Fire Curse von Shiori-chan ================================================================================ Kapitel 4: 1. Etappe Daryvell ----------------------------- "Hey", keuchte Keichi. "Warte doch mal! Wohin willst du eigentlich?" Er und das Mädchen hasteten quer durch die Straßen von Devonshire. Shiori rannte ein paar Meter vor ihm, sie war erstaunlicherweise viel schneller als er gedacht hatte, und schien wohl genau zu wissen wohin sie wollte. Keichis Lunge brannte und er fragte sich, ob dieser Weg wohl je ein Ende nehmen würde. Seit einer ganzen Weile schon rannten die beiden Teenager quer durch die Stadt, und die Strecke schien sich, wenn man nach Shioris Blick urteilen konnte, nicht zu verkürzen. Das Sarutei - Mädchen bremste ruckartig ab und drehte ihren Kopf zur Seite, um zu sehen, ob der Brünette auch mitkam. Dieser jedoch lag immer noch ein paar Meter zurück, und so beschloss sie, auf ihn zu warten, ihn zu Atem kommen zu lassen. Als er dann endlich schwer atmend neben ihr zum stehen kam, stemmte er erschöpft die Hände in die Seiten. "Kannst du mir jetzt endlich mal sagen wohin wir gehen?", schnaufte er, während er sich mit dem Ellenbogen den Schweiß von der Stirn wischte und gleichzeitig versuchte erneut Luft zu holen. Alles tat ihm weh. Er hatte sich lange nicht mehr bewegt, war lange nicht mehr gerannt, auch wenn er noch so dünn war. Shiori schaute sich vorsichtig nach allen Seiten um, so als wolle sie prüfen, ob auch ja niemand sie beobachtete. Aufmerksam ließ sie ihren Blick die Straße entlang schweifen und musterte scharf jedes Objekt ihrer Sichtweite. Der leise Hauch eines Windstoßes war zu hören, und rotes Laub huschte über die kalte Straße. Doch sonst war niemand zu sehen. Gewissenhaft wandte sie sich an Keichi und ein Ausdruck der der Aufregung spiegelte sich in ihrem Gesicht. "Okay", begann sie ungeduldig, "niemand sieht uns. Dann können wir es genauso gut hier tun. Pass auf!" Vorsichtig griff sie in eine ihrer rubinroten Rockfalten und ließ ihre Hand dann wieder leise hinaus gleiten. In ihrer Hand hielt sie einen kleinen schwarzen Lederbeutel, zugeschnürt aber auch sehr mitgenommen aussehend. Er machte auf den Jungen keinen sonderlich großen Eindruck, es war eben nur ein ganz normales Lederbeutelchen, weiter nichts. Doch als er merkte, wie vorsichtig und sachte Shiori das Ding berührte, wurde er stutzig. Mit Fingerspitzengefühl und mit einer Behutsamkeit, als könnte es bei der kleinsten Bewegung zerbrechen, öffnete sie den Beutel und griff lautlos hinein. Keichi wartete gespannt darauf, dass der Inhalt des Beutels zum Vorschein kommen würde. Wahrscheinlich würde es schon wieder so etwas Seltsames und Unglaubliches sein, wie die Geschichte, die sie ihm vorhin erzählt hatte. Von Stämmen und Fähigkeiten...und von einem mysteriösen Wesen, das angeblich Kirjaka zerstört haben sollte. Noch immer war er kritisch, wusste nicht ob er ihr glauben konnte. Es klang zu verwirrend und unglaubhaft, um wahr zu sein. Und doch konnte er einfach nicht anders, als dem Mädchen zu vertrauen. Er wusste ja selbst nicht warum. Sie hatte etwas an sich, etwas Besonderes, etwas, das er noch nie zuvor bei jemandem gespürt hatte. Es kam ihm vor, als hätte er das Mädchen schon einmal gesehen. Oder war das vielleicht doch nur Einbildung? Keichis Gedanken