Die Diener der Dunkelheit von Zeras ================================================================================ Kapitel 15: Ceelia ------------------ Irgendwann brach die Nacht herein. Filia gab ihre sinnlose Jagd auf Xellos auf und rollte sich auf einer der Stufen der Tribüne zusammen, nachdem sie zuvor den Schnee darauf mit einem Feuer-Zauber weggedampft hatte. Bald schlief sie tief und fest. Xellos saß derweil wach auf der Brüstung. Für eine Weile lauschte er Filias Atem und dem Puls ihrer Lebensenergie bis er sicher war, dass sie nicht erfrieren würde. Wahrscheinlich, dachte er sarkastisch, hatte er noch Glück damit, keinen Menschen sondern einen robusten Drachen an seinem Rockzipfel durch die Gegend schleifen zu müssen. Alles konnte immer noch schlimmer kommen. Er hoffte nur, dass er nicht persönlich den Beweis dazu antreten musste. Der Mond schien hell und gab dem ihn fahl reflektierenden Schnee einen geisterhaften Schimmer. Wenn Xellos jetzt auf Filia blickte, sah sie fast wie ein Gespenst aus. Ihr Gesicht war blass und ihr Haar fast ganz weiß. Xellos wandte den Blick ab und sah in die Finsternis des Talkessels hinaus. Schwärze umfing ihn tröstlich. Er hatte nichts gefunden und morgen mussten sie wieder nach Wolf Pack Island abreisen. Was würde dann mit Filia geschehen, die doch in ihrem Auftrag versagt hatte und sich an einem Ort befand, an dem sie gar nicht sein durfte? Würde er sie töten müssen? Er wollte es eigentlich nicht, doch das spielte keine Rolle, wenn Zeras ihm den Befehl erteilte. Eine für diesen Gedankengang ungewohnte Frustration stieg in ihm auf und er verbat seinen Gedanken sofort weiter in diese Richtung zu schweifen. Er konnte nichts ändern, er konnte sich nur winden und nach Umwegen suchen und sich schließlich in sein Schicksal fügen. So wie es auch Filia letztlich tat. Noch einmal blickte er fast gegen seinen Willen auf sie hinab. Da glaubte er, eine Frau zu sehen, die sich über sie beugte, so nah, dass ihre Gesichter sich fast berührten. Sie schien irgendwie nicht ganz greifbar zu sein und hatte keinerlei Aura, die er ausmachen konnte, was ihm gewöhnlich nur bei ruhelosen Geistern passierte, die schon fast ganz losgelöst waren von dieser und jeder anderen Welt. Aber er hatte das bestimmte Gefühl, dass sie etwas anderes war. Im nächsten Moment war sie weg. Xellos sah auf die einsam und friedlich schlafende Filia und dachte, dass er vermutlich Wahnvorstellungen bekam. Der Drache war schuld ganz offensichtlich; es war verrückt, dass er sie nicht loswerden konnte. *** Filia träumte. Sie war wieder im Erdtempel in einem Flur, dessen Fensterbögen mit Blattmustern verziert waren. Weil sie barfuß war, spürte sie Nässe den Steinboden unter ihr glitschig machen, doch weil es auch hier Nacht war, konnte sie nicht erkennen, was diese war oder woher sie kam. ‚Vielleicht hat jemand etwas verschüttet‘, dachte sie. ‚Oder hat der Wind Regen herein geweht?