worst case

~Schlaflied/Anna~

Weißt du wie viele Sternlein stehen,

an dem blauen Himmelszelt?
 

Sanft strich Anna ihrem Sohn über die Haare, während sie vergeblich versuchte, ihn in den Schlaf zu singen. Trotz der Aufregung der letzten Tage war der kleine Hana so putzmunter wie eh und jeh.

Es war bereits dunkel, nur das schwache Licht des aufgehenden Mondes erleuchtete das Gesicht der blonden jungen Frau, die am Bett ihres Sohnes saß, zwar selbst ausgelaugt und erschöpft, aber dennoch bemüht, ihren Sohn zum schlafen zu verleiten.
 

Weißt du wie viele Wolken ziehen,

weithin über alle Welt?
 

Oh ja, schlafen wäre jetzt wirklich wunderbar, doch so wie es aussah war ihr dies wohl vorerst nicht vergönnt. Oder doch? Hana schloss die Augen! Vielleicht war es Rücksichtnahme auf seine Mutter, vielleicht auch nur Müdigkeit, die ihn nun auch übermahnte.

Anna seufzte. Endlich! Endlich Ruhe und Frieden!

Ruhe, die sie während der letzten Tage kaum gehabt hatte.

Sie und ihr Sohn Hana hatten die letzten Tagen damit zugebracht, überstürzt und in Eile hierher nach Izumo zu kommen. Und das war eine Reise, die enorm an ihren Nerven und Kräften gezehrt hatte.
 

Vom großen Spirit sie beseelet,

die Vernichtung nicht verfehlet...
 

Aber wäre sie bei Yoh und den anderen geblieben, dann wäre es ihr vermutlich nicht besser ergangen. Kaum vorstellbar wie ihr Einfluss auf ihn in den letzten Monaten gefallen war. Eigentlich schenkte ihr niemand mehr so wirklich Beachtung. Sicher, Yoh liebte sie, das hatte er ja immer wieder beteuert, aber sie war nunmal die first Lady, Frau des Shaman Kings. Und dazu hatte Yoh es nicht gebracht...jedenfalls nicht alleine.
 

...einer ganzen großen Schar,

einer ganzen großen Schar!
 

Hao hatte es geschafft Besitz von ihm zu ergreifen.

Nicht direkt, er hatte Yoh seinen Willen, seinen Körper, seine Seele gelassen, doch hatte er ihn belehrt und bekehrt. Er hatte es geschafft ihn auf seine Seite zu ziehen, mit ihm die anderen, und dadurch das zu erlangen, was er seit 1000 Jahren erhofft hatte: Hao verfügte frei über die great Spirits, er hatte mit seinem Bruder und als Teil von diesem den Sieg im Shaman Fight und damit den Titel des Shaman Kings erlangt.

Was dies bedeutete war ihr selbst, Anna, erst im Nachhinein wirklich bewusst geworden.

Hao hatte Yoh gänzlich von seiner Meinung überzeugen können, und sie nutzten ihre Macht...um Leben, dass ihrer Ansicht nach nichts Wert war auszulöschen und eine Welt der Shamanen zu erschaffen. Eine Welt, in der sie jetzt schon seit geraumer Zeit lebten.

Es war ein seltsames Schauspiel, als sich Amidamaru, Spirit of Fire und die great Spirits verbanden und eine gewaltige Welle der Energie auslösten, die niemanden verschohnte, der nicht Shamane war.

Warum Manta überlebt hatte war ihr zwar ein Rätsel, doch Hao und Yoh waren sich einig, dass er durchaus als Shamane durchgehen könne, aufgrund seiner Fähigkeit Spirits wahrnehmen zu können.
 

Weißt du wie viele Spirits steigen,

nun aus ihrer Welt herauf?

Wie sie ohne Kraft und Mühe,

stark verändern den Weltenlauf...
 

Das ganze lag nun schon ein halbes Jahr zurück, und Anna erinnerte sich noch gut, wie geschockt sie damals war. Hana, zu der Zeit gerade ein Jahr alt, schmiegte sich ängstlich an seine Mutter, als sein Vater und Hao von einer Lichtwoge umgeben wurden, während sie die Macht, die sie nun hatten, entfesselten.

Doch so schnell, wie alles von Statten ging, war es auch wieder vor bei.

Das nächste, woran Anna sich noch erinnerte, war ihre Ankunft daheim.

Hao hatte beschlossen zu ihnen zu ziehen, einerseits um die Macht seines Bruders nutzen zu können, andererseits um sie, Anna zu seiner first Lady zu machen.

