Die Farbe Rot II von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Kapitel 6: In Bedrängnis ------------------------ Das Rattern der Rotorblätter und das Vibrieren des Hubschraubers waren Reno so vertraut wie die fehlende Ordnung in seinen eigenen vier Wänden und es war ungemein beruhigend, durch den Himmel zu fliegen und systematisch die Gegend abzusuchen. Es war richtig gewesen, diese Aufgabe zu übernehmen, denn er fühlte sich nicht länger nutzlos. Das Pilotendasein war etwas, was Reno sozusagen in die Wiege gelegt worden war, auch, wenn er da beileibe nicht so fanatisch war wie beispielsweise Cid, aber auch er brauchte hin und wieder den Kick, den die Höhe in ihm wachrief. Seine Augen waren vor gar nicht allzu langer Zeit über Midgar gewandert, doch als sie nicht fündig geworden waren, hatte Reno begonnen, die umliegende Gegend abzusuchen. Nachdem er die Canyons umflogen hatte, hatte es ihn in Richtung Wald gezogen. Er wusste nicht genau, wonach er suchte, aber er war sich sicher, dass er es erkennen würde, wenn er es vor sich hatte. Routiniert scannte er die Gegend ab und behielt nebenbei auch die Instrumente des Hubschraubers im Blick, schließlich war er nicht dafür bekannt, mit seinem Leben leichtfertig umzugehen. So langsam musste er umkehren, aber noch hatte er ein wenig Spielraum. Er hatte den totalen Überblick, konnte aber nichts Auffälliges erkennen, so dass er schließlich seufzte und den Steuerknüppel leicht antippte, um den Rückweg einzuleiten. Doch plötzlich überlief ihn ein eiskalter Schauer und alarmiert sah Reno sich um. Es fühlte sich an, als würden tausende kleine Spinnen über seinen Körper krabbeln und nahezu panisch suchte er die Gegend ab, bis er auf einer kleinen Anhöhe eine Gestalt entdeckte, die das unheilvolle Gefühl in ihm noch verstärkte. „Verdammter Chocobomist“, fluchte Reno leise, während er am liebsten einfach nur von hier weg wollte. Er hatte nicht wirklich Angst, verspürte höchstens Unbehagen, aber selbst er war nicht so dumm, um sich mit diesem Mann anzulegen, dessen silbergraue Haare im Wind peitschten, als hätten sie ein Eigenleben entwickelt. Selbst von hier oben war die Macht dieses Mannes spürbar, dessen Magie beinahe das Ende der Welt herbeigeführt hätte und Reno riss schnellstens seinen Blick los. Er riss das Steuer herum und wollte zurück zur Stadt, um alle zu warnen, doch egal, wie wild er daran zog, der Hubschrauber verharrte nun auf einmal in der Luft, als wäre die Zeit stehengeblieben. „Was zum-?!“, sagte Reno, während ihm nun aufging, dass die Rotorblätter keinen Lärm mehr verursachten und auch das Vibrieren ausgeblieben war. Nur einen Bruchteil später wurden die Scheiben des Hubschraubers schwarz und Reno registrierte, dass er in der Falle saß... Obwohl die Lage ausweglos war, zog Vincent seine Cerberus und richtete sie auf Kadaj, Yazoo und Loz, auch, wenn er seine Chancen als sehr gering erachtete. Er konnte vielleicht nicht alle drei zur Strecke bringen, aber er würde es versuchen, das stand fest. Kadajs Lachen erklang und seine Brüder lächelten ebenfalls amüsiert, was Vincents Aufmerksamkeit noch verstärkte. Wie hatte er sie nur vorhin nicht bemerken können? Hatten ihn seine Sinne im Stich gelassen? „Wir wollen jetzt nicht mit dir spielen, Valentine. Aber unser großer Bruder würde gern das eine oder andere Wort mit dir wechseln.“ „Und wenn ich mich weigere?