‘ Vorsichtig ging sie den Weg entlang und versuchte nicht auszurutschen. Vielleicht konnte sie Lina und die anderen finden und sehen wie es ihnen ging. Obwohl, wahrscheinlich waren sie schon nicht mehr hier. Jemand kam ihr entgegen. Sie hört Schritte und blieb vorsichtig stehen und drückte sich in eine Seite des Gangs. Ein Ryuzoku bog um eine Ecke des Flures. Eine Hand voll Flammen beleuchtete sein blasses Gesicht und Filias Magen verkrampfte sich. Ihr wurde kalt. Es war Enrisia, der Ryuzoku, der gestorben war durch den Mazoku, den sie hergelockt hatte. Ihr wurde schlecht und ihre Augen weiteten sich. Der Tote drehte sich zu ihr herum und blickte sie stumm an, musterte sie freudlos und Filia begann zu zittern. Langsam hob der Drache die Hand, in der die Flammen zischten, und ab diesem Moment schälten sich für Filia Farben aus der grauen Nacht und entsetzt merkte sie, dass der Boden vor ihr rot war, rot vor Blut. Sie sah an sich hinab und sah sich in einer Blutlache stehen mit rot verschmierten Füßen. Enrisia sah sie weiterhin verachtungsvoll an, doch dann zischten die Flammen in seiner Hand auf und verloschen ganz. Mit ihrem letzten Glimmen verschwand auch die letzte Kontur um sie her und es wurde stockdunkel um Filia. Geschockt stand sie in der Schwärze und konnte an nichts anderes denken, als an ihre weiterhin feuchten und verklebten Fußsohlen. ‚Verräter.‘ Sie wollte die Stimme nicht hören, aber diese scherte sich nicht um sie. ‚Verräter‘, schrie es stattdessen in ihrem Kopf. ‚Verräter, Verräter, Verräter!‘ ‚Was sollte ich denn sonst tun?‘ schrie sie lautlos zurück. ‚Ich will noch nicht sterben.‘ ‚Selbstsüchtiger, rücksichtsloser Verräter!‘ „Filia!“ Sie schreckte hoch. Neben ihr kniete Xellos, die Arme auf ihren Schultern, und sah fast besorgt aus. Es war Morgen, die Sonne kroch grell über die Bergwipfel und Filia war verschwitzt und fühlte sich sehr elend. „Lass los!“ fuhr sie Xellos an und sprang auf. Sie lief umher um wieder warm zu werden und versuchte nicht mehr zu zittern. Die ganze Zeit über fühlte sie Xellos Augen auf sich ruhen. „Warum hast du mich geweckt?“ fragte sie schließlich ruhiger, sah ihn aber nicht an. „Ich könnte wetten, du hast meinen Albtraum genossen.“ Er schwieg einen Moment, seufzte dann. „Du machst dich selbst krank“, sagte er schließlich. „Das können wir uns jetzt nicht erlauben…“ „Das mache ich überhaupt nicht!“ schrie Filia wütend und wollte auf ihn losgehen. Xellos wich zurück und hob beschwichtigend eine Hand. „Schon gut, schon gut, ich sag ja schon nichts mehr.“ Er bekam das unbestimmte Gefühl, dass er wenn schon nicht alles schlimmer, so doch auf jeden Fall nichts besser für Filia machen konnte und er beschloss sich dann besser wieder um seine eigenen Probleme zu kümmern. „Mal davon abgesehen“, wechselte er das Thema. „Kannst du die Festung untersuchen? Mit deiner heiligen Magie? Ceipheeds Schild liegt immer noch darin und versperrt mir völlig die Sicht. Ich glaube zwar nicht, dass du helfen kannst – immerhin waren die Shinzoku auch hier und haben nicht mehr als wir gefunden – aber trotzdem, wer weiß. Danach reisen wir ab.“ Er klang fast niedergeschlagen. Filia fragte sich, was ihm denn das Leben so schwer zu machen schien. Er war schließlich nicht in die Dienste des Feindes gepresst worden und musste sich nicht mit Albträumen herumschlagen und nervenden, selbstgerechten Mazoku. Da konnte ja wenigstens er sich mit seiner schlechten Laune auch zusammenreißen. Xellos fühlte ihre Gereiztheit und hob fragend eine Braue. „Ist das ein Befehl?“, fragte Filia ihn giftig. Xellos fand, dass sie ihm das Ganze manchmal wirklich zu einfach machte. „Ganz genau“ erwiderte er süßlich. Sie verzog das Gesicht, ging aber in die Hocke, legte eine Hand auf den Boden vor sich und schloss die Augen. Nach einer Weile öffnete sie diese wieder und ein seltsamer Ausdruck lag darin. „Was hast du?