Sicher, Yoh hatte sich dagegen gestreubt, und auch sie selbst leistete Widerstand, doch im Endeffekt konnte sie sich nicht wehren. Wohl der Anfang allem Übels...

Sie lebte in einer Beziehung mit dem Shaman King. Das Problem war nur, das zwei Personen sich diesen Titel, und damit auch sie teilten. Es war schwer, die Nerven zu behalten, wenn sich die Brüder immer und immer wieder darum stritten, wessen Frau sie jetzt eigentlich war. Doch Hao schien langsam die Oberhand zu gewinnen, Yoh blockte ihn kaum noch ab.

Es ging letztendlich soweit, dass er Hana als seinen eigenen Sohn ansah, seinen Erben, der die Macht des Asakura-Clans irgendwann nutzen sollte, um das Werk seines "Vaters" zu schützen.

Zwar merkte Anna, dass ab diesem Punkt auch bei Yoh langsam der Geduldsfaden riss, doch er wehrte sich nicht. Er ignorierte fast emotionlos, dass sogar sein Sohn ihm von seinem Bruder genommen wurde...und brach damit Annas Herz und ihre Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft entzwei.

Sie packte das Nötigste ein, nahm ihren Sohn und ging!

Dies war nun eine Woche her, und noch immer wusste sie nicht genau, was sie nun tun sollte. Wer sollte ihr denn auch helfen?

Yoh hatte dazu nicht mehr genug Kraft.

Zwar hatten er und Hao die Macht der great Spirits absorbiert, doch davon war nach ihrem ersten "Werk" nicht mehr viel übrig. Nicht genug um sie sinnvoll nutzen zu können, nicht genug, alsdass sie damit noch irgendeinem der Shamanen dieser Welt wirklich helfen könnten.

Dies schloss natürlich Horokeu, Ren und all die anderen ihrer Freunde, die sich nun selbst helfen mussten, mit ein. Um ihre Ziele zu erreichen blieb ihnen lediglich die Möglichkeit, andere Mittel zu nutzen, vor allem eines, welches schon Kriege hervorgerufen und Königreiche zerstört hatte: Geld!

Wie sie an solches kamen war ihnen mit der Zeit egal geworden. Sie hatten sich Hao angeschlossen, man hasste sie sowieso, da kam es auf das letzte Bisschen Ruf nicht mehr an.

Skrupellos, kaltblütig, ehrgeizig und ohne schlechtes Gewissen betraten sie Wege, die ihr, Anna, nach wie vor unbegreiflich und untragbar erschienen. Doch sie hatte ohnehin nichts mehr zu sagen, niemand störte sich an ihrer Meinung, sie hatte den Haushalt zu regeln und ihre Familie zu versorgen, und mehr auch nicht...
 

Anna seufzte leise und erhob sich. Lange genug hatte sie am Bett ihres Sohnes gekniet und ihm beim schlafen zugesehen. Ein kurzer Blick zurück, dann schloss sie die Tür.

Sie betrat den Gang, und sah einige Sterne durchs Fenster funkeln. Fast schien es so, als wollten sie ihr Mut machen, doch sie schafften es nicht.

Nie hatte sie sich den ruhigen, gelassenen und sie liebenden Yoh so herbeigesehnt wie in diesem Augenblick...

Unterwegs/Ren

Leise schloss Ren Tao die Tür hinter sich, als er raus ins Freie trat. Insofern man es wirklich "frei" nennen konnte wenn man von riesigen Bürogebäuden und Geschäften, Lärm und Leuchtreklamen umgeben und gefangen war. Tokio wirkte selbst um zwei Uhr Nachts noch so lebendig wie am Tage und bei Sonnenschein.

Zwei Uhr, mitten in der Nacht...

Eigentlich hätte er jetzt noch einiges vor sich gehabt, doch die letzten drei Stunden hatten ihm mehr eingebracht, als er wohl in den nächsten Monaten zusammen verdient hätte. Nicht dramatisch, aber doch ein guter Grund, heute mal früher zu entspannen, und sich eine kleine Auszeit zu gönnen.

Ren besah sich seine Fingernägel. Eine Geste, die er sich in der letzten Zeit unbewusst angeeignet hatte. Neben einem kleinen Riss am Daumennagel entdeckte er noch einen dünnen Film Hautschüppchen, die nicht seine eigenen waren. Er sollte sich wirklich das Kratzen abgewöhnen, sowas vergraulte nur Kunden und hinterlies unangenehme Spuren.

Er warf einen kurzen Blick zurück zu dem Gebäude, dass er soeben verlassen hatte.

