The beloved 'Loveless' von LeS ('Loveless' is 'Endless') ================================================================================ Kapitel 10: NAMELESS -------------------- A/N: Ein wunderschönes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr wünsche ich all meinen Lesern. Ich habe mich extra bemüht, dieses Kapitel noch vor dem neuen Jahr zu beenden. Seht es also als Weihnachts- oder Neujahrs-Geschenk! :) Ritsuka rannte wie betäubt hinter der Gruppe her, Reika vorne, Yamato gleich hinter ihr, ZERO-male Hand in Hand neben Soubi, der nur wenige Meter vor ihm lief. Seimei lebte also tatsächlich noch. Als sie den Anruf erhalten hatten, hatte er noch auf einen Stimmenverzerrer gehofft. Dass sein Bruder noch lebte, obwohl er ihn hatte brennen sehen? Er schluckte schwer, wobei auch Staub und Überreste alter Spinnennetze in seinen Hals kamen und an seinem Gaumen kleben blieben. Das aufkommende Übelkeitsgefühl und die hochschwappende, sauer schmeckende Magensäure sorgten nicht dafür, dass seine Gedanken klarer wurden, im Gegenteil. Die Umgebung verschwamm ihm vor den Augen. Er spürte nur, wie sie durch grauen Staub rannten, er hörte, wie ihre Schritte in den Gängen hallten und in einiger Entfernung die ersten Dinge zu Bruch gingen. Inzwischen wackelte der Boden unter seinen Füssen schon besorgniserregend. Doch wäre er wohl selbst dann noch weitergerannt, wenn kein Raum mehr dafür gewesen wäre. Der Schmerz in seinen Beinen lenkte ihn etwas von seinen um Seimei kreisenden Gedanken ab, wenn auch nicht genug, dass ihm keine Tränen die Wangen hinunterrannen. Er blinzelte sie fort und beschleunigte seine Schritte. Reika und die Anderen waren schon viel weiter als er, und als er bei ihnen ankam, war er vollkommen aus der Puste. Sein Bruder lebte also. Und er war tatsächlich ein sadistischer, menschverachtender Psychopath, wie Kio es immer erzählt hatte. Reika stand heftig keuchend an eine Wand gelehnt und gestikulierte wild mit den Händen. "Da... da... aufmachen. Bitte." Soubi griff in die Dunkelheit und zog seinen Arm sofort wieder zurück. Verwirrt von Soubis Reaktion griff Ritsuka ebenfalls in die Schwärze und verzog das Gesicht. "Das ist Öl", sagte Reika und zuckte die Achseln. "Alles muss man selber machen hier." Mit einer gekonnten Handbewegung versank ihre Hand in dem schwarz-cremigen Pech und ein Fenster öffnete sich nach innen. "Wer will als erstes?" "Du sicher nicht", meinte Yamato mit einem Blick durch das Fenster, "denn wenn du da einfach so runterspringst, dann brichst du dir nicht einfach nur den Arm." Sie tippte auf den prallen Babybauch. "Wir sollten zuerst runter." Damit sprang sie hinaus. Kaum hatte sie den Boden berührt, heulte sie auf. "Verdammt! Ich hasse Kieselsteine!!" Die ZERO-male kicherten hinter vorgehaltenen Händen, sprangen aber dank Soubis gefährlich blitzenden Augen mehr oder weniger freiwillig als nächste. Nun standen nur noch sie beide und Reika da. Soubi sah ihn fragend an. "Soll ich zuerst?" "Ja, dann kann ich hier oben Reika helfen und du sie unten auffangen." Reika lächelte die beiden an. Sie klopfte Soubi aufmunternd auf die Schultern. "Fall nicht." Als auch Soubi unten angekommen war, setzte sich Reika längs auf die Fensterbank. Er griff nach ihren Händen und drückte sie. "Pass ja auf, verstanden?" "Aye, Sir!", meldete Reika in freudigem Ton und ließ sich von Ritsuka so weit nach unten hängen, wie es ging. Den Rest des Stückes nach unten ließ sie sich fallen. Soubi und Yamato fingen sie gemeinsam auf und zeigten Ritsuka, der die Szene vom Fenster aus beobachtet hatte, das Victory-Zeichen. Wobei dies bei Soubi reichlich amüsant aussah. Für einen Moment dachte er daran, einfach an Ort und Stelle zu bleiben. Er hatte jahrelang nach Seimei gesucht... nach seiner Vergangenheit, nach der Wahrheit. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, hätte er beschlossen, blind bleiben zu wollen. "Komm endlich, der vordere Teil ist schon eingestürzt!", holte ihn Yamato wieder in die Realität zurück. Soubi lächelte ihn sanft an und küsste seine Stirn. Er ignorierte, dass Natsuo und Youji davon wieder zu kichern anfingen, und Reika und Yamato sich breit angrinsten. Vorsichtig ließ er sich mit Soubis Unterstützung zu Boden gleiten. Der Fall war lang gewesen, aber Soubi hatte ihn aufgefangen, sodass ihm nur der Kopf schwirrte, er aber nicht wie die anderen verschrammt war. "Wir sollten Seimei suchen. Hier wird es ohnehin bald zu gefährlich sein", sagte Reika, zum ehemaligen Eingang der Klinik deutend. Alle nickten ihr zu, nur er blieb stumm und starr. Er spürte, wie sich ihr Blick in ihn bohrte. Dann nickte auch er. Wieder dort angekommen, wo sie in das nun knarrende und in sich zusammenfallende Gebäude eingetreten waren, fanden sie zwar nicht Seimei vor, aber augenscheinlich jemanden, den Reika kannte, denn sie blieb wie festgefroren stehen. "Ko-" "Reika, meine Liebe, da bist du ja endlich wieder. Ich habe mir wirklich große Sorgen gemacht. Wie geht es dem Kleinen denn – oder der Kleinen? Weißt du schon, was es wird?" Der Mann in weiß grinste, und zeigte damit seine ungepflegten, schiefen und stellenweise grünen Zähne. "Aizawa." Sie stand stocksteif da, atmete heftig, aber brachte es dennoch irgendwie fertig, so auszusehen, als hätte das hässliche Ungetüm von Mensch keine Wirkung auf sie. "Ich hab mir keine Sorgen gemacht." "Natürlich nicht, du weißt ja, dass ich gut auf mich alleine aufpassen kann." Als Aizawa ein paar Schritte auf sie zuging, stellten sich die ZERO-male schützend vor sie. "Komm nicht näher!", kam es unisono von ihnen. Nicht dass Aizawa davon beeindruckt gewesen wäre, er lächelte sie schlicht an. Doch blieb er erfreulicherweise tatsächlich stehen. Mit lauter Stimme sagte er: "Sind das deine neuen Freunde, Reika?" "Ich verstehe dich sehr gut. Du brauchst nicht zu schreien." Er bleckte die Zähne und zuckte die Achseln. "Ich will doch nur, dass das Baby auch alles mitbekommt. Von seinem Daddy hat es ja noch nicht allzu viel gehört." "Von ihm zu sehen wird es erst rechts nichts bekommen, das schwöre ich beim Namen meiner Mutter, Gott hab sie selig", fuhr Reika ihn an. Ihr Gesicht glühte vor Zorn, inzwischen hatte sie die Hände zu Fäusten geballt. Ritsuka warf ihr einen nervösen Blick zu und ergriff ihre zitternden Fäuste. "Shh", wisperte er, "wir sind ja da. Beruhig dich bitte, Reika." Sie beruhigte sich nicht. Anstatt dessen riss sie sich von Ritsuka los und warf ihm einen bitterbösen Blick zu. "Fass mich nicht an." "Kratzbürstig wie immer", flötete Aizawa, der ein paar Schritte zurückgewichen war, als die ZERO-male auf ihn zukamen. Auch Yamato hatte sich ihnen angeschlossen, und schwenkte die Arme, wie sie es wohl zu oft bei nächtlichen Boxkämpfen gesehen hatte. "Du bist also der Vater von dem ungeborenen Kind? Dass sie dich nicht gebrauchen kann, verstehe ich jetzt noch besser!" "Aber, aber. Das hört sich fast so an, als wäre sie freiwillig geschwängert worden." Er sah sich nach Reika um, die ihrerseits den Kopf stur gesenkt hielt und den Boden anstarrte. Es gab nicht