LOST und die Gaststar-Kurzgeschichten von abgemeldet (Aloha Takki Tikki!) ================================================================================ Kapitel 1: Aus der Sicht von Philippe Miseree --------------------------------------------- LOST - aus der Sicht von Philippe Miseree Disclaimer: Lost gehört mir nicht und ich mache kein Geld damit. Gleiches gilt für Philippe Miseree, Molwanien und Takki Tikki. ~*~ Liebes Tagebuch, es ist unglaublich! Da schwimme ich eigenhändig und mit vollem Gepäck im Schlepptau die 38 Kilometer von Takki Tukki nach Takki Tikki - und muß feststellen, daß an meinem bevorzugten Strand eingeölte Ausländer grillen! Einige von ihnen sind halbnackt und sie haben ein schrottreifes Flugzeug (wahrscheinlich irgendeine türkische Airline) auf meinem Sonnenplatz abgestellt! Und es kommt noch schlimmer: Wie ich zu meinem Entsetzen hören muß, sind AMERIKANER darunter! Natürlich habe ich diese dumm-dreisten Pauschaltouristen erstmal gründlich auf Französisch zusammengschnautzt (auch wenn ich sie nicht für wert erachte, den wundervollen Klang meiner geliebten Muttersprache zu hören... *grummel*). Leider hat mir das eine Einladung zum Essen eingebracht. Ich zeige meine Verachtung für ihr verwestlichtes Konserven-Essen, indem ich ordentlich auf den Sand rotze. Immerhin ist Takki Tikki MEINE Insel! ICH war ZUERST hier! Dummerweise hat auch mein durch und durch französisches Rotzen nicht den gewünschten Effekt. Ein mit einer amerikanisch-industriell hergestellten, häßlichen westlichen Billig-Tätowierung verunzierter Mensch kommt zu dem Schluß, daß das ein Hinweis auf meine sexuelle Ausrichtung ist und fängt an, mich zu betatschen. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich sagen, es war fast so etwas wie eine Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung, um herauszufinden, woher der Rotz kam. Tatsächlich schenkt mein neuer Verehrer mir amerikanische Medikamente. Er denkt wohl, daß er mich damit schneller ins Bett kriegt. Aber ich bleibe hart und lasse ihn abblitzen. Auch das nützt nichts. Diese Amerikaner sind so sexbesessen! Als nächstes schleppen sie mir eine leichtbekleidete Blondine an, die für meinen Geschmack allerdings zu sehr nach Luxusweibchen aussieht (rasiert!!!). Sie fängt an, mit einem komischen Akzent zu sprechen - bis ich merke, daß sie versucht, auf Französisch mit mir zu kommunizieren! Habe sie stundenlang ausgelacht und als Zeichen meiner Verachtung meine Füße in den Trinkwasservorräten der Touristen gebadet. Schließlich werde ich von einem unhöflichen Menschen umgeschubst und auf Arabisch angeflucht. Na, DAS ist doch mal eine Herausforderung! Fange sofort an, meine Arabisch-Kenntnisse zu entstauben und erfahre im nachfolgenden Gespräch, daß mein bewundernswerter neuer Freund Sayid Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra heißt. Er erklärt mir, was neuerdings auf meinem schönen Takki Tikki los ist: Die kleine Gruppe verwahrlost aussehender FKKler, die hier alles versaut hat, ist eigentlich nur mit dem Flugzeug abgestürzt (ich sage es ja: Eine türkische Airline!). Sie sitzen seit knapp einer Woche auf der Insel und haben glücklicherweise jemanden, der etwas von der Jagd auf Schweine (meine Schmusetiere!!! Wäääääääääääääääääähhhhhhhhhhhhhhh!!!) versteht, so daß sie noch nicht zum Kannibalismus übergehen mußten. Irrtümlich halten sie den Ort für unbewohnt, ja, sie wissen nicht einmal, wo genau sie sind (kein Wunder - jeder weiß, daß Amerikaner so schlecht in Geographie sind, daß sie Hamburg für die Hauptstadt von Afghanistan halten!) und daß Takki Tikki ehemaliges französisches Atomtestgelände (also eine ganz normale französische Kolonie) ist! Also habe ich Herrn Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra erstmal darüber aufgeklärt, daß sie sich auf einer Insel befinden, deren Name "Pocken und Durchfall et cetera" bedeutet (wobei das i am Ende jedes Wortes immer für "und weiteres" steht; Takki Tukki bedeutet "Pocken und Syphilis et cetera"). Ich erzählte ihm von den wilden tattoonesischen Kriegern, die viel bessere und authentischere Tätowierungen hatten als der Amerikaner, der bei mir schwule Annäherungsversuche gemacht hat. Die Tattoonesen waren nämlich nicht so einfallslos, nur "Mutter" oder "Born to be wild" in ihre Haut ritzen zu lassen, nein, ein jeder Krieger bekam in feiner Detailarbeit eine besondere