Die Diener der Dunkelheit von Zeras ================================================================================ Kapitel 20: Der uralte Kampf ---------------------------- Als Flilia und Xellos vor Shabranigdos Festung ankamen, sah alles noch so aus, wie sie es verlassen hatten. Über einem Durcheinander aus gesprengtem Stein türmten sich Schneeberge und Splitter und Geröll lagen überall verstreut. „Dir ist bewusst, dass sie uns wahrscheinlich wieder angreifen wird?“, warnte Xellos, als sie vor dem Eingang zu der Arena standen. „Keine Sorge“, erwiderte Filia. „Ich habe einen Plan.“ „Ach ja?“ fragte Xellos milde besorgt. Aber da fasste Filia schon seine Hand und ließ einen dünnen Faden heiliger Magie von sich über ihre verschlungenen Finger zu Xellos fließen. Dort fächerte sie ihn auf und zog ein dünnes, mattgoldenes Tuch über seine gesamte Astralgestalt. Xellos hob fragend eine Braue. „Mir wird langsam schlecht“, bemerkte er und tatsächlich sah seine Haut ein wenig grünlich aus, obwohl das Tuch in der physischen Welt unsichtbar blieb. „Stell dich nicht so an“, gab Filia ungerührt zurück. „Du weißt doch noch, wie sich Ceelias Magie regelrecht in dir verbissen hatte? Nun, bei mir konnte sie das nicht. Wenn ich also dein Shouki mit einer Barriere aus heiliger Magie überziehe, dann gleitet Ceelia daran ab, so wie auch Rahbas dir nichts hatte antun können, und das Problem ist gelöst.“ Zumindest hoffte sie das. „Verbissen“, wiederholte Xellos nachdenklich. „Genauso hat auch Rahbas Angriff auf mich funktioniert.“ Sie sahen einander an. „Tja“, meinte Xellos schließlich. „Wenn wir noch einen Beweis für eine Verbindung zwischen den beiden gebraucht hätten, dann wäre das es gewesen. Lass uns das hier besser hinter uns bringen, bevor mir noch mehr unangenehme Gemeinsamkeiten einfallen.“ „Lass mich nicht los“, warnte Filia. „Oder der Schild bricht.“ Bei ihren letzten Worten hatte sie Xellos schon auf den Mosaikboden hinaus gezogen. Langsam stapften sie auf die Mitte zu und hinterließen tiefe Eindrücke im Schnee. Der Himmel war klar, die Sonne schien und trotzdem war der Wind eisig. Alles wirkte, wie in ewiger Kälte erstarrt. Hoch über ihnen zog ein Falke einsam seine Kreise. „Willkommen zurück“, sagte plötzlich jemand hinter ihnen und sie wirbelten herum. Da stand Ceelia und wirkte überaus verstimmt. „Wie ich sehe, hast du meiner Warnung kein Gehör geschenkt“, bemerkte sie und ließ den Blick auf den verschlungenen Händen der beiden ruhen. „Wirklich, willst du denn so sehr, dass wir Feinde werden?“ „Ceelia“, sagte Filia erleichtert. „Wir müssen mit dir reden.“ „Auch wenn dieser Schutz es mir schwerer macht ihn anzugreifen, wärst du selbst doch noch ein leichtes Ziel“, bemerkte Ceelia ungerührt. „Muss ich dir das jetzt erst beweisen?“ „Es geht um Rahbas“, mischte sich da Xellos ein. „Du weißt…“ Er ließ den Satz verebben, denn noch während er gesprochen hatte, war Ceelias Blick starr geworden und sie war ohne ein weiteres Wort im Boden der Festung versunken, so als hätte der Stein sie geradewegs verschluckt. „Diese Reaktion war eindeutig“, bemerkte Xellos trocken. „Komm schon“, sagte Filia und zog ihn mit sich zu der Stelle, auf der Ceelia gerade gestanden hatte. Xellos knallte fast zu Boden, als sie sich abrupt hinzuknien versuchte. Am Ende hockten sie nebeneinander und suchten auf der Astral Side nach einer Spur von Ceelia, um ihr folgen zu können. Leider kam Filia nicht weit, denn ihren Augen zeigte sich die