Warum?
Warum?
Freitagabend.
Völlig genervt, wütend, traurig und enttäuscht schließe ich das Fenster mit dem LiveTicker.
Ich beschwere mich nicht allzu hart im Vereinsforum, aber dennoch bin ich einfach nur am Ende.
Die letzte Saison war schwer. Unglaublicher Anti-Fußball auf und charakterlose Spieler neben dem Feld. Am Ende kam der Abstieg. Er kam nicht überraschend. Ich habe nicht geweint. Das letzte mal hatte ich schon vor 5 Wochen geweint, als mir klar wurde, dass diese Mannschaft nicht gegen den Abstieg kämpfen würde.
Ich hatte nach der Winterpause große Hoffnungen. Jedes Testspiel wurde gewonnen, unsere Spieler gaben ihr Bestes, überzeugten. Tore vielen, wenig Tore wurden kassiert.
Schon beim ersten Spiel in der Bundesliga war es wieder anders. Kein Kampfgeist, kein Offensivspiel. Nix.
Nunja, das Ende wurde bereits genannt.
Zur neuen Saison wurde vieles geändert: Die Moral, das Training und vor allen Dingen eins – Die Spieler.
Unglaublich viele Spieler haben meinen Verein verlassen, viele neue sind hinzugekommen. Spieler, die eher für ihren Kampfgeist als für ihre Fußballkunst berühmt waren. Mir sollte es egal sein; ich wollte unbedingt wieder Spaßfußball sehen und mit meiner Mannschaft prahlen.
Erstes Pflichtspiel, Osnabrück, DFB-Pokal. Endlich wurde unser Osnasen-Trauma besiegt, das Spiel war zwar nicht allzu doll, aber es war ein Sieg. Ein sehr schöner Sieg, durch ein sehr schönes Tor. Es wurde wieder gehofft.
Erster Spieltag, Kaiserslautern. Uns war klar, dass Lautern ein guter Gegner war. Über das Unentschieden waren wir eigentlich froh und dazu waren wir glücklich, dass wir die Saison nicht mit einer Niederlage begonnen.
Zweiter Spieltag, Hoffenheim. Es war unser erstes Heimspiel der Pflichtsaison. Man wollte den „kreativen Spaßfußball“ sehen, den uns unser Trainer versprochen hat. Was wir zu sehen bekamen, war ein grottiger Angsthasen-Fußball. Ein 4-6-0 ohne Tore. Unglaublich. Die Wut auf den Trainer war groß. Zwar war erst der 2. Spieltag, aber dennoch war die Stimmung so, als stünde ein erneuter Abstieg fest.
Dritter Spieltag, Mainz. Noch schlechterer Fußball. Diesmal offensiver aufgestellt, dafür waren die Spieler Totalausfälle. Eine 4:1 Auswärtsschlappe. Die Auswärtsdeppen haben ihrem Namen mal wieder alle Ehre gemacht.
Unglaublich. Peinlich. Einfach Katastrophal.
Völlig genervt, wütend, traurig und enttäuscht schließe ich das Fenster mit dem LiveTicker.
Ich beschwere mich nicht allzu hart im Vereinsforum, aber dennoch bin ich einfach nur am Ende.
Ich schwöre mir, das Spiel am nächsten Sonntag nicht zu verfolgen.
Völlig genervt schalte ich nun auch den PC aus und lege mich schlafen.
Sonntagmittag.
In ein paar Stunden geht das Spiel los. Ich bin völlig aufgeregt.
Um halb 2 mach ich den PC an. Um 2 ist Anstoß.
Neben dem Liveticker unterhalte ich mich online im Vereinsforum mit Gleichgesinnten.
„Diesmal schaffen wir es!“ „Der Park wird wieder eine Festung“ „Gladbach wird wieder siegreich sein...“
Auch ich schreibe eifrig mit. „Spieler X wird dem Spieler Y heute ein wunderbares Tor vorlegen, das habe ich im Gefühl“, tippe ich auf meine Tastatur.
Ich weiß eigentlich gar nicht, wie das Spiel ausgeht. Ich weiß eigentlich nur, dass ich auch nach einer Niederlage am nächsten Spieltag wieder gebannt vor dem PC sitzen werde und auch danach wie ein Rohrspatz schimpfe oder mich wie ein Schnitzel freue.
Denn mein Verein ist meine Liebe, und diese Jungs sind meine Jungs.
Der Verein ist meine Familie, und eine Familie leidet zusammen.
In guten wie in schlechten Tagen, nie ist man allein.
~*~*~*~
Joa, One-Shot. Kein Shonen-Ai, einfach nur aus dem Herzen heraus.
Warum [II]
Warum [II]
Montagabend.
Ich stürme in mein Zimmer, schmeiße mich regelrecht vor den PC und fange wieder an, Kommentare für unser Forum zu tippen.
