APD - Teil 1 von CptJH ================================================================================ Kapitel 9: File 9 ----------------- File 9 Ich schlug die Fahrertür des Passats zu und sah mich um. "Fiiiu!", machte Fye, der ebenfalls ausgestiegen war. "Das sieht hier ja gemütlich aus!" Wir standen in einem kleinen Dorf. Ich hatte Urlaub und er natürlich auch. Anscheinend hatte Shinsai meine Erkältung und der dadurch verbundene Umstand, dass ich dadurch sowieso eine Weile außer Dienst war, genutzt. Und Fye wollte unbedingt wegfahren, nachdem ich mich ein wenig von meinem unfreiwilligen Bad im eiskalten Fluss erholt hatte. Also standen wir jetzt hier. Unser Passat stand vor dem Tor einer ausgebrannten Kirche, die in der Mitte des Dorfes stand. Die sechs Straßen verliefen wie ein Davidsstern und an jedem der "Zacken" des Sterns befand sich eine Villa - zumindest hatte man uns das gesagt. "Wo müssen wir noch mal hin?", fragte ich und Fye kramte einen kleinen Zettel hervor. "Ähm~ zur ,Villa mit der Uhr'. Das ist auf der anderen Seite der Kirche...", meinte er und zeigte die Richtung an. "Oder...?" Er drehte den Zettel um. "Es könnte aber auch die Richtung sein..." Er deutete nach hinten und kratzte sich verlegen am Kopf. Ich warf ihm einen leicht genervten Blick zu. "Was denn nun?" Ich war immer noch ein wenig erkältet und deshalb beschränkte ich mich darauf, nur das nötigste zu sagen. "Der Plan ist ungenau gezeichnet...", meinte er, fast schon schmollend. "Theoretisch kann es jede Richtung sein." Doch bevor die Situation in eine Debatte zwischen uns beiden ausartete, kam auch schon jemand auf uns zu. "Guten Tag! Ich bin Juzo Tokita.", begrüßte er uns höflich. "Haben Sie gut hergefunden? Die Karten sind ein wenig ungenau." "Oh, ja, das haben wir gemerkt!", nickte Fye. "Sind sie der Besitzer der ,Villa mit der Uhr'?" "Ja, in der Tat, der bin ich.", antwortete Tokita. "Ich habe mir schon gedacht, dass Sie Probleme haben werden die richtige Villa zu finden und deshalb habe ich mir gedacht, ich hole Sie ab." "Das war eine sehr gute Idee und sehr zuvorkommen von Ihnen. Ich bin Fye und das ist Kuro-wan!", stellte er uns vor. "Kurogane heiße ich."; brummte ich und warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, bevor ich Tokito zunickte. "Er ist erkältet...", erklärte Fye und Tokita nickte verstehend. "Nun denn, dann kommen Sie doch mit. Schließlich werden Sie erwartet." Also folgten wir ihm zu seiner Villa. Dort angekommen, fiel mir sofort das Wappen über der Tür auf. Es war ebenfalls ein Davidsstern, allerdings fehlte die obere Zacke. Doch ich konnte mir keine weiteren Gedanken darüber machen, denn Fye meinte, als er an mir vorbei ging: "Vergiss das Gepäck nicht, Kuro-rin!" "Trag deins gefälligst selbst!", fauchte ich und hielt an seinem Schal zurück. "Aber du bist doch so stark, das schaffst du bestimmt~", sagte er grinsend und legte den Kopf leicht schief. "Außerdem hänge ich dann sicher wieder irgendwo fest...", fügte er mit Unschuldsmiene hinzu. Genervt schnaubend wuchtete ich die zwei Koffer aus dem Gepäckraum und stellte sie neben mir ab, bevor ich meinem Partner mein, ordentlich in ein Tuch eingewickelt und verschnürtes, Katana in die Hand drückte. "Wag es ja nicht, das fallen zu lassen!", warnte ich ihn und hob die Koffer hoch. Er nickte. "Geht klar!", meinte er und musterte das Bündel. "Dein Schwert? Wozu brauchst du das denn?" Er schlenderte neben mir her. "Du sollst dich doch ausruhen! Dafür sind wir hier hergefahren." "Hier habe ich aber genug Zeit zum Trainieren.", gab ich zurück. Seit er bei mir wohnte, konnte ich nur noch unregelmäßig trainieren. Und bevor ich anfing, mich hier zu langweilen, wollte ich die Zeit sinnvoll nutzen. "Das Schwert ist dir sehr wichtig, hm?", fragte er und ich nickte. "Es ist