massive Wand aus verseuchter Magie, die sie auch schon beim letzten Mal daran gehindert hatte, mehr über die Festung herauszufinden. „Und wieder stehen wir vor einer Sackgasse“, sagte sie frustriert. „Das würde ich nicht so bezeichnen“, bemerkte Xellos neben ihr vergnügt. Filia wandte sich zu ihm um und sah gerade, wie er seine freie Hand ein Stück weit in den See aus Magie einsinken ließ. Seine Bewegungen waren langsam, so als müsse er gegen einen Widerstand ankämpfen, aber er bahnte sich ganz eindeutig einen Weg. „Wie machst du das?“ fragte Filia fasziniert. „Ich glaube, das habe ich dir zu verdanken“, meinte Xellos ruhig. „Schau mal.“ Auf sein Drängen sah Filia noch etwas genauer hin und bemerkte dann, dass die heilige Magie, die sie um Xellos strömen lies, an dessen Hand verflossen war und mit dem Shouki an Xellos Fingerspitzen vermischt. Es hatte ungefähr die gleiche Konsistenz, wie die Magie unter ihnen. „Wenn wir eine Art Schild um uns errichten und unsere Magie darin vermischen“, meinte Xellos „dann lässt uns die Barriere vielleicht durch.“ „Meinst du, dass das eine so gute Idee wäre?“ fragte Filia zweifelnd. „Das hieße, wir müssten vermischte Magie ganz gezielt benutzen. Ich weiß nicht, ob ich das kontrollieren könnte.“ „Es ist nicht so, als ob wir eine Wahl hätten“, erwiderte Xellos. „Und du musst auch nichts anderes machen, als mir deine Magie zu überantworten. Ich werde mich darum kümmern, sie im Zaum zu halten.“ Er stand wieder auf und zog sie mit sich hoch. Dann legte er einen Arm um ihre Schultern und zog sie in eine leichte Umarmung. Filia schloss die Augen und ließ ihre Magie aus sich und um sie und Xellos fließen, wo sie sich mit seiner eigenen vermischte. Es war kein besonders angenehmes Gefühl, aber es schien zu funktionieren. „Jetzt“, flüsterte Xellos und dann sackten sie plötzlich nach unten durch den Boden, so als würden sie von Treibsand verschluckt. Mit einem Mal war alles um sie dunkel. Eine Schwärze umschloss sie, von goldenen Schlieren durchzogen, die glitzerten und sich bewegten, wie tausende Schlagen. Sie hatten das Gefühl eine kleine Ewigkeit durch diesen Ozean zu gleiten, dann öffnete sich ein Raum unter ihnen und man konnte wieder etwas sehen. „Das ist der Ort, an dem ich war, als ich aufwachte“, meinte Xellos fasziniert. Filia schluckte. „Mir kommt er auch bekannt vor“, sagte sie, denn was sie vor sich sahen, glich frappierend dem Kristallgefängnis, in das Rahbas sie beide fast eingesperrt hätte. Anstatt einer Kristallstruktur erinnerte das Muster hier mehr an Bienenwaben, aber es war doch ganz eindeutig ein ähnlicher von ihrer normalen Dimension abgekapselter Raum. ‚Ob sie wohl einmal verbunden waren?’, fragte sich Filia plötzlich. „Warum nur“, sagte da eine traurige Stimme vor ihnen „musstet ihr euch einmischen?“ Vor ihnen schwebte Ceeila in der Mitte der Sphäre und sah Filia anklagend an. Sie erinnerte sich, wie neugierig und erfreut Ceelia bei ihrer letzten Begegnung gewesen war, aber nun war sie sehr ernst. „Wir müssen etwas wissen“, sprach Filia sie an. „Wir müssen wissen, wer Rahbas ist und was er mit dir zu tun hat. Warum hast du angst vor ihm?“ „Ich fürchte ihn nicht“, sagte Ceelia verbissen. „Er wird mir nämlich gar nichts tun. Er hätte mich schon vor hunderten von Jahren töten können und hat es doch nie getan. Das wäre ihm nicht genug gewesen.“ „Ich weiß nicht, was du vor hast“, sagte Xellos da zu ihr „oder auf wessen Seite du stehst. Aber du wirst uns sagen, was wir wissen wollen, dass garantiere ich dir.