Le Compte et la Comptesse von JonahThera ================================================================================ Kapitel 1: Regen ---------------- Sie hatte die Augen noch gar nicht geöffnet, da wusste sie schon, dass es ein miserabler Tag werden würde. Der erste Grund, der ihr in den Sinn kam, war die Tatsache, dass Montag war, was natürlich nicht das Schlimmste darstellte. Viel schrecklicher war der zweite Grund, der unaufhörlich an ihre Fensterläden pras-selte. Sie hasste Regen, vor allem wenn es auf den Winter zu ging und es immer kälter wurde. Und genau dies war der Fall. Mit jeden Tag wurde es kälter und wenn es dann auch noch regnete und man wie ein nasser Pudel nach Hause gekrochen kam, wo natürlich ein eiskaltes Bett wartete, hatte sie endgültig die Schnauze voll. Die Augen fest zu kneifend, rollte sie sich wieder in ihre Decke ein und versuchte dieses lästige Ge-räusch des Regens auszusperren. Doch kaum war sie dabei wieder weg zu dämmern, pochte es laut an ihrer Wohnungstür, wodurch sie erschrocken hochfuhr. Ohne auch nur auf Antwort wartend, sprang die Tür auf und sie hörte, wie mehrere Herren fluchend ihre Wohnstube betraten. Schnell sprang sie aus dem Bett, was ihr Kopf mit einem Schwindel dankte, um sich anzuziehen. In Windeseile hatte sie den einzigen Stuhl im Schlafzimmer vor die Tür gestellt, bevor versucht wurde, diese zu öffnen. "Aramis? Schläfst du etwa noch?", war sehr deutlich D'Artagnans Stimme zu hören. Während sie zügig ihr Nachthemd auszog und den Verband anlegte, der ihre weiblichen Kurven zu verdecken gedachte, schrie sie mit möglichst schlechter Laune: "Bis vor drei Minuten habe ich dies getan." Der junge Gascogner sah mit einem vielsagenden Blick zu seinen beiden Begleitern, die sich ein Grinsen auch nicht verkneifen konnten. "Wolltest dich wohl vor dem Dienst drücken, was?", tönte Porthos, während er die Schränke seines jungen Kameradens nach etwas Essbaren durchsuchte. Mit einem Mal sprang die Tür zum Schlafzimmer auf und Aramis stand angezogen darin. "Bei dem Wetter verwundert das jawohl nicht, mein Dickerchen, oder?", neckte sie ihn grinsend und nickte den anderen zu: "Morgen ihr zwei." D'Artagnan nickte zurück und Athos, der sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte, grinste sie nur an. Der Musketier hatte seinen Umhang abgelegt und ihn einfach auf den Boden fallen lassen. Seinem Beispiel folgten nun auch die anderen Beiden, während Aramis das von Porthos gesuchte Essen auf den Tisch zauberte. Bevor dieser jedoch zugreifen konnte, schnappte sie sich ein Stück Brot, damit sie nicht hungrig blieb. Langsam ließ sie sich an diesem kauend auf einen weiteren Stuhl sinken und beobachtete ihre drei Freunde. Sie hatte sie wirklich liebgewonnen. Schon seit vollen acht Jahren bestritt sie mit ihnen Aben-teuer. Und doch wussten sie eigentlich nichts von ihr. Wobei sie sich eingestehen musste, dass ihr Jüngster doch sehr viel mehr wusste, als ihre beiden längsten Freunde. Wodurch er ihr Geheimnis entdeckt hatte, blieb ihr bis heute ein Rätsel, wobei sie einen kleinen Verdacht hegte. Doch sobald sie ihn darauf ansprechen wollte, kamen die anderen hinzu. Sie kannte sie nun schon so lange und verheimlichte ihnen dieselbe Zeit ihre wahre Identität: la Comptesse Renée d'Herblay. Um ehrlich zu sein, hatte sie sogar tiefgründige Angst ihnen dieses Geheimnis anzuvertrauen. Angst vor ihren Reaktionen, Angst vor den eigenen Gefühlen, einfach alles machte ihr Angst. Nachdenklich kaute sie auf dem Stück Brot herum und strich über das Amulett, wel-ches sie Menson abgenommen hatte, nachdem sie ihn getötet und somit ihren Verlobten Francois gerecht hatte. Durch ihre geistige Abwesenheit bemerkte sie nicht den durchdringenden Blick, den ihr Athos zuwarf. "Warum hast du Menson eigentlich dieses Amulett abgenommen?", drang Athos' Frage an ihr Ohr. Nur langsam hob sie den Blick und richtete diesen auf ihn. Ihr Blick war für Athos und auch die beiden Anderen, welche ihren Kollegen interessiert ansahen, so ungewohnt. Aus ihm sprach eine Mischung aus