“ fragte Xellos neugierig. Sie schwieg unruhig. Schließlich seufzte sie tief. „Xellos, ich…“ Sie kam nicht dazu ihren Satz zu beenden, denn der Festungsboden glühte plötzlich auf. Helle Ranken schossen aus ihm empor, zischten direkt auf sie zu… und waren plötzlich vorbei. Xellos schrie auf. Die dicken Fäden hatten auf ihn gezielt und klebten nun an seiner Form, wurden mehr und mehr bis sie ihn fast völlig verdeckten. Wie erstarrt sah Filia zu. Plötzlich spürte sie Xellos Aura überstark, sie lud die Atmospähre auf und ließ die Luft um Filia unheilvoll surren. Ihr eigenes Shouki reagierte darauf und drehte ihr den Magen um. „Ach, das bringt doch nichts“, sagte eine fröhliche Stimme direkt neben ihr. „Das hat der andere auch schon versucht. Keine Sorge, Filia, ich hab ihn, wie einen Fisch im Netz!“ Ganz langsam wandte Filia sich um. Neben ihr auf der Stufe der Arena, saß eine Frau, fast noch ein Mädchen, die nicht ganz real zu sein schien. Sie war fast transparent und wenn Filia sich konzentrierte, konnte sie die Stufen durch ihren Körper hindurch sehen. Sie trug ein dünnes, dem Wetter spottendes Sommerkleid, hatte blonde Locken und lange, puppenhafte Wimpern. Ihre blauen Augen waren… pupillenlos. ‚Mazoku‘, dachte Filia. In diesem Moment erreichte sie eine Energiewelle aus Xellos Richtung, die sie in die Felswand hinter sich presste. Filia stöhnte auf vor Schmerz. Die Mazoku neben ihr klatschte begeistert in die Hände. „Du bist wirklich ein Drache!“ eröffnete sie Filia begeistert. „Ich bin noch nie einem Drachen begegnet. Allerdings“, sie neigte lauschend den Kopf. „Ein ganz normaler Drache bist du nicht.“ „Na herzlichen Dank auch“, fauchte Filia sie an bevor sie sich beherrschen konnte. Dieses zierliche Wesen sah so abgrundtief harmlos aus, dass sie auch ohne den gefangenen Mazoku vor sich sogleich das schlimmste vermutet hätte. „Wer bist du?“ verlangte sie wütend. „Und was in Ceipheeds Namen hast du mit Xellos angestellt?“ Die Frau lächelte süß. „Ich bin Ceelia“, sagte sie lieb. „Und während ich warte vernichte ich ihn, den Mazoku, den du Xellos nennst. In Ceipheeds Namen, wirklich.“ Sie lachte auf und für einen Moment nur, sah sie kein bisschen jung mehr aus. Eine weitere Energiewelle traf sie beide und schlug Filia in die Wand. Sie schmeckte Blut auf ihren Lippen. Ceelia verzog das Gesicht, doch sie hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Filia sprang auf und wollte auf Xellos zu rennen, da packte Ceelia ihr Handgelenk. „Geh dort nicht hin“, sagte sie eindringlich. „Er ist böse und du dienst den Göttern. Du hast nichts mit ihm zu tun. Verschwinde von diesem Ort.“ „Ich diene keinen Göttern mehr“, fauchte Filia wütend. Ceelia hob die Augenbrauen. „Es ist doch nicht so“ sagte sie. „Als ob du eine Wahl dabei hättest.“ Ihre Hand war ganz real. Ihr Griff war fest und ein Puls schlug beständig unter ihrer Haut. Ein Atem, ein Herzschlag; und dann war da noch etwas: Wärme und Sonnenstrahlen auf ihrer steinernen Haut, wunderbare Sonnenstrahlen… und ein wütend ausschlagender Mazoku. Mit aller Gewalt riss sich Filia los und rannte zu Xellos hin. Die Luft um ihn drückte sie nieder. Ihre Augen tränten und sie bekam Zahnschmerzen. Xellos sammelte Energie. Sie spürte Panik in sich hochkommen. Endlich erreichte sie ihn und riss an der Magie, die an seinem Astralkörper klebte. Die Ranken waren angenehm warm und stachen nur ein wenig in Filias Shouki. Sie ringelten sich fest um ihre Finger, wie kleine Schlangen, glitten ihre Arme hinauf und ihre