“ Filia stieß einen Ellebogen zurück und traf Xellos in den Rippen. „Benimm dich gefälligst“, fauchte sie. „Oder willst du es uns extra schwer machen etwas zu erfahren?“ „Er ist ein Mazoku“, sagte Ceelia. „Er genießt es mir zu drohen. Aber auch er macht mir keine angst.“ Plötzlich klatschte sie in die Hände und als sie die Handflächen wieder voneinander löste, schoss eine Schlange daraus hervor und direkt auf Xellos Kopf zu. Er wich schnell zur Seite aus, aber die Schlange drehte sich in der Luft und verfolgte ihn. Knapp bevor sie Xellos erreichte, schlug plötzlich ein heller Lichtstrahl in ihre Seite und sie zerstob. Xellos sah auf Filia hinab, die während er geflohen war, einen heiligen Zauber gewirkt hatte. ‚Gemeinsam?‘ fragte er sie. Er sah sie nicken und dann zogen sie wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, die verbundene Magie, die sie als Schild über ihre Körper gezogen hatten, vor sich zusammen und schleuderten sie nach Ceelia. Ceelia wollte ausweichen, doch Xellos hatte noch einen Trick auf Lager. Plötzlich zog er an dem Magieball, mit dem er noch verbunden war, und da faltete dieser sich wieder auf und gewann in sekundenschnelle die Netzform zurück, die über ihren Körpern gelegen hatte. Das Netz fiel auf Ceelia herab und riss sie hinab auf den Grund der Sphäre. Xellos ließ sich mit Filia hinterher fallen und sie landeten am Außenrand der sechseckigen Wabe in der Ceelia lag und zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Das glaub ich nicht“, jammerte sie entrüstet. „Wie konnte das passieren? Diese Magie, wieso könnt ihr auch…“ „Meine liebste Ceelia.“ Galant beugte Xellos sich zu ihr hinab. „Du wirst hier nicht wegkommen, ehe du ausgepackt hast.“ Er war bester Laune und Ceelia funkelte ihn an. Filia seufzte resigniert. Xellos hegte wohl einfach einen noch zu großen Groll gegen Ceelia um professionell an die Sache heranzugehen. Immerhin war Ceelia dafür verantwortlich, dass er praktisch ohnmächtig geworden war. Das war schon eine Schande. Filia unterdrückte ein Grinsen. Sie schob Xellos zur Seite und kniete sich neben Ceelia hin, die es inzwischen geschafft hatte sich aufzusetzen. Allerdings hatte sich das Netz, dass Xellos und Filia geworfen hatten, so sehr mit dem Wabenboden verklebt, dass sie keine noch so kleinen Zipfel davon gelöst bekam. In dieser mächtigen Magie war sie völlig gefangen. Ceelia blies die Backen auf, warf den Kopf herum und sah demonstrativ von Filia weg. „Ceelia“, sagte Filia sanft. „Du kannst Rahbas doch gar nicht leiden. Er ist ein Mazoku und du magst Mazoku nicht. Das hast du mir doch selbst gesagt.“ Ceelia zuckte leicht zusammen. „Warum deckst du ihn dann?“ fragte Filia weiter. „Ist das wirklich das, was du willst?“ „Was ich will“, sagte Ceelia ruhig „spielt da überhaupt keine Rolle.“ Sie drehte sich zu ihr herum. „Na gut“, meinte sie schließlich. „Ich habe ja wirklich nichts für ihn übrig, obwohl ich für ihn kämpfen werde und dann werde ich so weit weg sein, dass du mich nicht mehr erkennst und ihr sicher sterben werdet. Aber wenn du es so sehr wissen möchtest, dann lasse ich dich es verstehen.