Kurzgeschichten von Baerchi (aus dem Leben) ================================================================================ Kapitel 1: Der Regen und die Ex ------------------------------- Es war ein regnerischer Sonntagabend. Den ganzen Tag über hatte sich die Sonne nicht blicken lassen, und seltsamerweise konnte ihm auch sein Rechner von seiner schlechten Laune keine Abhilfe verschaffen. Er dachte an ein Gedicht aus der Schule, welches er zum Thema: "Leben in der Großstadt" geschrieben hatte: "Die Stadt, ein Paradies aus der Hand des Menschen. Vertrieben aus dem Paradies, geflohen in ihre Welt, nahe dem Tode waren die Menschen. Geschaffen von den vergänglichsten aller Wesen. Geschaffen vom Wissen, erlangt für jene Schwäche, unser eigenes Paradies. Zu beschützen von der Angst vor dem Tod, uns zu erfüllen mit Glück, geschaffen wurde dieses Paradies. Diese Stadt ist wahrlich ein Paradies. Ausgestattet mit den Waffen, um uns zu beschützen. Eine Stadt für Feiglinge, die vor der Welt dort draußen mit all ihren Feinden fliehen. Feiglinge, die länger leben." Der Regen prasste noch immer gegen das Fenster, während er den Fernseher ausschaltete. Es lief, wie in unseren Zeiten üblich, nur von kurzen Musikeinspielungen unterbrochene Klingeltonwerbung, die ihn ohnehin bis aufs Blut reizte. Nun erfüllte nurnoch das leise, kaum mehr hörbare Summen seines Rechners und das Geräusch von an der Fensterscheibe berstenden Regentropfen den Raum. Er atmete durch, und beschloss sich an das Fenster zu setzen. Das war im dann doch zu leise, sodass er sein Winamp startete, um etwas musikalische Untermalung zu haben. Natürlich begann die Playlist mit "Myself", einem Lied, dass er nach dem Verlust seiner letzten Freundin nur zu oft gehört hatte. "Verdammt" ging es ihm durch den Kopf. Er hatte seine Freundinnen nie lange halten können, meistens waren sie abgesprungen, und ein paar Mal, so musste er sich eingestehen, war er auch selbst nicht ganz ehrlich - zu ihnen und auch, und um so öfter - zu sich selbst. "Verdammt"... "Tja..." seufzte er kaum merklich, als er einen Schatten an seinem Fenster vorbeihuschen sah. Hätte es ihn interessiert, was unten auf der Straße passiert, dann hätte er auch erkannt, wer oder was dieser Schatten war. So aber erkannte er nur die Umrisse einer Gestalt auf einem Fahrrad. In Gedanken versunken trauert er um seine Freundin: "Warum kann Liebe nicht einfacher sein... Warum ist das alles so kompliziert... Keiner da zum kuscheln... zum Einfach-mal-in-den-Arm-nehmen... Einsamkeit.." Riiiiiiing! Seine Klingel weckte ihn aus seinem Gedankengang. Er sah auf die Uhr. "Die Post? So spät?"... Unmotiviert ging er zur Tür. "Wer ist da?" - "Lieferservice, ein Packet für Herrn ZENSIERT!" - "Kommen Sie hoch." Schnell warf er sich noch ein Hemd über und ging zur Tür. Mit dem typischen "Wo soll ich unterschreiben?" öffnete er die Tür. Weiter als "Wo soll..." kam er aber nicht. Vor ihm stand sie. Groß, relativ schlank und wunderschön. "Katrin... was machst du hier?" - "Ich war in der Gegend und... und... und... da fing es an zu regnen und ich..." - "Ist schon ok, komm rein..." Katrin war seine Ex. Er hatte sie schon oft weinen sehen und wusste, dass sie auch heute geweint hatte. Durch ihre vom Regen völlig durchnässten Klamotten sah sie noch viel schlimmer aus... "Komm mit" sagte er in einem ruhigen Ton. Er empfand keinen Groll, er mochte sie noch immer sehr, und war ohnehin ein Menschenfreund, was er sich nicht erklären konnte. Menschen waren für ihn immer wie Außerirdischen, die zu verstehen er nie so wirklich in der Lage gewesen war. "Hier, nimm das. Du kannst deine Sachen im Bad aufhängen. Handtücher sind da auch. Ich warte dann im Wohnzimmer." - "Danke" drang es sehr leise, aber voller Dankbarkeit in den bereitsleeren Flur. Er hatte ihr einen seiner Jogginganzüge gegeben, und sie ging ins Bad und zog sich um. "Ist das richtig, was ich hier tue?" dachten beide gleichzeitig. