Die Diener der Dunkelheit von Zeras ================================================================================ Kapitel 11: Stürmischer Besuch ------------------------------ Ach ja, lange, lange ist es her Es gibt ein neues Kapitel nach über einem Jahr! Ich hatte ein paar Probleme mit meinem Handlungsstrang, der erstaunliche Lücken hatte, und nicht sonderlich viel Zeit. Jetzt sieht es eigentlich ganz gut aus bis ich zur nächsten Lücke komme… Viel Spaß beim Lesen. Kapitel 11 Stürmischer Besuch Nachdem sie sich unter lauter vorwurfsvollen Blicken verzogen hatten, hielt die Slayerstruppe Kriegsrat. Sie suchten sich dazu etwas entfernt ein leer stehendes Gästezimmer und kaum fiel die Tür ins Schloss, da sie auch alle gleich durcheinander redeten. Man konnte nur hoffen, dass niemand sie belauschte... „So ein blöder Mist!“ Lina trat enthusiastisch gegen eine von Laken verhängte Kommode und stieß danach einen Schmerzensschrei aus. Die nächste halbe Minute verbrachte sie damit, auf einem Bein und mit vor Wut glühendem Gesicht durch die Gegend zu hüpfen. Filia sah ihr aus dem Schatten aus zu. Sie hatte sich gegen eine Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sehr blass aus. Ihre Wangen brannten noch immer. „Was ist da eben eigentlich passiert?“ fragte Gourry besorgt. „Und wie konnte so was passieren?“ fügte Zelgadis hinzu. „Habt ihr bemerkt, wie die uns angesehen haben?“ sagte Amelia über dem Lärm. „Das war unheimlich.“ Filia schauderte, als sie an die anklagenden Blicke zurückdachte. „Wundert dich das etwa?“ fragte Zelgadis kopfschüttelnd. „Bei einem Mazoku, einem Toten, einer verwüsteten Bibliothek und einer terrorisierten Küche seit unserer Ankunft, wäre ich aber auch misstrauisch geworden.“ Amelia schüttelte seufzend den Kopf und ließ sich auf ein Bettgestell mit einer unbezogenen Matratze darauf plumpsen. Neben ihr saß Lina, hatte ihren Stiefel ausgezogen und pustete gegen ihren schmerzenden Zeh. Eigentlich eine völlig sinnlose Handlung, denn schließlich tat ihr der restliche Körper von ihren diversen Stürzen fast genauso stark weh. Sie dachte an den Mazoku und verwünschte ihn und dann dachte sie an das Schutzsiegel, in dem er sich in diesem Moment befand. Vor gerade mal drei Wochen waren sie in der gleichen Art von Bann gefangen worden, Lina hatte die Energiemuster wiedererkannt. Und wenn sie daran dachte, dass ihr Angreifer darin fast zu Tode gefoltert wurde, drehte sich ihr der Magen um. Am liebsten würde sie Menaros erwürgen. Und Filia gleich mit ihm. „Von wegen nicht gefährlich.“ Neben ihr drehten sich die Diskussionen im Kreis. Woher kam der Mazoku so plötzlich aus dem Nichts? Was wollte er hier? Wovon hatte er geredet und war er eigentlich lebensmüde hier einzubrechen? Sie hörte noch einen Moment lang Amelia, Zelgadis und Gourry zu, bevor sie Kopfschmerzen zu bekommen begann. Dann wandte sie sich mit einem Mal um und blickte Filia an und ein unbeugsamer Ausdruck trat in ihre Augen. Sie hatte genug davon rücksichtsvoll zu sein. „Filia“, sagte Lina streng. „Was meinst du hat das alles zu bedeuten?“ Filia mied verwirrt ihren stechenden Blick. „Ich weiß nicht...“, murmelte sie leise. „Vielleicht sollte ich es anders formulieren“, sagte Lina. „Was hast du mit all dem zu tun? Was zur Hölle ist los mit dir? Du benimmst dich schon so komisch seit du wieder zu uns gestoßen bist. Ich will jetzt endlich wissen, was los ist, und ich will wissen, was du getrieben hast, dass wir plötzlich von Ryuzoku eingesperrt werden und Mazoku von der Decke fallen.