“ Und dann klatschte sie ganz unvermittelt wieder in die Hände, die aber diesmal leer blieben. Stattdessen begann das Wabenmuster um sie herum weiß aufzuleuchten. Immer wieder erloschen ein paar Waben, während andere zu gleißen begannen. Der Wechsel wurde immer schneller und schneller und dann leuchteten alle Waben auf einmal auf und erfüllten Filias Sichtfeld mit einem makellosen Weiß. Für einen Moment fühlte sich Filia, als würde sie schweben, als gebe es kein oben und unten mehr, nur noch diese weiße Leere. Doch dann spaltete das Weiße sich mit einem Mal auf und zerbrach in tausend Farben, wie ein Prisma, in das plötzlich Licht fällt. Sie tauchte ein in ein wirbelndes Meer aus Farben, die zitterten und flatterten wie ein riesiger Vogelschwarm. Ihre mit Xellos verschlungene Hand war ihr einziger fester Punkt, während sie durch dieses vielfarbige Nichts fielen, bis die Farben plötzlich aufrissen und den Blick auf eine weite Szenerie unter einem Gewitterhimmel freigaben. Es blitzte und donnerte im Sekundentakt und auch sonst machte die Landschaft den Eindruck, als befände man sich am Ende der Welt. Alles schien ohne jegliches Leben zu sein, bis auf zwei mächtige Gestalten in der Ferne. Der eine war ein riesiger Drache mit vier, acht, zwölf paar Flügeln, einem gewaltigen Körper, scharfen Krallen und Zähnen und glänzenden Schuppen, die einer Rüstung glichen. Sein Anblick war Furcht erregend und fantastisch zugleich. Ihm gegenüber erhob sich ein Ungeheuer, genauso riesig, mit furchtbaren roten Augen, mächtigem Kiefer und Krallen und einer Angst gebietenden Gestalt. „Shabranigdo“, flüsterte Xellos im gleichen Moment da Filia „Ceiphied“ rief. Da waren sie, die beiden uralten Kontrahenten. Plötzlich geschah etwas Seltsames. Shabranigdo öffnete sein riesiges Maul, in dessen Tiefe ein Energieball entstand, doch er zielte nicht auf Ceiphied, sondern hoch in die Luft. Das rote Licht brach aus seinem Schlund hervor und verdichtete sich sofort bis es ein kleiner roter Punkt in der Ferne war. Das rote Glühen erzitterte und dann schoss es plötzlich davon an Shabranigdo und Ceiphied vorbei und in die Welt hinaus. Ceiphied wandte den Schädel und schickte ihm ein Brüllen nach, das die Luft selbst erzittern ließ, und sie zitterte und zitterte immer mehr, bis sie sich in einem Blitz entlud, der selbst aber nicht verging. Er dehnte sich in die Länge und zog sich dann zusammen zu einem strahlenden Lichtpunkt, der dem roten Glühen nachjagte. Plötzlich zog sich die Szenerie um Xellos und Filia zusammen und sie wurden nach vorn gezogen. Sie schossen an Ceiphied und Shabranigdo vorbei, die sie nicht beachteten, den beiden Lichtern hinterher, die sich über Ebenen und Berge, über Seen und Ozeane hinweg jagten. Die Bilderflut versiegte erst, als sie ein Gebirge erreichten, dessen Wipfel mit weißen Hauben gekrönt waren. Auf dem höchsten dieser Bergspitzen stand eine große Frau in einer glänzenden Rüstung. Ihr schwarzes Haar flatterte im Wind und ihr Blick wanderte suchend umher, wie der eines Falken. Plötzlich verengten sich ihre Augen zu Schlitzen und sie stürzte sich auf ihre Beute herab, die sie erspäht hatte, das rot glühende Wesen weit unter sich. Mit jedem Meter, den sie fiel, wurden seine Konturen deutlicher, seine Gesichtszüge erkennbar und dann konnte man ganz genau Rahbas zum Angriff gekrümmte Gestalt erkennen. Er sprang auf die Frau in der Rüstung zu und sie begannen einen langen und brutalen Kampf miteinander. Die beiden Kämpfer machten das ganze Gebirge zu ihrer Arena und keiner gewann die Oberhand. Doch schließlich, auf einem nur allzu bekannten Gebirgshang, sauste die Frau ein letztes Mal auf Rahbas hinab und als sie ihn erfasste, ging ein strahlendes Licht von ihr aus und umschloss ihn und sie selbst, bis