gespaltenen Zungen züngelten über ihre Haut und kitzelten sie. Hunderte gleichklingende Herzschläge erfüllten ihre Ohren und drangen durch ihre Haut, vereinten sich zu einem einzigen, tiefen Herzschlag, der ihrem nahezukommen versuchte. Eine riesige Boa wand sich um Filias Hals und ihr Kopf hob sich auf ihre Augenhöhe. Zwei glänzende Perlen starrten sie hypnotisierend an. Die Schlange wiegte leicht den Kopf und ihre Zunge schoss hervor und streifte ihre Nase. Es war so schwer sich zu bewegen. Mit einem Mal packten sie zwei Hände von hinten schmerzhaft an den Schultern und drehten sie grob zu Xellos herum. Seine Augen funkelten böse. „Verschwinde hier!“ fuhr er sie an. „Ich will dir helfen du Idiot!“ brüllte sie zurück. „Ich werde dieses verdammte Siegel sprengen“ fauchte er. „Du kommst um wenn du hier bleibst. Verschwinde! Ich brauche deine Hilfe nicht.“ Er stieß sie weit von sich weg und wurde dann von den Schlangen überrollt. Geschockt starrte Filia auf das Schauspiel bis ihre Sinne praktisch aufschrien. Sie teleportierte blind davon. Im gleichen Moment, da sie so weit von der Festung entfernt wieder erschien, wie sie es nur fertig gebracht hatte, gab es dort eine Explosion. Sie wurde in den Schnee geschleudert und blieb dort erst mal liegen. Ihre Ohren dröhnten und sie konnte die blauen Flecken vor ihrem geistigen Auge am ganzen Körper geradezu aufblühen sehen. Dann, sobald ihr Gleichgewichtssinn einigermaßen zurückgekehrt war, rappelte Filia sich auf und rannte in die Arena zurück. Ein Wirrwarr an aufgesprengtem und zertrümmertem Stein empfing sie. Die Energiewelle hatte den Boden vom Schnee befreit, aber gleichzeitig auch das Mosaikmuster fast völlig weggepustet. Splitter lagen überall und an der einen Seite war die Steintribüne in sich zusammengefallen. Die gesamte Außenwand war an dieser Stelle um mehrere Meter zusammengesackt. Staub und Puderschnee wirbelten noch durch die Luft. Von Ceelia war keine Spur mehr zu sehen. „Wow“, sagte Filia. „Hoffentlich ist Shabranigdo nicht nachtragend.“ Es kam ihr vor wie ein Wunder, dass sie nicht stärker verletzt worden war. „Xellos, was sollen wir jetzt tun?“ fragte sie und drehte sich zu der Stelle um, an der sie seine Aura spürte. „Du hast es total vergeigt und Meisterin Zeras wird uns bestimmt…“ Die Worte versiegten ihr, als sie Xellos sah und merkte, dass er sich nicht rührte. Seine physische Form lag zwar keine zwei Meter von ihr entfernt und war unversehrt genug, dass sein wahrer Körper in der Astral Plane nicht stark verletzt sein konnte, aber er schien tatsächlich bewusstlos zu sein. Nur… Mazoku wurden nicht bewusstlos. Das war ein Ding der Unmöglichkeit, etwas was genauso wie das Einschlafen, Träumen oder Hunger haben nur den lebendigen Wesen passieren konnte. Aber Xellos rührte sich nicht und Filia bekam eine Gänsehaut. „Hey“, fauchte sie verängstigt. „Versuch nicht mich auf den Arm zu nehmen. Kein Mensch braucht jetzt deine Späße. Xellos!“ „Vergiss es lieber mit dem. Wenn wir Glück haben ist er auf alle Ewigkeit kalt gestellt.“ Filias Atem stockte. Ihr Körper wurde steif, ihre Augen weiteten sich erschrocken. ‚Ich kenne diese Stimme‘, dachte sie und riss den Kopf herum. Vor ihr am Rand des Trümmerfeldes stand die Generalin Sherra, die eindeutig gute Laune hatte. „Auf jeden Fall“, sagte sie fröhlich. „Wird er nicht mehr zu sich kommen bis du nicht längst genauso da liegst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)