Spieglein, Spieglein von July-chan (meine Deutschhausaugabe^^) ================================================================================ Spieglein, Spieglein... ----------------------- Joa, viel Spaß ^^° Kurzgeschichte: Spieglein, Spieglein... Seufzend sah Leonie von dem Buch auf, welches sie gerade noch, vollkommen mitgerissen gelesen hatte. Das Feuer im Kamin war erloschen, sie musste es rasch wieder anzünden bevor die eisige Kälte in das alte Gemäuer einzog. Ungewöhnlich, war es alle Mal, dass man in einer Bibliothek mit Feuer heizte, aber das Schloss, das als solche diente, hatte weder fließendes Wasser, noch Heizung oder sonstigen "modernen Schnickschnack anzubieten. Jedoch noch ungewöhnlicher war es wahrscheinlich, dass Leonie hier mit kaum Gesellschaft lebte. Ein fünfzehnjähriges Mädchen, beinahe ganz allein in einem riesigen Schloss. So etwas sah man nicht oft. Wenn man es überhaupt jemals zu Gesicht bekam, denn es war strengstens verboten das Gebäude zu betreten, seitdem hier mehrere Menschen spurlos verschwunden waren. Die Türen und Fenster waren lieblos mit morschen Brettern vernagelt worden und all die schönen Bücher hatte man den "finsteren Gestalten" überlassen, die hier angeblich hausten. Leonie war nie die Sorte Mensch gewesen, die sich um irgendwelche Wesen, die nur in der Fantasie der Dorfbewohner existierten, scherte. Trotzdem war sie froh, dass die Menschen hier immer noch ebenso abergläubisch waren wie im Mittelalter. Und so überstürzt dafür gesorgt hatten, dass niemand mehr das Schloss betrat. So hatten die wenigen Bewohner ihre Ruhe und Leonie langweilte sich nicht zu Tode. Sich zu Tode langweilen. Wie achtlos ein so unheimlich bedeutendes Wort wie Tod doch verwandt wurde, ging es ihr durch den Kopf und sie betrachtete mit einem leicht verbitterten Lächeln ihr verzerrtes und verblasstes Spiegelbild in der angelaufenen, einstmals silbern glänzenden Weihnachtsbaumkugel, die irgendwie unpassend erschien, wie sie da an der nadellosen, vertrockneten Tanne vom Vorjahr baumelte. Der runde, gläserne Körper war hier genauso fehl am Platze wie Leonie, so schien es ihr. Ein kleiner, frostiger Windstoß, der durch eine Ritze an dem Fenster neben ihr eindrang, erinnerte sie daran, dass die furchtbaren Ereignisse mittlerweile fast ein Jahr zurücklagen. Bald wieder Weihnachten. Leonie hörte die Glocken im Kirchturm sechs schlagen. Abendandacht. Gleich würde die Fünfzehnjährige raus gehen und sich etwas zu Essen besorgen; sie wollte sich immer noch nicht eingestehen, was das bedeutete. Stehlen, hieß es. Stehlen, denn sie hatte weder Geld, noch durfte sie sich tagsüber, wenn die Geschäfte geöffnet hatten sehen lassen, schließlich war sie eine der scheinbar Verschollenen. Nicht einmal mit ihren Eltern konnte sie reden, oder sie zumindest sehen. Sie vermisste sie so schrecklich! Ihren Vater, mit seinen ewigen Belehrungen, seiner unverbesserlichen Sturheit, die sie geerbt hatte, und seinem Chaos, über das ihre Mutter sich immer wieder aufregte und das Leonie auch selbst oft veranstaltete. Sie vermisste sogar sein Gebrüll, wenn sie ihn, ohne es zu wollen, erschreckt hatte, indem sie nicht mit einem lauten "Hallo Papa!" in den Raum getrampelt war. Ihre Mutter, ihre Schreikrämpfe, die sie regelmäßig bekam, wenn