Chihiros Rückkehr ins Zauberland von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Ein Aufbruch mit Hindernissen ---------------------------------------- Das monotone Geräusch eines fahrenden Zuges erfüllte den Innenraum des Waggons. Die Insassen waren durchsichtige Geistergestalten, nur Haku und sie waren, ihrer Meinung nach glücklicherweise, faserfest. Chihiro blickte schläfrig aus dem Fenster, hinaus in den rosa verfärbten Himmel eines späten Nachmittags, welcher von goldenen Steifen durchzogen war. Dass sie, ein Mensch, unter lauter Schattengeistern war, schien keinen zu interessieren. Chihiros Gedanken schweiften unweigerlich zu Zenibas Haus und was noch vor einigen wenigen Stunden geschehen war, ab. „Es gibt noch einige wichtige Dinge zu klären.“, mit diesen Worten führte Haku sie in Zenibas altbekannte große Küche, in der sie von der alten Hexenmeisterin und dem Ohngesicht schon erwartet wurden. Haku drückte sie förmlich auf die Sitzbank und setzte sich ihr gegenüber auf Zenibas Seite. Er faltete bedächtig die Hände. Chihiro war zu verwirrt, um erwartungsvoll zu sein. Hakus ruhige Stimme durchbrach die ernste Stille. „Wir werden bald mit dem Zug aufbrechen, um…“, er zögerte für einen Moment, „einer gewissen Bekannten einem Besuch abzustatten. Wie gesagt, ich hege die Vermutung, dass sie dir weiterhelfen könnte.“ Zeniba nickte. „Es kann schließlich nicht sein, dass es keine Verbindung mehr zu deiner Welt gibt. Das ginge wider jegliche Vernunft, schließlich war die Geisterwelt bisher stets an die Menschenwelt gebunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es plötzlich anders sein soll.“, ergänzte die Hexenmeisterin. Chihiro starrte sie an, doch ihre Gedanken blieben unausgesprochen. Zeniba kam ihr zuvor, als könne sie Gedanken lesen. „Nur weil ich dir keinen Aufschluss darüber liefern kann, muss es noch lange nichts zu bedeuten haben. Ich habe mich bisher kaum mit der Menschenwelt beschäftigt. Da ist es kein Wunder, dass ich nicht weiter weiß.“, erklärte sie schulternzuckend. Eine Hexenmeisterin beschäftigt sich logischerweise nun mal mit Magie. Dass Zeniba diese in der Geisterwelt zuhauf fand war nur natürlich. Die Menschenwelt war in dieser Hinsicht deutlich uninteressanter. „Verstehe.“ „Die Geisterwelt besteht durch und durch aus Magie, die nicht nur zum Guten eingesetzt wird. Für Menschen ist diese Welt geradezu tödlich “, ergriff Haku wieder das Wort, „denn sie ist eine Aneinanderkettung unzähliger Bedrohungen: Banne, Flüche, optische Täuschungen,…“ Haku fing an mit den Fingern aufzuzählen. „Nicht zu vergessen all die Dämonen und bösartige Geister. Sie sind zumeist Menschenfresser, die oftmals selbst die Seele ihres Opfers verschlingen.“, warf Zeniba ein. Chihiro hörte wie gebannt zu. Zwar hatte sie sich schon gedacht, dass es gefährlich werden könnte, aber dass sie auf so viele Gefahren achten musste, hätte sie nicht für möglich gehalten. Zenibas Erzählung ihrer eigenen Erlebnisse spukten immer noch wie ein unglaubwürdiges Märchen in ihrem Kopf herum. Hatte sie damals tatsächlich so viel Courage gehabt? Es war eher bloße Naivität gewesen, sonst nichts. „Wie du selbst siehst, müssen wir Vorbeugungsmaßnahmen ergreifen. Eine davon ist bereits dein Haargummi.“ Chihiro tastete unwillkürlich nach dem lila glänzenden Haarschmuck, welcher eher nach einem gewöhnlichen nützlichen Schmuckstück aussah, als nach einem magischen Gegenstand. „Es ist bereits von starker Magie, aber ich fürchte es reicht nicht aus.“ Haku blickte zu Zeniba, welche zustimmend nickte. „Zwar hängt nicht nur meine Magie daran, aber…nein, das reicht wirklich nicht aus. Diese Welt ist viel gefährlicher geworden…“ Der ehemalige Flussgott schaute Chihiro eindringlich an. „Ich schätze ich werde nicht drum herum kommen, dich zusätzlich mit einem Bann zu belegen.“ Die Angesprochene zuckte innerlich zusammen. „Meine Magie wird wie ein Schutzschleier wirken. Man wird denken, du wärst ein Geist, wie die meisten auch.“, erklärte er um sie zu beruhigen, „Es handelt sich sozusagen um eine magische Aura, die aus einem Teilstück meiner Magie besteht.“ Chihiro starrte ihn verständnislos an. „Eigentlich ist es nur eine harmlose Illusion.