Stellung auftätowiert (mit Affenkotze und einem rostigen Nagel, nicht auf die übermäßig hygienisch-pingelige, verweichlichte Art des Westens!), so daß die gesamte tattoonesische Armee nicht nur furchterregend aussah (und roch), sondern auch als lebendes Kamasutra gelesen werden konnte! Was für ein Kunstwerk! Nachdem unsere Kolonialtruppen alle Tattoonesen während Flurbereinigungsmaßnahmen getötet hatten, wurden die kostbaren Bildchen zusammengenäht (nachdem man den Tattoonesen die Haut abgezogen hatte, natürlich. Wir sind ja nicht pervers!) und bilden heute den berühmten "Puhtatubumrug", den "Müffelnden tattoonesischen Sex-Flickenteppich", der im Louvre unter Exponatennummer 1724-B-1889 zu sehen ist. Immer noch ein Publikumsmagnet! Die Kulturbanausen am Strand sind wie zu erwarten nicht interessiert. Sie verlangen nur zu wissen, wie man von der Insel runterkommt. Zugegeben, es hat mich einigermaßen beeindruckt, daß die Weichlinge überhaupt so lange durchgehalten haben, aber ihre widerliche Jämmerlichkeit, als sie erfahren, daß sie vielleicht bald in den Westen zurückkehren können, kann nur als abstoßend bezeichnet werden. Andererseits ist mir klar, daß ich den Strand nur dann wieder für mich haben werde, wenn ich sie zum nächsten Hotel bringe. Da es schon langsam dunkel wird, schlage ich vor, unseren Exodus auf den nächsten Morgen zu verschieben. In der Nacht möchte ich jedenfalls nicht im Dschungel herumlaufen - einige der insularen Nagetiere sind infolge der Atomtest recht groß geworden und ich habe nun wirklich keine Lust, von einer 7-Meter-Ratte gefressen zu werden! ~*~ Liebes Tagebuch, Herr Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra hat mir versichert, daß ich am vergangenen Tag tatsächlich nur Opfer einer Hals-Nasen-Ohren-Untersuchung geworden bin, da der Amerikaner, der sich an mir zu schaffen gemacht hat, angeblich Arzt ist. Ich werde trotzdem Vorsicht walten lassen. Ärzte, die junge Damen nicht auf die Gefahren des täglichen Waschens und der Körperenthaarung hinweisen, sind meiner Meinung nach mehr als unqualifiziert. Überhaupt weiß jeder, daß ein amerikanischer College-Absolvent in Frankreich gerade mal die Grundschule geschafft hätte. Nichtsdestotrotz halte ich die Gruppe dazu an, ihre Sachen zusammenzupacken und mir zu folgen. Unser kleiner Trupp setzt sich in Bewegung und Herr Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra erzählt mir, daß die Touristen deshalb so froh waren, mich zu sehen, weil sie einen französischen Notruf empfangen haben und - als sie mich Französisch sprechen hörten - hofften, ich würde zu der Rettungsmannschaft gehören. Ich lasse mir den genauen Wortlaut des Notrufs nachsprechen... und stelle fest, daß es sich um meine vermaledeite Ex-Frau handelt, mit der ich vor 16 Jahren in den Flitterwochen auf Takki Tikki ein kleines Rollenspiel gespielt habe. Wir haben so getan, als wären die Riesenratten keine verstrahlten Säugetiere, sondern Godzilla. Angelique und ich saßen im Malaria-Fieber schwitzend in einer selbstgegrabenen Erdhöhle, draußen erdröhnte das Gestampfe der Nager, die beinahe die Bewaldung entwurzelten und - naja, bei uns wurde auch... die Palme geschüttelt. Ahem. Das waren Ferien, die ich nie vergessen werde! Natürlich gebe ich nichts davon an Herrn Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra weiter, es geht ihn ja schließlich nichts an, wie meine erste Ehe gescheitert ist. Wir überqueren das zentrale Hügelland der Insel; die schwerbeladenen Touristen jammern und ächzen unter unnötigen Mitbringseln wie Wasserkanistern, Erste-Hilfe-Boxen und Kleidung und ich weigere mich weiterhin, Englisch zu sprechen oder zu verstehen. Solche Strandräuber sollte man nicht auch noch ermutigen! Endlich kommen wir zu der verfallenen Hängebrücke, die den Übergang von MEINEM Takki Tikki zum offiziellen Takki Tikki repräsentiert. Dazu muß ich sagen, daß es damals, als ich als erster hierherkam, nur eine morsche Liane gab, um sich über die Schlucht zu schwingen! Nun ja, mit all dem Gepäck und der schwangeren Frau wäre das im Augenblick vermutlich schwierig. Aber die Brücke hält - zumindest so lange, bis das fetteste Mitglied der Gruppe anfängt, darauf auf und ab zu hüpfen, um zu testen, wie elastisch die Halteseile sind. Wir verlieren an diesem Tag drei Zentner Fleisch und Knochen. Ich kann den angeblichen Arzt davon abhalten, in die Schlucht