sie von einer weiten leuchtenden Kuppel umgeben waren. Sie strahlte immer heller, bis sie aufflammte wie ein Blitz und dann plötzlich erlosch und ein unberührt scheinendes Felsplateau zurückließ. Von den beiden Kämpfern jedoch war keine Spur mehr zu sehen. Für einen Moment war Filia verwirrt, doch dann stürzte ihr das Plateau entgegen und als sie die Höhe erreichte, an der sich die Kuppel befunden hatte, wechselte plötzlich das Bild. Dort wo sich eben noch nur kahler Fels befunden hatte, erschien nun plötzlich die Festung, Shabranigdos Festung, ganz genau so, wie Filia sie bei ihrem ersten Besuch vorgefunden hatte. Doch sie fielen immer noch, jetzt durch den Boden der Arena hindurch in ein leuchtendes Geflecht, einen vielgestaltigen Kristall, eine riesige Wabe; und in der Mitte dieses Raumes, der tatsächlich ein Gefängnis war, standen die beiden Kämpfer und belauerten sich. „Warum hast du das getan?“ brüllte Rahbas die Frau in der Rüstung an. „Du hast uns beide hier für immer eingesperrt!“ „Mein Auftrag lautet dich aufzuhalten“, antwortete sie ruhig. „Und wenn ich dich nicht töten kann, dann muss ich dich wenigstens einsperren.“ Rahbas schrie auf und stürzte sich auf sie und ihr Kampf setzte sich fort, Woche um Woche, Jahr um Jahr, bis seine Klaue schließlich ihre Brust durchbohrte. Dunkles Blut breitete sich aus, während sie am Boden lag. „Glaub nicht“, sagte Rahbas mit einem boshaften Grinsen und drehte die Hand in ihrer Wunde „dass ich dich einfach sterben lasse. So leicht lasse ich dich nicht davon kommen. Ich werde meine Rache dafür haben, dass du mich hier eingesperrt hast. Ceelia.“ Ein Funken Irrsinn schien in seinen glitzernden Augen aufzuleuchten. Sein Arm begann rot zu glühen und dieses Glühen breitete sich von ihrer Wunde über Ceelias ganzen Körper aus. Ihre Augen, die sich zuerst müde hatten schließen wollen, wurden verwirrt aufgerissen. Aus der Verwirrung wurde Angst, dann Panik und dann mit einem Mal Apathie, während sich ihre Iris von einem dunklen braun in ein helles blau verfärbte. Ihr kurzes Haar wurde lang und hell, so als wäre die Farbe daraus ausgelaufen, ihr Körper wurde zierlicher und ihre Wunde schloss sich. Schließlich zog Rahbas seine Hand zurück und es erhob sich die Ceelia, der auch Filia und Xellos auf Shabranigdos Festung begegnet waren. Sie sah Rahbas an und dann wandte sie sich um und blickte direkt in Xellos und Filias Augen. „Rahbas sollte Leid über alle Lebewesen bringen“, erzählte sie mit ihrer sanften, hellen Stimme, die so anders war, als der feste Klang der Frau in der Rüstung, die sie zuvor gewesen war. „Das Leid wollte Shabranigdo trinken und so seine Macht stärken und Ceiphieds Licht schwächen. Doch Ceiphied erschuf mich, damit ich Rahbas aufhalte, und weil ich ihn nicht töten konnte, sperrte ich ihn stattdessen ein um den Preis meiner eigenen Freiheit. Und Rahbas besiegte mich schließlich von seiner Wut getrieben in unserem gemeinsamen Gefängnis. Er raubte mir meinen freien Willen und machte mich zu seiner Dienerin.