Die Diener der Dunkelheit von Zeras ================================================================================ Kapitel 12: Verräter -------------------- Kapitel 12 Verräter Es war schon spät in der Nacht und Filia konnte nicht schlafen. Während Mondschein blass und weiß in ihr bewachtes Zimmer im Erdtempel fiel, tat ihr der Kopf weh und ihre Gedanken verliefen sich in Sackgassen. Was sollte sie nur tun? Dieser fremde Mazoku, Filia wusste nicht, wer er war und wer ihn geschickt hatte, aber er hatte sie in Schwierigkeiten gebracht. Er hatte sie angestarrt, hatte zu ihr gesprochen, als hätte er gewusst, dass sie dem gleichen Herrn dienten und dieses Wissen, das in seinen Augen stand, schien wie ein Funke auf die Ryuzoku übergesprungen zu sein. Die dachten jetzt wahrscheinlich, sie sei die Herrin des Mazokus, den sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte, und überlegten sich, wie sie sie am besten verhören konnten. Und selbst wenn sie noch mal Glück hatte und niemand handelte, so blieb doch der Verdacht, dass der Mazoku wegen ihr gekommen war, in Filias Gedanken. Wegen wem denn sonst? 'Dann trage ich Mitschuld an dem Kampf und den Toten', dachte Filia. Und dabei hatte sie noch nicht mal selbst etwas getan. Sie zitterte leicht. Das also waren die Konsequenzen, wenn man von der Gnade eines Mazokus lebte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Nun, nichts natürlich, sie hatte Angst gehabt, aber die Erkenntnis um all das, was ihre Entscheidung bedeutete, ließ sich nun nicht mehr verscheuchen, wurde deutlicher, drang von allen Seiten auf sie ein und ließ den bittersten Nachgeschmack zurück. Verräter... Mit einem Ruck setzte sich Filia auf. Sie stellte die Füße auf den Boden neben Kesharos Ohren, der neben ihrem Bett schlief. Die Ohren des Wolfes zuckten, er öffnete die Augen und streckte sich gähnend. Müde rieb er den Kopf an ihr Bein und winselte leicht. Folgsam trottete er ihr nach als sie zum Fenster schritt. Filia hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, sich Menaros und den anderen Drachen anzuvertrauen, es dann aber sofort wieder verworfen. Von Ryuzoku sollte sie in dieser Angelegenheit lieber erst gar keine Gnade erhoffen. Deswegen beugte sie sich jetzt zu Kesharo hinab, der den Rocksaum ihres Kleides beschnüffelte. Sie packte den Wolf mit beiden Armen, hob ihn hoch und setzte ihn auf den schmalen Fenstersims. In Stein gemeißelte Ranken bildeten seinen Rahmen und es war weit und hoch, um so viel schwaches Waldlicht wie nur möglich einzufangen. Auf ein paar steinerne Blütenkelche gestützt kletterte Filia nach draußen und scannte weit auf dem schmalen Sims hinausgelehnt ihre Umgebung nach Wachen ab. Unter ihr ging es gute zwei Stockwerke in die Tiefe. Filia versicherte sich zuerst, dass sie unbeobachtet war, dann griff sie in die zwei Schutz- und Warnzauber, die sie um den Tempel her in den letzten Stunden aufgespürt hatte, und bereitete sich darauf vor für ein paar Sekunden möglichst unbemerkt eine Lücke darin zu schaffen. Schließlich, als sie alle Vorbereitungen getroffen hatte, packte sie das Nackenfell des Wolfes neben sich und stürzte sich mit ihm in die Tiefe. Spurlos durchstießen sie die Schutzschilde und schlugen im nächsten Moment nahezu ungebremst auf dem Waldboden auf. Ein dumpfer Schmerz erfasste Filias linke Körperseite, während sie sich so gut es ging abzurollen versuchte. Ein unterdrücktes Jaulen drang an ihr Ohr und ihr wurde kurzzeitig schwarz vor Augen. Einige Sekunden vergingen, dann kam sie langsam wieder zu sich und setzte sich auf um sich die Bescherung ansehen. Sie hatte ihre gesamte Konzentration für die Umgehung des Schutzschilds benötigt und