“ Lina war immer lauter geworden, während sie sprach und kochte regelrecht vor Wut, als sie endete und Filia mit ihren Blicken geradezu durchbohrte. Filia hatte sich vor dem Moment gefürchtet, da ihre Freunde sie direkt fragen würden, was passiert war, und sie mied jetzt ihren Blick und verschränkte besorgt ihre Fingerspitzen. „Es tut mir leid, Lina, aber das kann ich euch nicht sagen. Es... ich würde euch damit in viel zu große Gefahr bringen. Bitte, das will ich einfach nicht riskieren.“ „Wir stehen kurz davor verhaftet zu werden“ bemerkte Lina. 'Oder zumindest du stehst kurz davor'. „Meinst du nicht, das ist Gefahr genug?“ „Das sind nur Ryuzoku, das kann man gar nicht vergleichen“, murmelte Filia und dachte an Zeras kalte Krallen. Wenigstens waren sie hier nicht in Lebensgefahr. Das hoffte sie zumindest. „Das heißt also“, fiel Zelgadis ihr ins Wort „es geht hier um etwas oder jemanden, der schlimmer ist als Ryuzoku. Nun, da gibt es ja noch Einiges...“ „Das ist Ansichtssache“ murmelte Lina. „...Mazoku zum Beispiel?“ Es war nicht unbedingt auf Beweise begründet, aber die Angst, die kurzzeitig in Filias Augen aufgeblitzt war, hatte Zelgadis auf den Gedanken gebracht, dass es kaum etwas anderes sein konnte. Aber warum war Filia nur so verstört, obwohl sie selbst vor Dark Star Nerven bewiesen hatte? Filia schwieg mit roten Wangen. „Aha“, sagte Lina triumphierend „Mazoku! Der Tag wird wirklich immer besser. Aber“, fuhr sie fort, während sich ihre Miene unwillkürlich verdüsterte „es ist ja nicht gerade so als, ob wir noch nie mit denen zu tun gehabt hätten. Warum sagst du uns also nicht, wo du da rein geraten bist, Filia?“ 'Weil ich mich schuldig fühle!' schrie es in Filias Gedanken. 'Weil ihr mir nicht helfen könnt, weil ihr niemals mit Zeras zu tun haben sollt.' „Wir haben Dark Star besiegt. Und Chaos Dragon Gaav und Hellmaster Phibrizo haben wir eindeutig überlebt. Außerdem beherrsche ich das Laguna Blade. Es ist einfach lächerlich, uns nichts zu sagen, nur weil Mazoku hinter dir her sind.“ Lina versuchte so viel Überzeugungskraft wie möglich in ihre Worte zu packen, auch wenn Zelgadis Worte ihren Magen dazu gebracht hatten, einen Temperatursturz in Richtung Kühlschrank mitzumachen. Wenn es etwas gab, was sie nicht leiden konnte, dann war es Ärger mit Mazoku. Was hatte sie der Welt eigentlich angetan, dass sie es immer wieder mit denen zu tun bekam? Lina hatte schon genug von ihrem Glück aufbrauchen müssen um das ganze Chaos zu überstehen, das sie hinter sich hatte, und auf mehr davon konnte sie sehr gut verzichten. „Es sind aber nicht einfach nur Mazoku“, sagte Filia leise und sah langsam auf. Sie war nun ebenfalls wütend. „Das ist zehnmal komplizierter und je weniger ihr davon wisst, desto besser für euch.“ Der Tag an dem Lina mit ihrer und Xellos Hilfe Dark Star in die Schranken gewiesen hatte, war ihr bei Linas Worten wieder lebhaft vor Augen getreten, aber mit ihm auch die Gewissheit, dass weder Galeria noch Gorn Nova noch in ihrer Reichweite waren um etwas gegen Zeras unternehmen zu können. Sie wollte nicht Linas Gesicht sehen müssen, wenn sie ihr sagte, dass ihr Gegner dieses Mal Xellos sein würde, wollte sie Filia mit Gewalt aus ihrer misslichen Lage befreien. „Ich kann dir nur so viel sagen“, fuhr Filia fort „dass ich wirklich keine Ahnung habe, was dieser Mazoku hier zu suchen hat. Ich habe ihn nie zuvor gesehen und ich weiß nicht zu wem er gehört...