Verboten von CriD (All I ever want is You) ================================================================================ Rael ---- Rael Fast noch Kinder?! Liron schüttelte ungläubig den Kopf. Alles hatte er erwartet, alles aber nicht das. Der Junge mit den braunen Haaren mochte vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahr alt sein und das Mädchen war gar noch jünger. Aber war es denn wirklich so erstaunlich? Die Bilder, welche in den Medien rauf und runter liefen, zeigten ausschließlich erwachsene Delores. Aber natürlich musste es auch Kinder geben. Sie mussten sich auch vermehren. Schließlich waren sie den Menschen sehr ähnlich - und doch so anders. Äußerlich war zwischen Menschenkindern und den beiden Delores kein Unterschied zu erkennen, nur die merkwürdige Kleidung zeugte von ihrer Abstammung. Das Mädchen war in ein weites Laken gewickelt, welches sie fiebernd von sich gestoßen hatte, wodurch man nun hier und da einen Blick auf ihren nackten, weißen Körper erhaschen konnte. Der Junge mit den unheimlich glänzenden Augen trug bis auf einen Lendenschurz nichts weiter. Aber der Untergrund, auf welchem das Mädchen lag, war weich und fellig, wahrscheinlich eine Art Mantel des Jungen. Liron verstand nicht. Was war hier nur geschehen? Vorsichtig ließ er sich in die Hocke sinken und bemerkte dabei, dass ihn der Junge keinen Moment aus den Augen ließ, anders als Estefania, welche er schon gar nicht mehr zu beachten schien. Das änderte sich aber schnell, als sie sich neben Liron hockte und ihn flüsternd ansprach. "Hör zu Liron. Ich erkläre dir später was hier geschehen ist, aber jetzt hilf der Kleinen. Dann können sie hier weg und alles wird gut",wisperte sie fordernd. So optimistisch wie Estefania konnte Liron die Sache leider nicht betrachten. Er wusste nicht was sie hatte, aber er sah sehr wohl, wie schlecht es um sie stand. Sehr schlecht. Womöglich würde er ihr nicht mehr helfen können. Zögernd robbte er auf die Kleine zu, hielt in der Bewegung aber sofort inne, als ihn rasende Kopfschmerzen ergriffen. Es schien als würde ihm jemand gewaltsam einen glühenden Dolch durch die Gedanken treiben und nur die mangelnde Kraft hinderte die gefährliche Waffe wirklich bis zum Grund zu dringend und Liron zu verbrennen. Stöhnend hielt sich Liron den Kopf, sah auf und begegnete dem Blick des Jungen. In den hasserfüllten Augen lag eine Drohung, die Liron alles andere als auf die leichte Schulter nahm. Der Junge hatte sich nicht bewegt, aber allein die flammenden Augen reichten um Liron in seine Schranken zuweisen. Ja, er verstand. Bis hier hin und keinen Schritt weiter. Ruhig entfernte sich Liron wieder etwas von den Beiden und spürte augenblicklich wie der Schmerz nachließ. Hilfesuchend sah er zu Estefania hinüber und hob fragend die Schultern. Er sah ja ein, dass er dem Mädchen helfen sollte, aber wie sollte er das anstellen, wenn ihn der Junge nicht an sie heranließ? Estefanias Blick war ebenso ratlos wie der Seine, dann aber bediente sie sich kurzerhand wieder ihrer stärksten Waffe. Sie sprach den Jungen an. "Hey Junge",hörte Liron sie leise sagen und wunderte sich dabei wie ruhig Estefania auf einmal sein konnte. Der Junge sah verwundert auf, als er bemerkte, dass die Worte an ihn gerichtet waren. "Na komm. Lass Liron mal an die Kleine ran. Er will ihr doch nur helfen." Liron wusste, dass die Delores eine andere Sprache als die Menschen sprachen. Wahrscheinlich verstand der Junge nicht einmal ansatzweise, was Estefania von ihm wollte, aber der beruhigende Klang ihrer Stimme schien doch irgendeine Wirkung auf ihn zu haben. Zaghaft näherte sich Liron wieder den Beiden. Schon ruckte der Kopf des Jungen herum und Liron spürte, wie sich die gefährlichen Klauenfinger nach seinem Geist