sich bei dem Fall in die Tiefe ganz auf die Widerstandskraft ihres Drachenkörpers und die des Mazokus verlassen. Blaue Flecken und ein paar tiefe, blutende Schnitte an ihrer Hand und am Arm auf der Seite mit der sie zuerst aufgeschlagen war, waren ihr Preis dafür. Kesharo war völlig unverletzt, trotz seines vorwurfsvollen Winselns. Er leckte ihr das Blut von den Fingern. Filia hatte Angst. Nicht vor den Ryuzoku, sondern vor sich selbst, denn sie hatte sich mit den Mazoku verbündet. Gerade ein paar Wochen waren hier vergangen und schon hatte sie zwei Mazoku in diesen heiligen Tempel gelockt, der doch im Grunde die Werte verteidigte, an die auch sie noch glaubte, wenn auch aus einem anderen Blickwinkel. Die Werte, für die sie gekämpft hatte. Mazoku standen für Zerstörung. Sie verbreiteten Leid und Schmerz und sie wollten die Welt vernichten, egal was sie auch taten, dies war ihr eigentliches Ziel. Und indem Filia Zeras diente, half sie dabei, denn egal wie sie es drehte und wand Zeras würde sie für ihre Zwecke benutzten, würde einen Vorteil ziehen aus allem, was sie Filia befahl. Mit jedem Befehl, den Filia ausführte half sie ihr, gerade jetzt auf diesem Auftrag nutzte sie ihr, gerade jetzt verriet sie das Leben und wurde zu den Verrätern, von denen die Ryuzoku heute gesprochen hatten. 'Es muss aufhören', dachte Filia. 'Und zwar bald.' Sie musste Zeras darum bitten ihren Auftrag abbrechen zu dürfen, um nicht noch mehr Unglück heraufzubeschwören. Filia streckte die gesunde Hand aus, strich durch Kesharos Fell und zog ihn sanft mit sich hinaus in den Wald. „Komm, es wird Zeit für dich zu gehen.“ Der Wolf gähnte und trottete dann folgsam hinter seiner Herrin her, über den verlassenen Platz und in das Dickicht dahinter. Bald klangen ihre Schritte gedämpft und der Tempel war aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Müde dachte Filia daran, dass alles viel zu glatt lief, aber sie hatte kein Interesse daran diesen Gedanken zu Ende zu führen. Sie wollte ja auch nicht lange weg, nur ihren Boten wollte sie losschicken um Hilfe zu bekommen oder was auch immer. Und wenn sie sich beeilte würde sie schon wieder im Tempel sein, bevor jemand ihr Fehlen bemerkte. Leise begann sie die Zeilen für einen Heilzauber zu zitieren, während sie tiefer im Wald verschwand. *** Die Uhr tickt langsam und unnachgiebig und eisige Augen blicken erwartungsvoll in die Nacht. ..... „Jemand hat den Tempel verlassen.“ ..... „Was machst du hier so spät?“ ..... „Hier, das Siegel hinter der Tempelmauer wurde gesprengt, wer war das?“ ..... „Entschuldige, Lina, aber... Ich wollte eben zu Filia. Sie ist weg.“ ..... „Ruf die Bereitschaftswache zusammen, wir werden das untersuchen und diesmal wird man uns nicht überraschen.“ ..... „Ich dachte, die Zeit zerrinnt uns unter den Fingern.“ ..... „Der Mazoku ist noch da und in Ketten, aber er ist unruhig...“ ..... „Weck die anderen. Wir müssen sie finden!“ ..... „Ist das... Blut?“ ..... Bald ist es so weit. *** Einige hundert Meter vom Tempel entfernt zerrte etwas an Filias Ärmel. Sie blieb stehen und warf einen aufmerksamen Blick auf ihre Umgebung. Dieser Teil des Waldes war etwas lichter, als der, aus dem sie gekommen war, denn die hohen Laubbäume, die hier vorherrschend waren, standen weiter auseinander als üblich. Wie verbogene Pfähle brachen sie aus dem Gras und lagen sie im Schatten so hatten sie Gesichter. Die niedrigsten Äste waren Arme und sie reckten sich Filia sehnend entgegen und schaukelten im Wind. Vereinzeltes Sternenlicht brach durch das lichte Blätterdach und malte Lichtpfützen in die düstere Szenerie. Durch das Licht konnte Filia recht weit sehen, einige Meter schon, und alles war still