Sanftmut, Trauer und Hass. Selten war ihnen so ein gegensätzlicher Blick von ihrem Freund zugeworfen worden. Sie seufzte leise und begann mit leiser Stimme zu sprechen. "Dieses Amulett gehört mir seit dem Tod meiner Eltern. Ich habe es einem guten Freund, Francois, als Zei-chen meiner Freundschaft geschenkt. Eines Nachts wurde Francois überfallen und getötet, dieses Amulett gestohlen. Ich sah noch wie die Mörder verschwanden, erkannte Menson. Ich habe Rache geschworen und bin aus diesem Grund nach Paris gekommen und zu den Musketieren dazu gestoßen. Es hat, wie ihr wisst, Jahre gedauert, aber nun habe ich meine Rache vollzogen und mir dieses wertvolle Erinnerungsstück zurück-geholt." Ihr Blick war unergründlich, als sie die Drei nach ihren Erzählungen anschaute. Sie staunte selbst über ihre Offenheit und Ehrlichkeit, abgesehen von der kleinen Notlüge, dass Francois nur ein guter Freund gewesen war. Und ihre Freunde? Porthos hatte doch wahrhaftig im Essen innegehalten und starrte Aramis mit offenen Mund an. Schließlich schloss er ihn und schluckte schwer. Auch er schien überrascht von der Erzählbereitschaft seines Freundes. Als ihr Blick zu Athos schweifte, traf sie auf einen Blick, der sowohl Mitleid als auch etwas anderes, was sie nicht zu deuten vermochte, beinhaltete. Seine grauen Augen schienen sie genau zu mustern. Doch etwas verlegen, wandt sie ihren Blick zu D'Artagnan, der nur leicht lächelnd nickte, als er ihrem Blick gewahr wurde. Erleichtert flog nun auch ein Lächeln über ihre Lippen und ihr Blick sendete ihm ein stummes Danke. "Mann, Aramis. Warum hast du uns das nie erzählt? Wir dachten schon, du hättest uns verraten, als du frei-willig im Louvre geblieben bist, um Kommandant der Wachen zu werden. Hätten wir gewusst, dass du es nur auf Menson abgesehen hast." Porthos schüttelte unverständlich den Kopf und stopfte sich dann ein Stück Brot in den Mund. Aramis lächelte nun. "Schon gut, Kumpel. Das war eine Angelegenheit zwischen mir und Menson und sie ist erledigt. Ich danke euch natürlich, dass ihr mich so bereitwillig wieder in eure Mitte aufgenommen habt.", grinste sie breit und schlug dem Ältesten der Musketiere freundschaftlich auf die Schulter. Mit einem kurzen Auflachen erhob sich Athos und meinte: "Und wie du das kannst, mein Lieber." Sein Blick war für einen Moment eiskalt, wurde dann jedoch resi-gnierend. "Aber andererseits kann ich ja auch froh sein, dass ich so einen guten Nachfolger habe." Langsam bückte er sich, um seinen Umhang aufzuheben. Die Gesichter seiner Freunde sahen ihn ratlos und irritiert an. "Wie meinst du denn das jetzt?", fragte D'Artagnan mit gerunzelter Stirn. Man sah ihm an, dass ihm unklar war, was Athos mit dieser Bemerkung bezweckte. Doch nicht nur ihm ging es so. Auch Porthos starrte seinen jahrelangen Freund ungläubig und verwirrt an, sogar das Kauen hatte er wieder vergessen. "Das heißt, dass Aramis bald das Kommando übernehmen wird, da ich die Musketiere verlassen werde." Die Gesichter der drei Musketiere entgleisten regelrecht, während sie ihn fassungslos anstarrten. "Warum denn das zum Teufel noch mal? Haben wir dir irgendetwas getan?", brauste Porthos wütend auf, wobei sein Stuhl mit lautem Krachen zu Boden ging und der Tisch unter seinen Fäusten erzitterte. Athos sah ihn mit ruhiger, fast gleichgültiger Mine an. "Ich werde demnächst heiraten und mit meiner Frau Paris verlassen, um in mein Heimatdorf zurückzukeh-ren.", erklärte er mit sachlicher Stimme. Aramis' Augen weiteten sich vor Schreck, doch dann wurde ihr Gesicht starr und ausdruckslos. Auch D'Artagnan hatte die Augen weit aufgerissen und schaute seinen Freund und Lehrer vollkommen überrumpelt an. Sich räuspernd fragte er mit krächzender Stimme: "Heiraten? Frau?" Athos nickte nur knapp. "Das ist doch nicht möglich. Warum erfahren wir erst jetzt, dass du eine Geliebte hast?", klopfte Porthos ihm grinsend auf die Schulter. "Sowas nenn ich echt dreist. Uns sowas zu verheimlichen und sich dann auch noch aus den Staub machen dürfen." Der Blick des stämmigen Mannes hatte sich