ausstreckten, aber bevor es soweit kommen konnte, zog Estefania erneut seine Aufmerksamkeit auf sich. "Na komm schon Kumpel, lass Liron machen. Wir wollen euch doch nur helfen." Und das Wunder geschah. Liron spürte wie der dunkle Einfluss des Jungen zurück ging und es geschah auch nichts mehr, als er endlich an dem Mädchen heran war. Liron hätte nur den Arm ausstrecken müssen und schon hätte er den Jungen berühren können, aber das hätte das eben gewonnene Vertrauen sicher sofort wieder zerstört. Außerdem hatte Liron ehrlich gesagt kein Interesse daran, dass sein Gehirn spontan durch den imaginären Fleischwolf gedreht wurde. Ruhig griff Liron nach der Hand der Kleinen und fühlte nach ihrem Puls. Das Mädchen glühte, dafür war ihr Puls kaum noch zu erkennen, der Atem ging nur flach und stoßweise. Man konnte zusehen wie sich ihr Zustand von Minute zu Minute verschlechterte. Vorsichtig öffnete er ein Auge des Mädchens und stellte fest, dass sie schon längst nicht mehr bei Bewusstsein war, dabei spürte er die starren Blicke des Jungen im Nacken. Solange er nur starrte, sollte es ihm recht sein. Liron hatte nur wage Vermutungen, was mit der Kleinen geschehen war, aber eine war schlimmer als die andere. Äußerlich konnte er keine Verletzungen erkennen und gerade das alarmierte ihn zunehmend. Hirnschlag, innere Blutungen, Virusinfektionen. Die Möglichkeiten waren geradezu gigantisch und Liron konnte hier mitten in der Pampa nichts weiter tun, als ihr ein fieberlinderndes Mittel zu verabreichen. Während Liron in seiner Tasche nach der richtigen Medizin und einer Spritze suchte, musste er sich wohl oder übel eingestehen, dass er tatsächlich keine Möglichkeit hatte sie zu behandeln. Nicht hier. Aber sie in das städtische Krankenhaus zu bringen, schloss sich natürlich von allein aus. "Und wie schaut's aus?",fragte Estefania. Liron schüttelte frustriert den Kopf. "Ich kann ihr nicht helfen",murmelte er betrübt, "sie wird sterben." "Nun, wenn das so ist, macht es ja sicher nichts, wenn ich die Sache etwas beschleunige" Plötzlich ging alles sehr schnell. Noch während sich Liron darüber wunderte, wie tief Estefanias Stimme doch eben geklungen hatte, hörte er wie sich der peitschende Knall eines Schusses löste, sah er wie der Junge mit vor Entsetzten geweiteten Augen aufsprang, nur um sofort, von einem zweiten Schuss getroffen, wieder zu Boden zu sinken und er spürte, wie sich die dunklen Klauen erneut einen Weg in seinen Geist zu bahnen suchten. Und unter ihm war alles rot, so rot, wie... Estefanias schriller Aufschrei holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Die Höhle war erfüllt von den Rufen zahlloser Kehlen, die alle durch einander zu schreien schienen. Der wilde Mob war gekommen, hatte sich erhoben und trachtete nun danach alles, was sich ihm in den Weg stellte, zu zerstören. Und doch konnte er nicht weiter. Eine unsichtbare Barriere hielt sie zurück, bestehend aus trommelnden Kopfschmerzen und strömenden Blut, welches sich lautlos aber bestimmt seinen Weg aus den Nasen, das Kinn hinab, zu Boden suchte. Liron musste es wissen, denn ihm erging es nicht besser, vielleicht schlimmer, weil er unmittelbar neben dem am Boden kauernden Jungen stand. Der Delore hielt sich wimmernd den linken Oberschenkel, in den ihn die Kugel getroffen hatte, aber Liron war nicht sicher, ob der Schmerz, welcher zehrend in seinen Augen brannte, nicht doch von etwas anderem hervorgerufen wurde. Und während Lirons Blick zu dem zitterndem Körper des jungen, viel zu jungen Mädchens schweifte, zu dem Körper aus welchem strömend dunkles Blut entrann, welches schillernd zu Boden rann, das Lacken und den Fellmantel nass und klumpig machte und dunkelrot färbte, während ihm sein eigenes Blut strömend über das Gesicht