“ ...gehört. Filia fiel es siedend heiß wieder ein. Sei musste Zeras Bericht erstatten. Der Mazoku war genau die Art von unerwartetem Zwischenfall, den Xellos erwähnt hatte. Anscheinend konnte sie sich jetzt über noch etwas Gedanken machen. „Wunderbar“, sagte Zelgadis. „Das heißt also im Klartext, dass wir nicht den geringsten Schimmer davon haben, was heute passiert ist. Wir sind genauso schlau wie vorher.“ „Aber wir werden heute erfahren, warum Filia ständig so aussieht als stände sie unaufhörlich vor einem Nervenzusammenbruch“, fügte Lina unbarmherzig hinzu. „Du wirst diesmal nicht darum herum kommen auszupacken. Also?“ „Ich kann nicht!“ stieß Filia hervor, die langsam richtig verzweifelt wurde. Sie sah Lina nicht mehr, nur noch ein Wolf stand vor ihren Augen, der auf sie lauerte. „Bitte, Lina, ihr könnt mir nicht helfen. Ich darf es euch nicht sagen und ich will auch nicht, denn dann geratet ihr in Gefahr. Ich... ich habe einen Fehler gemacht oder vielleicht auch nicht, jedenfalls muss ich jetzt dafür gerade stehen. Und ihr könnt nichts gegen das ausrichten, mit dem ich es zu tun habe, das geht einfach nicht, das ist unmöglich." Filia zitterte, als sie innehielt, aber als sie es wagte den Blick wieder auf die anderen zu heften wäre sie vor Frustration fast umgekippt. Amelia und Zelgadis gähnten, Gourry trug seine ich-habe-mal-wieder-gar-nichts-verstanden-aber-Lina-wird-es-mir-bestimmt-nochmal-erklären Miene zur Schau und Lina selbst rollte genervt die Augen. Sie trommelte ungeduldig mit einem Fuß auf den Boden und starrte sie unbeeindruckt an. „So kommen wir nicht weiter“, bemerkte Lina gereizt. „Wie wäre es, wenn du uns jetzt endlich sagst, wen wir für dich in den Hintern treten müssen, damit wir es hinter uns bringen können?“ Ihre Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an „Niemand führt Lina Inverse an der Nase herum und du hast jetzt lange genug Tragödie gespielt...“ Filia hatte das Gefühl gegen eine Wand geredet zu haben. „Filia...“, sagte Zelgadis angespannt. „Falls du es noch nicht gemerkt hast, Lina sucht schon den ganzen Tag eine Möglichkeit alles um sie her in die Luft zu jagen. Sag ihr einfach, was los ist. Bitte, ich habe keinen Nerv mehr dafür noch einen Dragon Slave verhindern zu müssen, einer reicht mir völlig.“ Die Vorstellung Zelgadis hätte es lieber mit Xellos und Zeras gemeinsam zu tun, als Lina von ihrer Zerstörungswut abzuhalten, drängte sich Filia unwillkürlich auf. Und wahrscheinlich war das auch noch wahr. Sie atmete einmal tief durch und zwang die Furcht aus ihren Gedanken zurück.Ob ihnen zusammen ein weiterer Kampf gegen übermächtige Mazoku bevorstand? Nun gut, warum eigentlich nicht? „Also gut“, sagte sie schließlich und machte sich bereit alles auf eine Karte zu setzen. „Es ist so, ich...“ „Da seid ihr ja!“ Die Köpfe der Gruppe flogen herum und sie sahen Elaros, blass aber sehr lebendig in der Tür stehen. Lina hätte ihn am liebsten gleich mit erwürgt. Sie war so nah dran gewesen. „Man hat nach euch gesucht. Ihr könnt doch nicht einfach verschwinden, nach allem...“ Er schüttelte aufgekratzt und fast entschuldigend den Kopf „Der Tempelrat hat beschlossen euch unter Zimmerarrest zu setzen. Bitte folgt mir.“ „Was?“ Linas Zerstörungswut-Barometer schien fast sichtbar nach oben zu springen. „Zimmerarrest? Was soll das heißen?“ „Hier herrscht im Moment das reinste Chaos“, sagte Elaros entschuldigend. „Bis alles wieder geregelt ist, soll weitere Unruhe vermieden werden...“ „Ach, und deswegen werden wir jetzt einfach eingesperrt?“ Lina verschränkte die Arme. „Ohne dass wir etwas getan haben.