Mission Erholung von JinShin ================================================================================ Kapitel 5: ----------- MISSION ERHOLUNG - Kapitel 5 "Wie weit seid ihr?" fragte Crawfords tiefe Stimme, als Schuldig sich meldete. Sie waren jetzt seit einer Woche an der Nordsee. "Es geht voran", gab der Telepath bereitwillig Auskunft. Die Gespräche mit dem Amerikaner wurden langsam zur Gewohnheit und er ertappte sich dabei, sich sogar auf sie zu freuen. "Nagis mentale Blockade macht gute Fortschritte." //Leider.// setzte er grinsend für sich in Gedanken hinzu. "Es geht ihm auch physisch immer besser. Frisst wie'n Scheunendrescher." "Wie ein was?" Crawford kannte das deutsche Wort nicht, das Schuldig in die in Japanisch geführte Unterhaltung einbrachte. "Sagt man so." "Aha. Und selbst?" Schuldig stutzte überrascht. Das war das erste Mal, dass Crawford sich nach ihm erkundigte. "Tja. Meine Blockade wird dann wohl Belga testen, wenn ich wieder in München bin." Sein Tonfall ließ keinen Zweifel, wie wenig begeistert er davon war. "Dazu wird er keine Gelegenheit haben", sagte Brad schnell. "Sie haben meiner Teamaufstellung zugestimmt. Ihr beide werdet von Sahlenburg direkt nach Hannover kommen." "Hannover?" "Yes. Wir sind Takatori zugeteilt, einer großen japanischen Firma. Mischen auch in der Politik kräftig mit. In Hannover ist eine Zweigstelle, wo wir eine Weile arbeiten werden. Außerdem soll Mr Takatori Vertrauen zu mir fassen. Er spielt eine wichtige Rolle in unseren Angelegenheiten. In spätestens einem Jahr werden wir in Japan sein. Bisher läuft alles nach Plan." Schuldig jubelte innerlich. Er fühlte sich jetzt schon frei, endlich raus aus dem Rosenkreuz-Knast mit seiner strengen Disziplin! Dafür würde er Crawford ewig dankbar sein. Allerdings nur, wenn dieser sich an sein Wort hielt und keine Chefallüren entwickelte. Schuldig hatte Crawford einige schlaflose Nächte bereitet. Ihn mit Nagi zur Erholung zu schicken war eine Sache, immerhin schien sich Nagi absurderweise in seiner Gegenwart zu entspannen. Eine ganz andere Sache war jedoch, ihn in das Team und mit nach Tokyo zu nehmen. Bis vor kurzem wäre er nie auf diese Idee gekommen. Zu widersprüchlich und unzuverlässlich ging der Telepath aus den Akten hervor. Zudem stand er in dem Ruf, mit Belga sehr vertraulich zu sein. Nagi hatte dazu nur gesagt: "Er hat Angst vor Belga, er mag ihn nicht. Das weiß ich." Crawford hatte den Jungen nachdenklich angesehen, und begonnen sich mit der Idee zu beschäftigen, Schuldig in das Team zu nehmen. Schließlich brauchte er doch gerade andere, die SZ nicht treu ergeben und die wenigstens ansatzweise immun gegen die ausgeklüngelte Bewusstseinsmanipulation der Rosenkreuzer waren. Dass der überdurchschnittlich begabte Telepath in diesem System nicht funktionierte, hieß nicht, dass er für Crawford nicht zu gebrauchen war. Crawford hatte andere Methoden, um sich Loyalität zu sichern. "Lass ihn laufen. Wenn er aus freien Stücken zurückkommt, ist die Freundschaft viel mehr wert. Vorher ist es eigentlich keine Freundschaft." Diese Worte hatte sein Großvater einmal an ihn gerichtet, als er noch ein Kind war und einen verletzten Fuchs gesund gepflegt hatte. Crawford gestattete es sich nicht oft, an seine Vergangenheit zu denken, doch Schuldig erinnerte ihn an diesen Fuchs. Er ließ sich helfen, aber er wahrte die ganze Zeit misstrauisch Abstand. Als er das Tier damals hatte laufen lassen, hatte er es nie wieder gesehen. Schuldig jedoch würde nicht vor ihm davon laufen. Crawford verstand, was in der Akte stand. Und er verstand, mit dem Telepathen umzugehen. Auch wenn es der Achtzehnjährige bei ihren Konversationen an dem nötigen Respekt mangeln ließ. Crawford wusste, daß er auf die Probe gestellt wurde, und er ließ es geschehen. Nun, warum auch nicht. Eigentlich missfiel dem Fünfundzwanzigjährigen der lockere Umgangston gar nicht so sehr. Auch weil es ihn an früher erinnerte, an Zeiten, als er noch Freunde gehabt hatte. Nachdem Crawford nichts antwortete, plauderte Schuldig munter weiter: "Heute fahren wir nach Cuxhaven. Der Chibi braucht irgendso'n Kabel für den Computer und das Handy." Er lachte. "Wieviel hast du dem Hausmeister bezahlt, dass er den Telefonanschluss aus dem Apartment entfernt?" Crawford grinste. "War garantiert auch so schwer genug, Nagi von seinem Laptop zu trennen." "Ging so", sagte Schuldig ausweichend, er wollte nichts von Tatsuomi erzählen. Er wechselte das Thema: "Ich wollt' mir bei der Gelegenheit 'n Leihwagen besorgen." "Aber übertreib's nicht... - was war denn das?" Im Hintergrund hatte Tatsuomi laut gekichert. //Oh, Shit!