um sie. Fast friedlich und ein wenig zeitlos, wie in einem Traum. Sie kniete sich neben Kesharo, der noch immer ihren Ärmelsaum im Maul hatte, legte eine Hand unter sein Kinn und hob vorsichtig seinen Kopf. Sein Fell war warm und kitzelte an ihren Fingerspitzen und so nah sie ihm war, spürte sie seinen heißen Tieratem auf ihrem Arm und roch noch ihr eigenes Blut. Es war so düster, dass seine grünen Augen ganz dunkel zu sein schienen, aber sie versuchte trotzdem den Ausdruck darin zu erraten. War es Verspieltheit oder Grausamkeit? Als ein dunkles Gefühl in ihr wach wurde, wusste sie, dass man diese Augen wieder fürchten konnte und etwas in ihr atmete erleichtert auf. „Endlich“, stieß Filia hervor. „Das wurde höchste Zeit.“ Sie beobachtete, wie Zeras Wolf unruhig von einer Pfote auf die andere trat und sich heftig zu schütteln begann, so als wäre er triefendnass und wolle das Wasser aus seinem Pelz schleudern. Wahrscheinlich war es das Vergessen, dass er abschüttelte, während er langsam erwachte. Er knurrte unterschwellig und seine Ohren zuckten nervös und orientierungslos, während Filia wie ein Wasserfall zu reden begann. „Du bist verwirrt. Aber so ist das wohl, wenn man aufwacht. Weißt du was geschehen ist in den letzten Wochen? Ja? Gut. Du musst jetzt nämlich los. Erzähl Xellos von dem Mazoku. Sag ihm, was hier passiert ist.“ Ein Ruck durchlief den Körper des Wolfes, während sie sprach und sie wusste, sobald sie ihn losließ würde er ihr den Rücken kehren und sich auf den Weg machen. Er war jetzt schon unruhig und sie auch, denn eine Präsenz lauerte in ihrem Hinterkopf. Sie sah den Wolf eindringlich an und betete, dass er sie verstand. „Und sag Xellos, dass er etwas tun soll. Mir wird das hier alles langsam zu viel...“ In diesem Moment erkannte sie die Präsenz. „Zur Seite!“ schrie Filia und warf sich blitzschnell gegen Kesharos Flanke. Sie stürzten beide zu Boden und in eben diesem Moment raste etwas über sie hinweg. Es streifte flüchtig Filias Rücken und sie fühlte Wärme und ein leichtes unangenehmes Prickeln, aber Kesharo heulte auf vor Qual. „Vorsicht“, murmelte Filia benommen von dem plötzlichen Sturz. „Die Magie... ist heilig.“ Ihr wurde schlecht. Noch während sie gefallen war, war ihr klar geworden, dass sie das eben nicht hätte tun dürfen. Aber es war schon zu spät gewesen. Noch im Gras liegend sah Filia den Wolf davon springen, halb rennend halb humpelnd, getragen von dem Schwung, den sie ihm durch ihren Stoß gegeben hatte. Er schlug unablässig Haken, während drei weitere Geschosse um ihn her explodierten und über ein viertes machte er einen gewaltigen Satz hinweg. Sein Körper bog sich im Sprung und noch bevor seine Pfoten den Boden wieder berührten, war er verschwunden. Er hatte die Astral Plane erreicht und die Chancen, dass er nun entkommen würde, standen jetzt sehr gut. Nach einer kurzen Pause detonierte eine weitere Salve Geschosse auf dem imaginären Weg, den der nun unsichtbare Wolf nehmen musste, um ihn vielleicht doch noch zu erwischen, während Filia sich auf Hände und Knie stützte und den Kopf drehte. Fünf Detonationen hatte es gegeben als sie hingefallen war, fünf weitere zischten jetzt über ihren Kopf hinweg und so waren es auch fünf Ryuzoku, die etwa zehn Meter entfernt am Rande ihres Sichtfelds Position bezogen hatten. Sie standen in zwei Reihen und die drei Hinteren waren Mitglieder der Wachtruppe des Tempels. Filia konnte fast nur ihre grauen Silhouetten erkennen, doch auf die beiden Ryuzoku vor ihnen fiel ein wenig Mondlicht und erhellte ihre Gesichter. Filia wünschte fast, es wäre nicht so gewesen, denn einer von ihnen war Menaros. In seinem Gesicht stand blanke Wut geschrieben. „Verräter!