ein Erbstück.", sagte ich und trat durch die Tür. "Fuiii!", machte Fye anerkennend und auch ich musste zugeben, dass die Villa sehr eindrucksvoll war. Schon die Eingangshalle war so groß, wie meine Wohnung insgesamt an Fläche aufbot. Sie war spärlich, aber edel möbliert. Und mehr Möbel waren auch gar nicht nötig, denn die riesige Uhr, die den Raum beherrschte, ließ es gar nicht anders zu - sonst hätte die Eingangshalle wohl trotz ihrer Größe eng gewirkt. Die Pendeluhr reichte bis zur Decke - ich schätzte sie auf sechs Meter - und war so breit wie mindestens zwei Kleiderschränke. Das Pendel hatte ungefähr einen Durchmesser einer Kuchenplatte und war reich verziert. Genau wie der Rest der Uhr. Auf dem Ziffernblatt, das ungefähr den doppelten Radius des Pendels hatte, entdeckte ich noch einmal den Davidsstern. Selbst ich musste, wenn ich ein paar Meter von der Uhr entfernt stand, den Kopf in den Nacken legen, um die Uhr lesen zu können. Daher kam wohl der Name der Villa. Dabei war es nicht die einzige Uhr in diesem Gebäude. Auf dem Weg zu unseren Zimmern, zu denen uns das Hausmädchen führte, entdeckte ich noch jede Menge Uhren. Alle sahen sehr kostbar aus. Und sie schienen allesamt auf die Minute richtig zu gehen. Im Gegensatz zu der gigantischen Eingangshalle waren die anderen Räume relativ klein. Zumindest nicht überdimensional, vielleicht etwas größer, als es normale Zimmer waren. Aber die Räume, die ich bisher gesehen hatten, waren sorgfältig eingerichtet worden. Nachdem wir unser Gepäck abgestellt hatten, brachte uns das Hausmädchen ins Wohnzimmer, wo Tokita anscheinend auf uns gewartet hatte. Doch er war nicht allein. Eine junge Frau war bei ihm. "Darf ich Ihnen meine Tochter Wakaba vorstellen?", begrüßte uns Tokito und deutete auf das Mädchen. Wir stellten uns ebenfalls vor. "Es freut mich, Sie kennen zu lernen.", erwiderte sie höflich, aber anscheinend nicht sonderlich begeistert. "Morgen wird sie heiraten.", verkündete Tokita. "Zu der Hochzeit sind Sie natürlich eingeladen, da Sie ja jetzt Gäste in diesem Haus sind." "Wirklich? Meinen herzlichen Glückwunsch!", sagte Fye und Wakaba lächelte kurz. "Ich bin schon ganz aufgeregt und habe nichts dagegen, wenn Sie mit uns feiern.", meinte sie. Wir saßen noch eine ganze Weile zusammen und redeten. Am Anfang war sie ziemlich distanziert, doch mit der Zeit blühte sie auf, besonders als Tokita einen Augenblick hinausging, um noch etwas zu erledigen, wie er sagte. Wakaba erzählte uns, das es eine alte Tradition verlangte, dass die Braut vor ihrem Hochzeitstag die Nacht in der alten Kirche verbringen musste. "So? Warum denn?", wollte ich wissen. Die Kirche war doch ausgebrannt, da würde es doch sicher ziemlich ungemütlich sein, und erst recht nachts. "Ich weiß nicht genau. Alles was ich weiß ist, dass das hier in diesem Dorf immer schon so gemacht wurde. Es soll Glück bringen. Heute Abend wird ein Bankett veranstaltet." Ihr Vater kam wieder hinein. "Richtig. Ich habe dem Koch gerade mitgeteilt, dass wir zwei Gäste mehr haben werden. Sie essen doch sicher mit uns?" "Warum nicht, sehr gern.", nickte ich und auch Fye war offensichtlich begeistert. "Dann werden Sie auch gleich noch die anderen Besitzer der anderen Villen kennen lernen, da sie ebenfalls kommen werden.", sagte Tokita. "Das wird ein großartiger Abend und morgen die Hochzeit wird sicher auch wunderbar, nicht wahr, Wakaba?" "Ja! Ich kann es kaum noch erwarten.", antwortete diese. "Aber jetzt muss ich mich so langsam fertig machen, um zur Kirche zu gehen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß." Sie nickte uns zu. "Wir sehen uns dann sicherlich morgen früh." "Gute Nacht! Schlafen sie gut!", rief Fye ihr noch nach, als sie sich auf den Weg nach draußen machte. Tokita sah seiner Tochter nach, bevor er sagte: "Ich habe auch noch einiges vorzubereiten, wenn Sie mich also entschuldigen würden?" "Sicher." Schließlich war er hier der Hausherr und konnte tun und lassen was er wollte. "Das Bankett beginnt um 20 Uhr.", erklärte Tokita uns noch, bevor er dann auch aus dem Wohnzimmer verschwand. "Na, Kuro-chan! Das wird sicher ein toller Urlaub, neh?", meinte Fye zu mir. "Hm. So sieht's aus.", sagte ich. Ich freundete mich so langsam doch damit an, ein paar Wochen nicht arbeiten zu müssen. "Was jetzt? Wir haben es gerade mal 18 Uhr. Sehen wir uns ein wenig um und packen unsere Sachen aus?", schlug mein Partner vor. "Warum nicht?" Etwas anderes hatten wir nicht zu tun, also sahen wir uns ein wenig in der Villa um. Sie war nicht ganz so groß, wie ich es nach dem Anblick der Eingangshalle erwartet hatte. Aber dennoch war sie ein großes Gebäude. Zum Glück waren die Gänge nicht verzweigt, so dass man nicht Gefahr lief, sich zu verirren. "Die Uhr in der Eingangshalle ist wirklich sehr beeindruckend!", meinte Fye und lehnte sich in den Rahmen der Verbindungstür zwischen unseren Zimmern. "Hm. Ist ja auch die "Villa mit Uhr", brummte ich, als ich die Schranktür schloss und den Koffer auf denselben stellte. "Apropos... wir sollten uns so langsam auf den Weg machen! Sonst kommen wir hinterher noch zu spät!", sagte Fye, mit dem Blick auf die Uhr. Ich nickte und wandte mich in Richtung Tür. "Warte!", rief Fye und ich drehte mich noch mal zu ihm um. "Was denn?", wollte ich wissen. "Dein Kragen sitzt schief.", sagte er grinsend und zupfte den Kragen meines roten Hemdes zurecht und richtete dann auch noch meine Krawatte. Genau wie er hatte ich, zur Feier des Tages sozusagen, einen Anzug an. Fye hatte darauf bestanden, dass ich einen mitnahm. "Weißt du was? Du solltest öfter so was tragen!", sagte Fye. "Er steht dir wirklich sehr gut, Kuronpu!!" Ich musste zugeben, dass er auch nicht schlecht aussah, in seinem Anzug. Allerdings hatte er ein weißes Hemd an und, anstatt der Krawatte, trug er eine Fliege. "Wenn du dann fertig bist, mit dem Versuch mich zu erwürgen, können wir dann ja gehen, oder?", fragte ich und lockerte die Krawatte ein wenig, als er sie losließ. "Ein einfaches ,Danke' hätte auch gereicht!", grinste er und klopfte mir noch mal auf die Schulter, bevor er sich umdrehte und summend vor mir aus dem Raum tapperte. Der Bankettsaal war festlich dekoriert und die lange Tafel, die auf der anderen Seite im Raum stand, war für neun Leute gedeckt. Nicht, dass ich abergläubisch war, aber auch die Neun war eine Unglückszahl. Wir waren nicht die letzten, denn es waren erst drei Gäste da. Eigentlich hatte ich erwartet, dass es mehr Gäste waren, aber anscheinend waren nur die anderen Villenbesitzer eingeladen. Tokita winkte uns zu sich herüber. Er stand bei den drei Anwesenden. "Guten Abend.", begrüßte er uns und deutete auf eine Dame neben ihm. "Das ist Mitsuko Kusanagi, ihr gehört die Efeu-Villa." "Guten Abend, es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!", erwiderten mein Partner und ich und Kusanagi nickte. "Die Freude liegt ganz auf meiner Seite." "Ich bin Reiji Kabuto und das ist meine Tochter Kiriko.", stellte sich der nächste Herr gleich vor. Seine Tochter nickte uns nur wortlos zu. Sie schien nicht so begeistert darüber zu sein, hier zu sein. "Uns gehört die Villa mit den Rüstungen." "Sehr erfreut." Tokita wollte wohl gerade etwas sagen, da kamen zwei Herren und eine Dame herein. "Ah, Ran! Schön, dass sie da sind! Natürlich gilt das auch für Sie, meine Herren.", rief Tokita zu ihnen herüber und zu uns sagte er: "Das sind Ran Goto, Junya Kazamatsuri und Torao Itsushiki." Ran Goto war eine wirklich sehr hübsche Dame und ihr gehörte die Turm-Villa. Junya Kazamatsuri war der Besitzer der Wetterhahn-Villa und er erzählte uns, dass er früher