“, entgegnete Vincent ruhig und zeigte seinen Feinden keinerlei emotionale Reaktion. „Du wirst mit ihm reden, glaub mir“, lächelte Kadaj siegessicher und Vincent fragte sich, was damit wohl gemeint war. „Unser Bruder will lediglich verhandeln, keine Sorge. Ich bin sicher, du willst wissen, was er zu sagen und anzubieten hat“, mischte sich Yazoo ein, während Loz ein brüskes Nicken von sich gab. Vincent sah ein, dass er keine Wahl hatte, also steckte er die Waffe weg und glitt mit schneller Eleganz vom Baum herab. Er landete leichtfüßig und ein Stück von den drei Brüdern entfernt, die nicht im Geringsten besorgt wirkten, dass er nun verschwinden würde und Vincent bereitete auch das Sorge. Konnte Sephiroth wirklich über so eine Weitsicht verfügen? „Komm mit“, sagte Kadaj. Damit wandte er sich ab und ging zielstrebig in eine Richtung. Seine Brüder folgten ihm und sie sahen sich nicht an Vincent um, in der festen Annahme, dass er ihnen folgen würde. Widerwillig und seine Hand auf dem Holster wie ein Cowboy kurz vor dem Duell folgte Vincent ihnen und behielt all ihre Bewegungen im Blick. Da sie in Sephiroths Auftrag zu handeln schienen, würden sie ihm allem Anschein nach nichts tun, doch wenn dieses ominöse Verhandlungsgespräch scheitern würde, dann würde die Lage anders aussehen. Vincent zwang sich zur Ruhe. Er durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren, egal, wie sehr sich Chaos in seinem Inneren gegen die Gitterstäbe seines mentalen Gefängnisses warf. Chaos war der letzte Ausweg, wenn gar nichts mehr ging und Vincent hoffte, dass es nicht so weit kommen würde. Der Wald lichtete sich ein wenig und gab den Blick frei auf eine kleine Anhöhe, von der man auf Midgar blicken konnte. Genau auf dieser Anhöhe stand Sephiroth und wartete auf Vincent. Kadaj, Loz und Yazoo blieben stehen und wahrten Abstand, während sie Vincent bedeuteten, weiter zu gehen. Vincent tat es, weil er wusste, dass er keine andere Wahl hatte und er ging soweit, bis Chaos in seinem Inneren zu unruhig wurde. Sephiroth drehte sich nicht nach ihm um und schien zu warten, bis Vincent nahe genug herangetreten war. Erst dann begann der Silberhaarige zu sprechen und seine kalte und dennoch schmeichelnde Stimme ließ Chaos in Vincents Inneren so durchdringend knurren, dass Vincent es ebenfalls getan hätte. Er presste Ober- und Unterkiefer so sehr aufeinander, dass es schmerzte, aber der Schmerz brachte ihn wenigstens wieder zur Besinnung. „Wie geht es Cloud?“, lautete Sephiroths Frage. Diese war nicht ernst gemeint, das wusste Vincent und so fiel seine Antwort provokativ aus. „Ich denke, das kannst du besser beantworten als ich.“ Sephiroth gab ein leises, kurzes Lachen von sich, dann drehte er sich zu Vincent um und musterte ihn mit durchdringendem Blick. „Du hast Recht. Ich weiß, dass es nicht mehr lange dauert, bis er aufgibt und zu mir kommt. Wobei es wohl wahrscheinlicher ist, dass er vorher an den Geostigma stirbt. Ein trauriges Ende für einen Helden, nicht wahr?“, lächelte Sephiroth kühl und er trat näher zu Vincent heran. Dieser antwortete nicht, sondern wartete ab, was der andere weiter von sich geben würde, doch Sephiroth ließ ihn vorerst zappeln, ehe er sich erneut an den Schützen wandte. „Er ist noch sturer, als ich ihn in Erinnerung hatte... aber scheinbar hat nicht nur er sich geändert, nicht wahr, Vincent Valentine?“ Sein listiges Lächeln ließ nichts Gutes verheißen und Vincent wappnete sich innerlich, während Chaos in ihm förmlich durchdrehte. „Was willst du?“, fragte er mechanisch und Sephiroth lächelte noch etwas breiter. „Du sollst Cloud zu mir bringen, bevor er an den Malen dahinsiechen kann. Er ist für meinen Plan von großer Wichtigkeit“, meinte der Silberhaarige und Vincent gab ein humorloses, kurzes Geräusch von sich, welches man gut und gerne für ein Lachen hätte halten können. „Wie kommst du darauf, dass ich dir helfen würde?