“ Während sie sprach verschwammen ihre und Rahbas Konturen. Sie wurden heller und heller bis nur noch Ceelias helle Augen wie zwei blaue Sterne an einem weißen Himmel leuchteten, um dann ebenfalls zu verglühen. Schließlich ganz von Helligkeit umschlossen, schienen Ceelias Worte von allen Seiten in ihre Ohren zu dringen. „Aber dann geschah etwas Unvorhergesehenes, etwas das ich nicht erahnen konnte. Eine tiefe Erschütterung ging durch die Astral Plane und beschädigte unser Gefängnis. Es verband sich daraufhin mit einem instabilen Ort in dieser Welt. Rhabas war frei. Ich, die ich durch das Siegel mit der physischen Welt verbunden war, konnte jedoch immer noch nicht gehen. Aber Rahbas versprach mir, zu dem Siegel in der physischen Welt zu gehen und es zu zerstören, damit ich ihm weiterhin dienen kann. Jedoch hatte sich diese Welt in all den Jahrtausenden sehr verändert und Rahbas wusste nicht, wo er war und wo er mich suchen sollte. Aber er hatten Glück, denn nahe dem Eingang zu unserer Sphäre hatten sich einige Mazoku versteckt. Sie berieten darüber, welchem von drei Meistern, die sie Mazoku Lords nannten, sie sich anschließen sollten, da ihr eigener besiegt worden war. Rahbas überwältigte sie und zwang ihnen seinen Willen auf, wie er es schon mit mir getan hatte, damit sie für ihn nach mir suchen. Und so warte ich hier, bis er mich findet. Ob ich will oder nicht, das wird mein Schicksal sein.“ Ihre Stimme wurde leiser. Gleichzeitig wurde die Helligkeit immer intensiver, bis sie sich in ein gleißendes Weiß verwandelt hatte und Filia die Augen schließen musste, um nicht zu erblinden. Ein Blitz leuchtete hinter ihren Augenliedern auf, so dass lauter dunkle Flecken auf ihrer Netzhaut tanzten. Als das Leuchten wieder abnahm und das Geräusch von Wind und knirschendem Schnee in ihre Ohren zu dringen begann, öffnete sie die Augen. Sie saß neben Xellos im Schnee in der Mitte der Arena. Ein wenig Puderschnee fiel vom Himmel auf sie herab und es war niemand zu sehen außer ihnen beiden. Einen Moment saßen sie still nebeneinander und waren noch ganz überwältigt von den Bildern, die eben auf sie eingeprasselt waren. Dann sprang Xellos auf und zog Filia mit sich hoch und mit schnellem Schritt aus der Festung heraus. „Ich muss sofort zur Höllenstadt zurückkehren“, sagte er dabei „und Meisterin Zeras hiervon berichten. Wenn das wahr ist, was wir gesehen haben, dann ist das alles wesentlich gefährlicher als wir dachten.“ „Und was ist mit mir?“ fragte Filia. „Ich muss doch auch mit.“ „Nein“, sagte Xellos entschieden. „Allein bin ich schneller. Außerdem muss jetzt jemand hier bleiben, um Ceelia zu bewachen.“ Sie hatten die Arena inzwischen hinter sich gelassen und hielten zwischen zwei Schneewehen an. Xellos holte tief Luft, bevor er sagte: „Wenn Rahbas direkt von Shabranigdo geschaffen wurde, dann bedeutet das, dass er tatsächlich stärker sein könnte als wir.“ An der Art, wie er es sagte, merkte Filia, dass diese Möglichkeit Xellos bisher noch nie in den Sinn gekommen war. „Er darf auf keinen Fall auch noch Ceelia befreien. Alleine sind sie schon gefährlich genug, wer weiß, wozu sie gemeinsam fähig sind.“ „Ich bin doch viel zu schwach“, wandte Filia ein „um irgendeine Art von Hindernis für Rahbas darstellen zu können.“ Xellos trat vor sie hin und umschloss fest ihre Schultern. Durch die kleinen Wolken, die von ihrem warmen Atem aufstiegen, sah sie seinen ernsten Blick. „Du hast aber einen Vorteil“, sagte Xellos eindringlich. „Du bist kein Mazoku. Noch viel besser, du bist eine Ryuzoku. Dir kann diese gefährliche Umpolmagie von Rahbas nichts anhaben, weil du ein ganz und gar physisches Wesen bist. Und da ist noch etwas. Erinnerst du dich, wie ich dir bei unserem ersten Besuch hier von dem Schutzschild erzählt habe, der früher über dieser Festung gestanden hatte; der welcher von Ceiphied stammt?