wurden je unterbrochen, als die Rothaarige sich kaum merklich räusperte, und etwas aus dem Beutel zog. Gleißend weißes Licht. Ein Aufschrei, dann stolperte er geblendet zurück. Schützend hielt sich der Junge die Hand vor die Augen, als die grell leuchtenden Strahlen rücksichtslos auf beide hinab zu schießen schienen. Woher kam nur dieses Licht? Keichi kniff die Augen zusammen, wartete darauf dass es aufhören würde. Er glaubte fast erblindet zu sein, aber das war wahrscheinlich nur eine seiner Vorstellungen. Wie gehofft wurde das Licht plötzlich immer schwächer, so als hätte man ihm seine volle Kraft entzogen. Der Junge öffnete die Augen und jetzt erkannte er deutlich die dunklen Umrisse des Sarutei - Mädchens. Und hinter ihr, erhob sich still der gigantische Schatten eines hell leuchtenden Tores, das drohend auf beide hinunter gähnte. Der Brünette war wie erstarrt. Voller Erfurcht blickte er dem strahlenden Monument entgegen, das einem riesigen Spiegel glich, sein Kinn klappte verblüfft nach unten und seine Augen weiteten sich. "Wie...was....!?", stammelte er fassungslos, doch Shiori hatte ihn bereits am Arm gepackt. "Keine Zeit", rief sie beunruhigt und zog ihn unsanft in Richtung Portal um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, ehe sie noch jemand bemerkte. Es durfte sie niemand sehen. "Beeil dich!", drängte sie, doch Keichi rührte sich nicht von der Stelle. "Wie...dadurch???", platzte es aus ihm heraus. "das ist nicht dein Ernst...." "Oh doch!", erwiderte sie barsch und schob nun von hinten nach vorne. "Ist gleich vorbei." "Ich kann doch nicht...." "Doch kannst du! Du wirst staunen wie einfach das geht. Ach ja...'tschuldige bitte!" Mit diesen Worten holte sie aus und stieß ihn mit aller Kraft nach vorne, direkt mitten durch das Tor. Dann folgte sie ihm. Keichi fiel. Tiefer und tiefer. Um ihn herum schwirrte ein Meer aus Farben und Lichtern, aus Zeichen und Bildern die er nicht kannte. Sein Magen rebellierte und ihm wurde schwindlich von diesem ganzen vorbei huschenden Dingen. Das wurde ihm alles zu viel. Doch er hatte Glück, mehr oder weniger, denn bevor er den Mund hätte öffnen können, schlug sein Körper unerwartet dumpf auf harten Boden. Fester, kalter, harter Erdboden. "Auuu", stöhnte er. "Verdammt, das tat vielleicht weh." Mühsam richtete er sich wieder auf und rieb sich schmerzhaft seinen stechenden Unterarm. Wo war er hier? Sicher war er sich nicht, doch mit Bestimmtheit wusste er, dass das hier auf keinen Fall mehr Devonshire war. Die schmutzigen alten Straßen und Fabriken waren verschwunden. Stattdessen ragte vor ihm eine kantige Berglandschaft mit saftiggrünen Wäldern und Büschen auf und weit entfernt sah er dunklen Rauch aufsteigen, der wohl aus der nächstliegenden Stadt stammen musste. Das helle Sonnenlicht tauchte das Gelände in warmen, milden Glanz und der Junge verspürte plötzlich ein beruhigendes Gefühl der Geborgenheit, etwas, das er lange nicht mehr gefühlt hatte. Zu lange nicht mehr... In diesem Moment vernahm Keichi ein leises Zischen hinter sich, als würde ein riesiger Schatten durch die Luft rauschen. Und als er sich erwartungsvoll umdrehte, sah er Shiori. Das Mädchen schwebte geräuschlos aus dem haushohen Portal und landete sanft auf den Füßen vor ihm. Angesichts seines Zustands musste sie laut kichern. "Man