“, wollte Vincent wissen und auf keinen Fall kam es in Frage, dass er auf Sephiroths Vorschlag eingehen würde. „Vielleicht habe ich etwas, was dich umstimmen kann. Sieh zum Himmel“, sagte Sephiroth und Vincent sah notgedrungen nach oben. Zuerst sah er nichts, doch dann waberte der Himmel an einer bestimmten Stelle und gab die Sicht auf einen Hubschrauber frei, der wie schwerelos in der Luft verharrte, als hätte man ihn eingefroren und dort am Himmel fixiert. Vincent verstand erst nicht, was das sollte, doch als er das Logo der Turks auf der Seite des Hubschraubers sah, dämmerte ihm etwas. Er bemühte sich, keine Regung zu zeigen, doch als sich die Scheiben des Hubschraubers wieder klärten und er die vertrauten roten Haare und die Fliegerbrille, sowie die typische Kleidung sah, war es mit seiner Beherrschung vorbei. Er war sich vollkommen bewusst, dass seine Augen nun gelb aufglühten, als er sich Sephiroth zuwandte, seine Cerberus blitzschnell zückte und sie auf Sephiroths Gesicht richtete. „Lass ihn gehen, er hat nichts damit zu tun!“, zischte Vincent gefährlich leise, doch Sephiroth lächelte nur weiter. „Meines Wissens hat er damals zwei meiner Brüder mit seinem Partner in die Luft gejagt... also hat er sehr wohl etwas hiermit zu tun. Außerdem weiß ich, dass er dir wichtig ist... zumindest wichtig genug, um mein Angebot zu überdenken.“ Dieses Mal konnte Vincent das Knurren nicht aufhalten, welches sich aus seiner Kehle befreite und er spürte, wie die Verwandlung einsetzen wollte. Nur mit purer Willenskraft drängte er das Tier in sich zurück, aber er wusste, dass er nur Millimeter davon entfernt war, die Beherrschung vollends zu verlieren. „Geostigma sind eine amüsante Angelegenheit, Vincent. Sie absorbieren nicht nur Lebensenergie, sie transportieren auch Erinnerungen. Diese Erinnerungen bezüglich deiner Person und die des Turks dort im Hubschrauber waren sehr aufschlussreich, daher solltest du dir gut überlegen, was du als Nächstes tust“, hörte Vincent die Stimme des Schwertkämpfers, während seine Gedanken in seinem Kopf rasten. Chaos wollte heraus und wollte Sephiroth zerstören, während Vincents menschliche Seite versuchte, logisch an die Sache heranzugehen. Weiterhin drückte Sephiroths Macht von allein Seiten auf ihn ein, so dass Chaos gestärkt wurde, da er sich davon bedroht fühlte. „Ich kann nicht tun, was du sagst und das weißt du genau“, zischte Vincent verbissen und gerade wünschte er, er könnte einfach abdrücken und seine Kugeln in Sephiroths lächelndes Gesicht versenken, doch die Sorge um Reno überwog. „Schade. Dann habe ich wohl keine Verwendung mehr für mein Druckmittel“, hörte man den Silberhaarigen sagen, ehe er mit den Fingern schnippte wie bei einem verdammten Zaubertrick. Vincents Blick kehrte sofort zum Hubschrauber zurück, der nun einfach vom Himmel fiel und ihm drehte sich der Magen vor Verzweiflung um. Niemals würde er rechtzeitig kommen, um Reno zu retten, das wusste er. Dennoch rannte er einfach los, steckte im Rennen die Waffe weg, um beide Hände freizuhaben und rannte weiter, den Blick unverwandt gen Himmel gerichtet. Er wusste, er konnte es nicht schaffen... aber Chaos konnte es. Vincent ließ alle Barrieren fallen, die seinen Alter Ego die letzte Zeit zurückgehalten hatten und ließ die Verwandlung zu. Sephiroth sah dem verzweifelten Rettungsversuch nicht zu, denn er wusste auch so, dass er dieses kleine Duell gewonnen hatte. Aber dieser Sieg war unwichtig, ganz im Gegensatz dazu, dass er Cloud bekommen musste, egal wie. Er ging zu seinen Brüdern und teilte ihnen den nächsten Schritt seines Planes zu und er wusste, dass er sich zumindest auf sie voll und ganz verlassen konnte. Vor Entsetzen war Reno nicht einmal mehr fähig zu schreien. Hilflos sah er zu, wie der Boden immer näher raste und er sah sein letztes Stündlein