sie Leonies Zimmer betreten hatte; die Drohungen, die Sicherung am Computer heraus zu drehen; ihren Putzwahn, von dem meist nicht mal Leonies Saustall sicher war, obwohl diese immer wieder betonte, dass sie auf ein steriles Krankenhausfeeling auch gut und gerne verzichtete. Sie sehnte sich sogar nach all den langweiligen Aufklärungsversuchen, die ihre Mutter stets gestartet hatte, wenn im Radio oder Fernsehen mal wieder von einer ungewollten Schwangerschaft oder ähnlichem hörte. Ihre Großmutter, deren spendable Ader, wenn Leonie auch nur die geringste Bemerkung fallen ließ, sie hätte Mangel an Klamotten; die scheinbar nie endenden Diskussionen über Leonies Unglauben; die spannenden und mitreißenden Geschichten über den zweiten Weltkrieg und die Schule, wie sie früher war. Selbst die kratzenden, rosafarbenen Strickpullover würde sie liebend gerne wieder einmal anziehen. Leonie sah den Unfall noch immer ganz genau vor ihrem inneren Auge. Den Zebrastreifen, den Bus, das schneeweiße Gesicht des Fahrers, der nicht rechtzeitig hatte Bremsen können, aber vor allem die Schreie. Verzweiflung, Schrecken, Angst hallten in ihren Ohren. An alles danach erinnerte sie sich weniger detailliert. Sie war ziemlich sicher, dass nicht einmal ein Krankenwagen gekommen war. Nur die Polizeisirene glaubte sie gehört zu haben. Von da an waten die Bruchstücke von Gehörtem und Gesehenem so verstreut wie die Scherben eines Spiegels, der vom höchsten Turm des Schlosses gefallen war. Glockenläuten, leise Gebete, ein hölzerner Sarg. Unendlich viele Tränen. Plötzlich blitzte etwas in Leonies grünen Augen auf. Erkenntnis, Antwort, Lösung... es konnte doch gar nicht so schwer sein zu töten, oder? -Vor allem nicht, mit der Gewissheit dadurch ihre geliebten Eltern und ihre Großmutter wieder zu sehen. Es war wirklich verführerisch. Und so einfach... "Und so egoistisch und feige.", sagte sie laut. Einerseits, um die Stille zu durchbrechen, die Einsamkeit erträglicher zu machen, andererseits, um sich selbst eine Widerrede nachdrücklich zu untersagen. Mord und Tod waren keine Lösungen und Einsamkeit keine Ausrede. Sie selbst hasste das Wort Tod, und wie leichtfertig die Menschen über ihn richten konnten. Wenn sie ihrer Sehnsucht, dem Verlangen, der Chance nachgäbe, würde sie sich nachher nur selbst hassen und außerdem könnte sie sich niemals vor ihren Eltern dafür verantworten. Nein. Leonie Zimmer würde das alles durchstehen. Früher oder später sah sie sie wieder. Ganz sicher. Früher oder später... Ein leises Piepsen ließ Leonie aus ihren traurigen Gedanken hoch schrecken. "Ach Conan. Du bist es.", sie streichelte sanfte und behutsam die Maus und lächelte wieder, doch dieses Mal nicht verbittert, sondern resignierend. "Dich habe ich ja noch, nicht wahr...?" Das kleine Tierchen bestätigte mit einem weiteren Piepsen, obwohl Leonie keine Antwort gebraucht hätte. Die Fünfzehnjährige schaute wieder hoch in die Weihnachtsbaumkugel. Aus dem beinahe vollkommen erloschenen Spiegelbild glitzerten ihr im Kerzenschein zwei scharfe Eckzähne entgegen... +>>>>>>>ENDE<<<<<<<+ by J-c ^.~ Ich weiß, dass Vampire kein Spiegelbild haben. Hab das jetzt so verändert, dass das Spiegelbild in ca. einem Jahr erlischt. ^^" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)