merkt, dass du noch nie teleportiert bist", entgegnete sie belustigt, als sie Keichi niedergeschlagen und mit ein paar kleiner Schrammen am Körper auf dem Boden kauernd erblickte. Er zog die Augenbrauen hoch. "Tele-... was?" "Teleportiert", antwortete sie gelassen. "Sag bloß du hast noch nie was davon gehört!" Keichi zuckte betreten mit den Schultern. "Wenn ich ehrlich bin: nein." "Teleportation ist, wenn du an einem Ort verschwindest und gleichzeitig an einem anderen Ort in einer anderen Welt wieder auftauchst. Es wird hier allerdings nicht oft verwendet, schließlich haben wir keine besonderen Gründe um zwischen den Welten zu reisen. Außerdem können das sowieso nur die Älteren. Wir Jüngeren müssen das erst lernen und benutzen Dimensionsportale. Öffnungen in den Atmosphären unserer Welt." Sie deutete auf das Tor hinter sich und zückte erneut den schwarzen Lederbeutel. "Und sieh mal!" Mit entschlossenem Gesichtsausdruck hielt sie ihren Blick eisern auf das Tor gerichtet, murmelte ein paar leise Worte die er nicht verstand und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als er mitverfolgte, wie sich das Portal wieder zu einem einzigen hellen Leuchten zusammenfügte und sich still in das Innere des Beutels verzog. Hastig verschnürte Shiori das Beutelchen wieder und ließ es geräuschlos in eine ihrer Rockfalten gleiten. Keichi schaute sie verwirrt an. 'Habe ich das eben richtig gesehen?', fragte er sich und zweifelte fast an seiner Sehfähigkeit, obwohl er sich sicher war, sich nicht vertan zu haben. "Toll nicht?", entgegnete sie ihm. "Ich nehme an du siehst so was zum ersten Mal, nicht war?" "Das kann man wohl sagen", antwortete er verblüfft. Shiori grinste. Irgendwie war er schon süß, wenn er so fassungslos dreinschaute.... Augenblicklich schalt sie sich jedoch eines besseren, das Wichtigste war jetzt, ihn in ihr Dorf zu bringen, damit er die Aufgabe erfüllen konnte, die ihm gestellt werden würde. Gerade wollte sie ihn darauf ansprechen, bis sie allerdings bemerkte, dass der Brünette immer noch an derselben Stelle stand und gedankenverloren ins Leere starrte, genau dorthin, wo das Portal gewesen war. Shiori konnte sehen wie er nachdachte, denn seine Aufmerksamkeit war zweifellos gespalten. Doch sie hatte nicht viel Zeit.... "Ähm...", sie tippte ihm vorsichtig von hinten auf die Schulter. Keichi schreckte auf. "Sorry", meinte sie eilig, ,,ich will dich ja nicht drängen aber...", sie nickte in Richtung Berge, ,,wir müssten dann mal los." "Mmh." "Du weißt, ich kann dich nicht zwingen", erwiderte sie unsicher. "Es ist ganz allein deine Entscheidung." "Ich weiß schon." Keichi drehte sich noch einmal um. 'Warte auf mich, Mum. Ich komme wieder, versprochen!' Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er warf der Lichtung einen letzten sehsüchtigen Blick zu, dann verließ er sie und betrat eine neue Welt, eine Welt, die ihn und sein Leben völlig verändern sollte. "Ist es noch weit bis zu deinem Wohnort?", fragte Keichi das Mädchen, als er bemerkte, wie sie sich immer weiter von dem dunklen Wald entfernten, den sie bereits durchquert hatten. Shioris Stiefelabsätze klapperten leise beim Gehen und ihr langes roséfarbenes Haar wehte ihr im leichten Wind über ihren Rücken nach hinten. Keichi betrachtete sie aus dem rechten Blickwinkel. Sie hatte