Fire Curse von Shiori-chan ================================================================================ Kapitel 6: 2. Etappe Zokasay ---------------------------- Mit einem fröhlichen Lächeln auf dem Gesicht und einem kräftigen Winken begrüßte die Sarutei Keichi sofort, kam eilend auf den Jungen zu gerannt, der gerade aus dem Haus trat, und fragte aufgeregt: „Und? Wie ist es gelaufen?“ Der Himmel, der vor dem Betreten der Hütte noch strahlend hell und blau gewesen war, hatte sich stark verdunkelt. Wolken hingen am dichten Horizont und bildeten unheimliche Schatten, die kaum Licht durchließen. Wahrscheinlich würde es bald anfangen zu regnen. Keichi, der völlig überrumpelt, unsicher und ein bisschen eingeschüchtert aussah, als er zu dem Mädchen lief, antwortete nicht sofort. Erst nach einer kurzen Sekunde, in der er jetzt wahrnahm, dass er jetzt wirklich hier stand, dass das wirklich alles passierte, antwortete er: „Ich weiß jetzt was meine Aufgabe ist, ja. Aber, ich verstehe trotzdem noch einiges nicht.“ Shio lächelte. „Das ist nicht schlimm“, winkte sie zwinkernd ab, „ich weiß auch noch nicht genau, was wir eigentlich tun sollen.“ Da fiel es ihm wieder ein. „Du“, sprach er, „ gehörst auch zu den fünf Auserwählten, nicht wahr? Euer Stammesführer hat es erwähnt.“ „Ja stimmt“, das Mädchen nickte eifrig. Bis jetzt hatte der Junge sie nur aus den Seitenwinkeln betrachtet, jetzt jedoch wandte er sich ihr ganz zu, blickte in ihr fröhliches aufgeregtes Gesicht und fing an, sie zu mustern. Warum hatte man wohl sie ausgewählt? Sie sah nicht unbedingt wie eine große Kriegerin aus, war zierlich und hatte keinen sonderlich durchtrainierten Körper. Nicht dass sie nicht hübsch war, ganz im Gegenteil, tatsächlich hatte sie einen wirklich schönen Körper. Ihre Gesichtszüge waren weich, ihre blauen Augen reflektierten das grelle Sonnenlicht und Keichi hatte das Gefühl, sich in ihnen spiegeln zu können, wenn er sie ansah. Doch trotzdem hatte der Junge das Gefühl, dass es einen wichtigeren Grund gab, warum man sie gewählt hatte. „Keichi?“, Shios Stimme riss ihn aus seinen Gedanken zurück. Das Mädchen hatte sich ihm fragend zugewandt und sah ihn erstaunt an. Erschrocken schüttelte Keichi den Kopf und sagte schnell: „T- tut mir Leid, ich war mit meinen Gedanken woanders.“ Verlegen drehte er den Kopf zur Seite. Wie peinlich, hatte er sie doch die ganze Zeit angestarrt. „Ähm…willst du…das Dorf sehen?“, fragte sie zögernd, denn sie wusste nicht recht was sie sagen sollte. „Zumindest bis die anderen kommen. Ich könnte dich ein paar Freunden vorstellen, was meinst du?“ Keichi zog eine Augenbraue hoch. Er schloss nicht sonderlich gern neue Freundschaften, sondern zog es vor, Abstand zu halten, fremden Leuten lieber aus dem Weg zu gehen. Aber er wollte das Mädchen nicht enttäuschen, deshalb willigte er widerwillig aber freundlich ein und machte sich zusammen mit ihr auf den Weg zurück in das Dorf. Auf dem Rückweg redeten sie kaum miteinander. Nur ab und zu erhaschte Shio einen Blick auf etwas, was sie ihm zeigen wollte, und erzählte ihm kurz etwas darüber, allerdings schien es nicht so, als wollte sie ihm es ernsthaft zeigen. Es war eher so, dass sie verzweifelt einen Grund suchte, um mit ihm zu reden. Shio hasste die Stille. Sie fühlte sich unwohl, wenn Ruhe herrschte, fühlte sich allein und hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Deshalb fragte sie dann irgendwann schließlich: „Gefällt es dir hier, Keichi?“ Keichi blickte sie kurz an, dann ließ er den Blick über die Landschaft schweifen. „Eure Welt ist schön“, antwortete er. „ In Devonshire gibt es nicht so schöne Wiesen und die Stadt selbst ist auch gewöhnungsbedürftig. Außerdem kann es dort ziemlich langweilig werden.