Die Diener der Dunkelheit von Zeras ================================================================================ Kapitel 4: Nicht aus Barmherzigkeit ----------------------------------- Kapitel 4 Nicht aus Barmherzigkeit Es war ganz still als Filia erwachte. Ihr war als hätte sie eine Ewigkeit geschlafen, nur um noch erschöpfter als zuvor zurückzukehren. Ihr Kopf enthielt ein gewaltiges, gedämpftes Chaos und ihre Erinnerung lag im Nebel. Etwas war passiert, natürlich sonst wäre sie schließlich nicht hier, an diesem fremden Ort, aber was es war, wollte ihr einfach nicht klar werden. Die Erkenntnis lief vor ihr davon wie ein scheues Tier und ließ ihr nur die Ahnung, dass ihr das, was sie erfahren wollte, nicht besonders gefallen würde. Sie lag in einem Bett in einem kargen Raum mit weiß getünchten Wänden und einer flackernden Kerze am Boden, die ihr Licht spendete und deren aschfarbene Rauchschwaden Muster in die Luft zeichneten. Filia richtete sich mit einiger Mühe auf und taumelte aus dem friedlichen Raum in einen langen von hohen Fenstern gesäumten Korridor. Ihre Beine waren schwach und ihr Körper war steif und tat weh, so als hätte sie ihn wochenlang nicht bewegt. Wie im Traum lief sie den hellen Flur entlang und eine gewundene Marmortreppe hinauf, nicht auf den Weg achtend und in Gedanken versunken. Schließlich erreichte sie das Ende der vielen Stufen und trat ins Freie auf eine weite, das gesamte Dach umfassende Terrasse. Weißer Kalkstein lag wie ein wellenloses Meer zu ihren Füßen, nur gelegentlich unterbrochen von anderen Treppenaufgängen und von breiten Mauern begrenzt. Sie trat an den Rand und lehnte sich weit über die Brüstung, während der starke Höhenwind ihr die Haare um den Kopf schlug. Ihr Gesicht wurde taub vom kalten, nach Meer duftenden Wind und ihre nackten Füße brannten auf der von der Sonne heißen Steinfläche. Sie befand sich hoch über der Erde. Weit unter ihr erstreckten sich ein Teppich aus grünen Hügelwiesen und im Norden, Osten und Südwesten glänzten die Kronen großer Kiefernwälder. In der Ferne konnte sie das Meer erkennen. Die eisige Kälte half ihr ihre Gedanken zu ordnen, welche die ganze Zeit über so zäh wie Honig in ihrem Kopf geflossen waren. Sie dachte stirnrunzelnd daran, dass sie eigentlich Angst haben müsste, da sie weder wusste wo sie sich befand, noch was sie tun sollte, noch was überhaupt geschehen war. Alles was blieb waren Schmerzen in jeder Faser ihres Körpers und der dumpfe Verdacht, dass die Zeit bevor ihre Erinnerung zurückkam wie eine Gnadenfrist verstrich. Außerdem war dieser Ort nicht nur fremd, sondern auch seltsam. Er war von einer Aura umgeben, die Filias geschwächte Sinne noch kaum erfassen konnten, die ihr aber höchst bedrohlich erschien. "Guten Morgen, Filia." Filia drehte sich um und erblickte Xellos und mit einem Mal kam ihre gesamte Erinnerung zurück. Ihre Knie knickten ein und sie fiel auf den Boden. Zitternd blickte sie auf. "Was hast du mit mir gemacht?" "Nun, ich denke, ich habe dir das Leben gerettet", sagte Xellos trocken. "Und du tätest gut daran, es nicht gleich wieder unnötig zu strapazieren." Filia starrte ihn weiterhin an, unfähig sich zu bewegen. "Und wie hast du das gemacht?" "Das ist ein Geheimnis." Das war eindeutig zu viel für sie und sie brach in Tränen aus. "Aber, aber", meinte Xellos besorgt. "Du musst dich zusammenreißen, schließlich müssen wir gleich vor meine Meisterin treten." Er kniete sich neben sie, während Filia erschrocken den Kopf hob. "Zu Greater Beast?" "Ganz genau." "Wieso, was soll das Ganze hier? Will sie mich etwa noch einmal foltern?" "Nein", sagte Xellos beruhigend und zog sie vorsichtig wieder auf die Beine. "Aber sie will dich sehen, wozu sie auch allen Grund hat, schließlich wohnst du nun schon seit mehr als drei Wochen in ihrem Palast." Filia starrte ihn an. "Ach das habe ich auch nicht erwähnt? Nun gut, dann willkommen auf Wolf Pack Island, Filia, dem Zuhause von Greater Beast Zeras und ihrem Gefolge, zu dem auch meine Wenigkeit zählt. Es gibt noch vieles zu erklären, aber zuerst musst du Zeras gegenübertreten, von ihr hängt alles ab. Sei mutig." Und mit diesen letzten Worten strich er ihr die Tränen aus dem Gesicht und teleportierte beide in einen dunklen Saal. Er hatte keine Fenster, nur einige lange Spalten in der Decke, die alles in schummriges Licht tauchten. Hohe Säulen stützten ihn