zu klettern und nachzusehen, ob das Fettgeschwabbel noch lebt - keine Chance, da unten halten sich die nachtaktiven Riesenratten während des Tages auf! Wenigestens haben wir sonst keine Verluste zu beklagen. Wir folgen dem Trampelpfad, bis wir die neblige Insel-Autobahn erreichen. Strenggenommen ist es ja eigentlich kein Nebel, der da über dem Land hängt - Nebel ist normalerweise nicht schwarz -, sondern Abgase der mit Holzspähnen betriebenen insularen Kraftfahrzeuge, doch man soll die Sache nicht zu genau nehmen. Die amerikanische Blondine bekommt einen Asthma-Anfall. Der Rest der Gruppe hustet. Meine Lungen, die längst an die Luft hier gewöhnt sind, läßt das ganze kalt und ich führe die armseligen Touristen über die zwölfspurige Straße, die zur Mittagszeit jedoch nur sporadisch befahren wird, Richtung Stadt. Auf Takki Tikki gibt es nur eine Siedlung, die diese Bezeichnung verdient, und die ist gleichzeitig Hauptstadt des Eilands: Fume. Hier ragen seit ein paar Jahren gräßliche Bettenburgen in die Luft (manchmal liegen sie auch auf der Seite, je nachdem, wie windig es gerade ist), dampfen touristen-angepaßte Garküchen vor sich hin und verkaufen Straßenhändler Glasperlenarbeiten aus Plastik-Imitat. Abscheulich! Als ich das erste Mal auf Takki Tikki war, gab es hier noch nichts außer lepraverseuchten Schilfhütten, in denen diarrhoe-geplagte Fischer die heißen Mittagsstunden verschliefen. Man fuhr in von Büffeln gezogenen Karren über die Feldwege, die knietief mit authentischen Kuhfladen (oder eher Büffelfladen; übrigens auch ein beliebtes Heizmittel der Eingeborenen!) bedeckt waren, aß die Früchte des Meeres roh und verbrachte den Abend mit Kopulieren und Palmen-Schnaps-Trinkwettbewerben. Neuerdings gibt es hier schon westliche Ärzte, die dafür gesorgt haben, daß die Bewohner Takki Tikkis gerade Zähne und alle Körperteile vollzählig haben, es gibt Anonyme Alkoholiker, die sich in klimatisierten Räumen treffen und ein Programm zur Eindämmung von Geschlechtskrankheiten, Cholera, Typhus und Malaria. Ganz widerlich! Meine Gruppe ist allerdings vollauf begeistert, als sie des Luxushotels ansichtig wird, das so neu ist, daß selbst ich noch keine Kritik darüber geschrieben habe: Das Fume Hilton! Eine Obszönität sondergleichen! Vor dem Haupteingang stolzieren in Seide gehüllte Prostituierte herum; zu meiner Zeit mußte man die baströckchentragenden Damen des käuflichen Gewerbes noch eigenhändig mit dem Schmetterlingsnetz fangen und sie waren höchstens 15 Jahre alt! Wie ich gerade sehe, ist der Schmetterlingsnetzladen an der Strandpromenade auch verschwunden. Ach, du grausame Welt! Herr Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra will mich überreden, zusammen mit ihm und dem angeblichen Arzt zur amerikanischen Botschaft zu gehen, um von dort aus alle Vorkehrungen für die Heimreise zu treffen; bis ich ihm sage, daß die nächste amerikanische Botschaft sich auf Tukki Tukki befindet, das etwa 9 Tagesreisen auf dem Schiff entfernt ist. Resigniert versuchen die Herrschaften im Fume Hilton einzuchecken, da es auch schon wieder auf den Abend zugeht, doch dummerweise hat niemand von ihnen Geld dabei (und ich auch nicht; und wenn, wäre ich nicht so blöd, es rauszurücken). Was ihnen den Hals rettet, ist die Kreditkarte des Gruppenmitglieds, das die Hängebrücke nicht überlebt hat. Wegen Bedenken, der lebende Blobb könnte mit Rucksack vielleicht doch zu schwer für die wackelige Konstruktion sein, hatte Herr Ramadan-ibn-hatschi-Salamaleikum-ibn-hatschi-Algebra sein Gepäck übernommen, und hat nun glücklicherweise beim Durchsuchen des Inhalts eine Platin-Card gefunden, die ausreicht, um die erforderlichen Luxuszimmer zu mieten, genügend Palmen-Schnaps, verwestliche Edelnutten und Stripteasetänzer, Hanf und Seife anliefern zu lassen und sich einen Anruf nach Tukki Tukki zu leisten. Wie es aussieht, werden diese dummen Amerikaner die Insel noch vor dem Wochenende verlassen. Sie haben mich eingeladen, auch eine Weile im Hotel zu bleiben, aus übergroßer Dankbarkeit et cetera, aber ich habe ihnen nur vor die Füße gespuckt, abgelehnt und noch ein bißchen auf Französisch geflucht. Ich werde mich jetzt auf die Suche nach meiner alten Erdhöhle in Strandnähe machen und im Gedenken an Angelique und unsere kurze, aber heftige Zeit auf Takki Tikki... die Palme schütteln. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)