// Schuldig sah vom Balkon aus zu den beiden Jungen, die vor dem Fernseher saßen und ihre Lieblingszeichentrickserie ansahen, X oder so. Er hatte vergessen, die Balkontür zu schließen. Tatsuomi prustete schon wieder los. Schuldig ging in sein Zimmer und schloss die Tür, während Crawford schweigend auf eine Antwort wartete. Schuldig seufzte innerlich. Jetzt musste er von Nagis "Geheimnis" erzählen. Er konnte schließlich nicht einfach behaupten, dass Nagi in der kurzen Zeit zum Lachsack mutiert sei. Er könnte allerdings sagen, es sei aus dem Fernseher gekommen. Aber ein unbestimmtes Gefühl hielt ihn davon ab, Crawford anzulügen. Eigentlich gehörten ja Treffen mit Gleichaltrigen auch in den Bereich Erholung, fand Schuldig. Ob der Amerikaner diese Meinung aber teilte? Also holte Schuldig tief Luft und begann zu erzählen. Wie sie Tatsuomi am ersten Tag am Strand getroffen hatten. Dass Nagi ungewöhnliches Interesse an dem Jungen entwickelt hatte... und sie seitdem jeden Tag zusammen waren... und Tatsuomi mehr Zeit mit ihnen als mit seinen seltsamen Adoptiv-Eltern verbrachte. Soweit Schuldig feststellen konnte, mochten diese Leute überhaupt keine Kinder - weder im allgemeinen, noch ihren Adoptivsohn. Wenn sie ihn nicht gerade ignorierten oder vernachlässigten, waren sie unerträglich streng zu ihm. In Schuldig erweckte dies schwer auszuhaltende Erinnerungen, also hielt er sich aus ihren Köpfen und Angelegenheiten möglichst heraus. Nagi hingegen hatte einen richtigen Narren an Tatsuomi gefressen. Und Schuldig ließ ihn gewähren. Warum auch nicht? Nagi sollte die gleiche Freiheit haben, die Schuldig sich für sich wünschte. "Schließlich ist er nur ein stinknormaler Junge", schloss der Telepath seine Ausführungen und lauschte auf das Schweigen, das diesem Monolog folgte. Auch Crawford kam die Geschichte seltsam vor. Durch seine Arbeit für Rosenkreuz wusste er nur zu gut, wie schwer es war, ein japanisches Kind mit nach Europa zu nehmen. Auf legalem Weg schlicht unmöglich. "Wie hießen seine Eltern?" fragte er schließlich. "Mauritz." "Nein, die japanischen." "Nanjo." "Aus Tokyo, ja? Sieh doch mal in ihren Erinnerungen nach..." "Natürlich hab' ich das schon", unterbrach der Telepath. "Zwei Polizisten sind in die Schule gekommen. Wirkte alles ganz offiziell. Haben ihm erzählt, seine Eltern wären bei ´nem Autounfall gestorben. Dann sind sie direkt zum Flughafen mit ihm und quatschten ihn voll, von wegen keine Sorge, wir haben schon eine neue Familie für dich, und schon war er in Deutschland. Diese Mauritz-Leute haben ihn gleich am Flughafen abgeholt. Das war vor zwei Jahren. Er hat anfangs ständig versucht, seine Tante anzurufen...", der Telepath lachte kurz, "...aber die Vorwahl für Japan nicht vorweg gewählt. Und jetzt traut er sich nicht mehr, weil er denkt, sie will ihn nicht. Wahrscheinlich hat sie sich das Erbe unter den Nagel gerissen, und wollte ihn los sein. Hatten viel Kohle seine Eltern, und ´ne Riesen-Firma und irgendso'ne berühmte Schule für japanischen Kram mit Schwertern und Stöcken." "Und die Mauritz'?" "Ach, die! Furchtbare Leute! Denken wirklich nicht viel, macht keinen Spaß, die zu lesen. Die wissen auch nicht viel, kriegen von irgendwem Geld, dass sie den Jungen haben." Schuldig mochte nicht zugeben, dass er eigentlich nicht tief nachgesehen hatte. "Sie haben tausend Regeln, was er alles nicht darf. Vor allem, was Japan betrifft. Darum hat Nagi ihnen auch erzählt, er käme aus Vietnam. Mann, der Kleine kann ja lügen wie gedruckt! Mir sind selbst fast die Tränen gekommen, bei der Geschichte, die er denen aufgetischt hat! Na, ich bin jetzt jedenfalls sein Adoptivbruder und heiße Pitt... Tatsuomi glaubt die Geschichte, natürlich außer das mit Vietnam. Er lernt mit uns kanji. Mach dir keine Sorgen, der ist sowas von naiv, der ist keine Gefahr." "Ja. Pass trotzdem auf. - Ich muss jetzt Schluss machen." Als Schuldig zurück zu den Jungen kam, sah Nagi ihn fragend an. Der Telepath grinste. //Dein Tatsuomi ist genehmigt.// Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)