eine stolze Art zu gehen, wie eine Prinzessin, die über den roten Teppich schreitet. Den Kopf hatte sie anmutig nach vorne gerichtet. Es machte ihn etwas verlegen, neben dem hübschen Mädchen zu laufen und er drehte schüchtern den Kopf zur Seite. In diesem Moment hätte er sie viel älter gehalten, hätte sie ihm nicht vorher ihren jungen Charakter offenbart. In diesem Moment sah sie viel älter aus. "Es ist nicht mehr weit, keine Sorge", entgegnete sie ihm und deutete auf einen großen Berg mit einer schwarzen Spitze, der sich scharf von den anderen unterschied. "Hinter diesem Berg dort, man nennt ihn den Turanius Gipfel, liegt Daryvell, mein Heimatdorf." "Du lebst in einem Dorf?" "Na klar, in was den sonst? Meinst du etwa dieses riesige Wohngebiet, in dem du wohnst?" "Das nennt man eine `Stadt`", erwiderte der Brünette, und fragte sich, wieso sie das nicht wusste. Gab es hier so was nicht? "Hier gibt es nur kleine Dörfer", sagte das Mädchen wie als Antwort auf seine Frage. "Ist ja wie im Mittelalter, hier." Keichi runzelte die Stirn. "Wie bitte?" "Ach nichts." Eine Viertelstunde verstrich und die beiden Teenager gingen schweigend nebeneinander her. Bis jetzt hatte sich die Distanz zwischen ihnen und dem Berg schon um die Hälfte verkürzt, doch man merkte es kaum, so weit schien es noch bis zum Ziel. Keichi bewunderte die schöne Umgebung, so natürlich und rein wie sie war, beruhigte sie ihn. Er beneidete Shiori um ihre Lebensweise. Sie wurde bestimmt nicht ständig von traurigen Gedanken gequält, wie er. Sie hatte garantiert keine grausamen Erlebnisse in ihrem Gedächtnis stehen. Sie kam ihm so...so...glücklich vor. Auch wenn sie es nicht zeigte und ernst aussah, bemerkte er doch, wie fröhlich das Mädchen sein musste. Er beobachtete es an vielen ihrer Gewohnheiten, wie sie ging, leichtfüßig und federnd, wie sie lächelte, frei und ungezwungen. Er war fast ein bisschen neidisch auf das Sarutei- Mädchen. Keichi prallte erschrocken gegen die Rothaarige, die abrupt stehen geblieben war. Ihre Augen waren starr nach vorne gerichtet und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. "Hey, was...." "Sieh doch!", sie wies auf ein kleines Tal, das sich zwischen zwei Hügeln erstreckte und ein paar kleinen Häusern erstaunlich viel Platz bot. Er sah Menschen, die wie Shiori eine Rüstung trugen, sah Kinder, die spielerisch gegeneinander kämpften, ältere Leute, die auf grünen Feldern arbeiteten und ein paar kleiner Häuschen, die wirr durcheinander aus der Erde zu wachsen schienen. "Ist das...Daryvell?" "Ja", sprach sie und lächelte zufrieden. "Wir haben's geschafft! Los komm schon!", sie winkte ihm freudig zu und ging mit schnellen Schritten den Hang hinunter. Er sah ihr an, wie sehr sie sich freuen musste, wieder zu hause zu sein. Ein Zuhause, das er wohl niemals finden würde, solange er nicht vergessen konnte. Rasch lief er der Rothaarigen hinterher, was sich jedoch als sehr schwierig erwies, denn der hang war rutschig und die Steine waren erschreckend locker. Doch der Junge schaffte es trotzdem bis nach unten. Shiori wartete geduldig auf ihn und dann liefen beide dem massiven hölzernen Tor entgegen, das den Eingang Daryvells bewachte. Ab jetzt sollte sich wohl aller Schicksal ändern.... Hosted by Animexx e.V. 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