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366 Tage - 366 Geschichten

366 Tage Challenge 2024
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07.05.2024 - Schritt

Vorsichtig setzte Mina einen Fuß vor den anderen. Nach einem Schlaganfall lernte sie gerade erst wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen und es fiel ihr noch immer schwer, ihr Gleichgewicht zu halten.

Durch diese Störung war sie in einen besonderen Stützapparat eingespannt und versuchte mit diesem Hilfsmittel wieder zu ihrer alten Stärke zu finden. Aber mit jedem neuen Tag und mit jeder weiteren Stunde in diesem Stützapparat verließ sie die Hoffnung, dass überhaupt wieder richtig laufen zu können.

Mit einem tiefen Seufzen blieb sie stehen und sah zu ihrem Trainer Toni. “Das hat doch eigentlich alles keinen Sinn, oder?”, sprach sie ihn direkt an, woraufhin der Angesprochene den Kopf schief legte.

“Wie kommst du darauf?”, wollte er wissen und half Mina vorsichtig in den Rollstuhl, nachdem er sie wieder auf dem Stützapparat befreit hatte.

“Wir machen das jetzt schon seit ein paar Wochen und ohne dieses Ding kann ich weder alleine stehen noch alleine gehen”, entgegnete Mina und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

“Du musst Geduld haben, Mina. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut”, erwiderte der Ältere und die junge Frau verdrehte kurz die Augen.

“Das kannst du überhaupt nicht miteinander vergleichen”, brummte sie, woraufhin Toni leise lachte.

“Warum nicht?”, stellte er die Gegenfrage und trat hinter Minas Rollstuhl, um sie wieder aus dem Raum zu schieben.

“Weil die Erbauung Roms etwas völlig anderes ist, als die Aufgabe, meinen Körper wieder zum funktionieren zu bringen”, erwiderte Mina und faltete ihre Hände in ihrem Schoss.

“Mag sei, aber wenn du von Anfang an aufgibst und jeden noch so kleinen Schritt nicht zu schätzen weißt, wirst du nie Erfolg haben oder sichtbare Ergebnisse sehen”, sprach Toni sanft und diesmal seufzte Mina.

“Es ist nicht so, dass mir die kleinen Schritte auch etwas bedeuten, aber .. ich habe Anni etwas versprochen und es frustriert mich, dass ich es nicht einhalten kann”, antwortete sie leise und hob ihren Blick, als Toni stehen blieb und in ihrem Gesichtsfeld auftauchte.

“Was meinst du?”, wollte er wissen und ging vor der jungen Frau in die Hocke. Im Laufe der letzten Wochen und Monate hatten sie sich etwas angefreundet und sprachen auch über Gefühlsdinge miteinander, wenn auch nicht über alles.

“Ich habe Anni versprochen, bei ihrer Hochzeit zu Fuß zum Altar zu laufen und die Hochzeit ist schon in zwei Wochen”, glitt es Mina leise über die Lippen, während sie ihren Blick auf ihre Hände senkte. “Ich kann dieses Versprechen nicht halten.”

Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie biss sich leicht auf die Lippen, als Toni erneut das Wort ergriff.

“Ich glaube, dass es für deine Schwester das Wichtigste ist, dass du überhaupt dabei bist. Nach deinem Schlaganfall hätte niemand damit gerechnet, dass du überhaupt wieder aufrecht stehen kannst “, beruhigte der Ältere die junge Frau und strich ihr die Tränen von den Wangen. “Hab Geduld mit dir. Wenn es dein Körper für richtig hält, wird er funktionieren. Nicht dann, wenn du es auf Biegen und Brechen versuchst”, fuhr er fort und umarmte Mina sanft.

“Vielleicht hast du Recht”, murmelte die junge Frau leise und erwiderte die Umarmung, die ihr in diesem Moment viel mehr Halt gab, als dieser Stützapparat es je können würde.



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