Die Farbe Rot II von Kyo_aka_Ne-chan ================================================================================ Kapitel 1: Die drei Arten der Ruppigkeit ---------------------------------------- Vincent Valentine nutzte die frühmorgendliche Stille, um der Sonne beim Aufgehen zuzusehen. Er tat dies auf dem Dach des Hotels, in welchem sich er und Reno zur Zeit aufhielten. Eigentlich war es ein Geschenk von Tseng an Reno gewesen, damit der Rothaarige sich von den letzten Ereignissen erholen konnte, aber Vincent war dennoch hier, weil Reno den ganzen Spaß nicht allein haben wollte. Zumindest waren dies die Worte des rothaarigen Turk gewesen und so war Vincent eben bei ihm geblieben. Der fast verschwenderische Luxus des Hotels tat Vincent ehrlich gesagt in den Augen weh, aber er wollte seinen Partner nicht allein lassen. Er konnte das Unbehagen des anderen verstehen, denn sie hatten eine gesamte Etage für sich und man konnte sich durchaus verlaufen, was das eine oder andere Mal auch tatsächlich passiert war. Vincents Beine baumelten in luftiger Höhe, denn er saß am Rand des Daches und hielt den Blick aus roten Augen weiterhin auf den Sonnenaufgang gerichtet. Es war noch still überall und Vincent mochte diese Ruhe, die leider nie lange andauerte. Aber für ein paar Momente fühlte es sich friedlich an und genau das brauchte der Dunkelhaarige. Sein Blick schweifte zu den großen Fenstern, hinter denen Reno gerade in einem Drei-Meter-Bett nächtigte und ihm entfuhr ein sorgenvolles Seufzen. Wenn der andere wach geworden war, würde es wohl mit einem weiteren Tag voller Ausschweifungen weitergehen. Erst gestern hatte Reno ihn gezwungen mit in die Hotelbar zu kommen. Unter den ganzen betuchten Gästen waren sie aufgefallen wie bunte Hunde, aber Reno hatte sich nichts daraus gemacht. Er hatte eine Menge getrunken und sich wie immer verhalten, was auch schon das ganze Problem gewesen war. Bestimmt würde Tseng nicht erfreut sein, wenn er von den zerstörten Möbeln in Kenntnis gesetzt wurde, die bei einer Prügelei zu Bruch gegangen waren, bei der Reno maßgeblichen Anteil gehabt hatte. Sie waren nur nicht aus dem Hotel geflogen, weil bekannt war, dass Reno bei den Turks war, ansonsten wäre es nicht so gut ausgegangen. //Ich sollte ihn vom Alkohol fernhalten//, dachte Vincent und war gerade dabei, sich einen Plan zurecht zu legen, wie dieser Tag noch ein bisschen der Ruhe behalten konnte, die beim Anblick des Sonnenaufgangs in ihm entstanden war, als es in seiner Tasche vibrierte. Vincent verzog missbilligend das Gesicht und bereute es immer noch, das Handy von Reeve angenommen zu haben. Er hielt nicht viel von diesem Technikkram, aber Reeve hatte ihm erklärt, dass es nötig war, falls es Probleme geben sollte. //Ich soll mich bei Tifa melden...?//, dachte Vincent verwundert, als er die knappe Botschaft Reeves gelesen hatte. Er erhob sich besorgt von seinem Aussichtspunkt. Was konnte Tifa von ihm wollen? Ob mit den anderen alles in Ordnung war? Vincent schüttelte über sich selbst den Kopf. Warum nahm er nur immer das Schlimmste an? Er hatte zwar schon einige mitgemacht, aber vielleicht gab es ja auch gute Nachrichten, die Tifa ihm so schnell wie möglich persönlich mitteilen wollte. Dennoch beeilte sich Vincent, wieder durch das Fenster zu schlüpfen, durch welches er vor einiger Zeit das für ihn vorgesehene Zimmer verlassen hatte. Auch hier wartete der pure Luxus auf ihn und Vincent war einen Moment wie geblendet davon. Er hielt nicht viel von solcher Verschwendung und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er seine eigene schlichte Wohnung vorgezogen oder auch die heruntergekommene Bude Renos. //Nur noch heute, dann wird alles wieder normal//, tröstete sich Vincent und verließ das Zimmer durch die Tür, um auf den großen