viel zu sehen, außer dass Steinsplitter des zusammenfallenden Gebäudes umhergeweht wurden. "Was definitiv nicht der Fall gewesen ist. Ihr hättet sie sehen soll. Wundervoll, wie ihr die Tränen übers Gesicht gerannt sind." "Halt die Klappe!" Ritsuka konnte spüren, wie sich ihre Hände verkrampften und die Adern unter der Haut hervortraten. "Reika, bitte..." "Wie sie geschrieen hat, es war ein Festmahl einer Vergewaltigung. Seimei war auch ganz entzückt." "Sprich. Nicht. Weiter." Reika sank zu Boden, während Ritsuka schwarz vor Augen wurde. Seimei hatte gewusst, dass Reika vergewaltigt worden war? "Schwangere sind eine Rarität, sie sind oft gut bewacht. Von ihren Männern, von Freundinnen oder Ärzten. Schwer an welche ranzukommen. Also sich selbst ein kleines Mädchen zu besorgen und es zu schwängern ist da viel einfacher. Besonders wenn es so ein Gossenkind ist." "Reika hätte sich niemals so einfach reinlegen lassen", sagte Yamato, Aizawa gefährlich nahe kommend. "Niemals!" "Du weißt doch noch gar nicht, wie ich sie reingelegt habe. Also sag so was nicht, meine Liebe. Wer so verfressen ist wie die da", er zeigte unnötigerweise auf die am Boden sitzende und leer dreinblickende Reika, "der ist leicht rumzukriegen." Bevor Yamato etwas entgegnen hätte können, wurde sie zurückgeschleudert. Heftig keuchend setzte sie sich auf und rieb sich den Staub aus dem Gesicht. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Ritsuka auf Aizawa zuging. Erst als er in Schlagweite war, blieb er stehen. Soubi positionierte sich kampfbereit neben ihm. Doch war es Ritsuka, der statt Soubi das Wort erhob, was ungewöhnlich war, aber definitiv mehr Eindruck schindete. Seine Lippen waren fest zusammengepresst, sodass außer einer schmalen Linie nichts mehr von ihnen zu sehen war. Als er das erste Wort aussprach, konnte man seinen Atem sehen. Yamato fragte sich, ob das, angesichts dessen, dass es dazu nicht kalt genug war, nicht daran lag, dass sein Atem so kalt und die Atmosphäre warm war. Schaudernd hörte sie ihm zu, während die ZERO-male ihr auf die Beine halfen, verschreckt nach vorne schauend. Auch sie waren nach hinten geschleudert worden, nur Reika saß noch wo sie vorher zusammengesunken war. "Aizawa", sagte Ritsuka leise. "Ich würde Ihnen nicht raten, noch einmal so zu reden, solange ich in der Nähe bin." Er lächelte leicht und nickte Soubi zu. "Greif ihn an, Soubi." "Kampfsystem aktiviert", sagte Soubi, während Aizawa sich ängstlich vor ihm wegduckte. "Ausbruch nicht möglich. Bindung an diesen Ort hergestellt. Flucht nicht gestattet." "Bitte, bitte nicht!", flehte der am Boden liegende Aizawa, der nicht imstande war, sich vom Fleck zu rühren. Yamato starrte Ritsuka verblüfft an. "Woher hat er gewusst, dass Aizawa auch ein Fighter ist?" "Er hat sich gut gemacht", stimmten ihr Youji und Natsuo zu, ebenso erstaunt. Da Aizawa sich nicht mehr auf Reika konzentrierte, schlichen sie zu ihr und versuchten sie zum Aufstehen zu bewegen. Als alles Bitten nicht fruchtete, griffen sie ihr wortwörtlich unter die Arme und schleiften sie zu Yamato. "Pass auf sie auf. Wir helfen Soubi und Ritsuka." "Glaubt ihr nicht, sie kommen ganz gut alleine zurecht? Zumindest sieht es mir ganz danach aus." Inzwischen wand sich Aizawa am Boden, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Zwar schrie er nicht, aber Yamato war sich recht sicher, dass er Schmerzen hatte. Soubi sprach so leise, dass sie nicht ausmachen konnte, mit welchen Worten er angriff. Es schien zu reichen, um Aizawa nach kurzer Zeit