“, ergänzte er und noch ehe Chihiro erleichtert aufatmen konnte, fügte ihr Gegenüber an: „Bliebe nur noch ein Problem…“ Und sein Blick glitt erwartungsvoll zu Zeniba. Die alte Hexe schüttelte seufzend den Kopf. „So wie ich das sehe, wird es auch weiterhin ein Problem bleiben.“ Chihiro blinzelte, als der Zug kurzzeitig ruckelte und schon im nächsten Moment schüttelte sie den Kopf über sich. All diese Ermahnungen vor den Gefahren, die sie ereilen könnten, hatten sie wohl doch mehr erschreckt als sie es zugeben wollte. Aber andererseits sollte sie das alles nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schützende Maßnahmen hin oder her. „Chihiro ist und bleibt ein Mensch.“, erinnerte sie sich Zeniba sagen, „Selbst wenn sie magische Fähigkeiten besitzen würde , was ja nicht auszuschließen wäre, würde es dennoch nicht genügen. Man denke zum Beispiel an versteckte Magie… So etwas erkennen manchmal nicht einmal Götter.“ Chihiro versuchte sich vorzustellen, was das zu bedeuten hatte und in wie vielen Ebenen man denken musste. Alles war so furchtbar kompliziert… „Am besten wäre es, wenn sie immer in deiner Nähe bleiben würde. Auf sie aufzupassen, ist alles was mir dazu einfällt.“, sprach Zeniba zu Haku, welcher nur geistesabwesend nickte. Was daraufhin folgte war weniger spektakulär als Chihiro es sich ausgemalt hatte. Haku legte lediglich zwei Finger auf ihre Stirn, murmelte leise etwas was sie akustisch nicht verstehen konnte und schon war es vorbei. Sie hatte gar nichts gespürt und doch lag nun ein Bann auf ihr. Es war erschreckend, wie unauffällig so etwas vonstatten ging. Chihiro versuchte vergeblich eine Veränderung in sich auszumachen. „Dann bliebe nur noch die Kleiderfrage.“, sagte Zeniba und musterte Chihiros lila Schuluniform, welche einen recht ungewöhnlichen Schnitt in den Augen der Hexenmeisterin besaß. „Dieses Kleidungsstück ist viel zu auffällig. Je weniger du auffällst, desto besser wäre es für dich.“ Chihiro zuckte mit den Schultern und wartete ab, worauf Zeniba hinauswollte. „Du brauchst etwas Traditionelleres.“ Chihiro hob eine Braue. „Etwa einen Kimono?“, fragte sie einwenig ungläubig. Ihre Befürchtungen wurden jedoch nur zur Hälfte bestätigt. „Ich hatte da eher an eine gekürzte Version eines leichten Yukatas gedacht. Schließlich musst du ja darin reisen.“ Da der Aufbruch rapide näher rückte, blieb Chihiro keine Zeit für eine müßige Auswahl ihrer neuen Kleidung. Letztlich verblieb sie mit einem kurzen braunen Yukata, der mit ihrer Haarfarbe gut harmonierte, einem einfachen Obi, weißen Tabi und hohen Geta, wobei Zeniba ihr versichern musste, dass diese Geta keine Gewöhnlichen seien und Chihiro sich darauf verlassen konnte in ihnen ohne Probleme längere Strecken zu bewältigen. Schlussendlich wurde ihr im letzten Augenblick ein roter Haori, dessen Länge die des Yukatas übertraf, in die Hand gedrückt. Wegen des ganzen Stresses fiel ihr erst viel später auf, dass sie somit eine Signalfarbe trug. Die Neueingekleidete schüttelte lediglich den Kopf über diese Unauffälligkeit und tröstete sich damit, dass der Haori wenigstens farblich gut zu ihren restlichen neuen Anziehsachen passte. Noch ehe der Zug einen langen Tunnel passiert hatte, ging wieder ein Ruckeln durch den Waggon, doch nun ein viel Stärkeres als zuvor. Instinktiv hielt Chihiro sich am Polster fest, aber nicht fest genug, denn als der Zug mit einer abrupten Notbremsung zu stehen kam, wurde sie regelrecht gegen ihren Sitznachbarn geschleudert. Den übrigen Fahrgästen erging es ähnlich. Ein aufgebrachter Stimmenwirrwarr ging durch die sich aufrappelnde Menge. „Ist dir etwas passiert?“ Hakus ruhige Stimme holte sie aus ihrem Schockzustand wieder zurück. „Ähm, nein.“, antwortete sie und ließ augenblicklich seinen Suikan los, an dem sie sich geradezu festgekrallt hatte. Noch ehe sie etwas ergänzen konnte, ging eine Meldung des Zugführers durch die Waggons. Alles was sie noch verstehen konnte, war dass der Zug irgendeinen Defekt habe und vorerst nicht weiterfahren könne. Die Fahrgäste wurden gebeten auszusteigen, sofern ihr Ziel die nächste Stadt sei, die zu Fuß schnell zu erreichen war. Der Rest müsse sich darauf einstellen, dass die Reparaturen Stunden dauern könnten. Unter Entschuldigungen brach die hektisch gesprochene Meldung ab. „Auch das noch.“, murmelte Haku verärgert und hob mit Leichtigkeit Chihiro von sich, um ebenfalls aufzustehen. Chihiro hatte nicht einmal Zeit gehabt sich gänzlich vom Schock zu erholen, schon überrumpelte er sie: „Wir gehen.