“ Shio lächelte. „Hier passiert jeden Tag etwas anderes. Zwar ist es auch manchmal langweilig, aber das hält nie lange.“ Sie kicherte. „Hast du…viele Freunde?“ Das Mädchen sah ihn verwundert an. „Sicher, jede Menge. Warum fragst du?“ „Ach, nur so.“ „Hast du auch Freunde, Keichi?“ Der Junge zwang sich zu einem gequälten Lächeln. „Ich hatte mahl Freunde, ja“, antwortete er und sah ihr direkt in die Augen. „Aber ich habe alle wieder verloren…vielleicht sollte es einfach so sein.“ „Heißt das etwa…du hast keinen einzigen Freund mehr?“, rief sie bestürzt. Der Junge nickte. „So sieht es aus….“ Auf einmal blieb Shio abrupt stehen und schwieg. Überrascht drehte Keichi sich um. „Was ist?“, fragte er. „Stimmt was nicht?“ „Es…muss furchtbar sein, keine Freunde zu haben.“ „Das ist wahr. Aber man gewöhnt sich dran.“ Die Sarutei ballte die Fäuste zusammen und sah ihn durchdringend an. „Dann ..werde ich eben deine Freundin!“ „W- was?“, verwirrt starrte er sie an. Das Mädchen strahlte und sagte dann aufgeregt: „Du hast selbst gesagt, es ist schrecklich ohne Freunde. Dann werde ich eben deine Freundin!“ Lächelnd hielt sie ihm ihre zierliche Hand entgegen. „Freunde?“ Keichi musterte Shio misstrauisch. Meinte sie das wirklich ehrlich? Wollte sie sich wirklich mit ihm anfreunden? Zögernd streckte er die Hand aus. „Ist das dein Ernst?“, fragte er zweifelnd. Shio nickte freudig. „Klar! Na was ist? Sind wir nun Freunde?“ Keichi warf ihr einen raschen misstrauischen Blick zu, dann aber ergriff er ihre Hand, schüttelte sie und erwiderte das Wort, freundlich, aber ohne zu lächeln. „Freunde.“ Als die beiden Teenager dann endlich wieder in das Dorf zurückkamen, wurden sie bereits von einigen aufgeregt wirkenden Mädchen ihres Alters erwartet, die ungeduldig am Eingang des Dorfes standen. Jetzt, da sie Shio kommen sahen, fingen sie aufgeregt an zu winken und riefen: „Shio! Shio, hierher!“ Shio stockte. „Oooh, nein“, seufzte sie gequält. „Nicht die!“ „Stimmt was nicht?“, fragte Keichi verwundert. „Doch, eigentlich schon. Aber mach dich darauf gefasst, gleich ziemlich zugelabert werden…“, murrte sie. „Shio! Hey!“, riefen die Mädchen und kamen eilends auf die beiden zu gerannt. Erst kurz vor ihnen bremsten sie ab und starrten Keichi und Shio mit neugierigen Blicken entgegen. Alle drei hatten leuchtend blaue Augen, weshalb der Junge sofort feststellte, dass die Mädchen ebenfalls zum Sarutei- Stamm gehören mussten. „Wo warst du so lange?“ „Warst du beim Oberältesten?“ „Was hat er gesagt?“ „Stimmt es, dass du wirklich auserwählt worden bist?“ Sie überhäuften die Sarutei nur so mit Fragen, und ließen ihr keine Möglichkeit zu antworten. Das perplexe Mädchen hatte eilends einen Schritt zurückgetan und sah ein Mädchen nach dem anderen verwirrt an, versuchte etwas zu sagen, doch bei dem Aufstand den sie machten war das gar nicht so einfach. Dann aber schaffte sie es doch und rief lachend: „Hey! Nicht alle auf einmal!“ „Hey, Shio, wer ist den der da?“, tuschelte das blonde Mädchen mit den schönen Locken und zeigte auf Keichi. „Der ist ja süß. Ist das dein Freund?“ „Nein“, riefen beide Teenager gleichzeitig, Keichis und Shios Stimme, abwehrend und laut. Der Junge schüttelte hastig den Kopf, während die Sarutei abwehrend die Hände hob und peinlich lachte. „Nein, nein“, erwiderte sie, „wir sind nur…Freunde.“ Das letzte Wort sprach sie sehr betont aus, die Stimme mit einer Art Stolz erfüllt, dass sie Keichi zum Freund hatte. Der Junge senkte nachdenklich den Kopf. Ein komisches Gefühl war soeben wie aus dem Nichts aufgetaucht, als Shio das Wort ausgesprochen hatte. Ein leises und doch deutlich hörbares Pochen in seiner Brust. Freunde…es fühlte sich gut an, dieses Gefühl. „Willst du uns deinen Freund nicht vorstellen, Shiori?