rann, während sein Kopf dröhnte, als würde er jeden Moment zerspringen - da fasste Liron einen Entschluss. Mit einer in dieser Situation absolut unpassenden Ruhe griff Liron nach seinem Arztkoffer, zog akribisch genau eine Spritze auf und kauerte sich neben den Jungen. Panisch ruckte dessen Kopf hin und her, das Gesicht schmerzverzerrt, während aus den großen braunen Augen langsam Tränen zu fließen begannen. "Shht, es wird alles gut",murmelte Liron leise und rammte ihm seine Faust in den Magen. Ächzend sackte der Junge zusammen, aber Liron fing ihn auf, bevor er tatsächlich zu Boden stürzen konnte, griff nach dem vorbereiteten Mittel und injizierte es ihm schnell und sorgfältig. Der Junge blinzelte noch ein oder zweimal, dann begannen sich seine Augen zu schließen und gleichermaßen, wie ihm die Sinne schwanden, nahm auch sein unheilvoller Einfluss ab und Liron konnte erleichtert aufatmen. Angewidert wischte er sich das Blut aus dem Gesicht, verschnaufte noch einen kurzen Moment und hob den Jungen auf seine Arme. In der Höhle war es still, einzig die atemlosen Japser des verwundeten Mädchens waren zu hören. Diesmal bildetete es sich Liron nicht nur ein, dass alle Blicke auf ihm ruhen würden. Dem war tatsächlich so. Schließlich fand einer der Beteiligten seine Sprache wieder. Noch immer hielt er den Griff seiner Pistole fest umschlossen und Liron erkannte in ihm jenen hysterischen Mann wieder, welcher ihn schon zu Beginn bedroht hatte - wer sonst?! "Ha! Echt gut gemacht! Sie haben das Biest erledigt! Los geben wir ihm den Rest!" Liron war selbst erstaunt, wie eiskalt seine Stimme klang, als er antwortete:"Geben sie mir die Pistole!" Tatsächlich hatte er nicht erwartet, dass seiner Forderung Folge geleistet wurde, aber hier und jetzt waren seine Forderungen Befehle und Befehle waren Gesetze. Nur durch diese winzige Tat. "Ah, natürlich! Ich verstehe! Sie wollen dem Vieh selbst den letzten Gang bereiten. Natürlich, natürlich. Hier, bitte schön!" Sprach's und tat wie ihm geheißen. Liron hatte den Jungen auf den Boden gestellt und sanft an sich gelehnt, so dass er nicht zu Boden fallen würde, auch wenn er ihn nur noch mit einer Hand hielt. Die andere schloss sich um den kalten Griff des Revolvers. Es war lange her, dass er eine Waffe in den Händen gehalten hatte, aber was man einmal gelernt hatte, verlernte man nicht wieder, das bemerkte Liron spätestens in dem Moment, als seine Augen wie von selbst das Ziel anvisierten und sein Finger sich um den Abzug krümmte. Ein Schuss fiel und endlich verstummten die atemlosen Laute des Mädchens. Estefania drückte entsetzt die Hände auf den Mund um einen Aufschrei zu unterdrücken und Liron schloss gequält die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatte sich der Ausdruck darin verändert. "Gehen sie zur Seite",verlangte er beherrscht, schrie aber bereits als ihm nicht sofort Folge geleistet wurde. "ZUR SEITE!" "Ey, ganz ruhig Mann, du..." Der Redner sprang erschrocken zurück, als die Kugel direkt vor seinen Füßen einschlug. Liron hielt zitternd den Pistolenlauf nach oben. "Ich würde den Weg frei machen",meinte er heiser:"Ich bin nicht mehr ausgeglichen genug um korrekt zu zielen. Ich könnte sie versehentlich töten." Die Masse teilte sich schweigend. Liron hob den Jungen erneut auf seine Arme und nickte Estefania zu ihm zu folgen. Wie sie es im Nachhinein durch die draußen gebliebenen Menschen, zum Auto hin und schließlich bis in die Stadt, zu seiner Wohnung geschafft hatten, sollte Liron wohl für immer ein Rätsel bleiben. Tatsache war, dass Liron nun in seiner Küche stand und versuchte sich ein Glas Wasser einzuschenken. Hinter ihm betrat Estefania den Raum. "Er schläft ganz ruhig",sagte sie erschöpft und Liron ließ erschrocken das Glas