auszuknocken. Angewidert beobachtete Yamato, die wieder aufgestanden war, wie der bewusstlose Angreifer regungslos dalag und ihm der Speichel aus dem Mund lief. "Gut gemacht", sagte sie; ihre Stimme zitterte leicht. Sie hatte langsam das starke Verlangen, sich zu übergeben. "Danke", sagte Ritsuka und trat Aizawa, sodass sein Gesicht nach oben zeigte. Er sah aus, als hätte man ihn schockgefroren. Erst da bemerkte Yamato, was mit ihm wirklich los war. Doch Reika kam ihr zuvor. Unbemerkt hatte sie sich genähert, gestützt von Youji und Natsuo. "Er ist tot." Keine Emotionen waren ihr abzulesen, so sah Yamato davon ab, ihr Beileid auszusprechen, oder sich darüber zu freuen, dass der Irre tot war. Weshalb auch immer dies so schnell passiert war... Ritsuka hatte Soubi doch wohl kaum befohlen, ihn zu töten? "In der Tat, gute Arbeit." Die Gruppe sah sich verwirrt um. Soubi war derjenige, der zuerst ausgemacht hatte, woher und von wem die Stimme stammte. Zähneknirschend wandte er sich an seinen Ex-Sacrifice. "Seimei." "Da bist du ja wieder", blaffte ihn Yamato an. Ein kläglicher Versuch, die Stimmung zu lockern. "Wo hast du Kouya -... hey!" Seimei ignorierte sie, sagte aber zu Ritsuka: "Du bist wirklich stark geworden. Ich bin beeindruckt." Ohne auf einen Befehl zu warten stellte sich Soubi schützend vor Ritsuka. "Komm ihm nicht zu nahe", sagte er und starrte Seimei finster an. "Ach, Soubi. Ich habe keine Angst vor dir, das weißt du doch." Seimei lächelte herzlich und streckte die Hand nach seinem Bruder aus. Soubi schlug sie weg. Seufzend fuhr Seimei fort, als wäre nichts weiter gewesen. "Du bist groß geworden, Ritsuka." "Nicht so groß wie du", sagte Ritsuka, nicht imstande, das Zittern in seiner Stimme zurückzudrängen. Als ob seine Zunge ein Eigenleben führen würde. "Aber das ist nicht, weswegen wir dir hierher gefolgt sind und uns beinahe haben unter deiner... deiner Leichensammelstelle begraben lassen." "Leichensammelstelle?", gluckste Seimei. "Wie amüsant. Eine Sammelstelle trifft es allerdings ganz gut. Vielleicht hätte ich das Schild auswechseln lassen sollen. Aber jetzt ist es wohl auch egal, wo nur noch ein Schrotthaufen übrig ist." Er sah zu dem eingestürzten Gebäude hinüber, aus dem noch immer Staubwolken quollen, einige davon fluoreszierten im Mondschein sobald sie aus den Steinen herausfanden. "Wo ist Kouya?", versuchte Yamato sich in das Gespräch einzuschalten. Seimei schien sie nicht hören zu können. Oder er war einfach nur arrogant. Yamato war sich nicht sicher, ob sie Ritsuka zuliebe Ersteres denken wollte. "Bist du taub oder was?!" "Lass gut sein, Yamato", sagte Reika, die sich augenscheinlich schon wieder erholt hatte. Etwas weiß war sie im Gesicht noch, aber ihre Stimme war fester als Ritsukas. "So wird er uns keine Geheimnisse offenbaren. Nur wenn er will, dass etwas geschieht, wird hier etwas geschehen." Yamato hatte gut Lust, auf die Trümmer einzuschlagen oder zu schreien. Beides ließ sie bleiben und wartete darauf, dass Seimei seine kleine Rede an seinen Bruder beenden würde und sie dann hoffentlich dort hinführen würde. Dorthin, wo Kouya war. Langsam aber sicher schwand Yamatos Optimismus, dass sie noch am Leben sein könnte gewaltig. Sie spürte, wie Reika nach ihrer Hand griff. Etwas unwillig nahm sie die tröstende Geste an. Vielleicht brauchte Reika aber auch selbst eine Hand, die sie halten konnte, um eine Stütze zu haben. "Also", sagte Seimei unvermittelt. Yamato sah interessiert auf, während sich Youji und Natsuo hinter ihr und Reika verbargen. Ganz