“, fragte das kleinste Mädchen der dreien und wippte ungeduldig auf beiden Beinen herum. Auch die anderen schienen Gefallen an dem Jungen gefunden zu haben und warteten gespannt darauf, dass man ihnen den Neuling vorstellen würde. Shio seufzte. Ständig tat sie das, wenn drei auftauchten. Die drei jüngeren Mädchen, acht und elf Jahre alt, waren in Daryvell nur zu gut bekannt. Ana, mit ihrem leuchtend blonden Locken und dem Drang, alles und jeden auszuspionieren, solange bis sie alles über jemanden wusste und bittere Gerüchte verbreiten konnte. Neko, das brave Mädchen von nebenan, doch neugierig wie ein kleines Kind, und so sah sie auch aus, mit ihren acht Jahren, dem kleinen runden Gesicht und den kurzen roten Haaren. Und schließlich noch Yashika, ebenso alt wie Neko, und ebenso frech und neugierig, mit den langen blonden Haaren, die sanft ihr Gesicht umrahmten. Immer dort, wo die drei Kinder auftauchten, war ‚Ruhe’ ein Fremdwort. Und sie tauchten überall auf, wo es etwas Neues gab. „Also Leute“, sprach Shio und wandte sich an die drei jüngeren. „Das hier ist Keichi. Er wird den Stamm der Peritei vertreten und uns auf der Suche begleiten. Keichi? Das sind Neko, Yashika und Ana.“ ‚..die Störenfriede in Person’, fügte sie mürrisch in Gedanken noch hinzu, doch sie zog es vor, lieber zu schweigen. „Hi Keichi“, grinste Yashika fröhlich und auch Neko wollte sogleich ein Gespräch mit dem Jungen beginnen, jedoch trat Shio, die bereits etwas ahnte, schnell vor den Jungen und sagte freundlich: „Tut mir Leid, Yashika, aber wir müssen wirklich los. In ein paar Minuten treffen die anderen Auserwählten ein und… na ja ….da dürfen wir eben nicht zu spät sein. Das verstehst du doch sicher, nicht wahr?“ Sie lächelte höflich. Aber das Mädchen schien überhaupt nicht zu verstehen. „Wieso?“, fragte sie verdutzt. „Ana und ich können euch doch begleiten. Neko muss jetzt sowieso zum Bogenschießen.“ Keichi horchte auf. „Bogenschießen? Du“, er wandte sich verwirrt an Neko, „ schießt mit Pfeil und Bogen? Bist du dafür nicht noch zu jung?“ „Oberstes Sarutei- Gesetz: Jeder Sarutei hat ab sechs Jahren die Pflicht, seine Fähigkeiten zu trainieren, Bogenschießen zu lernen und muss sich verteidigen können“, sprach das kleine Mädchen und setzte einen ehrvollen Ton mit in ihre Stimme. „Aber es ist total unnötig“, fügte Ana hinzu und verdrehte die Augen. „Wenn man die Fähigkeiten gut ausbilden würde, würde das auch genügen.“ „Schön und gut, aber wir müssen jetzt wirklich gehen“, drängte Shio und packte Keichi am Arm. „Komm, wir gehen.“ „Hey, Shio, warte“, rief Yashika laut „, was ist mit…?“ „ Tut mir Leid, Leute“, rief sie entschuldigend, während sie, den perplexen Jungen im Schlepptau, schnell weiterging und sich nicht mehr umdrehte. Erst nach ein paar Metern, als die Mädchen nicht mehr zu sehen waren, ließ sie ihn wieder los. „Endlich“, seufzte sie und streckte sich genüsslich. Zu guter Letzt hatte sie es doch geschafft, den drei jüngeren Mädchen und ihren lästigen Fragen zu entkommen. Keichi hatte einen erstaunten Blick aufgesetzt und drehte sich noch einmal um, wie um zu überprüfen ob sie denn auch wirklich weg waren. „Ich weiß gar nicht was du hast?“, fragte er Shio und drehte sich wieder um. „So schlimm waren sie doch gar nicht.“ „Glaub mir“, lachte sie, „du willst nicht wirklich wissen, wie sie sich sonst bei Neulingen benehmen.“ Sie schüttelte den Kopf und setzte ein gequältes Lächeln auf. „Na wenn du meinst.