gekommen. Er wollte die Augen schließen, aber er konnte es nicht, also starrte er weiter in die Tiefe, während der Hubschrauber immer weiter an Höhe verlor. Plötzlich gab es einen hässlichen Ruck und Reno wurde die Luft aus der Lunge gepresst, als sich der Sicherheitsgurt in seinen Brustkorb grub. Der Hubschrauber schien einfach so in der Luft zu stehen, das Metall knirschte und Reno hörte sich selbst nach Luft ringen, während seine Augen panisch umher zuckten, um zu verstehen, was passiert war. Der Boden kam nun etwas kontrollierter näher und doch saß die Panik noch tief in Renos Brust. Er starrte der Tiefe immer noch angstvoll entgegen, selbst, als der Hubschrauber kurz darauf den Untergrund berührte. Ein kurzes Rauschen war zu hören, dann tauchte die Gestalt mit roten Flügeln, krallenbesetzten Händen, goldgelben Augen und blasser Haut auf. Die dunklen Haare umgaben es wie eine schwarze Wolke, während rote Stoffreste darin verworren waren wie ein undurchstößliches Gewirr. Die Protomateria saß leuchtend in seiner Brust und fesselte den Blick des Rothaarigen einen Moment, ehe er sich wieder erinnerte. Reno schluckte schwer. Er hatte Chaos lange nicht mehr gesehen und obwohl er wusste, dass Vincent in dieser Gestalt steckte, brauchte er einen Moment, um seine Sinne zu sammeln. Er setzte gerade zu einem Dank an, als Chaos ruckartig ins Inneres des Hubschraubers langte, die Sicherheitsgurte mit seinen Krallen zerfetzte und dann Reno packte, um ihn ruppig aus dem Metallkäfig zu ziehen. Reno landete unsanft auf dem Boden und er sah Chaos vorwurfsvoll an als er sich schnellstens erhob. „Pass doch auf, Vincent!“, beschwerte er sich und rieb sich das schmerzende Hinterteil, welches Bekanntschaft mit dem harten Erdboden gemacht hatte. Er sah nach dem Hubschrauber, doch das Metallgehäuse war etwas verbogen, was ein weiteres Mal bewies, dass Chaos das mit der Kraftdosierung noch ein wenig üben musste. Der rothaarige Turk seufzte, als er einsah, dass er die ganze Strecke wohl würde laufen müssen und er langte nach dem Fach mit der Notausrüstung und dem Walkie Talkie, welches er gerade so erreichte. Es war nicht gerade viel, was er an Proviant und Erste-Hilfe-Artikeln dabei hatte, aber es war ja nicht weit bis zur Stadt, wenn er sich richtig erinnerte. „Wir müssen sofort los und die anderen warnen“, sagte er dann und wandte sich zu Vincent um, doch er erschrak sich gehörig, als immer noch Chaos hinter ihm stand. „Mann! Du kannst aufhören mit der Gruselshow, du hast genug Eindruck gemacht, alter Angeber!“, rief Reno aus, während er sich eine Hand auf sein schreckhaftes Herz hielt, welches wild und ängstlich pochte. Chaos blieb ruhig stehen, seine goldgelben Augen ließen Reno nicht aus den Augen und so langsam beschlich den Turk ein ungutes Gefühl, je länger er diesem Blick ausgesetzt war. Es erinnerte ihn an den Blick, den ein dicker Hauskater immer zur Schau trug, ehe er sich auf eine Maus stürzte und irgendwie weckte das keine positiven Erinnerungen. „...Vincent?“, fragte er und wich einen Schritt zurück. Chaos registrierte die ausweichende Bewegung und machte hingegen einen Schritt nach vorn. Seine Flügel bildeten einen Halbkreis, womit er Reno scheinbar einfangen wollte und Renos Herz rutschte ihm in die Hose. Sah Chaos in ihm etwa seine Beute? „Vincent? Hörst du mich?“ Seine Stimme hörte sich in seinen Ohren brüchig und dünn an und er hoffte, dass das hier gerade nur ein Scherz des Schützen war, der sich aus Schalk einfach nicht zurückverwandelte. Reno wollte unbedingt an diese Möglichkeit glauben, denn die zweite und viel gefährlichere Aussicht wollte er sich lieber nicht ausmalen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)