fallen. Wie in Zeitlupe sah er, wie das Glas zu Boden fiel und dort in tausend Scherben zerschellte. Scherben und Wassertropfen sprangen von dannen, glitzerten mysteriös und klirrten auf dem Fließboden, dass es in den Ohren wehtat. Hastig ließ sich Liron auf die Knie fallen und wollte nach den Scherben greifen, schnitt sich aber nur die Finger an den scharfen Rändern. "Lass nur. Ich mach das schon",seufzte Estefania und begann, die Scherben aufzusammeln. Liron starrte auf seine Hände. Langsam begann Blut aus den geschnittenen Handflächen zu fließen und färbte seine Haut matt rot. Er war Arzt, er sollte an den Anblick und den Geruch von Blut gewöhnt sein und das war es auch nicht, was das immer stärkere werdende Zittern hervorrief, aber... "Ich habe jemanden getötet",flüsterte Liron erschüttert, wie als würde erst jetzt die Erkenntnis bis zum Inneresten seines Geistes hindurch dringen. Und irgendwie war dem auch so. Alles was er dort draußen vor der Stadt, in der Wildnis, in dieser Höhle getan hatte, das alles. Das war nicht er gewesen. Irgendwer, nur nicht er. Erst jetzt begann der echte Liron, der klar denkende und ewig beherrschte Liron zurückzukehren und dieser Liron war erschüttert über das, was der Andere getan hatte. Estefania erhob sich und warf die Scherben in den Mülleimer und begann, nach einem Scheuerlappen für das verspritzte Wasser zu suchen. "Es war richtig was du getan hast", bemerkte sie dabei, fast beiläufig. "Aber ich hätte ihr helfen müssen!" Estefania schüttelte betrübt den Kopf. Ihre schweren Locken waren verdreckt und in ihrem Gesicht waren immer noch verkrustete Blutspuren. Sie musste sich genauso ausgelaugt wie Liron fühlen, trotzdem versuchte sie immer noch,, ihn wieder aufzubauen. Liron wusste nicht ob er dazu die Kraft gehabt hätte. "Du kannst nicht jeden retten. Schau, du hast den Jungen gerettet." "Er wurde angeschossen!" "Aber er lebt!" Estefania trat an Liron heran, ergriff die verletzte Hand und suchte seinen Blick. "Schau mich an Liron. Das was wir heute getan haben, kann uns beide in Teufels Küche bringen." "Das musst du mir nicht sagen." "Und trotzdem war es richtig. Liron, er lebt! Und das ist das wichtigste." Liron seufzte. Sie hatte ja recht. "Du siehst müde aus, Stef. Willst du nicht langsam nach Hause gehen?" "Kommst du ohne mich klar?" "Natürlich!",antwortete Liron mit einer Überzeugung, die er in sich drin bei weitem nicht so deutlich ausgeprägt vorfand. Ehrlich gesagt wäre es ihm lieber gewesen, wenn Estefania noch eine Weile hier geblieben wäre. Aber das konnte er ihr unmöglich zumuten. Die Tür klappte mit einem metallenen Geräusch hinter Estefania zu und Liron war allein. Allein mit sich und seinen Schuldgefühlen. Halt, nicht ganz alleine. Sein Patient lag noch im Nebenzimmer und schlief. Er hatte Glück gehabt. Die Kugel hatte weder eine der wichtigen Adern erwischt noch hatte sie dem Knochen geschadet. Es war scheinbar 'nur' eine Fleischwunde, die sich einfach behandeln ließ, nachdem Liron die Kugel entfernt hatte. Bei dem Gedanken an den Kerl mit der Waffe, kochte in Liron erneut der Zorn nach oben. So ein Idiot. Was hatte der Junge ihm denn schon getan? Nichts. Liron wusste nicht, was die Beiden in der Höhle zu suchen gehabt hatten, aber er war sich sehr sicher, dass sie niemals dort gewesen wären, wenn das Mädchen nicht krank gewesen wäre. Niemals. Liron wusste immer noch nicht, was eigentlich geschehen war. Aber Estefania war zu fertig gewesen, um sie noch danach zu fragen. Er rechnete es ihr schon hoch an, dass sie ihn überhaupt noch hierher gefahren hatte. Aber er konnte sich noch gut an ihre Worte ganz am Anfang erinnern. 