“ Menaros Stimme klang genauso hart, wie bei dem Verhör, dass er dem Mazoku zuteil hatte werden lassen. „Filia Ul Copt, du hast einem Mazoku zur Flucht verholfen. Hiermit bist du verhaftet!“ Der fünfte Ryuzoku war der Älteste. Er sah Filia auf eine Weise an, bei der sie im Boden versinken wollte vor Scham. Niemals, niemals würde sie ihm oder sich erklären können, warum sie das hier tat und sie alle verriet, ihr Volk verriet. Warum sie ihr Leben verriet. Ihr wurde schrecklich kalt. „Ergib dich freiwillig.“ Menaros Stimme drang aus der Ferne zu ihr, wie aus einer anderen Welt. „Nein“, murmelte Filia unwillkürlich, aber doch laut genug, dass man sie verstand. 'Es ist zu spät...' Ihr Blick kehrte zu Menaros zurück, als ihr Instinkt sie warnte. Er hob die Hand und machte damit zuerst eine Geste nach links und dann nach rechts, wie ein Straßenpolizist, der eine Kreuzung dirigiert. Dann hob er die Hand hoch über den Kopf. Als sie niedersauste wie ein Schwerthieb, war dies das Startsignal. Die drei Krieger hinter ihm stürmten los mit gezogenen Schwertern. Filia sah sie kommen und hatte schon halb ihren Spruch zitiert. Sie wich dem ersten Schlag und einem Drachenatem aus, zog mit einer Hand ihre Keule hervor, schlug dem zweiten Angreifer noch geduckt gegen die Kniescheibe, das es krachte und wusste der Schwerthieb des dritten Angreifers würde treffen. „Dale Brand!“, schrie sie. Sie kannte den Zauber von Lina. Selbst hatte sie ihn nie gelernt, weil er auf bloßer, zielloser Zerstörung basierte. Aber Lina hatte ihn so oft vor ihren Augen angewandt, dass er Filia leicht von der Hand ging, obwohl sie ihn nun zum ersten Mal selbst zitierte. Der Boden um sie explodierte, Gras und Steinsplitter stoben um sie auf, die unversehrt im Zentrum stand, und die Ryuzoku wurden in die Luft gerissen. Der Ryuzoku, dessen Knie sie verletzt hatte, besaß nicht mehr genug Konzentration, um seinen Flug zu korrigieren, und knallte mit voller Wucht gegen einen Baumstamm. Er sank besinnungslos daran herab. Die anderen beiden fingen sich ab und landeten ein paar Meter entfernt. Filia spürte Magie und hechtete zur Seite. Sekunden später schlug dort, wo sie gestanden hatte, etwas ein und es war viel zu stark. Filia fuhr der Schreck in die Glieder. So was konnte töten. Der Druck, der bei der Detonation entstand erfasste sie. Sie war dem Geschoss noch viel zu nah gewesen und die Wucht der Explosion warf sie zu Boden inmitten rauchender, aufgewühlter Erde. Mühevoll versuchte sie ihren nächsten Spruch zu Ende zu zitieren. Es sollte 'Lighting' sein. Sie musste ihre Gegner ablenken und schnellstens fliehen, denn schon spürte sie, wie sie ihr Magielimit erreichte. Es war noch immer zum heulen erbärmlich. „Gray Bomb!“ Die Stimme gehörte einem Ryuzoku und die Umgebung war perfekt. Gray Bomb war geschaffen für offenen Boden. Er jagte ihn in die Luft, wo der Zauberer es wollte, und die drei Schwertkämpfer waren weit genug entfernt, um nicht in den Radius um Filia zu kommen. Sie befand sich genau im Mittelpunkt, als der Zauber des Ältesten seine Wirkung entfaltete. Die Erde um sie, unter ihr und überall explodierte und Stein und Holzsplitter flogen gegen sie wie Geschosse. Sie schlitzten Filias Haut auf, übersäten sie mit Schrammen und die ausgelöste Druckwelle wirbelte sie zehn Meter hoch in die Luft. Sie krachte zurück in einer Fontäne aus Splittern und lag da wie betäubt. 'Trotzdem, ich hab Glück gehabt', dachte Filia unbeteiligt. 