“ „Dieses Thema würde ich jetzt nicht ausweiten“, bemerkte Zelgadis kopfschüttelnd und sah auf Amelia, die ihn unschuldig anlächelte. Bis jetzt wagte sie es noch nicht wieder, ihr Lieblingswort in den Mund zu nehmen. Das war wohl gut für einige Nerven, aber er fragte sich insgeheim, wie lange Amelia das noch aushalten sollte. „Bitte verkompliziert die Lage einfach nicht. Und denkt nicht, dass ich mich über diese Entscheidung freuen würde, schließlich kenne ich euch besser als die meisten hier.“ Elaros machte eine einladende Geste zur Tür. „Nach euch.“ Die anderen sahen sich an. Es wäre noch vieles zu besprechen gewesen. Trotzdem, machten sie sich murrend, aber relativ friedlich auf den Weg. Der Tag war sowieso zu lang gewesen, um sich noch mehr aufzuregen. Und Elaros zu schicken, der ihnen in den letzten Wochen so hilfsbereit bei ihrer Bücherdurchsuchung zur Seite gestanden hatte, war auch kein schlechter Schachzug gewesen. Auf ihrem Weg den Flur entlang begegneten sie ungewöhnlich vielen Ryuzoku. An jeder Kreuzung standen sie in Trauben zusammen und redeten eifrig aufeinander ein. Der ganze Tempel schien noch auf den Beinen zu sein, obwohl es langsam spät wurde. „Was passiert jetzt eigentlich?“ fragte Amelia besorgt, als sie eine weitere grimmig dreinschauende Gruppe passierten. „Hier scheint noch einiges los gewesen zu sein.“ „Wir müssen das Chaos aufräumen“, sagte Elaros. „Die Decken abstützen, den Schutt wegräumen. Und die ganze Zeit wird diskutiert über diesen Mazoku, woher er kam, über Gefahren, Verräter, darüber warum unsere Schutzsiegel versagt haben... Und eine Trauerfeier müssen wir auch noch anberaumen.“ Sie hielten an um eine Gruppe passieren zu lassen, die mit Säcken, Flaschen, Kisten und einer Bratpfanne beladen vorbeischlurfte und möglichst unauffällig auszusehen versuchte. „Ach ja, und die Küche zieht auch mal wieder um“, bemerkte Elaros sarkastisch. Ein lautes Grollen ließ ihn zusammenzucken. „Elaros“, sagte Lina fröhlich, während sie sich den Magen rieb. „Ich versichere dir in einer halben Stunde sind wir auf unseren Zimmern, aber vorher müssen wir noch einen lebenswichtigen Abstecher machen. Es ist ja schon längst Zeit fürs Abendessen.“ Sie war schon halb den Gang entlang, als Elaros sie wieder einholte. „Halt, Lina. Ich kann dich vielleicht nicht aufhalten, aber begleiten muss ich dich schon. Euch allein gehen zu lassen wäre wirklich unverantwortlich. Wir haben nämlich tatsächlich heute schon genug Ärger gehabt...“ *** Greater Beast Zeras lungerte in ihren Gemächern auf Wolf Pack Island herum und dachte an nichts besonders Böses, als zwei Besucher in ihren Machtbereich hereinschneiten. Für einen Moment blieb sie einfach nur perplex sitzen. Dann zuckten ihre Finger verdächtig und sie richtete sie sich schnell und gereizt auf und trat in einen privaten Besprechungsraum, den sie schon lange nicht mehr benutzt hatte. „Was zur Hölle?“ murmelte sie gereizt. „Zeras!“ Die weite Flügeltür vor ihr sprang auf und eine schmale, hoch gewachsene Frau trat ein, mit einer undeutbar freundlichen Miene in ihrem blassen Gesicht. Sie lief als wäre der Boden unter ihren Füßen unwichtig und ihr Haar flatterte und lag still, als wäre die Meeresbrise nicht daran beteiligt. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ „Ja“, sagte Zeras langsam und ließ ihren Blick von der aufreizend höflichen Person vor ihr zu dem zweiten Besucher pendeln. Ein unscheinbarer, sehr attraktiver Mann mit einer Haltung, einem Gebaren und einer Miene aus uneinnehmbarer Kälte, der im Übrigen genauso genervt dreiblickte, wie sie selbst wahrscheinlich auch. Nur schien er schon seit einer etwas längeren Weile leiden zu müssen. Zeras räusperte sich. „Willkommen auf Wolf Pack Island, liebe Dolphin und Grausherra. Wie schön, dass ihr euch eingeladen habt.