geheuer war ihnen Seimei nicht. Aber damit waren sie nicht alleine. "Ritsuka, du bist gekommen, um deiner kleinen Freundin hier einen Gefallen zu tun, nicht?" "Richtig", antwortete Ritsuka wahrheitsgemäß, wenn er sich auch nicht sicher war, was diese Frage bedeuten sollte. Natürlich war er gekommen, um Yamato zu helfen – oder eher noch Kouya, die in größeren Schwierigkeiten stecken musste. "Du versteckst ihre Partnerin." "Ihre Partnerin? Nein, das tue ich nicht. Dieses Mädchen", er deutete auf Yamato, die aufgrund dieser unerwarteten Geste zusammenzuckte und sich irritiert umsah, "hat keinen Namen mehr auf oder in sich." "Nicht allen ist es so wichtig, dass eine Narbe den Körper des Menschen ziert, der einem am wichtigsten ist." Soubi fuhr sich über das Wort 'Beloved', das Seimei einst in ihn eingeritzt hatte. "Man kann sich auch ohne Schmerz einem Menschen nahe genug fühlen. Man kann auch ohne physische Zeichen und Taten zu einem anderen Menschen gehören und ihn nie wieder gehen lassen wollen." Ritsuka nickte Soubi lächelnd zu. "Das kann man." Dann wandte er sich an Seimei. "Zeig uns, wo Kouya ist und wir lassen dich vielleicht am Leben." Seimei lachte schallend auf. "Das glaubst du wohl selbst nicht! Jahrelang hast du verzweifelt nach mir gesucht, und jetzt willst du mir weismachen, ich, dein geliebter Bruder, könnte von dir getötet werden?" "Nicht von ihm", sagte Reika, ihre Stimme so kalt wie ein Winterabend unter einem Polarlicht. "Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ich jemanden töte. Wenn er es natürlich selbst tun will, würde ich ihm den Vortritt lassen und dich einfach später sezieren statt lebendig zu häuten." Seimei lachte nicht mehr, sondern zog die Unterlippe nach innen und kaute auf ihr herum. Nachdem er einen Hautfaden abgezogen hatte, sprach er weiter. "Wenn du meinst." "Das meine ich nicht nur, ich meine das sogar vollkommen ernst." ZERO-males kurzes Kichern erstarb alsbald, da Seimei sie fixierte. "Seid ihr nicht die, die nichts spüren können?" Natsuo und Youji starrten zurück, doch fiel ihnen darauf keine gute Antwort ein. Sie spürten ja tatsächlich nichts. Betroffen sahen sie zu Boden. Etwas Besseres wollte ihnen partout nicht einfallen, und die Scham stieg ihnen ins Gesicht. "Könnten wir uns mal langsam auf die wichtigeren Dinge konzentrieren?", grummelte Yamato, die aussah, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Reika konnte man dafür ansehen, dass sie die plötzliche Verletzlichkeit Yamatos zutiefst erschreckte. Fahrig strich sie ihr in einem Versuch sie zu unterstützen über den Rücken. "Na, wer wird denn gleich so herumschreien? Ich werde euch noch früh genug dorthin bringen." "Wohin ist dorthin?", sagte Ritsuka, der langsam auf Seimei zuging. Soubi hatte ihn zunächst zurückhalten wollen, doch hatte sich Ritsuka aus seinem Griff gelöst. Der giftige Blick hatte selbst Soubi das Blut in den Adern gefrieren lassen. Gerade als er direkt vor Seimei stand, blickte dieser zu ihm herab. Der Ausdruck auf seinem Gesicht gefiel Ritsuka gar nicht. Soubi wohl auch nicht, da er sich schnell hinter Ritsuka stellte, um im Fall der Fälle wenigstens Rückendeckung geben zu können. Seimei streckte die Hand aus und strich Ritsuka über die Wange. Für einen Moment zog sich Ritsukas Brust so sehr zusammen, dass er fürchtete ihm würden die Rippen in seine Organe stechen. "Mein geliebter kleiner Bruder... du bist so groß geworden. Aber ob du schon groß genug bist, um das zu sehen, was auf dich zukommen wird?" "Wir wollen Kouya