und er war mit Wandteppichen drapiert. An einem Ende, dort wo das meiste Licht versammelt war, befand sich ein Podium mit einem breiten, hohen Marmorstuhl und in ihm saß zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen, die Person, die Filia am meisten fürchtete. "Komm näher", sagte Zeras, doch Filia konnte sich nicht rühren. Xellos gab ihr einen Stoß und sie stolperte vorwärts. Mit jedem Schritt, den sie tat, kam sie einer Panik näher. "Halt", sagte Zeras ruhig, als sie nur noch wenige Schritte entfernt war und öffnete die Augen. "Hast du Schmerzen?", fragte sie sanft. Filia begann zu zittern und die Stimme versagte ihr. "Du hast es verdient, weißt du?" fuhr Zeras ruhig fort. "Du hast mir wirklich sehr viel Ärger bereitet, obwohl du nur ein schwacher Drache bist. Wenn es nach mir gegangen wäre, wärst du jetzt tot, aber mein Diener hatte eine andere Idee." Sie warf einen Blick hinter Filia auf Xellos. "Ich bin kein Spielverderber, ich will es auf einen Versuch ankommen lassen, wo du nun schon mal überlebt hast. Deswegen wirst du heute Abend offiziell in meine Dienste treten." Filia erstarrte. "In Eure Dienste treten? Was soll das heißen?", fragte sie fassungslos und vergaß für den Augenblick ihre Angst. "Das heißt", sagte Zeras gedehnt "dass ich niemanden aus Barmherzigkeit sein Leben schenke. Ich habe Xellos gestattet dich zu retten, damit du mir nützlich bist. Er meint, dass wir deine Fähigkeiten gebrauchen könnten und wenn das stimmt, bin ich es zufrieden, dass du als meine Dienerin weiterlebst. So und nicht anders." "Ich werde niemals einem Mazoku dienen", sagte Filia wütend ohne Nachzudenken. "Gut, dann bring ich dich halt um", fauchte Zeras. "Das hatte ich ja sowieso vor. Hör zu, Drachenmädchen, du hast die Wahl. Heute Abend wirst du in diesem Saal erscheinen und mir entweder die Treue schwören oder auf der Stelle getötet werden und glaube mir, ich mache nur einmal Kompromisse. Überleg es dir und geh jetzt. Sofort!" Ein knurren entwich ihrer Kehle und Filia, die den rüstungsbewehrten Wolf wieder vor sich sah, drehte sich hastig um und rannte weg. Sie erreichte eine große, zweiflügelige Tür am Ende des Saales und floh, während ihre Angst immer stärker zurückkehrte. Zeras blickte Xellos wütend an, der näher getreten war und sich verbeugte. "Und, glaubst du immer noch, dass dein Plan funktionieren wird? Am Ende hast du drei Wochen für nichts vergeudet, wenn dieser sture Drache sich heute Abend zum Märtyrer erklärt." "Nun, im Endeffekt ist es immer schwer jemandes Handlungen vorherzusagen", sagte Xellos weise. "Aber ich denke, wenn sie sich ihre Lage erst klar gemacht hat, besteht immer noch genug Hoffnung, dass Filia ihre Meinung ändert." "Wahrscheinlich hast du recht", sagte Zeras seufzend. "Aber wenn sie wirklich hier bleibt, will ich, dass diese Unverschämtheit verschwindet. So was kann sich hier niemand erlauben." Sie winkte müde mit der Hand. "Du kannst jetzt gehen. Ich für meinen Teil brauche jetzt erst mal ein gutes Glas Wein." Xellos verbeugte sich und teleportierte hinaus. 'Es wäre wirklich zu Schade, wenn all die Arbeit umsonst gewesen wäre', dachte er und suchte gleichzeitig nach Filias Präsenz. Da war sie schon, ein Wirrwarr an Emotionen, die einem Leuchtfeuer gleich in seiner Wahrnehmung auftauchten. 'Nun, da scheint ja wirklich noch nichts entschieden', dachte er, während er wieder sprang um der Entscheidung etwas nachzuhelfen. Er fand Filia zusammengekauert in einer Ecke im Palast sitzend, die Hände um die Beine geschlungen und die Stirn auf den Knien. "Nun, Filia, was sagst du?" fragte Xellos freundlich. "Was soll ich schon sagen", antwortete Filia dumpf. "Ich kann keinem Mazoku dienen, das ist völlig ausgeschlossen. Selbst wenn ich sonst..." "Aber, aber", sagte Xellos mahnend. "Ich weiß ja nicht, was du dir darunter vorstellst Zeras zu dienen, doch sie wird dir wohl kaum Aufträge erteilen, die du nicht auch erfüllen kannst. Unser Leben besteht auch nicht nur aus Kämpfen und Blutvergießen, schließlich sind unsere Kriege so ziemlich festgefahren. Mein letzter wichtiger Auftrag war die Dark Star Angelegenheit." "Und das, wobei ich euch gestört habe", flüsterte Filia. "Und das", bestätigte Xellos und betrachtete sie. "Du solltest er dir wirklich noch mal überlegen", sagte er und teleportierte wieder von dannen. Filia starrte auf den Boden. Nicht nur Blutvergießen und Kampf... viel blieb dann doch nicht mehr übrig. Die Mazoku standen gegen alles, an das sie glaubte. Aber an was genau sie glaubte, wusste sie seit ihrem Austritt aus dem Feuerdrachentempel selbst nicht mehr genau. Alle Grenzen waren verwischt. 'Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß', dachte Filia grimmig. 