'Bei einem solch alten Meister des Erdschamanismus hätte 'Gray Bomb' wesentlich stärker sein können. Wenigstens bringt er das nicht mehr über sich...' Mit allem Willen stieß sie sich noch einmal vom Boden auf die Knie gegen die Schmerzen in all ihren Knochen, die ihre Gedanken trübten, und sah nach vorne nur um die zwei Schwerkämpfer von vorhin auf sich zu rennen zu sehen. Sie versuchte auf die Füße zu kommen, schwankte hilflos und sah dann erleichtert wie der Vorderste seine Klinge senkte und den Schwertknauf vordrehte um sie niederschlagen zu können. Zumindest töten wollte man sie doch noch nicht. Der Knauf sauste nieder, ohne dass sie etwas tun konnte, und ein Klingen schnitt laut in ihr Trommelfell. Der Schwertknauf flog weg und mit ihm das ganze Schwert und sein Besitzer gleich dazu. Er knallte gegen einen Baum, nicht weit entfernt von seinem zuerst besiegten Kameraden und leistete ihm Gesellschaft in seiner Bewusstlosigkeit mit einem verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht. Filia sah gerade noch rechtzeitig hin, um zu sehen, wie der letzte Ryuzoku entwaffnet wurde und sich zurück zu Menaros rettete, der mit stoischer Ruhe einen Schutzschild hielt, in welchen gleich drei Angriffszauber hintereinander einschlugen. Dann fühlte sie sich hochgerissen und im nächsten Moment rannte sie zwischen Lina und Gourry weg von den Ryuzoku in die Schatten hinein. Die Szenerie stob nur so an ihr vorbei und gleich darauf schälten sich Amelias und Zelgadis Gestalten vor ihnen aus der Schwärze und sie stoppten abrupt. Filia sog verwirrt und ohne einen Plan die Luft ein. Dass ihre Freunde hier waren um ihr zu helfen machte sie froh und unglücklich zugleich, denn nun saßen sie alle zusammen in der Klemme. „Wir können da hinten nicht weiter“, rief Zelgadis Lina zu, kaum dass er sie erkannte. „Auf der anderen Seite sind ebenfalls ein paar Drachen.“ Wie zur Bestätigung riss ein pfeilschnelles Zischen durch die Luft. Sie duckten sich in Sekunden und als Filia sich umdrehte, hatten drei riesige, Speere aus Erde den Baum direkt hinter ihr gespalten. Ein Zittern durchlief die zwei Stammhälften und sie fielen gleichzeitig laut und knarrend um. „Ach herrje“, bemerkte in diesem Moment eine spöttische Stimme direkt über Filia. „Was für ein Aufruhr.“ Überrascht sah sie nach oben und das Herz blieb ihr fast stehen. Ein Mazoku schwebte über ihr und er war schwärzer als die Nacht. Seine weißen Augen gleißten grausam und seine verwaschenen Konturen gewannen ganz langsam ihre Festigkeit zurück. „Du?“ schrie sie und ihre Stimme überschlug sich fast. „Du warst doch gefangen. Du müsstest im Tempel sein!“ Der Mazoku lachte wild und beugte sich dann zu ihr hinab. „Deswegen bin ich hier“, flüsterte er ihr zu. „Um dir zu danken.“ Filia sah wie Amelia hinter ihm ihnen mit offenem Mund zusah. Der Mazoku kam ihr so nah, dass sie am liebsten zurückgewichen wäre. „Alle wehrhaften Ryzoku jagen dich. Meine Meisterin konnte mich ohne Aufwand befreien. Vielen Dank.“ Und er lachte sie an. Nicht fröhlich sondern hässlich und schon halb verrückt. Filia trat angewidert von ihm zurück. „Ich habe dir nicht geholfen“, zischte Filia hasserfüllt. „nie im Leben.“ Der Mazoku lachte noch immer. „Und niemals mehr“, fauchte sie ihn böse an „niemals mehr werde ich diesem räudigen Wolf helfen, der sich meine Meisterin nennt! Die Shinzoku werden sie zerreißen, noch ehe wir Frieden über diese Welt gebracht haben.“ Der Mazoku hörte auf zu lachen. „Dafür“, sagte er ruhig und sah mit neuer Verachtung auf sie hinab „wird man dich töten.“ Ein Erdspeer schoss von der Seite auf ihn zu und durchbohrte seine Brust. Er schrie überrascht auf und wurde gegen einen Baum genagelt, während Schwärze um die Bruchstelle her aufstob. Filia bekam es kaum mit, denn im gleichen Moment stieß sie jemand heftig zur Seite. Sie fiel Kopfüber zu Boden. „Dug Break!