Es war eines der hohen Bauten, die keine Firmen und Konzerne beherbergten, sondern Luxusapartments, die vorwiegend von neureichen Schnöseln und jungen Unternehmern bewohnt waren. In seinem Falle handelte es sich um den Sohn eines Multimillionärs aus San Francisco, der hier eine Firma übernommen hatte. Und wohl ein wenig Abwechslung vom Alltag suchte, denn das ewige Stempeln und unterzeichnen von diversen Akten ging ihm anscheinend gehörig auf die Nerven.

Ren lächelte.

Seine Kunden waren zwar im allgemeinen recht wohlhabend und bezahlten ihn gut, aber so viel wie heute hatte er selten verdient. Und dabei musste er sich nicht mal mit einem alten, meist partnerlosen Sack abgeben, der einfach alles nahm, was ihm in die Hände kommen konnte. Nein, dieses Mal war es recht angenehm, wenn man es so nennen wollte. Sicher, der junge Mann hatte keinen Astralkörper, aber dicht dran war er schon...und die Bezahlung half natürlich auch über das letzte Manko hinweg.

Nur was jetzt?

Für gewöhnlich hatte er ja nicht die Möglichkeit, sich diese Frage zu stellen, doch jetzt musste er wirklich überlegen, was er mit der angebrochenen Nacht noch anfangen konnte.

Zurück zu Yoh und den anderen würde natürlich zur Wahl stehen. Doch was brachte ihm das? Schlafen würde er sowieso nicht, interessante Neuigkeiten würde er auch nicht zu hören bekommen, und von Horokeu konnte er sich auch später noch nerven lassen.

Also in der Innenstadt bleiben...shoppen wäre mal wieder angesagt!

Schließlich hatte er jetzt Geld und Zeit, und neue Angebote reizten ihn immer. Wozu sparen, wenn man Luxus auch genießen konnte?

Eine Leuchtreklame zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Edle Stoffe und Accessoires...warum nicht? Er legte die wenigen Meter zu dem Gebäudekomplex zurück, der mit bunten Plakaten und Ausstellungen auf teure Marken und Luxusware hinwies. Doch, das würde ihm gefallen!

Die verglasten Türen öffneten sich automatisch, und Ren lies seinen Augen zunächst einige Sekunden Zeit, um sich an das helle Licht, ausgehend von unzähligen kleinen Lämpchen, zu gewöhnen.

Es zog ihn fast wie von selbst vorbei an den modernen, grellbunten Kleidungsstücken, hin zu den eher dunklen bis schwarzen. Ja, das gefiel ihm wirklich, und schwarz stand ihm einfach besser als der ganze neuartige Schnick Schnack...und außerdem brachte es auch seine Gesinnung besser zur Geltung. Ganz zu schweigen von seiner Figur, die in seinem derzeitigen Job nunmal das Wichtigste war. Man stelle sich nur mal dieses unförmige Etwas von einem blauhaarigen Ainu in seiner Branche vor - der würde am Hungertuch nagen!

Ein mehr oder minder gehässiges Lachen drang über seine Lippen. Zugegeben, ihre Branche war ungefär die selbe, aber er verdiente einfach besser. Immerhin hatte er eine Marktlücke für sich entdeckt, die nicht jeder kannte und nutzte. Zwar arbeiteten sie beide mit "notgeilen Typen", wie Horohoro es so treffend beschrieb, allerdings gab es schon zu viele, die Fotos von nackte Mädchen verkauften, als dass er großartig Umsatz machen könnte.

Ren ließ seine Finger über den zarten Stoff eines dünnen Mantels gleiten. Schwarz, aber mit dünnem Pelzbesatz am Kragen und edlen Knöpfen, allem Anschein nach aus Schildpat oder ähnlichem. Horokeu würde ihn dafür hassen, er mochte Tiere, aber ihm, Ren, war das egal. Der Mantel war wunderbar gearbeitet, und das edle Material trug daher nur positiv zum Gesamtbild bei. Er nahm ihn vom Haken und schlüpfte schnell hinein, drehte sich nach kurzem Suchen zu einem Spiegel um, und besah sich darin...perfekt!

Der Mantel ließ sein Gesicht zwar etwas blass wirken, aber das war aufgrund seiner schwarzen Kleidung sowieso der Fall. Und außerdem verdeckte er die Netzeinsätze, die sein Oberteil am Rücken zusammenhielten!

Nach dem Preischild suchend zog Ren den Mantel wieder aus. Da war es ja...oh, gar nicht mal so teuer, wie er erwartet hatte! Für den Preis konnte er dieses hübsche Stück doch nicht hier lassen. Also zur Kasse damit, und dann weiter.