“ Betreten zuckte er mit den Schultern und schaute sich dann um. Er bemerkte nun, dass sie etwas abseits der anderen Häuser standen, auf einer Art Dorfplatz, der völlig verlassen, im Gegensatz zum Inneren des Dorfes, wirkte. Nur ein paar ältere Sarutei schlenderten hier entlang, unterhielten sich kurz, liefen dann aber auch sofort weiter, um ihren Gewohnheiten und Pflichten nach zu gehen. Keichi sah ihnen eine Weile zu und beobachtete das Geschehen, verlor nach ein paar Minuten aber auch schon wieder die Lust daran und drehte sich wieder zu Shio um, die gedankenverloren auf ein heruntergekommen aussehendes Haus starrte, das direkt vor ihnen stand. Die Tür stand weit offen, trotzdem war es so dunkel in der Hütte, dass man nichts sehen konnte, denn über die Fenster waren dunkle Tücher gezogen, sodass kein Licht hereindrang. Das Haus hatte etwas Unheimliches an sich, das spürte Keichi. „Shio“, fragte er das Mädchen leise, „was …tun wir hier?“ Shio lächelte, aber ihre Augen waren trüb geworden, als sie den Blick von dem Haus abwendete und sich dem Jungen zuwandte. „Ich wollte mich nur verabschieden, weiter nichts“, antwortete sie. „Ich habe nicht vor, nachdem die anderen Auserwählten eingetroffen sind, noch einmal hierher zu kommen. Es reicht mir, wenn ich ein letztes Mal hier stehen und es betrachten kann.“ Schweigend starrte sie auf das düstere Gemäuer und kaute zögernd auf ihren Lippen. „Und was ist mit deiner Familie?“, fragte der Junge nachdenklich. „Willst du dich nicht auch von ihr verabschieden?“ Shio schüttelte den Kopf und lächelte. „Glaub mir, es ist besser so.“ Sie hatte ihre Gründe dafür, sich nicht mehr bei ihrer Familie blicken lassen zu wollen. Obwohl, eine Familie konnte man ihn nicht gerade nennen – ihren Vater. Seit ihre Mutter ums Leben gekommen war, hatte sich alles in ihrem Leben verändert, alles war schlimmer geworden und sie hatte oft auf ihrem Bodenlager gesessen und stille Tränen geweint. Nicht nur, dass sie nun keine Mutter mehr hatte, auch die Tatsache, dass sie ein Einzelkind war, hatten ihre letzten Lebensjahre zur Hölle gemacht. Shio hasste ihren Vater. Er hatte ihr ihr ganzes Leben zur Qual gemacht, hatte, wenn ihm ein Missgeschick passiert war, sie dafür verantwortlich gemacht, hatte sie beschimpft, sie geschlagen. Shio wusste nicht ob es an dem Schmerz, seine Frau verloren zu haben, lag oder an dem vielen Alkohol, den er danach angefangen hatte zu trinken. Aber eins wusste sie, dass sie ihm von nun an ständig aus dem Weg gehen musste, wenn sie keinen Ärger bekommen wollte. All das allerdings, verschwieg sie Keichi. Plötzlich vernahmen beide ein lautes Rufen von der anderen Seite des Dorfes. Viele Menschenstimmen, die wild durcheinander schrieen und immer lauter zu werden schienen. „Was ist da los?“, fragte Keichi verwundert und drehte sich erstaunt um. Auch Shio hatte eine fragende Miene aufgesetzt und starrte an Keichi vorbei auf die Dorfstraße. „Meinst du“, fragte sie aufgeregt, „ die Auserwählten…?!“ Keichi schluckte. Wahrscheinlich hatte sie Recht, denn nun bemerkte er auch, wie die wenigen Sarutei, die eben noch hier gestanden hatten, nun abrupt kehrt machten, und dem lauten Rufen entgegenliefen. „Wow!“, rief Shio und wippte aufgeregt auf der Stelle hin und her. „Komm lass uns gleich hingehen, ja?