“, entschied er. „Wie das? Ich dachte, dass wir bis mindestens morgen Früh fahren müssten.“ Sie musste erst einmal ihre durcheinander geratenen Gedanken sortieren. Außerdem hatte sie das Gefühl, als würde sich der Raum um sie herum drehen. Währenddessen griff er nach der kleinen Reisetasche von Zeniba, nahm Chihiro mit der anderen Hand am Handgelenk und führte sie zum Ausgang. „Ich erkläre es gleich… Vorsicht, Stufen.“ „Hier ist es so dunkel … man sieht kaum die Hand vor Augen.“, begann Chihiro ein Selbstgespräch, als sie nach dem Ende des modrigen Tunnels suchte. Nachdem sie ausgestiegen waren, fiel zu allem Überfluss auch noch das Licht im Zug aus, was sowohl für Unruhe im Zuginneren als auch Draußen sorgte. Sie konnte Haku gerade mal schemenhaft erkennen und zwischen Zug und Tunnelwand war auch noch nicht gerade viel Platz. Bei solchen „idealen Voraussetzungen“ blieb ihr nur zu versuchen Haku mit außerordentlicher Vorsicht zu folgen und inständig zu hoffen nicht wie ein ungeschickter Trampel zu stolpern. Allerdings schien der Tunnel kein Ende zu nehmen, obwohl Chihiro sich nun sicher sein konnte, dass der Zug schon weit hinter ihnen liegen müsste, da sie seit einiger Zeit viel mehr Platz um sich herum hatte. Dennoch wurde der Lichtpunkt vor ihr nicht mal ansatzweise größer. „CHIHIRO!“, Hakus laute Stimme ließ die Angesprochene unvorbereitet erschrocken aufzucken. „Wa-?“, schon hatte Haku ihr einen Finger auf die Lippen gelegt. Es herrschte eine seltsame Stille. „Dachte ich’s mir doch.“, murmelte er nach kurzer Zeit. Chihiro war verwirrt. Was bezweckte er damit? Sie rechnete schon damit wieder in völliger Ungewissheit gelassen zu werden, doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Der Tunnel ist in Wirklichkeit nicht so lang, wie er scheint.“, stellte er fest. „Es handelt sich lediglich um eine Illusion.“ Chihiro hob eine Braue. „Ich verstehe nicht.“ „Die Illusion verzerrt das Blickfeld erheblich und sorgt dafür, dass man kaum vom Fleck kommt. Eine wirklich tückische Magie, ich habe mich gleich gewundert.“ „So sehr, dass du, nein, besser gesagt wir , es gleich ausprobieren mussten?“, erriet sie mit gereizter Stimme. „Hier stimmt was nicht und das gefällt mir überhaupt nicht... Jedenfalls bin ich der Meinung, dass wir so schnell wie möglich hier raus müssen.“ „Und wie sollen wir das anstellen? Wie es aussieht sitzen wir in einer Falle!“ Innerlich verfluchte Chihiro gerade die ganze Situation. „Und überhaupt, wie hast du das alles erkannt?“, murmelte sie vor sich hin, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Was könnte er ihr schon sagen? Erfahrung? Intuition? Wie konnte sie schon verstehen, wie man hier überlebte? „Fällt dir nichts auf, wenn du redest?“ Chihiro zuckte mit den Schultern. „Was sollte mir schon auffallen?“ „Findest du es nicht seltsam, dass es kaum Echos gibt?“ „Jetzt wo du es sagst…“ „Und wenn es kaum einen Widerhall gibt, dann kann der Tunnel nicht lang sein. Konzentriere dich auf irgendwas, aber schau nicht in den Lichtpunkt. Dann müssten wir bald hier raus sein.“ Chihiro blieb also nichts anderes übrig als Hakus Rat zu befolgen. ‚Die Reise hat ja blendend angefangen.’, seufzte sie missmutig in Gedanken. ------------------------------------------------------------------------------- Ersteinmal vielen Dank für die Kommis! Ich habe mich wie immer riesig gefreut! Das ist immer meine größte Aufmunterung! Ansonsten bleibt mir nur ein erleichtertes Aufseufzen. Nach einer halben Ewigkeit habe ich endlich wieder was zustande gebracht. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich sage nur: Stress und völlige Unzufriedenheit. Bin ich froh, dass das Kapitel endlich so geworden ist, wie es hätte vor langer Zeit werden sollen! Ich hoffe, es gefällt euch Lesern auch. Fast hätte ich einige Begriffserklärungen vergessen: Geta: Holzschuhe mit hohen Sohlen Haori: ein Übergewand, eine Art Kimonojackett Obi: ein breiter Gürtel für den Yukata Tabi: Socken mit abgeteiltem großen Zeh Yukata: hier ein leichter Sommerkimono Bis zum nächsten Mal! PS: Weiß jemand wie ich diese schrecklichen Leerseiten wegkriege? Mich hat fast der Schlag getroffen, als ich es entdeckt habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)