“ „Guten Tag, Zeras“, antwortete Grauscherra neutral. Zeras schenkte ihm einen bitterbösen Blick. „Was in Shabranigdos Namen macht ihr hier?!“ Sie hatte die beiden Mazoku Lords schon seit Jahren nicht mehr gesehen und sie wusste keinen Grund, warum sie diesen Zustand hätten ändern sollen. „Wir haben wichtige Neuigkeiten“, verkündete Dolphin gelassen. „Ach ja?“ fragte Zeras, die noch immer sauer war. „Warum habt ihr mir dann nicht wenigstens einen Boten geschickt um eure Ankunft anzukündigen?“ 'Oder um mir gleich die Neuigkeiten zu übermitteln und mich dann in Ruhe zu lassen.' „Reg dich nicht auf“, sagte Grausherra. „Es ist vielleicht wirklich wichtig.“ Er trat in ihre Nähe und ließ sich langsam in einen der brokatverzierten Sessel nieder, die lose im Raum verteilt standen. Dolphin tat es ihm gleich und ließ sich mit im Schoss zusammengelegten Händen zurücksinken, während sie den Blick durch den Raum wandern ließ. Von Krallen zerrissene, bemalte Tapeten, die einzigen auf ganz Wolf Pack Island, bunte Teppiche und längliche Fenster bildeten hier einen Kontrast zu allen anderen Zimmern des Palastes. Der Raum war nicht groß, aber geräumig und Zeras dachte an eine der wenigen Male, da alle fünf Mazoku Lords zusammen hier gesessen und sich besprochen hatten. Das erste Mal waren sie alle noch sehr jung gewesen. 'Unerfahrene Dummköpfe', dachte sie spöttisch und dann dachte sie an das eine Mal, da alles mit einem großen Geschrei und einer spontanen Zimmerrenovierung geendet hatte. Konferenzen mit Mazoku Lords hielten wirklich allerlei Überraschungen bereit. Zeras runzelte die Stirn. 'Na, das kann ja wieder heiter werden.' „Wir haben einen gefunden“, sagte Dolphin in diesem Moment. Zeras wurde daraufhin still. Ein Gedanke durchzuckte sie: Endlich... Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an und sie grub ihre Krallen in den schönen Rahmen des Fensters, neben dem sie stand. „Einen Einzigen“, fuhr Dolphin fort. „Und er war schon tot.“ Sie seufzte. Ihre zarten Finger strichen ihren blassblauen Seidenrock glatt. Zeras stechende Augen folgten ihr und jedem ihrer Wimpernschläge. „Da ist nichts, was wir noch von ihm erfahren können, nichts was wir aus seiner Leiche schließen könnten.“ „Aber?“ fragte Zeras gespannt. „Der Standort“, sagte Dolphin. „Mein Diener hat ihn vor den Toren der alten verseuchten Bergfestung gefunden. Schau nicht so ungläubig“, fügte sie hinzu, als Zeras sie weiterhin anstarrte. „Wir wissen auch nicht, was er da zu suchen hatte, aber er lag wirklich direkt vor ihren Toren. Inzwischen hat sich das Shouki natürlich längst verflüchtigt.“ Ihr Blick verdunkelte sich. Sie wandte den Kopf leicht zur Seite, als habe sie vergessen weiter zu sprechen, und begann sich unvermittelt in den Anblick einer gebleichten und ebenfalls zerrissenen Samtgardine zu vertiefen. Kein Funken Sonnenlicht spiegelte sich in ihren Augen. „Aber die Festung“ sagte Zeras langsam. „Wir sind schon seit Ewigkeiten nicht mehr dort gewesen. Da gibt es doch rein gar nichts Interessantes, nur ein verrücktes nutzloses Gemäuer.“ „Vielleicht war es auch Zufall“, sagte Dolphin achselzuckend. „Oder wohl eher nicht.