“ Ohne auf eine Antwort zu warten packte sie ihn am Arm und zog ihn mit sich, während Keichi dem jetzigen Geschehen mit gemischten Gefühlen entgegen sah. Er fragte sich, ob sie ihn wohl auch so verachten würden, wie Kite es getan hatte, oder ob sie ihn ebenfalls leiden können würden, so wie Shio es tat. Er bekam ein mulmiges Gefühl im Magen, eine Art Lampenfieber, wenn er es beurteilen hätte wollen. Hatte er etwa Angst davor? Nein, ganz bestimmt nicht! Hastig schüttelte Keichi den Kopf. Er war schließlich Schlimmeres gewohnt, als Angst vor einer neuen Begegnung zu haben, dachte er und vertrieb somit ein paar seiner beunruhigenden Gedanken. Es dauerte nicht lange bis sie das Eingangstor, das nun unter einer tiefschwarzen Wolke auf sie wartete, erreichten. Viele Menschen hatten sich hier versammelt, tuschelten oder riefen laut um sich, man könnte es mit einer Jahrmarktsstimmung vergleichen. Keichi sah sich verwirrt um, während Shio, die ihn immer noch am Arm hielt, wie gebannt auf das Tor sah und wartete. „Wow!“, freute sie sich. „Ich bin ja so aufgeregt!“ Keichi zog eine Augenbraue hoch. Da war es wieder, das mädchenhafte Verhalten, dass er immer so lustig gefunden hatte, früher, als er noch mit seiner Schwester gespielt hatte. Das Verhalten, das die Stimme höher werden ließ und das Mädchen zwang, schnell und aufgeregt zu sprechen. Aber jetzt war ihm überhaupt nicht nach lachen zumute, auch wenn er es noch so belustigend fand. Plötzlich teilte sich die große Menschenmenge, die die beiden Teenager umgab, und ein kleines Geschöpf mit spitzen Ohren, und mürrischem Gesichtsausdruck kämpfte sich durch die Mengen. „Aus dem Weg, Sarutei!“, zischte es den beiden wütend zu und wedelte drohend mit seinem kleinen silbrig glänzenden Messer, das es fest umklammert hielt. „Macht gefälligst Platz, na los!“ Erschrocken wichen Shio und Keichi zurück und gaben den Weg frei, während das Wesen leise vor sich hin brummte und weiterstapfte. Verwundert starrte Keichi der Kreatur hinterher, die eine faltige grüngraue Haut und die Gestalt eines mürrischen Zwergs besaß und fragte dann das Mädchen: „Was war denn das für ein Tier?“ Shio lachte. „Ein Tier? Oh nein, keineswegs. Das ist ein Bitzok, eine Art Elf nur kleiner und weitaus unfreundlicher. Hier gibt es Massen davon, man muss deshalb sehr vorsichtig sein, wenn man durch die Wälder streift, denn man weiß nie, ob einer von ihnen plötzlich die Seiten wechselt. Es sind komische Geschöpfe, sag ich dir, meist angriffslustig und gemein, also halte dich besser fern von denen, denn ihren spitzen Zähnen möchte ich selbst bei Tageslicht nicht begegnen.“ Dann schaute sie wieder zum Tor, riss die Augen auf und packte ihn an der Schulter. „Da! Sieh doch!“ Verwundert folgte er ihrer Aufforderung und dann riss auch er verblüfft beide Augen auf und starrte auf den Eingang des Tores. Das erste, was er sah, waren Dutzende von Kriegern, die vorneweg liefen und ernste Mienen aufgesetzt hatten. Ihnen folgten drei Personen, edel gekleidet und mit stolzerfüllten Gesichtern. Keichi erkannte nach einigem anstrengenden Hinsehen dann auch, wer die Personen waren. Es waren die drei Stammesvertreter der Heri-, Mari-, und Kurotei. In der Mitte von Jakoru und Doron, die fröhliche Mienen augesetzt hatten, lief Elyana und strahlte über das ganze Gesicht. Es folgten ihnen noch ein paar einfache Dorfleute, manche sogar mit Kindern und Frauen, die allerdings nicht mehr zum Einzug dazuzugehören schienen. Dann, als der gesamte Zug stehen blieb, erhob sich über aller Köpfe nun die Stimme des mächtigen Sarutei. „Willkommen, Her-, Mari-, und Kurotei“, rief Ryoku laut und erschien auf der großen Fläche vor der der Truppe, die die Menschenmenge freigegeben hatte. „Ich kann nicht sagen, wie glücklich ich bin, euch alle hier zu haben. Es ist eine große Ehre für uns alle hier.“ Er deutete mit einer raschen Handbewegung auf seine Gefolgsleute und rief dann: „Maritei! Zeigt uns euren Auserwählten!