'Ich war den ganzen Morgen hier, ohne dass sie mir etwas getan hätten.' Es waren nicht die Delores gewesen, die angefangen hatten. Nur die Menschen - nur die Menschen, so wie immer. Zögernd betrat Liron das Gästezimmer, in welches er den Jungen einquartiert hatte und stellte verwundert fest, dass er schon wieder wach war. Normalerweise hätte ihn das Mittel noch für ein, zwei Stunden außer Gefecht setzten müssen, aber wahrscheinlich reagierten Delores auf diverse Stoffe anders als Menschen. Der Delore war gerade dabei gewesen den Verband zu untersuchen, welchen Liron um sein Bein befestigt hatte, fuhr aber erschrocken zusammen, als Liron eintrat und drückte sich an die hintersten Pfosten seines Bettes. Nur weit weg von Liron. Die schönen braunen Augen des Jungen leuchteten ihm furchtsam entgegen, sodass es Liron in der Seele wehtat ihn so zu sehen. Aber es war nicht verwunderlich. Das Mädchen, bei welchem Liron nicht wusste in welcher Beziehung sie zueinander gestanden hatte,war vor seinen Augen gestorben. Auch wenn er ihren letzten Atemzug nicht gesehen hatte, konnte er sich sicher denken was geschehen war. Er selbst wurde verletzt und nun war er hier - in einer ihm fremden Umgebung, mit einem Unbekannten, namentlich einem Feind der eigenen Rasse eingesperrt in einem kleinem engen Raum. Ja, Liron würde auch Angst haben. Ruhig zog sich Liron einen Stuhl heran und setzte sich etwas abseits des Jungen. Ihm war bewusst, dass er fürchterlich aussehen musste, aber was machte das schon noch. Außerdem hatte der Junge nicht gerade einen unwesentlichen Beitrag zu seinem jetzigen Erscheinungsbild geleistet. Noch immer sträubten sich seine Nackenhaare, wenn er sich der grausamen Klauenfinger erinnerte, die es auf seinen Geist abgesehen hatten. Aber jetzt passierte nichts. Entweder hatte es der Delore aufgegeben, sich verteidigen zu wollen, oder aber - und das erschien Liron als durchaus wahrscheinlicher - er war einfach zu erschöpft um noch irgendetwas zu machen. "Cto ti choshesch?" Liron horchte auf. Er hatte gesprochen. Warme Klänge, nicht zu dunkel, aber auch keine hohe Kinderstimme mehr. Wie ein leiser Glockenklang, der in der Ferne verhallte. "Cto ti choshesch?",wiederholte der Junge, diesmal fordernder. Die dunklen Augen beobachteten Liron misstrauisch. Auf seiner Stirn zeigten sich steile Falten. Liron schüttelte den Kopf. "Tut mir leid. Ich verstehe dich nicht",murmelte er entschuldigend und kam sich im selben Augenblick unheimlich dämlich vor. Enttäuscht ließ der Junge die Mundwinkel hängen, zog die Beine an und legte die Arme darum. Sanft begann er, sich hin und her zu wiegen und beobachtete weiterhin Liron. Der junge Arzt verschränkte ratlos die Arme. Was sollte er denn jetzt nur machen? Nun hatte er ihn hier. Was hatte er eigentlich vorgehabt? Alles hatte eigentlich nur mit dieser verfluchten Mattscheibe begonnen. Obwohl er wusste, dass es idiotisch war, war Liron in diesem Moment fest davon überzeugt, dass dies alles nie geschehen wäre, hätte der Fernseher wie gewohnt seinen Dienst verrichtet und ihn nicht einfach im Dunkeln sitzen gelassen. Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. 'Ich Tarzan, du Jane.' Natürlich! Warum sollte das nicht funktionieren? Zwar schwang sich Liron nicht mit einer Liane von Ast zu Ast und der Delore war auch kein gut gebautes Mädchen, für welches 'man' doch gerne mal zum Tier wurde. Aber ansonsten waren die Grundbedingungen doch gar nicht so verschieden. Liron hob den Arm und deutete auf sich selbst. "Liron!",sagte er bestimmt und wartete eine Reaktion des Jungen ab. Der hob aufmerksam den Kopf. "Liron",wiederholte er noch einmal und der Junge nickte als hätte er verstanden. Nun wanderte der Finger und deutete auf den Delore. Einen kurzen Moment zögerte der Junge, dann hob er den Arm und deutete auf sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)