'Aber hier ist Weißes gewiss sehr dünn gesät.' Wenn sie sich weigerte, würde Zeras sie töten. Filia erinnerte sich daran, wie es gewesen war, als Zeras auf sie zutrat, kochend vor Wut, und sie sich sicher war nun zu sterben. 'Ich will nicht', dachte Filia. 'Solange ich noch einen anderen Weg sehe, will ich nicht sterben. Niemand muss sich schämen, der um sein Überleben kämpft.' Aber wenn sie nun Zeras Dienerin wäre und sie ihr schreckliche Befehle geben würde, wenn sie töten müsste... Filia schloss die Augen und versuchte herauszufinden, wie weit sie gehen würde. *** Als Filia den nun fackelbeleuchteten Saal erneut betrat, war er bevölkert von Mazoku. Sie standen an beiden Seiten im Schatten und ließen nur den Mittelgang frei. Dieser allein war erleuchtet, so dass Filia nur funkelnde Augen und das Aufblitzen von Zähnen erkennen konnte, während sie sich selbst wie im Rampenlicht fühlte, als sie nach vorne trat. Zeras saß wieder auf ihrem Thron, diesmal flankiert von einem ganzen Rudel Wölfe, die sich zu ihren Füßen rekelten. Sie blickte Filia erwartungsvoll entgegen. Xellos konnte sie nicht entdecken, aber er hatte ihr gesagt, was sie tun musste. Drei Schritte vom Podium entfernt ließ sie sich auf ein Knie sinken und beugte den Kopf. "Filia Ul Copt" sagte Zeras. Ihre Stimme war leise und doch so klar, dass sie im ganzen Raum zu hören war. Alle Mazoku, die vorher getuschelt hatten, wurden umgehend still. "Bist du gewillt in meine Dienste zu treten?" Filia hob langsam den Kopf. "Ja." Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und sprach noch bevor Zeras weiterreden konnte. "Ich werde euch dienen, doch zuvor muss ich etwas erklären." Sie stand langsam auf und blickte in die Runde "Ich weiß nicht, warum Ihr mir dieses Amt gestatten wollt und was demnach Eure Aufgaben für mich sein werden, aber es gibt eine Sache, die ich trotz aller Loyalität niemals werde tun können. Ich werde niemals einen Ryuzoku töten. Ich werde nie ein unschuldiges Wesen töten können, ob Mensch oder Drache oder sonst jemand. Wenn ihr das von mir verlangt, werdet ihr mich töten müssen. Ansonsten stehe ich zu euren Diensten." Zeras blickte Filia unbewegt an, doch innerlich war sie schon wieder am ausrasten. Zum dritten Mal nur wegen diesem Drachen. Sie schien nicht ganz zu verstehen, worum es hier ging. Kein Mazoku würde es wagen, sich bei ihr irgendwelche Sonderrechte, was ihre Befehlsgewalt anging, herauszunehmen. Mazoku waren loyal und treu bis in den Tod, auf die eine oder andere Weise. Aber ein Ryuzoku würde nie ein Mazoku sein können... Zeras spürte Filias Emotionen und sie wusste, dass Filia Angst hatte. Sie hatte furchtbare Angst, aber trotzdem war das nicht alles. Sie war auch entschlossen bei ihrem Vorsatz zu bleiben, trotz allem war sie noch nicht gebrochen und hatte sich diese Überzeugung bewahrt. Zeras fühlte Filias Entschlossenheit und sie gab schließlich den Ausschlag. "Mutig gesprochen", sagte sie leise. "Ich werde es darauf ankommen lassen. Aber bist du nun bereit in meine Dienste zu treten?" "Ja." Zeras trat vor Filia und legte ihr eine Hand auf die Stirn. "Dann soll es so sein", sagte sie und ließ etwas von sich auf Filia überspringen, einen winzigsten Funken ihrer Kraft, der sich mit Filias Aura mischte und sie zeichnete, wie es die Magie, die sie schon vorher in sie gegeben hatte, nicht getan hatte. Ein dunkles Flackern war zu sehen, dann trat Zeras zurück und Filia hob den Kopf. Sie blickte ihrer neuen Meisterin in die Augen, welche funkelten wie die Nacht. Eine neue Dienerin war in Greater Beasts Kreis getreten. ************************* Dramatik, Dramatik! Auf solche Enden steh ich, also macht euch darauf gefasst, das öfters zu erleben. Meine Charaktere tendieren dazu mit der Zeit etwas heroisch zu werden. Ich denk mal, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Filia auf den Gedanken kommen könnte sich den Mazoku anzuschließen, aber was soll's. Mazoku sollten schließlich gebührend terrorisiert werden... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)