„Saschas Kopfball war doch wirklich zum Zungeschnalzen! Und Rob hat auch wieder getroffen! HERBSTMEISTER!“
Auch die anderen sind in einem Rausch von Freude um das gewonnene Spiel und den Herbstmeistertitel.
“Herbstmeister, Herbstmeister, Hey hey hey!“
Die letzen Wochen waren klasse. Die Leistungen der Mannschaft, des Teams scheinen mein eigenes Leben beflügelt zu haben.
Ich kann mit meinem Fanschal rausgehen, ohne direkt verspottet oder bemitleidet zu werden. Verärgerte Kommentare wie „Freut ihr euch ruhig, ihr könnt genauso schnell wieder unten sein“ treffen mich nicht. Wieso sollte ich mir jetzt auch Gedanken über die Zukunft machen, wenn die Gegenwart doch so unglaublich schön ist?
Die Mannschaft hatte Spaß am Fußball, es wurde nicht immer schön, aber dennoch verdient gewonnen. Die Unentschieden gegen Köln und 1860 München waren mehr als gerecht. Was störte es einen, wenn man gegen diese Mannschaften nicht gewann? Man hatte immerhin nicht verloren, schon lange nicht mehr. Eins von 17 Spielen.
Wochenlang Tabellenführer, Spitzenreiter, durch den Sieg gegen den direkten Konkurrenten Freiburg und die Krönung zum Herbstmeister versüßt.
Sonntagnachmittag.
Eine schwächere Vorstellung der Mannschaft, nur ein 1:1 gegen den Tabellenletzten. Gelb-rote Karte für unseren Top-Torschützen Rob Friend. Einige Aussetzer in der Defensive, mit Paraden unseres Tormanns in letzter Sekunde gerettet. Die Offensive ließ sich kaum blicken, in der ersten Halbzeit sogar überhaupt nicht.
Und was passiert in unserer großen Fan-Familie?
Letzte Saison wurden die Spieler für solche Spiele zerrissen und am liebsten geteert und gefedert aus der Stadt gejagt.
Sturm damals:
„Mann, der taugt ja überhaupt nichts! Wo hat man den denn ausgegraben? Soll der doch in seiner Operettenliga weiter Tore stolpern!“
Sturm heute:
„Nee, das war nichts. Was soll’s. Mund abwischen und das nächste Mal besser machen. Die Paderborner standen aber auch tief, da bekam man als Stürmer ja kaum Flanken.“
Mittelfeld damals:
„Verdammt, da kann man ja direkt mit 4 Feldspielern weniger auflaufen! Keine Flanken, keine Kreativität, nichts! Gegen den Tabellenletzten, also bitte. Die sollten doch zu schlagen sein! Ich will unbedingt Spieler XY für Spieler YZ sehen!“
Mittelfeld heute:
„Hmm... das Mittelfeld blieb etwas blass heute. Nun gut, bei der Verteidigung Flanken zu schlagen ist ja auch ein Kunststück für sich. Vielleicht könnte man das nächste Mal den ein oder anderen Spieler früher einwechseln, der dann neuen Schwung bringt.“
Verteidigung damals:
„Mal wieder das einzige, was geklappt hat. Und dennoch ein Gegentor! Einen Moment nicht aufgepasst! Und dann diese Ballverluste, das erinnert einen ja an Amateurfußball!“
Verteidigung heute:
„Naja, da gab es aber einige Aussetzer. Daran sollte man arbeiten. Sonst war gut.“
Tor damals:
„Mann, unsicher wie sonstwas, schreckliche Abschläge, ein Ball kommt hergekullert und ein Tor!“
Tor heute:
„Gut, Abschläge und das Verhalten im Strafraum könnten Verbessert werden... Aber am Gegentor war er absolut schuldlos!“
Es hat sich also Vieles geändert. Und selbst zum Gesamtergebnis lässt sich Eins sagen:
Hätte mehr sein können. Egal. Jetzt ist erst einmal Winterpause.
Frohe Weihnachten, guten Rutsch, erholt euch gut und kommt gestärkt zurück, schließlich sind wir noch nicht aufgestiegen!
So viel Erfolg beflügelt. Klar, dass man dann gegen Vereine wie Paderborn oder Wehen-Wiesbaden eigentlich Siege einplant. Aber gerade ein Absteiger weiß genau, dass es genauso schnell wieder vorbei sein kann mit der schönen Welt.
Wäre ja auch langweilig, wenn nicht.
Aber gerade diese paar Wochen, in denen man keine Angst vor einem Abstieg haben muss, in denen man weiß, dass die Welt auch nach einer Niederlage noch rosig aussieht, diese Wochen des Glücks machen, dass ich meinen Verein liebe.
Es lässt sich nicht genau erklären, aber das ist der Grund. Darum liebe ich Fußball, darum liebe ich meinen Verein.
Darum.