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Normalerweise hatten sie immer gemeinsam auf der Couch gelegen. Der Sessel schien ihm besser geignet, um sie nicht zu bedrängen. Unbequem war er, kein Zweifel, aber für sie würde er auch auf dem Boden liegen. Wie selbstverständlich kam sie aus dem Bad und setzte sich auf die Couch. Dann war Stille... Keiner wusste so wirklich, was man sagen sollte... "Was machst du grad so..." fragte er, denn er hasste Stille sehr. "Ich hab mich grad von meinem Freund getrennt..." - "Aha..." - "Ja, er wollte mich nur als Vorzeigepüppchen haben" - "Verstehe" - "Und bei dir?" - "Es muss... habe keine Freundin zur Zeit... und auch nicht gehabt..." - "Du?" - "Ja?" - "Der Sessel war doch immer unbequem... Willst du nicht, ich meine..." - "Ja." Sie verstanden sich, und so setzte er sich neben sie auf die Couch. Sie neigte unmerklich seitlich, bis ihr Kopf auf seiner Schulter ruhte. Ebenso unmerklich legte er seinen Arm um sie. Sie seufzten, auf irgendeine seltsame Art und Weise waren sie glücklich. "So einen lieben wie dich findet man ja auch selten... nein, nie" - "danke"... Er drückte sie. "Du, ich meine...", sagte sie, "warum bist Du immenroch so lieb zu mir, nach alldem, was ich Dir angetan habe?" Stille... Er überlegte gründlich, bevor er antwortete: "Es ist so..." seine Stimme begann zu zittern "... dass ich Dich liebe. Egal, was Du auch tust. Ich sehne mich nach Dir, Deiner Nähe, Deinen Küssen... einfach nach Dir..." Jetzt konnte er seine Tränen nicht mehr zurückhalten. "Es tut mir le..." - "ist schon gut." Er wischte sich die Tränen aus dein Augen, was ihm sichtlich schwer fiel. "Und", begann er zu fragen, "wie kommt es, dass Du ausgerechnet an meiner Tür klopfst?" Sie holte tief Luft und antwortete ihm leise: "Es ist... Tina hat mir erzählt, wie schlecht es Dir geht... Ich fühlte mich schuldig... Klein, Dreckig... verstehst Du? Ich wollte halt... zu Dir! Dann hat mich der Regen überrascht..." - "Es regnet schon den ganzen Tag..." - "Jaa... aber ich wollte Dich einfach sehen..." Sie blickten sich tief in die Augen. Dann schlossen sie die Augen und küssten sich. "Warum hattest Du mich eigentlich verlassen?" - "Das ist unwichtig" - "Nein, mich interessiert es..." - "Ich dachte, mit Vitali das würde besser laufen..." Er rückte von ihr weg. "Also dachtest Du, wenns bei Nummer 1 nicht klappt, kann ich einfach zu Nummer 2 zurück?" - "Nein! Das ist es nicht!" - "WAS ZUM TEUFEL SOLL ES DENN DANN SEIN???" sie begann zu weinen. "Ich habe gemerkt, dass ich mich nach Dir sehne, Dich brauche... Bitte..." Er war hin und hergerissen, entschloss sich dann aber, besonders, weil sie auch weinte, ihr noch eine Chance zu geben: "Es ist schwer... Aber wir können es nochmal versuchen..." - "Ja, bitte". So verbrachten sie den Abend auf der Couch, und schliefen in ihren Armen ein. Und an einem Ort, den die Wirklichkeit nicht kennt, liegt ein Traum verborgen in der Wirklichkeit. Stets spürt der Mensch Schmerz in seinem Herzen. Wir lassen uns von anderen verletzen weil wir sie an unserer Geschichte teilhaben lassen. Das Herz ist verwundbar, deshalb ist das Leben so mühselig. Der Schmerz zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der Menschen. Der Mensch lebt um zu vergessen. Der Mensch lebt, weil er vergessen kann. Die Liebe kann nicht alle Probleme lösen. Es ist nur allzu angenehm, auf dem leichten Weg der Ignoranz vor der Wahrheit zu fliehen. Die Trauer der Welt hat uns geführt. Wir alle waren von Aufruhr umgeben... und Einsamkeit erfüllte die Herzen der Menschen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)