Die Kassiererin sah ihn zwar etwas kritisch an, aber sie sagte nichts. Wahrscheinlich mochte sie auch keine Tierfelle, wenn diese nicht mehr ihre ursprünglichen Besitzer zierten. Vielleicht sollte sie dann doch den Arbeitsplatz wechseln, hier mussten doch tagtäglich mehrere dieser edlen Stücke über den Tisch gehen, oder?

Er nahm den Mantel wieder entgegen, eine Tasche brauchte er nicht. Wieso auch nicht gleich anziehen, wenn er ihn denn schonmal hatte? Wieder öffneten sich die Türen automatisch, als er den Laden verließ.

Es war nach wie vor so hell und laut, wie einige Zeit zuvor, und Ren ging schweigend die Straße entlang, den Blick zu Boden gerichtet. Erst als er eine Straßenecke erreicht hatte blickte er kurz auf, und sah eine Milchbar direkt neben sich. Wie sich sowas doch oft traf...er betrat sie.

Er nahm am Tresen platz, und bestellte sich nach kurzem Blick auf die Karte eine heiße Milch mit Honig. Passte hervorragend zu den doch etwas kühlen Temperaturen, die draußen vorherschten.

Es dauerte nur wenige Minuten, da stand seine Bestellung auch schon vor ihm, und er drückte dem jungen Mann hinter dem Tresen einen Schein in die Hand. Ob der Betrag darauf nun stimmte oder nicht war ihm ziemlich egal, er hatte ja genug. Ren setzte sein Glas an die Lippen und nippte daran, während er aus dem Fenster sah und die Straße ein wenig beobachtete.

An der gegenüberliegenden Häuserwand lehnten einige Mädchen, wahrscheinlich im selben Gewerbe wie er selbst tätig, nur in einer niedrigeren Schicht. Ob sie dort aus eigenem Antrieb standen, oder ob ein Zuhälter oder ähnliches sie dorthin beordert hatte, konnte er nicht sagen...es interessiert ihn auch eigentlich nicht sonderlich, schließlich hatte er mit ihnen ja nichts zu tun! Oder jedenfalls nicht direkt...

Es hatte ihn erstaunt, wie viele Menschen nach der "Aufräumaktion" der Asakurazwillinge noch lebten. Es hatte ja nur die getroffen, die absolut kein shamanisches Blut in sich trugen, und das waren nicht sehr viele gewesen. Natürlich konnten nur die Wenigsten ihre Kräfte nutzen oder wussten überhaupt davon, aber etwas Furyoku trugen sie wohl alle in sich. Manche mehr, manche weniger, und mache so wenig, das sie wohl kurz vor der Auslöschung gestanden haben mussten.

Ren wand seinen Blick von der Straße ab, als ein Mädchen mit grünen Haaren die Bar betrat und sich an einen Tisch wenige Meter neben ihm setzte. Während er einem Kellner dabei zusah, wie er zu ihr rüberwuselte und ihre Bestellung aufnahm, bemerkte er, wie sehr sie seiner Schwester Jun doch ähnelte.

Jun...

Die vegetierte jetzt im tiefsten China vor sich hin, und passte auf das Anwesen des Tao-Clans auf...wenn man ihren Clan noch als Clan bezeichnen konnte, nachdem er jetzt ja nur noch aus zwei Personen bestand. Ihr und ihm selbst!

Der Hass auf seinen Vater war nie ganz erkaltet, und sein Wunsch nach Rache war mit jedem Tag gewachsen. Letztendlich waren seine Nerven mit ihm durchgegangen, als man ihn dafür verantwortlich machte, nicht Shaman King geworden zu sein.

Er hatte alleine seinen Vater besiegt und seine Familie ausgelöscht...alle bis auf Jun.

Woher er diese Kraft nahm war ihm erst selbst nicht klar, doch seine Erfahrungen, die so dicht am Tod lagen und auch darüber hinaus gingen, hatten sein Furyoku auf ein Level steigen lassen, dem auch der große Tao En nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Durch seine Hand war sein Vater und damit ein Imperium gestorben.

Ren seufzte.

Seine Schwester Jun musste dort in China eingehen vor Langweile.

Alleine, ohne eine Menschenseele, nur Spirits um sich herum. Hätte er Bason nicht bei ihr gelassen, wäre sie vermutlich ganz alleine gewesen...und hätte keinerlei Gesprächspartner.

Gut, sie beschäftigte sich mit Pailongs Reparatur, doch etwas wirklich Aufsehenerregendes unternahm sie nicht. Im Gegensatz zu ihm selbst!