“ Zeras fühlte sich verblüfft und ihre Gedanken sprangen durcheinander wie ein Wirbelsturm. Alle ihre Theorien, die sie in den letzten Monaten angestellt hatte, lösten sich vor ihren Augen in Luft auf und ließen sie ohne jeden Plan zurück. Umgehend schickte sie eine mentale Botschaft an einen ihrer Boten. Ihr lieber Xellos musste unbedingt hiervon erfahren. Sachen, die keinen Sinn ergaben waren ja schon immer sein Aufgabenfeld gewesen. Und mal sehen, was er daraus machen konnte. „Dolphin fand diesen Fund so wichtig“, bemerkte Grausherra gerade „dass sie direkt zu mir gekommen ist. Und mich... nun, überzeugt hat, sie zu dir zu begleiten.“ Er selbst war eindeutig mehr genervt als aufgeregt. Den beschuldigenden Blick, den er Dolphin zuwarf, schien diese kaum zu bemerken. „Um es gleich zu sagen, ich gebe schon zu, dass es zumindest eine Spur ist, aber allem Anschein nach wird sie sich unweigerlich im Sand verlaufen. Und im Übrigen“, fügte er noch stirnrunzelnd hinzu. „Ich bezweifle wirklich, dass diese ganze Angelegenheit überhaupt so wichtig ist. Womöglich verschwenden einige von uns sehr kostbare Zeit. Und streuen zudem unnötige Ungewissheiten.“ Er warf Zeras einen Blick dabei zu, aber sie ging nicht darauf ein. Sollte er doch noch ein wenig schmoren, dachte sie böse. Die Langeweile und noch mehr der Verweis in seiner Stimme missfielen ihr sehr. Sie hatte sich inzwischen auf den halb zersplitterten Fenstersims hinter sich gesetzt und betrachtete weiterhin ihre unerwarteten Gäste. Die Sonne wärmte ihren schmalen Rücken und ihr Körper warf einen langen Schatten in den düsteren Raum. „Das ist aber Schade“, sagte sie gedehnt. Ein spöttisches Knurren vibrierte in ihrer Kehle mit. „Dass du dem Verschwinden von über zehn höherrangigen Mazoku keine große Bedeutung beimisst.“ Dynast sah sie wütend an. „Ganz zu schweigen von dem Rest...“ „Einer meiner Diener ist schon längst auf dem Weg zur Festung“, sagte Grausherra verärgert und seine schön geschwungenen Augen fixierten Zeras böse. „Er wird helfen sich der Sache anzunehmen. Ich bin nicht nachlässig Zeras. Aber“, und er erhob sich nachdrücklich, während er sprach. „Ich meine noch immer, dass es trotz allem unsere erste Pflicht ist, nach Red Ruby Eyes Wiedergeburten zu suchen. Das und nichts anderes.“ Sein Blick pendelte von einer Mazoku zur anderen, während er sprach, und selbst Dolphin hatte nun einen wütenden Zug um den Mundwinkel. Zeras Augen sprühten Funken und sie hatte sich weit vorgebeugt. Was fiel ihm ein sie in ihrem eigenen Domizil belehren zu wollen? Und dachte er etwa, sie und Dolphin würden ihre anderen Pflichten vernachlässigen? Das war so was von unverschämt. „Womöglich“, fuhr Dynast unbeirrt fort „verliert unser Dark Lord etwas von seiner Kraft, wenn seine Seele zu lange zerteilt und in Menschen eingeschlossen ist. Die Zeit arbeitet gegen uns, aber für die Shinzoku. Ein paar Verluste unter Dienern“, er schnaubte abfällig „sind nebensächlich dagegen.“ „Du redest völlig am Thema vorbei“, sagte Dolphin freundlich. Sie hatte sich nicht erhoben und kaum gerührt und nur ihre blassen Finger wirkten ein wenig verkrampft. „Du vergisst, dass wir nicht wissen, warum sie verschwunden sind. Möglicherweise steht eine große Gefahr für uns dahinter. Es wäre leichtsinnig, sie zu missachten.“ „Ach ja?“ erwiderte Grauscherra grimmig. „Meiner Meinung nach hat ein Shinzoku sie umgebracht. Das ist natürlich und vollkommen wahrscheinlich und enthüllt uns keine Gefahr, die wir nicht schon kennen.“ „Alle?“ fragte Zeras ungläubig. „Ohne, dass wir was davon gemerkt hätten? Das glaubst du doch wohl selber nicht. Und überhaupt, wie passt das zu Dolphins Bericht? Wie sollte dann plötzlich einer von ihnen zur Bergfestung kommen, wo ihn dein Shinzoku doch schon längst umgebracht hat?“ „Es ist sinnlos“, erwiderte Grausherra „mit euch lässt sich nicht reden.