“ Erdsplitter rieselten herab und Lina sah kopfschüttelnd auf die blinzelnde Filia herab. „Mit dir ist heute echt nichts anzufangen“, sagte sie, während der letzte Speer vor ihr verging. Den Mazoku hatte sie nicht bemerkt. „Bist du in Ordnung?“ Filia nickte und stand auf. Aus den Augenwinkeln sah sie wie sich der Mazoku durch den Baum an dem er hing sinken ließ und auf der anderen Seite heil und unversehrt herauskam. Er wirkte nur noch etwas verwirrt. 'Astralwesen', dachte Filia resigniert, während die anderen in der kurzen, auf die Speere erfolgten Kampfpause wieder zu ihnen rannten. „Okay.“ Linas Stimme klang mitgenommen, aber entschlossen durch das Chaos. „Zel und Filia bauen einen Schutzschild um uns auf, Amelia und ich kümmern uns um Ray Wing. Wir hauen mit voller Geschwindigkeit ab. Sofort!“ Filia wollte Lina gerade beibringen, dass sie einen Schutzzauber gerade beim besten Willen nicht auf die Reihe kriegen würde, als sie die Entfesselung einer gewaltigen, heiligen Kraft spürte. Und mit dem Spüren dieser Kraft kehrte die Erinnerung an etwas zurück, das sie aufs sträflichste vernachlässigt hatte. Sie sah wieder Menaros zornige Gestalt vor sich, ganz zu Beginn des Kampfes, und seine Hand die nach links und nach rechts zeigte. Und dann dachte sie an die Ryuzoku, die sie langsam von allen Seiten anzugreifen schienen und an einen Zauber, der eine Spezialität dieses Tempels zu sein schien und den einzigen Nachteil hatte, dass man sein Opfer erst umzingeln musste, bevor die Falle zuschnappen konnte. „Zu spät.“ Sagte sie ruhig. Dann verstummte sie, legte still den Kopf in den Nacken und sah hinauf in den Himmel zwischen zwei Baumkronen. Das samtene Schwarz und das glitzernde Weiß der Sterne wurden schnell verdeckt von einem weißen Schleier, einer hohen, gebogenen Wand, die um sie empor spross und näher kam. Die Barriere, die sie schon einmal gefangen hatte, vereinigte ihr Dach über ihnen, zog sich zusammen und brach wie eine riesige Welle über sie herein. Der Mazoku neben ihr schrie. Filias Freunde riefen etwas, aber sie hörte sie nicht mehr, denn Schmerz fiel auch über sie herein. Das Siegel war diesmal anders, es war aktiviert, genauso wie bei dem Mazokuverhör, und Filia erkannte mit ungemeiner Furcht, dass das Shouki in ihrem Körper verrückt zu spielen begann. Sie keuchte und schrie dann leise auf vor Schmerz. Sie biss sich auf die Lippen, aber es wurde immer schlimmer, und sie hatte die Ahnung, dass ihr jetzt mehr passieren konnte als eine einfache gnädige Ohnmacht. Ihr Blick verschwamm, ihre Adern brannten und dann zog sich das Siegel für seine endgültige Form zusammen und sie schloss die tränenden Augen. WAMM! In ihren Ohren krachte es laut und der Schmerz verschwand. Sie hatte das Gefühl, taub geworden zu sein, aber gleich darauf füllte ein Rauschen ihre Ohren. Dann ein Vibrieren, die Luft um sie vibrierte vor Magie. Ein Schutzschild? „Oh nein, bitte!“ sagte Lina voll Inbrunst. Sie klang bis zum Abwinken entnervt „Alles nur das nicht!“ Filia öffnete die Augen. Ein Schutzschild umschloss sie und ihre Freunde. Es vibrierte leicht und brachte die Luft zum schwingen und es war zum Glück nicht das weiße Siegel, das sie kannten. Die Frage war nur, ob diese Alternative besser war, denn dieser Schutzschild war schwarz. Ein paar Angriffszauber und fauchende Drachenatem prallten darauf, aber sie richteten eben soviel Schaden an wie Mücken auf einer Windschutzscheibe. Filia sah auf den Urheber des Schildes und wünschte sich, jemand würde ihr eine Ohrfeige verpassen, damit sie wusste, dass sie nicht träumte. „Alle Achtung, Filia“, sagte Xellos augenzwinkernd. „Ein besseres Chaos hätte selbst ich nicht hinbekommen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)