sehen, nicht meine Zukunft", fauchte Ritsuka und schlug Seimeis Hand fort. Amüsiert lachte Seimei in sich hinein. "Oh, natürlich. Ich Dummerchen. Dann solltet ihr mir dorthin folgen." "Verdammt noch mal, wohin sollen wir dir folgen, du sagst uns ja nichts!", schrie Yamato, die dafür zustimmendes Nicken von den ZERO-male und Reika erntete. "Und wenn du uns schon nichts sagen willst, dann marschier wenigstens los. Oder was auch immer nötig dafür ist, zu ihr zu kommen!" "Beruhige dich, du törichtes Möchtegern-Sacrifice." Yamatos Stimme überschlug sich. "Ich bin kein Möchtegern-Sacrifice! Du bist eines, denn dir ist dein Fighter vollkommen egal! Schon immer gewesen!!" "Selbst wenn es so wäre, geht dich das nichts an." Seimei leckte sich über die Lippen. "Übrigens, wir müssen uns nicht von der Stelle bewegen, um dorthin zu kommen." Soubi schob Ritsuka hinter sich. "Wie meinst du das?" "Um die Dimension zu wechseln müssen nur dumme Kreaturen sich bewegen." Er sah zu Youji und Natsuo, deren wütender unisono Herzschlag die Stimmung weiter drückte. "Ich würde also empfehlen, dass die Dummen sich jetzt zu den Schlauen stellen, damit sie nicht verloren gehen." "Tut, was er sagt." Soubi winkte Yamato, Reika und ZERO-male zu sich. "Seine Einschätzung von dumm und klug ist schlicht falsch", ein freundliches Lächeln umspielte seine Lippen, "was er gerade gemeint hat ist, dass die Psychopathen sich nicht von der Stelle bewegen müssen." Seimeis wolfsgleicher Schwanz senkte sich und wirbelte Staub vom Boden auf. "So kann man es natürlich auch sagen." "Welche Dimension sollen wir denn nun betreten?", sagte Yamato, deren Stimme recht nasal und rau klang. Noch immer hielt sie sich an Reika fest, und diese an ihr. "Ihr werdet sie sicher mögen. Es ist eine sehr, wie soll ich sagen, nichtssagende Dimension. Also passend für ZERO." Reika blickte ihn skeptisch an. "Ich bin aber kein ZERO-Fighter oder Sacrifice. Nicht mal von der gewöhnlichen Sorte." "Wie sicher bist du dir da?" Reika, die bis eben noch düster dreingeschaut hatte, starrte Seimei mit weit aufgerissenen Augen an. "Ich bin nicht einer von euch. Nie im Leben." "Im Leben vielleicht nicht. Aber hast du schon mal überlegt, ob und was danach kommt?" Er formte mit seinen Händen eine leuchtende Kugel aus dem Nichts, die er zwischen ihm und Ritsuka schweben ließ. "Wer weiß schon, zu was du zu nutzen sein wirst, wenn du erst mal das Zeitliche gesegnet hast. Vielleicht wirst du dann endlich einen Sinn im 'Leben' haben." Die Kugel wurde größer. Ritsuka dachte an den leichten Stromschlag, den er verspürt hatte, als er versucht hatte, Soubis neuen PC anzuschließen. Genau so fühlte sich die Materie an, die sie zu umschließen drohte. "Hast du vor uns zu töten?", fragte er leise. "Ich liebe es, Pläne zu schmieden. Aber genau so sehr liebe ich offene Enden. Entweder werde ich euch bis zum Ende eurer Tage in dieser Dimension quälen" - nun waren schon Reika und Yamato vollständig in der Kugel gefangen - "oder ich werde euch töten." "Oder wir dich", sagte Reika, auch wenn es ihr einige Mühe bereitete, die Zunge zu bewegen. Die elektrischen Ströme der Dimension korrelierten mit der ihrer eigenen und führten zu etwas, das ein Arzt wohl als minderschweren epileptischen Anfall bezeichnet hätte. Seimeis Antwort hörte sie kaum mehr, nur noch ein undeutliches Murmeln drang an ihr Ohr. Sie sah schemenhaft, wie die anderen der Reihe nach in Ohnmacht fielen. Dann wurde ihr selbst schwarz vor den Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)