wieder etwas verfinstert. "Athos, das kannst du doch nicht machen. Wir vier gehören zusammen. Ihr könnt doch auch sehr gut hier in Paris leben.", protestierte D'Artagnan gegen das Vorhaben des Mannes. Er sprach so schnell, dass er kaum selbst hinterher kam. Mit leicht verzweifelter Mine schaute der Gascogner zu Aramis hinüber. "Nun sag du doch auch mal was.", bat er diesen mit flehender Stimme. Doch dessen Blick blieb starr auf Athos gerichtet. Mit kalter Stimme antwortete sie monoton: "Wenn es sein Verlangen ist, ein Familie zu gründen und Paris zu verlassen, können wir schlecht etwas un-ternehmen." Langsam erhob sie sich. "Aber du kannst geflissentlich darauf verzichten, dass ich deine Arbeit mache.", wurde sie laut und ver-schwand Tür knallend im Schlafzimmer. D'Artagnan sprang erschrocken auf und versuchte die Tür zu öff-nen. "Aramis.", rief er, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. In aller Schnelle hatte sie einen Stuhl davor postiert und starrte nun wütend auf diesen, bevor sie ihren Umhang nahm und die Fensterläden weit öffnete. Mit einem kurzen Pfiff rief sie nach ihrem Pferd, was nicht mal eine Minute später unterm Fenster stand. Mit Leichtigkeit sprang sie hinaus in den Regen und landete gekonnt auf dem Rücken ihres Schimmels. Sie gab ihm die Sporen und schon rauschten sie durch den Regen davon. Währenddessen stand D'Artagnan an der Tür und horchte. "Auch gut.", murmelte er schließlich und wandt sich wieder seinen Freunden zu. Diese sahen ihn fragend an. "Er hat nach Fouillont gepfiffen und sich durchs Fenster aus dem Staub gemacht.", erklärte der Gascogner resigniert. Porthos schüttelte schnaubend den Kopf. "Wie ein bockiges Kind. Typisch Aramis.", meinte er und schaute zu Athos, der wie angewurzelt auf die Tür starrte. D'Artagnan bedachte den Ältesten auch mit einem Blick, doch ihm schoß mehr durch den Kopf, dass Aramis sich wie ein zutiefst verletzter und gekränkter Mensch verhalten hatte. In Athos Blick konnte er ge-nau diese Erkenntnis auch wiederfinden. Dem Freund war klar, dass seine Heimlichkeit, was seine zukünfti-ge Frau Susette betraf, diesen Freund schwer getroffen und zutiefst enttäuscht hatte. Athos hatte geahnt, dass mindestens einer seiner Kollegen so reagieren würde, ja dass es sogar Aramis sein würde, war ihm klar. Zu viel verband die Beiden inzwischen. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, mit diesem jungen Mann mehr verbunden zu sein, als mit Porthos, den er wirklich schon seit mehr als einem Jahrzehnt kannte. Es gab so eine Spannung zwischen den Zweien, die über reine Freundschaft hinaus ging. Was vor allem auch daran lag, dass Aramis in manchen Momenten sehr feminin wirkte und auch mit dem Gefühl der weiblichen Wesen handelte. Athos wurde mit einem Male bewusst, was seinen Freund zu so einer Reaktion veranlasst hatte. Mit absoluter Gewissheit und regem Körpereinsatz öffnete er die Tür zum Schlafgemach. Dass seine beiden Kumpanen sich zu Tode erschraken, interessierte ihn nicht im Geringsten. Mit festen Schritten ging er auf eine kleine Holztruhe zu und hob den Deckel leicht an. Was ihm daraus entgegen blitzte, bestätigte seine Vermutung vollends. In nicht mal zwei Minuten war er auf seinem Pferd und rief den verwirrt dreinschauen-den Kollegen zu: "Ich suche ihn. Ich glaube, ich werde etwas mit ihm klären müssen.", und verschwand im dichten Regen. D'Artagnan war klar, was Athos so eben gefunden hatte. Aramis selbst hatte ihm ein Mal das letzte Relikt aus ihrer Zeit als Frau gezeigt. Porthos hingegen starrte dem Musketier ratlos hinterher. "Was hat ihn denn jetzt gebissen?", fragte er und schaute den jungen Gascogner schief an. Der zuckte nur mit den Schultern und hoffte, dass die Beiden heil zurückkamen. "Lass uns ins Hauptquartier reiten und uns bei Treville melden, sonst gibt es wieder Stunk.", grinste er und hielt dem Freund seinen Umhang hin. Mürrisch nahm Porthos diesen entgegen. Zusammen machten sie sich im strömenden Regen auf den Weg in die Höhle des Löwen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)