“ 'Mit dir, aber auch nicht', dachten Zeras und Dolphin gleichermaßen genervt. „Ihr habt meinen Diener, der sich an euren Nachforschungen beteiligen wird. Den Rest lege ich in eure Hände.“ Grausherra nickte kurz den beiden Damen zu und wandte sich zum gehen. Er hatte von Anfang an nicht herkommen wollen und ergriff nun die erste sich bietende Möglichkeit wieder zu gehen. Dolphin hob sanft eine Hand zum Abschied und Zeras stieß sich ein wenig von ihrer Fensterlehne ab und nickte ihm hoch aufgerichtet zu, während er sich umwandte und den Raum und kurz darauf die Insel verließ. Greaster Beast seufzte kurz, stützte die Ellbogen auf den zerkratzten Fenstersims hinter sich und sah müde aus dem Fenster. Die Dämmerung brach nun herein und die Wildvögel waren schon fast ganz verstummt. 'Zumindest sind wir uns diesmal relativ einig gewesen', dachte sie gedankenverloren. 'Keine demolierten Möbelstücke diesmal, die auf meine Wiese hinunter krachen...' Aber sie konnten ja auch nicht so weiter machen, bevor sie noch weniger wurden. Hinter ihr kuschelte Dolphin sich verträumt in ihre weichen Sesselpolster und zog schläfrig die Beine an. 'Das ist Dolphin', dachte Zeras und lauschte dem Geräusch von raschelndem Stoff und knarrenden Polsterfedern. 'Sobald es Streit gibt, stellt sie sich einfach taub. Und ihr Geist geht ich weiß nicht wohin...' Tja, so hatte sie Dynast wohl auch aus seiner Burg raus schleifen können. Sie hörte ja einfach nicht zu, wenn ihr jemand widersprach. „Warum ist dir die Festung so wichtig“, fragte Zeras unvermittelt und ritzte mit ihren Krallen nachdenklich ein paar neue Furchen in das Simsgestein, auf das sie sich stützte „dass du persönlich zu uns gekommen bist?“ Es raschelte wieder hinter ihr. Zeras spürte, wie Dolphin sie musterte, aber sie wandte sich nicht um, sondern vertiefte sich darin ihre Nägel tiefer über den Rahmen zu ziehen. Ein schrilles Geräusch, so als würde sie eine Schiefertafel entlangfahren, sang durch die drückende Stille in dem verwüsteten Raum. „Nicht der Standort“, murmelte Dolphin undeutlich. „Der Mazoku.“ „Was meinst du?“, fragte Zeras leicht verwirrt. „Was ist mit ihm?“ „Tot...“, sagte Dolphin leise und vergrub das Gesicht in den Armen. Ihr blaues Haar fiel wie ein Schleier vor ihr Gesicht und ihren Körper hinab. Ihre Stimme war ein Flüstern. „So grausig ruiniert.“ Zeras wandte sich um. Sie sah Dolphin im Schatten sitzen und sie müde hinter ihren Armen her anstarren mit Augen, die schillerten wie Wasser im Licht. Ein trotziger Zug lag um ihren Mund. „Ich kenne nur die Berichte, Zeras“, sagte sie leise. „Aber es war nicht schön.“ Zeras starrte Deep Sea verblüfft an. Was war nur wieder in sie gefahren? „Dolphin, du bist echt nicht normal.“ Deep Sea hob entrüstet den Kopf. „Natürlich nicht“, erwiderte sie würdevoll. „Ich bin ein Mazoku Lord.“ Zeras zog die Brauen hoch. „Aber auch Mazoku Lords haben bestimmte Maßstäbe“, sagte sie gedehnt und schritt geschmeidig auf sie zu. „Für ein für uns normales Verhalten.“ Sie bewegte vage die Hände. „Irgendwelche.“ „Ist das so?“, fragte Dolphin und erhob sich unvermittelt vor ihr und plötzlich war sie wieder so stolz und unnahbar und mächtig wie Zeras selbst. „Nun, dann scheinen wir doch nicht so frei zu sein wie wir denken, Zeras. Dann sind auch wir mächtigen Mazoku in Fesseln gelegt“, und in den Spott ihrer Stimme mischte sich Trauer, Bitterkeit und Mitleid, als sie weitersprach. „Vielleicht spürst du sie nicht, Zeras, aber sie sind da. Und zerreißen uns lieber als brechen zu wollen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)