einmal Jäger gewesen war. Und Torao Itsushiki, der mir sehr nervös und ängstlich erschien, wohnte in der Farbfenster-Villa. Eine Weile später, nachdem alle Gäste eingetroffen waren, wurde auch schon das Essen serviert und wir setzten uns alle um den Tisch. Das Essen war großartig und auch die anfangs sehr steife und höfliche Atmosphäre lockerte sich und alle wurden heiterer. Was wohl auch ein wenig am Wein lag. Es war schon etwas später, da läutete plötzlich eine Glocke. Ich dachte erst, es wäre die Uhr in der Eingangshalle, doch da sprang Tokita entsetzt auf. "Die Kirchenglocke!", rief er. "Wakaba!" Mit diesem Wort stürzte er dann auch schon zur Tür hinaus. Die anderen erhoben sich ebenfalls hastig und liefen ihm nach. "Juzo! Warten Sie doch!" Ich warf meinem Partner einen fragenden Blick zu und zog ihn dann am Arm hinter den Leuten her. Die Leute standen vor der Kirche. "Wakaba! Wakaba?" Tokita hämmerte gegen die Kirchentür und rüttelte am Griff. Doch nutze es nichts - sie blieb zu. "Wir brechen sie auf, wir müssen sie aufbrechen!", erklärte Tokita. "Bestimmt ist irgendetwas passiert." Er war erstaunlich ruhig, dafür, dass er schon ahnte, dass seiner Tochter etwas zu gestoßen sein könnte. Ich warf einen weiteren Blick zu meinem Partner, der die ganze Szene, die sich hier abspielte interessiert und nachdenklich mitverfolgte. "Aufbrechen? Aber wie stellen Sie sich das vor, Juzo?", fragte Reiji Kabuto. "Oder haben Sie etwa ein Brecheisen dabei?" "Unsinn... die Kirche ist alt, die Tür werden wir wohl auch so aufkriegen! Und wenn nicht, dann holen wir eben eine Brechstange...", gab Tokita zurück. Ich musterte die Tür. Für mich sah sie ziemlich massiv aus... "Was stehen wir dann noch hier rum?", mischte sich plötzlich Fye ein und ging ein paar Schritte auf das Tor zu. "Wenn wirklich etwas passiert ist, sollten wir handeln..." Er drehte sich zu mir um. "Komm schon, Kuro-wanko! Lass es uns mal versuchen, bevor alle sich sowieso gegenseitig im Weg stehen..." "Ja..." Ich ging zu meinem Partner. "Und wie willst du das anstellen?" Mittlerweile waren auch die kleinen vereinzelten Diskussionen verstummt und die Aufmerksamkeit richtete sich auf uns. "Na ja...~", meinte Fye und schaute die Tür mit leicht schiefgelegtem Kopf an. "Wenn man in etwa das Schloss trifft, müsste es gehen, oder?" "Versuchen wir's." Hoffentlich war die Tür nicht so solide, wie sie aussah. Wir brauchten drei Versuche, bis das Tor krachend nachgab und sich ein wenig öffnete. Aber ein weiterer, kräftiger Tritt gegen das Schloss genügte dann und die Tür sprang auf. Sofort stürzten alle ins Innere der Kirche, um nachzuschauen, was es mit dem Glockenschlag und der Tatsache, dass Wakaba sich nicht meldete, auf sich hatte. In der Kirche war es dämmrig, obwohl der Mond durch einige der zerbrochenen Fensterscheiben schien und unsere Schritte hallten durch den großen Raum. Ansonsten rührte sich nichts. Tokita führte uns zum Raum, in dem seine Tochter übernachtete. Die Tür stand offen und somit fiel unser Blick genau auf das Bett, das mitten im Raum stand. "Ich gehe nachschauen, wir sollten nicht alle gehen, der Raum ist dazu viel zu eng...", meinte Tokita und ging zum Bett herüber. Ich hörte ein leises Plätschern, als er neben das Bett trat und die Bettdecke zurückschlug. Dann schrie Tokita entsetzt auf und taumelte rücklings aus dem Raum. "W-W...Wakaba...s...sie...sie...sie ist...", stammelte er. Er war kreidebleich. Sofort waren Fye und ich am Bett. Dunkle Flecken zeichneten sich auf dem Laken ab und das Plätschern rührte von der Blutlache her, die sich auf dem Boden am Bett gebildet hatte. Sowohl mein Partner als auch ich starrten fassungslos auf die kopflose Leiche. Wakaba war tot. File 9 - Closed ~To be Continued~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)