutal zuschlug.

Dieses Gefühl hatte sie immer gehabt, wenn der Jaguar auf Beutezug ging. Aber in dieser Nacht war es noch anders. Sie wusste selbst nicht, warum sie so dachte.

Das sagte ihr einfach ihr Gefühl.

Ihre Gedanken konnte sie nicht beeinflussen. Stärker als noch vor ein paar Tagn dachte sie wieder an die Aussätzige, die sie aus dem Ort getrieben hatten.

Obwohl sich Tabea Sanchez nicht in ihrer Nähe aufhielt, wurde sie das Bild einfach nicht los. Sie sah das abstoßende Gesicht nit den nässenden Geschwüren dicht vor sich. Sie sah, wie einige von ihnen aufplatzten und eine stinkende Flüssigkeit absonderten. Das alles lief wie ein Film vor ihren Augen ab. Aber es entsprch nicht der Wirklichkeit. Oder etwa doch?

Plötzlich hörte sie ein fremdes Geräusch. Sie konzentrierte sich darauf, und sie fand heraus, dass es an der schmalen Hintertür aufgeklungen war. Das kleine Haus hatte tatsächlich zwei Türen. In der Nähe der kleineren befand sich der Hühnerstall, und sie hörte die wenigen Tiere plötzlich laut gackern.

Das war unnormal. Sie meldeten sich nur so, wenn ihnen eine Gefahr drohte.

War der Jaguar wieder unterwegs?

Rita dachte natürlich sofort an ihn. Er hatte auch die Kraft, das Drahtgitter des Stalls zu zerstören, aber wenn das pssierte, dann reagierten die Hühner anders. Dann schrien sie in ihrer wilden Panik, und das war hier nicht der Fall.

Zudem beruhigten sie sich wieder. Hin und wieder noch ein leiser Laut, das war alles.

Die alte Frau hätte sich beruhigt in ihr Bett legen können. Aber das tat sie nicht. Sie wollte sich überzeugen, ob wirklich alles in Ordnung war. Deshalb holte sie die Stableuchte vom Regal und ging auf die schmale Hintertür zu.

Sie musste erst einen Riegel zur Seite schieben, um sie öffnen zu können. Danach schaltete sie die Lampe ein.

Als sie die Tür aufzog, hörte sie das Quietschen der verrosteten Angeln. Ein Geräusch, an das sie sich längst gewöhnt hatte.

Rita hob den rechten Arm mit der Lampe und sah, dass sie plötzlich zitterte. Die Warnung, im nächsten Moment einer Gefahr ins Augen sehen zu müssen, erfasste sie ganz plötzlich.

Sie leuchtete nach vorn.

Dort stand jemand.

Es war eine fast nackte Frau mit schweren, leicht zu den Seiten hin hängenden Büsten. Aber das interessierte Rita nicht, denn etwas anderes war schlimmer.

In der rechten Hand hielt die Frau ein Messer, deren Klinge fast so lang wie bei einer Machete war.

Und sie sah in das Gesicht.

Es gehörte einer ihr bekannten Personen.

Tabea Sanchez war zurück!



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2007-12-03T19:18:18+00:00 03.12.2007 20:18
Hey ^^) !!! ich find deine ff spannend ist zwar etwas kurz geratewn aber trotzdem gut bekomm ich ne ens von dir ? wenn du weiterschreibst ^^) lg Black12 ^^)


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