Es mochte ja sein, dass Ren mit der Zeit großes Gefallen an Geld gefunden hatte, doch der Luxus war nicht der eigentliche Grund, warum er in diese Seite des Rotlichmilleus einstieg.

Auch wenn seine Familie es nicht mehr mitbekam, es war doch ein stiller Befreiungsschlag gegen sie. Er wusste, dass sie seine Arbeit nicht gutheißen würden, eines Taos nicht würdig, doch gerade deshalb verrichtete er sie...und das mit Freude und Genugtuung aufgrund der Befriedigung seiner Rachegedanken!

Ein Blick auf die Uhr, die über der Theke hing verriet Ren, das es kurz nach drei war. Zeit sich auf den Heimweg zu machen.

Er nahm einen letzten Schluck aus seinem Glas, bekam eine leichte Gänsehaut, als er spürte wie das heiße Getränk ihn von innen wärmte, verließ das Lokal und wand sich in Richtung Bahnstation. Die Bahn traf nur kurze Zeit später ein, und Ren setzte seinen Weg zurück fort.

Müde lehnte er seinen Kopf gegen die Scheibe und vergrub die Hände in den Taschen. Es wurde langsam wirklich kalt!

Er war nicht lange unterwegs, da hielt die Bahn auch schon wieder und er quälte sich raus in die Kälte, in die Dunkelheit. Ren zog den Mantel ein wenig fester um sich und ging die letzten paarhundert Meter zurück zu dem Haus, in dem er jetzt schon seit geraumer Zeit mit Yoh, Hao und den anderen lebte. Wie erwartet brannte noch Licht in einigen Fenstern und die Tür war nur angelehnt. Das war sie immer wenn er kam, auch wenn dies im Normalfall erst in ein oder zwei Stunden sein würde.

Ein kurzer Blick ins Wohnzimmer sagte ihm, dass es sich nicht lohnen würde, noch länger wach zu bleiben. Die Zwillinge waren wie immer in eine ihrer ewigen Diskussionen verstrickt, vor sich ein paar leere Weinflaschen. Yoh mochte Wein! Vor allem, wenn der besonders edel und teuer war. Eine Vorliebe, die er mit Hao gemein hatte, genau wie die Frau, die die beiden sich teilten. Und wahrscheinlich ging es gerade auch um Anna, denn Yoh schien ziemlich erbost.

Der Streit interessierte Ren im Moment nicht wirklich, also ging er rasch die paar Treppenstufen hoch zu dem Zimmer, welches er sich mit dem blauhaarigen Volltrottel Horokeu Usui teilen musste.

Als er die Tür aufzog stellte er überrascht fest, dass dieser schon schlief - doch nicht mehr lange!

Mit Schwung zog er die Tür hinter sich zu und beobachtete höhnisch lachend, wie der Ainu unsanft wach wurde und sofort zu einer Beleidigung, einem Streit oder sonstetwas ansetzte.

"Tao, was fällt dir ein, hier mitten in der Nacht reinzuschneien?"

Er kam gar nicht zu einer Antwort, denn schon fuhr sein Gegenüber fort.

"Halb vier...wollte dich niemand mehr haben, oder warum bist du schon hier, Tao?"

Die üblichen Beleidigungen! Statt eines schlagkräftigen Argumentes bedachte er Horokeu einfach nur mit einem vernichtenden Blick, während er den Mantel zu Boden gleiten ließ und sich seines Oberteils entledigte. Langsam segelte ein Geldschein zu Boden, den ihm der junge Millionärssohn wohl "zwischendurch" zugesteckt haben musste...nett!

Er hob den Schein auf, und hielt ihn Horokeu vor die Nase. Angeben war doch noch die beste Medizin! Jetzt hatte er ihn...

"Fehlanzeige, ich hab von mir aus den Abend beendet. Hatte Besuch von 'nem reichen Sack, das Geld reicht für die nächsten zwei Monate..."

Der Ainu warf ihm ein paar verwunderte Blicke zu.

"Er war so begeistert von dir? Ein wenig unglaubwürdig, aber gut..."

Er schien wohl einfach nicht locker zu lassen. Also musste er, Ren Tao wohl noch eins draufsetzen.

"Du solltest versuchen, deine Eifersucht etwas mehr zu verbergen. Ich verdiene eben besser als du, finde dich damit ab!"

Das saß!

Beleidigt drehte sich der blauhaarige junge Mann wieder um und schlief weiter. Streit gewonnen, Zeit sich auch schlafen zu legen!

Mit wenigen Handgriffen entledigte Ren sich seiner Hose, schlüpfte in seine Shorts und kuschelte sich unter seine Decke, um ein wenig Schlaf zu finden.