“ Keichi sah wie Elyana schmunzelte und lächelnd zur Seite trat. Unter großem Aufschreien und Jubelrufen, trat nun ein junges Mädchen hervor, etwa so alt wie er, und lächelte ihren Gefolgsleuten fröhlich zu. Sie hatte kurze braune Haare, trug eine schimmernd blaue Rüstung die allerdings völlig leicht schien, denn die Maritei bewegte sich wie auf Federn. Mit einem Lächeln ging sie auf Ryoku zu, der ihr glücklich die Hand schüttelte und sie dann anwies, neben ihm stehen zu bleiben. Dann rief er: „Kurotei! Wer wird euch vertreten?“ Doron machte eine kleine gelangweilte Handbewegung, dann tauchte hinter ihm ein Junge auf, schwarzhaarig und mit einem dünnen Zopf, der ihm aber bis zu Schultern reichte. Er trug dieselbe Kleidung, die Kite getragen hatte, als Keichi ihm begegnet war. Auch er wurde mit großem Jubel empfangen und das Schauspiel wiederholte sich. „Heritei! Nun euer Auserwählter!“ Ein lautes Aufschreien vieler Mädchen durchschnitt die Luft, als Kite, ein lässiges Grinsen auf dem Gesicht, hinter Jakoru zum Vorschein kam. Er winkte ein paar Mal, zwinkerte jedem Mädchen, das ihn verträumt anstarrte, einmal verführerisch zu, während er langsam durch die Menge schritt. „Angeber“, murmelte Shio mürrisch und betrachtete, wie der letzte der dreien ebenfalls den Sarutei begrüßte und sich neben die anderen stellte. Nun drehte sich Ryoku zu ihnen um, und ein kleiner Hauch eines stolzen Lächelns huschte über sein Gesicht. „Und nun“, rief er freudig, „die Auserwählte der Sarutei!“ Shio atmete tief ein, wies Keichi an ihr zu folgen, und betrat mit ihm die große Fläche, wo auch die anderen neugierig warteten. Als sie zusammen mit Keichi vor den Sarutei trat, erhob sich aus der Menge lautes Jubeln, aber auch misstrauisches Tuscheln, das vor allem dem Jungen galt. Keichi spürte plötzlich die unangenehmen Blicke der vielen Menschen auf sich. Misstrauische, durchdringende Blicke, die ihn zunehmend beunruhigten. „Wie ich sehe, bringst du uns auch gleich unseren letzte Auserwählten mit“, schmunzelte Ryoku und richtete sich wieder an die große Menge. „Seht her! All unsere Hoffnung, all unser Vertrauen und all unser Stolz, hat sich nun hier versammelt. Diesen fünf Auserwählten werden wir nun alle, Sarutei, Maritei, Kurotei und Heritei, unser aller Schicksal in die Hand legen.“ Dann drehte er sich wieder zu den fünfen um. Alle blickten angespannt auf Ryoku, Keichi in der Mitte, der sich wieder etwas beruhigt hatte, und sprach: „ Ihr wisst, was eure Aufgabe ist und man hat euch allen beigebracht, wie man mit der Gefahr umzugehen hat. Nun frage ich euch noch mal: wollt ihr, Auserwählte, euch auf die Suche begeben, euer Bestes geben und immer für unser Volk und unsere Ehre kämpfen?“ Ein leises Raunen, dann nickten alle, erst die hübsche Maritei, dann die beiden Jungen und schließlich auch Shio. Keichi zögerte erst, aber schließlich brachte er ebenfalls ein kurzes Nicken hervor, und Ryoku lächelte zufrieden. „Euer erstes Ziel ist Zokasay, die letzte von Flammen zerstörte Stadt. Dort werdet ihr sicher einige Informationen bekommen. Nun denn, macht euch auf die Suche, Auserwählte. Und kehrt wohlbehalten zurück, das wünsche ich euch.“ Ein kurzes Schweigen trat ein. Dann erhoben sich auf einmal aller Hände, ein lautes Jubelgeschrei brach an und, kaum merklich, hörte er Shio neben sich rufen. „Los, wir gehen!“, rief sie und zerrte ihn hinter den anderen dreien her, die sich bereits auf dem Weg hinaus auf die Straße machten. Allen voran, Kite, der noch lächeln zurückwinkte, dann die beiden anderen, und schließlich Shio und Keichi, die sich bemühten Schritt zu halten. Das laute Geschrei der vielen Stämme, war noch meilenweit zu hören, als sie alle über einen Hügel, in den Tiefen des dunklen Tales unter dem Turanius Gipfel verschwanden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)