Flur zu gelangen, der ihn zu Renos Zimmer führte. Er war schon fast in der Nähe, als er Renos Fluchen hörte und sein Mund verzog sich automatisch zu einem Lächeln. Er hatte Renos ruppige Art zu schätzen gelernt und erkannte langsam sogar die Nuancen, die in dieser Eigenschaft lagen. Die erste und subtilste Art von Renos Ruppigkeit war einfache und schlichte schlechte Laune. Eine weitere Art kam mit Stufe 2 zum Tragen, wenn Reno sauer wegen etwas war. Aber Vincents Lieblingsruppigkeit war die Stufe 3, wenn Reno sich schämte oder peinlich berührt war. Und seit durchgesickert war, dass Reno maßgeblich an der Rettung von Midgar beteiligt gewesen war, hatte der Rothaarige so einige Gelegenheiten, um peinlich berührt zu sein. Reno hatte zwar gern die große Klappe, doch wenn man zu ihm aufsah und ihn bewunderte, so konnte er nicht damit umgehen. Erneutes Fluchen drang an Vincents Ohr und er klopfte an die Tür. „Komm rein, Vincent und hilf mir suchen!“ //Ruppigkeit, Stufe 1//, schätzte Vincent ein, ehe er der Aufforderung folgte und anschließend zu schaute, wie Reno wie ein aufgescheuchtes Huhn durch sein Zimmer sprang. „Was wird das, Reno?“, fragte Vincent, nicht fähig, ein Lächeln zu verbergen. „Hörst du es nicht? Mein Einsatztelefon vibriert und ich kann es nicht finden“, knurrte Reno genervt und warf die Kissen vom Sofa, um darunter zu sehen, doch er fand nichts. Vincent hörte nun auch das ferne Vibrieren eines Telefons und er half Reno, indem er das Geräusch mit seinen ausgezeichnetem Gehör verfolgte. Er fand das vibrierende Etwas unter dem Bett und hielt es unkommentiert in die Höhe. „Danke“, presste Reno hervor, schnappte sich das Gerät und nahm schnellstens das Gespräch an, wobei er sich von Vincent wegdrehte. Das Gespräch war kurz und unerfreulich, was direkt zur Ruppigkeit der Stufe 2 führte. Dies merkte man daran, dass Reno das Telefon aufs Bett warf und wie ein Rohrspatz fluchte. „Was ist los?“ Reno zuckte zusammen und hörte auf, unflätige Worte von sich zu geben. Ihm fiel ein, dass Vincent ja noch im Raum war und er sah sich langsam nach ihm um, das Gesicht flammend rot. „Entschuldige...“ Vincent nickte nur nachsichtig und verdeckte sein Lächeln mit dem Kragen seines Mantels. //Und Ruppigkeit, Stufe 3.// „Was ist los?“, erkundigte sich Vincent und sah zu, wie Reno sich auf das Bett fallen ließ. „Das war ein übellauniger Tseng. Anscheinend musste er seinen Urlaub mit Elena abbrechen, weil in Midgar eine Menge Menschen verschwunden sind. Er erwartet, dass ich sofort zum Hauptquartier komme und die Sache schnell aufkläre“, knurrte der Rothaarige. „Ich kann dir helfen“, bot Vincent an, doch Reno schüttelte den Kopf. „Nein, das ist bestimmt nur ein Fehler von den Statistikleuten. Ich kläre das kurz und dann genießen wir unseren letzten Urlaubstag auf Tsengs Kosten“, meinte er und schwang sich wieder vom Bett. Er schnappte sich seinen Schlagstock, der achtlos auf dem Boden gelegen hatte und befestigte ihn an der Halterung an seiner Hüfte. Anscheinend beschwingte es ihn ungemein, noch einen weiteren Tag auf Tsengs Kosten zu verbringen und auf einmal hatte er es eilig. „Dann werde ich Tifa besuchen. Sie wollte mich sehen“, meinte Vincent und Reno nickte. „Ja, mach das. Ich komme dann im 7th heaven vorbei, wenn ich fertig bin. Bis später“, sagte er und schon war er weg. Vincent grübelte derweil noch vor sich hin. Hohes Vermisstenaufkommen in Midgar? Und ausgerechnet am gleichen Tag wollte Tifa ihn sehen? //Das kann kein Zufall sein//, dachte er düster und machte sich ebenfalls auf den Weg, allerdings nahm er eine Abkürzung über die Dächer. Er hoffte wirklich, dass es nicht schon wieder ein Weltuntergangsszenario war, denn er hatte selbst bereits genug Probleme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)