“ Filia nickte. „Er hatte die Festung vor euch verborgen“, sagte sie. „Genau und er ist nicht zerstört“, fuhr Xellos fort. „Er ist zusammengefallen und wahrscheinlich nicht mehr richtig intakt, aber vielleicht kannst du ihn trotzdem wieder aufstellen. Vielleicht kannst sogar nur du das machen. Ich denke, dieser Schild könnte Rahbas zumindest aufhalten, bis ich dir Verstärkung schicken kann.“ Durch ihren Umhang hindurch fühlte Filia, wie sich Xellos Druck auf ihren Schultern verstärkte. Wüsste sie es nicht besser, sie hätte gedacht, es bereite ihm Mühe sie hier zurückzulassen. Sie konnte sich ausrechnen, dass sein Plan im besten Fall riskant für sie sein würde, sollte Rahbas hier auftauchen. Aber was Filia betraf, so ging es hier sowieso nicht mehr um sie. Rahbas wollte die Shinzoku angreifen, er wollte eine Zeit der Dunkelheit über die Welt bringen und das konnte sie nicht zulassen, egal was es für sie bedeuten würde. Zum ersten Mal seit sie Greater Beast Zeras begegnet war, wusste sie wieder genau, was sie tun musste. „Geh schon“, sie legte eine Hand nachdrücklich über Xellos Finger. „Ich halte die Stellung bis du zurück bist.“ Er nickte erleichtert, lehnte sich dann plötzlich vor und küsste sie ganz unvermittelt. Vor Überraschung hielt Filia vollkommen still, bis er sich wieder von ihr löste. Er sah sie an, ernst und besorgt und völlig hin und her gerissen, und war dann fort und ließ sie allein zurück. Filias Gesicht war heiß und ihre Gedanken rasten. Sie atmete einmal tief durch, dann drehte sie sich um und ging in die Arena zurück. Sie stieg die Stufen der Seite der Tribüne hinauf, die noch intakt war, und setzte sich auf halber Höhe hin, nachdem sie den Stein unter sich von Schnee befreit hatte. Dann schloss sie die Augen und begann zwischen der verseuchten Magie nach dem Siegel zu suchen, das sie bei ihrem letzten Besuch gelöst hatte, um darin den Teilen zu folgen die mit einem anderen, tief versunkenen Teil von Ceiphieds Macht verbunden waren. *** Es dauerte einige Zeit, aber schließlich hatte Filia Ceiphieds Schild um die Festung errichten können. Sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht mehr so stark wie ursprünglich war und es kostete sie einiges an Konzentration, ihn aufrecht zu erhalten, aber trotzdem war er von Ceiphieds oder besser gesagt Ceelias Kraft durchzogen. Für einen kurzen Zeitraum, würde er ihr vielleicht Schutz bieten können. Sie erhob sich von ihrem Sitzplatz auf der Tribüne und stieg die letzten Stufen dort hoch, bis sie die hohe Brüstung erreicht hatte. Sie lehnte sich an eine der Schießscharten und sah hinaus auf den weiten Talkessel, der auch jetzt wieder von Wolkenfeldern verdeckt wurde. Jetzt da sie nur noch warten konnte, verstrich die Zeit quälend langsam. Wenn sie ihr Zeitgefühl nicht täuschte, müsste Xellos die Höllenstadt inzwischen wieder erreicht haben. Sie hoffte, dass er es schaffen würde, Zeras von der Gefahr, die von Ceelia ausging, zu überzeugen. Diese Aufgabe wollte sie bestimmt nicht mit ihm tauschen. Sie hatten ja schließlich eigentlich darauf gebaut vor Zeras zurück zu sein, aber dafür hatten sie wahrscheinlich zu viel Zeit in Ceelias Traumwelt verpasst. Wie gut, dass Xellos so gut darin war, sich aus Schwierigkeiten herauszureden. Filia fragte sich, warum er sie wohl geküsst hatte. Sie konnte keine Antwort finden. Sie sah noch immer in die trübe Landschaft hinaus, als sie ein Heulen durch das Tal jagen hörte und diesmal erkannte sie es sofort. Aufgeregt sprang sie auf die Brüstungsmauer und sah, wie zwei Wölfe auf dem Hang über der Festung aus der Astral Plane brachen und direkt auf das Festungstor zu rannten. Schnell öffnete sie einen Teil des Schutzschildes für sie, um sie hereinzulassen. Sie teleportierte vor den Eingang und Kesharo sprang ihr wild gegen die Beine und riss sie fast um. Sie zog die Finger durch sein Fell. ‚Filia, was machst du hier?’ knurrte Askura. ‚Wo ist Xellos?’ „Was meinst du?“ fragte Filia erschrocken. „Hat er euch denn nicht geschickt?“ ‚Die Mazoku in der Höllenstadt haben gehört, dass ihr hierher wolltet’, erwiderte Askura eindringlich. ‚Aber ihr hattet keine Befugnis dazu und seid trotzdem gegangen. Warum hat Xellos das gemacht? Die große Wölfin ist furchtbar wütend.’ „Wir mussten etwas herausfinden und das haben wir auch getan“, sagte Filia. „Dieser Ort muss unbedingt bewacht werden…“ ‚Du musst zurückkehren’, unterbrach Askura sie. ‚Du hattest keine Erlaubnis von dort wegzugehen.’ „Xellos hätte längst in der Höllenstadt ankommen sollen“, erwiderte Filia. „Er wollte mit Meisterin Zeras reden.“ ‚Er ist aber nicht dort angekommen’ mischte sich Kesharo ein. ‚Und jetzt seid ihr beide in großer Gefahr.’ Askura knurrte tief. ‚Ich weiß nicht, was mit Xellos passiert ist‚aber wenn er nicht hier ist, dann haben wir keine Möglichkeit ihn zu finden. Aber du musst sofort zurückkehren. Und wenn dieser Ort bewacht werden muss, dann halten wir hier Wache.’ Kesharo sprang von Filia weg und stieß sie auf das Festungstor zu. ‚Beeil dich!’ Sie drehte sich zu ihnen um. „Wenn ich gehe bricht der Schutzschild zusammen. Dann seid ihr zwei hier ganz allein.“ ‚Lass das unsere Sorge sein’, bellte Askura. ‚Geh.’ Von einem Moment zum anderen kappte Filia ihre Verbindung zur Festung und trat im selben Moment in die Astral Side über. Mit Askuras Worten noch in ihren Ohren klingend rannte Filia los und hetzte durch die Astral Plane, wie sie es nie zuvor getan oder gewagt hätte. Sie brauchte gerade mal eine Stunde, dann hatte sie die Ausläufer des Gebirges schon fast hinter sich zurückgelassen. Immer wieder überschlugen sich in ihrem Kopf die gleichen Gedanken in einem erschrockenen Durcheinander. Wo war Xellos? Er hätte die Höllenstadt längst erreichen müssen. Er war so widerwillig von dort weggegangen, dass etwas Einschneidendes passiert sein musste, dass er von sich aus nicht sofort dahin zurückgekehrt war. Würden die Wölfe die Stellung halten können und wie wütend war Zeras wirklich? Und wo in Ceiphieds Namen war Xellos nur abgeblieben? Diese letzte Frage drehte sich immer wieder und immer wieder in einem Strudel der Furcht in ihr im Kreis und verdrängte sogar die Angst, die ihre waghalsige Reise durch die Astral Plane ihr bescherte. ‚Ich darf mich hier auf keinen Fall verirren’, sorgte sich Filia gerade, als ein heftiger Stoß sie völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Die Luft entwich ihren Lungen und sie drehte sich mehrmals unkontrolliert im Kreis, bis sie plötzlich jemand packte und ohne viel Federlesen aus der Astral Plane herausriss. Sie erschien auf einem niedrigen Felsplateau und schlug hart im Geröll unter sich auf. Verwirrt und unter Schmerzen versuchte sie sich aufzurappeln. Was war nur passiert? Als Filia den Kopf hob, blieb ihr das Herz stehen. Vor ihr stand Zeras persönlich und sah so wütend aus, wie Filia sie nur einmal zuvor gesehen hatte, nämlich an dem Tag, da Filia Zeras Siegel in der Höllenstadt gesprengt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)